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I LÜNEBURG
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EINFÜHRUNG IN DIE
VERERBUNGS-
WISSENSCHAFT
IN ZWEIUNDZWANZIG VORLESUNGEN
FÜR STUDIERENDE, ÄRZTE, ZÜCHTER
VON
Dr. RICHARD GOLDSCHMIDT
A. O. PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT
MÜNCHEN
ZWEITE VÖLLIG UMGEARBEITETE UND STARK VERMEHRTE AUFLAGE
MIT 189 ABBILDUNGEN
2>- 6/72/7 Witscht
LEIPZIG UND BERLIN
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1913
COPYRIGHT 1913 BY WILHELM ENGELMANN, LEIPZIG.
Vorwort zur I. Auflage.
Vorliegendes Buch ist, wie schon seine Form besagt, aus Univer-
sitätsvorlesungen hervorgegangen. Es hat sich zum Ziel gesetzt, che
erste Einführung in ein Gebiet der Biologie zu vermitteln, das heute
wohl im Mittelpunkt des Interesses steht, und in gleicher Weise für
den Zoologen und Botaniker, wie für den Arzt, den praktischen Züchter,
den Anthropologen und Soziologen bedeutungsvoll erscheint. Die vielen
Berührungspunkte, die die Vererbungslehre mit so verschiedenen
Wissensgebieten hat, erfordern es, daß ihre Darstellung dem auch
Rechnung trägt. Trotzdem wurde wo es irgend anging, das zoologische
Material in den Vordergrund gestellt, wenn ich mich auch bemühte,
der führenden botanischen Schwesterwissenschaft nach Kräften gerecht
zu werden.
Seinem Charakter als Einführung entsprechend, bietet das Buch
keineswegs eine vollständige Materialsammlung des behandelten Ge-
bietes, sondern eine geeignete Auswahl, die aber wohl alle wesent-
lichen Tatsachen wenigstens an einem Beispiel illustriert. Ebenso
wurde speziell in dem die Variation behandelnden Teil auf ausführ-
liche Darstellung der Methodik verzichtet, von der nur das Elementarste
kurz mitgeteilt ist. Das konnte um so besser geschehen, als sie in
Johannsens Elementen der exakten Erblichkeitslehre eine meister-
hafte und unübertreffliche Darstellung erfuhr. Mir kam es vor allem
darauf an, das biologische Tatsachenmaterial in logischer Verknüpfung
zu geben.
Auf einem Gebiet, in dem alles so in Fluß ist, wie es bei der
Vererbungslehre der Fall ist, ist es nicht leicht möglich, das Tatsachen-
material vollständig objektiv vorzuführen. Seine Verknüpfung zu
einem Ganzen erfordert es, daß zu allgemeineren Problemen in be-
stimmter Weise Stellung genommen wird. So fehlt auch in den fol-
genden Vorlesungen hier und dort ein subjektiver Zug nicht; wenn
— IV —
die dabei zutage tretenden Anschauungen nicht immer mit den augen-
blicklich herrschenden übereinstimmen, so dürften doch auch die
entgegengesetzten Auffassungen stets objektiv hervortreten. Der
Fachmann, der das Buch in die Hand bekommen sollte, wird außer-
dem hie und da sowohl Tatsachen finden, die eigenen im Gang be-
findlichen Untersuchungen entstammen, wie auch neue Interpretationen
der Befunde anderer.
Wieviel die Darstellung des Mendelismus dem Standardwerk der
modernen Bas'a'dforschung, Batesons Mendel's Principles of Heredity,
verdankt, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden.
Ich habe mich in diesem Kapitel bemüht, möglichst häufig die wirk-
lichen Zahlenangaben für die vorgeführten Beispiele zu geben, so daß
der Leser selbst die Richtigkeit der Interpretationen kontrollieren
kann. Es wurde ferner in Anlehnung an einen Vorschlag Längs
versucht, eine einheitliche Schreibweise der Buchstabensymbole durch-
zuführen, die von den Autoren bald dieser, bald jener Sprache ent-
lehnt werden. Es wurden stets die Anfangsbuchstaben der lateinischen
Bezeichnung der betrachteten Eigenschaft gewählt, die sich ohnedies
oft mit sonst ben atzten Symbolen decken.
Es ist mir schließlich eine angenehme Pflicht, allen denen zu
danken, die mich bei der Arbeit unterstützten, vor allem mir durch
Überlassung von Werken aus ihrer Bibliothek vielen Zeitaufwand
ersparten, nämlich den Herren Prof f. Doflein, Göbel, Hertwig,
Maas, N eres hei m er, Poll, S'emon. Besonderen Dank schulde
ich endlich meinem Verleger Herrn Wilhelm Engelmann für sein
liebenswürdiges Eingehen auf alle meine Wünsche.
München, den i. Mai 1911.
Vorwort zur 2, Auflage»
Trotzdem die Bearbeitung dieser Auflage bereits ein Jahr nach
Erscheinen der ersten in Angriff genommen wurde, erwies sich eine
beträchtliche Umgestaltung des Buchs als notwendig. Teils war es
der schnelle Fortschritt der Wissenschaft, teils eigene bessere Kenntnis
und Erkenntnis, teils didaktische Gesichtspunkte, die dazu nötigten.
Die letzteren haben vor allem eine andere Anordnung des Stoffes be-
dingt, die ein leichteres Aufbauen des Materials ermöglicht. Auf die
Variationslehre folgt jetzt direkt der Mendelismus. An ihn schließt
sich die Geschlechtsbestimmung an, ein Kapitel, dem auch alles Zyto-
logische eingeordnet ist. Erst dann folgt Mutation und Vererbung
erworbener Eigenschaften.
Nur wenige Kapitel haben keine wesentlichen Änderungen erfahren ;
aber auch bei ihnen wurde in Gliederung und Darstellung nach größerer
Schärfe und Klarheit gestrebt. Es sind dies hauptsächlich die ersten
sieben Vorlesungen. Die den Mendelismus behandelnden Vorlesungen
enthalten viele neue Einfügungen und Änderungen, die durch neuere
Forschungen bedingt sind. Sie finden sich hauptsächlich in der n.
und 12. Vorlesung. Ganz neu ist, bis auf einige herübergenommene
Stellen, die 13. Vorlesung. Ebenso sind die das Problem der Geschlechts-
bestimmung behandelnden Vorlesungen völlig neu geschrieben, wenn
auch überall mehr oder minder große Bruchstücke der alten Dar-
stellung aufgenommen sind. Ich glaube damit eine wirklich einheit-
liche Darstellung des verwickelten Gegenstandes gegeben zu haben.
Auch die Darstellung der Mutationslehre und der Frage nach der
Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften ist stark umgearbeitet. Be-
sonders in letzterer Frage habe ich mich bemüht, die Sachlage objektiv
und doch auch wieder subjektiv möglichst klar herauszuarbeiten. Die
letzte Vorlesung über die Vererbung beim Menschen wurde wieder
neu hinzugefügt.
— VI —
Eine Reihe von Abbildungen mußten verschwinden, zahlreiche neue
wurden hinzugefügt, so daß die Gesamtzahl sich um 28 erhöhte.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, schließlich allen Helfern bei
der Arbeit meinen herzlichsten Dank zu sagen: Doz. Dr. Nilsson-
Ehle für die Ablassung einer authentischen Darstellung der Svalöfer
Versuche (S. 130, 131), Herrn Dr. Witschi für seine Hilfe bei der
Ergänzung des Literaturverzeichnisses und Herrn Dr. O. Köhler für
seine mir höchst wertvolle kritische Hilfe beim Lesen der Korrekturen.
Auch dem Verleger, Herrn W. Engelmann, gebührt für jegliches Ent-
gegenkommen mein Dank.
München, den 1. Oktober 1913.
R. Goldschmidt.
Inhalt,
I. Einleitung.
A: Darwin und seine Nachfolge
Sei tc
B. Die Zelle als materielles Substrat der Vererbungsei -
scheinungen.
i. Die mitotische Zellteilung 6
2. Der Kern als Vererbungssitz.
a. Die Chromosomen als Vererbungsträger 9
b. Die qualitative Verschiedenheit der Chromosomen. . . 14
LI. Die Variabilität.
A. Die Tatsachen der Variabilität.
1. Das Queteletsche Gesetz 18
2. Die graphische Darstellung der Variabilität 26
3. Das Maß der Variabilität 30
B. Die Ursachen der Variabilität.
1. Die Ableitung aus dem Gaußschen Fehlergesetz ^,^
2. Die Reaktion des Individuums auf die Umwelt .... 38
a. Temperatur 39
b. Feuchtigkeit 42
c. Nahrung ^2
d. Funktionelle Anpassung 44
3. Das Wesen der variabeln Eigenschaft: Die Reaktionsnorm 47
a. Lebenslage und Variationskurve 48
«. Standortsvariation 51
ß. Experimentelles 55
y. Embryonale Variation 59
b. Experimentelle Beeinflussung des Maßes der Variabilität 60
c. Innere Faktoren und Variabilität 67
a. Amphimixis 67
ß. Verschiedenheit nach Art, Organ, Entwicklungsstufe,
Geschlecht 68
y. Ludwigs Kurven 71
ö. Reaktionsnorm und Präinduktion 73
e. Chemische Basis der Variabilität 75
— VIII —
Seite
C. Die Bedeutung der statistischen Methode für die
Variabilitätslehre.
i. Ihre Anwendung auf biologische Probleme 77
a. Homogame Vermehrung 78
b. Korrelation 79
c. Zuchtwahl 85
d. Art- und Rassenf ragen 87
2. Die Grenzen der Methode.
a. Die mehrgipfligen Kurven und ihre Bedeutung .... 92
b. Fester Dimorphismus 98
D. Galtons Gesetz vom Rückschlag und Ahnenerbe.
1. Galtons Begründung 102
2. Statistische und biologische Gesetze 114
3. Johannsens Kritik des Gesetzes 119
a. Genotypus und Phänotypus 120
b. Nichteinheitlichkeit des Materials 121
E. Die Selektion in Population und reinen Linien.
1. Johannsens Studien 123
2. Folgerungen: Population und Biotypus 127
3. Die Tatsachen aus der züchterischen Praxis und dem Tier-
reich 129
a. Die Svalöfer Linien L3°
b. Reine Linien und Klone x33
• c. Elementare Rassen 136
III. Die Bastardierung als Mittel zur Analyse der Erblichkeit.
A. Die ältere Bastardforschung 142
B. Mendelismus.
1. Mendels Untersuchungen und die Zahlenkonsequenzen des
Spaltungsgesetzes I4^
2. Die Ergebnisse der Mendelistischen Forschung,
a. Die Dominanzregel.
a. Die reine Dominanz und ihr Wesen 160
a«. Dominante Eigenschaften 161
ßß. Die Presence-Absence-Hypothese 162
yy. Idiosynkrasien l&3
&&. Homo- und Heterozygote 164
ß. Unvollständige, fluktuierende und wechselnde Domi-
nanz I^7
y. Das intermediäre Verhalten 169
&. Die Mosaikbastarde 171
e. Die Ursachen der Dominanz, ihre Erforschung im
biologischen und entwicklungsmechanischen Experi-
ment I73
— IX —
b. Das Spaltungsgesetz. Seite
a. Einfache Fälle von Mono- und Dihybridismus.
«a. Mono- und Dihybridismus mit Dominanz und
mit intermediärem Verhalten 183
ßß. Die Xenien 194
yy. Anwendungen 195
ß. Das Auftreten von Neuheiten nach Bastardierung . 199
(ca. Neuheiten durch Neukombination von Eigen-
schaften 200
ßß. Neuheiten durch Bedingtsein einer Eigenschaft
durch mehrere Faktoren 207
yy. Neuheiten durch epistatische Beeinflussung . .213
t)t)'. Neuheiten durch heterozygote Mosaikbildung . 216
y. Das Nilsson-Ehlesche Prinzip 219
d\ Gametische Korrelation 221
(ca. Faktorenkoppelung 222
ßß. Faktorenabstoßung 223
yy-. Gemeinsamkeiten 226
c. Die Analyse der Erbfaktoren und die Erbformeln. . . 228
d. Die Reinheit der Gameten 233
3. Die Frage der konstanten Bastardformen 236
a. Intermediäre. Art- und Varietätsbastarde 237
b. Differenz reziproker Kreuzungen 241
c. Die Möglichkeit reinzüchtender Bastarde im Pflanzen-
und Tierreich 245
d. Mendelistische Erklärung scheinbar konstanter Bastarde 250
«. Castles Kaninchenkreuzungen 250
ß. Die Polymeriehypothese 252
y. Die Spaltung bei fluktuierend variabeln Eigenschaften 256
4. Ergänzungen und Ungeklärtes 2G1
a. Wechselnde Potenz von Erbfaktoren 262
b. Natürliche Variabilität durch Faktorenkombination . . 265
c. Neukonstruktion durch Faktoreninterferenz 268
d. Luxurieren der Bastarde 271
e. Unfruchtbarkeit der Bastarde 272
f. Lebensunfähige Kombinationen 273
g. Heterozygote Konstruktion und gekoppelte Faktoren . 274
h. Bastardierungsgesetze und Tierzucht 276
IV. Das Problem der Geschlechtsbestimmung.
A. Die Vererbung des Geschlechts 281
1. Die Geschlechtsvererbung als Mendelsche Rückkreuzung . 282
a. Die geschlechtsbegrenzte Vererbung 283
b. Die sekundären Geschlechtscharaktere 289
Seite
a. Ihre Beziehungen zur Geschlechtsdrüse 290
ß. Ihre Vererbung 293
aa. Mendelsche Formulierung . . , 294
ßß. Gynandromorphismus 295
c. Folgerungen auf die Geschlechtsvererbung 298
2. Die parallelen Ergebnisse der Zellforschung 299
a. Mendelismus und Chromosomen 301
(c. Verhalten der Chromosomen bei der Reifung und
Befruchtung 301
ß. Anwendung auf die Mendelspaltung 308
aa. bei Monohybridismus 308
ßß. bei Dihybridismus 310
yy. bei Polyhybridismus 313
b. Chromosomen und Geschlechtsbestimmung 317
ct. Die X-Chromosomen 317
aa. Der typische Fall 318
ßß. Varianten 320
ß. Die Geschlechtschromosomen als Träger der Ge-
schlechtsfaktoren 322
aa. Schwierigkeiten und ihre Überwindung .... 323
ßß. Geschlechtsbegrenzte Vererbung und Chromo-
somenlehre 326
yy. Verschiedenartige Konsequenzen.
aaa. Geschlechtsbegrenzte Mutation 333
ßßß. Geschlechtspolymorphismus 334
yyy. Kombination mit Nilsson-Ehles Prinzip . . 337
SS. Das Crossing-over 343
c. Die Geschlechtschromosomen bei zyklischer Fortpflanzung 344
a. Heterogonie 344
ß. Zwittrigkeit 344
y. Correns Bryoniafall 346
B. Die Bestimmung des Geschlechts 31 8
1. Ältere Betrachtungsweise 348
a. Das Geschlechtsverhältnis 349
b. Die metagame Bestimmung 350
c. Die syngame Bestimmung 351
d. Die progame Bestimmung 353
2. Die Möglichkeiten der Geschlechtsbestimmung 358
a. Geschlechtsbestimmung durch Potenzverschiebung . . 358
a. Biologische Tatsachen . . , 359
ß. Experimentelle Daten 363
aa. syngame Verschiebung 363
ßß. metagame Verschiebung 3^5
— XI —
Seite
y. Störung des normalen Potenzverhältnisses durch Fak-
torenkombination 367
b. Geschlechtsbestimmung durch Beeinflussung der über-
geordneten Faktoren 369
v.. Parthenogenese und Geschlecht 370
ß. Experimente an Tieren mit zyklischer Fortpflanzung 372
y. Eingriffe in den Vererbungsmechanismus 382
ö\ Geschlechtliche und ungeschlechtliche Fortpflanzung. 384
V. Pfropfbastarde und Chimären.
A. Tierreich 386
B. Pflanzenreich 388
1. Der Cytisus Ada'mi 38S
2. Der Crataegomespilus . v 399
3. Die Bizzarria 390
4. Tomaten = Nachtschatten 392
VI. Die Mutation und die Vererbung erworbener Eigenschaften.
A. Die Mutationslehre 401
1. Sports und Sprungvariationen 401
a. Ältere Anschauungen 402
b. Korschinskys Material 403
c. Tierische Sports 409
d. Knospenvariation 414
2. Die de Vriessche Mutationstheorie 415
a. Die Mutation der Oenothera 415
b. Die Zahl der Mutanten 420
c. Erhaltenbleiben der Mutanten in der Natur 422
3. Kritik des Oenotherafalls und Schwierigkeiten 423
4. Mutation durch Faktorenausfall 428
B. Die Möglichkeiten der Entstehung neuer Eigenschaften . . . 430
1. Die Ursachen der Mutation 431
2. Das quantitative Verhalten der Mutante zur Stammart . .437
3. Die Möglichkeit der Vererbung erworbener Eigenschaften . 43S
a. Historisches 438
b. Weismanns Keimplasmalehre 440
a. Verhältnis von Soma zu Keimplasma 441
ß. Beziehung zur Genotypenlehre 444
c. Einwände prinzipieller Natur 444
«. Heterozygotie und Vererbung erworbener Eigen-
schaften 444
ß. Die Annahme der Parallelinduktion 445
— XII —
Seite
d. Tatsachenmaterial 447
a. Übertragung von Stoffen auf die Geschlechtszellen . 447
ß. Die Versuche über somatische Induktion ..... 451
an. Gebrauch und Nichtgebrauch 451
ßß. Instinktveränderungen 453
yy. Lebenslagevariation 458
ö. Schlußfolgerungen 169
4. Die Telegonie 471
VII. Die Vererbungsgesetze und der Mensch.
A. Die menschliche Population 473
B. Die Mendelschen Gesetze beim Menschen f75
1. Der gewöhnliche Vererbungstypus 475
2. Dominante Eigenschaften 476
3. Rezessive Eigenschaften 478
4. Geschlechtsbegrenzte Eigenschaften 481
5. Schwierigkeiten 484
Literaturverzeichnis 486
Register 536
Erste Vorlesung.
Der Begriff der Genetik. Die Zelle als materielles Substrat der
Vererbungserscheinungen.
Die Biologie stand in den letzten 50 Jahren, der Zeit ihres größten
Aufschwungs, unter dem alles überragenden Einfluß jenes großen
Gedanken- und Tatsachengebäudes, das man in seiner Gesamtheit als
die Abstammungslehre bezeichnet. Durch die geniale Begründung und
Ausarbeitung, die ihr Darwin gegeben hatte, wurde sie befähigt, in
kürzester Zeit sich die gesamte Biologie zu erobern und ihre Gesichts-
punkte zum Leitstern aller weiteren Forschungen zu machen. So wurde
die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts in allen Disziplinen unserer
Wissenschaft ein darwinistisches Zeitalter. Systematik und vergleichende
Anatomie, Entwicklungsgeschichte, Tiergeographie und allgemeine
Biologie, Anthropologie und zum Teil sogar die Physiologie entnahmen
die entscheidenden Gesichtspunkte für ihre Forscherarbeit jener Lehre.
Und nicht zu ihrem Schaden, denn die Kenntnisse, die in jener Zeit dem
Bestand der Wissenschaft zugefügt wurden und die unabhängig von dem
jeweiligen Gesichtspunkte der Betrachtung ihren dauernden Tatsachen-
wert besitzen, sind von bewundernswertem Umfange. Gewiß hatte diese
Entwicklung auch ihre Schattenseiten; wie jede große und fruchtbare
Idee, so hatte auch die Abstammungslehre ein gutes Teil ihres Wesens
der schöpferischen Phantasie zu verdanken. Und so wiederholte sich
auch hier das, was uns die Geschichte der Menschheit bei jeder großen
geistigen Bewegung bemerken läßt : der entfesselte Strom überschritt
seine Grenzen. Es kam die Sturm- und Drangzeit unserer Wissenschaft,
die erweckte Phantasie hielt vielfach nicht die ihr gesteckten Grenzen
ein, Theorien bekamen den Wert von Tatsachen, Umschreibungen
durften als wissenschaftliche Erklärungen gelten. Und nun folgte wie
immer die Ernüchterung und mit ihr die Rückkehr zum Ausgangspunkt.
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. I
— 2 —
Darwin selbst war in jenen Wirbel, der besonders die deutsche Wissen-
schaft erfaßt hatte, nicht mit hineingezogen worden. Er blieb bei der
vorsichtigen Prüfung seiner Gedanken durch möglichst gründliche Ver-
suche. Und wenn wir jetzt uns wieder mehr und mehr daran machen,
zuerst die Grundlagen der Abstammungslehre exakt zu erforschen,
ehe der weitere Aufbau in Betracht kommt, so bedeutet das eine Fort-
führung von Darwins Lebenswerk in dessen ureigenstem Sinn.
Im Mittelpunkt der Abstammungslehre steht die Annahme der Ver-
änderlichkeit der Art: die uns als konstant erscheinenden Tier- und
Pflanzenformen sind es nicht, sondern unterliegen der Möglichkeit der
Umwandlung und Weiterentwicklung zu anderen Formen. Nach Dar-
wins Annahme hat diese Veränderlichkeit zur Grundlage die Tatsache,
daß die verschiedenen Individuen einer Tierart nicht völlig wesens-
gleich sind, sondern in kleinen Merkmalen sich voneinander unter-
scheiden, daß sie variieren. Das Lebewesen ist aber im allgemeinen
seiner Umgebung angepaßt. Beziehen sich nun die Valvationen auf
Eigenschaften, die für das Angepaßtsein von Bedeutung sind, so können
sich geringfügige Veränderungen für den Organismus nützlich oder
schädlich erweisen. Träger schädlicher Eigenschaften, also schlecht
angepaßte Varianten, werden aber nach Darwin durch die natürliche
Zuchtwahl, die nur Brauchbarem den Bestand ermöglicht, ausgemerzt
und nur die mit Nützlichem, gut Angepaßtem Ausgestatteten bleiben
im Kampf ums Dasein erhalten. Pflanzen diese sich fort, so übertragen
sie ihre günstigen Anlagen auf die Nachkommenschaft, und da bei dieser
der gleiche Prozeß statthat, so bilden sich die Arten allmählich zu besser
Angepaßtem, somit Höherem um.
Es ist daraus klar zu ersehen, daß sich die Grundlagen der Abstam-
mungslehre um drei große Zentren gruppieren: die Fragen der Variation,
der Anpassung, der Vererbung. Es muß festgestellt werden, ob und
in welchem Umfang die von Darwin postulierte Veränderlichkeit
besteht und zwar sowohl die Veränderlichkeit innerhalb einer Art als
auch von einer Form zu einer anderen. Es muß dann nach den Ur-
sachen solcher Veränderlichkeit geforscht und womöglich versucht
werden, sie in die Hand des experimentierenden Forschers zu be-
kommen. Sodann erhebt sich die Frage des Angepaßtseins an die
— 3 —
Umgebung und die Wirkung der Auslese der weniger Angepaßten.
Soll eine solche irgendeine Bedeutung haben, so ist die Voraussetzung
die, daß die erhalten gebliebenen Variationen vererbt werden. Und
da liegt das Kardinalproblem des Ganzen: was wird vererbt, wie wird
vererbt. Eine jede Erforschung der Grundlagen der Abstammungslehre
muß sich um diesen Punkt gruppieren, um das Vererbungsproblem, und
mit Recht hat man es daher überhaupt als das zentrale Problem der
ganzen Biologie bezeichnet. Hat es doch auch nach allen Seiten hin
Beziehungen, bildet es doch auch einen wesentlichen Faktor für die Ver-
bindung der Biologie mit ihren Tochterwissenschaften, der Medizin, der
Soziologie, der Landwirtschaft.
Die neuere Zeit hat nun die Erforschung aller jener Dinge, die seit
Darwin etwas zurückgetreten war und nur von einer Minderzahl von
Forschern, mehr Botanikern als Zoologen, gepflegt wurde, wieder in
den Vordergrund des Interesses gebracht. Einmal war es die Erkennt-
nis, daß weitere wesentliche Fortschritte der Biologie in erster Linie
nur auf dem Wege des biologischen Experiments erzielt werden können.
War Darwin selbst zweifellos der größte experimentierende Biologe
seines Jahrhunderts gewesen, so hatten seine Nachfolger, verlockt von
der unübersehbaren Fülle des vor ihnen ausgebreiteten Beobachtungs-
materials, sich zunächst an dessen Durcharbeitung gemacht. Erst als
hier bereits die wesentlichsten Erfolge erzielt waren, konnte durch die
zum Teil in bewußtem Gegensatz zum herrschenden Darwinismus
stehende Entwicklungsmechanik die experimentelle Methode in der
Biologie wieder betont werden. Ein weiterer Faktor ist in der exakten
Grundlage gegeben, die die Erblichkeitsforschung durch die Bemühung
der Variationsstatistik erhielt, die mathematische Genauigkeit in dies
Wissensgebiet einführte. Als dritten Hauptfaktor, der das Interesse auf
die Erblichkeit und ihre Nachbarfragen konzentrierte, muß man die
Entdeckung oder richtiger die besondere W7ertung der Mutationen durch
de Vries bezeichnen, die ganz neue Möglichkeiten für die Lösung
unserer Fragen auftauchen ließ. Und endlich ist es die Wiederent-
deckung der Mendelschen Bastardierungsregeln, die auf eine Fülle
von Dingen Licht warf und der Vererbungsforschung eine ganz neue
Domäne eröffnete. So stehen wir denn jetzt in einer Zeit, in der sich
innerhalb des Riesengebietes der Biologie ein Giund abgrenzt, an dessen
Bebauung sich die besten Kräfte abmühen. Seinen Mittelpunkt bildet
die Erblichkeitslehre, um die herum sich alle jene Probleme gruppieren,
die ohne sie nicht gelöst werden können. In England hat Bateson
für unsere neueroberte Wissenschaft die Bezeichnung genetics ein-
geführt und wir können sie mit dem gleichen griechischen Wort als
Genetik bezeichnen, die Wissenschaft von dem Werden der Orga-
nismen.
Die Genetik ist in erster Linie eine exakte Wissenschaft und mit
vollem Recht heben ihre führenden Vertreter hervor, daß sie nur die
Aufgabe hat, exakte Tatsachen auf dem Wege der Beobachtung und
des Experiments festzustellen. Sie rücken damit bewußt ab von der
eben verflossenen Zeit, in der gerade die Erblichkeitslehre ein beliebter
Tummelplatz für phantastische Spekulationen war. Man darf aber auch
darin nicht ungerecht sein: jene Ideengebäude, vor allem Weismanns
Lebenswerk, haben viel dazu beigetragen, die Fragestellungen unserer
Wissenschaft ins richtige Licht zu rücken und wurden so vielfach der
eigentliche Ausgangspunkt für die exakte Forschung. Und so sollte
man auch jetzt nicht vollständig auf gewisse Dinge verzichten, die nur
auf dem Wege des Schlusses gewonnen der exakten Beweisführung nicht
zugängig sind, sofern sie nur geeignet sind, weitere Anregungen zu geben
oder uns sonst schwierige Vorstellungen zu erleichtern. Wenn wir uns
dabei der Grenzen zwischen Tatsache und Hypothese bewußt bleiben,
und uns davor hüten, eine Hypothese auf eine andere zu stützen, kann
eine den Tatsachen untergelegte Idee uns sogar in der reinen Tatsachen-
forschung höchst förderlich sein. Wenden wir nun einmal diese An-
schauung auf einen konkreten Fall an und suchen uns für die Erblich-
keitslehre einen Ausgangspunkt, der in richtiger Weise Tatsachen und
Ideen verbindet.
Die Frage, die in einfachster Form das Wesen des Vererbungs-
problems foimuliert, lautet: Warum sind die Nachkommen ihren
Eltern wesensgleich ? Die naive Antwort würde sein, weil sie Fleisch von
ihrem Fleisch und Bein von ihrem Bein sind. Und sie tiifft wirklich
den Kern des Ganzen: der Ausgangspunkt für die Entstehung der
Nachkommen ist in einem körperlichen Teil der Eltern gegeben, in dem,
5
was man ihre Geschlechtszellen nennt. Em jeder Organismus bringt zum
Zweck der Fortpflanzung — umHvir dürfen hier von der ungeschlecht-
lichen Fortpflanzung absehen — Geschlechtszellen oder Gameten her-
vor, im weiblichen Geschlecht die Eizellen, im männlichen die Samen-
zellen. Im typischen Fall geht aus deren Vereinigung bei der Befruch-
tung das neue Individuum, der Tochterorganismus hervor. Ein Seeigel
entlaß: seine Eizellen ins Wasser, wo sie von den Samenzellen eines
anderen befruchtet werden. Aus ihnen entwickeln sich dann neue Seeigel
und zwar werden sich, was auch mit den Eiern passiert, wenn sie sich
überhaupt entwickeln, nur Seeigel aus ihnen bilden. In dem befruchteten
Ei müssen also bereits alle jene Eigenschaften als Möglichkeiten enthalten
sein, die später die Spezies Seeigel ausmachen. Für die experimentelle
Erforschung der Vererbungserscheinungen könnte uns diese Tatsache
zunächst völlig genügen. Weitere Vorstellungen darüber, wo und wie
sich jene Anlagen der erblichen Eigenschaften in den Geschlechtszellen
finden, sind uns vorerst nicht erforderlich. Wir können sie mit Weis-
mann Determinanten nennen oder auch mit Johannsen sagen, daß
sie in den Geschlechtszellen sich als Erbeinheiten finden, über deren
Natur sich nichts aussagen laß:, mit denen wir keinerlei bestimmte
materielle oder andere Vorstellung verbinden können, und die wir deshalb
mit einem nichts Weiteres involvierenden Namen als Gene bezeichnen.
Für die Forschung ist eine derartige Voraussetzungslosigkeit in der Tat
wünschenswert, soweit es sich um experimentellbiologische Studien
handelt. Für den Lernenden trifft das nicht zu. Er wird leichter Dinge
verstehen, mit denen er konkrete Vorstellungen verbindet und so braucht
er sie auch nicht zu verschmähen, besonders wenn sie ihm in Gestalt
eines so imposanten Tatsachengebäudes entgegentreten, wie es die
Zellenlehre in ihrer Beziehung zu den Vererbungserscheinungen darstellt.
Wenn wir heute versuchen, uns von dieser Seite her eine Grundlage für
das Verständnis der Erblichkeitsfragen zu verschaffen, so wollen wir uns
über den Hauptzweck klar sein, nämlich den didaktischen. Wie überall
in der Wissenschaft, steht auch hier oft Tatsache gegen Tatsache, Mei-
nung gegen Meinung. Für das, was wir erreichen wollen, kann es nicht
unsere Aufgabe sein, uns in den Streit des Tages einzulassen. Denn
nicht als solche soll uns hier die Zellenlehre interessieren, sondern nur
als die materielle Grundlage der eigentlichen Tatsachen der Genetik,
die uns hier nur so weit beschäftigt, als sie geeignet ist, uns das Ver-
ständnis für die biologischen Phänomene zu erleichtern. Wir werden
uns daher nur an die sichergestellten Tatsachen halten, die in ihrer Ge-
samtheit geeignet sind, uns klare Vorstellungen über die materiellen
Grundlagen der Vererbungserscheinungen zu geben, auf die Gefahr hin,
früher oder später einmal lernen zu müssen, daß die Vorstellungen nicht
in allen Teilen richtig waren. Klar und konsequent aber sind sie, wie
wir sogleich erkennen werden. Und selbst bei vorsichtigster Wertung
können wir jetzt schon sagen, daß die Grundideen immer mehr an Sicher-
heit gewinnen und daß die fruchtbare Verbindung von experimenteller
und cycologischer Forschung, von der wir später Interessantes hören
werden, den Tag nicht mehr allzufern erscheinen läßt, an dem wir auf
wirklich sicherem Boden aufbauen werden.
Wir haben schon gehört, daß in der Regel ein Organismus sich aus
einer befruchteten Eizelle entwickelt. Rein zellulär betrachtet unter-
scheiden sich nun die Geschlechtszellen in nichts Wesentlichem von all
den anderen Zellen, die den Körper der Lebewesen zusammensetzen.
Wissen wir doch auch, daß unter Umständen eine gewöhnliche Körper-
zelle ebenfalls imstande ist, einen neuen Organismus zu reproduzieren.
Aus einem kleinen herausgeschnittenen Stück des Kiemenkorbs der
Ascidie Clavellina kann sich das ganze Tier regenerieren, den Kiemen-
zellen kommt also hier die gleiche Fähigkeit zu wie den Geschlechts-
zellen. Wir dürfen also annehmen, daß die für die Vererbung in Betracht
kommenden Zellbestandteile sich im wesentlichen in jeder Zelle vor-
finden. (Daß dies allerdings nicht so ganz selbstverständlich ist, werden
wir später erfahren.) Wie können wir nun Anhaltepunkte gewinnen,
wo sie in der Zelle zu suchen sind?
Das was dem Forscher, der die Lebenserscheinungen der Zelle stu-
diert, immer wieder als das Merkwürdigste entgegentritt, ist die Fähigkeit
der Zelle, sich durch Teilung zu vermehren und diese Teilung auf eine
höchst eigentümliche Art durchzuführen. Die Teilung besteht darin,
daß die beiden Hauptbestandteile der Zelle, der Zelleib oder das Proto-
plasma und der Zellkern halbiert werden und so zwei Tochterzellen
entstehen, die außer in der zunächst geringeren Größe genau der Mutter-
zelle gleichen. Nun verläuft aber in der überwältigenden Mehrzahl der
tierischen und pflanzlichen Zellen der Teilungsprozeß nicht als eine ein-
fache Halbierung, sondern in der komplizierten Weise, die umstehende
Figur i darstellt, dem Vorgang der Karyokinese. Die Teilung wird
dadurch eingeleitet, daß neben dem Kern sich im Umkreis eines Körn-
chens, des Centrosoms, eine Strahlenfigur bildet, die durch die Teilung
des Centrosoms sich bald verdoppelt und in ihre beiden Hälften aus-
einanderweichend zwei gegenüberliegende Pole der Zelle einnimmt.
Inzwischen haben im Innern des Kerns komplizierte Umlagerungen
seiner wichtigsten Substanz stattgefunden, die man wegen ihrer Neigung,
gewisse Farbstoffe festzuhalten, Chromatin nennt, und die damit
enden, daß sich eine bestimmte Anzahl, sagen wir vier, festere Schleifen
ausbilden, die vielgenannten Chromosomen. Nun löst sich der Kern
auf, und die Chromosomen ordnen sich in einer Reihe im Äquator der
zweipoligen Strahlenfigur an. Dann wird ein jedes Chromosom der Länge
nach gespalten, so daß jetzt je zwei Spalthälften einander gegenüber
liegen, und diese beginnen sich zu trennen und nach den beiden Zellpolen
auseinander zu wandern, bis sie nahe bei den Centrosomen angelangt
sind. Jetzt aber verläuft der ganze Prozeß wieder rückwärts, die Chro-
mosomen verlieren ihre individuelle Abgrenzung, es bildet sich aus ihnen
ein neuer Kern, die Strahlung erlischt und es sind zwei Zellen von gleicher
Art wie die Ausgangszellen gebildet.
Überlegen wir nun einmal, was dieser komplizierte Vorgang be-
deuten kann, welchen Vorzug er etwa vor einer einfachen Durchschnürung
von Zelle und Kern hat. Es wurde der ganze geformte Inhalt des Kerns
in Chromosomenschleifen zusammengefaßt und diese durch eine Spaltung
verteilt: das besagt, daß der Kerninhalt oder richtiger seine färbbare
Substanz, das Chromatin, in einer ganz besonders exakten Weise verteilt
wird. Stellen wir uns vor, wir erhielten die Aufgabe, einen Sack mit
Bohnen auf zwei Hälften zu verteilen. Wir könnten es so ausführen,
daß wir den Sack in der Mitte durchschnürten und so in zwei gleiche
Hälften zerlegten. Sehr genau wäre allerdings diese Teilung nicht.
Besser wäre es, wir zählten die Bohnen ab und legten die Hälfte auf
jede Seite; dann hätten wir in der Tat gleiche Zahlen, aber die eine Bohne
ist groß, die andere klein, die eine sehr nährstoffhaltig, die andere ver-
8 —
Fig. i.
Schema der mitotischen Zellteilung, i — 3 Bildung der Chromosomen im Kern, 4 Auf-
lösung des Kerns, 5, 6 Bildung der Aequatorialplatte, 7, 8, 10 Auseinanderweichen der
Tochterplatteu, 9, 11, 12 Rekonstruktion der Tochterkerne. Gez. von Dr. Dingler.
— 9 —
dorben, kurz, unsere beiden Haufen wären immer noch nicht völlig
gleich. Wirklich gut geteilt hätten wir erst, wenn jede Bohne der Länge
nach halbiert und die Hälften verteilt würden. Das Beispiel zeigt uns
klar, daß die Einteilung des Kerninhalts in Chromosomen und deren
Verteilung durch Spaltung nichts anderes bezwecken kann, als die be-
treffende Substanz des Kerns möglichst genau auf die Tochterzellen zu
verteilen. Der Schluß liegt also nahe, daß hier in den Chromosomen
Qualitäten der Zelle lokalisiert sein müssen, die zu ihrem notwendigen
Bestand gehören. Die allererste Eigenschaft einer jeden Zelle ist aber,
daß sie eine Artzelle ist : jede Zelle eines Hundes ist nur Hundezelle, jede
Zelle einer Linde nur Lindenzelle. Dürfte also nicht auch noch weiterhin
geschlossen werden, daß wir hier in den Chromosomen die Träger der das
Wesen der Art ausmachenden erblichen Eigenschaften zu sehen haben?
Wollen wir diese Annahme erweisen, so müssen wir zunächst einmal
den Beweis dafür führen, daß der Zellkern, in dem sich ja nur bei der
Teilung die Chromosomen erkennen lassen, der Träger der erblichen
Eigenschaften ist. Der Beweis läßt sich mit größter Wahrscheinlichkeit
aus den Erscheinungen der normalen wie der experimentell beeinflußten
Befruchtung führen. Bei der Befruchtung dringt eine männliche Samen-
zelle in die weibliche Eizelle ein. Beide Zellen, die sogenannten Gameten,
bestehen trotz verschiedener äußerer Form aus den typischen Bestand-
teilen der Zelle, Kern und Protoplasma. Nun zeigen viele Samenzellen
die Form eines langen Fadens, dessen besonders gestaltetes Vorderende,
der Kopf, den Kern darstellt, wie seine Entstehung lehrt, das übrige
aber, Mittelstück und Schwanz, dem Protoplasma entspricht. In vielen
Fällen wird nun beobachtet, daß bei der Befruchtung nur der Kopf in
die Eizelle dringt (und ganz entsprechend bei den höheren Pflanzen nur
der Kern des Pollenschlauchs), der Schwanz aber abgeworfen wird.
Innerhalb des Eiprotoplasmas nimmt dann der Kopf die Gestalt eines
gewöhnlichen Kerns an und verschmilzt mit dem Kern der Eizelle. Der
wesentliche Vorgang bei der Befruchtung ist also eine Verschmelzung
des väterlichen mit dem mütterlichen Kern. Da bei der Befruchtung
die Eigenschaften beider Eltern auf die Nachkommen übertragen werden,
so müssen diese Eigenschaften in irgendeiner Weise in den Kernen der
Gameten enthalten sein.
— 10 —
Im Kern dürfen wir also mit Recht die Träger der Vererbung suchen.
Wo sie dort liegen, zeigt ein weiter eindringendes Studium der Befruch-
tung. Wir sagten, daß bei ihr die Kerne der Gameten verschmelzen.
Oft ist dies aber nicht ganz wörtlich zu nehmen, vielmehr bleiben die
Kerne zunächst nebeneinander liegen. Die weitere Entwicklung zum
Organismus, die nach der Befruchtung einsetzt, besteht nun in einer
unübersehbaren Folge von Zellteilungen, deren erste bald nach der Be-
fruchtung eintritt. Da kann es denn sein, daß die Zellteilungsfigur sich
bildet, ohne daß die beiden Kerne miteinander verschmolzen sind und
da tritt das gleiche ein, wie bei jeder anderen Zellteilung, die Chromo-
somen bilden sich aus. Aber nun bilden sie sich in jedem Kern getrennt
aus, in dem nebenstehend abgebildeten Beispiel (Fig. 2) je zwei in jedem
Kern. Die fertige Zellteilungsfigur enthält also eine Anzahl, hier vier
Chromosomen, von denen die Hälfte von der Eizelle, die Hälfte von der
Samenzelle stammt. Bei der nun folgenden Teilung werden alle der
Länge nach gespalten und auf die Tochterzellen verteilt. Es erhält
somit eine jede Tochterzelle zur Hälfte väterliche und zur anderen Hälfte
mütterliche Chromosomen und ebenso geht es bei jeder weiteren Zell-
teilung. Nun werden bei der Befruchtung die Eigenschaften beider
Eltern auf die Nachkommen vererbt. Das, was die Zellen der Nach-
kommen in gleicher Weise von beiden Eltern besitzen, sind aber nur
die Chromosomen und somit müssen wir schließen, daß auch in den
Chromosomen die betreffenden Eigenschaften lokalisiert sein müssen.
Wir haben nun bisher keinen besondern Wert auf die Zahl der Chro-
mosomen gelegt. Und doch ist diese nicht etwa gleichgültig. Es zeigt
sich vielmehr, daß sie bei allen Tier- und Pflanzenarten eine typisch
konstante ist. Ein Pferdespulwurm zeigt in seinen sich teilenden Zellen
vier, ein Mensch in allen Zellen, welche es auch seien, 24, eine Tomate
auch 24, ein Nachtschatten aber 72 und so fort.
Kurzum jede Art von Lebewesen besitzt eine für sie charakteristische
Chromosomenzahl in den Kernen ihrer Zellen. Nun haben wir gehört,
daß bei der Befruchtung zwei solche Kerne sich miteinander vereinigen.
Hätten sie auch die typische Zahl, so wäre nach der Befruchtung in der
Zelle die doppelte Anzahl vorhanden. Alle Zellen der Nachkommen-
schaft, also auch ihre Geschlechtszellen bärgen jetzt die doppelte Chro-
11 —
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mosomenzahl und wenn sie sich wieder bei der Befruchtung vereinigten,
so bekäme die Enkelgeneration bereits die vierfache Zahl und so fort.
Soll das nicht eintreten, und tatsächlich ist ja die Chromosomenzahl eine
konstante, so kann es nur auf einem Wege erreicht werden; es muß eine
Einrichtung bestehen, die bewirkt, daß in den Geschlechtszellen vor
ihrer Vereinigung die Chromosomenzahl auf die Hälfte herabgesetzt
wird. Nur so kann nach der Befruchtung immer noch die Normalzahl
gewahrt bleiben. Tatsächlich findet sich eine solche Einrichtung, be-
stehend in einer besonderen Teilung, die eine jede Geschlechtszelle durch-
machen muß, bevor sie befruchtungsfähig wird, der Reduktionsteilung,
deren besonderer Mechanismus so verläuft, daß durch sie die Hälfte der
Chromosomen aus der Zelle entfernt wird. Eine jede befruchtungsfähige
Geschlechtszelle enthält also nur die Hälfte der normalen Chromo-
somenzahl.
Nun wissen wir, daß die Chromosomen die Vererbungsträger sind
und jetzt sehen wir, daß typisch die Hälfte von ihnen in den Gameten
entfernt werden. Da taucht die Frage auf, ob dabei nicht die Erbmasse
eine Beeinträchtigung erfährt oder ob besondere Einrichtungen ge-
troffen sind, sie zu verhindern. Gehen wir einmal von dem tatsächlich
beobachteten Fall aus, daß sich die verschiedenen Chromosomen einer
Zelle voneinander unterscheiden lassen und zwar nach Größe und Form.
Die Gameten enthielten ein solches Sortiment von Chromosomen, z. B.
vier verschiedene. Da die beiderlei Geschlechtszellen vollständig wesens-
gleich sind, so werden wir in beiden genau das gleiche Sortiment vor-
finden. Wenn sich nun bei der Befruchtung die Gameten vereinigen,
so enthält das befruchtete Ei und somit jede der aus ihm sich entwickeln-
den Zellen des Körpers acht Chromosomen, von denen sich immer je
zwei gleichen. Man könnte die acht Elemente zu vier Paaren anordnen,
und in jedem identischen Paar wäre der eine Partner väterlicher, der
andere mütterlicher Herkunft, wie nebenstehendes Schema (Fig. 3)
zeigt. Wenn nun die Geschlechtszellen dieses Individuums sich an-
schicken, jene Reduktionsteilung durchzumachen, durch die ihre Chro-
mosomenzahl auf die Hälfte herabgesetzt wird, dann finden sich jene
vom Vater und der Mutter stammenden gleichwertigen Paarlinge zu-
sammen und stellen sich in der Teilungsfigur gemeinsam auf. Erfolgt
— 13 —
dann die Teilung, so werden die einzelnen Chromosomen nicht gespalten
und verteilt, sondern je ein ganzes Chromosom eines jeden Paars rückt
zum Teilungspol, jede Tochterzelle erhält also nur die halbe Chromo-
3.
Fig- 3-
Schematische Darstellung des Verhaltens väterlicher (schwarz) und mütterlicher (weiß)
Chromosomen bei der Reifeteilung und Befruchtung. I Die paarweise zusammen-
gehörigen väterlichen und mütterlichen Chromosomen von 4 Größenarten, 2 die Aequa-
torialplatte der Reduktionsteilung, 3 der Chromosomenbestand in den Kernen der
gereiften Geschlechtszellen, 4 der Chromosomenbestand der beiden Befruchtungskerne.
somenzahl. Aber wenn auch die Zahl halbiert wird, jede Tochterzelle,
d. h. die jetzt befruchtungsfähigen Geschlechtszellen, erhalten doch das
ganze Sortiment der Chromosomen, eines von jeder Art
Das gibt zu
— 14 —
denken. Wenn wirklich so sehr Sorge getragen ist, daß die Gameten
jede Sorte der für unser Auge unterscheidbaren Chromosomen mit-
bekommen, liegt dann nicht die Annahme
nahe, daß diesen sichtbaren Unterschieden
auch Qualitätsunterschiede zugrunde lie-
gen, ist es nicht denkbar, daß wir in
jedem Chromosom uns andere Erbeigen-
schaften oder Gruppen von solchen nieder-
gelegt denken müssen? Auch diese Frage
konnte beantwortet werden.
Bei der gewöhnlichen Befruchtung
dringt stets nur eine Samenzelle in das
Ei ein. Durch eine bestimmte Methode bei
der Befruchtung kann es aber beim See-
igelei erreicht werden, daß zwei Samen-
zellen eintreten. Beide bilden sich zu einem
Kern um und jeder läßt seine Chromo-
somenzahl hervortreten. Die normale
Chromosomenzahl beträgt aber bei diesem
Seeigel 36, also enthält der reife Eikern
wie die reifen Samenkerne nach dem, was
wir eben gehört haben, 18. In dem dop-
pelt befruchteten Ei finden sich also
54 Chromosomen. Nun bildet ein solches
Ei seine erste Teilungsspindel nicht wie
andere, sondern es entstehen an Stelle von
zwei Teilungspolen deren vier, und wenn
dann die Teilung erfolgt, so werden gleich-
zeitig vier Zellen gebildet, wie neben-
stehende Figur 4 zeigt. Wie ist nun die
Chromosomenverteilung auf diese vier
Zellen? Die 54 Chromosomen verteilen
1§' 4* . sich zunächst zwischen die vier Pole der
Schema der Chromosomenvertei-
lung auf die Kerne der ersten Blas- Teilungsfigur ganz SO wie es der Zufall
tomeren des disperm befruchteten ..,,_.. , t-> j u
Echinuseies. NachBoveri. erglbt- Es kann also Z" R der neben"
— 15
stehend abgebildete Fall, ebenso wie auch jeder andere denkbare
eintreten (Fig. 4), daß zwischen die einzelnen Pole 6, 26, 12 und
10 Chromosomen gelangen.
Diese werden dann in gewöhnlicher
Fig. 5-
/ aa
a \
bb
bb
cc
c
d
d
aa
a
b
b
cc
c
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dd /
Fig. 6.
Fig. 7.
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bb
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■:<■::• d'd::':}:^/
Fig. 5 — 9. Die 5 Möglichkeiten der Teilung des dispermen Seeigeleies. Die Furchungs-
zellen, die nicht alle Chromosomenarten erhalten, punktiert. Nach Boveri.
Weise längsgespalten, wie Figur b zeigt, und dann nach den Polen ge-
zogen. Die vier entstehenden Zellen enthalten dann 32, 18, 36 und 22
Chromosomen. Nun nehmen wir einmal an, die 18 Chromosomen der
— 16
Geschlechtszellen seien nach Qualitäten verschieden, bezeichnen sie mit
den Buchstaben des Alphabets und nehmen, um uns die Sache zu ver-
einfachen, nur vier, nämlich a, b, c, d an. Dann könnte es der Zufall
so fügen, daß sie sich so auf die vier Pole verteilen wie es Fig. 5a dar-
stellt. Tritt dann die Verteilung ein, so erhalten die vier entstehenden
Zellen das an Chromosomen, was Fig. 5& zeigt. Ein Blick läßt erkennen,
daß sämtliche vier Zellen auch sämtliche vier Sorten von Chromosomen
erhalten. Nun könnte aber auch die Verteilung auf die Pole so sein
Fig. 8.
b /^^
A aaa :\
•; •. ' a \
bb \
cec
d
c c
aa
b
• bbb :
\ ddd
..dd /
Fig. 9.
wie es Fig. 6a zeigt. Nach der Teilung resultierte dann die Chromo-
somenanordnung der Fig. 6b, die erkennen läßt, daß drei der Zellen
jede Chromosomenart erhalten, einer aber, die punktiert ist, die Sorte d
fehlt. Eine weitere Möglichkeit ist in Fig. ja wiedergegeben. Das
Resultat der Verteilung in jb ergibt, daß zwei der entstehenden Zellen
ein Manko aufweisen, der oberen punktierten nämlich fehlt d, der unteren
die Sorte b. Wieder eine andere Chromosomenverteilung zeigt Fig. 8a.
Hier kommen dann, wie 8b zeigt, vier Zellen zustande, von denen gar
— 17 —
dreien etwas fehlt. Und endlich bei dem letzten Musterbeispiel, Fig. 9,
sehen wir als Endresultat vier Zellen entstehen, von denen keine jede
Sorte von Chromosomen enthält. Nun geht aber die weitere Ent-
wicklung des Seeigeleies so vor sich, daß schließlich eine Larve resultiert,
deren vier Körper viertel auf diese vier Furchungszellen zurückzuführen
sind. Sind nun die Chromosomen qualitativ als Erbträger verschieden,
so müssen dementsprechend die Larven in dem Viertel, in dem ihren
Zellen gewisse Chromosomen fehlen, auch gewisse Eigenschaften ver-
missen lassen, defekt sein. Tatsächlich finden sich in Zuchten aus solchen
doppelt befruchteten Eiern neben gesunden Larven solche, die viertel,
halb, dreiviertel und ganz defekt sind. Die Richtigkeit des zu Beweisen-
den, der qualitativen Chromosomendifferenz, wird nun auf ganz sicheren
Füßen stehen, wenn sich noch zeigen läßt, in welchem Verhältnis die
verschieden beschädigten Larven zu erwarten sind und daß die Wirk-
lichkeit diesen Erwartungen entspricht. Boveri, von dem diese geist-
reichen Untersuchungen stammen, machte es so, daß er sich entsprechend
den 108 Chromosomen, die nach der Längsspaltung der 3 x 18 im Ei vor-
handen sind, 108 Kugeln mit je sechsmal den Zahlen 1 — 18 herstellte,
sie auf eine runde Platte warf, mit einem darüber gelegten Holzkreuz
ganz nach Zufall in vier Portionen teilte und dann auszählte in welchem
Viertel sämtliche Zahlen von 1 — 18 vorhanden waren und in welchem
nicht. Aus zahlreichen Zählungen ging dann hervor, daß in einem ge-
wissen Prozentsatz der Fälle alle vier Quadranten sämtliche Zahlen ent-
hielten, in anderen nur 3, 2, 1 oder gar keiner. Wurden nun die in dem
wirklichen Experiment erhaltenen Larven gezählt, so zeigte sich, daß die
gefundenen gesunden, y4, l/2, 3/4 und ganz defekten in genau dem gleichen
Verhältnis auftraten wie in dem Holzkugelversuch die Fälle, in denen
keinem, einem, zwei, drei oder allen vier Quadranten bestimmte Kugeln
fehlten. Damit aber war die qualitative Verschiedenheit der Chromo-
somen bewiesen.
Wir wissen also jetzt, daß wir ein Recht haben, in dem Kern der
Zelle den Sitz der Vererbungsträger zu sehen, ja sogar im Kern bestimmte
Teile, die Chromosomen, als solche anzusprechen und diesen wieder
eine qualitative Verschiedenheit entsprechend den verschiedenen erb-
lichen Qualitäten des Körpers zuzuschreiben. Wenn wir also in Zukunft
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 2
— 18 —
von Vererbungsträgern reden, können wir uns darunter die Chromo-
somen vorstellen und mit Hilfe dieser Vorstellung manche Schwierig-
keit überwinden. 'Wir dürfen uns aber dabei nicht verhehlen, daß die
Chromosomenlehre, wie wir sie hier entwickelt haben, zwar in ihrer
Klarheit und ihrem uns hier im Vordergrund stehenden didaktischen
Wert alle billigen Anforderungen an eine Grundlage der Erblichkeitslehre
erfüllt, daß sie aber an sich noch in manchen wesentlichen Punkten
strittig und unsicher ist. Vor allem ist der Begriff der Erbträger ja noch
ein ziemlich vager. Aber auch in diesem Punkt zeigt sich bereits von
ferne die zukünftige Lösung: Der Erbträgerbegriff wird nicht identisch
sein mit der Annahme einer Monopolstellung der Chromosomen in bezug
auf die Vererbung. Wohl aber wird sich zeigen, daß in den Chromo-
somen Substanzen von Zelle zu Zelle geführt werden, deren Anwesenheit
zum vollständigen Ablauf der Vererbungsphänomene notwendig ist.
Und daher kann man auch ruhig von Erbträgern reden, wenn man sich
bewußt ist, daß der Begriff nicht allzu wörtlich genommen werden darf.
Gerade an diesem Punkt liegen die interessantesten Probleme, die uns
die Zellenlehre in bezug auf das Vererbungsphänomen bietet. An ihrer
Lösung arbeiten vereint Zellmorphologie, Entwicklungsmechanik und
Genetik. Aber wir haben uns hier die Aufgabe gesetzt, die Vererbungs-
morphologie weit hinter der Vererbungsbiologie zurücktreten zu lassen,
und so müssen diese Andeutungen genügen. Wir werden ohnedies
später noch manche zelluläre Tatsachen und Probleme streifen müssen;
gehen wir jetzt aber gleich ohne viele Einleitung an die eigentlichen
Tatsachen der Genetik heran.
Zweite Vorlesung.
Die Variabilität und ihre exakte Darstellung;. Das Queteletsche
Gesetz. Das Maß der Variabilität.
Es bedarf wohl keiner besonderen Begründung, daß an der Basis der
Vererbungslehre die Betrachtung der Eigenschaften zu stehen hat,
deren Erblichkeit untersucht werden soll. Ein jeder Organismus setzt
sich aus einer kaum bestimmbaren Fülle von Eigenschaften meßbarer
— 19 —
und nicht meßbarer Natur zusammen, die in ihrer Gesamtheit sein
Wesen ausmachen : Größe des Ganzen und der Teile, Farbe, Zeichnung,
Muskelkraft, Fähigkeit gewisse Stoffvvechselprodukte zu produzieren,
Fähigkeit auf bestimmte Reize in bestimmter Weise zu reagieren, Dispo-
sition zu Erkrankungen und welcher Art sie immer sein mögen. Wenn
sie für die Fragen der Erblichkeit natürlich auch alle gleichmäßig studiert
werden müssen, so können wir begreiflicherweise zunächst am weitesten
mit solchen kommen, die sich exakt z. B. durch Messung festlegen
lassen. Darwins Zuchtwahllehre basiert nun auf der Annahme, daß
alle diese Eigenschaften bei einer Anzahl von Individuen der gleichen
Art, die beliebig aus der Gesamtheit der Artgenossen herausgegriffen
sind, bei einer Population, wie wir von jetzt ab sagen wollen, ebenso
wie bei der Gesamtheit der Nachkommen eines Elternpaares, nicht
völlig identisch vorhanden sind, sondern sich in mehr oder minder hohem
lj008Bft"M
Fig. 10.
Variationsreihe der Länge von (45 — 310 a) aus einer Paramaecienkultur. Im Anschluß
an Jennings.
Maß unterscheiden, daß die Eigenschaften variieren. Diese Variabilität
ist nun in der Tat, wie auch schon vor Darwin bekannt war, vorhanden,
und ihre Untersuchung muß natürlich einer jeden Betrachtung der Erb-
lichkeit der Eigenschaften vorangehen.
Betrachten wir uns zunächst einmal ein paar konkrete Fälle und
beginnen mit einem einfachsten, einer Eigenschaft der Zelle. Als Einzel-
zellen, die der experimentellen Untersuchung besonders zugänglich sind,
benutzt man mit Vorliebe, wie wir noch mehrfach sehen werden, die
Infusorien. Prüft man nun eine Kultur von Paramaecien, die aus vielen
Tausenden artgleicher Individuen besteht, z. B. auf die Länge der Einzel-
tiere, so findet man darunter winzig kleine Tiere von etwa 45 ß Länge,
ferner riesengroße von 310 ß und dazwischen sämtliche denkbaren
Größenstufen, so daß eine kontinuierliche Reihe von Individuen sich
— 20 —
nach ihrer Größe anordnen läßt, wie umstehende Fig. 10 zeigt. Die
Variabilität schwankt, fließt also gewissermaßen zwischen zwei Extre-
men, weshalb wir auch von einer fluktuierenden Variabilität reden.
Wenn in Zukunft also von Variieren und Variabilität die Rede ist, so
sei der Ausdruck nur in diesem Sinne verstanden und in keiner anderen
der Bedeutungen, die man ihm schon untergelegt hat. So wie wir hier
das Variieren in der Größe einer Zelle sehen, so könnten wir es auch in
ganzen vielzelligen Organismen oder auch an Teilen von Lebewesen,
die in der Vielzahl vorhanden sind, feststellen. Ein klares Beispiel
erhält man etwa in der Weise, daß man die Blätter eines Baumes in
Fig. ii.
Variationsreihe der Größe von Kirschlorbeerblättern. Darüber ihre graphische Dar-
stellung: als Offive. M Mittelwert. Nach de Vries.
gleichen Abständen voneinander auf einer gradlinigen Basis aufklebt,
indem man sie gleichzeitig nach ihrer Größe anordnet. Das ist im
Anschluß an de Vries in vorstehender Fig. n für die Blätter des
Kirschlorbeers geschehen und wir erkennen daran eine fluktuierende
Variabilität zwischen 63 und 137 mm.
Die Herstellung einer derartigen Reihe läßt sich natürlich bei meß-
baren, zählbaren, wägbaren Eigenschaften ohne weiteres vornehmen.
Etwas schwieriger gestaltet sie sich, wenn es sich etwa um Färbungs-
oder Zeichnungscharaktere handelt. Läge eine dunkle Zeichnung auf
hellem Grund vor, die sich variierend auf dem Grund ausbreitet, so
könnte man ja auch zu Zahlenverhältnissen gelangen, wenn man pro-
21
zentual das Verhältnis von dunkel und hell berechnet. Aber auch ohne
dies läßt sich eine den vorigen Beispielen entsprechende Variations-
reihe aufzeigen, wenn man besonders typische Varianten auswählt und
sie in eine Reihe anordnet und kleine Zwischenformen zwischen den
feÖ 6ö 60 6Ü feföl
m m m
Fig. 12.
Variationsreihe der Zeichnung des Pronotums von Leptinotarsamultitaeniata. Nach Tower.
Typen zunächst vernachlässigt. Abbildung 12 zeigt eine solche Va-
riationsreihe, die sich auf die Zeichnung des Halsschildes (Pronotum)
des Koloradokäfers, Leptinotarsa multitaeniata, bezieht, und zwar
Fig. 13-
Typen von 4 Variationsklassen der Flügelzeichnung von Lymantria monacha var. eremita.
wurden in der aus Mexiko stammenden Population zehn Typen unter-
schieden. Sie zeigen, wie die aus schwarzen Strichen und Punkten
bestehende Zeichnung variiert, indem allmählich erst Striche, dann
Punkte, dann beides zusammenfließen, so daß das Endglied der Reihe
— 22 —
ein ganz schwarzes Schild besitzt. Eine ganz entsprechende Variations-
reihe zeigt uns Fig. 13 mit Variationen der Flügelzeichnung von Ly-
mantria monacha var. eremita, der Nonne. Diese Individuen stammen
aber nicht aus einer Population, sondern aus den Nachkommen eines
Elternpaares, was für die Variabilität im Prinzip gleichgültig ist. Auch
hier führen die vier Typen von einem schwarz und weiß gebänderten
Individuum durch alle Übergänge, von denen nur noch zwei dargestellt
sind, zu einem ganz schwarzen. Diesen Beispielen ließen sich beliebig
viele aus allen Klassen von Eigenschaften anfügen, die uns alle zeigen
würden, daß eine derartige fluktuierende Variabilität in der Natur
besteht.
In allen diesen Fällen ist also die Variabilität eine fluktuierende,
kontinuierliche. Nun bezeichnet man aber mit dem gleichen Ausdruck
auch das Abweichen einzelner Individuen einer Tier- oder Pflanzenform
von ihren Artgenossen, das nicht durch alle Übergänge mit der typischen
Erscheinung verbunden ist, sondern ihr schroff gegenübersteht. Wenn
etwa eine typisch blaublühende Pflanze gelegentlich weiße Blüten zeigt,
eine rechtsgewundene Schnecke mit einem linksgewundenen Gehäuse
auftritt, so ist das auch eine Variation, aber diskontinuierlicher Natur.
Solche Variationen werden uns später auch interessieren; hier können
wir von ihnen absehen und uns zunächst nur an die fluktuierenden,
kontinuierlichen Variationen halten. Wir lassen dabei zunächst völlig
außer acht, ob die fluktuierende Variation eine einheitliche Erscheinung
ist, oder ob sie nicht vielmehr aus innerlich ganz verschiedenen Quellen
herzuleiten ist, so daß sie in verschiedene Unterbegriffe zerlegt werden
muß. Später werden wir allerdings erfahren müssen, daß dem so ist.
Soll die Variation nun zum Gegenstand von Überlegungen oder Ex-
perimenten gemacht werden, so genügt es nicht, die Tatsache des Vor-
handenseins der Varianten zu kennen, wir müssen vielmehr vor allem
ihre Zahl und deren Verteilung auf die Variationsreihe betrachten. Und
diese zuerst von dem Anthropologen Quetelet eingeführte Betrachtungs-
weise hat zur Feststellung eines sehr wichtigen Gesetzes geführt. Gehen
wir direkt von einem der Queteletschen Beispiele aus. Er führt die
Messungen an, die an 25878 nordamerikanischen Freiwilligen in bezug
auf ihre Körpergröße ausgeführt wurden, und ordnet die Zahlen in eine
23 —
Reihe, die beginnt mit 1,549 m = 60 engl. Zoll, dem Maß der kleinsten
Individuen bis zu 2,007 m = 7^ Zoll, dem Maß der größten Männer.
Benutzen wir nun der Bequemlichkeit halber seine Umrechnung der
Gesamtzahl auf den Durchschnitt von 1000, so erhalten wir das klarste
Bild, wenn wir in die oberste Reihe die Größen und darunter die für
jede Größe gefundene Anzahl von Individuen schreiben :
Größe in Zoll: 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Anzahl Soldaten:
pro 1000 2 2 20 48 75 117 134 157 140 121 80 57 26 13 5 2 1
Der erste Blick auf diese Reihe zeigt, daß die für die einzelnen Größen-
variationen gefundenen Zahlen der Individuen innerhalb der Variations-
reihe ganz regelmäßig verteilt sind. Die größte Zahl der Individuen,
nämlich 157 pro 1000, findet sich in der Mitte der Reihe bei der Größe
67 Zoll, die kleinsten Zahlen finden sich an den Enden der Reihe, und
dazwischen liegen alle Übergänge in der Zahl der Individuen und diese
Übergangszahlen verteilen sich ziemlich symmetrisch zu beiden Seiten
der Mitte. Es gibt also bei dieser Population von Menschen in bezug
auf das Größenmaß eine mittlere Größe, die die meisten Individuen
zeigen, während die Zahl der Individuen immer geringer wird, je weiter
sich das Maß nach oben oder unten von der Mitte entfernt. Quetelet
erkannte sofort, daß diese symmetrische Zahlenverteilung innerhalb der
Variationsreihe eine große Ähnlichkeit mit der Verteilung hat, die man
erhält, wenn man die binomische Formel (a + b)n ausrechnet :
(a + b)1 = a + b
(a + b)2 = a2 + 20b + b2
(a + 6)3 = a3 + 3a2b + sab2 + b3
(a + 6)4 = tf4 + 4rt3£ + 6a2b2 + \ab* + &4
usw.
Setzt man an Stelle der Buchstaben bestimmte Zahlen, z. B. a = 1,
b = 1 so ergeben sich
{a + b)1 =
(« + b)2 =
(a + 6)3 =
(a + 6)4 =
\a + 6)io =
1 + 1
1 + 2 + 1
1 + 3 + 3 + 1
1+4+6+4+1
1 + 10 + 45 + 120 + 210 + 252 + 210 + 120 + 45 + 10 + 1.
— 24 —
Es ergibt sich also eine ganz genau symmetrische Verteilung der
Zahlen um ein Mittel. Will man die für die Soldaten gefundenen Zahlen
nun mit einer solchen idealen Zahlenreihe vergleichen, so berechnet
man, wie eine solche für die Gesamtsumme von iooo aussehen würde,
wenn gewisse Bedingungen die gleichen sind, wie im realen Fall. In
folgender Variationsreihe ist nun diese berechnete ideale Zahlenreihe
unter die wirklich gefundene gesetzt :
Größe in Zoll: 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Zahl d. Soldaten
pro 1000:
Ideale Zahlen für
1000:
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
7i
72
73
74
75
2
20
48
75
117
134
157
140
121
80
57
26
13
5
2
9
21
42
72
107
137
153
146
121
86
53
28
13
5
2
Der Vergleich der beiden unteren Zahlenreihen zeigt, in welch aus-
gezeichneter Weise die gefundenen und die zu erwartenden Zahlen über-
einstimmen, ein Zusammentreffen, was noch viel schlagender würde,
wenn etwa ebensoviel Millionen Menschen gemessen worden wären als
es Tausende waren. Diese nun ausführlich gezeigte Gesetzmäßigkeit
in der Verteilung der Varianten auf die Variationsreihe nennt man das
Queteletsche Gesetz. Denn es hat sich seitdem gezeigt, daß die
Mehrzahl der variabeln Eigenschaften, wenn in dieser Form betrachtet,
sich in genau der gleichen Weise verhalten. Einige wenige Beispiele
sollen das zunächst noch illustrieren.
In der Systematik der Fische spielen die Schuppenzahlen eine große
Rolle. Auch für sie gibt es eine fluktuierende Variabilität, wie die
folgende Tabelle von Voris beweist, die sich auf die Zahl der Seiten-
linienschuppen bei einem nordamerikanischen Cypriniden, Pima-
pheles notatus, bezieht:
Schuppenzahl : 40 41 42 43 44 45 46 47 48
Individuenzahl
pro 500: ^
Oder ein anderes Beispiel, eine Aufzählung der Anzahl von Zähnen,
die sich auf dem Rand des Kiefers des marinen Borstenwurms, Nereis
limbata, finden. Unter 398 Individuen fand Hefferan:
Zahl der Zähnchen:
Zahl der Individuen:
In diesen beiden Beispielen ist es klar, daß die Individuen genau
ihren Klassen entsprechen, daß also eine andere Klasseneinteilung, bei
41
42
43
44
45
46
47
7
36
126
157
121
37
11
2
n
4
5
6
7
7
30
80
148
98
29
_ 9
UO
der noch feinere Unterschiede berücksichtigt werden, nicht möglich ist.
Denn weniger wie eine Schuppe oder ein Zähnchen gibt es nicht, zwischen
den Klassen kann nichts liegen. In diesem Falle spricht man von
diskreten Varianten. Bei unserm ersten Beispiel, dem Ouetelet-
schen Fall der Menschenmaße, war das anders. Dort hatten die Klassen,
in die das Material eingeordnet war, einen Spielraum von einem Zoll.
Ebensogut hätte man aber auch einen halben Zoll, auch weniger oder
mehr nehmen können. Immer wären die Individuen, die bei einer
Klassenzahl, z. B. 60 Zoll, aufgezählt sind, nicht alle genau 60 Zoll groß,
sondern gehörten in den Spielraum, der begrenzt wird von der Mitte
zur nächstunteren und nächstoberen Klasse, also bei Zolleinteilung
zwischen 59,5 und 60,5 Zoll. In diesem Fall würde man also von
Klassenvarianten reden und zu ihnen dürfte die Mehrzahl der Varia-
tionen gehören, nämlich alle, die sich nicht auf eine zählbare Eigenschaft
beziehen. Es ist klar, daß in solchen Fällen bei exakter Schreibweise
die Zahl der Individuen immer zwischen den Klasseneinteilungen stehen
müßten. Schreibt man sie aber in gleicher Weise wie bei den diskreten
Varianten unter die betreffenden Klassen, so nimmt man natürlich
stillschweigend an, die Klasse 2 bedeute den Spielraum von 1,5 — 2,5.
Als Beispiel dieser Klassenvarianten diene die oben besprochene vari-
ierende Zeichnung des Halsschildes des Koloradokäfers nach Towers
Untersuchungen, eingeteüt in n Klassen, die aber für dieses Beispiel
nicht ganz genau den oben abgebildeten 10 Klassen entsprechen:
Klasse der Färbung: 123 456 789 10 n
Zahl der Individuen: I 4 7 12 13 26 14 12 7 3 I
Und ein ganz ähnliches Bild liefert unser ebenfalls oben abgebildetes
Nonnenbeispiel, für das die Zahlen von fünf Typen weiblicher Falter
lauten :
Klasse der Färbung: 1
Zahl der Schwester- (-
Individuen :
2
13
Für viele Fälle der Darstellung sind derartige Aufzählungsreihen
genügend. Bedarf man aber des Vergleiches oder einer Darstellung,
die schnelle Orientierung gewährt, oder der mathematischen Betrachtung
der Variation, so wählt man wie immer die graphische Darstellung. Die
— 26 —
Konstruktion einer solchen Variationskurve oder eines Variationspolygons
(oder auch Häufigkeits- bzw. Frequenzkurve genannt, da sie ja
die Verteilung der Häufigkeit einer Eigenschaft darstellt), ist ein klein
wenig verschieden, je nachdem es sich um diskrete oder Klassenvarianten
handelt. Würden wir sie für unser Beispiel für diskrete Varianten, die
Seitenschuppenzahl von Pimapheles konstruieren, so müßten wir auf der
horizontalen Linie, der Abszisse des Koordinatensystems, die Schuppen-
zahlen in gleichen aber beliebig gewählten Abständen eintragen. Auf
jedem Punkt, der eine Schuppenzahl bedeutet, wäre dann ein Lot zu
errichten von der Länge einer beliebig gewählten Maßeinheit, z. B. i mm
multipliziert mit der Anzahl der für die betreffende Schuppenzahl
angegebenen Individuen, also bei 44 Schuppen 157 mm, bei 48 Schuppen
2 mm. Werden dann die Gipfel aller dieser Lote verbunden, so erhält
man das in Fig. 14 (verkleinert) abgebildete Polygon. Es ist klar, daß
ein solches Variationspolygon je mehr in eine Variationskurve über-
geht, je größer die Zahl der Klassen und je kleiner damit die Entfernung
der einzelnen Lotgipfel wird. Haben wir es dagegen mit einer Klassen-
variation zu tun, so würden wir in der gleichen Weise auf der Abszisse
die Klassengrenzen abtragen. Nehmen wir als Beispiel die Halsschild-
färbung von Leptinotarsa, so würden ja, sagen wir zu Klasse 4, alle
Individuen gezählt, die den Färbungstypus 4 repräsentieren, aber auch
alle die kleinen Zwischenstufen, die näher an 4 als an 3 oder 5 standen.
Die Klassengrenzen sind also 0,5, 1,5, 2,5 usw. Wir müssen also nun
auf den Klassengrenzen Lote errichten, deren Höhe der Individuenanzahl
entspricht, auf dem Gipfel eines jeden Lotes aber eine Horizontale ziehen
von der Länge des Klassenspielraums. Auf diese Weise erhält man die
in Fig. 15 abgebildete Figur der Treppenkurve. Aus dieser erhält man
ein gewöhnliches Variationspolygon, wenn man die Mittelpunkte der
Treppenstufen miteinander verbindet, woraus hervorgeht, daß im
wesentlichen für diskrete und Klassen Varianten dieselbe graphische
Darstellung zum Vorschein kommt.
Wie wir nun oben gesehen hatten, nähert sich eine Variationsreihe,
je symmetrischer sie ist, um so mehr einer idealen Zahlenreihe, die (im
Elementarfalle; von anderen können wir hier absehen) aus der Formel
(a + b)n entwickelt wird. In gleicher Weise kann man natürlich eine
— 27 —
160
MO
120
100
SO
eo
MO
'40
«0
41
4 2
43
44
15
Hb
47
HS
Fig. 14.
Variationspolygon der Seitenschuppenzahl von Pimapheles.
25
20
15
10
I
L
10 11
Fig. 15.
Treppenkurve zu der Variationsreihe der Färbung des Pronotums des Koloradokäfers.
— 28 —
Variationskurve mit einer idealen Kurve vergleichen, die aus derselben
Formel konstruiert ist, der Binomialkurve, und dabei wird sich ebenfalls
die wirkliche Kurve bei normalen Verhältnissen um so mehr der idealen
nähern, mit je größeren Zahlen gearbeitet wurde. (Natürlich muß diese
ideale Kurve unter Zugrundelegung eines bestimmten aus der wirklichen
Zahlenreihe gewonnenen Wertes konstruiert werden. Wir wollen darauf
aber nicht eingehen, da uns hier nur die Resultate beschäftigen, nicht
die Methoden.) Als Beispiel diene nebenstehende Kurve, Fig. 16
A*\
Mt
M
\
1 /
/ i
\ \
50
<y
[;
j
f/
«30
/
20
?
V
"'tW
^r /
V
^S^
1075
1125
1175
1225
1273
1325
1375
1425
Jf 75
1525
1575
1625
1075
1725
1775
Fig. 16.
Variationspolygon des Hirngewichts schwedischer Männer verglichen mit der idealen
Kurve (letztere punktiert). Nach Pearl.
die sich auf das Hirngewicht von 416 schwedischen Männern bezieht.
Auf der Abszisse sind die Gewichtszahlen in Gramm eingetragen, die
punktierte Linie stellt die ideale Vergleichskurve dar. Die zugehörigen
Zahlen sind:
Gewicht des Gehirns in g: 1075 II25 IJ75 I225 I275 J325 1375 1425
Individuenzahl: o I 10 21 44 53 86 72
H75' i525 1575 l625 1675 1725 1775
60 28 25 12 3 1 o
— 29 —
Es gibt nun auch Fälle, in denen eine Variationskurve nicht mit
dieser, sondern mit anders abgeleiteten Idealkurven verglichen werden
muß, Fälle, die vor allem von Pearson und Duncker ausgearbeitet
worden sind. Wir werden aber später sehen, daß mit solcher rein mathe-
matischen Betrachtung nicht viel für biologische Zwecke gewonnen wird,
so daß wir es uns hier ersparen können, auch jene Fälle zu besprechen.
Sollen diese Vorlesungen doch auch nur in die Genetik einführen und
nicht etwa spezielle Arbeitsmethoden lehren.
Benutzt man nun derartige Variationsreihen oder Kurven zur Be-
trachtung eines biologischen Materials, so bedarf man natürlich gewisser
Bezeichnungen für die Angehörigen der verschiedenen Kurvenbezirke.
Wenn die Kurve eine ganz ideale ist, so stellt die Klasse, bei der die
meisten Individuen liegen, also der Kurvengipfel den Mittelwert dar.
Natürlich ist dieser Mittelwert bei nicht völlig symmetrischer Kurve
nicht genau mit dem Gipfelpunkt zusammenfallend, er ist nämlich
9
«
a 9 *
i
Fig. 17.
Bildliche Darstellung des Mittelwerts einer Variationsreihe durch einen im Gleich-
gewicht befindlichen Wagebalken. Nach Pearson.
nach der Seite der größern Variantenzahl verschoben. Seine genaue
Lage wird am anschaulichsten aus nebenstehender Darstellung Pear-
sons (Fig. 17) verständlich, in der die Variationsreihe durch einen
Wagebalken dargestellt ist, an dem ebenso viele Gewichte hängen als
Variationsklassen existieren und die einzelnen Gewichte sich zueinander
verhalten wie die Zahlen der Variationsreihe. Der Unterstützungspunkt
des Balkens, auf dem er in vollem Gleichgewicht ruht, entspricht dann
dem Mittelwert M der Variationsreihe. Wenn man aber, was bei rein
deskriptiver, nicht mathematischer Betrachtung auch oft genügt, den
höchsten Punkt der Kurve einfach als den Mittelwert nimmt, so
wird alles, was links von ihm liegt, als Minusvariante oder Minus ab-
weicher bezeichnet, was rechts liegt, als Plusvariante oder Plusab-
weicher.
— 30 —
Nun müssen wir noch einen notwendigen Begriff ableiten, wiewohl
wir uns sonst hier von der mathematischen Seite der Variations-
statistik, wie diese Wissenschaft heißt, fernhalten wollen, da sie für
die biologischen Probleme, die uns hier beschäftigen sollen, nicht uner-
läßlich ist. Jenen Begriff aber müssen wir kennen lernen, weil er uns
später noch begegnen wird. Wenn wir eine Variationsreihe aufgestellt
haben und wollen sie etwa mit einer anderen vergleichen, die von dem-
selben Objekt zu anderer Zeit genommen wurde, so können wir uns
den Vergleich sehr erleichtern, wenn wir eine Durchschnittszahl be-
nutzen können, die das Maß der Variabilität in einer solchen Reihe aus-
drückt. Die bloße Inspektion einer Reihe könnte die Variationsbreite,
die sie zum Ausdruck bringt, als ein solches Maß erscheinen lassen. Es
ist klar, daß das nicht angängig ist, wenn man bedenkt, daß diese be-
trächtlich von der Zahl der Messungen abhängig ist. Wenn etwa bei
unserem obigen Beispiel der Flügelfärbung der Nonne uns nur ein Teil
der Falter vorgelegen hätte, so hätte es ganz gut sein können, daß Stücke
der hellsten oder dunkelsten Sorte überhaupt gefehlt hätten, und dann
wäre die Variationsbreite scheinbar geringer. Oder wenn wir die zehn-
fache Anzahl von Individuen zur Verfügung gehabt hätten, wäre vielleicht
noch eine hellere Variation gefunden worden als Klasse i (was tatsächlich
der Fall ist) und die Variationsbreite wäre größer erschienen. Ein
Variabilitätsmaß muß also hiervon unabhängig sein. Man hat sich nun
aus hier nicht zu erörternden Gründen auf ein Maß geeinigt, das die
Standardabweichung oder Streuung heißt, (Die ältere Literatur
benutzt allerdings ein anderes Maß.) Diese Streuung a stellt dar die
Quadratwurzel aus dem mittleren Quadrat der Abweichungen
vom Mittelwert. Wenn a die Abweichung ist, die eine jede Klasse
vom Mittelwert zeigt, p die Zahl der Individuen, die je diese
Abweichung zeigen, n die Gesamtzahl der in der Variationsreihe vorliegen-
-i/2pa2
den Individuen, so ist die Standardabweichung a= ± \ . (2 ist
das Summenzeichen.) Es ist klar, daß man, um o zu berechnen, zunächst
den Mittelwert kennen muß. Bei einer völlig symmetrischen Variations-
reihe fällt er mit der Klasse der größten Individuenzahl zusammen.
Das ist aber meist nicht der Fall und er muß daher erst ausgerechnet
— 31 —
werden. In der naivsten Weise — man denke an die Versinn-
lichung durch den Wagebalken — geschieht dies, indem man je den
Klassenwert mit der Zahl der zugehörigen Varianten multipliziert,
sämtliche Produkte addiert und durch die Gesamtzahl der Indivi-
duen dividiert. Wählen wir etwa als Beispiel die schon einmal
gegebene Reihe für die Zähnchen auf dem Kieferrand von Nereis
limbata:
Zahl der Zähnchen :
2
3
4
5 6
7
8
Zahl der Individuen:
7
30
80
148 98
29
6
so erhalten wir
2 =
= 14
0
30 =
= 90
4-
80 =
= 320
5-
148 =
= 740
6.
98 =
= 588
7-
29 =
= 203
8.
6 =
= 48
2=
= 2003
die Gesamtzahl n-
=398
2
n
2003
" ™8
= 5,03
= dem Mi
Bei größeren Reihen ist dies Verfahren natürlich sehr umständlich
und es läßt sich durch einfachere Methoden ersetzen, die wir aber für
unsere Zwecke der Begriffserklärung nicht brauchen. Wer sie erlernen
muß, findet eine wunderbar klare Anleitung in Johannsens berühmtem
Lehrbuch. Berechnen wir nun o für die gleiche Variationsreihe. Wenn
wir uns der Vereinfachung halber mit einer Dezimalstelle des Mittel-
werts begnügen, dann können wir ihn auf 5,0 abrunden. Die Abwei-
chungen von ihm sind dann — 3 — 2 — 1 0 + 1 + 2 + 3, ihre Quadrate
9, 4, 1, 0, 1, 4, 9. Diese Quadrate multipliziert mit p, der Zahl der In-
dividuen in jeder Klasse, ergibt:
— 32 —
9-
7 =
63
4-
30 =
120
i.
8o =
80
0.
148 =
0
i.
98 =
98
4-
29 =
Il6
9-
6 =
54
j
'pa2 =
53i
m = 398
2/>a2
n
53i
398
= i,32
\ ■' -P"
2
-4-1
/i.^
ff = ± 1
Diese Standardabweichung ist nun eine nach der Klasseneinteilung
benannte Zahl. Wenn Gewichte in Gramm verglichen würden, so wäre
0 in Gramm ausgedrückt. Um verschiedene derartige Kurven nun ver-
gleichen zu können, kann man die Standardabweichung auch in Pro-
zenten des Durchschnitts ausdrücken und erhielte dann den Variations-
1 rf • 100 ff . „ „ 100.1,15 , • ,
koeffizient v= das wäre m unserem Fall '—^-=23. (v ist
M 5
allerdings ein Koeffizient, dessen Anwendung sich nicht allgemeiner
Wertschätzung erfreut.) Eine für weitere Verwendung genügende
variationsstatistische Angabe hätte also im mindesten zu bestehen aus
der Variationsreihe bzw. Kurve, dem Mittelwert, der Standardab-
weichung bzw. dem Variationskoeffizient. Dazu käme noch eine An-
gabe über den mittleren Fehler, der einer jeden derartigen Bestimmung
anhaftet und der eine Bestimmung, z. B. die des Mittelwerts, innerhalb
gewisser Grenzen schwanken läßt. Man begegnet daher Angaben wie:
Mittelwert M = 52,09 ± 0,28, wobei letztere Zahl den Mittelfehler dar-
stellt. Seine Berechnung soll aber hier nicht erörtert werden.
Wir sind nunmehr mit den elementarsten Hilfsmitteln ausgerüstet,
um an die Betrachtung der biologischen Tatsachen zu gehen. Es sind
allerdings nur die elementarsten, denn es läßt sich leicht denken, daß
in der Natur die Verhältnisse nicht immer so einfach liegen, wie an
den hier ausgewählten besonders klaren Beispielen. Da begegnet man
— 33 —
Variationskurven, die zwar symmetrisch, aber zu hochgipfelig oder zu
tiefgipfelig sind, oder solchen, die unsymmetrisch, schief sind, vielleicht
sogar nur halb, andere erscheinen gar zwei- oder mehrgipfelig. Der
Betrachtung solcher Erscheinungen wie des Vergleichs verschiedener
Kurven, kurzum der mathematischen Analyse der Variabilität, hat sich
ein besonderes Grenzgebiet zwischen Biologie und Mathematik, die
Variationsstatistik, gewidmet. Durch die Bemühungen von Forschern
wie Pearson, Davenport, Weldon, Ludwig, Duncker, Yule
hat sie komplizierte Methoden zur genauen Betrachtung des gegebenen
Materials entwickelt. Von ihren Resultaten werden wir in den nächsten
Vorlesungen noch manches erfahren. Da aber für uns die Variationslehre
nicht Selbstzweck, sondern nur den exakten Ausgangspunkt für das
Vererbungsproblem darstellt, so dürfte diese elementarste Einführung
genügen, um uns alles weitere verstehen zu lassen.
Dritte Vorlesung.
Die Ursachen der Variabilität. Lebenslagevariation, Standorts-
variation und ihre experimentelle Beeinflussung-. Äußere und
innere Ursachen der Variabilität.
Die Tatsache der Variabilität und die Möglichkeit, sie exakt zahlen-
mäßig zu betrachten, ist uns nun bekannt. Bevor wir uns nun einmal
daran machen, zu sehen, welche Bedeutung die variationsstatistischen
Methoden für die Lösung der biologischen Probleme der Erblichkeits-
lehre besitzen, bietet sich uns eine Vorfrage dar, nämlich die nach den
Ursachen der Variabilität und ihrer so charakteristischen Form. Für
Darwin, der sich allerdings gerade mit dieser Frage weniger intensiv
befaßte, stand es wohl fest, daß die Bedingungen der Umgebung, in
denen der Organismus lebt, es sind, die die Variationen verursachen.
In der nachdarwinschen Zeit wußte sich aber mehr und mehr eine
Ansicht Geltung zu verschaffen, die im Rahmen eines komplizierten
Theoriengebäudes auch die Variabilität von anderer Seite betrachtet.
Wenn sie nach Weis mann in letzter Linie auch durch die äußeren Be-
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 2
— 34
dingungen verursacht ist, so ist das entscheidende doch der Zustand
der Vererbungssubstanz, des Keimplasmas, dessen Einzelteilchen dauernd
Schwankungen unterworfen sind, die sich im Laufe der Generationen
summieren, so daß schließlich unter dem Einfluß jener Keimplasma-
variationen sich sichtbare Variationen auch am Körper zeigen können.
Ein innerer Faktor wäre also als die wesentliche Ursache der Variabilität
anzusehen. Wenn wir uns nun in dieser
Frage Auskunft verschaffen wollen, so
leitet uns schon die einfache Betrachtung
des in der vorigen Vorlesung Vorge-
brachten auf den richtigen Weg. Dabei
muß aber gleich eines beachtet werden:
Wir haben schon oben angedeutet, daß
Variabilität sich als ein innerlich vielge-
staltiger Begriff erwiesen hat, was uns
aber erst verständlich werden wird, wenn
wir das Erblichkeitsmoment in die Be-
trachtung einführen. Während wir bis-
her ruhig alle Arten der Variabilität
promiscue betrachten konnten, beschrän-
ken wir uns aber jetzt bereits auf die
echte Variabilität im engeren Sinn, die
jetzt meist auch als Modifikabilität be-
zeichnet wird, ein Begriff, dessen Abgren-
zung uns bald klar werden wird. Wir
hatten in der letzten Vorlesung gesehen,
daß die Variabilität der einzeln betrachteten Merkmale wohl stets dem
Queteletschen Gesetz folgt. Benutzen wir nun einmal aus Gründen,
die sogleich hervortreten werden, eine etwas andere Darstellungsweise,
auf die sich nebenstehende Figur 18 bezieht. Es handelt sich um die
Variabilität in der Länge von Bohnensamen. 450 Samen einer Popula-
tion wurden gemessen und nach ihrer Länge geordnet, die zwischen 8
und 16 mm schwankte. Die Variationsreihe lautete :
Fig. iS.
Anschauliche Darstellung der Varia
bilität der Größe von Bohnensamen
Nach de Vries.
Länge in mm: S
9
10
11 12
13 H
15
16
Anzahl Bohnen: i
2
23
io8167
106 33
7
1
— 35 —
Fig. 19 gibt das zugehörige Variationspolygon, bei dem für jede
Bohnensorte ein Beispiel abgebildet ist. In eine Glaswanne, die in
neun Abteilungen geteilt ist, die den neun Größenklassen der Bohnen
entsprechen, werden diese nun so eingefüllt, daß jede Abteilung die
zu ihrer Klasse gehörige Bohnenzahl erhält. Es entsteht dann ein
Bild, wie es Fig. 18 zeigt, wo-
bei die Bohnen als Treppen-
kurve erscheinen. (Von dem
kleinen Fehler, der der wirk-
lichen Kurve gegenüber da-
durch entsteht, daß die kleinen
Bohnen weniger Platz ein-
nehmen als die großen, muß
natürlich abgesehen werden.)
Das ist nun nichts weiter als
eine andere Demonstration des
Oueteletschen Gesetzes.
IV
Nun nehmen wir einmal
umstehend abgebildeten klei-
nen Apparat zur Hand, den
Galton angab und der ganz
ähnlich aussieht, wie ein Tivoli
genanntes Kinderspielzeug Fig. 19.
(Fig. 20). Auf einem Brett Varmtionspolygon der Größe der Jiohnensamen
v ° ' zu rig. Iö mit den eingezeichneten lypen der
finden sich in gleichen Zwi- Größenklassen. Bei B die Häufigkeitsreihe.
Nach de Vries.
schenräumen Reihen von senk-
rechten Nadeln, die innerhalb der Reihen alternieren. Oben ist durch Holz-
backen eine trichterförmige Eingangspforte hergestellt und unten sind
kleine Abteüungen abgegrenzt. Wird nun das Brett schräggestellt und
durch den Trichter eine Anzahl Schrotkugeln eingeschüttet, so laufen sie
zwischen den Nadeln hindurch und füllen dann die Fächer so aus, wie es
die Abbildung zeigt, d. h. sie bilden hier eine ebensolche Treppenkurve,
wie wir sie eben von den Bohnen sahen. Hier ist nun die Ursache klar.
Jeder Schrotkugel, die das Bestreben hat, geradenwegs in das Mittelfach
hineinzurollen, stellen sich in den Nadeln Hindernisse entgegen, die sie
X,n
. *
9
w
n
12
13
/*
'S
M
7
2
23
ton
/«"?
106
*3
7
36
von ihrem Weg ablenken. Da die Hindernisse nach rechts wie links
gleichmäßig wirken, werden sie sich vielfach gegenseitig aufheben, so daß
die Mehrzahl der Kugeln doch richtig ins Mittelfach gelangt. Bei anderen
wird sich aber eine Ablenkung aus der Bahn ergeben, die die Kugeln
nach rechts oder links
führt, und zwar ist für
jede Seite gleich viel
Wahrscheinlichkeit vor-
handen. Manche Ku-
geln werden wenig ab-
gelenkt, indem es der
Zufall gibt, daß außer
den vielen nach rechts
oder links ziehenden
Hindernissen, die sich
gegenseitig ausgleichen,
auch einige nur ein-
seitig wirken. Es ist
klar, daß ein immer
größerer und daher sel-
tenerer Zufall dazu ge-
hört, daß sich solche
einseitig wirkende Hin-
dernisse wiederholen,
ein Zufall, dessen Un-
wahrscheinlichkeit mit
der Zahl der einseitig
wirkenden Stöße steigt,
und daher werden in
die äußersten Abteilungen, die nur den Kugeln zugänglich sind,
die der Zufall immer wieder nach der gleichen Richtung ablenkt, nur die
allerwenigsten Kugeln gelangen. Das entstandene Bild ist also ein Ausdruck
der Wirkung des Zufalls, und wir würden es bei jeder Versuchsanordnung
erhalten, die zufällige Abweichungen von einer Norm zum Ausdruck
bringt. Die Binomialkurve, wie wir eine derartige symmetrische Figur
Fig. 20. Galtons Zufallsapparat.
37 —
als Kurve gezeichnet nannten, ist, wie uns dieser kleine Versuch an-
schaulich macht, also ein Ausdruck des Gauss sehen Fehlergesetzes,
welches ganz allgemein besagt, daß in einer Beobachtungsreihe bei
gleicher Beobachtungsweise die Häufigkeit eines Beobachtungsfehlers
eine Funktion seiner Größe ist. Je mehr sich ein Fehler von dem Mittel-
maß entfernt, um so seltener ist er und umgekehrt. Und jetzt wird uns
klar, was dieses berühmte Gesetz, von dem Galton einmal sagte, daß
es die alten Griechen als Gottheit verehrt haben würden, wenn sie es
gekannt hätten, auch für die belebte Welt bedeutet. Denn wenn wir
nun aus dem identischen Ausfall des Bohnenversuchs — und er ist ja
der Typus für die normale Art der Variabilität — und des Schrotkugel-
spiels einen Schluß ziehen dürfen, so muß er so lauten : Der Bohnengröße
oder überhaupt jedem variierenden Merkmal kommt eine bestimmte
Größe oder Wert zu, sein Mittelwert. Er wird aber nicht erreicht, indem
die Natur „Beobachtungsfehler" macht, die um so seltener werden, je
größer sie sind. Die Natur macht Beobachtungsfehler heißt aber nichts
anderes, als sie wirkt ebenso auf die Merkmale, wie die Stecknadeln auf
die Schrotkugeln. Dem Organismas stellen sich in Gestalt der Gesamtheit
der äußeren Lebensbedingungen Hindernisse in den Weg, die ihn teils nach
dieser, teils nach jener Seite ziehen und um so seltener in ihrer Wirkung
in Erscheinung treten, je größer sie sind. Mit anderen Worten : Wir leiten den
Schluß ab, daß die charakteristischen Erscheinungen der fluktuierenden
Variabilität nichts anderes sind als der Effekt der äußeren Bedingungen.
Ist das nun richtig, so muß es auf viererlei Weisen bewiesen werden.
Zunächst muß sich ganz allgemein für das Einzelindividuum der Nach-
weis erbringen lassen, daß den Organismen die Fähigkeit innewohnt,
auf Einwirkungen der Außenwelt mit Veränderungen ihrer Eigenschaften
so zu reagieren, daß die veränderte zur ursprünglichen Eigenschaft sich
verhält wie eine Variante zur anderen. Anders ausgedrückt muß be-
wiesen werden, daß der sichtbare Zustand einer Eigenschaft nichts
Absolutes ist, sondern etwas Relatives, nur unter den betreffenden äuße-
ren Bedingungen in gleicher Art bestehendes. Zweitens muß bei der
Betrachtung einer Population gezeigt werden, daß eine Veränderung
in den äußeren Bedingungen auch mit einer Veränderung in ihrer Varia-
bilität verbunden ist. Es muß etwa unter dem Einfluß veränderten
— 38 —
Mediums eine Verschiebung der Variabilitätskurve stattfinden. Sodann
muß gezeigt werden können, daß in einer Gruppe gleichartiger Indivi-
duen Eigenschaften mit geringer Variabilität durch wechselvolleres
Milieu zu stärkerem Variieren gebracht werden können. Und schließlich
muß sich umgekehrt zeigen lassen, daß die Variabilität stark variieren-
der Formen durch Gleichartigkeit der Bedingungen eingeschränkt, ja
vielleicht sogar ganz aufgehoben werden kann. Betrachten wir darauf-
hin nun einmal die Tatsachen.
Fig. 21.
Araschnia levana (links oben) und prorsa (rechts unten) verbunden durch im Tempe-
raturexperiment erzeugte Übergangsformen.
Zunächst sehen wir also einmal ganz von der bisher geübten kollekti-
vistischen Betrachtungsweise, also der Untersuchung von Individuen-
reihen ab, und legen uns die ganz allgemeine Vorfrage vor, wie das Einzel-
individuum bzw. seine Eigenschaften sich dem äußeren Milieu gegenüber
verhält. Die Frage könnte fast müßig erscheinen, so selbstverständlich
ist ihre Antwort. Besteht doch der ganze Teil der Tier- und Pflanzen-
zucht, der als Haltung und Wartung zu bezeichnen ist, in nichts anderem
als in der Hervorrufung von dem Züchter angenehmen Varianten der
Eigenschaften durch zweckentsprechende Wahl des Milieus. Trotzdem
muß die Frage an Hand konkreter Tatsachen beantwortet werden, denn
aus ihnen werden wir eine grundlegende Erkenntnis über das Wesen
— 39 —
der zu betrachtenden Eigenschaften abzuleiten haben. Die elementare
Tatsache selbst erhellt am einfachsten aus den zahllosen Versuchen,
die Forschung wie Praxis über den Einfluß der wichtigsten Außenfakto-
ren, Temperatur, Feuchtigkeit, Nahrung auf die Eigenschaften von
Tieren und Pflanzen angestellt haben. Das Material ist ein unendliches
und es seien nur einige Stichproben aus den verschiedenen Versuchs-
gruppen gegeben.
Da ist zunächst die Einwirkung der Temperatur, für die besonders
aus dem Tierreich interessante Versuche vorliegen, vor allem die be-
rühmten Temperaturexperimente an Schmetterlingen, die von Dorf-
meister inauguriert jetzt wohl den am besten ausgearbeiteten Teil
dieses Kapitels der tierischen Biologie darstellen. Wenn wir hier nur
die Hauptresultate betrachten — weitere werden uns auch noch in ande-
rem Zusammenhang begegnen - - so gingen die Experimente ja davon
aus, den Saisondimorphismus zu erklären, die Tatsache, daß in zwei
Generationen fliegende Schmetterlinge typisch verschiedene Frühjahrs-
und Sommerformen (in den Tropen Trocken- und Regenzeitformen)
haben können, wofür das klassische Beispiel Arasch nia levana und
prorsa ist. Da der Verdacht nahe lag, daß die Differenzen durch ver-
schiedene Temperaturen bedingt seien, behandelte Dorfmeister die
Puppen, die die Sommerform geben sollten, mit Kälte und umgekehrt
und konnte dadurch auch aus ihnen die Frühjahrsform und umgekehrt
erzielen. Und so lassen sich durch abgestufte Temperatureinwirkung
auch alle Zwischenformen herstellen, wie vorstehende Figur 21 demon-
striert, in der einige solche experimentell erzeugte Typen in der Reihen-
folge von levana zu prorsa abgebildet sind. Die zahlreichen Unter-
suchungen, die auf diesem Gebiet an den verschiedensten Objekten und
von den verschiedensten Forschern ausgeführt wurden, haben nun alle dazu
geführt, zu zeigen, daß man durch geeignete Temperatureinwirkung auf
Puppen die aus der Natur bekannten klimatischen Varietäten erzeugen
kann. Standfuss, der Meister der experimentellen Schmetterlings-
züchtung, der (bis zum Jahre 1905) 48 500 Individuen in solchen Ex-
perimenten bearbeitete, hält folgende Punkte für die Hauptresultate:
1. Viele Arten leben an verschiedenen Orten ihres Verbreitungsgebietes
in Form von Lokalrassen. Sie lassen sich experimentell in täuschender
— 40 —
Weise erzielen oder doch wenigstens annähernd, sowohl was Färbung
wie Gestalt der Flügel betriftt. So kann aus Puppen des ge-
wöhnlichen Schwalbenschwanzes (Papilio machaon), wenn sie mit
37 — $8° C behandelt werden, ein Falter schlüpfen, der durchaus der
palästinensischen Sommerform aus Jerusalem gleicht. Oder aus den
Puppen des gemeinen kleinen Fuchses, Vanessa urticae, können durch
Wärme Formen erzogen werden, die der südlichen Varietät ichnusa
Fig. 22. Vanessa io, das Tagpfauenauge, mit künstlich erzeugten Temperaturaberrationen.
gleichen, durch Kälte aber solche, die den nördlichen Arten milberti und
polaris gleichen. 2. In der Natur kommen oft Aberrationen vor, die
sich in ihrem Kleid beträchtlich von dem Normaltypus entfernen. So
hat das Tagpfauenauge, Vanessa io, Aberrationen, in denen die Augen-
flecke verschwinden. Wir werden sie später noch zu erwähnen haben.
Durch das Temperaturexperiment können sie aber ebenfalls hervor-
gerufen werden und zwar auch in allen Abstufungen von der Normalform
zur Aberration. Obenstehende Fig. 22 zeigt uns die Stammform nebst
drei Temperaturaberrationen in einer Serie, die durch viele Zwischen-
41
formen verbunden zum Verlust der Augenflecken führt. 3. Bei Faltern,
die in beiden Geschlechtern verschieden gefärbt sind, kann dieser sexuelle
Dimorphismus aufgehoben werden. 4. Es können durch Temperatur-
7.
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einwirkungen Falter unter Umständen in ihrem Farbenkleide an ganz
andere verwandte Arten angenähert werden, so der Schwalbenschwanz,
Papilio hospiton, in der Richtung auf unsern gewöhnlichen machaon.
— 42 —
5. Es können endlich durch Vertauschung der Lebensbedingungen Ver-
schiebungen der Formen anderer Art stattfinden. So wächst die große
Pappelglucke, Gastropacha populifolia, während der kühlen Jahreszeit
im Herbst und Frühjahr langsam in etwa 25 Wochen zu einem großen
Typus heran. Die sehr nahe verwandte kleine Glucke (Epicnaptera
tremulifolia) hingegen wächst als Raupe während der wärmsten Jahres-
zeit in 11 Wochen heran und ergibt eine sehr viel kleinere Form. Wird
die Brut der großen Glucke in die Lebensbedingungen der kleinen versetzt,
so ergibt sie Falter, die sich der kleinen Art nähern.
Auch im Pflanzenreich fehlt es nicht an solchen Fällen, wie etwa die
in normalen Verhältnissen rotblühende Primula sinensis, deren Blüten
bei Treibhaustemperatur so weiß werden wie bei einer weißen Rasse.
Auch ein Beispiel einer Feuchtigkeitswirkung sei aus dem Tierreich
gegeben, Beebes Versuche mit Tauben. Die nord- und mittelameri-
kanische Taube, Scardafella inca, zeigt nur geringe geographische
Variation in ihrem Verbreitungsgebiet. Dagegen kommen in Honduras,
ferner Venezuela und Brasilien je eine abweichende Form vor, nämlich
dialeucos, ridgwayi und brazilensis, die sich durch reicheres Pigment
auf den Federn auszeichnen. Durch Zucht in einer besonders feuchten
Atmosphäre vermochte Beebe nun die inca so zu beeinflussen, daß sie
mit jeder neuen — natürlichen oder künstlich erzwungenen — Mauser
immer dunklere Federn bildete, wobei allmählich auch das dunkelbraune
Pigment in ein glänzend irisierendes Bronze oder Grün übergeht. So
enthält der wilde Vogel auf einer bestimmten Feder 25,9% pigmentierte
Fläche, der im Experiment gehaltene Vogel vor der dritten Mauser 38%
und nach ihr 41,6%. So gelingt es, die Form inca im Versuch allmählich
das Aussehen der drei anderen Formen annehmen zu lassen, bis schließ-
lich ein Federkleid erreicht wird, das in der Natur nirgends verwirklicht
ist. Vorstehende Fig. 23 gibt die Reihe der fünf natürlichen und
experimentellen Typen wieder.
Wohl die größte Fülle von Tatsachen liegt aber für die dritte Ver-
suchsart vor, die Einwirkung veränderter Ernährungsbedingungen, für
die schon durch Darwin manches berühmt gewordene Beispiel beige-
bracht wurde. So wissen die Kanarienvögelzüchter, daß man durch
Hanffütterung eine dunkle Färbung des Gefieders erzielen kann, daß
— 43 —
man durch große Dosen von Cayennepfeffer die Färbung von Kanarien,
auch Hühnern, in orange verwandeln kann. Der Schweinezüchter kann
durch geeignete Fütterung aus den kurzköpfigen hochgezüchteten Kultur-
rassen Tiere heranziehen mit dem langen Schädel und sonstigen Habitus
des Wildschweins, wie die Fig. 24 so schön zeigt (v. Nathusius), über-
haupt kann der Züchter vielfach durch Fütterung das Exterieur der
Haustiere verändern. Umstehende Fig. 25 gibt ein instruktives Bei-
spiel, die Veränderung des Brustkorbes einer Ziege bei Fütterung von
Fig. 24.
Zwei Wurfgeschwister (Berkshire c5)> links gehungert, rechts gemästet. Nach
v. Nathusius aus Kronacher.
Milch oder vegetabilischem Futter. Die am breitesten angelegten
Experimentalserien auf diesem Gebiet sind aber wohl Pictets Versuche
an Schmetterlingen, der zeigen konnte, daß man bei zahlreichen Schmet-
terlingsarten wie Lymantria dispar und monacha, Abraxas
grossulariata, Lasiocampa quercus, Biston hirtarius durch
Fütterung der Raupen mit ungewöhntem Futter eine große Variabilität
hervorrufen kann. Diese betrifft begreiflicherweise einmal die Dimen-
sionen der Tiere, da schlecht ernährte Raupen natürlich kleinere Falter
geben, sodann aber vor allem Färbung und Zeichnung. Es scheint
insofern eine Regelmäßigkeit der Wirkung zu bestehen, als Ernährung
— 44 —
mit wenig ausgiebiger Nahrung die Variabilität nach dem Albinismus
zu richtet, solche mit nahrhaften Substanzen aber nach dem Melanismus
hin. Die einzelnen Nahrungssorten scheinen dabei eine ziemlich spezi-
fische Wirkung auszuüben und sich zu addieren, wenn sie gemischt be-
nutzt werden. Besonders bemerkenswert ist die Einwirkung auf Formen
mit sexuellem Dimorphismus wie Lymantria dispar oder Lasio-
campa quercus. Fig. 26 zeigt in 2 das Weibchen, 3 das Männchen
letzterer Form, das sich durch die scharfgerandete dunkle Tönung der
inneren Flügelhälfte vom Weibchen unterscheidet. 4 gibt aber ein
B
Fig. 25.
Brustkorb der Ziege, A bei Fütterung mit Milch, B bei vegetabilischem Futter. Nach
Ratzebu ra:.
Weibchen wieder, das durch Fütterung mit Esparsette dem männlichen
Typus genähert wurde. Das Gesetz scheint das zu sein, daß minder-
wertigere Nahrung die sekundären Geschlechtscharaktere des Männ-
chens, in diesem Fall die Verdunkelung der Flügel hervorruft, während
reiche Ernährung umgekehrt das Männchen den weiblichen Charakteren
nähert. Doch damit seien genug der Beispiele dieser Art genannt.
In den betrachteten Fällen war eine tiefere logische Beziehung
zwischen dem Außenfaktor und der Art der Variation wohl nicht vor-
handen. Für den Einblick in das Wesen der variierenden Eigenschaften
sind aber viel bedeutungsvoller jene Reaktionen des Organismus, die
eine deutliche Beziehung zur Qualität des auslösenden Milieureizes zeigen
und dies sind im weitesten Sinn jene Variationen der Eigenschaften, die
45
man als funktionelle Anpassungen bezeichnet, also zweckmäßige Reak-
tionen auf den bewirkenden Milieureiz. Auch ihre Zahl ist im Pflanzen-
wie im Tierreich eine ganz außerordentliche : ein gebrochener und schief-
verheilter Knochen wandelt seine
Innenstruktur so um, daß sie
für den Widerstand gegen die
neuen Belastungsverhältnisse ge-
eignet wird; verändert sich das
Hebelsystem von Gliedmaßen-
knochen durch Verkürzung eines
Hebelarmes, so wandelt sich die
Struktur des zugehörigen Mus-
kels so um, daß sie den neuen
mechanischen Bedingungen ge-
recht wird (Marey). Werden
Fleischfresser mit Pflanzenkost
gefüttert, so verlängert sich ihr
Darm und umgekehrt (Babak,
Houssay, S c he pel m an n).
Aber auch Außeneigenschaften,
die sonst für die betreffende Art
oder Gruppe charakteristisch sind,
können sich in erstaunlicher
Weise durch funktionelle An-
passung verändern. Da ließen
sich besonders aus dem Pflan-
zenreich eine unendliche Fülle F;o. 2Ö>
VOn Beispielen nennen, da ge- Verschiebung der sekundären Geschlechts-
. Charaktere von Lasiocampa quercus durch
lade diese experimentellen Ver- Fütterung. 2 normales Q, 3 normales 3
änderungen der Pflanze und 4 ira E*?e£Tnt >?e?go- 3 -ähnliches
0 Weibchen. Nach Pictet.
ihrer Teile unter dem Einfluß
äußerer Faktoren — Biaiometamorphosen nennt sie Lotsy mit einem
monströsen Ausdruck — einen Hauptteil der experimentellen Pflanzen-
morphologie ausmachen. Besonders Göbel hat ja dieses Gebiet durch
bahnbrechende Untersuchungen bereichert. Umstehende Fig. 27 zeigt
H
— 46
einen besonders instruktiven Fall: Im Wasser kultiviert hat die
Landpflanze Limnophila heterophylla (rechts und links im Bild) Seiten-
sprosse hervorgebracht, die ganz andersartige, zerteilte Blätter, die
Wasserblätter, besitzen.
Auch auf tierischem Gebiet gibt es dazu Parallelen, die sich z. B.
aus den klassischen Experimenten Marie von Chauvins am mexika-
Fig. 27.
Limnophila heterophylla, in der Mitte ein Trieb mit Landblättern, die beiden Seiten-
triebe haben bei Wasserkultur Wasserblätter gebildet. Nach Göbel.
nischen Axolotl ergeben, auf die wir noch mehrfach zurückkommen
werden. Bekanntlich ist dieser eine Wasserlarve des Landmolches
Amblystoma, die in der Gefangenschaft normalerweise als Wasserlarve
geschlechtsreif wird. Fräulein von Chauvin gelang es aber, sie zu
zwingen, ihre Verwandlung zum Landmolch auszuführen, womit ja
große äußere und innere Veränderungen verbunden sind, nämlich Über-
gang von der Kiemen- zur Lungenatmung und entsprechende Ein-
— 47 —
Schmelzung der Kiemen, Verwandlung des flachen Ruderschwanzes in
den runden Landschwanz, Änderung der Haut und ihrer Färbung.
Es wurde nun ein 15 Monate alter Axolotl zur Metamorphose gezwungen
und in 12 Tagen so weit gebracht, daß er in feuchtem Moos leben konnte
und durch Lungen atmete. Nur der völlige Abschluß der Metamorphose
durch eine entscheidende Häutung wurde verhindert. Es trat nun eine
Reduktion des Ruderschwanzes auf die Hälfte seiner Breite ein, so daß
er auch nicht mehr zum Schwimmen benutzt werden konnte, wenn das
Tier ins Wasser kam; die Kiemenbüschel aber reduzierten sich bis auf
kurze Stummel. Nun — nach einem Landaufenthalt von 15 1/<2 Monaten
— wurde das Tier langsam wieder ans Wasser gewöhnt, was es nur sehr
widerwillig tat. Trotzdem begannen schon am 6. Tag die Kiemenfäden
wieder zu wachsen, und der vorher umgelegte Rückenkamm richtete
sich wieder auf. Nach 10 Tagen wrar der kritische Zustand des Tieres
wieder überwunden und schon nach einem Monat waren alle Charaktere
des Wassertieres wieder da. Nach 3Y4 Monaten wurde aber das gleiche
Tier wieder auf das Land gebracht, wo es in einem halben Jahr wieder
alle Veränderungen zum Landtier durchmachte und auch mit der letzten
Häutung begann, während deren es starb. Wir werden in einer späteren
Vorlesung noch einer Reihe analoger Fälle begegnen, die alle die gleiche
Art funktioneller Anpassung ülustrieren.
Die Art der Organismen, durch Einwirkung von Außenfaktoren in so
charakteristischer Weise zu variieren, wie es besonders die letzten Bei-
spiele zeigten, führt uns nun zu der Frage, was eigentlich die Eigen-
schaften sind, deren Variabilität wir hier studieren. Und da ergibt sicli
ohne weiteres, daß sie ebenso zu betrachten sind, wie die Messungen eines
Physikers, denen ein bestimmter Wert nur zukommt unter bestimmten
äußeren Bedingungen wie etwa Temperatur und Luftdruck. Auch die
Eigenschaften haben einen bestimmten Charakter nur unter bestimmten
Bedingungen : Die Brustfedern jener Taube sind nicht weiß, sondern sind
bei einem bestimmten Feuchtigkeitsgrad weiß, bei einem anderen aber
gesprenkelt. Die Eigenschaft ist also nicht weiß oder mit Kiemen oder
kurzer Darm oder rotblühend, sondern die Fähigkeit auf bestimmte
äußere Bedingungen mit bestimmter Darmlänge, Farbe, Kiemenstruktur
zu reagieren: also eine bestimmte Reaktionsnorm (Woltereck,
— 48 —
Baur, Johannsen). In dem Fall der Limnophila bestand die Reaktions-
norm in der Alternation Land- und (mit) Wasserblätter. In anderen Fällen
besteht sie in der Fähigkeit, auf abgestuften Reiz abgestuft, also fluktuie-
rend zu reagieren. Im Prinzip ist das das gleiche, aber nur in letzterem
Fall kommt eine fluktuierende Variabilität zustande, die kollektiv be-
trachtet werden kann.
Eigentlich ist mit der Lösung dieser Vorfrage auch schon die Lösung
der Hauptfrage nach der Ursache der fluktuierenden Variabilität gegeben.
Aber wir wollen doch noch die drei Fragen beantworten, die wir oben
in bezug auf das Verhalten der ganzen Variationskurve gegenüber den
Milieueinflüssen gestellt hatten.
"Was zunächst den ersten Punkt betrifft, die Veränderung einer
Variationsreihe unter dem Einfluß äußerer Bedingungen, so ist er schon
aus der reinen Beobachtung zu erschließen. Eine Fülle biologischer
Tatsachen — von denen besonders reiches Material, wie überhaupt für
alle diese Fragen, von Darwin beigebracht ward — ist bekannt, die alle
zeigen, daß sich Tiere verändern, wenn sie in anderen als ihren typischen
Lebensbedingungen sich befinden. Von Bedingungen, die sich analy-
sieren lassen, also nicht einfach allgemein als „veränderte Lebenslage"
zu bezeichnen sind, sei nur eine als Beispiel angeführt, der Einfluß des
Salzgehalts auf Wassertiere. Bateson konnte die Herzmuscheln (Car-
dium edule) zentralasiatischer Seen untersuchen, die einen langsamen
Eintrocknungsprozeß durchmachen, so daß an ihrem Rand sieben
aufeinander folgende Terrassen sich finden, die verschiedenem Salzgehalt
entsprechen. In ihnen nehmen nun die Schalen immer mehr an Dicke
ab, so daß sie in der untersten, also salzigsten Zone direkt hornig waren.
Hand in Hand damit gingen Veränderungen der Farbe, Struktur und
Größe, und alle diese Eigenschaften erwiesen sich bei allen Individuen
eines Horizonts als gleichförmig. Und Bateson schließt denn auch,
daß die Salzigkeit bzw. entsprechende äußere Bedingungen die Ursachen
der Variation darstellen.
Solche Beobachtungen kommen aber auch immer wieder zum Vor-
schein, wenn variationsstatistische Untersuchungen angestellt werden.
Bei Anstellung von Kulturen in verschiedenen Jahren, ist die Gesamt-
heit der äußeren Bedingungen, das was man Lebenslage nennt, ja
49
immer etwas verschieden, und die variationsstatistische Untersuchung
der verschiedenen Materialien muß dann eine eventuelle Wirkung solcher
Differenzen ja hervortreten lassen. Sie geht denn auch klar aus folgender
Tabelle nach Johanns en hervor, der die Samengewichte von Bohnen
desselben Stammes1 in sechs aufeinander folgenden Generationen ver-
gleicht :
Jahrgang
Zahl der
Bohnen
Mittleres Gewicht der
extremsten
Minus- Plus-
Mittleres
Gewicht
ca.
abweicher
abweicher
1903
252
55
80
64
1904
7"
50
87
73
1905
654
43
73
55
1906
354
46
84
(>3
1907
379
56
81
74
Man ersieht daraus, daß innerhalb des gleichen Materials unter
dem Einfluß der nicht weiter kontrollierten Lebenslage der Mittelwert
des Bohnengewichts z. B. im Jahr 1905 etwa 55 betrug, im Jahr 1907
aber 74. Es bestand also gewissermaßen eine Variabilität der Variation
in der Zeit, das was Johannsen eine kollektive Variabilität nennt. Auch
die zoologischen Studien haben das gleiche ergeben. Ein in typischer
Weise der fluktuierenden Variabilität unterworfenes Merkmal ist die
Kopfhöhe oder Helmhöhe der Süßwasser bewohnenden Daphnien, auch
die Länge ihres Schwanzstachels u. a. Diese Formen pflanzen sich
durch Parthenogenese fort, sodaß innerhalb eines Sommers zahlreiche
Generationen nacheinander auftreten. Man weiß nun schon lange, daß
in einem und demselben See die verschiedenen aufeinander folgenden
Generationen einen ganz verschiedenen Mittelwert der Kopfhöhe haben,
derart, daß die Frühsommergenerationen niedrige Köpfe haben, die
dann in weiteren Generationen höher werden, bei der Spätsommer-
generation ihr Maximum erreichen und dann wieder zum Herbst und
Winter hin in den letzten Generationen des Jahres abnehmen, kurz daß
1 Es handelt sich hier um Glieder einer reinen Linie, ein Begriff, der uns später
beschäftigen wird. Hier sei nur gesagt, daß die an reinen Linien gewonnenen Resultate
noch wesentlich beweisender sind, als die an Populationen erzielten.
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 4
— 50 —
in der Helmhöhe das stattfindet, was man eine Cyclomorphose nennt.
Nebenstehende Figur 28 zeigt es in einem Schema der aufeinander
folgenden durchschnittlichen Größen; wir werden bald nochmals auf
die Erscheinung zurückzukommen haben. Hier sei eben nur die Tat-
sache der Verschiebung des Typus eines variabeln Merkmals im Zu-
sammenhang mit der Lebenslage, in diesem Fall ausgedrückt durch
die Jahreszeit, festgestellt.
2 8 VI
181
30W
Fig. 28.
15JX
Cyklomorphose der Helmhühe und Stachellänge von Hyalodaphnia im Anschluß an
Wesenberg- Lund nach Woltereck.
Um diese Verschiebung nun exakt zu beschreiben, müssen wir sie
natürlich auf die Variationskurve oder -Reihe eines Merkmals beziehen.
Besonders schön läßt sich das auf zoologischem Gebiet an den Zahlen-
reihen demonstrieren, die Tower für den Koloradokäfer gegeben hat.
Hier bezieht sich die kollektive Variabilität oder place Variation auf
alle die Farben und Zeichnungen des Tieres, von denen wir ein Beispiel,
die Zeichnung des Halsschildes, oben in Fig. 12 abgebildet haben. Die
folgende Tabelle bezieht sich auf die gleiche Zeichnung der Art Lepti-
notarsa decemlineata. Die erste Kolumne gibt den Jahrgang, die
zweite die Generation, da dieser Käfer zweimal im Jahr brütet, die
folgenden die Zahlen der Individuen in Prozenten ausgedrückt (es
51 —
wurden immer mehrere Tausend gezählt), die sich in den einzelnen
Färbungsklassen, von denen 13 unterschieden werden, finden:
Jahr
Gene-
ration
Färbungsklasse
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
r3
1895 j
1
2
—
—
_
- —
1
5
2
2
54
14
20
24
3
41
3
9
5
3
1896 j.
1
2
1
6
3
61
16
19
18
7
51
4
7
3
4
— ■
1S97 j
1
2
—
—
—
1
3
20
2
50
22
22
59
4
14
2
1
1898 {
1
0
—
1
1
1
2
2
6
19
25
49
36
17
22
7
5
3
2
1
1
1899 {
1
2
1
1
3
4
20
7
47
23
26
36
2
16
1
9
4
I90O l
1
2
1
1
1
4
1 1
12
34
41
20
30
15
12
8
2
2
1
2
1
1
1
1901 j
1
2
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2
3
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19
5
40
16
15
41
6
21
2
5
1
3
2
1
1902 1
1
1
2
—
1
1
2
1
5
3
11
8
44
48
18
26
10
10
4
3
2
1
1
1
Man sieht hier auf das deutlichste, wie an der gleichen Lokalität die
beiden Generationen von 1900 den Mittelwert (genauer gesagt, die größte
Variantenzahl) bei der Färbungsklasse 6 aufweisen, während die zweite
Generation z. B. von 1899 ihn bei Klasse 10 hat. Man erkennt aber auch,
daß verschiedentlich die Form der Kurve (die sich auch aus der Reihe
gleich an der Stellung der fettgedruckten Mittelklasse erkennen läßt) stark
verändert wird. So ist sie in der ersten Generation von 1895 sehr schön
symmetrisch, in der zweiten Generation von 1896 aber sehr schief nach
links verschoben.
Läßt nun die Lebenslagevariation nur den Schluß zu, daß die Wirkun-
gen des Milieus für die Erscheinungen der Variabilität verantwortlich
zu machen sind, so kommen wir zum gleichen Resultat bei Betrachtung
einer enge damit zusammenhängenden Erscheinung, der geographischen
oder Standortsvariabilität. In der Pflanzen- und Tiersystematik spielt
ja die Tatsache eine große Rolle, daß dieselbe Art in verschiedenen Teilen
— 52
Fig. 29. Geographische Formenkette der Schalen
von Cerion glans von in westöstlicher Richtung fort-
schreitenden Fundorten. Nach Plate.
ihres Verbreitungsgebietes in
kleinen Eigenschaften ver-
schieden ist. Viele tiergeo-
graphische Probleme sucht
man sogar vorwiegend aus
dem Vergleich der verschie-
denen Standortsformen varia-
bler Arten zu erklären; be-
sonders die Schnecken liefern
ein ausgezeichnetes Material
solcher geographischer For-
menketten, wie Gul ickfür die
Achatinellen von Hawai, Sa-
rasin für die celebensischen
Landschnecken, Plate für die
Cerionformen der Bahamas
ausführte. Nebenstehende
Fig. 29 zeigt eine solche
Formenkette von Cerion
glans, wie sie dort in der
Richtung von West nach Ost
(I— IX) auftritt. (Nebenbei
sei bemerkt, daß Da venport
versucht hat, diese Formen-
kette durch Bastardierung
zu erklären; der Beweis ist
noch nicht gelungen.) Aber
man braucht gar nicht soweit
zu gehen. Unsere gewöhn-
liche Helix nemoralis,
deren Variabilität uns später
beschäftigen wird, zeigt sicht-
lich die gleiche Erscheinung,
indem sie nach Leydig von
Mainz rheinabwärts von hei-
— 53 —
lern Gelb bis zu schokoladenbraun variiert. Ein entsprechendes Beispiel
aus anderen Tiergruppen wäre aus den interessanten Befunden Aliens
an nordamerikanischen Vögeln und Säugetieren zu entnehmen. So stellt
er fest, daß im Norden und Osten von Nordamerika die Variationen
mehr nach Verdunkelung, Melanismus tendieren, im Süden und Südost
mittlere Färbungen vorherrschen und im äußersten Süden und Süd-
westen starke Aufhellung, Albinismus sich findet. Hand in Hand damit
gehen aber auch Größendifferenzen, derart, daß im allgemeinen nörd-
liche Formen größer erscheinen als südliche. Die folgende Tabelle gibt
einige Daten für Vögel wieder, indem die prozentuale Größendifferenz
nördlicher gegenüber südlichen Tieren verzeichnet ist :
Größendifferenz
nördlicher Exemplare gegenüber
Form
südlichen in °/0
Körperlänge
Flügelspannung
Schwanzlänge
Pipilo erythrophthalmus
+ 3,9
+ 14,6
- 5,6
Sturnella ludoviciana
+ 6,3
+ 3,8
+ 10,9
Cyanura cristata
+ 6,6
+ ii. 6
— 2,2
Ortyx virginianus
+ 7,6
+ 9-Q
+ n,9
Quiscalus purpureus
+ 3,6
+ 6,6
+ i,5
Besonders klar tritt das hervor, wenn wir wieder für das schon so
oft betrachtete Merkmal des Halsschildes des Koloradokäfers eine Tabelle
nach Towers Angaben ansehen, weil dabei die gesamte fluktuierende
Variabilität berücksichtigt ist. Es sind im ganzen 20 Färbungsklassen
unterschieden, von denen die erste völligen Albinismus, die letzte völligen
Melanismus bedeutet. Die Angaben beziehen sich wieder auf Prozente
des Gesamtmaterials, für das in der letzten Spalte die Zahl der benutzten
Generationen angegeben ist, da es ja nötig ist, mehrere zu benutzen,
um die Wirkung der Lebenslage Variation auszuschalten. Die um-
stehende Tabelle bezieht sich auf L. decemlineata.
Man sieht daraus, in wie vielen verschiedenen Klassen sich der
Mittelwert finden kann. Es ist klar, daß die so festgestellte Standorts-
variabilität nichts wesentlich anderes als die Lebenslage Variabilität ist,
indem man annehmen muß, daß in klimatisch verschiedenen Gebieten
der allgemeine klimatische Charakter stärkere Wirkung ausübt als die
übrigen Lebenslagefaktoren, so daß diese letzteren daher neben ersteren
54 —
keine entscheidende Rolle spielen. Eine genaue Bestimmung, um
welche klimatischen Faktoren es sich handelt, ist natürlich schwer zu
geben. Tower weist darauf hin, daß diese geographische Farben -
Variation sichtlich den gleichen Gesetzen gehorcht, wie sie Allen, wie
schon erwähnt, für die Säugetiere und Vögel fand. Dieser Forscher aber
glaubt, daß die Steigerung der Farbintensität von Norden nach Süden
zu Hand in Hand geht mit der Steigerung der Sonnenstrahlung und der
Feuchtigkeit, ebenso die gleiche Erscheinung in der Richtung von
Osten nach Westen, da die Dunkelheit der Färbung direkt der Nieder-
schlagsmenge proportional erscheint.
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— 55
Doch damit seien es genug der Beispiele dieser Art, die nur einen
indirekten Schluß auf die Ursachen der Variabilität erlauben. Eine
direkte Antwort gibt natürlich nur das Experiment und es sollen uns
daher einige Beispiele zeigen, wie es zum gleichen Resultat führen muß.
Für Pflanzen läßt es sich begreiflicherweise besonders leicht zeigen,
wie man durch Veränderung der äußeren Bedingungen eine Verschiebung
der Variationskurve erreichen kann. Denn hier lassen sich bequem
genau meßbare Änderungen in Belichtung, Ernährung usw. ins Experi-
ment einführen. So konnte de Vries die Variationsreihe für die Frucht-
länge von Oenothera rubrinervis so verschieben, wie es die folgende
Tabelle zeigt:
Fruchtlänge
in mm:
24
25
26
27
28
2Q
3"
3<
10
32
15
33
34
35
7
2
7
5
2
5
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37
10
38
10
39
16
40
7
41
9
42
7
43
1
44
4
Anzahl Exem-
plare der 2
2. Generation:
Anzahl Exem-
plare der —
3. Generation:
De Vries zieht schließlich aus seinen Versuchen ganz direkt den
Schluß, daß die fluktuierende Variabilität eine Erscheinung der
Ernährungsphysiologie ist.
Aber auch für die beiden von uns bei der Besprechung der biologi-
schen Tatsachen angezogenen Tierformen, die Daphniden und Kolorado-
käfer, läßt sich das gleiche zeigen. Erinnern wir uns wieder an die mit
der Jahreszeit wechselnden Kopfhöhen der Daphnien. Es ist nun ver-
sucht worden, diese Erscheinung teleologisch zu verstehen. Ostwald
hat darauf hingewiesen, daß mit steigender Temperatur die innere Rei-
bung des Wassers herabgesetzt wird und umgekehrt. Da die Daphnien
als Planktonorganismen im Wasser schweben, so bedürfen sie, wie alle
in gleicher Lage befindlichen, eines größeren Sinkwiderstandes, um sich
bei höherer Temperatur schwebend zu erhalten. Diese Vergrößerung
des Sinkwiderstandes wird nun bei allen Planktonorganismen durch
Bildung von die Körperoberfläche vergrößernden Stacheln und Fort-
sätzen erreicht, und so könnten auch die wechselnden Kopfhöhen in
diesem Sinn zu deuten sein. Wenn es auch möglich ist, daß jener Effekt
56
schließlich erzielt wird, so konnte doch Woltereck zeigen, daß die
innere Reibung des Wassers nicht die Ursache jener Variation ist. Ihre
Erhöhung durch Zusatz von Quittenschleim übte keinerlei Einfluß aus.
Aber auch die Temperatur selbst hat keinerlei direkte Wirkung, sondern
einzig und allein die Ernährung, deren Intensität, die Assimilations-
intensität, ja auch indirekt von der Temperatur anhängig ist. Daher
kann man bei gleicher Ernährung mit höherer Temperatur eine Variations-
verschiebung erzielen, umgekehrt aber auch bei niederer Temperatur
durch stärkere Ernährung den gleichen Effekt. Ist also die Temperatur
§
I
§
^ Kopf höhe in % der ' SdurfenZänge. >-
Fig. 30.
Schematische Kurven der Kopfhöhe von Hyalodaphnia in verschiedenen Ernährungs-
bedingungen nach Woltereck.
konstant, so ist die Helmhöhe direkt proportional der Ernährung. Es
bestätigt sich also der obige Satz von de Vries, daß die Variabilität
eine Erscheinung der Ernährungsphysiologie ist. Die Resultate der
Beeinflussung der Kopfhöhe durch verschiedene Ernährungsbedingungen
lassen sich gut aus obenstehender schematischen Kurve, Fig. 30, erkennen.
Sie zeigt uns drei Kurven für die Variabilität der Kopfhöhe bei schwacher,
mittlerer und reicher Ernährung und man erkennt, wie die Kurve und
somit auch ihre Mittelwerte m durch günstige Ernährungsverhältnisse
nach der Seite der größeren Kopfhöhe verschoben werden. Hier zeigte
sich allerdings eine Einschränkung der Allgemeingültigkeit des Resultats,
auf die wir bald zurückkommen werden.
— 57 —
Besonders klar geht nun auch in diesem Punkt der Erfolg der Ver-
suche zur Verschiebung der Variationsreihe durch die Wirkung äußerer
Faktoren aus den vielen Versuchen hervor, die Tower an den Kolorado-
käfern anstellte. Schon aus folgendem einfachen Versuch ist die Wirkung
des äußeren Mediums auf die Variabilität kenntlich: Käfer, die aus
Temperaturdifferenzen vom Normalen in °C.
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Fig. 31.
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.Schematische Darstellung der Verschiebung des Färbungsmittels durch hohe und
niedere (gebrochene Linie] Temperaturen in 7 Versuchen. Die Kurve steigt erst zu
Melanismus und fällt bei weiterer Bewirkung zum Albinismus ab. Nach Tower.
verschiedenen Gegenden Amerikas stammten und die für den betreffen-
den Standort charakteristische Variationsreihe zeigten, wurden nach
Chicago gebracht und dort vermehrt. Schon nach nur einer, spätestens
zwei Generationen zeigten sie genau die für Chicago charakteristische
Variationsreihe. Brachte man sie dann unter Bedingungen in bezug
auf Temperatur und Feuchtigkeit, die denen einer anderen Region ent-
— 58 —
sprachen, so konnte man sie sofort wieder zu einem anderen Variations-
typus bringen. Um nun genau die Ursachen für diese Verschiebung der
Variabilität festzustellen, wurden systematische Versuche mit Ein-
wirkung von Temperatur, Feuchtigkeit, Nahrung, Licht, Boden- und
Atmosphärebeschaffenheit und Luftdruck vorgenommen. Die Tiere
wurden also während ihrer Entwicklung oder dauernd in Temperaturen
gezogen, die wenig oder viel von der ihres normalen Aufenthaltsorts ver-
schieden waren. Der Effekt war der, daß bei geringer Tempe-
raturdifferenz und zwar mit gleicher Wirkung für Abkühlung und
Erwärmung, eine Verschiebung der Kurve nach der melanistischen
Seite erfolgte, bei größeren Differenzen aber immer mehr nach maxi-
malem Albinismus hin. Umstehende Fig. 31 gibt ein Diagramm für
den Ausfall von sieben solchen Versuchen, wobei die gebrochene Linie
sich auf Versuche mit niederer Temperatur, die andere auf solche mit
höherer als der normalen beziehen; die Linie selbst gibt hier die Lage
des Mittelwertes der (auf diese Weise nicht mit dargestellten) Variationsreihe
an. Die folgende Tabelle gibt die exakten Zahlen für den 7. dieser Ver-
suche, wobei die Durchschnittstemperatur — i,i° betragen hatte im
Gegensatz zu 22,4 in der Natur. Die als Kontrolle bezeichneten Indivi-
duen sind Geschwister der Versuchstiere, die normal gehalten wurden.
Klasse
2
1
0
4
5
6
7
S
9
10
11
12
13
Elterntiere O/o
—
—
■ —
1
2
5
20
42
18
9
2
1
Kontrolltiere
—
—
—
1
2
6
22
28
25
9
5
2
Versuchstiere
1
13
43
29
13
1
Das Resultat spricht für sich selbst. Es ist dabei noch besonders
darauf hinzuweisen, daß man sich hier, wo nur ein einziger veränderter
Faktor wirkte, auch etwas nähere Vorstellungen darüber bilden kann,
wie die veränderte Variabilität zustande kommt. Die Färbung dieser
Tiere beruht ja auf der Anwesenheit von Pigment, und dessen Bildung
geschieht unter dem Einfluß von Enzymen. Es ist aber bekannt, daß
die Wirkung der Enzyme von der Temperatur sehr abhängig ist, und
so erweist sich die veränderte Variabilität im großen Ganzen als eine
Funktion des veränderten Chemismus, wenn sie sich auch nicht in allen
— 59 —
Einzelheiten erklären läßt. Diese Resultate sind genau die gleichen,
wenn anstatt der Temperatur differente Feuchtigkeitsgrade benutzt
wurden, obige Kurven könnten ebensogut auch für ein Feuchtigkeits-
experiment gelten.
Wir können diesen Punkt aber nicht verlassen, ohne darauf hin-
gewiesen zu haben, daß die Beziehungen zwischen äußeren Faktoren und
Variabilität sich ebenso wie für erwachsene Individuen auch für deren
Entwicklungsstadien haben nachweisen lassen. Auch hier zeigt bereits
die biologische Erfahrung ohne experimentelle Analyse, daß solche
Abhängigkeiten existieren. So macht der Wurm Polygordius in der
Nordsee seine Entwicklung und Metamorphose in einer Weise durch,
die derart von der der Mittelmeerform abweicht, daß die gesamten
Entwicklungsvorgänge kaum unter einen Gesichtspunkt zu bringen sind.
Es liegt also eine extreme Lebenslagevariation in der Entwicklung vor.
Oder gewisse tropische Formen des Amphioxus erleiden ihre Meta-
morphose in einer von der der Mittelmeerform so abweichenden Art,
daß man ihre Larven unter Verkennung der Lebenslagevariation für
besondere Tierformen halten konnte. Aber auch im Experiment mit
variationsstatistischer Analyse haben sich vor allem durch die Studien
von Vernon und Peter Resultate ergeben, die den am ganzen Organis-
mus gewonnenen durchaus analog sind. So züchtete Vernon Seeigeleier
unter verschiedenen Temperaturen und fand dann entsprechend ver-
schiedene Größen der resultierenden Larven, wie deren Längenmaß im
Mittelwert nach der folgenden Tabelle zeigt:
Temperatur
Str6ngylocentrotus
Körperlänge Armlänge
Echinus
Körperlänge Armlänge
11,4"
15,9°
20,4°
23,7"
IOO.O
"3-5
120,6
122,5
ioo,o
143,4
156,8
H9,i
100,0
"3,4
124,5
123,9
100,0
116,3
106,6
"3,7
Ganz analog sind die Ergebnisse Peters, die sich direkt auf die Zahl
der Zellen bestimmter Organe beziehen. Er konnte eine typische Be-
einflussung der Variationsreihen für die Zahl der Mesenchymzellen der
Seeigellarven oder der Chordazellen der Ascidienlarve durch Wechsel
— 60 —
der Temperatur wie der chemischen Zusammensetzung des Mediums
erweisen. Wir werden bald auf diese Versuche nochmals zurück-
kommen.
Wir können es also nunmehr als experimentell erwiesene Tatsache
betrachten, daß die Variationskurven durch Veränderung äußerer Be-
dingungen verschoben werden können. Wir dürfen also hieraus ebenso
wie aus den vorher mitgeteilten Beobachtungen über Lebenslage- und
Standortsvariation, wie auch aus der Betrachtung der binomialen Form
der Variationskurve und den Tatsachen, die die variabeln Eigenschaften
als Reaktionsnorm definieren ließen, den Schluß ableiten, daß die Varia-
bilität durch äußere Ursachen bedingt ist. Der Schluß wird aber erst
richtig bindend, wenn wir, wie schon oben besprochen, auch noch nach-
weisen können, daß durch veränderte Bedingungen das Maß der Varia-
bilität erhöht, oder durch konstante Bedingungen die Variabilität auf-
gehoben werden kann. Und auch hierfür liegen experimentelle Be-
lege vor.
Es ist klar, daß es viel schwieriger ist, diese Punkte für tierische Orga-
nismen zu erweisen als für pflanzliche, da es in ersterem Falle sehr schwer
fällt, die Verschiedenartigkeit oder Konstanz äußerer Bedingungen zu
beherrschen, während man Pflanzen in den gleichen Nährlösungen usw.
in wirklich kontrollierbaren gleichen oder differenten Bedingungen
züchten kann. (Neuerdings ist es allerdings auch gelungen, Tiere, näm-
lich die Fliege Drosophila, in sterilen Reinkulturen zu züchten und somit
wirklich die Gesamtheit der äußeren Bedingungen zu beherrschen
[Delcourt und Guyenot]. Resultate auf Grund dieser Methode liegen
noch nicht vor.) Immerhin geht die postulierte Tatsache auch auf
tierischem Gebiet mit genügender Deutlichkeit aus den folgenden Be-
obachtungen von Jennings hervor, die er an dem Infusorium Para-
maecium machte. Auch hier läßt sich ein deutlicher Einfluß der äußeren
Bedingungen auf die Größenverhältnisse der Tiere feststellen. So
schwankt der Mittelwert für die Länge in manchen Kulturen zwischen
J3 und 200 ju, der für die Breite sogar von 16 — 84 /*. Aber auch das Maß
der Variabilität wird durch Wechsel der Bedingungen gesteigert, durch
größere Konstanz aber herabgesetzt. So konnte man in der gleichen
Kultur den Variationskoeffizienten, der uns ja ein Maß für die Varia-
— 61 —
bilität gibt, für die Länge von 6,821 bis zu 13,262 steigen oder umgekehrt
sinken sehen, für die Breite von 8,896 bis 28,879. Folgende Tabelle, die
uns einen Teil des Protokolls einer solchen Kultur gibt, zeigt uns, wie
diese Verschiebungen im Zusammenhang mit den Änderungen der Be-
dingungen verlaufen. Wie sich die gesamte Variationskurve dabei ver-
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u6 128 140 152 164 176 18S
200
212
224
236
Fig. 32.
Veränderung der Variationskurve von Paramaeeium unter dem Einfluß äußerer Be-
dingungen. Die Nummern der Kurven entsprechen den Bezeichnungen umstehender
Tabelle, die die näheren Angaben enthält. Nach Jennings.
ändert, zeigt Fig. 32, in der die zugehörigen Kurven zusammen ein-
gezeichnet sind. Die Nummern der Kurve entsprechen den Nummern
der Tabelle (Seite 62).
Es trat übrigens auch in den schon erwähnten Versuchen Peters
eine Verschiebung der Variationsbreite embryonaler Zellzahlen im Ge-
folge wechselnder Bedingungen ein, wie es leicht aus dem Vergleich der
Variationskoeffizienten von normalen Kulturen und solchen mit abnor-
62 —
Nr.
Material
1
e
v
SS — .
'S rt
c
Mittelwert
der Länge //
Variations-
koeffizient
Variations-
breite fi
Mittelwert
der Breite /<
Variations-
koeffizient
Variations-
breite fi
7
24 Std. in frischer Heu-
infusion. 17. Juli.
200
184,100
8,S34
140 — 216
46,020
11,421
36—60
8
Eine Woche Hunger.
24. Juli.
I50
146,108
7,003
120 — 176
31,180
12,473
20 — 40
9
24 Std. frische Heu-
infusion. 25. Juli.
350
163,932
12,767
120—220
46,684
28,879
20 — 80
IO
Flüssigkeit eine Woche
nicht gewechselt. 31. Juli.
ISO
174,400
8,530
132 — 212
44,800
17.397
32-68
ii
48 Std. in frischer Heu-
infusion. 3. August.
I50
191,360
8,945
136 — 240
54,880
14,255
36-84
X
Kombination von 3 dieser
Proben.
450
180,624
13,795
120 — 240
43,600
27,184
20 — 84
men Bedingungen hervorgeht. Die folgende Tabelle nach Peter gibt
diese Koeffizienten für die Variabilität in der Zahl der Skelettbildungs-
zellen in den Larven von Seeigeln.
Variations-
Variations-
koeffizient
koeffizient
Objekt
unter
unter
Bedingung
normalen
abnormen
Bedingungen
Bedingungen
Echinus
4,688
5,685
Wärme
Strongylocentrotus
4,970
4.508
Wärme
»
5,625
8,093
Wärme
Sphaerechinus
2,847
6,180
Kleine Schale
»
5,oi9
7,110
Aquariumwasser
»
4,446
io,S95
Wärme
»
4,126
6,953
Kleine Schalen
»
5,223
5.883
Natronlauge
»
3,865
6,091
Natronlauge
»
4,610
3,625
Kälte
»
4.387
10,336
Chloroform
»
4,321
5.463
Kälte
»
3,°°7
8,634
Wärme
»
9,850
10,184
Wärme
»
5,186
9,020
Wärme
Es ließen sich dem noch mancherlei in gleichem Sinn beweiskräftige
Daten zufügen, die auf statistisch-biologischem Weg gewonnen sind.
— 63 —
So hat bei der vor nicht langer Zeit aus England nach Amerikas Küsten
eingeführten Schnecke, Littorina littorea, die Variabilitätsbreite so zu-
genommen, daß der Variationskoeffizient für das Verhältnis von Breite
zu Höhe der Schale von 2,3024 — 2,3775 auf 2,4849 — 3,0340 anstieg
(ßumpus, Duncker). In gleicher Richtung sind die Ergebnisse von
Montgomerys Untersuchungen zu verwerten, die zeigen, daß Zug-
vögel in verschiedenen meßbaren Charakteren eine größere Variabüität
haben als seßhafte und unter den Zugvögeln wieder solche hervorragen,
die die weitesten Wanderungen ausführen.
In diesen Fällen, vor allem dem Jenningsschen, kann man auch
einigermaßen erkennen, in welcher Weise die Bedingungen auf die Varia-
bilität verschiebend einwirken. In einer Hungerkultur ist die erste
Folge reicher Ernährung die, daß viele Individuen zu wachsen beginnen,
während die durch den Hunger zu sehr affizierten zunächst keine Nah-
rung aufnehmen und sich nicht verändern. So wachsen die Variations-
koeffizienten so stark, wie es No. 8 zu 9 in der obigen Tabelle zeigen.
Bleiben dann die Tiere in der gleichen Flüssigkeit, so nehmen sie all-
mählich einen Gleichgewichtszustand an und der Koeffizient sinkt.
Waren die Tiere aber in einem guten Futterzustand, bevor die neue
Nahrung zugefügt wird, so folgt dann eine starke Vermehrung; der
Variationskoeffizient steigt jetzt infolge der Anwesenheit der verschieden-
artigen Altersklassen, die ja eine sehr verschiedene Länge haben. Hat
die gesteigerte Vermehrung aber später wieder aufgehört, so fällt der
Koeffizient. Dessen Schwankungen werden also erklärt durch den
direkten und indirekten Einfluß äußerer Bedingungen auf Wachstum und
Ernährung. Was aber hier für das einzellige Tier gesagt ist, gilt natürlich
mutatis mutandis auch für die Summe der Zellen eines Vielzelligen.
Wie schon oben bemerkt, eignen sich zu derartigen Experimenten
Pflanzen viel besser als Tiere, wie ja überhaupt aus diesem und anderen
mehr historischen Gründen in der Vererbungslehre die Botanik meist
der Zoologie vorausgegangen ist. Als die klarsten Resultate, die von
dieser Seite kommen, wollen wir daher noch die schönen Versuche an-
führen, die Klebs an Sedum- und Sempervivumarten ausführte.
Er suchte bei Sedum spectabile die Variabilität variabler wie kon-
stanter Organe durch Wechsel äußerer Bedingungen zu beeinflussen.
— 64 —
Typ!
Tjp-2.
Typ 3.
10 92T4. 5 h ; 11 11 10 3 8 1 6 5 10 9 ^ 1 to f ff I
Fig- 33-
Variationskurven der Staubblätterzahl von Sedum in 6 verschiedenen experimentell
erzeugten Typen. Nach Klebs.
— 65 —
Es gelang ihm dabei unter verschiedenen äußeren Bedingungen, wie
Wechsel von Ernährung und Licht, Einfluß von Chemikalien die Varia-
bilitätskurven vollständig zu verschieben. Betrachten wir einmal die
Resultate für die Zahl der Staubblätter, die in untenstehender Tabelle
vereinigt sind. Die zu den sechs zu beschreibenden Typen gehörigen
Variationskurven I — VI sind in Fig. 33 wiedergegeben. Die
Tabelle gibt für jeden Typus außer der Individuenzahl, die gezählt
wurden, die Variationsbreite, Mittelwert und Standardabweichung als
Maß der Variabilität. Normalerweise variiert die Zahl der Staubblätter
von 10 — 5 mit dem Maximum (etwa 80%) bei 10 (Typus I der Tabelle).
Typus
Bedingungen
Individuen-
zahl
Varianten
M
(7
I.
Gut gedüngter, relativ trockener
Boden, helles Licht
4260
10—5
9,68
o.75°5
IL
Lange ungedüngter, trockener Bo-
den, helles Licht
3000
10 — 4
8,45
1,6472
III.
Feuchter, gedüngter Boden.
Warmbeet, abgeschwächtes Licht
4390
10 — 4
6-54
1,6187
IV.
Rotes Licht, im Gewächshaus
4000
10—3
5,o5
°,3537
V.
Kleine Stecklinge in feuchtem
Boden, im Spätsommer
21 17
16 — 4
9,47
1,0383
VI.
Auf Lösungen von Substanzen, wel-
che Wurzelbildung einschränken
2570
10 — 3
7,33
2,3092
Die Kurve ist eine steil abfallende halbe Kurve. Unter den Bedin-
gungen, die die Tabelle bei Typus II verzeichnet, beträgt die Varia-
tionsbreite bereits 10 — 4, nur etwa 40% zeigen 10, die Kurve fällt also
vom Gipfel aus allmählich ab. Unter Typus III finden wir bereits bei
einer Variationsbreite von 10 — 4 den Kurvengipfel bei 5, also jetzt eine
einigermaßen normale Kurve mit einem Gipfel. Der folgende Typus IV
zeigt infolge der dort angewandten Bedingungen eine Variation der
Staubblattzahl von 10 — 3 mit einer steilen eingipfeligen Kurve, indem
etwa 94% der Blüten die Zahl 5 aufweisen. Bei Typus V begegnen wir
nun gar einer Schwankung von 16 — 4, mit zwei Kurvengipfeln, nämlich
einer Frequenz von 72% bei 10 Staubblättern und 16% bei 8 Blättern.
Endlich bei Typus VI eine Variation zwischen 10 und 3 mit einer zwei-
Gol dschm idt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. -
— 66 —
gipfeligen Kurve, nämlich 38% Frequenz bei 10 und 40% bei 5 Staub-
blättern.
Diese Resultate erwiesen sich als im wesentlichen konstant, indem
sie in zwei aufeinander folgenden Jahren erhalten wurden und in gleicher
Weise bei verschiedenen Pflanzen der gleichen Art, wie bei Stecklingen
des gleichen Individuums erzielt wurden. Da alle Übergänge zwischen
diesen Kurven ebenfalls erhalten werden konnten, so ergibt sich: „Die
Variationen in der Zahl der Staubblätter von Sedum spectabile erscheinen
nicht in Form einer einzigen für alle Fälle charakteristischen Kurve,
vielmehr in zahlreichen ganz verschiedenartigen, wenn auch durch
Übergänge verbundenen Kurven. Jede von ihnen ist bestimmt durch
gewisse Kombinationen äußerer Bedingungen."
Wir hatten nun schon oben gesagt, daß, wenn die Variabilität von
äußeren Bedingungen abhängig ist, man sie einerseits bei konstanten oder
wenig variablen Eigenschaften bedeutend muß steigern können, anderer-
seits sie durch Uniformität der Bedingungen muß aufheben können.
Praktisch wird letzteres wohl kaum vollständig zu erreichen sein; immer-
hin gelang es Klebs in einem Versuch, die Frequenz der Haupt Variante 5
auf 98,8% zu steigern mit einer Streuung o = 0,11, was der Variabilität
O wirklich sehr nahe kommt. Der umgekehrte Fall, daß alle Variationen
in ungefähr gleicher Zahl vorkommen, wurde zwar nicht erreicht, immer-
hin kam man ihm recht nahe. Im Idealfall hätte die Streuung == 2
sein müssen und es wurde 1,88 erreicht. Das entsprechende Resultat
wie für die variabeln Staubblattzahlen wurde aber auch für die
gewöhnlich nicht variierenden Blumen- und Fruchtblattzahlen erzielt.
Natürlich waren da stärkere Veränderungen nötig, die die Normalzahl
von 5 auf 2 — 14 veränderten. Während normalerweise nur sechs Arten
von Blüten vorkommen, nämlich mit 1 — 5 Staubblättern und 5 Blumen-
und Fruchtblättern, konnte die Zahl der Kombinationen auf 96 ge-
steigert werden: also auch die konstantesten Merkmale können zu hoch
variabeln werden.
So können wir denn aus all den angeführten Beobachtungen und
Versuchen — und es wurden ja nur einige typische Beispiele vorgeführt —
entnehmen, daß die Variabilität als solche, ebenso wie ihre Art, die
durch die Form der Variationskurve ausgedrückt wird, von den äußeren
— 67 —
Faktoren, die auf die Spezies wirken, abhängig ist. Aber es handelt sich
dabei natürlich, wie es schon Darwin scharf formulierte, um zwei Kon-
trahenten: um die äußeren Bedingungen und den Organismus. Die
innere Beschaffenheit des letzteren ist dabei durchaus nicht ganz aus-
zuschalten; denn es ist ja selbstverständlich, daß die Variabilität als
Reaktion auf die Bedingungen der Außenwelt nur denkbar ist, wenn
dem Organismus die Fähigkeit zu reagieren zukommt. Und so müssen
wir denn zum Schluß dieser Erörterungen noch etwas Wasser in den
Wein gießen, indem wir zusehen, welche Rolle den inneren Faktoren des
Organismus für die Erscheinung der fluktuierenden Variabilität zukommt.
Auf der Grenze zwischen äußeren und inneren Faktoren steht eine
Möglichkeit, die besonders in Weismanns Vererbungstheorie eine be-
deutende Rolle spielt. Man erinnere sich an das oben gesagte über die
Weismannschen Anschauungen von den Ursachen der Variabilität.
Es war da nur von den Keimesvariationen die Rede, die innerhalb des
Keimplasmas, der Erbsubstanz, entstehen. (Es ist, nebenher sei dies
bemerkt, interessant, daß aus dem kürzlich veröffentlichten ersten
Entwurf zu Darwins Hauptwerk, der 15 bzw. 17 Jahre vor dessen Er-
scheinen datiert, hervorgeht, daß damals Darwin bereits von solchen
Keimesvariationen sprach und ihnen auch mehr Wert zuerkannte als
später.) Jene Annahme nun bildet nur einen Teil des Gedankenganges
von Weis mann; für ihn ist ein zweiter Faktor noch wesentlicher als
Ursache der Variabilität, nämlich die Vermischung der Keimplasmen
bei zweigeschlechtiger Fortpflanzung, die Amphimixis. Es fragt sich nun,
ob wirklich Tatsachen vorliegen, die zeigen, daß nach der Amphimixis
die Variabilität eine größere ist als vorher. Daß es unter Umständen
wirklich Beziehungen, allerdings noch recht unklarer Natur, zwischen
zweigeschlechtiger Fortpflanzung und Variabilität geben kann, lehren
die bald zu besprechenden Beziehungen zwischen der Cyclomorphose
der Planktonorganismen und ihrer Sexualität. Daß dem aber ein all-
gemeines Gesetz zugrunde liegt, wird weder durch die statistischen
noch durch die experimentellen Studien bestätigt, die übrigens in ihren
Resultaten recht widerspruchsvoll sind.
Um ein einfaches Beispiel zu wählen, so wurden derartige Unter-
suchungen von Pearl an Infusorien angestellt. Hier besteht bekannt-
— 68 —
lieh der geschlechtliehe Akt in der Konjugation. Es zeigt sich nun
gerade das Gegenteil von dem, was jene Theorie erforderte: Die Varia-
bilität nahm nach der Amphimixis eher ab als zu. Während im Lauf
der gewöhnlichen ungeschlechtlichen Vermehrung die Variabilität eine
sehr große und von den äußeren Faktoren stark beeinflußbare ist, sind
konjugierende Tiere, die Konjuganten, immer von einem bestimmten
Typus, der unabhängig ist von der vorausgegangenen Variabilität, und
nach der Konjugation sinkt die Variabilität. Folgende Zahlen beweisen
das: Mittelwert der Körperlänge von Nichtkonjuganten 203,177, desgl.
von Konjuganten 172,408. Variationskoeffizient der Nichtkonjuganten
5,174, der Konjuganten 2.586. Ferner fanden Pearson und Lee, daß
parthenogenetisch erzeugte Wespen dieselbe Variabilität haben wie
die aus befruchteten Eiern hervorgegangenen, ebenso Castle und
seine Mitarbeiter, daß durch Inzucht der Fliege Drosophila in sechs
Generationen die Variabilität nicht verändert wird. Zum entgegen-
gesetzten Resultat führten allerdings die statistischen Erhebungen
Pearsons für den Menschen, dessen Variabilität mit größerer Ähnlich-
keit seiner Vorfahren geringer werden soll, ebenso Pearl und Dunbars
Inzuchtversuche mit Paramaecien, die ebenfalls eine Verringerung der
Variabilität ergaben. Doch ist es schwer, aus solchen Angaben bindende
Schlüsse zu ziehen, die nur auf der Basis absoluter Konstanz der äußeren
Bedingungen möglich sind.
Dageg en kann es keinem Zweifel unterliegen, daß für die Reaktions-
fähigkeit auf die die Variabilität bedingenden Außenfaktoren die Dispo-
sition des Organismus eine große Rolle spielt, und zwar kann diese ver-
schieden sein nach Art, nach Organ, nach Entwicklungsstufe, nach
Geschlecht.
Für die systematische Verschiedenheit der Disposition zu variieren,
können wir auf schon früher betrachtete Beispiele zurückgreifen. So
haben wir oben S. 51 die Towerschen Tabellen für die Lebenslage-
variation von Leptinotarsaarten in mehreren aufeinanderfolgenden
Jahren gegeben. Werden aber verschiedene Arten von Koloradokäfern
untersucht, so zeigt sich, daß manche Spezies in hohem Maße der Lebens-
lagevariation unterliegen, andere aber ihr gar nicht zugänglich zu sein
scheinen. Man vergleiche, um sich davon zu überzeugen, die folgende
69 —
Tabelle Towers für Leptinotarsa signaticollis mit der früher ge-
gebenen :
Gene-
}ahr
J 1 ration
II
Färbungsklasse
I
2
3
4
5
6
I903 2
1
2
8
20
5S
11
1904 ] l
i 2
3
3
6
8
10
17
20
56
50
13
14
„ | I
1905
1 2
2
•5
11
9
•7
21
57
55
12
10
Es hatte sich aber bei den anderen Arten, die die Erscheinung der
Lebenslagevariation stark aufweisen, wahrscheinlich machen lassen, daß
sie mit Schwankungen in der Niederschlagsmenge zusammenhing.
Dieselben Schwankungen wirkten auch auf diese Form ein und trotz-
dem reagierte sie nicht, sie ist eben eine nicht variable Art. Das gleiche
können wir für die Abhängigkeit der Größe der Seeigellarven von der
Temperatur feststellen, für die wir oben S. 59 Vernons Tabelle repro-
duziert haben. Während die Variabilität bei Strongylocentrotus
und Echinus für die Länge des Scheitelstabs in Abhängigkeit von der
Temperatur eine sehr große war, reagierten Sphaerechinuslarven gar nicht
auf solche Veränderungen. Im übrigen bedarf es keiner weiteren Bei-
spiele, da die verschiedene Variabilität nahe verwandter Formen eine
jedem Systematiker wohlbekannte Erscheinung darstellt.
Ebenso wie nach Arten läßt sich auch nach Organen innerhalb einer
Art eine verschiedene Disposition zum Variieren feststellen. Um wieder
auf das gleiche Material von Vernein zurückzugreifen, dessen Befunde
übrigens auch durch andere Autoren wie Peter bestätigt wurden, so
erwies sich die Körperlänge der Sphaerechinuslarven im Gegensatz zu
der anderer Arten als nicht variabel, die Armlänge dagegen in höchstem
Maß, wie die folgende Tabelle zeigt :
Temperatur
Körperlänge
Armlänge
n,4°
15,9°
20.4°
23,7°
100,0
109,4
104,6
100,6
100,0
2S7,o
327,2
386,7
— 70 —
Und das gleiche, was hier für embryonale Organe gezeigt wurde und
an vielen weiteren Beispielen sich aufweisen ließe, gilt auch für Organe
des ausgewachsenen Organismus. Auch hierfür ist einem jeden Syste-
matiker bekannt, daß er mit konstanten und variabeln Organen zu tun
hat, und diese Tatsache ist auch vielfach auf dem Weg der Variations-
statistik festgestellt. Man hat sogar versucht, allgemeine Gesetzmäßig-
keiten dafür aufzufinden. So sollen stärker differenzierte Organe mehr
variieren als primitivere, innere mehr als äußere, Unterscheidungsmerk-
male niederer systematischer Gruppen mehr als die höherer; doch
erscheint solchen Verallgemeinerungen gegenüber Vorsicht geboten.
Dagegen scheint das Lebensalter, der Entwicklungszustand eines
Organismus in der Tat eine gesetzmäßige Beziehung zu seiner Disposi-
tion zum Variieren zu haben. Vernon, der darüber ausgedehnte experi-
mentell-statistische Untersuchungen an Seeigelentwicklungsstadien aus-
führte, kommt für die Größenvariation direkt zu dem Schluß, daß die
Einwirkung der äußeren Bedingungen auf einen wachsenden Organismus
von dem Moment der Befruchtung an stetig abnimmt. Und es scheint
in der Tat hier eine Gesetzmäßigkeit vorzuliegen, die den inneren Faktor
der Variabilität zu dem individuellen Entwicklungsstadium in Be-
ziehung bringt. Gerade für derartige Größenverhältnisse sind mehrfach
die gleichen Ergebnisse zutage getreten, so in de Vlies' Untersuchungen
für die Samengröße der Oenothera, inWeldon und Bumpus Studien
über Größenvariation bei Krabben und Schnecken, ja sogar nach
Pearsons Berechnungen für den Menschen; allerdings kann bei dem
Vergleich von Säuglingen und Studenten nicht von identischer Lebenslage
die Rede sein. Auch hier können wir einem früher angeführten Beispiel
der Abhängigkeit der Variabilität von äußeren Faktoren noch die Ein-
schränkung des inneren Faktors zufügen. Die Helmgröße der Daphnien,
die wir im Anschluß an Woltereck von der Assimilationsintensität
abhängig fanden, wird außerdem noch durch einen inneren Faktor mit
bedingt, die „Helmpotenz", die sich nun ebenfalls im Lauf des Lebens
ändert; allerdings nicht mit dem Lebensalter des Individuums, sondern
des Entwicklungszyklus, also in aufeinander folgenden Generationen
eines Cyklus.
Endlich muß dieser verschiedenen Reaktionsfähigkeit auf Reize der
71 —
250
Außenwelt, der nach Art, Organ, Entwicklungszustand verschiedenen
„Reaktionsnorm" noch die Verschiedenheit nach Geschlechtern zu-
gefügt werden. Ein jeder Systematiker weiß, daß bei manchen Tier-
arten die beiden Geschlechter verschieden variabel sind. Um nur ein
Beispiel zu nennen, so ist bei der schon früher erwähnten Nonne, Lym.
monacha var. eremita das Weibchen wesentlich variabler als das
Männchen. Es läßt sich zwar bei genügend großem Material für das
Männchen die gleiche Va-
riationsreihe feststellen, die
wir oben in Fig. 13 für das
Weibchen abgebildet haben.
Aber während unter der in
gleichen äußeren Bedin-
gungen aufgezogenen Nach-
kommenschaft eines Pär-
chens die weiblichen Indi-
viduen jene Reihe ergaben,
mit typisch binomialer Ver-
teilung der Varianten, ge-
hörten die Männchen aus-
nahmslos der dunkelsten
Färbungsklasse an mit
kaum feststellbarer Farb-
variation.
Die inneren Faktoren,
die wir bisher kennen lern-
ten, erwiesen sich sämtlich
als solche, die auf das Maß, die Quantität der Variabilität von Einfluß
sind. Es ist aber auch sehr gut möglich, sich innere Faktoren vor-
zustellen, die die Qualität der Variation bedingen. Sie könnten
einmal entscheidend sein für die räumliche Verteilung der Varianten
in einer Variationsreihe, dann aber auch für die gesamte Richtung der
Variation. Auf Faktoren der ersten Art deuten die merkwürdigen Be-
funde, die Ludwig und seine Schüler bei der Untersuchung gewisser
Variationsreihen von Pflanzenteilen fanden. Es zeigte sich dabei, daß
Fig. 34-
Variationskurve der Blumenblätterzahl von Primula
ofhcinalis mit Kurvengipfeln auf den Zahlen der
Fibonaccireihe.
Nach Ludwig aus Vernon.
— 72 —
die Variationskurve außer dem Hauptgipfel noch eine Anzahl von
Nebengipfeln aufwies. Umstehende Figur 34 gibt eine solche Kurve
für die Zahl der Blütenblätter von Primula officinalis wieder. Das
merkwürdige daran ist nun, daß die Gipfel typischerweise auf Zahlen
liegen, die der sogenannten Fibonaccireihe entsprechen, bei der die
folgende Zahl immer die Summe der beiden vorhergehenden darstellt,
also 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 usw., bzw. auf Multipeln dieser Reihe. Im Bei-
spiel finden sich die Gipfel 3, 5, 8, 10, 13. Wenn wir von der später
zu besprechenden Möglichkeit absehen, daß eine solche diskontinuier-
liche Kurve auf einer Nichteinheitlichkeit des untersuchten Materials
beruht, oder auf einer diskontinuierlichen, stoßweisen Verschiedenheit
der Lebenslage, wie es Hacker für ähnliche diskontinuierliche Variations-
reihen von Radiolarien annimmt, so kommt man dazu, in ihr den Aus-
druck eines inneren Faktors zu sehen, der die Organe zwingt, anstatt in
der typischen Weise auf die Wirkungen der Außenfaktoren zu reagieren,
dies stoßweise zu tun und zwar in Sprüngen, die einem Zahlengesetz
entspringen, dessen materielles Substrat man sich in Form bestimmt
gearteter Zellteilungen vorstellen kann. In der Tat vermochte Mc. Leod
im Experiment eine gewöhnliche Variationskurve in eine derartige viel-
gipflige Kurve überzuführen.
Die andere Art qualitativ wirkender innerer Faktoren ist die, die der
Variation ihre Richtung weist. Die Beobachtung und der Vergleich
haben schon lange gezeigt, daß die Variabilität der verschiedenartigsten
Organismen eine Neigung hat, in bestimmten Richtungen zu verlaufen,
orthogenetisch zu sein, und besonders das Studium der Färbungs- und
Zeichnungsvariabilität der Tiere führt dazu, feststehende Richtungen
für die Variationen anzunehmen. Das heißt also nichts anderes,
als daß einer jeden Eigenschaft eine bestimmte „Potenz", wie
Klebs sagt, zukommt, auf die Bewirkungen der Außenwelt nur
in einer Richtung zu reagieren, oder in Wolterecks Terminologie
eine Reaktionsnorm. Das ist natürlich nichts anderes als eine
erbliche Anlage, so daß es begreiflich erscheint, daß in den Ver-
suchen Towers am Koloradokäfer ebenso wie in den Temperatur-
experimenten an Schmetterlingen sich zeigte, daß die Reaktion auf
die Wirkung der äußeren Bedingungen eine nicht spezifische ist,
— 73 —
sondern sämtliche Reize gleichgerichteten Effekt hervorrufen: die
Reaktion kann eben nur in der Richtung der ererbten Potenz ver-
laufen. Und da wäre nun die weitere Frage zu stellen, was es ver-
ursacht, daß gerade eine bestimmte Richtung nur als Potenz vorhanden
ist, z. B. beim Koloradokäfer oder der Nonne vom Albinismus zum
Melanismus? Die Beantwortung einer solchen Frage würde zweifel-
los die Grenze überschreiten müssen, die vor der Hand der Lösung
durch Beobachtung und Experiment gesetzt ist. Sie ist ja bekannt-
lich in Darwins Zuchtwahllehre und ihrer Erweiterung in Weis-
manns Germinalselektion gegeben; wir wollen uns aber bemühen,
hier den sicheren Boden der Tatsachen nicht zu verlassen und uns
damit begnügen, die Richtung weiterer Fragestellungen erkannt zu haben.
Die letzten Betrachtungen haben uns nun allerdings wieder an den
Ausgangspunkt zurückgeführt, das Wesen einer variabeln Eigenschaft,
gleichzeitig aber auch an den springenden Punkt, auf dem wir später
aufbauen müssen, die Erblichkeitsfrage. Oben hatten wir gesagt, daß
eine Eigenschaft nicht ein starres Ding ist, sondern ein labiles Gebilde,
dem Konstanz nur unter bestimmten äußeren Bedingungen zukommt,
mit anderen Worten die Reaktionsnorm des Organismus in einem
bestimmten Merkmal. Hier wiederum sehen wir, daß der innere
Faktor, von dem die Variabilität mit abhängt eben nichts anderes
ist als die ererbte Reaktionsnorm. Die größere oder geringere,
bestimmt oder nicht bestimmt gerichtete Fähigkeit zu kontinuier-
licher oder diskontinuierlicher Variation ist also nur gegeben durch
die erbliche Konstitution des Organismus, durch die ererbte Reak-
tionsnorm. Auf diese muß sich daher unser Hauptinteresse konzen-
trieren.
Aber auch diese ererbte Reaktionsnorm muß noch mit Vorsicht be-
trachtet werden, da es sichtlich Erscheinungen gibt, die mit ihr ver-
wechselt werden können, den inneren Faktor vortäuschen. Es hat sich
gezeigt, daß auf die Variabilität einer Eigenschaft der persönliche, nicht
erblich gegebene, Zustand der Eltern einen Einfluß ausüben kann. De
Vries hat dies für Pflanzen, Peter für Seeigellarven, Woltereck für
Daphnien nachgewiesen. Es ist klar, daß ein solcher Einfluß die
normale Reaktionsnorm verschieben kann, ja sie sogar direkt unsichtbar
— 74 —
machen, so daß für den Zustand einer variabeln Eigenschaft nicht nur
die ererbte Reaktionsnorm und die äußeren Bedingungen maßgebend
sind, sondern auch unter Umständen die Bedingungen, unter denen
bereits die Elternindividuen standen. (Das gärtnerische Prinzip der
Düngung der Mutterpflanze!) Dies ist natürlich von großer Bedeutung
für das Verständnis der Variabilität und des Wesens der Erbeigen-
schaften, aber auch für weitere Fragen, die uns später beschäftigen
werden, vor allem das Problem der Vererbung erworbener Eigenschaften.
Wenn man die Bewirkung variabler Eigenschaften durch Außenfaktoren
als Induktion bezeichnet, so kann man ihre Beeinflussung durch Ein-
wirkung auf Eltern und Großeltern — also Verschiebung der Variations-
kurve der ungeborenen Kinder und Enkel — mit Woltereck, der es
genauer bei Daphniden analysierte, als Präinduktion bezeichnen. Die
mehr oder minder große, vorhandene oder fehlende Fähigkeit zur In-
duktion und zur Präinduktion gehört somit zur ererbten Reaktions-
norm.
Aber noch einen kleinen Ausblick in die Zukunft können wir uns nicht
versagen, einen Fingerzeig in die Richtung, aus der vielleicht einmal
eine exakte Analyse der Ursachen möglich sein wird, die es bedingen,
daß eine Eigenschaft imstande ist, gemäß ihrer ererbten Reaktionsnorm,
auf Außeneinflüsse durch Entfaltung in vom typischen variierender
Form zu reagieren.
Es ist für den physiologisch denkenden Biologen naheliegend, daß
diejenige innere Beschaffenheit des den sichtbaren Eigenschatten zugrunde
liegenden Materials, auf die ja die veränderten äußeren Bedingungen ein-
wirken, nicht eine mystische Disposition, sondern die chemische Natur
des Materials sein wird. Ließe sich das nachweisen, so wäre es auch klar,
daß die Variabilität direkt aus Veränderungen der chemischen Grund-
lage der Eigenschaftsbestimmer, Determinanten, Gene abzuleiten wäre.
Einen ersten Schritt in dieser Richtung können wir in den Analysen
erblicken, die Klebs von der Beschaffenheit seiner variierenden
Pflanzen unter verschiedenen Bedingungen gibt. Die folgende Tabelle
zeigt uns, wie verschieden die Werte verschiedener wichtiger Sub-
stanzen in den Blättern von Sedum unter verschiedenen Bedin-
gungen sind:
— 75 —
Prozente der Trockensubstanz in
Substanz
weißem Licht rotem Licht blauem Licht
Lösliche Asche
II, 08
15,2
23,7
Zucker
10,2
4,95
3i°i
Kalkmalat
19,4
17,3
21,2
Freie Apfelsäure
5,27
5,4i
4,44
Lösliches N
0.44
0,87
1,78
Stärke
6,68
3-5
2,25
Es läßt uns dieser Anfang erhoffen, daß auch die Variationslehre
einmal auf den festen Boden der chemischen Physiologie wird gestellt
werden können, und zu dieser Hoffnung haben wir um so mehr Be-
rechtigung, als auch bei tierischen Objekten, ganz von ferne allerdings
noch, dieses erstrebte Ziel winkt. Wir haben oben schon die sogenannte
Cyclomorphose der Daphnien besprochen, ihre zyklischen Veränderungen
im Laufe eines Jahres. Solche Cyclomorphosen, um deren Erforschung
sich in der Neuzeit besonders Wesenberg-Lund große Verdienste er-
warb, sind nun bei verschiedenen Planktonorganismen, auch solchen
pflanzlicher Natur, beobachtet worden, vielleicht am schönsten und
gründlichsten für das Rädertier Anuraea cochlearis, für dessen jähr-
lichen Variationsgang Lauterborn jenen Ausdruck prägte. Um-
stehende Fig. 35 zeigt uns eine solche Variationsreihe aus einem und
demselben Gewässer in verschiedenen Jahreszeiten (auch Temporal-
variation genannt). Die zu erwartende Abhängigkeit dieser Reihe von
der Temperatur hat sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit als irrig
erwiesen. Es stellte sich vielmehr durch das Experiment heraus, daß
keinerlei äußere Faktoren für diese Cyclomorphose maßgebend sind,
sondern innere Ursachen, und diese hängen zusammen mit der Sexua-
lität, der Bildung befruchteter Wintereier. Also ein innerer Faktor,
das Stadium der Sexualität, wirkt auf die morphologischen Außencharak-
tere wie ein Milieufaktor. Nun kommt ja auch bei den Daphniden am
Ende einer Cyclomorphose die Periode der Sexualität. Wir werden
später genau erfahren, daß der Eintritt dieses Zustandes zum Teil von
Außenfaktoren, zum Teil von der ererbten Reaktionsnorm abhängig
ist; und hier hat sich nun zeigen lassen, daß die erblich festgelegte, in
bestimmtem Moment auftretende Variation in der Neigung zur Sexualität
— 76
Hand in Hand geht mit sichtbaren Verschiedenheiten der Eier, nämlich
verschiedener Farbe (Papanikolau). Das besagt aber nichts anderes,
Fig. 35-
Cyclomorphose von Anuraea cochlearis (ausgewählte Typen), i die Ausgangsform
macracantha, von der 4 verschiedenartige Cyclomorphosereihen ausgehen. Nach
Lauterborn aus Steuer.
als daß die Variation einer Erbeigenschaft, der Neigung zur Sexualität
mit sichtbaren Veränderungen im Chemismus der Zelle Hand in Hand
— 77 —
geht. Es ist also zu hoffen, daß es auch einmal gelingen wird, diese Ver-
änderungen als bewirkende Ursache jener Erscheinungen zu erkennen.
Vierte Vorlesung.
Die Bedeutung der statistischen Methoden für die Erforschung
biologischer Probleme: Homogame Vermehrung, Correlation,
Zuchtwahl. Die Grenze der Anwendbarkeit der Methode: Defini-
tion erblicher Rassen und zweigipflige Kurven.
Wir sind nunmehr über das Wesen der fluktuierenden Variabilität
unterrichtet und haben auch mancherlei Vorstellungen über ihre Be-
ziehung zu äußeren und inneren Faktoren gewonnen. Es zeigte sich
dabei nun stets, daß die Befunde dann am sichersten feststanden, wenn
die Variabilität mit der exakten Methode der Statistik betrachtet wurde.
Zunächst ist es klar, daß nur durch sie ein Material, welches zu Ver-
suchen über Erblichkeitsfragen verwandt werden soll, wirklich so analy-
siert werden kann, daß die Resultate auf festem Boden stehen. So er-
scheint uns die Variationsstatistik als ein Grundstein der ganzen Ver-
erbungslehre, und wir verstehen es, weshalb z. B. Johannsen in seinem
berühmten Werk den größeren Raum der Entwicklung und Anwen-
dungsweise dieser Methoden widmet. Ehe wir aber ihre Bedeutung für
die eigentliche Erblichkeitslehre würdigen lernen, wollen wir einen Blick
auf die Forschungsmöglichkeiten werfen, die durch diese Methode eröffnet
werden. Es werden uns dabei von selbst auch die Grenzen sichtbar werden,
die einer solchen Behandlung biologischer Gegenstände gesteckt sind.
Es ist klar, daß zunächst alles, was rein beschreibend über variable
Eigenschaften gesagt werden kann, der statistischen Behandlung zu-
gängig ist. Dafür sind ja genug Beispiele schon angeführt. Es können
aber auch rein biologische Fragen durch diese Methode geklärt werden.
Einige haben wir ja bereits kennen gelernt, wie die Fragen der geogra-
phischen, klimatischen und Lebenslagevariation, die Bedeutung der
Amphimixis für die Variabilität und überhaupt die Probleme der Varia-
bilitätsursachen. Einige weitere Beispiele wollen wir jetzt kennen
lernen, die uns sowohl den positiven als auch den negativen Wert jener
Betrachtungsweise allmählich werden klar werden lassen.
— 78 —
Eine derartige Gruppe biologischer Erscheinungen und Frage-
stellungen ist die geschlechtliche Auswahl bei der Fortpflanzung. Für
die Darwinsche Theorie ist es von größter Bedeutung, ob eine solche
stattfindet, denn wenn Variationen den Ausgangspunkt für die Bildung
neuer Arten liefern sollen, ist es auch nötig, daß abweichende Variationen
miteinander zur Fortpflanzung kommen und so die Grundlage für das
geben, was man als Divergenz bezeichnet, das Auseinanderstrahlen der
sich bildenden neuen Formen von der Form der Vorfahren. Rom an es
geht so weit, in bezug auf diesen Punkt zu sagen, daß, wenn wir Varia-
bilität und Erblichkeit als gegeben annehmen, die ganze Abstammungs-
lehre sich auf die Frage konzentriert, ob gleiche Variationen sich mit
gleichen paaren, ob es eine „Homogamie" gibt. Denn wenn dies sich
nicht erweisen ließe, so müßte die beliebige Vermehrung zwischen den
Varietäten immer wieder zur Einförmigkeit zurückführen. (Was übrigens,
auch wenn nur auf erbliche Varianten bezogen, nicht ganz richtig ist,
wie uns später die Betrachtung des Mendelismus lehren wird.) Zur Ent-
scheidung einer solchen Frage ist die Variationsstatistik in hohem Grade
befähigt. Genaue Messungen natürlicher Paarlinge nach ihren Eigen-
schaften muß die Antwort ergeben. Für die erwähnten Paramaecien
ließ sich in der Tat auf diese Weise feststellen, daß immer annähernd
gleiche Tiere konjugieren1, wie dies instruktiv aus nebenstehender
Fig. 36 hervorgeht. Das gleiche gilt auch für die so oft angezogenen
Koloradokäfer, bei denen sich immer annähernd gleich große Exemplare
paaren. In der folgenden Tabelle nach Tower sind die Tiere in zehn
Größenklassen geordnet und man sieht, daß bei den meisten Pärchen
die Mehrzahl der Tiere in beiden Geschlechtern der gleichen Klasse
angehörten. (Die Tabelle, auf deren Herstellung wir gleich zu sprechen
kommen werden, ist so zu lesen, daß z. B. die erste vertikale Reihe
bedeutet, daß von 100 Männchen der Längenklasse 1 volle 90 mit Weib-
chen der Längenklasse 1 sich paarten, 6 mit Weibchen der Klasse 2 und
nur 4 mit Weibchen der Klasse 3 usw.) Es ist bemerkenswert, daß
mit den gleichen Methoden auch für den Menschen durch Pearson eine
solche bewußte oder unbewußte Neigung zur Heirat zwischen in den
1 Bei anderen Infusorien wurde allerdings diese Homogamie nicht festgestellt
(Enriques).
— 79 —
verschiedensten variabeln Charakteren ähnlichen Paaren festgestellt ist,
während Galton, wie wir sehen werden, nichts derartiges fand.
Größenklasse
der £
Größenklasse der c5
i 2 5 4 5 6 7 8 9 io
i
2
3
4
5
6
7
8
9
IO
90
6
4
IO
70
13
7
2
6
71
12
8
1
!3
74
12
1
1
10
76
1 1
2
5
10
70
13
12
5
1 1
82
2
1
2
S5
2
3
6
8S
2
1
1
6
90
Vielleicht die wichtigste biologische Erscheinung, für deren Erfor-
schung sich die Variationsstatistik als unentbehrliches Hilfsmittel
erwiesen hat, ist die Korrelation. Als solche bezeichnet man bekannt-
lich die Wechselbeziehung oder Abhängigkeit zwischen verschiedenen
Fig. 36-
Ausgewählte Konjugantenpaare verschiedener Größe von Paramecium aurelia.
Nach Jennings.
Eigenschaften des gleichen Individuums. Klassisch sind ja die Bei-
spiele für die Korrelation, die Darwin in Fülle verzeichnet hat. So
sollen Tauben mit weißem, gelbem, blauem oder silberfarbigem Gefieder
nackt geboren werden, die mit anderen Farben aber im Daunenkleid.
Katzen mit blauen Augen sind taub, haben sie nur ein blaues Auge, so
sind sie auch nur auf der gleichen Seite taub, Vogelarten mit Feder-
büschen, wie die polnischen Hühner, haben Gehirnhernien, und so gibt
es eine Fülle von Beispielen biologischer oder anatomischer Natur, die
— 80 —
man bei Darwin finden kann. Es spielt also die Korrelation in fast
allen Zweigen der biologischen Wissenschaften eine ungeheure Rolle, vor
allem in der Physiologie. Eine Frage der Korrelation ist es etwa, in
welcher Weise das Gewicht der Knochen oder ihr Kalkgehalt von der
Muskelmasse abhängig ist, oder ob ein Zusammenhang zwischen dem
Größenwachstum einer Frucht und ihrem Gehalt an bestimmten Sub-
stanzen besteht. Eine Korrelat ionsf rage ist es aber auch, welcher Zu-
sammenhang Alkoholismus und Verbrechen verbindet oder Gehirn-
gewicht und geistige Fähigkeiten oder zwei verschiedene psychische
Funktionen oder Fähigkeiten, etwa die Schnelligkeit zu addieren und
die, Töne zu unterscheiden. Kurzum, überall wo zwei Eigenschaften
von Organismen verglichen werden, begegnet uns die Frage ob Korre-
lation oder nicht. So ist dieses Problem denn auch zu einem der interes-
santesten der experimentellen Biologie, besonders der Pflanzen (Göbel)
geworden. Wenn man nun unter Zugrundelegung der Variabilitätslehre
vergleichen will, ob eine Korrelation insofern existiert, als zwei variable
Eigenschaften in Abhängigkeit voneinander variieren, so bedient man
sich dabei einer Form, die unserer Aufzählungsreihe für die gewöhnliche
Variabilität entspricht. Man benutzt nur statt einer Reihe ein Quadrat
oder Rechteck. Als Beispiel kann die auf der vorigen Seite wieder-
gegebene Korrelationstabelle für die Größe der paarenden Koloradokäfer
dienen. Von links nach rechts trägt man die Klassen des einen der zu
betrachtenden Merkmale ein, in unserem Fall die Größenklassen für die
männlichen Käfer. Von oben nach unten finden sich die Klassen des
anderen mit jenem zu vergleichenden Merkmals, hier die Größenklassen
der Weibchen. Dann muß man sein Material folgendermaßen ordnen,
indem man von einem der Merkmale, gleichgültig welchem, ausgeht:
Man ordnet in unserem Fall z. B. die Paare, die man kopulierend findet,
nach der Klasse der Männchen und erhält somit 10 Portionen von Pär-
chen entsprechend ihrer Größe. Dann führt man in jeder Portion wieder
eine solche Ordnung durch, daß hier die in bezug auf das eine Merkmal,
in unserem Falle Männchenlänge, gleichartigen Paare nach den Klassen
des anderen Merkmals, also Weibchenlänge, geordnet werden. Man
würde also die Portion, die die größten Männchen der Klasse 10 enthielte,
in bezug auf ihre Weibchen einteilen in i Zehnermännchen mit Weibchen
— 81 —
Klasse 7, 3 Zehnermännchen mit Weibchen Klasse 8, 6 ebensolche mit
Weibchen von 9 und 90 Zehnermännchen mit Zehnerweibchen. Die so
gefundenen Zahlen werden dann in die Stellen der Tabelle eingesetzt,
die den betreffenden Größen für beide Merkmale entsprechen. Einer
solchen Tabelle sieht man dann sogleich an, ob eine richtige Korrelation
besteht. Steigt sie in so regelmäßiger Weise von links nach rechts ab,
so besteht auch eine schöne Korrelation, steigt sie ebenso von links nach
rechts an, so haben wir auch Korrelation, aber umgekehrt gerichtete,
negative, indem mit dem Steigen des einen Merkmals das andere fällt.
Es ist klar, daß eine völlig ideale vollständige Korrelation sich in folgen-
der Weise ausdrücken würde:
Klassen
I
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
10
45
10
Bei ganz fehlender Korrelation käme natürlich im Idealfall das
vollständig symmetrische Bild der folgenden Tabelle heraus, wobei die
gleichen 1200 Individuen betrachtet sind:
Klassen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
1
1
2
—
—
—
1
2
4
2
1
—
—
—
0
—
—
1
5
9
15
9
5
1
—
—
4
—
1
5
12
20
44
20
12
5
1
—
5
—
2
9
20
39
70
39
20
9
2
—
6
1
4
'S
44
70
160
70
44
15
4
1
7
—
2
9
20
39
70
39
20
9
2
8
—
1
5
12
20
44
20
12
5
1
—
9
—
—
1
5
9
15
9
5
1
—
—
10
—
—
1
2
4
2
1
—
—
—
11
■
1
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl.
— 82 —
Ebenso wie man nun für die Variabilität in dem Variationskoeffi-
zienten ein gutes Maß besitzt, so benutzt man auch, um einen kurzen
Ausdruck für die Stärke der Korrelation zu haben, einen Koeffizienten.
Dieser Korrelationskoeffizient r wird, wenn wir die von Johannsen
benutzte Darstellung beibehalten, nach der Bravaisschen Formel
berechnet, welche lautet : r = - — — -. Das bedeutet : a ist die
n-ox-oy
Abweichung vom Mittel der Eigenschaft, und wenn wir die eine der zu
betrachtenden Eigenschaften als Ar-Eigenschaft oder supponierte Eigen-
schaft bezeichnen, die andere als y-Eigenschaft oder relative Eigenschaft,
so ist ax die Abweichung vom Mittel für die eine und ay die für die
andere Eigenschaft, n bedeutet wieder die Gesamtsumme der Individuen
und o die Standardabweichung, deren Berechnung wir schon kennen
gelernt haben, mit dem Index x bzw. y wieder auf die beiden Eigen-
schaften bezogen. Es muß also für jedes Individuum die Abwei-
chung der einen mit der der anderen Eigenschaft multipliziert und diese
sämtlichen Produkte addiert (2 = Summenzeichen) werden und dann
durch das Produkt aus der Individuenzahl mal den beiden Standard-
abweichungen dividiert werden. Bei Anwendung dieser Formel ■ — ihre
bequeme Handhabung erfordert natürlich die Kenntnis einiger Verein-
fachungsmethoden (s. Harris, Jennings, Kapteyn) — kommt für
den Korrelationskoeffizienten r immer eine Zahl zwischen — i + 1
heraus. Ist r=i, so bedeutet das völlige Korrelation, ist es =o, so besagt
das fehlende Korrelation. Ist es negativ, so besagt das negative oder
umgekehrte Korrelation, die wir oben schon kennen lernten. Wenn
wir demnach in einer Untersuchung die Mitteilung finden, daß r = 0,98
ist, so bedeutet das eine denkbar gute Korrelation. Es ist natürlich klar,
daß auch die Korrelation sich graphisch darstellen läßt. Galtons
Methode hierfür wird uns später begegnen.
Und nun wollen wir einmal einige wirkliche Beispiele betrachten,
die uns zeigen sollen, welcher Art die Resultate sind, die mit statisti-
scher Betrachtung der Korrelation erzielt werden können. Natürlich
sehen wir von soziologischen Beispielen ab, wie also etwa Korrelation
von Alkoholismus und Kriminalität, von phrenologischen, wie Be-
ziehungen zwischen Schädelform und Talent zur Mathematik, von
— 83 —
rein physiologischen, wie Beziehung zwischen Volum eines Organs und
Leistungsfähigkeit oder gar rein psychologischen, wie Beziehung von Ge-
dächtnis und Merkfähigkeit, und beschränken uns auf rein biologische Fälle.
Einen solchen, die homogame Auswahl der Geschlechter, haben wir ja so-
gar zum Ausgangspunkt dieser Betrachtungen genommen ; er zeigte uns
die Anwendbarkeit der Methode auf darwinistisch-biologische Probleme.
Ein weiteres Beispiel soll sich auf einen entwicklungsphysiologischen
Fall beziehen. Ein viel erörtertes Problem der Entwicklungsmechanik
ist die Frage der bilateralen Symmetrie zahlreicher Tiere. Bei den
meisten Tieren sind ja rechte und linke Hälfte spiegelbildlich gleich.
Es hat sich nun durch die Studien der experimentellen Entwicklungs-
geschichte gezeigt, daß sehr häufig bereits durch die erste Teilung der
Eizelle das Material für die symmetrischen Körperhälften gesondert
wird, die sich nun in gewissem Maße unabhängig voneinander ent-
wickeln. Die homologen Organe der beiden Körperhälften sind natür-
lich den allgemeinen Variabilitätsgesetzen unterworfen und zeigen die
typische individuelle Variation. Ist jene Unabhängigkeit aber vor-
handen, so wird es natürlich nur zufällig der Fall sein, daß büateral-
homologe Merkmale, z. B. die rechte und linke Hand, der gleichen
Variationsklasse angehören, wenn auch die gesamte Variabilität im großen
Ganzen auf beiden Seiten die gleiche ist, da ja beide Körperhälften im
allgemeinen der Wirkung der gleichen äußeren Bedingungen aus-
gesetzt sind. Wenn man also zahlreiche Individuen vergleicht, so wird
sich eine Korrelation der Variabilität in beiden Körperhälften ergeben,
d. h. wenn auch die Symmetrie für die einzelnen Individuen keine voll-
ständige ist, so ist es doch für eine Masse von ihnen eine ,, Kollektiv-
symmetrie" (Duncker). Folgende Korrelationstabelle (Seite 84) zeigt im
Anschluß an Duncker die Richtigkeit dieses Gedankengangs an einem
Beispiel, der Messung der Länge der proximalen Glieder des Zeigefingers
der beiden Hände bei 551 englischen Frauen, die Pearson und White-
ley ausführten:
(In der Tabelle sind die Zahlen mit 4 multipliziert, um Brüche zu
vermeiden, so daß es den Anschein hat, als ob 2204 Individuen unter-
sucht wären. Die Klassenspielräume betragen 1,27 mm, womit die
Längenzahlen der Tabelle zu multiplizieren sind, um die absoluten Zahlen
6*
— 84
Länge
rechts
38,5 39,5 40,5
Länge links
4i,5 42,5 43,5 44,5 45,5 46,5
47,5 48,5 49,5
5°,°
51,5
39,5
40,5
4i,5
42,5
43,5
44,5
45,5
46,5
47,5
48,5
49,5
5o,5
5i,5
4
4
4
4
8
6
3°
52
16
4
6
10
48
68
14
4
14
84
128
28
4
iS
»55
142
39
6
6
29
181
181
21
2
4
33
146
114
9
—
28
165
98
'3
4
22
7i
54
1
14
48
26
2
4
11
7
2
4
2
2
zu erhalten. Der Grund zu einer derartigen Anordnung ist ein praktisch-
methodologischer. )
Schließlich sei noch ein Beispiel aus der züchterischen Praxis an-
geführt. Für die Zuckerrübenzucht ist natürlich das Ideal die Erzielung
eines möglichst hohen Zuckergehalts. Bei einer bestimmten Rüben-
sorte zeigte sich nun, daß Zuckerreichtum mit starker Verzweigung der
Wurzeln Hand in Hand ging, welch letzteres dem Praktiker nicht er-
strebenswert ist. Daran anschließend faßte — wenn wir Johannsens
Darstellung folgen — die Ansicht bei den Züchtern Fuß, der Zucker-
gehalt stehe in fester Korrelation zur Zweigbildung. Johannsen hat
nun die Daten, die der Züchter Hei weg zum Beweis dieser Ansichten
vorgebracht hat, im Sinne der korrelativen Variabilität betrachtet und
daraus folgende Tabelle gewonnen:
Prozente ver-
zweigter Rüben
Prozentiger Gehalt an
Trockensubstanz
7,5 8 8,5 9 9,5 10 10,5
0
2
4
6
8
10
12
14
16
—
1
2
2
3
7
7
2
4
9
7
6
3
1
1
5
1 1
5
3
1
6
6
2
1
2
1
2
—
— 85
Die Zahlenverteilung zeigt schon auf den ersten Blick, daß die suppo-
nierte Korrelation zwischen Verzweigung und Zuckergehalt nicht besteht.
Berechnet man den Korrelationskoeffizienten, so ergibt sich r — — 0,174,
also, da r negativ ist, eher eine umgekehrte Korrelation, bei seiner Nähe
zu o aber auch diese nahezu nicht. Die vorgeführten Beispiele genügen
wohl, um die Anwendung der Variationsstatistik auf die Korrelations-
lehre zu belegen. Sie wird uns ohnedies bald wieder begegnen, denn
es ist klar, daß auch die Vererbung selbst als Korrelation dargestellt
werden kann, nämlich zwischen Eltern und Nachkommen. Galton
ist sogar auf diese Weise zu seinem berühmten Gesetz gekommen, wie
sich bald zeigen wird. Und damit können wir uns immer mehr dem
Zentrum, dem wir zustreben nähern, der Anwendung der statistischen
Betrachtungsweise auf die Erblichkeitslehre.
Ein Beispiel für die statistische Behandlung biologischer Probleme,
die aufs engste mit der Genetik verknüpft sind, möge uns unserem Ziele
einen weiteren Schritt noch näher bringen. Es diene gleichzeitig als
Folie für eine Untersuchungsweise des gleichen Problems, die uns in
einer der nächsten Vorlesungen mit einer der wichtigsten Erkenntnisse
der modernen Erblichkeitslehre bekannt machen wird. Wir sprechen
von der Untersuchung des eigentlichen Zentralproblems des Darwinis-
mus, der Zuchtwahllehre, den Versuchen, die gemacht wurden, die
artverändernde Wirkung der Selektion zahlenmäßig zu beweisen. Eine
Untersuchungsserie, die hier eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, die
von Weldon an Krabben, wollen wir als Beispiel wählen. Zuerst
Thompson, dann Weldon stellten an Krabben im Sund von Ply-
mouth fest, daß in einer Reihe von Jahren die durchschnittliche Frontal-
breite des Panzers, bezogen auf Tiere gleicher Länge, sichtlich abnahm.
So war die prozentuale Breite im Jahr 1893 76,3, 1895 75,4 1898 74,4.
Weldon glaubte, daß dies darauf beruhe, daß durch einen aktuellen
Zuchtwahlprozeß die Tiere mit breiterem Panzer zugrunde gingen;
die bessere Anpassung der Überlebenden sollte auf folgendem beruhen:
Durch den Bau eines Wellenbrechers waren die physikalischen Ver-
hältnisse der Bucht völlig verändert worden, vor allem wurden größere
Tonmengen durch einen Fluß eingeführt und die Sandmenge durch die
Vergrößerung der Stadt und der Docks vermehrt, so daß in der Tat sich
— 86 —
nachweisen ließ, daß manche Tierarten die Bucht verließen. (Daß
tatsächlich solche Faktoren die Fauna sehr beeinflussen, zeigte sich ja
auch an der Fauna der Neapler Bucht nach dem Aschenregen des letzten
Vesuvausbruchs.) Da der gezähnte Rand des Carapax als Atemfilter
dient, so ist es denkbar, daß die schmaleren Tiere wirklich vor einer
Verschlammung der Kiemen besser geschützt waren. Da es nun nicht
möglich war, die Exemplare zu untersuchen, von denen angenommen
wurde, daß sie getötet seien, so imitierte Weldon künstlich die gleiche
Situation, indem er die Krabben in Gefäßen hielt, in denen dauernd
feiner Ton aufgewirbelt wurde. Nach einiger Zeit wurden dann die
+ 20
+ 30
+ 40
Fig- 37-
Kurve für Weldons Selektionsversuch an Krabben. Punktiert die Kurve der Über-
lebenden. Nach Weldon.
toten Individuen gemessen und mit den lebenden verglichen. Neben-
stehende Figur 37 gibt die Kurve der Frontalbreite bei 248 Versuchs-
tieren wieder, wobei die punktierte Kurve sich auf die 94 Überlebenden
bezieht. Die Senkrechte bei o entspricht nun dem Mittelwert der Aus-
gangstiere, die Linie D dem der Gestorbenen, die Linie S dem der Über-
lebenden, woraus hervorgeht, daß es die breitesten waren, die zuerst
starben. Damit sollte aber bewiesen sein, daß die Zuchtwahl allmählich
eine schmälere Rasse bilde.
Man — besonders Cunningham und Przibram — hat gegen
diese Versuche zahlreiche Einwände erhoben, die sich alle dahin zu-
sammenfassen lassen, daß bei der Statistik ganz vergessen wurde, das
Material biologisch zu analysieren. Um einen derartigen Schluß auf
solche Weise begründen zu können, müßte aber erst die individuelle
— 87 —
Variabilität des Merkmals unter dem Einfluß der Temperatur, Nahrung,
Sauerstoffgehalt, kurzum der Lebenslage analysiert sein, es muß die
Lebensdauer und die Generationenzahl im Experiment feststehen, es
mnß die Schwankung oder Konstanz des Merkmals beim individuellen
Wachstum feststehen (tatsächlich vermindert sich die Frontalbreite
nach Przibram mit der Häutung), kurzum, die biologische Analyse
kann leicht die statistischen Resultate zu nichte machen. Hier er-
kennen wir gut, wie weit man statistisch kommen kann und wo die
Methode an ihre natürliche Grenze gelangt. Wären aber alle Fehler-
quellen auch ausgeschaltet gewesen, so hätte alles doch an der Frage
gelegen: Ist mit der Verschiebung des Mittelwerts eine erbliche Ver-
änderung verbunden? Wir sehen uns also wieder an der Grenze der
Erblichkeitsprobleme und vor die Frage gestellt, ob sie auf statistischem
Wege gelöst werden können.
Wo hier die Berührungspunkte liegen und andererseits bis zu welchem
Punkt die biologische Forschung mittels jener Methode gelangen kann,
bis sie auf ihre unüberbrückbare Grenzlinie kommt, können wir nicht
besser uns klar machen, als indem wir einen konkreten Fall betrachten,
in dem die Analyse in besonders ausgezeichneter Weise bis zu jenem
Punkt durchgeführt wurde. Wir betrachten die Heinckeschen Studien
über die Naturgeschichte des Herings, die ursprünglich aus rein prak-
tischen Gesichtspunkten heraus unternommen waren, um folgende
Fragen zu lösen: Bilden die Heringe der europäischen Meere einen
einzigen Stamm, dessen Glieder, die Heringsschwärme, weite regellose
Wanderungen unternehmen, oder zerfällt die Spezies Hering in unter-
scheidbare Lokalrassen mit festbestimmtem Wohngebiet, in dem sie
regelmäßige jährliche Wanderungen ausführen? Erstrecken sich die
Wanderzüge über große oder kleine Strecken? Sind die zoologischen
Unterschiede der Lokalformen erblich? Die Beantwortung aller dieser
Fragen muß es dann ermöglichen, durch Identifizierung der einzelnen
Schwärme auf ihren Wanderungen deren Weg festzulegen, was für die
Fischereipraxis von größter Bedeutung ist. Für die uns hier beschäf-
tigenden Probleme stehen natürlich die Rasserifragen im Vordergrund.
Durch die allgemeinen biologischen Verhältnisse der Lebens- und Fort-
pflanzungsweise des Herings ist nun sein Auftreten in geschlossenen
— 88 —
Rassenverbänden gegeben. Der Hering lebt nämlich von Geburt an
als geselliges Herdentier in Schwärmen, deren Richtung von der Menge
der als Nahrung dienenden Planktontiere abhängt. Zum Zwecke des
Laichens sammelt er sich in dichteren Schwärmen, die typische Laich-
plätze von besonderem Charakter aufsuchen, um dort ihre Eier an die
Unterlage anzukleben. Diese Laichschwärme sind innerhalb eines
bestimmten Wohngebietes völlig konstant, während im Gesamtwohn-
gebiet der Art die größten Verschiedenheiten herrschen können. Also
ein Hering der westlichen Ostsee hat Jahr für Jahr seine festbestimmten
Laichplätze mit bestimmter Wasserbeschaffenheit und die Schwärme
werden in bestimmten Monaten mit Sicherheit an bestimmten Stellen
getroffen. An den Laichplätzen wird dann nur einmal im Jahr abgelaicht.
Da sich aus der Brut eines solchen Laichplatzes immer wieder die neuen
Schwärme bilden, so sind die Glieder eines Schwarmes wie der Schwärme
eines engbegrenzten Gebietes alle blutsverwandt; wenn also Rassen
existieren, sind sie in den Laichschwärmen verschiedener Gebiete zu
suchen. Um nun die Existenz der Rassen feststellen zu können — denn
mit den üblichen Unterscheidungsmerkmalen der Systematik kommt
man nicht weiter — gibt es nur eine Methode, nämlich die variations-
statistische Untersuchung der variierenden Einzelmerkmale, welchen
Weg Heincke in ausgedehntestem Maße (über ioo ooo Messungen
und Zählungen) beschritt. Wie zu erwarten, ergab sich, daß die ein-
zelnen meß- und zählbaren Eigenschaften, im ganzen über 60, die be-
rücksichtigt wurden, wie Wirbelzahl, Kielschuppenzahl, Zahl der pylo-
rischen Darmanhänge, relative Schädelbreite, sich bei einer großen Zahl
von Individuen des gleichen Schwanns nach dem Fehlergesetz ver-
hielten, eine typische Binomialkurve gaben. Verglich man nun aber die
Kurven bei verschiedenen Heringsformen, den erwarteten Rassen, so
zeigte sich, daß jeder Rasse für jedes Merkmal ein typischer Mittel-
wert zukam. Es läßt sich also durch die sämtlichen Mittelwerte
der verschiedenen Eigenschaften jede Rasse charakterisieren und
zwar sind die Unterschiede um so größer, je weiter die Rassen
geographisch, d. h. in der Verschiedenheit äußerer Bedingungen
voneinander getrennt sind. Die folgende Tabelle illustriert dies Er-
gebnis :
89 —
Mittel der Eigenschaften
Rasse
Nummer des Wirbels
Längen-
Kiel-
Wirbelzahl
mit 1. geschlossenem
breitenindex
schuppen-
Hämalbogen
des Schädels
zahl
Norwegischer Frühjahrs-
hering
57-6
27.0
30,1
14.0
Frühjahrshering des großen
Beltes
55,8
24.5
3<>,S
14,4
Frühjahrshering der Schley
55,5
24.3
30,8
13,7
Frühjahrshering von Rügen
56,°
25.0
3°.4
13.9
Frühjahrsströmling von
Stockholm
55,2
24,8
29,2
13.4
Hering des weißen Meeres
53,6
25o
3°,6
12,4
Frühjahrshering des Zuider-
sees
55-3
24,1
3M
14,3
Herbsthering der Ostküste
Schottlands
56,5
24,6
—
14,8
Herbsthering der südöst-
lichen Nordsee
56.4
24,9
—
15,0
Herbsthering der Jütland-
bank
56,6
—
31,0
14.5
Herbsthering der westlichen
Ostsee
55-7
25-5
3i,o
14,5
Da nun diese verschiedenen Rassencharaktere in verschiedenen
Jahren an den gleichen Stellen die gleichen sind, so ist anzunehmen,
daß sie erblich sind.
Nun aber ist mit Hilfe dieser Erkenntnisse die Frage der Wande-
rungen zu lösen und da ist es klar, daß es möglich sein muß, deren WTeg
zu bestimmen, wenn man an den verschiedensten Stellen und zu den
verschiedensten Zeiten Heringe als Stichproben fängt und deren Rassen-
zugehörigkeit bestimmt. Der Erfolg hängt also davon ab, daß es gelingt,
für jedes einzelne Individuum die Rasse festzustellen. Das ist ohne
weiteres in Anbetracht der Variabilität der Merkmale nicht möglich.
Ein Hering z. B. bei dem man 56 Wirbel und 14 Kielschuppen findet,
kann so ziemlich allen Rassen angehören. Auf Grund der Wahrschein-
lichkeitsrechnung ließ sich nun doch eine Methode finden, die Schwierig-
keiten zu umgehen. Wenn man möglichst viele Merkmale ins Auge faßt,
so hat jedes einzelne seine Variabilitätsreihe nach den Gesetzen des
Zufalls. Es kann also ein zufällig herausgegriffenes Individuum in be-
zug auf eine Eigenschaft dem Mittelwert entsprechen, aber auch ein mehr
oder minder entfernter Minus- bzw. Plusabweicher sein. Es besteht
— 90 —
nun eine gewisse Unabhängigkeit in der Variabilität der einzelnen Eigen-
schaften, so daß dasselbe Tier in der einen ein Plus-, in der anderen ein
Minusabweicher sein kann. Werden nun möglichst verschiedene Eigen-
schaften eines Individuums in bezug auf ihre Abweichung vom Mittel-
wert der Rasse betrachtet, so zeigt sich, daß diese Abweichungen sich
auch nach den Gesetzen des Zufalls gruppieren (wenn man sie in einer
bestimmten, durch die Wahrscheinlichkeitsrechnung festgelegten Ein-
heit betrachtet), daß also die geringeren am häufigsten, die größten
am seltensten auftreten. Oder mit anderen Worten : Bei der zufälligen
Kombination einer sehr großen Anzahl von Eigenschaften im
Individuum, sind die Abweichungen in den einzelnen Eigenschaften (in
der gleichen Einheit, ihrem wahrscheinlichen Fehler ausgedrückt) im
Prinzip genau die gleichen Zahlen wie die Abweichungen einer Eigen-
schaft bei zahlreichen Individuen, oder, auf die gleiche Einheit bezogen
ist die Variationsreihe einer Eigenschaft für viele Individuen die
gleiche wie die vieler Eigenschaften für ein Individuum.
Nun ist es eine charakteristische Eigenschaft einer jeden normalen
Variationsreihe, daß die Summe der Quadrate der Abweichungen vom
Mittel ein Minimum ist: berechnet man aus irgendeiner der im 2. Vor-
trag aufgeführten Reihen diese Summe, so ist sie immer kleiner als
irgendeine Summe, die auf die Abweichungen von irgendeinem anderen
als dem Mittelwert berechnet werden kann, sie ist ein Minimum. Nehmen
wir z. B. die Zahlen 21, 22, 25 und 28, so ist das Mittel 24, die Abwei-
chungen von ihm sind —3, —2, +1, +4, und deren Quadrate 9, 4,
1, 16, die Ouadratsumme also 30. Berechnet man diese Summe nun
auf irgendeine andere Zahl als den Mittelwert, z. B. 23, dann muß sie
größer sein. Die Abweichungen sind dann — 2, — 1, +2, +5 und die
Quadrate 4, 1, 4, 25, die Quadratsumme also 34, d. h. sie ist größer als
jene. Das würde für jeden anderen Wert ebenso stimmen, d. h. also,
die Quadratsumme der Abweichungen vom Mittelwert ist ein Minimum.
Aus dieser Tatsache, im Zusammenhang mit dem Vorhergehenden,
ergibt sich somit die Möglichkeit, die Zugehörigkeit eines jeden Indi-
viduums zu einer Rasse zu bestimmen : es gehört der Rasse an, auf deren
Mittelwerte bezogen die Quadratsumme aller Abweichungen aller Eigen-
schaften ein Minimum ist. Es wird also z. B. ein Hering im Weißen Meer
— 91 —
gefunden, der nach seiner Wirbelzahl 58 ein norwegischer Frühjahrs-
hering, ein Herbsthering der Jütlandbank oder ein Weißmeerhering
sein kann. Berechnet man nun für eine Menge von Eigenschaften dieses
Tieres die Ouadratsumme der Abweichungen von den Mitteln jener
drei Formen, so erhält man — so ist es in einem von Heincke berech-
neten Fall — bei der Berechnung auf Mittel der Rasse von
Weißem Meer 3,213
Norwegischem Frühjahrshering 3,696
Jütlandbank 6,317.
Es ergibt sich also ein Minimum für den Weißenmeerhering, dieser
Rasse gehört also das Individuum an 1.
Wenn wir von den rein praktischen Ergebnissen absehen — und es
sei bemerkt, daß Duncker die gesamten Resultate bei einer anderen
Fischgruppe, den Syngnathiden bestätigen konnte — so ist es klar, daß
durch derartige mustergültige Untersuchungen die zuverlässigsten
Grundlagen für die Vererbungslehre geschaffen werden, die allergenauste
Kenntnis der Elemente, mit denen sie arbeitet, der elementaren Ein-
heiten der Organismen weit. Wir sind imstande, bei einem Hering
seine Familienzugehörigkeit auf das genauste zu bestimmen und er-
sehen daraus die Existenz typisch verschiedener Rassen, die als nichts
anderes vorzustellen sind, als etwa die Rassen der Haustiere. Bei einer
Bulldogge ist es nun selbstverständlich, daß ihre Nachkommen auch
Bulldoggen sind, die Rasseneigentümlichkeiten sind also erblich. Sollen
solche Rassen, wie beim Hering oder der Seenadel, aber wirklich Etappen
in der Bildung neuer Arten sein, so müssen ihre Charaktere erblich sein.
Andernfalls sind sie nichts anderes als jene oben besprochenen Lebens-
lagevariationen, etwa wie beim Koloradokäfer, die sofort mit dem Wechsel
der Lebenslage in andere übergeführt werden konnten. Solche Rassen
hätten aber mangels Erblichkeit keine Bedeutung für die Artbildung,
sie wären nur der wechselnde Ausdruck wechselnder äußerer Bedingun-
gen. Kann nun mit jenen statistischen Untersuchungsmethoden diese
elementare Frage, erbliche, für die Artbildung wesentliche Rasse oder
1 Die hier gegebenen Zahlen stellen nicht direkt die Quadratsumme der Ab-
weichungen, sondern diese dividiert durch die Eigenschaftenzahl dar. Es ist dies aus
gewissen Gründen praktischer, ergibt aber natürlich prinzipiell das gleiche.
— 92 —
nichterbliche Lebenslage Variation, gelöst werden? Wenn, wie wir gleich
sehen wollen, diese Frage verneint werden muß, so sind wir damit an
Norw Fr.- Hering u.Weifs. Meer- Hering gemischt 58 * 50 Jnd.
0/
26
2 4
22
20
16
16
14
12
10
6
6
4
2
0
1
r"
^J
1
1
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1 <
1
'
. "'1
L
/
I
..•■"
"
5
fr6
"■--
Wirbel: Sl
52 53 51 5b 56 57 58 59 CO 61
Fig. 38-
Die zweigipflige Kurve für die Wirbelzahl eines Gemisches von 58 norwegischen und
50 Weißmeerheringen (punktiert), verglichen mit einer idealen eingipfligen Kurve.
Nach Heinck e.
der Grenze der mit der statistischen Methode für die Genetik zu er-
langenden Ergebnisse angelangt. Sie kann zu so glänzenden und prin-
zipiell bedeutungsvollen Ergebnissen führen, wie die bisher vorgetrage-
nen : am Punkte der Erb-
lichkeitsfrage muß, — und
wir sind jetzt von den ver-
schiedensten Seiten her zu
dem gleichen Schluß ge-
kommen — eine neue Me-
thode einsetzen, das Ver-
erbungsexperiment.
Da, wo rein statistische
Untersuchungen vorliegen,
wird der Schluß auf die Anwesenheit verschiedener Rassen in einem Indi-
viduengemenge auf das Auftreten zwei- oder mehrgipfeliger Variations-
10 12
Fig. 39-
Kurve der Strahlenblütenzahl einer Population von
Chrysanthemum segetum mit beigesetzten Frequenz-
zahlen. Nach de Vries.
— 93 —
kurven gestützt. Der Schluß kann auch richtig sein, er muß es aber nicht
sein. In dem Werk über den Hering findet sich eine derartige Kurve, so
wie sie aussehen würde, wenn man sie für die Variabilität der Wirbelzahl
bei einem Gemisch von norwegischen und Weißenmeerheringen konstruierte
(Fig. 38). Aus der Zweigipfligkeit würde man auf die Anwesenheit ver-
schiedener Rassen schließen. Wenn in dem vorliegenden Fall auch noch
zahlreiche andere Eigenschaften berücksichtigt wurden, so liegt doch im
Prinzip das gleiche vor, wie wenn nur diese Kurve betrachtet würde : Die
Fig
40.
Die Auflösung der Kurve von Fig. 39 in zwei eingipf lige Kurven entsprechend den
Rassen A und B. Nach de Vries.
Rassen werden aus der Differenz der Mittelwerte, die sich bei genügender
Größe als Zweigipfeligkeit ausdrückt, erkannt. Es kann keinem Zweifel
unterliegen, daß eine solche Diagnose das richtige treffen kann ; den Beweis
dafür aber bringt, wie de Vries und vor allem Johannsen scharf
hervorheben, nur das Vererbungsexperiment. Ein Beispiel, in dem die
Voraussetzung in der Tat bestätigt wurde, ist der bekannte Fall des
Chrysanthemum segetum nach de Vries. Dieser Forscher erzog
die gelbe Kornblume aus einem Samengemisch, das aus botanischen
Gärten stammte und erhielt, wenn er die Zahl der Strahlenblüten be-
trachtete, die nebenstehend wiedergegebene zweigipfelige Kurve (Fig. 39)
mit je einem Gipfel bei 13 und 21 Blüten. Um nun zu beweisen, daß
— 94 —
es sich hier um ein Gemenge von 2 erblichen Rassen handelt, wurden
einmal sämtliche nicht 13 strahlige Köpfchen vor ihrer Befruchtungs-
fähigkeit entfernt, das andere Mal sämtliche nicht 21 strahlige und dann
die Samen dieser Kurvengipfelindividuen geerntet und getrennt aus-
gesät. Jede Saat ergab dann eine eingipfelige Kurve mit dem Gipfel
bei 13 bzw. 21 (Fig. 40) und diese Kurve blieb auch in weiteren
Generationen konstant, d. h. die Existenz zweier verschiedener
Rassen im Gemenge, die die Zweigipfligkeit bewirkt hatten, war er-
wiesen.
Um auch noch ein zoologisches Beispiel anzuführen, so ergab sich
ein entsprechendes Resultat aus den Untersuchungen von Jennings
für Paramaecium. Nimmt man eine beliebige Kultur dieser Infusorien
und mißt die Variabilität für Länge oder Breite, so kann man eine zwei-
gipflige Kurve erhalten, wie sie nebenstehend für die Breite abgebildet
ist (Fig. 41). Sie zeigt einen Gipfel bei 32 // (genauer Mittelwert 33,4)
und einen anderen bei 48^ (genauer ^1=48,9). Züchtet man nun die
Glieder der beiden Kurvenbezirke getrennt, so erhält man eine Kultur
mit kleinen Tieren und eine mit großen, die im Rahmen einer normalen
fluktuierenden Variabilität konstant bleiben. In diesem Fall handelt
es sich also auch um ein Gemisch von zwei erblichen Rassen, bei denen
man übrigens die kleinere, die aurelia-Form, auch an dem Besitz von
zwei Nebenkernen, die große, die caudatum-Form durch einen Neben-
kern unterscheiden kann. Diese beiden doppelgipfligen Kurven sind nun
auch geeignet, uns eine bisher noch nicht besprochene Erscheinung zu
illustrieren, nämlich die transgressive Variabilität. Zwei einander nahe-
stehende Formen, Rassen, können sich in ihren Variationskurven über-
schneiden. Wenn man Exemplare der Paramaecien auswählte, die dem
Tal zwischen den beiden Kurvengipfeln angehören, so könnten sie
ebensogut dem einen wie dem anderen Typus, aurelia wie caudatum
zuzuzählen sein. Denn das Variationsgebiet der beiden Typen über-
schneidet sich, ist transgressiv. Die Entscheidung, was vorliegt, kann
nur erbracht werden, wenn das betreffende Stück isoliert fortgepflanzt
wird. Also auch diese Erscheinung der Transgression deutet darauf hin,
daß die wirkliche Analyse einer solchen Kurve nur durch das Vererbungs-
experiment erbracht werden kann.
— 95 —
Immerhin hatte sich in diesen beiden Fällen der Schluß auf Rassen-
verschiedenheit, der durch bloße Betrachtung der zweigipfligen Kurve
gezogen worden war, als richtig erwiesen. Wie sehr ein solcher Schluß
aber irreführen könnte, wird sofort klar werden, wenn wir einige andere
Beispiele solcher Kurven ins Auge fassen.
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o
1
20 24 28 32 36 40 44 48
b-'
56 60 64 6S 72 76 80
Fig. 41.
Zweigipflige Variationskurve für die Körperbreite einer Paramaecienpopulation, die
Gipfel a und A den Formen aurelia und caudatum entsprechend. Nach Jennings.
Umstehende Fig. 42 gibt uns eine Variationskurve, die erhalten
wurde durch Messung einer Kollektion weiblicher Nonnen, Lymantria
monacha, in bezug auf die Länge ihrer Vorderflügel. Das Bild zeigt
eine typisch zweigipflige Kurve. Es wäre aber ganz irrtümlich, daraus
auf ein Gemenge von zwei Rassen oder in Bildung begriffenen Elementar-
arten zu schließen. Ordnet man nämlich das untersuchte Material
nach seiner Zugehörigkeit zu den beiden Gipfelbezirken und betrachtet
dann seine Herkunft, so zeigt sich in diesem konkreten Fall, daß die
Individuen um den kleinen Kurvengipfel vom Mittelwert 23 mm alle
aus Puppen gezogen waren, die im Freien gesammelt worden waren
und zwar in einer Gegend, in der der Nonnenfraß im Abklingen war.
— 96 —
Letzteres bedeutet aber, daß die Bedingungen für die Entwicklung der
Schmetterlinge keine günstigen sind. Die großflügligen Individuen
des zweiten Kurvengipfels mit 28 mm Gipfelgröße aber stammten sämt-
liche aus Puppen, die von den Eiern eines in guter Kultur gezüchteten
Weibchens ebenfalls unter den günstigen Bedingungen einer gutgepfleg-
ten Zucht sich entwickelt hatten. Die typische Größendilferenz und die
zweigipflige Kurve hat also ihre Ursache darin, daß ein Gemenge von
\
\
/
\
19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 2<?
30
Fig. 42.
Zweigipflige Variationskurve für die Flügellänge einer Population von Lymantria
monacha Q .
Individuen aus verschiedenen Lebenslagen untersucht wurde, sie ist
ein Ausdruck der Lebenslagevariation, was nur durch die biologische
Kenntnis des Materials und nie durch mathematische Analyse der Kurve
erkannt werden kann.
In genau der gleichen Weise hat sich ein anderer Fall aufgeklärt, der
in der Geschichte der Variationsstatistik eine gewisse Rolle spielte,
Weldons Entdeckung von zwei vermeintlichen, variationsstatistisch
zu unterscheidenden Rassen des Taschenkrebses Carcinus maenas.
Er fand nämlich für die Stirnbreite dieser Krabben in Neapel, aus-
— 97
gedrückt in Tausendsteln der Panzerlänge, eine ganz unsymmetrische
Kurve, die sich nach Pearsons Berechnung als aus zwei eingipfligen
Kurven zusammengesetzt erwies. Der eine Mittelwert, um den sich
die Individuen gruppierten, lag bei 630 (Tausendsteln), der andere
bei 654. Die biologische Betrachtung dieses Materials zeigte aber
Giard, daß es sich durchaus nicht um den Dimorphismus zweier Rassen
handelte. Er fand vielmehr, daß die dem niederen Kurvengipfel an-
gehörigen schmalstirnigen Individuen sämtlich mit dem parasitischen
Cirriped Sacculina oder der entoparasitischen Assel Portunion be-
haftet waren. Die Doppelkurve war also der Ausdruck einer verschiede-
nen Lebenslage, indem die mit dem Parasiten behafteten Individuen sich
in schlechterer Verfassung befanden. Giard bemerkt dazu ganz richtig,
daß die statistische Betrachtung nicht das Recht hat, das biologisch-
analytische Studium der registrierten Tatsachen zu vernachlässigen.
Gerade bei Fällen der Behaftung mit Parasiten, speziell der Kastration
durch Parasiten, hat man einen Dimorphismus feststellen können, der
sogar mit dem Geschlechtsdimorphismus zusammenhängt, eine Frage,
die in neuerer Zeit genaue Untersuchungen erfahren hat. Zu welchen
Willkürlichkeiten auf solcher Basis ausgeführte Analysen führen, geht
vielleicht am besten aus den Versuchen von Davenport, Blankinship,
Vernon hervor, die systematische Einheit durch die Form der Variations-
kurve festzulegen. Liegt eine Kurve wie die eben genannte Weldon-
sche vor, die scheinbar eingipflig ist, aber in zwei aufgelöst werden kann,
so haben wir den Beginn einer Artbildung vor uns. Sind zwei Gipfel
vorhanden, das Tal zwischen ihnen aber unter 50% groß (oder nach
Vernon 85%, der sogenannte Isolationsindex), dann liegen zwei distinkte
Variationen vor, über 50 bzw. 85% sind es aber Spezies. Bei vielen
Gipfeln schließlich ist die Art im Zerfall in viele Elementararten be-
griffen. Die Kritik solcher Ausführungen ist durch das vorhergehende
und folgende von selbst gegeben.
Die Bemerkung über die Beziehung der parasitären Kastration zum
Geschlechtsdimorphismus führt dazu, darauf hinzuweisen, daß eine
doppelgipflige Variationskurve auch durch Vernachlässigung eines ge-
schlechtlichen Dimorphismus erhalten werden kann. In umstehen-
der Figur 43 ist die Variationskurve wiedergegeben, die aus der
G old sc h mid t, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 7
— 98
Messung der Vorderflügellänge bei Nonnen erhalten wird, die sämtlich
die Nachkommen eines Elternpaares sind. Die Kurve hat einen Gipfel
bei 21 und einen anderen bei 28 mm. Die Betrachtung des Materials
zeigt sofort, daß dem ersteren die kleineren Männchen, dem zweiten die
größeren Weibchen entsprechen. Im allgemeinen wird allerdings ein
falscher Schluß aus einer solchen Kurve nicht vorkommen, da ein Ge-
schlechtsdimorphismus von vornherein in bestimmter Weise in Rechnung
gesetzt wird, wie wir im nächsten Vortrag hören werden.
s
4
3
2
1
A
\
/
\
\
\
/
18 tq 10 11 22 23 24 2 5 26 27 28 29 30
Fig. 43-
Zweigipflige Variationskurve für die Flügellänge einer Familie von Lymantria monacha
(5 und Q.
Eine andere Möglichkeit, die aber, besonders in noch nicht studierten
Fällen, zu Irrtümern Anlaß geben könnte und auch gegeben hat, ist das
Vorhandensein eines festen Dimorphismus. Ein und dieselbe Tierart
oder Pflanze erscheint in zwei typisch verschiedenen Formen. Läßt
sich diese Verschiedenheit in Zahlen ausdrücken, so muß natürlich bei
statistischer Behandlung häufig eine zweigipflige Kurve entstehen und
daraus könnte dann auf verschiedene Rassen geschlossen werden. Die
Systematik, die ja bewußt oder unbewußt auch statistisch arbeitet, hat in
der Tat diesen Fehler oft begangen. Ein bekanntes Beispiel bieten ge-
99
wisse tropische Papilioniden, bei welchen prächtigen Schmetterlingen in
einer und derselben Art mehrere verschiedene Sorten von Weibchen
vorkommen, wie übrigens auch bei einigen wenigen einheimischen Formen.
FiS- 44-
Dipsaeus süvestris, normal und zwangsgedreht. Nach Baur.
Die Systematik hat denn auch diese Formen sogar als verschiedene Spezies
beschrieben, wie im Fall des Papilio memnon die Formen Achates,
Agenor, und Laomedon. Erst das Zuchtexperiment zeigte, daß aus
den Eiern einer Form auch alle anderen in bestimmter Weise entstehen
können und daß die Tatsachen nur auf Grund der Mendelschen Ver-
100 —
erbungsgesetze verständlich sind, wie wir später sehen werden. Auch
für das Pflanzenreich gibt es ganz entsprechende Verhältnisse und zwar
besonders in bezug auf gewisse anormale Zustände wie Fasciation (Band-
form der Stengel) und Torsion oder Zwangsdrehung bei den sogenannten
ständig umschlagenden Sippen (Fig. 44). De Vries konnte durch aus-
gedehnte Versuche zeigen, daß das Auftreten dieser Abnormitäten
erblich ist. Es besteht also bei den betreffenden Pflanzen, z. B. Dipsa-
cus silvestris, ein fester Dimorphismus, derart, daß ein Teil der Indi-
viduen normal, ein anderer Teil tordiert ist. Da das Auftreten der beiden
Typen aber durchaus von der Lebenslage abhängt, so besteht mit anderen
Worten die Reaktionsnorm darin, in bestimmten Bedingungen ohne
Übergang den tordierten Zustand durch einen unvermittelten Umschlag
hervorzubringen. Hier würde man zwar eine zweigipflige Kurve nicht
erhalten, weil die Reaktion streng alternativ ist. Gäbe es aber zwischen
beiden Zuständen Übergangsvarianten, wie dies bei quantitativen Merk-
malen möglich ist, so erschiene eine doppelgipflige Kurve als Ausdruck
einer erblichen dimorphen Reaktionsnorm in einer ganz einheitlichen
Rasse.
Schließlich wäre noch ein Fall zu erwähnen, der bei nicht genügen-
der biologischer Kontrolle des Materials zu irrtümlich interpretierten
doppelgipflige n Kurven führen könnte, nämlich der, daß das unter-
suchte Material verschiedene Altersklassen enthielte. Im allgemeinen
wird ein solcher Fehler natürlich nicht begangen werden, aber gerade
bei Formen, bei denen die Altersbestimmung erschwert ist, könnten
leicht solche Irrtümer entstehen, wenn es sich um Eigenschaften handelt,
die zwar in verschiedenem Alter typisch verschiedene Mittelwerte haben,
die aber nicht weit genug auseinander liegen, um bei Inspektion auf-
zufallen. Nebenstehende Kurve Fig. 45 diene als Beispiel eines konstruier-
ten Falles. Sie wurde so erhalten, daß die Nasen-Steißlänge bei 200
jungen Fröschen gemessen wurde. Dies Material bestand aber aus je
100 Individuen, die in den Monaten Juni bis August gefangen waren,
somit seit der Metamorphose 12 — 14 Monate alt waren, und je 100, die,
im März bis Mai gesammelt, 22 — 24 Monate zählten. Die Kurvengipfel
liegen in dem Fall nur um 4 mm auseinander. Wenn auch beim Frosch
niemand auf die Idee käme, hieraus zwei Rassen zu konstruieren, so
101 —
weiß jeder Systematiker, daß das bei weniger bekannten Organismen
schon oft genug vorkam.
Die erwähnten Beispiele genügen wohl, um zu zeigen, wie in Erb-
lichkeitsfragen die Betrachtung der Variationskurven allein nicht ge-
nügen kann. Und nun erinnere man sich an die obigen Mitteilungen
über die Kl ebs sehen Studien an Sedum, wo unter verschiedenen
50
HS
40
35
30
2?
20
15
10
19 20 21 22 23 24 25 26 17 28 29 30 31
Fig- 45-
Zweigipflige Variationskurve für die Xasensteißlänge von 200 jungen Fröschen.
äußeren Bedingungen bei einem und demselben Objekt die allerver-
schiedensten Variationskurven, von halben bis zweigipfligen entsprechend
der für die Art typischen Reaktionsnorm, vorkommen, ohne daß ein
Rassengemenge vorliegt. Mit all dem vorausgegangenen und leicht zu
vermehrenden Material zusammen besagt das, daß die Überlegungen,
von denen wir bei Betrachtung der zweigipfligen Kurven ausgingen,
richtig waren : die Variationsstatistik muß trotz all der wichtigen Resul-
tate, die sie zeitigt, und trotz all der großen Bedeutung, die ihr für die
— 102 —
Analyse des Materials zukommt, an einem Punkt versagen, bei der Erb-
lichkeitsfrage: hier können nur die eigentlichen Methoden der Wissen-
schaft vom Leben weiterführen, die biologische Beobachtung und das
biologische Experiment.
Fünfte Vorlesung.
Galtons Gesetz vom Rückschlag und Ahnenerbe.
Wenn wir im vorhergehenden einerseits die große Bedeutung der
statistischen Methoden für eine exakte Analyse des den Vererbungs-
erscheinungen zugrunde liegenden Materials kennen gelernt haben, an-
dererseits aber uns jenen hervorragenden Biologen anschließen mußten,
die dieser Methode die Fähigkeit absprechen, ein rein biologisches Problem,
wie es das Vererbungsproblem selbst ist, zu lösen, so dürfen wir es doch
nicht unterlassen, den Versuch kennen zu lernen, der gemacht wurde,
um auf rein statistischem Wege zur Erkenntnis von Vererbungsgesetzen
zu gelangen. Denn dieser Versuch Francis Galtons ist nicht nur
durch die Genialität seiner Konzeption bedeutungsvoll, sondern ist auch
der Ausgangspunkt für eine ganze wissenschaftliche Disziplin, die Bio-
metrik, geworden, die, auch wenn sie sich wohl in ihrem Ausgangspunkt
als irrig erweist, stets ihre wichtige Stellung in der Geschichte der mo-
dernen Biologie einnehmen wird. Galton ging von der Überzeugung
aus, daß das Studium der Erblichkeit sich auf die Analyse einer Vielheit
von Individuen gleichen Schlages, auf eine Population gründen müsse.
Um eine solche als eine Einheit zu behandeln, gibt aber die Variations-
statistik das nötige Instrument an die Hand. Denn sie läßt einerseits
die Gesamtheit der Individuen gemeinsam betrachten, während sie gleich-
zeitig die Stellung eines jeden einzelnen Individuums in bezug auf seine
Eigenschaften innerhalb der Gesamtheit berücksichtigt. Dieses Vor-
gehen erweist sich deshalb als nötig, weil die Kinder eines Elternpaares,
obwohl sie doch das gleiche an Erbmitgift erhalten haben, meist so sehr
voneinander verschieden sind, daß nur die Betrachtung einer großen
Anzahl von Nachkommen gleichartiger Eltern einen Einblick in eine
— 103 —
etwaige Gesetzmäßigkeit im Verhalten von Eltern zu Kindern gewähren
kann. Es handelt sich also darum, auf statistischem Wege eine Eltern-
und eine Nachkommengeneration in ihren Eigenschaften zu vergleichen
um dadurch zu erkennen, in welcher Weise die Qualitäten vererbt werden.
Um das Problem in Angriff nehmen zu können, mußte nun zunächst
eine Vorfrage gelöst werden. Jedes Tochterindividuum entsteht bei
zweigeschlechtiger Fortpflanzung mit geschlechtlich getrennten Indivi-
duen bzw. nicht selbstbefruchtenden Zwittern aus der Vereinigung der
Eigenschaften zweier Eltern. Sollen also Qualitäten des Tochterindi-
viduums mit solchen der Eltern verglichen werden, so müssen sie auf
die beiden Eltern bezogen werden. Es wäre aber verfehlt, dann als
Vergleichsobjekt den Durchschnittswert der Eigenschaften der beiden
Eltern zu benutzen. Denn die beiden Geschlechter sind ja typisch
voneinander verschieden, indem etwa der Mann stärker, größer, weniger
erregbar ist, Verschiedenheiten, die auch bei den Nachkommen je nach
dem Geschlecht wieder auftreten. Um daher stets vergleichbare Werte
zu bekommen, muß man sie alle auf ein Geschlecht beziehen, also z. B.
vorher sämtliche weiblichen Werte in männliche umrechnen. Wenn
sich etwa für die Größe des Menschen auf statistischem Wege fest-
stellen läßt, daß im Durchschnitt (in England) die Männer 1,08 mal so
groß sind als die Frauen, so muß also, um einwandfreie Zahlen zu er-
halten, jeder weibliche Größenwert für die beabsichtigte Untersuchung
durch Multiplikation mit 1,08 in einen männlichen verwandelt werden.
Um die Erblichkeit der Größe von Eltern auf Kinder zu bestimmen,
muß daher das Maß der Kinder bezogen werden auf das Elternmittel
d. h. auf Größe des Vaters +i,o8mal die Größe der Mutter, die Summe
dividiert durch 2.
Um nun mittels dieser Methode zu Resultaten zu gelangen, mußte
ein Material gewählt werden, das leicht eine genügende Zahl von Einzel-
daten ergibt, das in normaler Lebenslage aufgewachsen war, dessen
Charaktere möglichst unabhängig von der natürlichen Zuchtwahl und
gut meßbar sind, sowie konstant bei dem einzelnen Individuum. Diese
Bedingungen schienen Galton bei zwei Untersuchungsreihen erfüllt,
die er ausführte; sie beziehen sich auf die Samengröße der spanischen
Wicke (sweet pea), Lathyrus odoratus, wie auf verschiedene Eigen-
— 104 —
Schäften des Menschen. Betrachten wir zunächst letzteren Fall und
zwar nur eine der von Galton gemessenen Eigenschaften, die Körper-
größe. Sein Material erhielt der englische Forscher durch Aussetzung
eines Preises für die besten Familienakte, in denen die gewünschten
Daten für möglichst viel Generationen und Individuen enthalten sein
mußten. So konnte er 150 Famüienakte sammeln, deren jeder natürlich
über eine große Zahl von Personen Auskunft gab. Für die zu besprechende
Reihe der Körpergröße wurden 205 Elternpaare mit 930 zugehörigen
erwachsenen Kindern beider Geschlechter benutzt.
Die Körpergröße schien Galton aus den verschiedensten Gründen
ein besonders geeignetes Material. Sie ist in mittlerem Lebensalter kon-
stant, sie übt keinen bemerkenswerten Einfluß auf die Sterblichkeit,
sie ist durch die Kombination von mehr als 100 selbständig variabeln
Teüen, Knochen, Bändern, Muskeln usw. bedingt. Da diese für das
Gesamtresultat etwa dieselbe Bedeutung haben, wie eine entsprechende
Zahl von Nägeln in dem früher geschilderten Zufallsapparat, so ist ihre
große Zahl die Hauptursache für die große Regelmäßigkeit der Varia-
tionskurve der Körpergröße. Sodann spielt die Auswahl nach der
Körpergröße bei der Heirat keine merkliche Rolle, wie sich aus den
Zahlen berechnen ließ, und allein schon daraus hervorgeht, daß auf
27 Paare gleicher Größe 32 ungleicher kamen. Nun ist für die weitere
Betrachtung noch eine Vorfrage zu lösen : sie kann nur einwandfrei sein,
wenn für die Größe der Nachkommenschaft das Elternmittel maß-
gebend ist und nicht etwa die absolute Größe der Eltern. Ist das richtig,
so müssen die Durchschnittszahlen für die Größe aller Kinder von
Eltern gleichen Mittels dieselben sein, ob jetzt die Eltern ungleich
oder gleich groß seien. Die Berechnung ergab, daß dies in der Tat
gleichgültig ist bei Zugrundelegung der Zahlen von 525 Kindern,
so daß also alle Nachkommenzahlen auf das Elternmittel bezogen werden
können.
Die Zahlen nun, die aus 928 Nachkommen von 205 Elternmitteln
erhalten wurden, sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben, in der
die Elternmittel nach Gruppen zwischen 64,5 und 72,5 Zoll mit 1 Zoll
Klassenspielraum eingeteilt sind, und auf jedes Elternmittel die Zahl
der Kinder, eingeteüt nach ihrer Größe, in horizontalen Reihen bezogen ist :
105
Eltern-
mittel in
Zoll
unter
Ö2,2|62,2
63.2 64,2 65,2
Gröl]
66,2
e der Kinder
07.2 68,2 69,2
70,2
über
71,2 72,2^3,2 73.2
4)
s
M
über 72,5 —
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
3
—
4
—
72,5
— —
1
2
1
2
7
2
4
19
72,2
7i,S
—
—
—
1
3
4
3
5 10
4
9
2
2
43
69.9
70.5
I
—
1 —
1
1
3
12
iS 14
7
4
3
3
68
69,5
69,5
—
—
1
16
4 17
27
20
33 ; 25
20
1 1
4
5
183
68,9
68,5
67.5
1
3
7
5
1 1
14
16 25
15 36
3i
38
34
2S
49 , 21
38 19
18
1 1
4
4
3
'
219
211
68,2
67,6
66,5
—
3
3 5
2 17
17
14
13 4
—
—
—
—
7S
67,2
65,5
I
—
9 5
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11 7
7
2
1
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—
66
66,7
64,5
1
1
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5
—
2
23
65,8
unter 64,5
I
—
2 4
1 2 2
I
1
H
—
Summe
5
7
32
59
48 117
13S 120 167
99
| 64
41
17
14
928
—
M [ — — 66.3 67,S 67,9|67,7 67,9 68,3 69,569,0 69,070,0] — | — , — | —
Ziehen wir aber aus dieser Tabelle das Gesamtresultat über die
Größenbeziehung der Elternmittel zu den zugeordneten Kindermitteln
(letzte Spalte), so ergibt sich die Reihe:
Elternmittel: 64,5 65,5 66,5 67,5 68,5 69,5 70,5 71,5 72,5
Nachkommengröße: 65,8 66,7 67,2 67,6 68,2 68,9 69,5 69,9 72,2
Eine nähere Betrachtung dieser Zahlen zeigt nun schon auf den
ersten Blick, daß die Mittel der Nachkommenschaft mehr nach dem
Mittelwert der ganzen Population, der bei 68,5 liegt, verschoben er-
scheinen oder mit anderen Worten, daß Nachkommen von Eltern, die
starke Minus- oder Plusabweicher sind, wieder mehr zum Mittel der
Population zurückkehren. Wenn dieser Rückschlag ein typischer ist,
so muß aus der Feststellung seines Maßes hervorgehen, wieviel die
Kinder von der Abweichung der Eltern vom Mittelwert, also einer ihrer
charakteristischen Eigenschaften, nicht geerbt haben, damit aber auch,
wieviel sie geerbt haben. Es wäre also die Erblichkeit einer Eigenschaft
zahlenmäßig festgestellt. Die Berechnung führt Galton in folgender
Weise graphisch aus: In umstehender Figur 46 sind genau wie in
obiger Tabelle in der vertikalen Kolumne die Elternmittel abgetragen,
und durch die punktierten horizontalen Linien wiedergegeben. Hori-
zontal finden sich dann die Mittel der Kinder, und zwar ist auf jeder
Elternmittellinie die Lage des zugeordneten Kindermittels durch einen
106
dicken Punkt angegeben. Der oberste Punkt besagt also, daß zu dem
Elternmittel 72,5 das Kindermittel 72,2 gehört. Man sieht also, daß
das Verhältnis von Eltern zu Kindern als Korrelation behandelt wird
und wir lernen hier somit zugleich einen graphischen Ausdruck für die
Korrelation kennen. Die Linie CD verbindet nun diese Punkte, so
gut es möglich ist. Zieht man nun die Diagonale AB, so ist das die
Linie, die alle Punkte verbindet, in denen sich die Lote schneiden, die
auf gleichen horizontalen und vertikalen Zahlen z. B.68 errichtet werden.
Würden also die Kinder genau dieselben Mittel zeigen, wie die zugehöri-
gen Elternmittel, dann wäre ihr
Verhalten graphisch durch die Linie
AB ausgedrückt. Ihr abweichen-
des Verhalten wird also durch den
Verlauf der Linie CD wiederge-
geben. Diese Linie schneidet aber
die andere ungefähr bei 68 Zoll, also
etwa in der Gegend des Mittels der
Population (68,5) was somit besagt,
daß nur die Nachkommen mittel-
mäßiger Eltern diesen gleichen.
Fio. 6> Das Verhältnis der Abweichungen
Die graphische Berechnung des Rückschlags der Eltern vom Mittel ZU denen der
nach Galton. . _ ...
Kinder ist nun in dieser Darstellung
gegeben durch das Verhältnis EA zu EC. Dies Verhältnis ist aber genau
das gleiche für jede mögliche Elterngröße, da ja nach einem Satz der ele-
mentaren Geometrie alle Parallelen zu ECA in gleicher Proportion durch
FE, CD und AB zerschnitten werden. Diese Proportion EC: EA ist nun
2:3. Das heißt aber, jeder Sohn ist im Durchschnitt nur 2/3 so ab-
weichend vom Mittelwert als seine Eltern, oder mit anderen Worten,
er erbt von seinen Eltern 2/3 vom Wert der betreffenden Eigenschaft,
der Körpergröße, um y3 aber findet ein Rückschlag zum Mittel der
Population statt. Die gleiche Zahl findet man natürlich durch direkte
Berechnung, wenn man das Verhältnis jeder Nachkommenabweichung
vom Mittelwert zu der Elternabweichung feststellt und von sämtlichen
das Mittel nimmt, die Erblichkeitsziffer 2/3.
— 107 —
Der zweite Versuch, bei einem anderen Objekt eine ähnliche Gesetz-
mäßigkeit festzustellen, bezog sich auf die Samengröße von Lathyrus.
Es wurden 7 Gruppen von je 10 Samen genau des gleichen Gewichts
hergestellt, die Gruppen von verschiedener Schwere. (Samengröße und
Gewicht fanden sich völlig proportional.) Die 7 Sätze wurden dicht
nebeneinander auf einzelnen Beeten unter gleichgünstigen Bedingungen
ausgesät und der Versuch gleichzeitig an mehreren Lokalitäten in gleicher
Weise ausgeführt. Die Samen all dieser Mutterpflanzen wurden wieder
gemessen und konnten dann auf die betreffenden Eltern bezogen werden.
Die folgende Tabelle gibt das Resultat, die Maße in Hundertstel Zoll,
die Individuenzahlen in Prozenten:
Durchmesser
der
Muttersamen
unter
x5
Durchmesser de
15 | 16 | 17
r Tochtersamen
18 19 20
über
21
M der
Tochtersamen
21
22
8
10
IS
21
13
6
2
»7,5
20
23
10
12
17
20
13
3
2
17-3
19
35
16
12
13
1 i
10
2
I
16,0
IS
34
12
13
17
16
6
2
16,3
17
37
16
13
16
13
4
1
—
15,6
16
34
15
18
16
13
3
1
16,0
'5
46
14
9
1 1
14
4
2
'5,3
Daraus erhalten wir wieder das Endresultat:
Größe der Muttersamen: 15 16 17 18 19 20 20
Mittlere Größe der Nachkommen: 15.3 16,0 15,6 16,3 16,0 17,3 17,5.
Daraus läßt sich die Erblichkeitsziffer wieder berechnen, die in
diesem Falle kleiner ist, nur y3 beträgt, während 2/3 Rückschlag statt-
findet. Galton, Pearson, Johannsen haben diesen Rückschlag
für verschiedene andere Fälle berechnet und kommen zu ähnlichen
Zahlen, wenn sich auch Galtons Erwartung, daß die Erbziffer für
viele Fälle eine Konstante sein möchte, nicht erfüllte. Zunächst muß
nun gefragt werden, wodurch die Erscheinung des Rückschlags bedingt
wird, und darauf gibt Galton eine sehr einfache Antwort. Es ist ja
Tatsache, daß die Mehrzahl der Eltern dem Mittelmaß angehören, die
extremen Abweicher aber selten sind, und daher hat ein besonders ab-
weichendes Kind am wahrscheinlichsten weniger abweichende Eltern
gehabt. Nun ist ein Individuum nicht nur das Produkt seiner Eltern,
— 108 -
sondern auch seiner sämtlichen Ahnen, und schon in der 10. Generation
hat es ja 1024 Ureltern. Es ist nun kein Grund vorhanden, anderes
anzunehmen, als daß eine solche Zahl von Ahnen sich auch zu der typi-
schen Variationsreihe der Art gruppieren, also insgesamt den typischen
Mittelwert der Population darstellen. Diese Last des Ahnenmittels ist
es also, die den Typus von dem direkten Erbe der Eltern zurückzieht,
sich ihm als Rückschlag anhängt. Das Mittelmaß der Ahnen hindert
auf der einen Seite die Nachkommen besonderer Menschen, sich auch
soweit vom Durchschnitt zu entfernen, läßt auf der anderen Seite die
Nachkommen degenerierter Eltern „dem Los entgehen, die ganze Bürde
des väterlichen Übels tragen zu müssen" (Pearson).
Diese Betrachtung führt aber dazu, festzustellen, welches das Ahnen-
erbe ist, das jeder der Vorfahren dem Individuum überliefert. Wir
haben gesehen, daß in dem Fall der Größe des Menschen 2/3 der Ab-
weichung des Elternmittels vom Mittel der Population auf die Nach-
kommen vererbt werden. Nennen wir jene Abweichung D, so ist die
Abweichung der Nachkommen 2/3 D. Nach der gleichen Voraussetzung
muß aber das Großelternmittel wieder um 1/s größer gewesen sein als
D, das Urgroßelternmittel wieder um y3, also Y9 D größer als jenes
und so fort. Die Gesamtheit der für das Individuum in Betracht kom-
menden Vorfahrenabweichungen ist also D (i-t- Y3+ 1/9+ ■ .)=Ds/2-
Nun ist die tatsächliche Abweichung des Individuums 2/3 D, der
gesamte Erbbeitrag seiner Ahnen beläuft sich auf 3/2 D, es kann
also jeder Ahne nicht seine ganze Besonderheit beigetragen haben. Wird
angenommen, daß der Anteil einer jeden Vorfahrengeneration um den
gleichen Teil verkürzt wurde, so muß dies geschehen sein um 2/3 : 3/2 =
4/9. Für den gleichen Wert läßt sich durch eine andere Überlegung
die Zahl 6/1]L finden und das Mittel aus diesen beiden Berechnungen
beträgt genau y2. Es ist also anzunehmen, daß zu der Gesamtab-
weichung des Individuums vom Rassenmittel, seinem Ahnenerbe, das
Elternmittel die Hälfte beiträgt, die andere Hälfte von allen übrigen
Ahnen geliefert wird, also y4 vom Großelternmittel, y8 von den Ur-
großeltern usw., von jedem der einzelnen Eltern und Vorfahren natür-
lich die Hälfte dieser Werte. Dieses Galtonsche Gesetz des Ahnen-
erbes läßt sich am einfachsten in nebenstehend abgebildeter graphischer
109 —
Darstellung fassen (Fig. 47). Die Fläche des Quadrats stellt die Ge-
samterbschaft dar, die einem Individuum von seinen Vorfahren in bezug
auf eine bestimmte Eigenschaft überliefert wird. Die Größe der kleinen
Quadrate, in die das große Quadrat geteilt ist, gibt das Maß des Erb-
anteils wieder, den die verschiedenen Ahnen beitragen. Jede senkrechte
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i. J ?fl| !
Fig- 47-
Graphische Darstellung des Gesetzes vom Ahnenerbe. Erklärung im Text. Nach
Galton aus Thomson.
Reihe von Quadraten, an deren Spitze die Quadratzahlen von 2 stehen
(2, 4, 8, 16 usw.) entspricht einer Ahnengeneration, also die erste Reihe
den Eltern, die zweite den Großeltern usw. Die Zahl der betreffenden
Vorfahren ist dann natürlich durch die Zahl der vertikalen Ouadrate
gegeben, also 2 Eltern, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern. Indem das Indi-
viduum, dessen Ahnenerbe dargestellt ist, mit 1 bezeichnet wird und
— 110
alle Quadrate fortlaufend numeriert sind, trägt jeder männliche Vorfahre
eine gerade, jeder weibliche eine ungerade Zahl. Es hat somit für jedes
beliebige Individuum des Stammes mit der Nummer n der Vater die
Nummer 2», die Mutter die Nummer 2 n + 1. Die Ahnenquadrate sind
nur für 4 Generationen eingetragen, alle vorhergehenden tragen sichtlich
das weißgebliebene Sechzehntel bei.
Dieses auf mehr theoretischem Wege erschlossene Gesetz suchte nun
Galt 011 auch durch kontrollierbare Tatsachen zu beweisen und benutzte
die dazu von einem Züchterklub geführten Stammbäume einer Dachs-
hundzucht. Diese werden in zwei Rassen gezogen, von denen die eine
weiß und gelbbraun gefleckt ist, wozu bei der anderen noch schwarz
hinzukommt. Er konnte dann aus den Stammbäumen entnehmen, ob
und wie viele Vorfahren in 4 Generationen für ein jedes Individuum
zwei- oder dreifarbig waren. Unter Zugrundelegung der Annahme,
daß auch für diesen Fall die gleichen Zahlengesetze für das Ahnenerbe
gelten, und unter Einführung der aus den Zuchtzahlen sich ergebenden
notwendigen Korrekturen wurden dann aus dem bekannten Verhalten
der Vorfahren in bezug auf Farbe berechnet, wie groß die Zahl ihrer
Nachkommen mit Zwei- bzw. Dreifarbigkeit theoretisch sein müsse.
Die errechnete Zahl für Dreifarbigkeit war dann im ganzen 571 Nach-
kommen, die wirkliche Zahl 568, also eine ganz genaue Übereinstimmung ;
Galton betrachtet somit sein Gesetz auch für im konkreten Fall be-
wiesen.
Die nun besprochenen Entdeckungen Galtons sind zum Ausgangs-
punkt einer ganzen Richtung der Biologie geworden, die von der Über-
zeugung ausgeht, daß diese Wissenschaft erst dann ein den exakten
Naturwissenschaften ebenbürtiges Niveau einnehmen wird, wenn sie
ebenso mit meßbaren Größen arbeitet, deren Verwertung für biologische
Probleme auf dem Wege der Statistik geschehen muß. Speziell in bezug
auf das Gesetz vom Rückschlag und vom Ahnenerbe, sagt Pearson
direkt: „Es ist höchstwahrscheinlich, daß es das einfache deskriptive
Gesetz ist, durch das all die zerstreuten Strahlen des Erbeinflusses in
einem Brennpunkt vereinigt werden. Wenn Entwicklung in Darwin-
schem Sinn durch natürliche Zuchtwahl und Vererbung bedingt ist,
dann muß das einfache Gesetz, das das ganze Gebiet der Erblichkeit
— 111 —
umfaßt, sich für den Biologen als ebenso epochemachend erweisen, als
das Gravitationsgesetz für den Astronomen." Galtons Nachfolger,
an ihrer Spitze Pearson, haben dann auch eine Fülle von Arbeit darauf
verwandt, jene Gesetze mathematisch auszubauen und statistisches
Material zu ihrer weiteren Begründung beizubringen, zu dessen exakter
Betrachtung besondere Methoden entwickelt wurden. Speziell in
England und Amerika war die biometrische Schule zu hoher Blüte
gelangt und es schien schon, daß von hier aus eine Reformation unserer
Wissenschaft beginnen sollte. Von welcher Tragweite die so gewonnenen
Resultate sein könnten, wenn sie richtig sind, geht vielleicht am klarsten
aus ihrer Anwendung auf die menschliche Gesellschaft hervor. Galton,
der ja auch als der Vater der modernen Rassenhygiene zu betrachten
ist, wies schon darauf hin, wie aus dem Rückschlagsgesetz folgt, daß
einereits ganz hervorragende Menschen keine Aussicht haben, ebenso
hervorragende Nachkommenschaft zu erzeugen, andererseits auch die
Degeneriertesten keine gleich schlechten Kinder haben werden. Anderer-
seits aber, folgert Pearson, können hervorragende Familien durch
sorgfältige Heiratsauswahl schon in wenigen Generationen einen her-
vorragenden Stamm bilden, so daß Vermählungsauswahl geradezu zu
einer moralischen Pflicht für die hochstehenden Menschen wird. Auf
der anderen Seite können aber auch die minderwertigsten Elemente,
die der Schlamm der Großstadt birgt, einen festen Stamm bilden, der
durch keinen Wechsel der Umgebung gebessert werden kann, nur durch
Mischung mit besserem Blut. Das ist aber nicht erstrebenswert, vielmehr
sollten jene Elemente möglichst an der Fortpflanzung gehindert werden.
Das sind aber die Grundideen der so viel besprochenen Rassenbiologie,
die sich aus Galtons Gesetzen herleiten, Gesetze, die wie gesagt, auf
weite Gebiete der Forschung die größte Wirkung zu üben begonnen
hatten. Da trat vor wenigen Jahren der entscheidende Umschwung
ein. Die hohe Wertschätzung, die sich das biologische Experiment
auch für die Abstammungsfragen zu erringen begann, und vor allem die
Wiederentdeckung der Men de Ischen Bastardierungsregeln war es, die
zu einer kritischen Betrachtung der statistischen Gesetze führte. Und
da waren es gerade Forscher, die von der biometrischen Schule aus-
gegangen waren, wie Bateson, Johannsen, Davenport, Pearl,
— 112 —
Darbishire, die nun zu der Überzeugung kamen, daß jener Weg ein
prinzipiell falscher ist, indem er nur zur Entdeckung statistischer Gesetz-
mäßigkeiten führt, die mit den biologischen Gesetzen nichts zu tun
haben. Und so sehen wir, daß heute gerade die Biologen, die die moderne
Genetik am weitesten gefördert haben, in bewußtem Gegensatz zur
Biometrik stehen, ein Kampf, von dem wir allerdings in Deutschland,
wo die Biometrik nur ganz vereinzelt Fuß gefaßt hat, weniger merken.
Bateson und Johannsen, die Führer dieser biologischen Bewegung
auf zoologischem und botanischem Gebiet, haben dieser ihrer Über-
zeugung in recht scharfen Worten folgendermaßen Ausdruck gegeben:
„Wir Biologen fühlen nur zu oft unsere Schwäche, wenn es darauf an-
kommt, die Zahlengesetze auszufinden, welche hinter der bunten Mannig-
faltigkeit der Variationsreihen liegen, und dies nicht weniger, wenn wir
die modernen physikalisch-chemischen Theorien und Formeln auf das
oft so fein regulierte Spiel des Stoffwechsels und der Wachstumsvorgänge
anwenden sollen. In aller Schwäche ist es aber unsere Stärke, daß wir
klar erkennen, wie ungeheuer kompliziert die lebenden Objekte sind,
deren Tätigkeiten und Verhalten wir studieren. Wir verlaufen uns nicht,
wenn wir unterlassen, die scharf geschliffene mathematische Logik an
ein Beobachtungsmaterial anzuwenden, welches noch nicht genügend bio-
logisch gesichtet und sondiert ist, um einer solchen strengen Behandlung
unterworfen zu werden. Die Biologie hat in vielen Punkten mehr als
genug zu tun mit der Herbeischaffung guter, ich möchte sagen „reiner"
Prämissen, sicherer Tatsachen klarer Art, für mathematische Be-
handlung geeignet. Und hier haben wir wohl den schärfsten Blick, nicht
die Mathematiker. Ohne die Hilfe der Mathematik werden wir aber
keinen Überblick gewinnen können; wir haben den Mathematikern hier
sehr viel zu verdanken.
Doch weder kann noch will ich solchen Mathematikern Folge leisten,
die auf der Basis eines Materials, welches biologisch gesehen nicht als
einheitlich aufzufassen ist, Formeln entwickeln, deren Tragweite sehr
umfassend scheint, deren biologischer Wert aber Null oder gar negativ
sein kann . . . Kurz gesagt ist meine Meinung die : Wir müssen die
Erblichkeitslehre mit Mathematik, nicht aber als Mathematik treiben"
(Johannsen).
— 113 —
Bateson aber drückt das gleiche noch viel schärfer aus, natürlich
mit alleinigem Bezug auf die Galton - Pearsonsche ausschließlich
statistische Methode des Erblichkeitsstudiums: „Von den sogenannten
Erblichkeitsstudien, wie sie im weiteren Verfolg von Galtons nicht-
analytischer Methode und unter Führung Pearsons und der englischen
biometrischen Schule ausgeführt wurden, zu sprechen, ist jetzt kaum
mehr nötig. Daß derartige Studien schließlich zum weiteren Ausbau
der statistischen Theorie ganz gut dienen mögen, kann nicht geleugnet
werden. Aber in ihrer Anwendung auf die Probleme der Erblichkeit
lief die ganze Arbeit schließlich nur auf eine Verschleierung der Dinge,
die sie offensichtlich enthüllen sollte, hinaus. Nur eine oberflächliche
Kenntnis der Naturgeschichte der Erblichkeit und Variation mußte
schon genügen, um Zweifel an der Grundlage dieser fleißigen Unter-
suchungen entstehen zu lassen. Denen, die in späterer Zeit einmal
sich mit dem Studium dieser Episode in der Geschichte der biologischen
Wissenschaften beschäftigen werden, wird es unbegreiflich erscheinen,
daß ein auf so ungesunder Grundlage aufgebautes Werk so respektvoll
von der gelehrten Welt aufgenommen wurde." Ein hartes Urteil, das
aber, durch den Hinweis auf die große Bedeutung der statistischen
Methode für die Analyse des Materials gemildert, dem Biologen berechtigt
erscheinen muß. Zum Teil wird uns das erst klar werden können, wenn
wir die Erscheinungen der Mendelschen Vererbung kennen gelernt
haben werden. Aber auch ohnedies erscheint dem Biologen ein Grund-
gesetz der Biologie schwer begreiflich, das in keiner Weise sich physio-
logisch fassen läßt; und so kann man Darbishire nicht böse sein, wenn
er die grundsätzliche Differenz zwischen einem statistischen und einem
biologischen Gesetz in folgender Weise klarlegt : Es gibt einen alten
Familienscherz, der lautet: „Warum fressen weiße Schafe mehr als
schwarze?" mit der Antwort: „Weil es ihrer mehr gibt." Wer einem
anderen den Scherz aufgibt, sagt nicht dazu, daß er die einzelnen weißen
und schwarzen Schafe im Auge hat, der Gefragte ist aber stets davon
überzeugt. Ist er ein Biologe, dann sucht er wohl nach einer physiolo-
gischen Erklärung, muß dann aber aus der Antwort erfahren, daß von
dem Futter die Rede ist, das die Gesamtsumme aller weißen bzw. schwar-
zen Schafe verzehrt. Wäre der Unterschied zwischen einer Massenregel
Goldschmidt, Vererbungswissenscliaft. 2. Aufl. 8
— 114 -
und einer Einzelregel, der die Pointe des Scherzes bildet, allgemeiner
bekannt, dann könnte keine solche Verwirrung unter den Biologen
herrschen, die sie den Unterschied zwischen einem physiologischen, auf
Individuen bezüglichen Gesetz, wie etwa die Men de Ischen Regeln,
und einem Massengesetz, wie es das vom Ahnenerbe ist, nicht erkennen
läßt. „Man sollte allen, die sich mit Erblichkeitsfragen befassen wollen,
den Scherz aufgeben; und wenn sie nicht die darin verborgene Falle
bemerken, sollte man sie für ihr Vorhaben untauglich erklären."
Es hat in neuerer Zeit allerdings auch nicht an Versuchen gefehlt,
Galtons Gesetz mit den modernen mendelistischen Resultaten in Über-
einstimmung zu bringen. Yule, Thomson, Lock, Correns, Przi-
bram, Weinberg, Pearl haben sich auf den Standpunkt gestellt,
daß dies möglich ist. Allerdings verschwindet auch dann für das Gesetz
des Ahnenerbes die Bedeutung eines biologischen Gesetzes. Das einzige,
was sich zeigen läßt, ist, daß es als statistische Konsequenz Mendel-
scher Zahlenverhältnisse aufgefaßt werden kann, wenn in einer gemisch-
ten Population, die durcheinander sich vermehrt, Durchschnittswerte
betrachtet werden. Eine solche statistische Konsequenz wirklicher
Gesetze, wie der Mendelschen, hat dann natürlich keine weitere bio-
logische Bedeutung.
Wie gesagt hat all diese scharfe Kritik erst mit dem Neuerwachen
des Mendelismus eingesetzt. Aber auch ohne seine Kenntnis läßt sich
eine kritische Betrachtung jener Gesetzmäßigkeiten durchführen, wenn
wir ihre wichtigste Folgerung, ihre Anwendung auf die Zuchtwahl, ins
Auge fassen. Wir werden dabei eines der interessantesten Resultate
der neueren Vererbungswissenschaft kennen lernen.
Sechste Vorlesung.
Statistische und biologische Gesetze. Johannsens Prinzip der
reinen Linien. Die Selektion.
Es ist klar, daß den von Galton beschriebenen Gesetzmäßigkeiten
die größte Bedeutung zukommen muß; denn falls sie wirklich solche
sind, wäre damit die Frage der Erblichkeit auf die denkbar beste Grund-
— 115
läge gestellt, auf die sichere Basis eines Zahlengesetzes. Die Genetik
wäre, wie Pearson sagt, zu einer exakten Wissenschaft aufgerückt.
Und andererseits wäre damit auch die neuschaffende Wirkung der Zucht-
wahl im Darwinschen Sinne erwiesen. Die Ausgangsgeneration zeigte
ja ihre typische Variationskurve, d. h. die ideale Form der betreffenden
Organismen in der betrachteten Eigenschaft, z. B. Körperlänge, war,
wie immer, nicht rein verwirklicht, sondern es gruppierten sich um den
idealen Typus, d. h. den Mittelwert, die mehr oder minder zahlreichen
Abweichungen in binomialer Verteilung. Wenn nun bei Auswahl eines
Plus- oder Minusabweichers dessen vom Typus abweichender Charakter
vererbt wird (oder zum Teil nach Maßgabe der Erbzahl vererbt wird),
so wird damit der Typus nach der betreffenden Seite der Kurve ver-
schoben. Gleiche äußere Bedingungen vorausgesetzt, muß nun auch
in dieser Nachkommenserie die gleiche Variabilität auftreten d. h. um
den neuen durch Selektion erhaltenen Typus werden sich die Abweichun-
gen wiederum binomial gruppieren. Pearson berechnet statistisch in
der Tat nur eine maximal sehr geringe Verminderung der Variabilität.
Auf die Kurve bezogen besagt das, daß durch einen solchen erfolgreichen
Selektionsschritt die ganze Kurve nach der Seite der Auswahl, also z. B.
nach der Plusseite verschoben wird. Ein weiterer Selektionsschritt
würde natürlich den gleichen Erfolg haben, und so könnte es durch in
mehreren Generationen fortgesetzte Selektion geschehen, daß der Typus
über die Grenze der Variabilität der Ausgangsgeneration hinausgeschoben
wird oder mit anderen Worten, daß die Zuchtwahl einen neuen Typus
geschaffen hat. Umstehendes Schema, Fig. 48, veranschaulicht uns,
im Anschluß an Lang, wie in einem solchen Fall die Selektion kurven-
verschiebend wirken würde. Die Kurve der Ausgangsgeneration hat
den Typus A ; es wird ein Plusabweicher an der mit * bezeichneten Stelle
der Variationsreihe ausgewählt und dadurch in der nächsten Generation
unter y3 Rückschlag in der Richtung des Pfeiles der Typus nach A1
verschoben. In der Population dieser Generation wird die gleiche Aus-
wahl getroffen und die Verschiebung geht nach A 2 ; noch ist diese Kurve
mit der der Ausgangsgeneration so transgressiv, daß ihr Typus noch
im Bereich von deren extremen Plusab weichern liegt. Aber bereits
beim 3. Selektionsschritt ist der Typus A3 über die Variabilitätsgrenze
— 116 —
von A hinausgeschoben. Und Pearson berechnet für einen konkreten
Fall, daß durch intensive Zuchtwahl in nur 6 Generationen Engländer
von 6 Fuß erblicher Größe gezüchtet werden könnten. Die Zuchtwahl
vermöchte so in der Tat zu erreichen, was Darwin von ihr verlangt,
eine allmähliche Überführung einer Form in eine andere.
Es wurde nun soeben bemerkt, daß die Voraussetzung dafür, daß
die Nachkommenkurve der Kurve der Eltern analog ist, die Konstanz
der äußeren Bedingungen ist, deren Einwirkung auf die Variabilität uns
AI
A2
A3
Fig. 4S.
Schematische Darstellung der typenverschiebenden Wirkung dreier Selektionsschritte
unter Berücksichtigung von Galtons Rückschlag. * die Stellen der Kurven A, Ay, A»,
an denen die Auswahl erfolgte.
ja bereits bekannt ist. Schon eine Betrachtung dieser Tatsache läßt uns
einem auf rein statistischem Wege gefundenen Gesetz gegenüber etwas
vorsichtig erscheinen. Denn wie will die statistische Betrachtung diese
Voraussetzung berücksichtigen und wie will sie die durch ihr Nicht -
zutreffen bedingten Korrekturen anbringen? Galton selbst hat denn
auch diese Schwierigkeit erfahren müssen, als er den Versuch machte,
sein Gesetz auch auf experimentellem Wege zu beweisen. Er wollte
mit Hilfe verschiedener Entomologen Schmetterlinge züchten und durch
Messung ihrer Flügellänge Daten für Erblichkeitsfragen erhalten. Seine
Versuche scheiterten aber „teüs durch die störenden Einflüsse der Ver-
schiedenheit in Nahrung und Lebenslage auf verschiedene Zuchten, an
— 117
verschiedenen Orten und Jahren. Es konnten so daraus keinerlei stati-
stische Resultate von einiger Klarheit und Bedeutung ermittelt werden."
(Man vergleiche dazu unsere oben gegebenen Daten für die Flügellänge
der Nonne.)
Die Bedeutung solcher Skepsis wird uns nun sogleich klar werden,
wenn wir betrachten, wie die Wirkung der Selektion durch die Wirkung
von die Variabilität beeinflussenden Lebenslagefaktoren beeinflußt wird.
De Vries hat an verschiedenartigen Pflanzen den Einfluß eines Zu-
sammenwirkens zwischen Selektion und die Variabilität beeinflussenden
Lebenslagefaktoren wie besonders guter Ernährung untersucht. Es
hat sich dabei gezeigt, daß reiche Ernährung einen viel bedeutenderen
Einfluß ausübt als die Zuchtwahl. Wurde gute Ernährung verbunden
mit Selektion der Minusabweicher, so wurde trotzdem eine starke Kurven-
verschiebung nach der Plusseite erzielt. Wurden Plusabweicher aus-
gewählt und mit reicher Ernährung kultiviert, so war die Verschiebung
nach der Plusseite kaum größer. Die allergrößte Verschiebung aber
konnte rein durch Ernährung ohne Zuchtwahl erzielt werden. Um-
stehende Fig. 49 gibt die graphische Darstellung eines solchen Versuchs,
und zwar stellt A die Ausgangskurve dar, B die Kurve, die bei Minus-
selektion mit reicher Ernährung resultierte, C das gleiche bei Plus-
selektion und starker Ernährung und D die Variationskurve bei alleiniger
Wirkung sehr reicher Ernährung. Die Kurven beziehen sich auf die
Variabilität der Fruchtlänge von Oenothera. Sie zeigen im Zusam-
menhang mit den Angaben des berühmten Botanikers, daß reiche
Lebenslage in gleichem Sinne wirkt wie Plus-Selektion, und daß, bei
Konkurrenz beider, erstere einmal einwirkend1 einen größeren Erfolg
erzielen kann als dreimalige Auslese extremer Plusvarianten. Nicht
immer muß allerdings die Ernährungswirkung der der Auslese über-
legen sein, es kann auch der umgekehrte Erfolg eintreten, und zwar ist
das Resultat nach Einzelversuchen und Pflanzenarten wechselnd.
1 Es sei hier nebenher bemerkt, daß de Vries die größte Verschiebung der
Variabilität bei Einwirkung reicher Lebenslage erhielt, wenn er nicht die Tochter-
pflanzen reich düngte, sondern bereits die Mutterpflanzen, ein für die Züchtung sehr
wichtiges Prinzip. Seine theoretische Bedeutung erhellt aus den Ausführungen über
Praeinduktion in der 3. Vorlesung.
— 118 —
Berücksichtigt man nun diese Tatsache, so ergibt sich daraus, daß
man den Resultaten von Selektionsexperimenten auf dem Papier, wie
es derartige statistische Betrachtungen, von denen wir ausgingen, sind,
sehr vorsichtig gegenübertreten muß. Denn wenn etwa die Lebenslage
des für die Statistik verwandten Individuengemenges nicht näher be-
kannt ist, so kann in einem solchen biologisch unanalysierten Material
ein ganz verkehrtes Resultat zum Vorschein kommen; es kann z. B. eine
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215 235
HS 5 27.5
23.5
37.:
35.5 37 5 39.5 fi 5 t3..
Fig. 49.
Kurven der Variabilität der Fruchtlänge von Oenothera bei Kombination von Er-
nährung und Zuchtwahl. A Ausgangskurve, B Versuch mit Minusselektion und reicher
Ernährung, C Flusselektion und reiche Ernährung, D nur starke Ernährung. Nach
de Vries.
Wirkung reicher Lebenslage der Selektion gutgeschrieben werden, um-
gekehrt aber auch ein Fehlen einer Selektionswirkung gefunden werden,
wo sie nur durch entgegengesetzt wirkende Lebenslagefaktoren kompensiert
wird. Der Ausgleich, den die statistische Betrachtung bei großen Zahlen
dadurch erhalten kann, daß alle Lebenslagen nach Wahrscheinlichkeits-
gesetzen vorliegen müssen, ist selbst bei vorsichtigster Statistik wohl
nicht genügend, jene Fehlerquellen auszuschalten.
Sehen wir aber von diesen Schwierigkeiten ab, so steckt in der Methode
Galtons und seiner Nachfolger trotz der Genialität ihrer Begründung
— 119
und Durchführung ein prinzipieller Fehler. Der Scharfsinn des däni-
schen Botanikers Johannsen hat ihn ans Licht gezogen und in treff-
lichen Gedanken- wie biologischen Experimenten erwiesen. Vertrauen
wir uns im folgenden seiner geistreichen Führung an.
Wir haben oben an Hand jener schematischen Kurve, Fig. 48, ge-
sehen, daß eine erfolgreiche Selektion darin besteht, daß die Variations-
kurve als Ganzes nach der einen Seite verschoben wird. Der Typus
der gewählten Eigenschaft des betreffenden Organismus, ausgedrückt
durch den Mittelwert bei guter binomialer Verteilung, wird an eine
andere Stelle verrückt. Es wird dabei als ganz selbstverständlich an-
genommen, daß das untersuchte Material von einheitlichem Typus ist,
denn die binomiale Verteilung der Variabilität tritt ja bei ganz einheit-
lichem Material, z. B. den Nachkommen eines Elternpaares gleicher Art
oder Rasse auf. Was heißt das nun, der Typus ist einheitlich? Wenn
wir von der ungeschlechtlichen Vermehrung absehen, so entsteht ein
jeder Organismus aus den Geschlechtszellen. In diesen muß natürlich
die Fähigkeit vorhanden sein, alle die Eigenschaften, aus denen ein
Körper zusammengesetzt ist, wie Haarfarbe, Längenmaße, psychische
Fähigkeiten zu reproduzieren. Wir haben schon oben gesehen, daß
man diese Eigenschaftsträger vielfach in den Chromosomen des Zell-
kerns erblickt. Sehen wir von dieser speziellen Vorstellungsweise, die
uns hier nur den abstrakten Begriff etwas näher führen soll, ab und sagen
wir uns, daß wir über das Wesen und die Beschaffenheit, ja sogar über
die materielle Natur jener Eigenschaftsträger uns nicht die geringste
konkrete Vorstellung bilden wollen, so können wir sie mit Darwin
Pangene, mit Weis mann Determinanten oder losgelöst auch von den
Gebäuden der Vererbungstheorien mit Johannsen als Gene bezeich-
nen. In einem jeden Individuum sind also die Eigenschaften vorhanden,
für welche die Geschlechtszellen seiner Erzeuger die Gene enthielten.
Es ist klar, daß dann für die Erblichkeitslehre alle die Individuen
identisch sind, welche dieselben Gene mitbekommen haben. Ob sie dabei
auch äußerlich gleich sind, ist gleichgültig. In der Regel werden sie es
natürlich nicht sein, da sie ja unter dem Einfluß der Außenfaktoren der
fluktuierenden Variabüität und funktionellen Anpassung, kurz allen
Modifikationen unterworfen sind, die die ererbte Reaktionsnorm ge-
— 120 —
stattet. Der Typus einer Individuengruppe im Sinne der Vererbungs-
lehre ist also dann ein einheitlicher, wenn er trotz aller äußeren Ver-
schiedenheiten auch in seinen sämtlichen Abweichern auf der gleichen
Unterlage identischer Gene beruht. Johannsen nennt ihn dann
Genotypus und seine sämtlichen Glieder sind genotypisch ein-
heitlich, sie haben in der betreffenden Eigenschaft identische Erb-
träger und können selbst somit auch nur identische Eigenschaften
weiter vererben. Es ist klar, daß der Genotypus in diesem Sinne auch
nichts anderes ist als die ererbte Reaktionsnorm der sämtlichen betrach-
teten Eigenschaften.
Die zu entscheidende Frage ist nun: Stellen die Individuen einer
einheitlich erscheinenden Art oder Rasse, in ihrer Gesamtheit eine
Population genannt, auch einen genotypisch einheitlichen Bestand
dar, oder, wie man eine Gruppe genotypisch identischer Individuen auch
nennt, einen Biotypus? Ist das der Fall, so könnte auch auf sta-
tistischem Wege, bei Einhaltung aller nötigen Vorsicht, z. B. Beachtung
der Lebenslage, über den Erfolg einer Selektion entschieden werden.
Wie aber, wenn das, was uns als einheitlicher Typus erscheint, gar nicht
ein solcher ist, wenn er nur ein Scheintypus, ein Phänotypus ist,
hinter dem sich ein Gemenge unbekannter und untereinander geno-
typisch differenter Biotypen verbergen kann? Ist das der Fall, dann
besagt das Ergebnis einer Statistik, ja sogar, wie sich zeigen wird, eines
Experiments, nichts über eine stattgehabte Typenverschiebung, denn
was mit der Reihe der unbekannten, hinter dem Phänotypus mög-
licherweise verborgenen Biotypen geschehen ist, wissen wir ja nicht.
Die Vorbedingung eines Vererbungsversuches ist also zu wissen, ob die
benutzte Population genotypisch einheitlich ist, oder ob sie ein Typen-
gemenge darstellt.
In jenen statistischen Gedankenexperimenten war nun von einer
Population ausgegangen worden, die einen Typus mit schöner binomialer
Verteilung der Varianten erkennen ließ. Es ist nun die Frage, ob
eine Berechtigung vorliegt, aus der Regelmäßigkeit der Variationskurve
auf Einheitlichkeit des Typus zu schließen. Es ist ein Vergnügen, zu
verfolgen, wie Johannsen an Galtons eigenen Zahlen den Beweis
des Gegenteils erbringt. Galton hatte, wie wir gesehen haben, sein
— 121 —
Regressionsgesetz u. a. aus einem Vergleich der Körperlänge der Kinder
einer Menschenpopulation mit der mittleren Größe der Eltern berechnet.
Johannsen teilt nun einmal in Galtons Material die Eltern in drei
Gruppen, in mittelgroße zwischen 67 und 70 Zoll, in kleine unter 67 und
in große über 70 Zoll und stellt dann die Nachkommen dieser Eltern in
Variationsreihen zusammen. Es ergibt sich dabei für die Nachkommen
der mittelgroßen Eltern folgende Reihe:
Klassengrenzen: 59,7 61,7 63,7 65,7 67,7 69.7 71,7 73,7 75,7
Anzahl Individuen: 1 16 76 174 201 114 26 5
Die Nachkommen der kleinen Eltern ergeben:
Klassengrenzen: 59.7 61,7 63.7 65,7 67,7 69,7 71,7 73,7
Anzahl Individuen: 3 22 29 70 45 11 I
Und schließlich die Nachkommen der großen Eltern:
Klassengrenzen: 60,7 62,7 64,7 66,7 68.7 70,7 72,7 74,7
Anzahl Individuen: 1 1 6 23 50 34 19
Nun ergeben diese Reihen folgende Mittelwerte:
Nach Plusabweichern = 70,15
Nach Mittelmaßeltern = 68,06
Nach Minusabweichern= 66,57
Setzt man dies Resultat nun in Beziehung zur Selektion, so bedeutet
das, daß aus den größten Eltern durch Zuchtwahl ein Nachkommen-
typus von besonderer Größe, aus kleinsten ein solcher von besonderer
Kleinheit gezüchtet wurde, während die Nachkommen der Mittelmaß-
eltern auch auf mittlerer Größe blieben. Die Zuchtwahl hätte also
drei differente Typen geschaffen, den Typus in der Selektionsrichtung
verschoben. Nun vereinigen wir aber einmal durch Addition die Zahlen
für die drei Typen, so erhalten wir für das Gesamtmaterial der Nach-
kommen die Reihe:
Klassengrenzen: 59,7 61,7 63,7 65,7 67,7 69,7 71,7 73,7 75,7
Individuenzahl: 5 39 107 255 287 163 58 14
Das ist nun wieder eine binomiale Reihe, ebenso wie bei den einzelnen
Typen, ihr Mittelwert ist 68,09 ur,d wir würden, wenn wir sie allein
vor uns hätten, sagen, daß diese Population einen Typus der Länge
von 68,09 repräsentiert. Und doch wissen wir, daß in der Reihe jene
— 122 —
drei Typen enthalten sind und daraus folgt, daß man der Reihe eben
von außen nichts darüber ansehen kann, ob sie einheitlich ist oder nicht.
Was für diese Reihe gilt, gilt natürlich ebenso auch für die Ausgangs-
reihe der Selektionsstatistik, ebenso wie für jede der drei willkürlich
gebildeten Selektionsreihen. Es ist uns unbekannt, ob sie genotypisch
einheitlich war, oder ob sie einen Phänotypus repräsentierte, innerhalb
dessen ein Gemenge einer unbekannten Zahl von Biotypen enthalten
war. Der statistische Versuch, Erblichkeitsgesetze zu finden, arbeitet
also mit nicht analysierten Phänotypen. Ehe seine Resultate als er-
folgreich hingenommen werden können, müssen die gleichen Versuche
der Selektion zuerst an genotypisch einheitlichen Beständen durch-
geführt werden. Dies aber ist der prinzipielle Fehler, den Johannsen
der statistischen Erforschung der Erblichkeitsgesetze nachwies. Und
nun tat er auch den folgenden Schritt : die Analyse der Population durch
das Vererbungsexperiment und die Anwendung der Selektion auf das
analysierte Material. Seine im Jahre 1903 erschienenen Untersuchungen
über die Erblichkeit in Populationen und in reinen Linien bedeuten
einen der großen Marksteine der Erblichkeitsforschung.
Johannsen ging bei seinen an Bohnen, Erbsen und Gerste aus-
geführten Versuchen von der Voraussetzung der Richtigkeit der Galton-
schen Gesetze aus. Die betrachteten Eigenschaften waren die Länge
der Bohnen, ihre Form, ausgedrückt im Verhältnis von Länge zu Breite,
und die Schartigkeit der Gerste, eine Abnormität, bei der in der Reihe
der Fruchtknoten Lücken sind. So säte er Bohnen von bekannter Größe
aus und ordnete sie nach Gewichtsklassen von 10 Zentigramm mit einem
Spielraum von 25 — 85 Zentigramm. Sodann wurden die Nachkommen
dieser Mutterbohnen gewogen und ihr Gewicht in Beziehung gesetzt
zu dem jener. Es ergab sich dabei:
Gewicht der Mutterbohnen: 30 40 50 60 70 80
Mittleres Gewicht der Nachkommen: 37,1 38,8 40,0 43,4 44,6 45,7
Daraus berechnet sich nach Art des oben durchgeführten Galton-
schen Beispiels eine Erblichkeitszahl von y4. Es war also eine Re-
gression im Galtonschen Sinn um 3/4 eingetreten. Es war aber bei
diesem Versuch das Material der sämtlichen Pflanzen einzeln behandelt
worden und dabei fiel auf, daß aus gleich großen Mutterbohnen Nach-
— 123 —
kommen der verschiedensten Größe hervorgingen. Betrachtete man
z. B. die Nachkommen aus den größten, 80 Zentigramm schweren Mutter-
bohnen, so schwankten sie zwischen 35 und 60 Zentigramm. Das Ge-
samtmaterial aus den Nachkommen aller dieser schweren Bohnen ergab
die folgende Variationsreihe:
Klassen in Ztgr.: 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80
Anzahl Bohnen: 5 iS 46 144 127 70 70 63 2S 15 4
Die Reihe ist nun auffallend unsymmetrisch, was in Johannsen
den Verdacht erweckte, das ihr zugrunde liegende Material möchte
nicht einheitlich sein. Und das führte dazu, als Ausgangsmaterial geno-
typisch einheitliche Bestände zu benutzen, um zu prüfen, ob in ihnen
die Selektion den gleichen Erfolg habe. Ein solches Material ist aber
in dem gegeben, was Johannsen reine Linien nennt. Schon der
berühmte Rübenzüchter Vilmorin hatte in vordarwinscher Zeit ge-
funden, daß Zuckerrüben von gleichem Zuckergehalt verschieden-
wertige Nachkommen ergeben, daß also äußere Gleichheit nicht auch
Gleichheit der Erblichkeit, genotypische Gleichheit bedeutet. Er be-
urteilte deshalb die Nachkommenschaft jeder Pflanze einzeln und konnte
so wirklich gutes Material zur Nachzucht sich aufziehen. Dieses Prinzip
der individuellen Nachkommenbeurteilung, wie es Johannsen treffend
bezeichnet, wandte er nun auch für seine Objekte an. Die benutzten
Pflanzen waren ausschließlich Selbstbefruchter, und das gab natürlich
die Möglichkeit, von einem ideal einheitlichen Material auszugehen, das
durch Kreuzbefruchtung ja gemischt werden könnte. Er nennt nun
den Inbegriff aller Individuen, welche von einem einzigen
absolut selbstbefruchtenden Individuum abstammen, eine
reine Linie, im Gegensatz zu der Population, die ein Gemenge von
Individuen ohne feststehende genotypische Gleichheit darstellt. Eine
solche reine Linie ist natürlich genotypisch einheitlich, und auf sie
müssen die Selektionsversuche angewandt werden. Aus dem Bohnen-
material konnten nun durch getrennten Anbau nach dem Samengewicht
betrachtet 19 reine Linien isoliert werden, von denen also eine jede sich
typisch durch ihr mittleres Gewicht von der anderen unterschied und
diesen Unterschied in allen Generationen beibehielt. Wurde nun aber
innerhalb einer reinen Linie Selektion geübt, indem — die reine Linie
— 124 —
hat natürlich ebenso ihre Variationsreihe wie die Population — die
extremen Plus- oder Minusabweicher zur Nachzucht ausgewählt wurden,
so war das völlig erfolglos: in der folgenden Generation war wieder der
Mittelwert der vorhergehenden vorhanden, gleichgültig von welchem
Punkt der Variationsreihe die Ausgewählten stammten. Mit den Aus-
drücken Galt on s war also die Erblichkeitszahl = o, der Rückschlag,
die Regression = i, d. h. vollständig, die Selektion blieb ohnmächtig.
Die folgende Tabelle Johannsens illustriert dies Resultat. Sie gibt
Linie
20
Gewicht der Mutterbohnen
30 40 50
60
70
I
63,1
64,9
II
57,2
54,9
56,5
55,5
III
56,4
56,6
54,4
IV
54,2
53,6
56,6
v
52,S
49,2
50.2
VI
53,5
5o,8
52,5
VII
45.9
49,5
48,2
VIII
49,o
49,i
47,5
IX
48,5
47,9
X
42,1
46,7
46,9
XI
45,2
45,4
46,2
XII
49,6
45, 1
44.°
XIII
47,5
45,o
45,i
45,8
XIV
a r* a
y-
42,8
45,4
4°, 9
XV
46,9
44,6
45,o
XVI
45,9
44,i
41,0
XVII
44,0
42,4
XVIII
41,0
40,7
40,8
XIX
35,8
34,8
für jede der 19 Linien die mittleren Gewichte der Nachkommen an, die
bei Auswahl von Mutterbohnen der verschiedensten Gewichte zwischen
20 und 70 Zentigramm erzielt wurden. Betrachten wir darin z. B. die
Linie XIII, so ergeben die ausgewählten Muttersamen von 30 Zentigramm
Nachkommen von 47,5 im Mittel, die Muttersamen von 40 Zentigramm
solche von 45,0, Muttersamen von 50 solche von 45,1 und Muttersamen
von 60 solche von 45,8, d. h. der Typus der reinen Linie blieb konstant,
ja eher wurde noch gerade das Gegenteil einer Selektion erzielt, indem
die Ideinsten Mutterbohnen die größten Nachkommen gaben.
— 125 —
Die besprochenen Resultate beziehen sich nun zunächst nur auf
den einmaligen Versuch; völlig beweisend können sie erst dann sein,
wenn sie sich auch bei in mehreren Generationen fortgesetzter Selektion
bewähren. Und das ist in der Tat der Fall. Johannsen führte die Ver-
suche so aus, daß er innerhalb einer reinen Linie wieder aus den Nach-
kommen der kleinsten Mutterbohnen die kleinsten und aus denen der
größten Mutterbohnen die größten, also die extremen Minus- und Plus-
abweicher auswählte und anbaute. In der Linie XVIII wurden also
z. B. aus den Nachkommen der kleinsten Mutterbohnen vom Gewicht 20,
die ein mittleres Gewicht von 41,0 zeigten, wieder die kleinsten der
Variationsreihe ausgewählt, die nur zwischen 10 und 20 Zentigramm
wogen, und diese ergaben die Minusreihe. Aus den Nachkommen der
größten Mutterbohnen von 40 g mit dem Mittelwert 40,8 wurden dagegen
die größten Individuen der Variationsreihe, nämlich zwischen 60 und
70 g, genommen und als die Plusselektionsreihe angebaut. In allen
folgenden Jahren wurden dann immer wieder die kleinsten der Minus-
reihe und die größten der Plusreihe ausgewählt. Das Resultat für die
Linie I zeigt die folgende Tabelle:
Mittleres Gewicht der
Mittleres Gewicht der
Ernte-
Muttersamen der Selek-
Nachkommensamen der
3 — (c
jahr
tionsreihe
b — a
Selektionsreihe
±m
a Minus
b Plus
(c Minus ß Plus
1902
60
70
10
63,15
64,85
+ 1,70+ 1,27
1903
55
So
25
75,19
7°,S8
-4.31 d= 1.35
1904
5°
S7
37
54.59
56,68
+ 2,09 + 0,57
1905
43
73
40
63.55
63.64
+ 0,09 ±0,69
1906
46
84
33
74,33
73,00
— 1,38 ± 1,08
1907
56
Si
25
69,07
67,66
— 1,41 ± 1,09
Daß auch hier fortgesetzte Selektion keinen Erfolg erzielt hatte, daß
die Regression immer eine vollständige war, geht besonders klar aus der
Betrachtung der Differenzzahlen hervor. 1905 z. B. war die Differenz
der Minus- und Plusreihe bei den Mutterbohnen 40, bei der Nachkom-
menschaft aber +0,09 ± 0,69*, d. h. nahezu gleich Null, ja im Falle von
0,69 ist hier der mittlere Fehler der Berechnungen, der in dieser Tabelle der
Exaktheit halber mit aufgeführt sei.
126
1903 sogar — 4,31, d. h. die Se-
lektion hatte eher den entgegen-
gesetzten Erfolg erzielt.
Bei Betrachtung dieser Zahlen
fällt nun auf, daß in den ein-
zelnen Jahren des Versuchs der
Mittelwert ziemlichen Schwan-
kungen unterworfen ist. Ihre
Ursache ist nach dem, was wir
früher gehört haben, ohne wei-
teres klar, es ist der Einfluß der
in verschiedenen Jahren wech-
selnden Lebenslage, der natür-
lich auf reine Linien ebenso ein-
wirkt, wie auf andere Variations-
reihen. Man könnte nun viel-
leicht auf die Idee kommen, daß
diese verschiedene Lebenslage
für das Resultat der Versuche
eine Bedeutung haben könne,
denn wir haben ja oben gehört,
daß in Populationen die Lebens-
lagewirkung die der Selektion
übertreffen kann . Daß ein solcher
Einwand aber unberechtigt ist
geht daraus hervor, daß das
Resultat sowohl bei Minus- und
Plusabweichern als auch in sämt-
lichen 19 Linien das gleiche war.
Es blieb auch das gleiche bei
Berücksichtigung anderer Eigen-
schaften und anderer Objekte,
und das Resultat ist als fest-
ig- 5°- stehend zu erachten, daß inner-
Illustration des Verhältnisses der reinen Linien . . . . .
zur Population. Erklärung im Text. Nach halb einer remen Linie die be-
Tohannsen.
— 127 —
lektion wirkungslos ist, daß sie nicht imstande ist, eine genotypische
Änderung hervorzubringen.
In instruktiver Weise geht das vorerkannte Verhältnis der reinen
Linien zu einer aus vielen Linien zusammengesetzten Population aus
nebenstehender Fig. 50 hervor, in der die gleiche anschauliche Form der
Variabilitätsdarstellung gewählt ist wie oben in Fig. 18, also durch
Einfüllung der Größenklassen der Bohnen in nebeneinandergestellte
Röhrchen (Treppenkurve). Es ist so die Variabilität von fünf reinen
Linien A — E dargestellt, wobei die Klassen gleicher Größe senkrecht
untereinander stehen. Unten aber (A — E) ist die Kurve wiedergegeben,
die erhalten würde, wenn man die sämtlichen Linien zu einer Population
zusammenschüttete. Dieser kann man nun auf keine andere Weise als im
Vererbungsexperiment nachweisen, daß sie genotypisch nicht einheitlich ist.
Wie erklären sich nun auf Grund dieser Forschungen die Resultate
Galtons, wie erklärt es sich, daß die Züchter von jeher durch Selektion
die gewünschten Veränderungen an Tieren und Pflanzen zu erreichen
suchen und oft auch tatsächlich erreichen? Es geht eigentlich schon
ohne weiteres aus dem Verständnis des Gesagten hervor. Es wird uns
noch leichter klar werden, wenn wir einen Blick auf das instruktive
Schema werfen, an dem Lang das Verhältnis von Phänotypus zu
Genotypus erläutert (Fig. 51), richtiger gesagt von Population zu Bio-
typus. Die große Kurve stellt die Variationskurve dar, die eine Popu-
lation ergibt, es ist die Kurve des Phänotypus. In der Population sind
nun zahlreiche Biotypen enthalten, die hier in der Zahl der Buchstaben
des Alphabets angenommen sind und mit A — Z bezeichnet wurden.
Ein jeder Biotypus hat seine eigene Variationskurve, die hier als viel
kleiner als die der Population angenommen ist. (Weü nur ein Bruchteil
der in der Population vereinigten Typen hier vorliegt. Daß sie zum
Teil umgekehrt stehen, ist natürlich nur im Interesse der Zeichnung ge-
schehen.) Es finden sich also Biotypen vor auf der Minusseite der
Population (hell), mittlere, wie solche auf der Plusseite (dunkel). Die
Population erscheint uns aber als eine Einheit, weil die einzelnen Kurven
der Biotypen übereinandergreifen, transgressiv sind, und so scheinbar
in eins zusammenfließen. Würde man nun in einer solchen Population,
die trotz einheitlichem Phänotypus genotypisch nicht einheitlich ist,
— 128 —
zu einem Selektionsversuch Plusabweicher der Maßeinheit 90 auswählen,
so hätten wir Individuen gefaßt, die den Linien W, X, Y, Z angehören.
Die Nachkommenschaft kann sich also, gleiche Lebenslage vorausgesetzt,
nur an dem Kurvenbezirk befinden, in dem diese vier Linien liegen.
Würden sie mit ihrer Minusseite mehr nach links reichen, als es in dem
Schema der Fall ist, so würde sich aus dem dann mehr nach links liegen-
den Mittel der fünf Linien eine Galtonsche Regression ergeben. Es
bestände also in diesem Falle die erfolgreiche Selektion darin, daß eine
Reihe von Bio typen der Plusseite der Population ausgewählt wurde.
m
Fig. 51.
Schematische Darstellung des Verhältnisses von Phänotypus zu Genotypus, von Popu-
lation zu Biotypen bzw. reiner Linie. Nach Lang.
Es läßt sich nun sehr gut denken, daß bei weiteren Selektionsschritten
in diesem Material schließlich die Linie Z allein ausgewählt wird, und
dann würde man sagen, die Zuchtwahl hat den Typus nach der äußersten
Plusseite verschoben. In Wirklichkeit hat sie aber nur den äußersten
konstanten Typus dieser Seite isoliert. Von jetzt ab wäre aber jede
Selektion unmöglich, denn es liegt ein genotypisch einheitlicher Bio-
typus vor, in dem sie wirkungslos ist.
Die bedeutungsvollen Untersuchungen Johannsens ergeben also,
mit seinen eigenen Worten, ,,zu gleicher Zeit eine volle Bestätigung
und eine gänzliche Auflösung des bekannten Rückschlagsgesetzes
- 129 -
Galtons, was das Verhältnis zwischen Eltern und Nachkommen be-
trifft . . . Eine Selektion in der Population bewirkt also größere oder
kleinere Verschiebung — in der Richtung der Selektion — desjenigen
durchschnittlichen Charakters, um welchen die betreffenden Individuen
fluktuierend variieren. Indem ich aber nicht dabei stehen blieb, die
Populationen als Einheiten zu betrachten, sondern mein Material in
seine reinen Linien auflösen konnte, hat es sich in allen Fällen gezeigt,
daß innerhalb der reinen Linien der Rückschlag sozusagen vollkommen
gewesen ist : die Selektion innerhalb der reinen Linien hat keine Typen-
verschiebung hervorgerufen . . . Bei der gewöhnlichen Selektion in
Populationen wird unrein gearbeitet; das Resultat beruht auf unvoll-
ständiger Isolation derjenigen Linien, deren Typen in der betreffenden
Richtung vom Durchschnittscharakter der Populationen abweichen."
Im Interesse der Klarheit sei an dieser Stelle nochmals eine kurze
Definition der benutzten Termini gegeben, deren scharfe Unterscheidung
Vorbedingung einer klaren Erkenntnis ist. Es stehen sich einmal
gegenüber Phänotypus und Genotypus. Phänotypus ist Konstitution
eines Organismus, so wie sie sich äußerlich, d. h, ohne Berücksichtigung
der Erbgrundlage- darstellt. Genotypus ist die innere Konstitution des
Organismus, seine erblich gegebene Genkombination oder auch Reak-
tionsnorm. Population ist ein unanalysiertes Gemenge von Individuen.
Da im Begriff der Population allerdings nicht mit enthalten ist, daß
die Individuen scheinbar der gleichen systematischen Einheit angehören,
wie es beim Gebrauch dieses Wortes hier vorausgesetzt wurde (Population
von Bohnen, Menschen), so sollte für eine phänotypisch einheitliche
Population ein besonderer Terminus benutzt werden, etwa Idotypus
oder Homoeotypus. Dem steht dann der Biotypus gegenüber als eine
Gruppe von Individuen genotypisch gleicher Beschaffenheit. Eine
reine Linie ist schließlich der Inbegriff aller ausschließlich durch Selbst-
befruchtung aus einem Ausgangsindividuum entstandenen Organismen.
Es erhebt sich nun zunächst die Frage, wieweit diese bahnbrechen-
den Ergebnisse sich durch anderweitige Erfahrungen bestätigen lassen.
Und da zeigt sich, wenn wir der Darstellung von de Vries folgen, daß
die landwirtschaftliche Praxis eigentlich schon lange vorher prinzipiell
das gleiche gefunden hatte. Der englische Getreidezüchter Le Couteur
Goldschmidt, Yererbungswisesnschaft. 2. Aufl. n
V
— 130 —
hatte schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts auf ähnliche Weise
besondere Getreidesorten erhalten. Von einem Besucher auf die Ver-
schiedenartigkeit seiner Ähren aufmerksam gemacht, hatte er einzelne
ausgesucht und getrennt angebaut und erhielt dann völlig gleichmäßige
Nachkommenschaft; er hatte also reine Linien isoliert. Zu einem ent-
sprechenden Resultate war auch der schottische Züchter Patrick Shireff
gekommen, der seine neuen Rassen so erhielt, daß er eine einzelne be-
sonders wertvolle Ähre, wie er sie ganz selten auffand, isoliert vermehrte.
Und auch in neuerer Zeit ist Hays in Amerika wieder zu genau der
gleichen Methode gelangt. Eine wirkliche praktische Bedeutung so-
wie auch wissenschaftliche Begründung erhielt das Prinzip ferner in
größerem Maßstabe durch die Svalöf er -Züchtungsmethoden, die eine
Verwertung des Prinzips der reinen Linien schon vor Johann sen be-
deuten, wenn auch ohne derartig planmäßige wissenschaftliche Begrün-
dung und Verarbeitung.
Man pflegte früher sehr oft die für den landwirtschaftlichen Anbau
bestimmten Nutzpflanzen in der Weise zu verbessern, daß man aus den
Beständen die Individuen auswählte, die die gewünschten Eigenschaften
am stärksten zeigten und sie zur Nachzucht benutzte. Man nahm also
eine ganze Anzahl von Individuen, ein Gemisch in bezug auf die gewünsch-
ten Eigenschaften, wodurch man erreichen wollte, daß auch die anderen,
nicht mit berücksichtigten Eigenschaften auf mittlerer Höhe erhalten
blieben. So wurde dann in jeder weiteren Generation verfahren. Dabei
zeigte es sich nun meistens, daß in der Weise eine beabsichtigte Aus-
geglichenheit der Züchtung nicht zu erreichen war. Die Erklärung
dieses Verhältnisses wurde nun schon durch die Untersuchung in Svalöf
in den neunziger Jahren, von N. Hj. Nilsson für Weizen und Hafer,
Tedin für Hülsenfrüchte und Bolin für Gerste, gegeben. Es wurden
aus allerlei verschiedenen alten Getreidesorten nach bestimmten Merk-
malen, wie Beschaffenheit der Ähren und Körner, möglichst viele Typen
ausgesucht, und alle gleichartigen Individuen wurden auf je einem beson-
deren kleinen Feldchen angebaut. Im folgenden Jahre waren aber auf den
einzelnen Feldchen wieder ungleichmäßige Bestände vorhanden. Nur
einige wenige machten eine Ausnahme ; sie trugen ganz gleichförmige Saat.
Es zeigte sich nun, daß man zur Aussaat auf diesen Feldchen nur die
— 131 —
Körner einer einzigen Ähre benutzt hatte, weil zufällig der Typus nur
in einer Ähre vorgelegen hatte, während sonst immer mehrere, gleich-
artig aussehende Ähren angebaut waren. Nun wurde im nächsten Jahre
eine noch größere Anzahl einzelner Pflanzen ausgewählt und isoliert
angebaut und sie ergaben in der Regel einförmige Nachkommenschaft,
und diese blieb auch in weiteren Generationen auffallend konstant und
gleichförmig in Vergleich mit den aus mehreren Ursprungspflanzen
stammenden Nachkommenschaften, wenn auch diese Konstanz in
Svalöf lange als eine nur relative aufgefaßt wurde, in dem weitere Fixie-
rung und Verbesserung der Pedigrees durch fortgesetzte Auslese ange-
strebt wurde. Das ist das Svalöf er Pedigree verfahren. Umstehende
Fig. 52 — 55 zeigt vier Svalöfer reine Linien von Hafer, die jedoch verschiede-
nen alten Sorten entstammen, die in ihrer Hauptmasse den betreffenden
Rispentypus als charakteristisches Merkmal besitzen. Es ist selbst-
verständlich, daß diese Ausgeglichenheit einer Linie schon nach nur
einmal wiederholter Auslese nur bei Pflanzenarten zum Ausdruck
kommt, wo Selbstbestäubung normal ist oder überwiegt, wie bei Weizen,
Hafer, Gerste usw. und wo die Linien deshalb überwiegend homozygo-
tische Kombinationen bezeichnen (vgl. unten).
Diesen bedeutsamen Erfolgen der Botaniker — und die Ergebnisse
Johannsens sind seitdem auch an anderen Objekten bestätigt worden
(East, Fruwirth u. a.) — stehen nun auf zoologischem Gebiet noch
nicht gleichwertige Resultate gegenüber. Immerhin läßt sich bereits
erkennen, daß die gleichen Gesetzmäßigkeiten jedenfalls auch für das
Tierreich Geltung haben1. Ob sie sich an einem so einwandfreien Ma-
terial, wie es Johannsen s reine Linien sind, jemals im Tierreich werden
bestätigen lassen, ist allerdings fraglich. Denn reine Selbstbefruchter
sind äußerst selten oder, da wo sie vorhanden sind, z. B. bei den Band-
würmern, dem Experiment nicht zugänglich. (Neuerlich ist auch im
Tierreich ein solches Objekt erschlossen worden.) Einen Ersatz dafür
könnten Formen mit ausschließlich parthenogenetischer Fortpflanzung
1 Es ist von besonderem Interesse, daß die praktische Tierzucht schon lange im
Prinzip das gleiche kennt, wie die Svalöfer einmalige Auswahl, natürlich kompliziert
durch die zweigeschlechtige Fortpflanzung. Wir werden davon später bei der Be-
trachtung des Begriffes der Individualpotenz näheres hören.
9*
132
Fig. 52 — 55. Vier reine Linien vom Hafer aus Svalöf. Nach de "\ rieb.
— 133 —
liefern, oder, wenn man auch die ungeschlechtliche Fortpflanzungsweise
benutzen will, was nicht absolut einwandfrei ist, auch Formen, die sich
ausschließlich ihrer bedienen. Die Objekte nun, bei denen man bisher
entsprechend erfolgreiche Studien anstellen konnte, fallen, wenn man
den exaktesten Maßstab anlegt, nicht völlig unter den Begriff der reinen
Linien. Es sind Tiere, wie die Daphniden, bei denen eine Zeitlang rein
parthenogenetische Fortpflanzung vorherrscht, um in einem bestimmten
Moment mit einer zweigeschlechtigen Generation abzuwechsein.
Wenn man also von einem einzigen befruchteten Y\ eibchen ausgeht und
seine sämtlichen zunächst parthenogenetischen Generationen betrachtet,
so hat man ja etwas ähnliches wie eine reine Linie, aber nicht genau
das gleiche, da der Vater der Ausgangsgeneration ja nicht notwendig
des gleichen Stammes wie die Mutter sein muß, wie es bei einem typi-
schen Selbstbefruchter der Fall ist. (Er könnte nämlich, was uns später
verständlich werden wird, ein Mutant sein.) Und auch die Mutter
selbst könnte genotypisch nicht einheitlich sein (nämlich heterozygot,
was wir erst später verstehen werden). Wir werden sogleich sehen, daß
wahrscheinlich trotz dieses Mangels nichts anderes vorliegt als in den
reinen Linien, aber selbstverständlich ist es nicht. Das andere Objekt
sind Tiere, die Infusorien, die sich dauernd, viele Generationen hindurch,
durch Zweiteilung, also ungeschlechtlich fortpflanzen, bis dann einmal
ein Geschlechtsakt eintritt. (Analog wäre im Pflanzenreich eine Fort-
pflanzung durch Stecklinge oder Knollen usw.) Die aus einem Aus-
gangsindividuum gezüchtete Nachkommenschaft stellt also eine Art
reine Linie dar, aber nur mit der gleichen Reservation wie im vorigen
Fall1. Shull hat deshalb auch für solche nicht ganz richtige reinen
Linien den besonderen Namen Klone vorgeschlagen. Die an solchen
Objekten gewonnenen Erfahrungen stehen daher für den besonders
vorsichtigen Forscher hinter jenen botanischen an Beweiskraft ein
wenig zurück.
Was nun die sogenannten reinen Linien der Daphniden betrifft, so
sollen sie sich also auch durch kleine, aber erblich konstante Eigen-
1 Die für das Prinzip der reinen Linien angewandten Studien H an eis an Hydren
können nach der Nachuntersuchung durch Haase zunächst nicht mehr als beweis-
kräftig betrachtet werden.
— 134 —
Schäften unterscheiden und Woltereck, der sie experimentell studierte,
gibt an, daß innerhalb der Linien Selektion sich als wirkungslos erwies.
Fig. 56.
Konjuganten von Paramaecium aus 5 verschiedenen reinen Linien. Nach Jennings
und Hargitt.
Da aber noch keine näheren Mitteilungen vorliegen, besonders keine
genauen Zahlen, so wollen wir uns auch bei diesem Fall nicht weiter
aufhalten, sondern uns gleich den Jenningsschen Versuchen mit dem
Fig. 57-
Extrem große (a) und extrem kleine (b) Variante aus einer großen und einer kleinen
Linie von Paramaecium. Nach Jennings.
Infusor Paramaecium zuwenden. Von den Variabilitätsverhältnissen
dieser Tiere haben wir ja schon mehrfach gehört und sind daher mit
dem Versuchsmaterial bereits bekannt. Es wurden also aus einer Popu-
— 135 —
lation einzelne in ihrer Länge verschiedene Individuen herausgegriffen
und von jedem die Nachkommenschaft isoliert gezüchtet. Dabei konnten
eine Reihe von Kulturen erzielt werden, in denen der Mittelwert typisch
verschieden blieb im Lauf zahlreicher Generationen, so daß im ganzen
acht derartige reine Linien gezüchtet wurden. Wurden sie alle unter
annähernd den gleichen Bedingungen gezüchtet, so blieb auch bei allen
der Mittelwert konstant. Wurden die Kulturen reiner Linien geteilt,
so blieben die verschiedenen Tochterkulturen identisch. Traten in
verschiedenen Linien ähnliche Veränderungen der äußeren Lebensbe-
dingungen ein, so waren auch die Reaktionen in den verschiedenen
Linien korrespondierende, so daß also nicht etwa die Wirkung differenter
äußerer Faktoren die Linien vortäuscht. Fig. 56 gibt einen guten Be-
griff solcher Konstanz, indem sie die typisch verschiedene Größe konju-
gierender Individuen aus fünf reinen Linien zeigt. Innerhalb der ein-
zelnen Linien war natürlich die übliche fluktuierende Variabilität
vorhanden, deren Ursachen wir ja schon oben betrachtet haben. Waren
auch die Mittelwerte der Linien nicht so sehr verschieden, so wurden
die Differenzen durch die extremen Ausschläge der fluktuierenden Varia-
bilität sehr große. Nebenstehende Fig. 57 gibt eine große Variante
einer großen Linie (a) neben einer kleinen Variante einer kleinen Linie
(b) wieder. Das Gesamtresultat geht am klarsten aus umstehendem
Tableau (Fig. 58) hervor, das die Variationsreihen der acht isolierten
Linien nach ihrer Größe untereinandergesetzt darstellt. Man sieht die
Population schwanken zwischen 310 und 45 // Länge, von den reinen
Linien die erste von 310 bis 105 jli. Die senkrechte Linie gibt den Mittel-
wert der Population mit 155 jli an, die Kreuze die Mittel der einzelnen
Linien. In diesen Linien wurde nun Selektion ausgeübt. Und dabei
zeigte sich wiederum, daß sie gänzlich erfolglos blieb. Wurden die Nach-
kommen unter identischen Bedingungen gehalten, so erhielten sie nach
Plus- wie Minusabweichern dieselbe Größe, z. B. in einem bestimmten
Versuch :
Mittlere Größe der Nachkommen von Plusabweichern : 114,7:33,9^
» » » » » Minusabweichern: 1169:36,1/«
In allen Versuchen wurden Johannsens Ergebnisse auf das schönste
bestätigt gefunden.
136
Wir hatten oben schon gesagt, daß in diesen Versuchen zwar der
Begriff der reinen Linie nicht so vollständig genau angewandt war, daß
aber trotzdem re vera etwas den reinen Linien Analoges vorlag. Und das
hat wohl noch einen viel weiteren Geltungsbereich. Es ist bekannt, daß
00009(500«««
Fig. 58.
Acht reine Linien von Paramaecium in ihren Variationsreihen. X X gibt den Mittel-
wert der Population, -f- die Mittel der einzelnen Linien. Die Zahlen bedeuten die
Größe in ;j.. Nach Jennings.
die Systematiker als niederste Kategorie spezifisch verschiedener For-
men die Varietäten und Rassen betrachten, von denen sich innerhalb
einer guten Spezies eine sehr große Zahl finden können. Es gibt übrigens
keine allgemein akzeptierte Bezeichnung der niedersten systematischen
137 —
Kategorien, und es wird auch schwer sein, eine einheitliche Bezeichnung
da durchzuführen. Sowohl der Begriff der Varietät, wie der der Rasse
und Elementarart ist schwankend. Für Vererbungsfragen ist natürlich
die niederste Kategorie die, deren Individuen sich von anderen nur
durch eine Elementareigenschaft unterscheiden. Eine solche Abgren-
zung ist aber nur ganz relativ und vom augenblicklichen Forschungs-
stand abhängig. Wenn wir zwei Hühnerrasen haben, die sich nur durch
den Besitz eines Erbfaktors für Gefiederfärbung unterscheiden, so sind
das zunächst solche Kategorien. Nun zeigt sich aber, daß in jeder Rasse
wieder erbliche Differenzen in bezug auf die Eigenschaft Fruchtbarkeit
vorkommen, so daß da wieder Unterkategorien zu schaffen wären. So
wird man wohl solche letzten systematischen Kategorien, die man
vielleicht am besten als Elementarrassen kennzeichnet, nur festlegen
können, wenn man die Abgrenzung nur auf eine einzige betrachtete Eigen-
schaft, z. B. Fruchtbarkeit bei einem Huhn, oder Fettgehalt im Samen
beim Mais, oder Reaktionsnorm gegenüber bestimmten Ernährungsarten
bei einer Daphnie, bezieht. Diese Elementarrassen treten nun sehr oft,
wenn auch nicht immer, an verschiedenen Lokalitäten auf und sind
dann als Lokalrassen zu bezeichnen, wohl zu unterscheiden von den
Standortsvarietäten (Lebenslagevariationen). Letztere können, wie wir
ja oben für die Koloradokäfer zeigten, durch identische äußere Bedin-
gungen ineinander übergeführt werden, erstere aber sind erblich kon-
stant. Natürlich läßt es sich von vornherein nicht sagen, ob die vom
Systematiker unterschiedenen Elementarrassen oder Varietäten ersterer
oder letzterer Kategorie angehören. Das kann nur das Vererbungs-
experiment entscheiden. Wenn der moderne Säugetier- und Vogel-
systematiker für jedes Flußgebiet eine eigene wohlcharakterisierte
Lokalform einer Art feststellt (Matschie), wenn in einem jeden unserer
Alpenseen die Felchen eine typische Verschiedenheit zeigen (Hof er),
wenn etwa das gleiche für die Daphniden in verschiedenartigen Teichen
und Seen gilt (Wesenberg-Lund) oder für die einzelnen Laichschwärme
des Herings (Heincke), so kann es sich dabei um ebensoviele Elementar-
rassen handeln, wie um Lebenslagevariationen. In manchen Fällen hat
das Experiment das letztere erwiesen, wie aus unseren obigen Erörte-
rungen über den Koloradokäfer hervorgeht, in anderen aber auch ersteres.
— 138 —
So sind nach Woltereck die Standortsvarietäten der Daphnien,
wenigstens zum Teil, erbliche Lokalrassen oder Elementarrassen,
und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß sich viele der vom
Systematiker unterschiedenen Varietäten auch im Experiment als
echte Elementarrassen erweisen werden, wie das für das Pflanzen-
reich ja auch bereits in ganz anderem Maße als fürs Tierreich ge-
schehen ist.
Es ist nun klar, daß sich Elementarrassen in ihren Erblichkeitsver-
hältnissen im großen Ganzen wohl ähnlich verhalten werden, wie reine
Linien. Da wo sie wirklich Lokalrassen darstellen, ist anzunehmen,
daß ihre Individuen vielfach genotypisch identisch sind. Wo die Ele-
mentarrassen allerdings örtlich gemischt leben, muß das nicht zutreffen,
wird es aber trotzdem vielfach tun. Denn das was die Einheit stören
könnte, die Kreuzung, ist, wie es scheint, oft auszuschließen, da sie durch
die ausgesprochene Homogamie verhindert wird, wie ja schon für den
Koloradokäfer und die reinen Linien der Paramaecien gezeigt wurde.
Und so werden wir in den Fällen, wo sich die Elementarrassen durch
qualitative, leicht zu definierende Merkmale, wie Farbe oder Zeichnung
unterscheiden, ohne Schwierigkeit mit genotypisch einheitlichen Be-
ständen arbeiten können, ohne daß Selbstbefruchtung vorliegt. Natür-
lich muß dann eine besonders eingehende Analyse des Materials voran-
gehen, die jede einzelne Variante auf ihre Erblichkeit zu prüfen hat.
Bei quantitativen Merkmalen, die die Elementarrassen unterscheiden,
ist die Schwierigkeit in Anbetracht der transgressiven Variabilität eine
viel größere. Wie sie unter Umständen durch gründliche Analyse über-
wunden werden kann, haben wir oben bei Heinckes Heringsunter-
suchungen gesehen; dort war ja für jedes Individuum die Möglichkeit
eröffnet worden, seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Elementar-
rasse (oder Standortsvarietät?) zu erkennen. Und später werden
wir in Pearls Analyse der Vererbung der Fruchtbarkeit noch einen
eklatanteren Fall kennen lernen. Und so werden wir also, ohne über
echte reine Linien zu verfügen, doch mit prinzipiell identischem
Material, genotypisch einheitlichen Elementararten, vielfach arbeiten
können.
Wie wirkt nun die Selektion innerhalb eines solchen Materials?
— 139 —
Schon de Vries1 hatte an ihrer Wirksamkeit gezweifelt und besonders
Heincke im Anschluß an seine Heringsstudien den Schluß gezogen,
daß innerhalb einer Elementarrasse — und als solche betrachtete er ja
seine Heringsrassen — eine Selektion unwirksam sein müsse. Setzen
wir Elementarrasse prinzipiell gleich Biotypus (natürlich nur in bezug
auf die Resultate der Erblichkeitsforschung, denn der Begriff Biotypus
sagt nur etwas über die genotypische Beschaffenheit seiner Angehörigen
aus, also die genotypisch identischen Glieder einer Elementarrasse stellen
einen Biotypus dar, ein Biotypus ist aber keine Elementarrasse), so hatte
Heincke im wesentlichen bereits Johannsens Resultat vorweg-
genommen; aber er hatte es nur erschlossen, nicht bewiesen, da ja die
Heringsrassen dem Experiment nicht zugänglich sind, eine Lücke, die
er selbst klar hervorhob. Es liegen aber jetzt auch Versuche vor, die
für ein derartiges Material Johannsens Schlüsse vollinhaltlich be-
stätigen.
Ein solcher Fall liegt in den Experimenten Towers am Kolorado-
käfer vor, von denen wir schon so oft gehört haben. Was zunächst
den scheinbaren Selektionserfolg in einer Population durch Auswahl
von auf der Plus- oder Minusseite liegenden Elementarrassen betrifft,
so trat er hier genau so in Erscheinung, wie bei den anderen Beispielen.
Wurden z. B. bei Leptinotarsa decemlineata möglichst helle und
möglichst dunkle Paare ausgesucht und gelang es dabei, Elementarrassen
in die Hand zu bekommen2, so ergaben sie in der nächsten Generation
eine kleine Variationskurve an der Grenze derer der Population, ebenso
wie wenn wir oben in dem Langschen Schema die Linien A oder Z
ausgewählt hätten. Sie blieben dann auch acht Generationen hindurch
konstant. Umstehende Fig. 59 zeigt den Ausfall des Versuchs an
den Variationskurven jeder Generation. In der ersten Generation
1 Wir reden hier natürlich nicht von allgemeiner, besonders philosophischer
Kritik der Selektionslehre, die für unsere biologische Darstellung eigentlich wertlos ist.
2 Diese Elementarrassen sind hier äußerlich nicht von gewissen fluktuierenden
Varietäten einer anderen Elementarrasse zu unterscheiden. Die Bedeutung dieses
Punktes wird erst in einer der letzten Vorlesungen klar werden, ebenso ob die in
den nächsten Zeilen gegebene Interpretation der Tower sehen Befunde die richtige
ist. Die später zu gebende etwas abweichende Interpretation ändert aber nichts an
der Bedeutung der Tatsachen.
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II
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nerationen mit nicht erblichen Vari-
anten heim Koloradokäfer. I >ie Kurven
kehr> zum Mittel der Population
zurück. Nach Tower.
— 142 —
Hähnen, deren Mütter über 200 legten. Trotzdem wurde eine Steige-
rung der Fruchtbarkeit nicht erzielt, auch keine Abnahme der Variabili-
tät. Wurden einzelne 200-Eier-Leger in bezug auf ihre Nachkommen
geprüft, so zeigte sich, daß sie ebenfalls diese Fähigkeit nicht vererben.
Also auch hier für die Zuchtwahl ein negativer Erfolg1.
Es bestätigen also auch die an reinrassigem Material gewonnenen
Resultate die Ergebnisse die für die Selektion in reinen Linien gefunden
wurden. Es könnte somit scheinen, daß erwiesen ist, daß die Zucht-
wahl nicht imstande ist Neues zu schaffen und daß damit der Darwin-
schen Lehre definitiv der Boden entzogen ist, ein Schluß, der in der Tat
vielfach gezogen ist. Seine Berechtigung werden wir später zu prüfen
haben. Nehmen wir ihn als richtig an, so folgt aber daraus, daß eine
allmähliche Umwandlung der Formen in andere eine Unmöglichkeit
ist: Galtons Vererbungsgesetz, das die exakte Basis solcher Umwand-
lung liefern sollte, hat sich als unzutreffend erwiesen. Sollen wir uns
nun mit dieser destruktiven Kritik begnügen, oder gibt es auch Positives,
das an seine Stelle zu setzen ist? Die folgenden Vorlesungen sollen die
Antwort darauf geben.
Siebente Vorlesung,
Das Mendelsche Gesetz und seine Begründung. Die daraus folgen-
den Zahlenkonsequenzen.
Wir sind nunmehr mit den genügenden Kenntnissen der Eigen-
schaften der Organismen, die für die Erblichkeitsprobleme in Betracht
kommen, ausgestattet, um der wichtigen Frage nahe treten zu können,
wie diese Eigenschaften auf die Nachkommen vererbt werden, ihr erb-
liches Verhalten zu analysieren. Wenn der physiologische Chemiker —
man denke an Ehrlichs berühmte Studien — die Wirkung einer Mo-
lekülgruppe auf physiologische Vorgänge studieren will, so wird er sie
mit allen möglichen Grundsubstanzen verbinden, um aus der Über-
einstimmung bzw. Verschiedenheit in der Wirkung aller jener Ver-
1 Wieweit diese Resultate durch neuere Ergebnisse Pearls in der Richtung be-
einflußt wurden, daß sie gar nicht in dieses Kapitel gehören, ist noch nicht klar.
— 143 —
bindungen seine Schlüsse ziehen zu können. Eine ganz entsprechende
Methode bietet sich nun für das Studium des Verhaltens der Erbein-
heiten dar: man wird sie mit möglichst verschiedenen anderen Grund-
körpern in Verbindung bringen und die neuen Kombinationen in ihrem
Verhalten studieren. Die Kombination von Erbeinheiten ist aber nur
aul einem Weg möglich, auf dem Weg der Bastardierung. Sie muß
also als das wichtigste Mittel angesehen werden, einmal das Verhalten
der Gene bei der Vererbung festzustellen, sodann die genotypische
Zusammensetzung eines Organismus zu analysieren. Unter Bastar-
dierung ist daher in diesem Zusammenhang die Fortpflanzung zwischen
zwei genotypisch irgendwie verschiedenen Individuen zu bezeichnen :
ein Bastard kann ebensowohl aus der Kreuzung von Individuen zweier
reiner Linien, als zweier systematischer Varietäten, Arten oder Gat-
tungen hervorgehen.
Die Bastardierungslehre ist nun in der Neuzeit zu ganz besonders
glänzenden Resultaten gelangt, die in ihrer großen Bedeutung das
Zentrum der neueren Erblichkeitsforschung darstellen. Nicht etwa,
daß man früher nicht bastardiert hätte ; aber die ältere Bastardforschung
hatte es nicht erreichen können, in ihre zahlreichen Einzelbefunde die
Ordnung einer Gesetzmäßigkeit zu bringen. Ja, es ist noch nicht so
lange her, daß man überzeugt war, daß die Mannigfaltigkeit der Er-
scheinungen sich überhaupt keinem Gesetz fügen könne. Und doch
ist jetzt das Unmögliche gelungen, ein Fortschritt, der, wie allgemein
bekannt, erst der Genialität Gregor Mendels gelang. Seine und
seiner Nachfolger Untersuchungen haben mit einem Schlag Ordnung
in das Chaos widerspruchsvoller Resultate gebracht. Das werden wir
besonders klar erkennen, wenn wir einen kurzen Blick auf die Ergeb-
nisse der älteren Bastardforschung werfen. Sie ist in der Hauptsache
das Werk der Botaniker, von denen sich hervorragende Forscher wie
Kölreuter, Knight, Gärtner, Focke, Naudin, Wichura jenen
Fragen widmeten, während im Tierreich die Fälle von Bastardierungen,
die an Haustieren vorgenommen wurden, meist der Wissenschaft ver-
loren gingen. Im wesentlichen hat nur Darwin in großem Maßstabe
das ihm zugängliche Material gesammelt und durch seine eigenen be-
rühmten Untersuchungen bereichert. Nach ihm kann für die Zeit
— 144 —
vor der Wiederentdeckung der Mend eischen Gesetze nur noch Stand-
fuss genannt werden, dessen Schmetterlingskreuzungen klassisch zu
nennen sind.
Wenn man die Erfahrungen der älteren Bastardforschung über-
blickt, bemerkt man immer wieder mit Staunen, wie nahe sie oft der
Entdeckung der Gesetzmäßigkeit gewesen ist. Es war ihr bekannt,
daß das Verhalten der ersten Bastardgeneration ein ganz verschiedenes
sein kann. Die Bastarde zeigten manchmal eine vollständige Ver-
mischung der Charaktere der Elternindividuen oder sie zeigten in ge-
wissen Teilen väterliche, in anderen mütterliche Eigenschaften. Es
war aber auch bekannt, daß oft die Eigenschaften des einen der Eltern
über die des anderen überwogen, präpotent waren, oder, wie der Tier-
züchter sagt, eine höhere Durchschlagskraft besaßen; man nannte
solche Bastarde wohl auch goneokline und zwar patrokline, wenn sie
mehr nach dem Vater, matrokline, wenn sie mehr nach der Mutter
schlugen. Oft fand man aber auch ein völliges Überwiegen des einen
der Eltern, so daß die Nachkommenschaft nur den einen Charakter
zeigte. Um aus den vielen Beispielen, die Darwin anführte, nur einige
zu nennen — und es ließen sich leicht entsprechende aus dem Pflanzen-
reich zufügen — ■ so sei an den von Godin berichteten Fall einer ziegen-
ähnlichen Schafrasse vom Kap erinnert, deren Widder bei Kreuzung
mit 12 verschiedenartigen Mutterschafen immer nur Nachkommen-
schaft seiner Rasse produzierte. Oder wird das Seidenhuhn mit einem
Bantamhuhn gekreuzt, so zeigt die Nachkommenschaft nicht eine Spur
der seidigen Federn. Es war aber auch bekannt, daß es Eigenschaften
gibt, die bei Bastardierung nie verschmelzen, und zwar stellte Darwin
fest, daß dies vor allem solche sind, die vorwiegend bei domestizierten
Tieren und Pflanzen als Sports auftreten, wie distinkte Farben, Nackt-
heit der Haut, Glätte der Blätter, Fehlen von Hörnern oder Schwanz,
überzählige Zehen, Zwergwuchs und viele andere Abnormitäten. Ent-
weder schlagen die Nachkommen typisch nach einem der Eltern : Kreu-
zung von grauen und weißen Mäusen liefert graue; oder aber in der.
Nachkommenschaft treten die beiden Elterntypen rein auf, wie etwa
wenn hörn- oder schwanzlose Rassen mit normalen gekreuzt werden.
Ja, es können sogar die beiden elterlichen Typen an einem Individuum
— 145 —
getrennt auftreten : Bei Kreuzung fünfzehiger Dörkinghühner mit vier-
zehigen Rassen können Nachkommen entstehen, die an einem Fuß 4
am anderen 5 Zehen haben; bei Kreuzung von Einhuferschweinen mit
normalen können Junge entstehen, die zwei normale und zwei einhufige
Füße haben. Die wenigen Beispiele mögen genügen, um die beobach-
teten Verschiedenheiten der Kreuzungsresultate zu zeigen.
Diesem verschiedenen Ausfall der ersten Bastardgeneration ent-
spricht nun auch die Mannigfaltigkeit im Verhalten weiterer Gene-
rationen. Da sind zunächst die Bastarde mit Vermischung der elter-
lichen Eigenschaften, die diesen Zustand rein weitervererben, wie vor
allem bei Pflanzenbastarden, z. B. dem später noch zu besprechenden
Aegilops-Bastard beobachtet wurde, oder vielleicht richtiger gesagt,
beobachtet sein sollte. Bei anderen zeigten sich aber die elterlichen
Eigenschaften in der späteren Nachkommenschaft in der allerverschie-
densten 'Weise gemischt. Besonderes Interesse fanden solche Fälle
natürlich wegen ihrer praktischen Bedeutung. Denn wenn in der Nach-
kommenschaft der Bastarde eine solche „Variabilität" auftrat, so konnte
dies entweder im Interesse der Hervorbringung neuer Handelssorten sehr
begrüßt werden, oder bei der Sorge um Erzielung „reinblütiger" Formen
die Bastardierung verabscheuen lassen. Für unseren jetzigen Stand-
punkt sind derartige Beobachtungen natürlich besonders interessant.
So lesen wir bei Darwin : „Wenn zwei distinkte Rassen gekreuzt werden,
so sind die Nachkommen der ersten Generation allgemein nahezu gleich-
förmig im Charakter . . . Aber um von ihnen weiter zu züchten, sind
sie, wie man gefunden hat, völlig nutzlos; denn wenn sie auch selbst
im Charakter gleichförmig sein mögen, so ergeben sie doch, wenn sie
gepaart werden, viele Generationen hindurch erstaunlich verschieden-
artige Nachkommen. Der Züchter wird zur Verzweiflung getrieben
und kommt zu dem Schluß, daß er nie imstande sein werde, eine inter-
mediäre Rasse zu bilden." Da haben wir den Beobachtungskern der
Mendel sehen Entdeckungen bereits niedergelegt! Ja auf botanischer
Seite wußte man sogar, daß in den späteren Bastardgenerationen nicht
nur eine „Variabilität" zu konstatieren ist, sondern daß die Charaktere
der Eltern wieder rein erscheinen können, und Naudin fand 1862 da-
für eine Erklärung, die sich kaum von der Mendelschen unterscheidet.
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. IO
— 146 —
Bei dieser Verschiedenartigkeit der späteren Bastardgenerationen
fiel nun vor allem auch eins auf, daß oft Charaktere auftraten, die die
Eltern nicht besessen hatten. Ihre nähere Betrachtung führte zu der
Auffassung, daß es Charaktere der Ahnenformen seien, Atavismen,
die durch die Kreuzung zum Vorschein gebracht wurden. So kam bei
Kreuzung von Hühnerrassen in der Nachkommenschaft plötzlich die
Farbe des wilden Bankivahuhnes, des vermutlichen Vorfahren der
domestizierten Hühner zum Vorschein; und besonders berühmt wurden
ja Darwins Taubenkreuzungen, die zeigten, daß in der Bastardnach-
kommenschaft verschiedenartiger Taubenrassen die Farbe und Zeich-
nung der wilden Felstaube auftritt. Ein Zusammenhang dieser Er-
scheinung mit den anderen ebenso zusammenhangslosen Erfahrungen
der Bastardforschung konnte aber nicht eruiert werden. Und den
schon erwähnten lassen sich so noch manche isoliert stehende Befunde
anschließen. So war bekannt, daß durch Bastardierung einzelne Eigen-
schaften von einer Rasse gesondert abgespalten und mit einer anderen
verbunden werden können, eine Methode, die besonders in der gärt-
nerischen Praxis eine große Rolle spielte und spielt. Der Erfolg konnte
aber immer nur durch sorgfältige Auswahl in einer Reihe von Gene-
rationen erzielt werden. So berichtet Darwin, daß Lord Orford
seine berühmte Meute von Windspielen einmal mit einer Bulldogge
kreuzte, „welche Rasse deshalb gewählt wurde, weil ihr das Vermögen
des Spürens abgeht, und weil sie das besitzt, was gewünscht wurde,
Mut und Ausdauer. In dem Verlauf von sechs oder sieben Generationen
waren alle Spuren der äußeren Form der Bulldogge eliminiert, aber
der Mut und die Ausdauer blieben".
Diese wenigen Beispiele aus den Resultaten der älteren Bastard-
forschung mögen genügen. Sie zeigen ausreichend, warum die An-
schauung herrschen konnte, daß in dies Chaos keine Gesetzmäßigkeit
gebracht werden könne. Und wie verständlich erscheinen uns jetzt
die Mehrzahl der Erscheinungen, seit der geniale Scharfblick Mendels
die in ihrer Grundlage so einfache Gesetzmäßigkeit fand, die all dem
zugrunde liegt. Mendels klassische Schrift erschien im Jahre 1865,
um 35 Jahre hindurch unbekannt zu bleiben. Und doch hätte ihr
Bekanntwerden die größten Perspektiven eröffnen müssen. Welche
— 147 —
Entwicklung die Biologie genommen haben würde, wenn Darwin sie
gekannt hätte, bemerkt einmal Bateson, ist kaum auszudenken.
Merkwürdigerweise aber hatten Größen seines Faches, wie Nägeli,
nicht den Weitblick, die Bedeutung dieser Forschungen zu erkennen.
Andere, die vielleicht dazu befähigt gewesen wären, bekamen die an
verborgenem Ort publizierte Schrift nicht zu sehen, und da Mendel
selbst nicht mehr darauf zurückkam, blieb sie verschollen, bis im Jahre
1900 gleichzeitig de Vries, Correns und Tscher mak sie ans Licht
zogen. Welchen Einfluß diese kurze Publikation seitdem auf die ge-
samte Biologie gewonnen hat, ist heute jedermann bekannt; das äußere
Symbol dafür ist die Bezeichnung Mendelismus für die ganze moderne
Bastardlehre. Die klassische Schrift des Augustinerpaters vom Königs-
kloster in Brunn ist in ihrer Kürze und wundervollen Klarheit noch
heute, wo so viel Material gleicher Art vorliegt, die beste Lektüre zur
Einführung in die moderne Bastardlehre, so daß wir sie auch hier zum
Ausgangspunkt nehmen wollen. Wer Mendels Methode, Resultate
und Schlüsse verstanden hat, ist für das Verständnis aller weiteren
Befunde ausgerüstet.
Mendels Erfolg in dem Bestreben, ein Gesetz der Bastardierung
zu finden, basiert auf der klaren Erkenntnis der Notwendigkeit, daß
einmal die Versuche in solchem Maßstab ausgeführt werden müssen,
daß man die Zahl der verschiedenartigen Bastardnachkommen genau
feststellen kann, daß man ferner die Formen den richtigen Generationen
zuordnen und so ihre Zahlenbeziehungen vergleichen kann. In acht-
jähriger Arbeit führte er seine Versuche an Erbsen aus, die ihm aus
verschiedenen Gründen das geeignete Material schienen. Sie besitzen
eine Anzahl gut unterscheidbarer konstanter Rassen, sie haben Selbst-
befruchtung, die stattfindet, bevor sich die Blüte öffnet, so daß Fremd-
bestäubung leicht ausgeschlossen werden kann, und die Bastarde zeigen
normale Fruchtbarkeit. Für den Versuch wurden nun verschiedene
Rassen gewählt, nachdem im Vorversuch festgestellt war, daß sie reine
Nachkommen gaben. Um zu verfolgen, wie sich die Charaktere der
Pflanzen in der Nachkommenschaft verhalten, wurde — und das ist
wieder einer der scheinbar so einfachen Grundgedanken — jedes Paar
von Charakteren, durch das sich zwei Rassen unterscheiden, getrennt
— 148 —
betrachtet, also ebensoviel Einzelexperimente ausgeführt, als Unter-
scheidungsmerkmale vorhanden waren. Als zur Verfolgung geeignet
wurden sieben Merkmalspaare gewählt, nämlich :
i. Die Samen sind entweder rund oder kantig.
2. Die Cotyledonen im Samen, die durch die Schale durchschimmern,
sind entweder hellgelb oder orange bzw. grün.
3. Die Samenschale ist entweder weiß oder gefärbt (grau, grau-
braun, lederbraun, violett gefleckt). In ersterem Fall sind
auch die Blüten weiß, in letzterem farbig (Purpur, violett
und rot.)
4. Die reifen Hülsen sind entweder einfach aufgeblasen oder zwi-
schen den Samen tief eingeschnitten.
5. Die unreifen Hülsen sind grün oder gelb.
6. Die Blüten sind entweder achsenständig oder endständig.
7. Die Stammachse ist entweder sehr lang oder kurz (etwa
5:i).
Pflanzen mit diesen Eigenschaften wurden also paarweise gekreuzt,
und zwar nach beiden Richtungen, was sich für den Erfolg als gleich-
gültig erwies. Die erste Bastardgeneration, die wir gleich hier mit der
jetzt allgemein üblichen Punnettschen Bezeichnung als die Fx (1. Fi-
lial)-Generation bezeichnen wollen, zeigte nun in allen Kulturen eine
völlige Gleichheit, sie folgte nämlich in ihrem Aussehen ausschließlich
dem einen der Eltern. Also im ersten Fall waren sämtliche Samen
rund, die Eigenschaft kantig schien verschwunden. Mendel bezeichnet
nun die ausschließlich sichtbare Eigenschaft als die dominante, die
nicht sichtbare, aber, wie sich gleich zeigen wird, doch noch vorhandene,
als die rezessive, und in der obigen Aufzählung sind die Charaktere,
die sich als dominant erwiesen, gesperrt gedruckt. Diese Fi-Pflanzen
wurden nun durch Selbstbefruchtung vermehrt und so die folgende,
die F2-Generation erhalten. Und in ihr traten nun wieder die reinen
Charaktere der beiden Elternpflanzen auf, und zwar waren es typisch in
sämtlichen Kulturen auf je 3 dominante 1 rezessiver; Zwischenformen
aber fanden sich nie. Die genauen Zahlen für die 7 Versuchsreihen gibt
die folgende Tabelle:
1 19
Xr.
Charakter
Gesamt-
zahl in F2
Davon
Dominante Rezessive
D R
D:R
Gezählt
wurden:
i
Samengestalt. . .
7324
5474
1850
2,96 :
1
die Samen
2
Farbe der Cotyle-
8023
6022
2001
3.01 :
1
die Samen
3
Farbe der Samen-
schalen xx. Blüten
929
705
224
3-J5 :
1
Ganze Pflanzen
4
Form der Hülsen.
11S1
882
299
2.95 :
1
& »
5
Farbe der Hülsen
580
428
152
2,S2 :
1
» »
6
Blütenstellung . .
858
65i
207
3.i4 :
1
»
7
Achsenlänge . . .
1064
7S7
277
2.S4:
1
»
19959
14949
5010
2,9s : 1
Es sei hier gleich hinzugefügt, daß Mendels Experimente von einer
großen Zahl von Forschern wiederholt und bestätigt wurden. Die
folgende Tabelle, die Johannsen zusammenstellte, gibt die Gesamt-
resultate aller dieser Versuche, die wie ersichtlich, mit größter Genauig-
keit das Verhältnis 3 : 1 ergeben, da die geringe Abweichung innerhalb
der berechneten Fehlergrenze liegt:
Forscher
D
Gelbe
Samen
R
Grüne
Samen
Gesamt-
zahl
D: R
Mittlere
Fehler
Mendel 1865 . . .
6022
2001
8023
3.0024 : 0,9976
±0,0193
Correns 1900 . . .
1394
453
1847
3.0189 : 0,9811
± 0,0403
Tschermak 1900. .
358o
1 190
4770
3.0021 : 0,9979
± 0,0251
Hurst 1904 ....
1310
445
1755
2.9S58 : 1,0142
±0,0413
Bateson u. A. 1905 .
11 903
3903
15806
3.0123 : 0.9877
± 0,013s
Lock 1905 ....
I43S
514
1952
2,9467 : 1,0533
± 0,0392
Sämtliche 25647
8506
3415:
3,0038 : 0.9962
0,0094
Die weitere Frage ist nun die, was aus den 3 Dominanten und 1 Re-
zessiven in der folgenden Generation F3 wird, die wieder durch Selbst-
befruchtung mit Registrierung jeder einzelnen Pflanze erhalten wurde.
Dabei zeigte sich, daß die Rezessiven ausschließlich Nachkommen ihrer
eigenen Art gaben. Die Dominanten erwiesen sich aber als von zweierlei
Art. Ein Drittel von ihnen gab ebenfalls nur Nachkommenschaft
— 150 —
gleicher Art, zwei Drittel aber verhielten sich ebenso wie die Bastarde in
F1} d. h. ihre Nachkommenschaft war wieder im Verhältnis von 3 Domi-
nanten zu 1 Rezessiven gespalten. Um eine wirklich beobachtete Zahl zu
nennen, so gaben von 565 Pflanzen, die aus runden (dominanten) Samen
von F2 gezogen waren, 193 nur runde Samen, 372 aber runde und kantige
im Verhältnis von 3:1. Da sämtliche Versuche die gleichen Zahlen-
verhältnisse ergaben, so folgt daraus, daß die Pflanzen in F2 aus drei
Gruppen bestehen, V4, welche nur den dominanten Charakter be-
sitzen, y2, welche nur den rezessiven haben, sowie 2/4, welche ebenso
zusammengesetzt sind, wie die Bastarde von F1? also beide Charaktere
vereinigen.
Die Zucht in weiteren 6 Generationen zeigte nun, daß stets das
gleiche stattfindet, daß nämlich die Viertel reiner Dominanten und
reiner Rezessiven immer nur reine Nachkommen ergaben, die 2/4 Bastarde
aber immer wieder im Verhältnis von 1 Dominante : 2 Bastarden :
1 Rezessiven spalten. Wenn A der dominante, a der rezessive Charakter
ist, so erfolgt stets die Spaltung der Bastarde in
A + 2A11 + a.
Es folgt daraus, daß in jeder Generation immer wieder die Charak-
tere der Bastardeltern rein abgespalten werden, so daß bei Fortpflanzung
in Inzucht und bei gleichmäßiger Fruchtbarkeit der Bastarde immer
zahlreicher die Stammformen auftreten, ohne daß die Bastardformen
völlig verschwänden. Wenn angenommen wird, daß jede Pflanze nur
4 Samen reife, so ergäben sich in weiteren Generationen die Zahlen:
Generation A
1 1
2 6
3 28
4 120
5 496
11
Und nun ging Mendel dazu über, Bastarde zu untersuchen, deren
Eltern sich in 2 oder mehr Paaren von Charakteren unterscheiden
(Dihybriden, Trihybriden usw.), also z. B. wenn die Mutterpflanze
runde gelbe Samen, die Vaterpflanze kantige grüne besitzt. Es zeigte
sich dabei, daß in Fx ausschließlich die dominanten Merkmale sieht-
Aa
a
A
: Aa
a
2
I
1
: 2
1
4
6
n
: 2
3
8
28
7
: 2
7
16
120
15
: 2
15
32
496
31
: 2
3i
2"
1 : 2
2n _
- I
— 151 —
bar waren, gleichgültig ob sie sich auf einer der Elternpflanzen allein
befunden hatten, oder teils auf einer, teils auf der anderen. In
dem Beispiel also hatten alle Fx-Pflanzen runde und gelbe Samen.
In F2 aber trat wieder eine Spaltung ein und zwar erschienen alle
4 möglichen Kombinationen, nämlich
I. 315 runde gelbe,
II. 101 kantige gelbe,
III. 108 runde grüne,
IV. 32 kantige grüne.
Es sollen nun wieder die Buchstaben A rund, a kantig, B gelb,
b grün bedeuten, also die dominanten mit großen, die rezessiven mit
kleinen Symbolen benannt sein. Wenn dann aus diesen Samen die
Pflanzen gezogen und gereift wurden, so mußten deren Samen zeigen,
ob die betreffenden Pflanzen in ihren Charakteren rein oder Bastarde
waren. Es zeigte sich dann, daß von Gruppe I hervorbrachten
38 Pflanzen runde gelbe Samen, also beschaffen waren A B
65 » » » oder grüne, also beschaffen waren ABb
60 » «• 11. kantige gelbe, also beschatten waren A a B
13S » 11. grüne, sowie kantige gelbe und grüne,
also beschaffen waren A a B b.
Es waren also in dieser Gruppe sämtliche Kombinationen vorhanden,
die möglich sind, wenn immer die beiden Dominanten mit auftreten.
Die IL Gruppe ergab
28 Pflanzen mit kantigen gelben Samen, Beschaffenheit also a B
68 » » » u. grünen Samen, Beschaffenheit also a B b.
Es fanden sich also die beiden Kombinationen, die mit der einen Domi-
nante B möglich sind. Gruppe III ergab sodann:
35 Pflanzen mit runden grünen Samen, Beschaffenheit demnach A b
67 » » » u. kantigen grünen, » » A a b,
das heißt also die beiden möglichen Kombinationen mit der anderen
Dominanten A. Endlich die Pflanzen aus Gruppe IV gaben sämtlich
Samen von gleichem Charakter:
30 Pflanzen mit kantigen grünen Samen, beschaffen also a b.
Sie enthielten also nur die beiden reinen Rezessive.
— 152
Diese sämtlichen Pflanzen lassen sich nun nach diesen Ergebnissen
in 3 Gruppen ordnen, i. AB, aB, Ab, ab, die alle durchschnittlich
33 mal auftraten und jeden
Charakter nur rein besitzen,
entweder dominant oder
rezessiv. In der Tat ist
ihre Nachkommenschaft in
der nächsten Generation
ebenso beschaffen. 2. ABb,
aBb, AaB, Aäb, die im
Durchschnitt je 65 mal ka-
men und in je einem Cha-
rakter Bastarde sind, d. h.
das dominante und rezessive
Merkmal tragen, im an-
deren aber rein sind. In
der nächsten Generation
bleibt dementsprechend das
eine Merkmal rein, das an-
dere variiert wieder. 3. Die
Form AaBb, die 138 mal auf-
trat und in beiden Eigen-
schaften Bastard ist, daher
in der nächsten Generation
Fig. 61. genau das gleiche ergab
Umriß einer von Darbishire gezüchteten Fo Erbsen- _• r? „,,_, -n- n.,, \ra,-
n j t- 11 j .. c wie r2 aus r i . jjas vei-
pflanze aus der Kreuzung gelbe und grüne harnen * ±
mit Spaltung in 3 gelbe (schwarz), 1 grünen (weiß) hältnis dieser 3 Gruppen
nach Darbishire.
zeigt sich aber auf das
Beste wie 1:2:4. Ordnet man daher die Individuen von F2 an-
steigend nach ihrem Bastardcharakter an, so ergibt sich die Reihe:
AB + Ab + aB + ab + 2 ABb + 2 aBb + 2 AaB + 2 Aab + 4 AaBb.
Diese aber ist, wie Mendel erkannte, die Kombinationsreihe, die aus
der Kombination der beiden Ausdrücke entsteht:
A + 2 Aa + a
B + 2 Bb + b.
— 153 —
Daraus folgt aber, daß bei der Bastardierung mit mehreren Merkmals-
paaren ein jedes sich völlig unabhängig vom anderen verhält und sie
sich in allen Arten kombinieren können, die sich aus der Spaltung der
Einzelcharaktere entwickeln lassen. Oder anders ausgedrückt, und das
ist vielleicht das wichtigste allgemeine Resultat, der Organismus be-
steht aus einheitlichen Erbeigenschaften, die unabhängig voneinander
vererbt werden. Der endgültige Beweis dafür ist darin gegeben, daß
wenn alle 7 Charaktere berücksichtigt werden, durch Bastardierung
27 = 128 verschieden kombinierte, aber konstante Formen entstehen
können (bei 2 Eigenschaften waren es ja 22 = 4), die im Experiment
auch alle gezüchtet wurden.
Und nun kommen wir zu der scharfsinnigen Überlegung, die Mendel
anstellte, um alle diese Tatsachen zu erklären, und die das nicht nur
tut, sondern auch in den Stand setzt, alle seither untersuchten Bastard-
fälle zu erklären, ja sogar das Resultat voraus zu berechnen. Mendel
schließt: In der Nachkommenschaft der Bastarde erscheinen so viele
konstante Formen, als Kombinationen zwischen den Eigenschaften
denkbar sind. Erfahrungsgemäß sind die Formen konstant, die, wie
bei jeder gewöhnlichen Befruchtung, aus der Vereinigung gleichartiger
Geschlechtszellen, Gameten, hervorgehen. Da aber alle die verschie-
denen konstanten Formen aus einer Bastardpflanze gebildet werden,
so müssen in ihren Geschlechtsorganen so viele Arten von Geschlechts-
zellen mit den entsprechenden Eigenschaften gebildet werden, als es
konstante Kombinationen gibt. Die Bastarde müssen also — und zwar
in gleicher Zahl — reine Gameten bilden mit den möglichen Kom-
binationen der reinen Eigenschaften. Der Bastard ABab bildet dem-
nach Gameten AB, Ab, aB, ab. Unter dieser Annahme, der berühmten
Reinheit der Gameten, werden aber alle beobachteten Tatsachen er-
klärt. Ist sie richtig, so muß sich für jede Kreuzung das Resultat voraus-
sagen lassen. Zur Probe wurde dann unter anderem die schon oft
angeführte Dihybride aus den Elternpflanzen AB und ab (d. h. rund
gelb und kantig grün) bestäubt mit Pollen der einen Elternpflanze ab.
Die Dihybride ABab muß also Eier bilden AB, Ab, aB, ab, so daß diese
bestäubt mit Pollen von ab nur geben können:
ABab Abab a Bab abab,
— 154 —
das heißt die Nachkommenschaft muß in gleicher Zahl rund gelb, rund
grün, kantig gelb und kantig grün sein. Das Resultat aber war 31 runde
gelbe, 26 runde grüne, 27 kantige gelbe und 26 kantige grüne. Und
genau so gut stimmten sämtliche anderen Kontrollen, so daß in der
Tat bewiesen war, daß die Bastarde reine Gameten aller Kombinationen
bilden.
Unter diesen Umständen läßt sich natürlich leicht bestimmen, was
aus jeder Bastardierung in F2 und weiterhin entstehen muß. Handelt
es sich um ein Eigenschaftspaar A + a, so heißt der Bastard Aa, und
wenn er reine Gameten bildet, sind diese entweder A oder a. Bei Selbst-
befruchtung bzw. Inzucht in F1 können A und a vom Vater wie der
Mutter so zusammenkommen, wie es der Zufall gibt. Es werden also
zu gleichen Teilen entstehen nach folgendem Schema
Pollen A A a a
\/ I
v >^\ v
Eier A A a a
also AA -f- Aa -f- aA -f- aa.
Das ist aber genau das Verhältnis, das wir oben verwirklicht gesehen
haben,
AA -\- Aa -f- aA -f- aa
t. Dominante : 1 Rezessive
3
1 rein Dominant : 2 Dominantrezessive
y V _v
muß rein bleiben muß weiterspalten in muß rein bleiben
AA -f- Aa -\- a A -f- aa usw.
Ebenso muß sich dann aber auch das Verhältnis für 2 Eigenschafts-
paare berechnen lassen. Wenn der Bastard ABab alle Kombinationen
reiner Gameten liefert, so sind diese AB, Ab, aB, ab. Es kann sich also
bei der Befruchtung jeder dieser Gameten des einen Elters mit jedem
des anderen verbinden, also
B
mit AB
Ab mit AB
aB
mit AB
ab
mit AB
»
* Ab
» »Ab
»
» Ab
»
» Ab
»
* aB
» » a B
»
» aB
»
» aB
»
» a b
» » a b
»
» a b
»
» ab.
Es gibt also 16 Kombinationen. Man führt jetzt allgemein diese
Kombination mittels des von Punnett eingeführten Kombinations-
schemas aus, das auf den ersten Blick auch in schwierigeren Fällen das
— 155
Resultat erkennen läßt. Ein Quadrat wird in so viele kleine Quadrate
eingeteilt als Kombinationen möglich sind, bei 2 Eigenschaftspaaren
also 16. Es werden dann die Gametenarten horizontal und vertikal
daneben geschrieben und dann in allen senkrecht von ihnen ausgehen-
den Rubriken wiederholt. Für obigen Fall lautet dann das Schema:
Gameten :
AB
Ab
a B
a b
AB
Ab
a B
a b
AB
AB
AB
AB
AB
rund gelb 1
I
rund gelb 2
V
rund gelb 3
VI
rund gelb 4
IX
AB
Ab
a B
a b
Ab
Ab
Ab
Ab
Ab
rund gelb 5
V
rundgrün 1
II
rund gelb 6
rund grün 2
VII
AB
Ab
a B
a b
aB
aB
rund gelb 7
VI
a B
rund gelb 8
X
aß
kantig gelb 1
III
aß
kantig gelb 2
VIII
AB
Ab
,7 B
a b
ab
ab
a b
ab
ab
rund gelb 9
IX
rund grün 3
VII
kantig gelb 3
VIII
kantig grün 1
IV
Aus dem Schema ersieht man sofort folgendes: 1. Das Gesamt-
resultat bei der Spaltung von 2 Eigenschaftspaaren ist in F2 ein Auf-
spalten im Verhältnis von 9:3:3:1; und zwar zeigen je 9 Individuen
von 16 die beiden dominanten Eigenschaften (A, B), je 3 die eine Domi-
nante mit der anderen Rezessiven (A, b), je 3 die andere Dominante
mit der einen Rezessiven (a, B), und je 1 unter 16 nur die beiden rezes-
siven Eigenschaften (a, b). Oben S. 151 wurde das wirkliche Resultat
Mendels aus dieser Spaltung angegeben und man sieht, daß in der
Tat das beobachtete Verhältnis von 315 : 101 : 108 : 32 gut mit dem
erwarteten, nämlich 313,8 : 104,4 : I04>4 : 34>8 übereinstimmt.
2. Man erkennt, daß unter 16 Individuen nur 4 vorhanden sind,
deren Bezeichnung fett gedruckt ist, die nicht Bastardnatur haben,
— 156 —
da sie von jedem Eigenschaftspaar nur eine Eigenschaft (also entweder
große oder kleine Buchstaben einer Art) rein besitzen. Von diesen
4 Individuen gehört jedes einer der 4 Gruppen von Formen, die resul-
tieren, an. Eines ist also rein in bezug auf die beiden dominanten Eigen-
schaften (AABB), also als einziges unter 9 dieser Gruppe, je eines ist
rein in bezug auf eine dominante und die andere rezessive Eigenschaft
(AAbb oder aaBB), also nur eines unter 3 dieser Gruppe, und eines ist
endlich rein in bezug auf die beiden Rezessiven (aabb). Da die letzte
Gruppe nur 1 von 16 enthält, sind also Individuen mit beiden rezessiven
Eigenschaften immer rein. Es würden also nur diese 4 von 16 Indi-
viduen bei Selbstbefruchtung rein weiter züchten (natürlich ebenso bei
Paarung mit einem anderen Individuum gleicher Konstitution), alle
anderen müssen nach Maßgabe ihrer Zusammensetzung weiterspalten.
3. Es werden unter den 16 Formen im ganzen nach ihrer Zusammen-
setzung 9 Genotypen vertreten sein, die im Schema mit I — IX be-
zeichnet sind, obwohl äußerlich sichtbar nur die genannten 4 Typen,
also Phänotypen, auftreten. I — IV sind die 4 reinen Formen, die eben
benannt wurden und die je 1 mal vorkommen. V und VI, die je 2 mal
sich finden, enthalten außer den beiden dominanten Eigenschaften
noch eine bzw. die andere Rezessive. VII und VIII, die sich ebenfalls
zweimal finden, enthalten eine bzw. die andere Dominante und zwei
Rezessive und endlich IX, der viermal vertreten ist, wird durch den
Besitz aller 4 Eigenschaften charakterisiert. Es werden also aus dem
Schema die 9 Formen abgelesen, die Mendel, wie wir gesehen haben,
gefunden und zur Kombinationsreihe zusammengestellt hatte.
Führen wir, um diese so instruktive Methode sicher zu beherrschen,
nun auch noch eine Kombination von 3 Eigenschaftspaaren durch,
wobei wir den von Mendel wirklich durchgeführten Fall betrachten,
daß gekreuzt werden 2 Pflanzen von der Beschaffenheit :
A runde Samen, a kantige Samen,
B gelbe Cotyledonen, b grüne Cotyledonen,
C graubraune Samenschale, c weiße Samenschale.
Der Bastard heißt also ABCabc und erscheint rund, gelb, graubraun.
Wenn er reine Gameten bildet, so können diese von 8 verschiedenen
157 —
Zusammensetzungen sein, entsprechend den 8 möglichen Kombinationen
der 3 Buchstabenpaare. Die Gameten lauten also:
ABC ABc AbC aBC Abc aBc abC abc
Ihre Kombination ergibt also 8 x 8 = 64 Möglichkeiten :
ABC ABc AbC aBC Abc aBc ab C
a b c
ABC
ABc
AbC
(7ÄC
Abc
<7 £^
a£ C
abc
ABC
ABC
A B C
ABC
ABC
A B C
,4^ C
ABC
ABC
! 1
! 2
!3
U
!S
! 6
'•7
18
AB C
ABc
^^ C
aBC
^6"
aBc
ß £ C
abc
ABc
ABc
ABc
^ /?<■
A Bc
ABc
ABc
ABc
ABc
!9
? 1
! 10
! 11
? 2
?3
! 12
U
ABC
ABc
Ab C
aBC
^<$c
aBc
aK
abc
A b C
Ab C
Ab C
A b C '
AbC
/2<$ C
AbC
y4<5C
AbC
!i3
!i4
;i
li5
; 2
! 16
; 3
; 4
ABC
ABc
AbC
ß^C
/*£*
aBc
ö 3 c
(7 5 C
aBC
aBC
aBC
aB C
aBC
a/> c
aBC
a /> C
aBC
!i7
! 18
I19
: 1
! 20
: 2
: 3
■ 4
ABC
ABc
^^ C
a 5 C
^0*
aBc
«0 c
abc
Abc
Abc
Abc
,4ac
^£<r
,4<5<:
Abc
Abc
Abc
! 21
?5
;s
! 22
-1
?6
;6
— 2
ABC
ABc
^43 c
aBC
^3<r
aBc
a £ 6"
(7 /> £
aBc
aBc
aBc
aBc
aBc
aBc
aBc
aBc
a#*
! 23
?7
!24
■ 5
?8
+ 1
: 6
+ 2
ABC
ABc
/*aC
«.5 C
<4<&<:
aBc
a b C
a 3 c
ab C
ab C
ab C
a<$ c
«* C
ab C
a b C
abC
ab C
!25
! 26
; 7
: 7
;8
: 8
Xl
X2
ABC
ABc
^ c
ö^C
^j*
0^
ab C
abc
abc
abc
a b c
abc
abc
abc
abc
abc
a b c
! 27
■'9
; 9
■ 9
-3
+ 3
X3
1
Dies Schema zeigt nun, daß im ganzen 8 verschiedene Samenarten
auftreten. 1. runde, gelbe, graubraune ABC, 2. runde, gelbe, weiße
ABc, 3. runde, grüne, graubraune AbC, 4. kantige, gelbe, graubraune
aBC, 5. runde, grüne, weiße Abc, 6. kantige, gelbe, weiße aBc, 7. kan-
tige, grüne, graubraune abC und 8. kantige, grüne, weiße abc . Die erste
— 158 —
Gruppe mit allen 3 dominanten Eigenschaften ABC ist mit ! gekenn-
zeichnet und umfaßt 27 von 64 Individuen. Unter diesen ist wieder
nur eines, das mit der fetten Zahl 1, rein. Die 2. — 4. Gruppe, die je 2
dominante und 1 rezessive Eigenschaft zeigen, also ABc, AbC, aBC
ist in je 9 Exemplaren vorhanden, bezeichnet mit ? ; : . Auch hier ist
immer nur je 1 Exemplar (mit der fetten Zahl) rein. Die 5. — 7. Gruppe
besitzt eine dominante und 2 rezessive Eigenschaften, also Abc, aBc,
abC, und kommt in je 3 Exemplaren vor, bezeichnet durch ■ — ■ + x
und auch hier wieder nur je ein reines Individuum. Endlich enthält
die 8. Gruppe mit allen 3 rezessiven Eigenschaften abc nur ein reines
Individuum.
Es erscheinen also sichtlich 8 verschiedene Typen und zwar sind
das, um uns nun wieder der alten Ausdrucksweise zu bedienen, Phäno-
typen. Denn nach der Gametenzusammensetzung sind 27 verschiedene
Typen, Genotypen, zu unterscheiden (bei 2 Eigenschaften waren es 9).
Würden wir sie im Schema auszählen, so fänden wir 8 reine Typen je
1 mal, 12 Typen mit je 2 Eigenschaften rein und der 3. unrein je 2 mal,
6 Typen mit je einer Eigenschaft rein und zweien unrein je 4 mal und
einen Typus mit allen 3 Eigenschaften unrein (also ABCabc) in 8 Exem-
plaren. Es lautet also die Phänotypenverteilung :
27 ABC : 9 AbC : 9 ABc : 9 aBC : 3 Abc : 3 aBc : 3 abC : 1 abc
Die genotypische Verteilung dagegen:
1ABC : \ABc : \AbC: laBC : \Abc : \aBc : \abC : \abc : zABCc : zAbCc:
zaBCc : zabCc : zABbC : zABbc : laBbC: laBbc : zAaBC : 2AaBc : 2Aal>C :
zAabc : \ABbCc : ^aBbCc : \AaBCc : \AabCc : \AaBbC: \AaBbc : SAaBbCc
In dem wirklichen Versuch Mendels waren die Zahlen der Pflanzen,
die sich als zu diesen 27 Genotypen zugehörig erwiesen :
S 4- 14 + 9 + 11 + 8 + 10 + 10 + 7 4- 22 4- 17 4- 25 4- 20 4- 15 4- 18 + 19
4- 24 4- 14 4- 18 4- 20 + 16 4-454-364-384-404-494-48 4-78
also in guter Übereinstimmung mit dem erwarteten Verhältnis:
1:1:1:1:1:1:1:1:2:2:2:2:2:2:2:2:2:2:2:2:4:4:4:4:4:4:8.
Wir sehen somit, wie auch für 3 Eigenschaften aus dem Kombi-
nationsschema alle Erwartungen des Versuchs herausgelesen werden
können. Da also die Erwartungen sich alle bei der Annahme der Rein-
— 159
heit der Gameten aus der Kombinationsrechnung ergeben, so lassen
sich natürlich alle Zahlenmöglichkeiten auf einfache Weise berechnen.
Wir haben gesehen, daß bei einem Paar von Eigenschaften oder Allelo-
morphen die Spaltung in F2 im Verhältnis von 3 : 1 eintritt, also in
— 4 — Individuen. Da sich das Verhalten bei mehreren Eigenschaften
4 4
nun aus dem der einzelnen Eigenschaften kombiniert, so muß für 2 Eigen-
schaften das Resultat sein
(3 + l\/3 + i) 9 +
U 4M 4 4' 16
und für 3 Eigenschaften
1 !
— 4
16^ 16
T l\3 27 Q T. I
- 4- - = — 4- * • — 4- 3 • — H
4^4/ 64 ^° 64 ^° 64^64
also das, was wir soeben im Kombinationsschema gesehen haben. All-
gemein also für n Eigenschaften = ( + I
Es beträgt somit die Anzahl der in F2 auftretenden Phänotypen 2W,
also bei 3 Eigenschaften 8. Unter diesen sind, wie wir gesehen haben,
ebenfalls 2n rein, und ebenso groß ist ja die Zahl der möglichen Ga-
metenarten des Bastards. Von diesen 2n Phänotypen zeigt einer die
Charaktere sämtlicher n (im Beispiel 3) dominanten Eigenschaften, je
einer den Charakter von n — - 1 Dominanten und 1 Rezessiven (im Bei-
spiel 2 Dom. und 1 Rez.), je einer den von n — 2 dominanten und 2
rezessiven (im Beispiel 1 Dom. und 2 Rez.) usw. und schließlich einer den
Charakter sämtlicher, also n rezessiven Eigenschaften. Die Zahlen-
verhältnisse dieser 2" Phänotypen sind die, daß unter 22" Individuen
(im Beispiel 22x3 — 64) 3" (also 33 = 27) sämtliche n Dominanten
haben, je 3" — -1 n — 1 Dominanten und 1 Rezessiv (33— l = 9), je
3n — 2 n — ■ 2 Dominanten und 2 Rezessive (3 3 — 2 = 3) und so weiter
bis 30 = 1 sämtliche Rezessive.
Wir können an dieser Stelle uns gleich auch mit der jetzt allgemein
üblichen Nomenklatur vertraut machen. Das was wir hier reine Typen
nannten, wird als homozygot bezeichnet und unreine als hetero-
zygot. Also eine Form ist in bezug auf eine betrachtete Eigenschaft
homozygot, wenn sie ihren Erbfaktor in gleicher Weise von beiden Eltern
erhielt, in zwei Portionen besitzt, in der Buchstabenformel für die be-
— 160 —
treffende Eigenschaft nur große oder nur kleine Buchstaben vorkommen;
sie ist darin heterozygot, wenn sie von beiden Eltern verschiedene
Eigenschaften erhielt, jede nur in einer Portion, in der Formel also ein
großer und ein kleiner Buchstabe steht. In bezug auf eine homozygote
Eigenschaft wird nur eine Sorte Gameten gebildet, in bezug auf eine
heterozygote zwei Sorten und bei Heterozygotie in mehreren Eigen-
schaften soviele als Kombinationsmöglichkeiten vorhanden. Das ist
also nur eine etwas anders geartete Ausdrucksweise.
Es ist wohl aus der Darstellung der wichtigsten Resultate Mendels
und ihrer Konsequenzen nicht nur der geniale Scharfblick dieses For-
schers sichtbar geworden, sondern auch die Tatsache verständlich, wieso
diese Untersuchungen bei ihrem wirklichen Bekanntwerden eine so
gewaltige Wirkung auf die gesamte Biologie ausübten. Konnte man
sich doch nichts Befriedigenderes vorstellen als den Gedanken, die
ganzen Erblichkeitserscheinungen in ein einfaches Gesetz fassen zu
können. Die außerordentliche Fülle von Tatsachenmaterial, die seit-
dem bekannt geworden ist und die in ihrer durch Mendels Arbeits-
methode gekennzeichneten Gesamtheit den „Mendelismus" zu einem
besonderen Wissenszweig der Biologie erhoben hat, hat so weittragende
Bestätigungen des Grundgedankens der Mendelschen Gesetze ge-
bracht, daß es heute nicht wenige Forscher gibt — und es sind gerade
die erfahrensten, — die überzeugt sind, daß es überhaupt nur eine Art
von Vererbung, die Mendelsche, gebe. Wir wollen deshalb in den
folgenden Vorlesungen die wichtigsten Tatsachen des Mendelismus an
Hand ausgewählter Beispiele kennen lernen.
Achte Vorlesung,
Die Dominanzregel. Reine f unvollständige, fluktuierende und
wechselnde Dominanz. Intermediäre und Mosaikbastarde. Die Ur-
sachen der verschiedenen Dominanzerscheinungen, ihre Erforschung
im biologischen und entwicklungsmechanischen Experiment.
Die Hauptgesetze, die aus Mendels Untersuchungen folgen, sind
i. die Dominanzregel, 2. das Gesetz der Spaltung der Eigenschaften
nach berechenbaren Verhältnissen, 3. die Reinheit der Gameten, aus
— 161 —
der die Spaltungsgesetze gefolgert werden, 4. die Zusammensetzung
der Organismen aus Erbeinheiten. Es wird also unsere erste Aufgabe
sein, zu verfolgen, wie weit die neu gefundenen Tatsachen diese Gesetz-
mäßigkeiten stützen und ausführen, und so wollen wir jetzt beginnen,
der Erscheinung der Dominanz unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Wir werden dabei bald erfahren, daß sie nicht ein eigentliches Gesetz
darstellt, sondern eine Regel, die allerdings in sehr vielen Fällen zu-
trifft. Schon die alte Bastardlehre wußte ja, wie geschildert wurde,
daß oft der Bastard ausschließlich die Charaktere eines der Eltern
zeigt, und wir sahen, daß schon Darwin versuchte, für solche Fälle
eine Regel zu finden. Die neueren Bastardierungsstudien haben nun
eine Fülle von Fällen echter Dominanz entdeckt, die sich auf alle er-
denklichen Arten von Eigenschaften im Tier- und Pflanzenreich be-
ziehen. Bateson, der Führer des modernen Mendelismus, füllt allein
mit der Aufzählung der Fälle viele Seiten seines berühmten Buches.
Um nur einige Beispiele zu nennen, so kann es sich handeln um quan-
titative Charaktere: Wir sahen bereits in Mendels Versuchen
hohen Wuchs über niederen bei Erbsen dominieren; umgekehrt domi-
niert das kurze Haar der gewöhnlichen Nagetiere (Kaninchen) über das
lange Angorahaar. Oder es betrifft Formcharaktere: Wir sahen
bei Mendels Erbsen runde Samen über kantige dominieren; bei Hüh-
nern dominieren die verschiedenartigen Kammformen wie Rosen- oder
Erbsenkamm über den gewöhnlichen Lappenkamm; die gewöhnlichen
Federn dominieren über die seidigen der Seidenhühner; der Kurzsteiß
mancher Hühnerrassen ebenso über seine normale Beschaffenheit.
Oder es betrifft Farben, das am meisten bearbeitete Gebiet: Wir sahen
bei Mendel gefärbte Erbsenblüten über weiße dominieren; bei den
Nagetieren dominieren die verschiedenen Färbungen über das albinotische
Weiß; rote Schneckenschalen dominieren über gelbe; der rote Flügel-
staub der mitteleuropäischen Callimorpha über den gelben der süd-
europäischen. Auch Zeichnungscharaktere kommen in Betracht: So
dominieren ungebänderte Schnecken über gebänderte, die Scheckung ge-
wisser Nagetierrassen über die Ganzfarbigkeit. Auch von physio-
logischen Charakteren ist entsprechendes bekannt: Rostempfäng-
lichkeit beim Getreide dominiert über relative Unempfänglich keit, das
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. II
— 162 —
Traben der Pferde über den Paßgang. Pathologische Charak-
tere sind sehr oft dominant über normale: So die Brachydaktylie oder
die Sechsfingrigkeit beim Menschen über die normale Beschaffenheit,
die Kurzschwänzigkeit der Manxkatzen über das normale Verhalten,
dagegen der normale Zustand des Labyrinths der Mäuse über die patho-
logische Veränderung, die das Tanzen bedingt. Und endlich sind auch
die Instinkte nicht zu vergessen: So dominiert der Brutinstinkt
der Hühner über sein Fehlen bei manchen Rassen, das absonderliche
Schreien ägyptischer Hühner über die gewöhnliche Lautgebung.
Diese wenigen Beispiele mögen genügen, wir werden ja auch ohne-
hin noch andere kennen lernen. Es handelt sich nun zunächst darum,
für die Fälle wirklicher Dominanz zu untersuchen, ob sich irgendeine
Gesetzmäßigkeit dafür feststellen läßt, welche Art von Eigenschaft
über eine andere dominiert. Versuche in dieser Richtung sind denn
auch mehrfach unternommen worden, ohne daß sie zu einem festen
Resultat geführt hätten. So glaubte man annehmen zu dürfen, daß
das phylogenetisch ältere Merkmal über das jüngere dominiere. In
den meisten Fällen dürfte es allerdings schwer zu entscheiden sein,
was phylogenetisch älter ist. Da aber, wo es sich feststellen läßt, wie
bei den Haustierrassen oder den Schmetterlingsaberrationen, trifft die
Annahme bald zu, bald nicht. Das kurze Haarkleid des wilden Kanin-
chens dominiert in der Tat über das Angorafell, das ein Produkt der
Domestikation ist, aber umgekehrt dominiert auch die gewiß nicht
phylogenetisch ältere Schwanzlosigkeit der Katzen über den normalen
Zustand, oder die melanistischen Aberrationen mancher Schmetterlinge
über die Normalform. Die Verallgemeinerung ist also sicher undurchführ-
bar. Etwas besser steht es mit einem anderen Versuch, der aus einer jetzt
allgemein üblichen Betrachtungsweise der Allelomorphe oder Merk-
malspaare, hervorgegangen ist. Bateson hat vorgeschlagen, die Merk-
malspaare unter dem Gesichtspunkt der presence und absence zu grup-
pieren, das heißt also die Annahme zu machen, daß immer das Vor-
handensein einer Eigenschaft deren Fehlen gegenüberstehe. Die Allelo-
morphe für die Mendelsche Erbsenfarbe hießen also gelb — kein gelb
( = grün), für die Fellfarbe der Nagetiere Farbe — keine Farbe ( = Al-
bino), Scheckung — keine Scheckung ( = ganzfarbig), für den Kurzsteiß
— 163 —
mancher Hühnerrassen Verhinderungsfaktor der Steißentwicklung —
kein solcher Faktor (= normaler Schwanz). Es unterliegt auch keinem
Zweifel, daß diese Art der Darstellung die rationellste, vor allem die
praktischste ist. Wenn sie nun außerdem auch auf einer realen Grund-
lage beruht, so ist es klar, daß das dominante Merkmal immer das an-
wesende sein muß. In vielen Fällen mag in der Tat diese Anschauung
auch richtig sein, wie in den angeführten Beispielen, und je weiter wir
in den mendelistischen Studien kommen, um so größer wird die Wahr-
scheinlichkeit der Annahme, die schon in vielen schwierigen Fällen
ihre Erklärungskraft bewährt hat. Wie weit sie allerdings wörtlich
richtig ist, ist eine andere Frage, die zunächst noch nicht entschieden
werden kann. Wenn etwa bei Helix die ungebänderte Schale über die
gebänderte dominiert, so ist das nur durch ad hoc gemachte Begriffs-
bestimmungen jener Annahme einzugliedern, ebenso wie bei den kurz-
steißigen Hühnern. Eine genauere Kenntnis des Wesens der Erbfak-
toren, die ja früher oder später errungen werden wird, kann in diesem
Punkt erst Sicherheit schaffen. Man wird also gut tun, jene An- und
Abwesenheitshypothese als vortreffliche Begriffsbestimmung zu be-
nutzen, der wahrscheinlich auch irgendeine innere Wahrheit zugrunde
liegt, so daß sie wohl einmal sich über den Rang einer heuristischen
Hypothese erheben wird und wir werden, wie alle Mendelianer, im
folgenden auch stets mit ihr arbeiten. Daß sie eine materielle Gesetz-
mäßigkeit für die Dominanzerscheinung aufstelle, kann man aber vor-
sichtigerweise noch nicht als sichergestellt betrachten.
Wie schwer, wenn nicht überhaupt unmöglich es sein muß, die Er-
scheinung einem bestimmten Gesetz unterzuordnen, geht vor allem
aus den Erscheinungen hervor, die man mit Kellogg, der den Aus-
druck von dem großen Pflanzenzüchter Luther Burbank übernahm,
als Idiosyncrasien bezeichnet. Eine und dieselbe Außeneigenschaft, also
etwa die Kokonfarbe des Seidenspinners, kann sich bei verschiedenartigen
Kreuzungen als Dominante oder Rezessive verhalten. So ergibt die
Kreuzung einer Istrianer Rasse mit goldgelbem Kokon mit einer chine-
sischen mit reinweißem Kokon in Fx reine Dominanz der goldgelben.
Wurden aber die gleichen Istrianer mit der Bagdadrasse gekreuzt, die
ebenfalls reinweiße Kokons bildet, so war in Fx weiß dominant. Das
ii*
— 164 —
nennt Kellogg — und Toyama und Coutagne haben das gleiche
festgestellt — Rassenidiosyncrasien. Es zeigt das eben, daß die Do-
minanz nicht eine absolute Eigenschaft eines Charakters ist oder sein
muß, daß sie auch relativ sein kann. Entsprechende Beispiele gibt es
aber auch aus anderen Tiergruppen. So beschreibt Bateson neben
weißdominanten Hühnerrassen auch weißrezessive, aber auch einzelne
rezessive Stücke in sonst weißdominanten Rassen, Miß Durham
findet bei Mäusen einen dominanten neben einem rezessiven Scheckungs-
faktor, dieselbe Blütenfarbe kann dominant oder rezessiv sein, je nach-
dem sie eine Chromatophorenfarbe oder Zellsaftfarbe ist. Mit der An-
nahme, daß es sich in solchen Fällen um ganz verschiedene Faktoren
handle, deren Produkt nur gleich aussieht (man hat für weiß dominante
Eigenschaften weiße Melaninpigmente herangezogen) läßt sich aller-
dings eine Eingliederung in die Presence-Absencetheorie vornehmen;
eine wirkliche Lösung ist aber wohl nur auf physiologisch-chemischem
Weg denkbar.
Nun wurde es bisher von uns als selbstverständlich angenommen,
daß da, wo Dominanz vorliegt, wirklich nur der dominante Charakter
sichtbar ist. Das bedeutet also, daß der Bastard, der das dominante
und das rezessive Merkmal zugleich enthält oder die Heterozygote,
wie wir von jetzt ab mit dem bereits in der letzten Vorlesung einge-
führten Terminus sagen wollen, von der reinen dominanten Stamm-
form oder Homozygote nicht äußerlich zu unterscheiden ist. (Der
Begriff Homozygote bedeutet natürlich, daß ein Merkmal nur rein
vorhanden ist, bezieht sich also sowohl auf dominante wie rezessive
Eigenschaften. AA, aa, AAbb, aabb, AABB sind alle homozygot; Aa
dagegen ist heterozygot, AABb ist in der Eigenschaft A homozygot,
in der Eigenschaft B heterozygot.) Es unterliegt auch keinem Zweifel,
daß das in einer genügenden Anzahl von Fällen zutrifft. Aber schon
bei Fällen scheinbar reiner Dominanz kann bisweilen der geschärfte
Blick des Züchters die Heterozygote von der Homozygote unterscheiden
wie ein jeder erfährt, der mit diesen Dingen arbeitet, und Mendel
selbst war sich über die Unvollkommenheit der Dominanz schon im
klaren. Und daran schließen sich dann solche Fälle an, bei denen zwar
äußerlich ein Unterschied nicht wahrzunehmen ist, die mikroskopische
— 165 —
Untersuchung aber Hetero- und Homozygoten unterscheiden läßt.
Von besonderem Interesse erscheinen hierfür die Befunde von Dar-
bishire, weil sie sich auf Mendels klassischen Fall der Dominanz
der runden Erbsen über kantige beziehen. Die Untersuchung der
Stärkekörner der rein dominantmerkmaligen Heterozygoten-Samen
zeigte nämlich, daß sie deutlich eine gemischte Beschaffenheit aus den
charakteristisch differenten Größen, Formen und Strukturen der
Stärkekörner der Elternpflanzen aufwiesen, so daß mit Hilfe des Mi-
kroskops sich Homozygoten und Heterozygoten ohne weiteres unter-
scheiden lassen. Wir werden dieses Ergebnis in der nächsten Vor-
lesung nochmals zu besprechen haben.
In nicht wenigen Fällen aber lassen sich die reinen Dominanten und
die Dominantrezessiven auch schon äußerlich unterscheiden, indem
letztere etwa den dominanten Charakter abgeschwächt zeigen. Be-
sonders Correns, Davenport, Bateson haben uns mit vielen solchen
Fällen bekannt gemacht. Bateson drückt dies auf Grund seiner An-
und Abwesenheitslehre so aus, daß in diesen Fällen zwei Portionen
des dominanten Charakters nötig sind, um ihn voll zur Ausbildung zu
bringen, eine Annahme, die jedenfalls eine treffende Beschreibung der
Tatsache bedeutet. So findet etwa Correns bei Kreuzung gelb- und
grünblättriger Wunderblumen, daß das dominante Grün in Fx heller
erscheint. Werden weiß dominante Hühnerrassen mit braunen ge-
kreuzt, so ist F1 weiß, die Tiere können aber im Gefieder braune Flecken
aufweisen, die Dominanz ist also unrein. Und gerade aus dem Gebiete
der Hühnerkreuzungen sind besonders durch Davenport eine ganze
Anzahl solcher Fälle bekannt geworden. So ist die gewöhnliche Kopf-
form gegenüber dem Vorhandensein eines Federbuschs rezessiv, trotz-
dem zeigte sich aber in Fx der Federbusch reduziert, wie umstehende
Figg. 62 — 64 zeigen. Das Fehlen der Federhose an den Schenkeln
dominiert über ihr Vorhandensein, aber einige Federn finden sich doch
in Fx. Ebenso dominiert das Vorhandensein einer 5. Extrazehe bei
vierzehigen Hühnerrassen über ihr Fehlen, aber in Fj findet man auch
Individuen mit schlecht ausgebildeter 5. Zehe, mit einer solchen nur
an einem Fuß oder gar überhaupt ganz vierzehige Tiere, die natürlich
deshalb trotzdem sich als echte Heterozygote erweisen. Um aber auch
166
eine andere Tiergruppe heranzuziehen, so stellte Standfuss bei seinen
später noch zu besprechenden Kreuzungen des Schmetterlings Aglia
tau mit seinen melanistischen Aberrationen fest, daß sich bei letzteren,
welche dominant sind, aufs deutlichste homozygote und heterozygote
Individuen unterscheiden lassen. Nebenstehende Fig. 65 zeigt die
Fig. 64.
62 Kopf des Minorcahuhns, 63 des polnischen Huhns, 64 des Bastards a X b. Nach
Davenport aus Godlewski.
Aglia tau ab. ferenigra in heterozygotem und homozygotem Zustand,
wobei das düsterere Aussehen der letzteren zu erkennen ist1. Diese
Beispiele ließen sich leicht aus allen Gruppen von Tier- und Pflanzen-
eigenschaften vermehren.
1 Plate hat für diesen Fall eine andere Interpretation versucht, ohne sie bisher
beweisen zu können.
— 167
Von diesen Fällen unvollständiger Dominanz sind dann solche nicht
zu trennen, zum Teil auch schon mit besprochen, bei denen eine Fluk-
tuation in der Erscheinung des dominierenden Merkmals zu erkennen
ist. Für die Extrazehe der Hühner wurde das schon Darwin bekannte
Verhalten erwähnt. Als Analogon kann noch die von Gates berichtete
Kreuzung zwischen einer stummelschwänzigen Schäferhündin und
einem schottischen Collie erwähnt werden, wobei in Fx Junge mit
Schwänzen verschiedener Länge auftraten. Ganz ähnlich liegt es auch
bei Kreuzung kurzsteißiger Hühner mit normalen, oder schwanzloser
Manxkatzen. Wir werden allerdings später bei Besprechung des Falles
Fig. 65.
Aglia tau v. ferenigra. a heterozygot, b homozygot. Photo, nach S tan dfuss scheu
Originalen.
der Vererbung der Ohrenlänge beim Kaninchen erfahren, daß der-
artige Resultate bei quantitativen Merkmalen auch anders erklärt
werden können.
Die unvollständige und fluktuierende Dominanz kann aber schließ-
lich auch in der denkbar extremsten Form auftreten, nämlich als Do-
minanzwechsel, der bald regellos, bald aber auch mit bestimmter Rege-
lung erscheint. Als regelloser Dominanzwechsel muß das bezeichnet
werden, was Kellogg nach seinen Seidenraupenkreuzungen als indi-
viduelle Idiosyncrasie im Gegensatz zu der schon erwähnten Rassen-
idiosyncrasie bezeichnet. Ein Beispiel aus seinen Zuchtlisten erläutere
dies. Bei einer Kreuzung von einem Männchen der reinen Bagdad-
rasse mit weißem Kokon mit einem Italienerweibchen mit salmfarbigem
Kokon hatte Yx lauter salmfarbige Kokons. Bei einer anderen Kreu-
— 168 —
zung zwischen einem Italienermännchen (salmfarbig) und Bagdadweib-
chen (weiß) hatte F1 lauter weiße Kokons. Bei einem anderen Versuch
von genau der gleichen Beschaffenheit wie der erstere hatten aber alle
Fx auch weiße Kokons. Es ist also eine bestimmte Regel nicht er-
sichtlich, wann weiß oder salmfarbig dominiert. Als unregelmäßiger
Dominanzwechsel muß es aber auch bezeichnet werden, wenn in Fx
ein Teil der Individuen die rezessive Eigenschaft zeigen. Kellogg
findet solche Fälle bei seinen Seidenraupen, ebenso Davenport bei
den verschiedenartigsten Hühnermerkmalen, so ist der Besitz eines
Kammes dominant über sein Fehlen, aber in 5 — 10% der F^Tiere
kann er ganz fehlen. Bei anderen Charakteren, wie Extrazehe, kann
der Prozentsatz der auftretenden Rezessiven auf 20% steigen, ja sogar
auf 50%, wie in Kelloggs Fällen oder dem Vorhandensein eines Nasen-
lappens bei Hühnern. Es ist das aber nicht etwa, wie man glauben
könnte, eine Spaltung in Fj_, denn die rezessivmerkmaligen Individuen
erweisen sich bei Weiterzucht in F2 trotzdem als echte Heterozygoten.
Es ist bisher noch nicht gelungen, in diese Erscheinungen eine Gesetz-
mäßigkeit zu bringen, die zweifellos dahinter stecken muß und alle
Tatsachen erklärt. Ein Teil von ihnen dürfte sich allerdings, wie To-
yama zeigte, dadurch auflösen lassen, daß die benutzten weißen Rassen
manchmal heterozygot waren aus dominantem und rezessivem Weiß,
so daß die scheinbar einheitliche Rasse WW, Ww oder ww sein konnte,
was natürlich dann ganz verschiedene Kreuzungsresultate liefern mußte.
Eine Regelmäßigkeit scheint dagegen in solchen Fällen vorzuliegen,
wo entweder die Dominanz während des individuellen Lebens wechselt,
oder wo sie je nach der Richtung der Kreuzung wechselt. Wenn Lang
zum Beispiel berichtet, daß bei Kreuzung roter und gelber Schnecken
in den ersten Schalenumgängen der jungen Tiere gelb dominiert, um
dann später durch rote Windungen abgelöst zu werden (ein Fall, den
Lang selbst allerdings jetzt anders zu erklären geneigt ist), oder wenn
Giard berichtet, daß bei Vogelkreuzungen oft das junge Tier sich mehr
dem einen, das erwachsene dem anderen der Eltern nähert, so sind das
in der Tat Illustrationen dieser Erscheinung. Ebenso tritt sie in einigen
der mehrfach erwähnten Davenport sehen Hühnerkreuzungen hervor.
Das Weiß der Leghornrasse ist dominant über Schwarz, aber das Ge-
— 169 —
fieder junger Hühner kann aus beiden Farben gemischt sein und geht
erst bei den Mauserungen in Weiß über. Schließlich sei noch ein instink-
tives Beispiel gegeben, bei dem gleichzeitig die unvollkommene, die
fluktuierende, die nach der Richtung der Kreuzung wechselnde und die
im Laufe der individuellen Entwicklung sich verschiebende Dominanz
zu erkennen ist. Es handelt sich um einen bestimmten Zeichnungs-
charakter der Raupen von Lymantria dispar und ihrer Varietät japonica.
In den folgenden Kurven Fig. 66 (S. 170) ist die Variationskurve des
Merkmals für die beiden Ausgangsrassen und ihre Bastarde gegeben,
oben nach der 1. unten nach der 5. Häutung. Man sieht daran, daß
die Bastarde zuerst eine unvollkommene und fluktuierende Dominanz
zeigen, die nach der Kreuzungsrichtung verschieden ist und zwar domi-
niert die mütterliche Rasse; später (untere Kurven) tritt aber eine
Dominanzverschiebung und Dominanzwechsel zu reiner oder fast reiner
Dominanz des ^'s/>ar-Charakters auf.
Diesen Fällen von reiner, unvollständiger, fluktuierender oder wech-
selnder Dominanz stehen nun solche gegenüber, bei denen von Domi-
nanz überhaupt nicht die Rede sein kann, sondern typischerweise in
Fx eine Vermischung der beiden elterlichen Charaktere stattfindet, so
daß eine Zwischenform, ein intermediärer Bastard entsteht. Es gibt
auch für diese Form des Verhaltens genügend Beispiele aus beiden Orga-
nismenreichen; man nennt oft auch einen Mendelfall mit intermediärer
Fx den Zea-Typus. Als besonders instruktiv ist ja der von Correns
berichtete Fall bekannt, daß bei Kreuzung der weißblühenden Wunder-
blume Mirabilis Jalapa mit einer rotblühenden die Fi-Generation hell-
rot blüht. Ganz das entsprechende stellt sich dar, wenn Hühner, die weiße
Eier legen, gekreuzt werden mit solchen, die braune legen; der Bastard
legt nach Batesons Studien intermediäre. Ganz besonders häufig
findet sich dies rein intermediäre Verhalten aber bei meristischen Merk-
malen, also solchen, die Größenverhältnisse betreffen. Hohes und nie-
deres Nasenloch bei Hühnern gibt in Fx ein mittleres, hoch- und nieder-
stengliger Mais mittlere Pflanzen, einfache und zusammengesetzte
Stärkekörner, wie wir schon für die Erbsen sahen, schwach zusammen-
gesetzte, lang- und kurzohrige Kaninchen solche mit mittleren Ohren.
Wie wenig sich dabei sagen läßt, wann in Fx Dominanz und wann ein
— 170 —
intermediäres Verhalten zu erwarten ist, geht besonders aus einigen
tierischen Beispielen hervor. Wenn Tower seine so oft erwähnten
100
90
80
70
60
50
W
3o
20
10
1 1
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j u p o vi i c A
Fig. 66.
Variationskurven eines Raupenmerkmals von L. dispar, japonica und ihre reziproken
Bastarde. Auf der Abszisse die Klassen des Merkmals. Oben nach der i., unten nach
der 5. Häutung.
Mutanten der Leptinotarsa mit der Stammform kreuzte, so trat,
wenn diese decemlineata war, Dominanz von deren Charakteren
gegenüber denen der Mutante ein. Wurde aber die Stammform multi-
— 171 —
taeniata mit ihrer Aberration rubicunda gekreuzt, so war Fx rein
intermediär. Lang fand sogar bei ein und derselben Kreuzung zwischen
Helix hortensis und nemoralis, daß einige Charaktere reine Domi-
nanz zeigten, oder wie man sich auch ausdrückt, sich alternativ ver-
erbten, andere aber intermediär erschienen. Dieser Fall wird uns aber
noch im anderen Zusammenhang begegnen. Eine entsprechende
Differenz kann sogar in einem Zusammenhang mit dem Geschlecht
stehen. Kreuzten Pearl und Surface die zwei Hühnerrassen Cornish
Indian Game x Barred Plymouth Rock, so trat in bezug auf die Kör-
pergröße bei den Männchen reine Dominanz nach ersterem der Eltern
ein, bei den Weibchen ein intermediäres Verhalten. Wir sehen hier,
wie schon einmal, Beziehungen zwischen Geschlecht und Vererbung,
die uns später noch ausführlich beschäftigen werden.
Als besonders merkwürdige Fälle einer echt intermediären Ver-
erbung müssen schließlich die sonderbaren Mosaikbastarde erwähnt
werden, bei denen sicli die beiden elterlichen Charaktere nicht mischen,
sondern nebeneinander auftreten. Solche Mosaikbastarde kommen ge-
legentlich bei Bastardierungen mit echter Dominanz in einigen Exem-
plaren vor. Werden etwa schwarze und weiße Nonnen, von denen
auch schon öfters die Rede war, gekreuzt, so erscheinen unter anderem
Mosaikbastarde mit schachbrettartigen weißen Zeichnungen auf dem
schwarzen Flügel in verschiedener Ausdehnung. Ein solcher mit nur
wenigen weißen Stellen ist in Fig. 67 reproduziert. Außer diesen ab-
normen Mosaikbastarden gibt es aber auch Fälle, in denen Ft typisch
den Charakter eines Mosaiks in mehr oder minder großem Prozentsatz
zeigt. So ergaben Kreuzungen von weißen und schwarzen Leghorn-
hühnern entweder weiße mit schwarzen Flecken, oder schwarz und weiß
gefütterte, oder solche, deren Sprenkelung so fein ist, daß ein gleich-
mäßiges Blau erscheint. Fig. 68 zeigt einen derartigen gesprenkelten
Bastard, dessen Eltern in Fig. 69, 70 ebenfalls dargestellt sind. End-
lich gibt es noch Fälle, in denen Fx typisch nur einen Mosaikcharakter
zeigt. Der bekannteste ist der der blauen Andalusierhühner, deren blaue
Farbe auf einem äußerst feinen Mosaik von schwarz und weiß beruht.
Es ist nun bekannt, daß diese Hühner nicht als reine Rasse Bestand
haben, und das hat sich so erklärt, daß sie Mosaikbastarde zwischen
172 —
schwarzen und weißen Rassen darstellen. Auch für die Mosaikbastarde
kennt man bei Hühnern Fälle, die schon Darwin berichtete, daß die
Mosaikbildung auf ein Geschlecht be-
grenzt ist. Wir werden ihnen später
wieder begegnen. Wir müssen üb-
rigens zu dem ganzen Kapitel der
Mosaikbastarde bemerken, daß es in
keiner Weise geklärt ist. In manchen
p. 6 Fällen mag der Mosaikcharakter
Mosaikbastard zwischen schwarzer und wirklich eine absonderliche Domi-
weißer Nonne mit wenigen weißen Mo-
saikflecken.
nanzform darstellen ; in anderen wird
ihm aber wohl etwas Komplizierteres
zugrunde liegen, nämlich eine' durch die Bastardierung geschaffene neue
Faktorenkombination. Wir werden das bald verstehen lernen.
Fig. 68.
Gesprenkelter Mosaikbastard zwischen den Eltern Fig. 69 u. 70. Nach Davenport
aus Godlewski.
— 173 —
Fig. 69.
Weißer Hahn. Vater des Mosaikbastards Fig. 68. Nach Davenport aus God'
1 e w s k i.
Es erhebt sich nun die Frage, ob sich für all diese Verschiedenheiten
der Dominanzerscheinungen eine Erklärung finden läßt. Ein Weg dazu
wäre der, eine Vorstellung
aus den allgemeinen men-
delistischen Anschauungen
über die Allelomorphe ab-
zuleiten. Wir haben bereits
gesehen, daß Bateson in
seiner presence- und absence-
Theorie ihn zu gehen sucht.
Ist es richtig, daß immer nur
die Anwesenheit eines Merk-
mals über sein Fehlen domi-
niert, dann ergibt sich fol-
gende Erklärung : Ist der betreffende Charakter derartig, daß er auch in
der Hälfte der Masse, die die reine, homozygote Form besitzt, schon ge-
Fig. 70.
Schwarze Henne. Mutter des Mosaikbastards Fig. 6S.
Nach Davenport aus G o d 1 e w s k i.
— 174 —
nügend zur Wirkung kommt, dann liegt reine Dominanz vor. Oder er ist
nicht so stark, hat nicht solche „Durchschlagskraft", dann erscheint er in
der Heterozygote mit nur halber Dosis abgeschwächt, die Dominanz
ist unrein. Oder aber seine Durchschlagskraft oder Potenz, wie Daven -
port sagt, ist individueller Variation unterworfen, dann erscheint
eine fluktuierende Dominanz, und wenn sie gelegentlich ganz versagt,
so spricht man von Wechsel der Dominanz, obwohl es sich nur um
fehlende Sichtbarkeit des positiven Faktors handelt: etwas nicht vor-
handenes, wie es die rezessive Eigenschaft unter diesem Gesichtswinkel
ist, kann ja nicht dominant d. h. anwesend sein. Wie unter dieser Auf-
fassungsweise ein absonderlicher Fall sich ausnimmt, mag folgender
Versuch Davenports illustrieren: Er kaufte 2 schwanzlose Hähne,
A und B, von denen es hieß, daß B der Sohn von A sei. A wurde mit
geschwänzten Hennen gepaart und die Nachkommenschaft war ge-
schwänzt. Im nächsten Jahr wurden die Bastarde untereinander und
die Weibchen mit ihrem Vater gekreuzt. Wenn die Schwanzlosigkeit
rezessiv wäre, müßten V4 der Nachkommenschaft ersterer Kreuzung
und V2 der zweiten schwanzlos sein. In Wirklichkeit waren alle ge-
schwänzt. Wurde nun aber der 2. schwanzlose Hahn mit den Bastarden
gekreuzt, so war die Hälfte der Nachkommenschaft schwanzlos. Die
Erklärung findet nun Davenport unter obigem Gesichtswinkel fol-
gendermaßen: Der Verhinderungsfaktor für Schwanzwachstum ist
dominant über sein Fehlen. Beim Hahn A war er aber. so impotent,
daß er weder bei der heterozygoten noch der homozygoten Nachkom-
menschaft sich durchsetzen konnte, während er bei B genügend potent
war. Man bemerkt die Ähnlichkeit dieser Erklärung mit einem Teil
der alten, so viel bekämpften Individualpotenz der Tierzüchter. Daß
die ganze Betrachtungsweise aber sehr befriedige, kann man wohl
nicht sagen.
Aus dieser kurzen Auswahl des auf die Dominanzerscheinungen be-
züglichen Materials geht wohl zur Genüge hervor, daß bei aller Be-
deutung, die ihnen zukommt, von einer Gesetzmäßigkeit wohl nicht
die Rede sein kann. Offensichtlich handelt es sich da um eine Er-
scheinung, die in hohem Grade labil ist und deren Zustandekommen
in dieser oder jener typischen oder atypischen Form von Faktoren
— 175 —
unbekannter Natur bedingt ist. Natürlich ist es durchaus verfehlt,
die Dominanz als i. Mendelsches Gesetz dem Spaltungsgesetz als 2.
gegenüber zu stellen oder gar einen Fall ohne Dominanz als nicht echten
Mendelfall zu betrachten. Die Dominanz kann bei Bastardierung
vorhanden sein, muß es aber nicht, ja es ist sogar nicht unwahrschein-
lich, daß eine vollkommene Dominanz bei genauster Betrachtung äußerst
selten ist. Die Hauptsache bleibt immer die Spaltung. Trotzdem stellt
aber das Wesen der Dominanz ein wichtiges Problem dar; es zu lösen
ist eine Aufgabe weiterer experimenteller Forschung. Die ersten Schritte,
die im biologischen Experiment in dieser Richtung durch Tower ge-
macht wurden, haben denn auch bereits zu höchst bedeutsamen Re-
sultaten geführt, falls sie sich bestätigen. Tower führte Kreuzungen
zwischen verschiedenen Arten des Koloradokäfers durch und kom-
binierte nun diese Bastardierungen mit experimenteller Beeinflussung
durch äußere Faktoren wie Temperatur und Feuchtigkeit, die während
der Befruchtungsvorgänge einwirkten. Es gelang ihm dabei, bei ein
und derselben Art von Kreuzung zwischen genotypisch durchaus iden-
tischen Tieren das verschiedenartigste Verhalten zu erzielen. Wurde
Leptinotarsa undecimlineata $ x L. signaticollis <§ gekreuzt und zwar
bei 570 Fahrenheit und 8o — go% Feuchtigkeit, so war Fx rein inter-
mediär. Die gleiche Kreuzung bei 89 — 950 und 84 — 100% Feuchtig-
keit ergab in F1 Dominanz des reinen mütterlichen Typus. Dieselbe
Kreuzung bei 80 — 1050 und 70 — 85% Feuchtigkeit ergab aber in Fx
die sämtlichen Übergänge zwischen väterlichem und mütterlichem Typus.
Bei einem anderen Versuch mit 75,6° Durchschnittstemperatur und
77,11% durchschnittlicher Feuchtigkeit hatte in Ft die Hälfte der Indivi-
duen genau den mütterlichen Typus, die andere Hälfte aber war inter-
mediär. Endlich, das merkwürdigste Resultat von allen : bei einer Kreu-
zung, die bei einer zwischen 59 und 98 ° schwankenden Temperatur und
einer Feuchtigkeit zwischen 40 und 95% vorgenommen wurde, erschien in
F1 der väterliche, der mütterliche und ein intermediärer Typus. Es war
also gelungen, bei ein und derselben Kreuzung — ■ zum Teil wurden so-
gar die gleichen Eltern zu verschiedenen Experimenten mit typischem
Erfolg benutzt — durch wechselnde äußere Bedingungen, intermediäre
Vererbung, reine und fluktuierende Dominanz, Dominanzwechsel und
176
Kombinationen der verschiedenen Formen hervorzurufen. Hand in
Hand mit diesen Resultaten gingen auch noch Besonderheiten der
Spaltungserscheinungen, die wir später kennen lernen werden. Zweifel-
los sind diese Versuche ein sehr vielversprechender Anfang, auf exaktem
Weg in die Ursachen der Gestaltung der
F1 Generation einzudringen. In größerem
Maßstabe sind Versuche zur Klärung der
Dominanzfrage aber bisher nur auf an-
derem Wege angestellt worden, nämlich
im entwicklungsphysiologischen Experi-
ment. Allen diesen Versuchen haften
a
Fig. 71.
Pluteuslarve von Echinus microtuber-
culatus von vorn mit typischem Ske-
lett. Nach Boveri aus Godlewski.
Fig. 72.
Pluteus von Sphaerechinus granularis von
vorn. Nach Boveri aus Godlewski.
allerdings von vornherein zwei Schwierigkeiten an : Während die Mendel -
experimente fast ausschließlich sich auf sehr naheverwandte Tierrassen
beziehen, arbeiten jene Versuche mit Vertretern oft recht weit aus-
einanderstehender Arten, ja Gattungen, Familien und Ordnungen.
177
Die Resultate sind also nicht ohne weiteres zu vergleichen. Sodann
beziehen sich die Ergebnisse nicht auf ausgewachsene Tiere, sondern
Larvenstadien, die ja spezifische Anpassungsformen an die Lebens-
weise darstellen. Da derartige embryonale Charaktere aber in sehr
verschiedenartigen Beziehungen vor allem zu dem gegebenen stofflichen
Substrat der Entwicklung stehen, ist es sehr gefährlich, das hier ge-
fundene ohne weiteres auf die Dominanzerscheinungen in Mendel -
fällen zu beziehen. Trotzdem sind die Ver-
suche von größtem Interesse und versprechen
zweifellos noch mancherlei Aufklärung, aller-
dings vielleicht auf ganz anderen Gebieten.
Wir werden später, wenn wir auf die Chro-
mosomenlehre zurückkommen, wieder an
diese Versuche anzuknüpfen haben und
sehen, wie sich die Resultate auf zellulärer
Basis erklären. Hier seien sie also nur
unter dem Vorbehalt angeführt, daß sie
trotz äußerer Ähnlichkeit innerlich nichts
mit der Dominanzfrage zu tun haben.
Die wesentlichen dieser Experimente
benutzen als Material ausschließlich die
Larven der Echinodermen, vor allem der
verschiedenen Seeigelarten, des klassischen
Objekts der Entwicklungsphysiologie. Sie
basieren alle einmal auf den Bastard-
,r,, i r\ j r> rr X Sphaerechinus Cj von der Seite.
befruchtungsversuchenvonO.undR.Hert- NachFBoveri aus Godlewski.
wig, sodann auf Boveris berühmten Ex-
perimenten über die Bastardbefruchtung kernloser Eifragmente. Das
Hauptmerkmal, nach dem das Resultat bemessen wird, ist der Bau des
Skeletts der Pluteuslarve, welcher für die einzelnen Formen typisch
different ist, und es handelt sich nun um die Frage, wie das Skelett der
Bastardlarven im Verhältnis zu dem der Eltern normalerweise gebaut
ist und wie weit sich der Bastardcharakter experimentell beeinflussen
läßt. Die Art der verwendeten Charaktere sei durch die nebenstehenden
Figg. 71 — 75 klargelegt, die die Elternlarven und die möglichen Haupt-
Fig. 73-
Intermediärer Bastard Echinus (J
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl.
12
— 178 —
typen des Bastards bei dem wichtigsten Objekt, der Echinus — Sphaer-
e c hi n us Kreuzung zeigen. Fig. 71 zeigt das charakteristische Echinus-Ske-
lett von vorne, ausgezeichnet durch die einfache Gestaltung des Scheitel-
stabs 5 und des Analstabs a. Fig. 72 zeigt die aus mehreren gegitterten
Längsstäben zusammengesetzten Analstäbe von Sphaer echinus und
die hirschgeweihförmigen Scheitelstäbe. Fig. 73 gibt, diesmal von der
Seite gesehen, einen richtig intermediären Bastard zwischen beiden
wieder, Fig. 74 einen matroklinen Bastard von nahezu Sphaerechinus-
Fig. 74. Fig. 75.
Matrokliner Bastard der Kreuzung wie in Patrokline Bastardlarve der Kreuzung wie in
Fig. 73. NachHerbstaus Godlewski. Fig. 73. Nach Herbst aus Godlewski.
typus und Fig. 75 einen patroklinen, nahezu Echinustypus zeigenden
aus der gleichen Kreuzung. Wenn wir nun die vorliegenden Tatsachen
betrachten, so zeigt es sich, daß zwei völlig verschiedene Typen des
Verhaltens der Charaktere im Bastard bei verschiedenartigen Kreu-
zungen zu unterscheiden sind. Bei dem einen Typus ist der Bastard
intermediär und zwar mit allen Übergängen von dem reinen väterlichen
bis zum reinen mütterlichen Charakter. Bei dem anderen Typus besitzt
der Bastard aber ausschließlich mütterliche Charaktere. Letzteren
Fall nun können wir sogleich als für unser Problem irrelevant aus-
— 179 —
scheiden. Es hat sich nämlich, vor allem durch die Untersuchungen
von Kupelwieser, Baltzer, Godlewski gezeigt, daß in den meisten
Fällen es sich hier gar nicht um eine alternative Vererbung mit mütter-
licher Dominanz handelt, sondern um etwas, was viel mehr einer Par-
thenogenese als einer Bastardierung gleicht. Je nach der Art der aus-
geführten Kreuzung nimmt nämlich die Substanz des Spermakerns
von Anfang an gar nicht an der Entwicklung teil, oder es nimmt nur
ein Teil seiner Chromosomen daran teil, oder sie nimmt eine Zeitlang
daran teil, um später eliminiert zu werden, wie Baltzer zeigte. Da
wir nun in den Chromosomen die Träger der Vererbung sehen, wie in
der ersten Vorlesung besprochen wurde, eine Annahme, deren Be-
gründung wohl noch immer auf den sichersten Füßen steht, so ist eine
Entwicklung ohne väterliche Chromosomen keine Bastardentwicklung,
sondern eine Art Parthenogenese. Könnte man von einem solchen
Bastard F2 ziehen, so könnte er natürlich nicht spalten. Es bleiben
also für den Vergleich mit der Mendehchen Dominanz zunächst nur
jene Seeigelbastardierungen, bei denen nachgewiesenermaßen eine
richtige Befruchtung und normales Verhalten der väterlichen Elemente
statthat, wofür die typische Kreuzung die oben abgebildete Sphaer-
echinus $ x Echinus <$ darstellt. Merkwürdigerweise gehört die rezi-
proke Kreuzung dem anderen Typus an, indem nach Elimination der
meisten väterlichen Chromosomen der rein mütterliche Typus erscheint.
Es ist also eine Tatsache, daß bei der Kreuzung Sphaerechinus $
x Echinus <$ wie anderer analoger Fälle die Bastardlarve, wie Boveri
zuerst feststellte, meist gemischte Charaktere aufweist, daneben aber
matrokline und patrokline Formen auftreten, und wie Seeliger und
Stein rück zeigten, auch Larven von rein väterlichem Typus. Es
fragt sich nun, ob dieser Ausfall experimentell zu beeinflussen ist, so-
mit eine Verschiebung der Vererbungsrichtung bzw. ein Übergang
von intermediärer zu alternativer Vererbung sich erzwingen läßt. Daß
das der Fall ist, kann denn auch in keiner Weise bezweifelt werden,
wenn auch die Ursachen durchaus noch nicht als geklärt betrachtet
werden können. Zunächst könnten äußere Ursachen dafür verant-
wortlich zu machen sein. Vernon, der die ersten planmäßigen Ver-
suche ausführte, fand, daß in den Sommermonaten die Bastarde mehr
12*
— 180 —
nach der Mutter, im Herbst und Winter mehr nach dem Vater schlugen.
Der Verdacht, daß es sich dabei um Temperaturunterschiede handelt,
wurde von Doncaster bestätigt, der durch Temperaturversuche den
entsprechenden Effekt erzielen konnte. Von anderer Seite wird aller-
dings dann Temperatur und Jahreszeit nur als Begleiterscheinung der
eigentlich maßgebenden Faktoren chemischer Natur betrachtet. Ten-
nent gibt nämlich an, daß bei Kreuzung von Hipponoe x Toxo-
pneustes die Alkalinität des Wassers für den Erfolg entscheidend sei,
indem eine höhere Konzentration der OH-Jonen Dominanz von Hip-
ponoe, eine niedere aber die von Toxopneustes bedingt.
Nach den auf breiter Basis durchgeführten Experimenten Herbsts
scheint es aber, daß der Einfluß der äußeren Faktoren nur ein sehr
geringer ist, vielmehr innere Faktoren die Hauptrolle spielen. Als
solche betrachtet Herbst quantitative Verhältnisse zwischen der Menge
der Kernsubstanz des mütterlichen und väterlichen Kerns. Tatsäch-
lich gelang es ihm, eine Verschiebung der Vererbungsrichtung zu den
normalerweise selten auftretenden rein mütterlichen Larven dadurch
zu erzielen, daß er den Eiern vor der Bastardbefruchtung einen Anstoß
zur künstlichen Parthenogenese gab, wobei solche quantitative Ver-
schiebungen statthaben. Wenn auch das tatsächliche Ergebnis,
die Möglichkeit der Verschiebung der Vererbungsrichtung, feststeht,
so ist die Erklärung aus kernquantitativen Verhältnissen doch nicht
unangefochten. Zudem stellt sich in den neusten Versuchen von Herbst
heraus, daß auch in diesen Fällen ein abnormes Verhalten der Chromo-
somen eine Rolle spielt, so daß wahrscheinlich auch hier zwar im Ex-
periment die Vererbungsrichtung verschoben wurde, die Dominanz
aber überhaupt nicht in Betracht kommt. Es müssen also diese Ver-
suche, wie andere, später zu besprechende, so wichtig sie für andere
Fragen sind, für unser Thema zunächst ausscheiden. Aber vielleicht
zeigen sie einen Weg, auf dem wohl auch die biologischen Erscheinungen
der Mendelschen Dominanz weiter analysiert werden können. Denn daß
die Dominanz eine fließende und verschiebbare Erscheinung ist, kann nach
allem Vorausgegangenen keinem Zweifel unterliegen. Sie völlig in die Hand
des Experimentators zu bekommen, ist das in weiter Ferne winkende Ziel.
— 181 —
Neunte Vorlesung»
Das Spaltungsgesetz. Einfache Fälle von Mono-
und Dihybridismus»
Wenn sich nach dem, was wir in der letzten Vorlesung erfahren
haben, die Dominanz- oder Prävalenzregel zwar als eine sehr bedeutungs-
volle Erscheinung erwies, nicht aber als eine Gesetzmäßigkeit von
ausschließendem Charakter, so kommen wir nunmehr zu der eigent-
lichen Haupterscheinung des Mendelismus, dem Spaltungsgesetz, das
sich in der Tat als ein Gesetz von ganz überraschender Gültigkeits-
breite erwies. Nichts kann so sehr seine hohe Bedeutung illustrieren
wie die Tatsache, daß sich nach Mendelscher Analyse eines Vererbungs-
falles mit absoluter Genauigkeit das Resultat irgendeiner Kreuzung
innerhalb der gleichen Merkmalsserie voraussagen läßt und zwar, wie
wir sehen werden, Resultate, die sich sonst in keiner Weise erwarten
ließen. Seit der Wiederentdeckung Mendels ist denn auch gerade in
diesem Punkt eine ganz außerordentliche Fülle von Tatsachenmaterial
zutage gefördert worden, so reich, daß es bereits ein besonderes, um-
fangreiches Wissensgebiet darstellt. Wenn wir uns nun einen Über-
blick über dieses Material verschaffen wollen, so geschieht dies am
besten wohl in der Weise, daß wir an Hand einzelner ausgewählter
Beispiele uns die verschiedenen Arten der Spaltung vom einfachen
zum komplizierteren fortschreitend vor Augen führen und dabei, ohne
in Betrachtung aller Spezialfälle und noch ungeklärter Einzelheiten
einzutreten, uns gewissermaßen das Gerippe des Mendelismus oder
richtiger seines Kardinalpunktes, des Spaltungsgesetzes, herausarbeiten.
Wenn man mit Hilfe der Bastardierung die Eigenschaften eines
Organismus und ihr erbliches Verhalten analysiert, so muß man sich
von vornherein darüber klar sein, daß eine solche Analyse nur eine
relative sein kann. Ein direkt an Mendel anknüpfendes Beispiel
vermag das am besten zu illustrieren. Mendel untersuchte, wie wir
sahen, das erbliche Verhalten eines Einheitscharakters seiner Erbsen,
die runde oder kantige Form. Darbishire konnte nun zeigen, daß
dieser Charakter mit der Anwesenheit einer ganzen Reihe selbständiger
— 182 —
Erbfaktoren verknüpft ist. Einmal spielt, wie auch äußerlich sichtbar,
die Samenschale eine Rolle. Sodann sind aber auch die Stärkekörner
typisch verschieden und zwar in zwei verschiedenen Beziehungen, die
wohl selbständig vererbt werden. Bei der runden Erbse sind sie näm-
lich groß, kartoffelförmig und einfach, bei der kantigen klein, rund
und zusammengesetzt. Der Bastard F1 enthält aber große, runde,
einfache und zusammengesetzte. Außerdem haben die runden Samen
eine geringere Absorptionsfähigkeit für Wasser als die kantigen und
auch hierin ist Fx intermediär. Es besteht also möglicherweise der
eine sichtbare Charakter aus 5 differenten, die in ihrem gesamten Ver-
halten sich nicht von dem einer einzelnen Erbeinheit unterscheiden.
Die Analyse der Erbeinheiten ist also jeweilig eine relative; wir werden
das später noch öfters erfahren. Aber auch solche Relativität ist an
sich eine für den Mendelismus bedeutungsvolle Tatsache. Wenn, wie
wir schon sahen, eine jede Eigenschaft sich selbständig und stets nach
dem gleichen Gesetz vererbt, so muß die Summe einer Anzahl von
Eigenschaften, die als solche unanalysiert eine Einheit höherer Ord-
nung bilden, sich ja ebenso verhalten, wie die letzte isolierbare Einzel-
eigenschaft. Da eine Grenze der Analyse einer scheinbaren Einheits-
eigenschaft nicht denkbar ist, so bleibt solchen Studien wohl dauernd
der Charakter der Relativität erhalten.
Wenn wir uns also nunmehr der Betrachtung der Mendelspaltung
zuwenden, so wird es wohl nicht nötig sein für jeden Einzelfall aus-
zuführen, durch welche verschiedenartigen Kreuzungen und Rück-
kreuzungen die betreffenden Forscher die Richtigkeit ihrer Resultate
und Interpretationen feststellten, die ja nur dann erwiesen ist, wenn das
Resultat einer jeden mit dem betreffenden Material ausgeführten Paarung
die vorausberechenbaren Werte zeigt. Die Methode, wie das zu ge-
schehen hat, geht ja ganz selbstverständlich aus Mendels eigenen Ver-
suchen hervor, die wir deshalb so ausführlich besprochen haben. Uns
mag daher in den meisten Fällen die Feststellung des Endresultats
genügen. An der Spitze unserer Betrachtung müssen natürlich zunächst
die einfachen Mendel fälle stehen, die sich ohne weiteres aus Mendels
eigenen Ergebnissen erklären und die uns nur ein paar mögliche Varian-
ten nebst den praktischen Zahlenkonsequenzen vor Augen führen sollen.
— 183 —
Wir werden so vom Elementaren ausgehend allmählich zum Schwie-
rigeren gelangen. Stellen wir zunächst dem einfachen Mendelschen
Monolrybridenfall auch ein Beispiel aus dem Tierreich zur Seite, Längs
Kreuzungen von Varietäten der Helix hortensis.
Bei dieser in der Zeichnung ihrer Schale stark variierenden Schnecke
gibt es unter anderem als erbliche Rassen gelbe ungebänderte Formen
und gelbe mit 5 schwarzen Bändern. Diese wurden dann miteinander
bastardiert. Die Versuche sind dadurch besonders schwierig, daß die
Schnecken Zwitter sind. Nun kommt, was zuerst festgestellt werden
mußte, Selbstbefruchtung zwar in der Regel nicht vor, wenn sie auch
ausnahmsweise stattfindet. (Bei anderen Schnecken ist sie dagegen
häufig.) Aber nach der Befruchtung wird das Sperma jahrelang im
Receptaculum seminis aufbewahrt, so daß nur mit isoliert aus dem
Ei gezogenen Individuen gearbeitet werden kann. Diese erlangen aber
erst nach 2 bis 4 Jahren die Geschlechtsreife. Die Kreuzung ergab
nun in Fx Dominanz der ungebänderten Individuen (Fig. 76). In einem
Versuch z. B. bestand Fx aus 107 ausschließlich ungebänderten Tieren.
F2 aber spaltete nach Inzucht erwartungsgemäß in 3/4 ungebänderte
und y4 gebänderte: Die wirklichen Zahlen eines Versuchs sind 31 un-
gebänderte : 10 gebänderten. Nach dem oben Entwickelten muß für
diese F2-Formen nun die Formel gelten AA : Aa : aA : aa. Die gebän-
derten sind natürlich die rezessiven aa, die rein weiterzüchten müssen.
Die 3/4 dominantmerkmaligen müssen aber aus l/3 reinen Dominanten
und 2/3 Dominantrezessiven bestehen, die hier bei völliger Dominanz
äußerlich nicht unterscheidbar sind. Bei selbstbefruchtenden Pflanzen
trennt nun selbstverständlich die isolierte Weiterzucht in F3 die reinen
Dominanten und die weiter spaltenden Dominantrezessiven leicht von-
einander. Bei Tieren mit Wechselbefruchtung ist die Analyse schwie-
riger. Werden die dominantmerkmaligen Individuen miteinander ge-
paart, so sind natürlich folgende Möglichkeiten gegeben: 1. Man hat
zufällig 2 reine Dominanten AA herausgegriffen, dann bleibt eben
auch die Nachkommenschaft rein. 2. Man hat, was viel häufiger statt-
finden wird, zwei Heterozygoten, die Dominantrezessiven Aa oder aA
verwendet, dann muß die Nachkommenschaft wieder im Verhält-
nis von 3 : 1 spalten, denn es liegt ja alles genau ebenso, wie bei der
184 —
&M
r
<
<
V
i <
< \
<
<
ö züchtet reiN
züchtet rein
*? spaltet 3:1
< 5
pa.L1et
3:1
<; züchtet rein
o züchtet rein
<
spadet
3:1
Spallel 3:1
<
5 zuchlet rein
^ züchtet rein
pt-,
p—
Fig. 76.
Schematische Darstellung der Ergebnisse von Längs Kreuzung ungebänderter und
gebänderter Varietäten von Helix hortensis.
— 185 —
Fortpflanzung der Bastarde von Fx. 3. Man wählte zufällig eine
reine Dominante AA und eine Heterozygote Aa. Es muß dann genau
das gleiche sich ereignen, als wenn der Bastard von Fx Aa mit seinem
dominanten Elter AA gekreuzt würde, also das gleiche wie bei einer
Rückkreuzung. Deren Resultat ergibt sich ohne weiteres,, wenn wir
uns die Gameten wieder klar machen: AA bildet nur Gameten A, Aa
bildet Gameten A und a. Es sind also die Gametenvereinigungen
möglich
AA Aa .1.1 Aa
Das heißt, die Hälfte der Nachkommen muß sein AA, also rein un-
gebändert, die andere Hälfte Aa, also heterozygot, aber auch unge-
bändert aussehend. Die Nachkommen der 3. Möglichkeit wären also
alle ungebändert, wie die der ersten, aber die Hälfte von ihnen wären
heterozygot, wie die nächste Generation nun wieder erweisen würde.
Lang erzielte nun in der Tat bei seinen Versuchen diese erwarteten
Resultate in annähernd den richtigen Zahlenverhältnissen.
Wir haben in der vorigen Vorlesung erfahren, daß in sehr vielen
Fällen der Bastard in Fx einen intermediären Charakter zeigt (Zea-
typus). Wenn das der Fall ist, muß natürlich bei der Spaltung in F2
der Unterschied zwischen den reinen Dominanten und den Hetero-
zygoten deutlich in Erscheinung treten, die Spaltung muß stattfinden
in y4 dominantmerkmalige, 2/4 intermediäre und y4 rezessive. Nur
die intermediären würden dann in F3 weiterspalten. Als besonders
instruktive Illustration möge umstehende Fig. yy dienen, die Lock
im Anschluß an Punett publizierte. Sie zeigt in der ersten Reihe die
Blüten der beiden Primeln Primula sinensis und stellata, in der zweiten
Reihe den intermediären Bastard, auch P. pyramidalis genannt. Die
dritte Reihe gibt die Spaltung in F2 wieder in y4 sinensis, 2/4 pyrami-
dalis, y4 stellata. Ein ebenso charakteristischer zoologischer Fall wurde
auch bereits erwähnt, der Fall der Farbe der Andalusier- und Breda-
hühner. Diese von den Züchtern blau genannten Formen sind nie in
Reinzucht zu halten; und das kommt daher, daß sie intermediäre Ba-
starde zwischen einer schwarzen und einer schmutzig-weißen Rasse
darstellen. Danach müssen sie, wenn miteinander gepaart, spalten
in y4 schwarze, 2/4 blaue, x/4 schmutzigweiße. Das ist in der Tat
— 186 -
der Fall: Bateson und seine Mitarbeiter fanden als Resultat 41 schwarze:
78 blaue : 3g weiße. Wir werden übrigens später auf mögliche Kom-
plikationen dieses Falls zurückkommen.
Schließen wir nun an diese Fälle Mendel scher Monohybriden einen
solchen eines Dihybridismus an. Für Pflanzen haben wir ja schon ein
Beispiel in Mendels eigenen Studien kennen gelernt. Als einen be-
sonders instruktiven Fall aus dem Tierreich, wertvoll besonders auch
&0 Ott
Fig. 77.
Kreuzung von Primula sinensis X stellata (1. Reihe). In der 2. Reihe der inter-
mediäre Fj-Bastard P. pyramidalis. In der 3. Reihe die Spaltung in F2 in 1 sinensis:
2 pyramidalis : 1 stellata. Aus Lock.
wegen seiner großen Zahlen, wollen wir eine der zahlreichen Kreuzungen
betrachten, die von Toyama, Coutagne, Kellogg beim Seiden-
spinner Bombyx mori angestellt wurden.
Toyama kreuzte zwei Rassen, die sich in folgenden 2 Merkmalen
unterschieden: die eine produziert ungezeichnete Raupen, die sich in
gelbe Kokons einspinnen, die andere gestreifte Raupen, die weiße Ko-
kons spinnen. Vom Aussehen der beiden Raupenarten gibt neben-
stehende Fig. 78 ein gutes Bild. Da alle Nachkommen in Fx gestreift
waren und gelbe Kokons anfertigten, erwiesen sich diese Eigenschaften
als dominant; es besaß also jeder der Eltern ein dominantes und ein
- 187
'
Fig. 78.
Zuchtkörbe mit weißen und gestreiften Seidenraupen. Nach Toyama
— 188
rezessives Merkmal. Bezeichnen wir die Eigenschaft gestreift (striatus)
mit S, nicht gestreift mit s, gelb (flavus) mit F und nichtgelb = weiß
mit /, so heißen die beiden Eltern
Sf x sF,
der Bastard somit SfFs, also Gestreift-Gelb. Nach dem früher mit-
geteilten muß er 4 Arten von Gameten bilden, nämlich SF, Sf, sF, sf;
diese ergeben dann in F2 16 Kombinationen, nämlich
SF
Sf
sF
'/
SF
SF
SF
SF
gestreift
gestreift
gestreift
gestreift
gelb
gelb
gelb
gelb
SF
Sf
sF
'/
s/
Sf
Sf
Sf
gestreift
gestreift
gestreift
gestreift
gelb
weiß
gelb
weiß
SF
Sf
sF
'/
s F
sF
sF
sF
gestreift
gestreift
ungezeicbnet
ungezeichnet
gelb
gelb
gelb
gelb
SF
Sf
sF
*/
sf
sf
sf
*/
gestreift
gestreift
ungezeichnet
ungezeichnet
gelb
weiß
gelb
weiß
Es müssen also gebildet werden 9 gestreift -gelbe : 3 gestreift-weiße :
3 ungestreift-gelbe : 1 ungestreift-weiße. Die wirklichen Zahlen To-
yamas stimmen damit in wundervoller Weise überein, nämlich:
1. Gestreift-gelbe SF 6385 Indiv. = 56,38% = etwa 9
2. Gestreift -weiße Sf 2147 „ = 18,96% = etwa 3
3. Ungezeichnet-gelbe sF 2099 ,, = 18,53% — etwa 3
4. Ungezeichnet weiße sf 691 ,, = 6,1 % = I.
Wurde aus diesen 4 Gruppen nun F3 gezogen, so mußte folgendes
eintreten, wie aus der Zusammensetzung der Formen im Kombinations-
schema sich ablesen läßt:
A. In der 1. Gruppe, die beide Dominanten zeigte, waren im gleichen
Phänotypus nach ihrer genotypischen Zusammensetzung verschieden-
— 189 —
artige Individuen enthalten: i. solche vom Charakter SF SF, die
also in beiden dominanten Charakteren rein waren, welche zu Y9 vor-
handen sein mußten; 2. solche vom Charakter SFsf, die also in beiden
Charakteren heterozygot waren und sich, wie leicht am Kombfnations-
schema nachzuzählen, in 4/9 der Exemplare fanden; 3. solche vom
Charakter SSFf, also homozygot im Charakter S, aber heterozygot
im Charakter F, und diese finden sich zu 2/9. Endlich 4. solche vom
Charakter SsFF, also im anderen Charakter heterozygot, im anderen
homozygot, ebenfalls zu 2/9. Da nun die verschiedenen Genotypen äußer-
lich nicht zu unterscheiden sind, so kann der Zufall bei der Paarung dieser
F2-formen folgende Partner zusammenbringen: 1. Den ersten Typus mit
sich selbst oder jedem anderen, dann muß die Nachkommenschaft immer
nach SF aussehen, da stets beide Dominanten vorhanden sind. 2. Der
2. Typus mit sich selbst; dann liegt das gleiche vor, wie wenn Fx in
Inzucht weiter gezüchtet wurde, nämlich SFsf x SFsf, also muß
Spaltung in die 4 Typen im bekannten Verhältnis eintreten. 3. Der
2. Typus mit dem 3., also SFsf x SSFf. Ersterer hat die Gameten
SF, Sf, sF, sf, letzterer nur SF und Sf, es sind also 8 Kombinationen
möglich, von denen 6 SF enthalten, 2 Sf; es ist also eine Spaltung in
SF und Sf zu erwarten im Verhältnis 3:1. 4. Typus 2 kommt mit
Typus 4 zusammen. Typus 2 hat wieder die Gameten SF, Sf, sF, sf,
Typus 4 aber nur SF, sF. Von den 8 möglichen Kombinationen ent-
halten also 6 wieder SF, 2 aber nur sF, also ist Spaltung zu erwarten
in die Phänotypen SF : sF = 3 • : I. 5. Der 3. Typus kann mit dem
2. zusammenkommen, das ist natürlich das gleiche wie der umgekehrte
Fall 3. 6. Der 3. Typus kann mit seinesgleichen zusammenkommen.
Da er nur in bezug auf die Eigenschaft Ff heterozygot ist, so muß also
das gleiche eintreten, wie wenn zwei Monohybriden sich paaren, also
eine Spaltung in SF : 5/ = 3 : 1, also ebenso wie im 3. Fall. 7. Der
3. Typus kann mit dem 4. zusammenkommen; ihre Gameten sind SF,
Sf und SF, sF; ihre Kombination wird immer SF enthalten, das Aus-
sehen also einheitlich dominant sein, wie im 1. Fall. 8. Der 4. Typus
kann mit dem 2. zusammenkommen, das ist das gleiche wie der um-
gekehrte Fall 4. 9. Der 4. Typus kann mit dem 3. zusammentreffen,
das ist das gleiche wie der umgekehrte Fall 7; endlich 10. kann der
— 190 —
4. Typus mit seinesgleichen sich begatten; da er nur in der Eigenschaft 5s
heterozygot ist, haben wir wieder das entsprechende, wie im Fall 6,
also eine monohybride Spaltung in SF : sF = 3 : 1. Das aber ist das
gleiche wie im Fall 4. Man sieht somit, daß die 9/16 dominantmerk-
maligen F2-Individuen, wenn nur unter sich gepaart, in F3 4 verschie-
dene Arten von Nachkommenschaft ergeben werden, wie sie die Fälle
1 — 4 repräsentieren. Das wirkliche Resultat ist aber genau das er-
wartete. Es ergaben nämlich von 21 Paarungen:
8 Paarungen nur gestreift gelbe Nachkommen, wie es Fall 1
verlangt,
3 Paarungen gestreift gelbe und gestreift weiße und zwar 677 : 240
Individuen gleich 73,82% : 26,17% =3:1, wie es Fall 3
verlangt,
8 Paarungen gaben gestreift gelbe und ungezeichnet gelbe und zwar
1475 : 513 = 74,2% : 25,8% =3:1, wie es Fall 4 verlangt,
2 Paarungen endlich gaben alle 4 Typen, nämlich
Gestreift gelbe 326 = 55,72% = etwa 9,
Gestreift weiße 90 = 15,36% = etwa 3,
Ungezeichnet gelbe 126 = 21,53% = etwa 3,
Ungezeichnet weiße 43 = 7,34% = 1,
wie es der Fall 2 verlangt. Dies also die Nachkommenschaft der Ge-
streift gelben von F2.
B. Unter den 3/16 gestreiftweißen von F2 finden sich, wie das Kom-
binationsschema zeigt, yi6, die nur 5 und /enthalten, und 2/16, die außer-
dem noch s besitzen. Es ist also 1. möglich, daß die ersteren unter sich
paaren, und dann müssen sie als Homozygote die gleiche Nachkommen-
schaft ergeben. 2. können die letzteren unter sich paaren. Da sie nur
in einem Eigenschaftspaar 5s heterozygot sind, so muß eine einfache
Mendelspaltung im Verhältnis 3 Sf : 1 sf eintreten. 3. können letztere
mit ersteren zusammenkommen; da dann in jedem Fall 5 in die Kom-
bination eingeführt wird, so muß das Resultat wie bei 1 lauter Formen
Sf sein. Der Versuch ergab in der Tat dann in F3 aus den Nachkommen
der 3/16 gestreift weißen in 16 Paarungen:
— 191 —
7 Paare gaben ausschließlich gestreift weiße, wie Fall i und 3 ver-
langen,
9 Paare gaben gestreiftweiße und ungestreiftweiße, und zwar 1698:
504 = 77,11% : 22,88% = etwa 3 : 1.
C. Bei den 3/1G ungezeichnet gelben vonF2 muß in F3 natürlich das
gleiche eintreten, nur daß hier, wie das Kombinationsschema zeigt,
die andere Dominante und die andere Rezessive in Betracht kommen.
Das Ergebnis ist in der Tat, daß aus 15 Paarungen in F3 entstanden:
8 Paare gaben ausschließlich ungezeichnet gelbe,
7 Paare gaben ungezeichnet gelbe und ungezeichnet weiße und zwar
1507 •" 457 = 76,73% : 23,26% = etwa 3 : 1.
D. Endlich bleiben noch die yi6 ungezeichnet weiße übrig, die ja
reine rezessive sein müssen, somit rein weiter züchten, und in der Tat
blieb F3 ebenso.
Wir sehen somit hier einen höchst typischen Fall von Mendelschem
Dihybridismus. Er zeigt uns aber noch etwas Weiteres. Die Ausgangs-
tiere waren gestreift weiß x ungezeichnet gelb. In der Nachkommen-
schaft fanden sich bereits in F2 die neuen Kombinationen gestreift
gelb und ungezeichnet weiß. Da, wie das Kombinationsschema zeigt,
diese in je 1/lß der Exemplare homozygot auftreten müssen — im
Schema liegen die Homozygoten ja immer in der Diagonale von links
oben nach rechts unten — so muß es durch fortgesetzte richtige Aus-
wahl schließlich gelingen, diese Homozygoten zu isolieren und damit
zwei rein züchtende neue Kombinationen zu schaffen, und sie wurden
in der Tat auch isoliert. Es können also auf dem Wege der Bastar-
dierung neue Rassen geschaffen werden, die alle denkbaren Neukom-
binationen der bei den Eltern vorhandenen Charaktere zeigen. Es
ist dies natürlich für die praktische Anwendung des Mendelismus in
Tier- und Pflanzenzucht höchst wichtig, denn das Erzielen neuer brauch-
barer Zuchtrassen besteht meistens in der richtigen Neukombination
vorhandener Charaktere. Sind einmal aber die mendelnden Erbfaktoren
bekannt, so ist stets theoretisch vorauszusagen, wie eine gemischte Kom-
bination herzustellen ist, natürlich vorausgesetzt, daß sie nicht eine
physiologische Unmöglichkeit ist. Als Beispiel, wie auf diese Art das Un-
erwartetste erreicht werden kann, möge die folgende von Lang ausge-
— 192 —
führte Kombination dienen. Bei den erwähnten 5-bändrigen Schnecken
kommen Varietäten vor, bei denen sich die Bänder in einzelne Tüpfel
auflösen (var. punctata) und solche, bei denen die Bänder in der Höhe
der Schale miteinander verschmelzen (var. coalita). Beides -beruht
auf der Anwesenheit eines entsprechenden Erbfaktors. Es stehen also
die Eigenschaften Ganzbändrigkeit, Tüpfelbändrigkeit und Verschmol-
zenbändrigkeit zur Verfügung. Könnte man nun durch Bastardkom-
bination Tüpfelbändrigkeit mit Verschmolzenbändrigkeit kombinieren,
so müßten die Tüpfel in der Höhe der Schale zusammenfließen und es
entstände eine quergebänderte Schnecke; und das wurde tatsächlich
erreicht, wie Fig. 79 zeigt. Analoge Beispiele gibt es in Hülle und
Fülle, vor allem aus der praktischen Pflanzenzucht, die bewußt oder
unbewußt so ihre Haupterfolge erzielt.
1234
Fig. 79-
Helix (Tachea) nemoralis. I. tüpfelbändrig, 3 u. 4 verschmolzenbändrig, 2. quer-
gebändert als Bastardkombination aus beiden. Nach Lang.
Bei einem solchen Fall von Mendelschem Dihybridismus kann es
nun natürlich auch vorkommen, daß entweder eine oder auch beide
Eigenschaften nicht die Dominanzerscheinung zeigen, sondern sich inter-
mediär verhalten. Die Zahlenkonsequenzen der Spaltung lassen sich
dann leicht aus dem oben ausgeführten ableiten. Da sie für den typi-
schen Mendelfall durch die Formel (3 + 1)" gegeben waren, werden
sie bei zwei intermediär sich verhaltenden Eigenschaften natürlich
durch die Formel (1 + 2 + i)2 erhalten, da ja in diesem Fall für jede
Eigenschaft die Spaltung die 3 Typen 1 DD + 2 DR + 1 RR ergibt.
Wenn also ein Eigenschaftspaar Dominanz, das andere intermediäres
Verhalten zeigt, so ist die Konsequenz für F2 (3 + 1) (1 + 2 + 1) =
[3 + 6] + 3 + [1 + 2] + 1, was natürlich entsprechend zusammen-
genommen (die Klammern) das klassische Verhältnis von 9:3:3:1
— 193 —
darstellt. Wie sich auf diese Zahlenreihe die einzelnen Typen verteilen,
illustriert wunderschön ein Beispiel Biffens, zu dem Bateson die
nebenstehend reproduzierte höchst lehrreiche Abbildung gegeben hat
(Fig. So). Es handelt sich um Weizenkreuzungen, wobei die ersten beiden
Allelomorphe das Fehlen der Grannen bei der Ähre und ihr Vorhanden-
sein (der Bart) sind. Erstere Eigenschaft ist dominant. Das andere
Paar ist die dichte Stellung der Körner, die eine kurze kompakte Ähre
Ratio
Fig. 80.
Kreuzung dichter bartiger mit lockeren grannenlosen Ähren mit Spaltung in F9 in
6 Typen. Aus Bateson.
bedingt, und eine lockere Stellung, die eine lange, schlanke Ähre hervor-
ruft. Diese beiden Eigenschaften vererben intermediär. Die Allelo-
morphe sind also D (densus) dicht, d nicht dicht = locker, B (barba)
Faktor, der die Bartbildung verhindert, b sein Fehlen, der Bart vorhan-
den. Werden also eine dichte-bartige Form Db und eine lockere-grannen-
lose dB gekreuzt (P = parentes, Eltern), so ist F1} wie das Bild zeigt
intermediär-grannenlos. In F2 muß dann die Spaltung so eintreten,
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl.
13
- 194
daß sie sich aus , dem Verhältnis 3 B : 1 b und DD : 2 Dd : dd
kombiniert. Das gibt, wie die einfache Multiplikation zeigt und das
Bild bestätigt, die Phänotypen 3 BD grannenlos-dicht : 6 BDd —
grannenlos-intei mediär : 3 Bd = grannenlos-
lang : 1 bD = bärtig-dicht : 2 bDd = bärtig-
intermediär : 1 bd = bärtig-lang.
Wir können diese Besprechung der ein-
fachen Mendelfälle nicht abschließen, ohne
kurz einen Fall erwähnt zu haben, der zu-
nächst etwas unklar erscheint, sich dann
aber auf das einfachste auflöst. Einer der
schönsten Fälle von Mendelschem Dihybri-
dismus ist die Correnssche Kreuzung des
Mais, Zea mays alba x Zea mays coeruleo-
dulcis. Ersterer hat weiße glatte Körner,
letzterer blaue gerunzelte. In Fx ist der
Bastard stets blau und glatt und in F2 tritt
eine Spaltung ein im Verhältnis von 9 blauen
glatten : 3 weißen glatten : 3 blauen runz-
ligen : 1 weißen runzligen, wie nebenstehend
abgebildeter von Correns gezüchteter Kol-
ben beweist (Fig. 81). Das ist zunächst
nicht weiter merkwürdig. Nun beruht aber
die blaue bzw. weiße Farbe auf dem durch
die durchsichtige Schale durchscheinenden
Nährgewebe des Embryo, dem Endosperm.
Dieses ist aber gar kein Teil des Embryo,
sondern gehört zum mütterlichen Organismus.
Maiskolben von F2 mit blau- Der Bastardembryo Fj hat also, wenn der
glatten, weiß-glatten, blaurunze- TT , -, -, •■ .
ligen und weißrunzeligen Kör- Vater coeruleo-dulcis war, das Endosperm
nern. Photo, nach einem Cor- mit der Farbe dieses Vaters, obwohl es ein
rensschen Originalstück.
Teil der weißen Bastardmutter (P) selbst
ist. Dieses Übertragen einer Eigenschaft des befruchtenden Vaters
auf Körpergewebe der Mutter nennt man eine Xenie. Die Er-
klärung hat sich nun durch Nawaschin und Guignard so ergeben,
Fig. 81.
— 195 —
daß bei der Befruchtung 2 Samenkerne in den Embryosack eindringen,
von denen der eine das Ei befruchtet, der andere die Zelle, aus der sich
jenes Nährgewebe entwickelt. Der nach dem Schema des Dihybridis-
mus spaltende Bastard stellt also gewissermaßen eine Verwachsung
aus einem Bastardembryo und einem Bastardendosperm dar. Letzteres
mendelt aber infolge seiner Entstehung genau so wie ein anderer Bastard.
Diese Beispiele werden wohl genügen; sie setzen uns leicht in den
Stand, mit allen einfachen Mendelfällen und ihren Konsequenzen
fertig zu werden. So wollen wir diese Erfahrungen denn noch benutzen,
um zu sehen, wie sie auf die Analyse von Naturformen angewandt
werden können und wie sie gestatten, Kreuzungsergebnisse voraus-
zusagen, die ohne den Mendelismus vollkommen regellos erscheinen
möchten. Wir wählen dazu die schönen Experimente, die Standfuss
an einem bekannten Schmetterling, dem Nagelfleck Aglia tau und
seinen in der Natur fliegenden Aberrationen ferenigra und melaina
ausführte. Wie Fig. 82 zeigt, unterscheiden sich die letzteren von der
Stammart dadurch, daß bei ferenigra die Flügel vom Rand her ver-
düstert werden und bei melaina völlig verdüstert sind. Diese Aber-
rationen kommen in der Natur ziemlich selten vor, so daß es, wie Stand-
fuss annimmt, wahrscheinlich ist, daß sie meist mit der Stammart
sich paaren und Bastarde erzeugen. Da nun die melaina- bzw. fere-
nigra-Eigenschaft dominant ist, so sehen diese Bastarde wie die Aber-
ration selbst aus. Es ist somit eine große Wahrscheinlichkeit vorhanden,
daß aus der Natur stammende Aberrationen Bastarde, Heterozygoten
sind. In der Tat erwiesen sich alle aus der Natur kommenden ferenigra
oder melaina als heterozygot mit der Stammart tau1. Melaina aus der
Natur hat also, wenn wir uns der Schreibweise der Presence- und Ab-
sencetheorie bedienen, die Zusammensetzung Mm
M = Melainafaktor, der die Flügel der Stammform verdüstert,
111 = kein Melainafaktor, also tau.
Ebenso heißt ferenigra aus der Natur Ff. Da wir nun oben gehört
haben, daß die Heterozygote mit dem rezessiven Elter zurückgekreuzt
eine Spaltung im Verhältnis 1 : 1 ergeben muß, so ist zu erwarten, daß
1 Auf diese Interpretation werden wir nochmals zurückkommen.
13*
196 -
a
V
o
■
o
Fig. 82.
a Aglia tau, b Aberration A. ferenigra, c Ab. melaina. Photo, nach Standfuss-
schen Originalstücken.
— 197 —
jede der Aberrationen, mit der Stammart tau gekreuzt, x/2 ferenigra
bzw. melaina : V2 tau ergibt; denn
\ Ff x ff = Ff +Ff +//+// i _. i
' " ' = -Ferenigra + _ tau.
(Ferenigra x tau = Feren. + Feren. + tau + tau 2 2
Und ebenso verläuft die Kreuzung mit melaina. Das wirkliche Resultat
der Kreuzung ferenigra aus der Natur x tau war in der Tat 83 fere-
nigra + 80 tau. Ebenso ist ohne weiteres zu erwarten, daß die Aber-
rationen mit ihresgleichen gepaart im Mendelschen Verhältnis 3 : 1
spalten müssen, denn
Ff x Ff = FF + Ff + fF + ff = 3 Ferenigra : 1 tau.
Das wirkliche Resultat war bei einer Kreuzung 46 ferenigra : 14 tau.
Werden nun die beiden Aberrationen ferenigra und melaina gekreuzt,
so ergibt sich folgendes:
Ff x Mm
Fi 1 FM + 1 Fm + 1 fM + 1 fm.
Die zweite Form ist wieder ferenigra, die dritte melaina und die vierte
tau, aber die ers'e, die die beiden Dominanten enthält, ist neu. Es
besteht für sie entweder die Möglichkeit, daß die eine Dominante die
andere zudeckt, oder daß beide sich addieren. Letzteres ist in der Tat
der Fall und es wird eine noch dunklere Form FM gebildet, die St and -
fuss weismanni nennt. Das wirkliche Resultat der Kreuzung war
11 weismanni, 11 melaina, 15 ferenigra, 10 tau. Wird nun die neue
Form weismanni mit tau lückgekreuzt, so muß natürlich entstehen
1 1
FM x fm — 1 Ff + 1 Fm + 1 Mf + 1 Mm = —ferenigra + melaina.
Das wirkliche Resultat ist in der Tat 30 ferenigra + 32 melaina. Wird
nun weismanni mit ihresgleichen gepaart, so ergibt sich
FM x MF = iFM + iFF + 1 MM + 1 MF
1 2 J 1 •
= — ferenigra + — weismanni + melaina.
4 4 4
Das Resultat war 18 ferenigra : 31 weismanni : 17 melaina. Hier ist
nun bemerkenswert, daß zum erstenmal homozygote ferenigra und
melaina zum Vorschein kamen, die sich deutlich durch größere Inten-
sität ihres Charakters von den Heterozygoten unterschieden. Die
— 198 —
Homozygoten miteinander gepaart müssen natürlich alle Weismanni
ergeben. Alle diese Resultate sind also ohne weiteres klar. Auf eine
kleine Schwierigkeit muß allerdings hingewiesen werden. Wir hatten
die Form weismanni als FM bezeichnet. Nach der bisher ja stets be-
nutzten Schreibweise der Presence-Absencetheorie wäre somit diese
Form homozygot, da sie nur große Buchstaben enthält. Sie erweist
sich aber als Heterozygote, die immer spalten muß, etwa wie die An-
dalusierhühner. Wäre die Untersuchung anstatt von heterozygoten
Individuen von homozygoten ausgegangen und das Verhältnis der
Aberrationen zur Stammform tau gar nicht berücksichtigt worden,
so würde man jedenfalls geschrieben haben M = melaina, m = nicht
melaina oder ferenigra, weismanni wäre dann Mm und alles weitere
verliefe in üblicher Weise. Es folgt daraus also, daß entweder die
Schreibweise der Presence-Absencetheorie nicht so aufzufassen ist,
daß der kleine Buchstabe nun auch wirklich das Fehlen eines Merk-
mals bedingt, sondern einfach die betrachtete Relation ausdrückt : Mit
tau in Vergleich gesetzt ist ferenigra F, mit melaina in Beziehung ge-
setzt ist es aber m: die Symbole sind relativer, nicht absoluter Natui.
Oder aber es liegen wirklich zwei dominante positive Merkmale vor,
die sich aber zueinander verhalten wie ein Merkmalspaar, bestehend
aus einem positiven und einem negativen Faktor. Wir werden dieser
Erscheinung bald wieder begegnen. Ungezwungener erscheint aber
sicher die erstere Interpretation, die die presence-absence nicht als
absoluten Begriff nimmt. Vielleicht ist aber auch der ganze Fall noch
verwickelter und erfordert zur Erklärung noch einen Faktor, wie Plate
meint.
Die interessantesten Kombinationen durch Bastardierung wurden
aber nun mit Hilfe einer weiteren Eigenschaft erzielt. Es kommt ge-
legentlich vor, daß bei einer der Formen der helle Nagelfleck auf den
Flügeln verdüstert ist, was als Subcoecatypus bezeichnet wird, und
dieser ist auch eine erbliche Eigenschaft. Von einer solchen Form aus
gelingt es dann durch Bastardierung, ihn auch mit den anderen zu
kombinieren. Genaue Angaben liegen darüber allerdings nicht vor.
Eines ist aber sicher, daß so unter anderem auch eine Form erhalten
wurde, die als weismanni subcoeca zu bezeichnen ist. Diese stellt nun
— 199 —
einen vollständigen Melanismus dar, der aber nicht, wie bei vielen
anderen Schmetterlingen, eine Einheit ist, sondern eine Kombination
von ferenigra, melaina und subcoeca darstellt. Ein schöner Fall,
wie durch Bastardierung nicht nur Analyse der Charaktere, sondern
auch Synthese ausgeführt werden kann, ganz analog dem obigen Fall
der quergestreiften Helix.
Zehnte Vorlesung.
Das Auftreten von Neuheiten bei Bastardierung und die ver-
schiedenen Möglichkeiten der Erscheinung.
Die bisher vorgeführten Mendelfälle illustrierten uns das einfachste
Verhalten unter Auftreten der klassischen Zahlenverhältnisse, Fälle,
die sich natürlich beliebig vermehren ließen, auch durch Anziehung
des Trihybridismus und noch mehr Eigenschaftskombinationen. Sie
würden uns alle immer wieder die Übereinstimmung zwischen der aus
der Kombination abzuleitenden Wahrscheinlichkeit und der Wirklich-
keit demonstrieren. Es zeigte sich nun aber bald nach dem Wieder-
erwecken der Mendelschen Lehre, daß es viele Fälle gibt, in denen
andere Zahlenverhältnisse auftreten, als erwartet werden sollten und
auch die Spaltung der Eigenschaften zu ganz absonderlichen Dingen
führte. Allen diesen Fällen, deren bekannteste Typen wir uns jetzt
vorführen wollen, ist eines gemeinsam, nämlich daß in den Bastard-
generationen „Neuheiten" auftreten, Eigenschaften, von deren Vor-
handensein bei den Bastardeltern nichts zu merken war, also etwa das
Auftreten von Farbe bei Kreuzung weißer Rassen. Die zuerst von
Tschermak studierte Erscheinung, die dann vor allem durch Bateson
und seine Mitarbeiter, wie durch Correns, Cuenot, Shull geklärt
wurde, hat als Ganzes oder in ihren Teilen die verschiedenartigsten Be-
zeichnungen erhalten, wie Latenz, Hybridatavismus, Kryptomerie, Re-
version (Rückschlag), die schwer voneinander abzugrenzen sind. Es
läßt sich aber auch ganz gut ohne sie auskommen. Die beiden ersteren
und die letzte Bezeichnungen sind allerdings solche, die in der Erb-
lichkeitslehre schon lange eine große Rolle spielen. Es war immer be-
— 200 —
kannt, daß ein Organismus Eigenschaften enthalten kann, die nicht
sichtbar in Erscheinung treten, die er latent besitzt und die aus irgend-
einem Grund gelegentlich zum Vorschein kommen können. Es ist
ferner bekannt, daß Organismen plötzlich oder nach Bastardierung
Eigenschaften zeigen, die vermutlich denen ihrer Ahnen entsprechen,
Atavismen sind. Bekanntlich haben gerade diese Atavismen im Ge-
folge von Kreuzung eine große historische Rolle in der Biologie gespielt,
indem Darwin wichtige Schlüsse auf der Tatsache aufbaute, daß nach
Kreuzung von domestizierten Taubenrassen in der Nachkommenschaft
das Gefieder der wilden Felstaube, der mutmaßlichen Stammform,
auftrat.
Das mendelistische Studium dieser Erscheinungen hat nun dazu
geführt, auch das Auftreten von Neuheiten nach Bastardierung auf
Grund der Beschaffenheit der Gameten zu erklären und damit die zu
erwartenden Zahlenverhältnisse zu bestimmen. In zahlreichen ge-
nauer analysierten Fällen haben solche Bestimmungen bereits ihre
Feuerprobe bestanden. "Wenn wir die wichtigsten Formen der Er-
scheinung von Neuheiten nun betrachten wollen, so können wir von
vornherein zwei Hauptgruppen unterscheiden: Im einen Fall liegt eine
wirkliche Latenz vor, d. h. die Eigenschaft, die später als Novum auf-
tritt, ist bei den Bastardeltern schon als solche vorhanden, sie kann
aber aus irgendeinem Grund nicht in Erscheinung treten; erst die mit
der Bastardierung bzw. Spaltung verbundenen neuen Gametenkom-
binationen schaffen das Hindernis beiseite, so daß dann die latente
Eigenschaft sichtbar, patent, wird. In der anderen Gruppe von Fällen
aber ist die Eigenschaft eine derartige, daß sie durch die Anwesenheit
mehrerer Faktoren bedingt wird, die Bastardeltern aber nur einen
bzw. einen Teil besitzen. Erst wenn die Bastardierung die richtigen
Faktoren kombiniert, lassen sie die gemeinsam bedingte Eigenschaft
sichtbar werden. In diesen Fällen ist also nicht die Eigenschaft latent,
sondern eine unvollständige Serie ihrer Bestimmungsfaktoren.
Ein prinzipieller Unterschied besteht allerdings nicht zwischen
diesen beiden Gruppen; denn man kann ja auch sagen, und viele Autoren
tun es, daß eine Eigenschaft als solche überhaupt nicht latent sein kann,
da sie erst bei Anwesenheit aller dazu notwendigen Faktoren entsteht.
— 201 —
Bei dieser Betrachtungsweise wäre dann die erste Gruppe eine solche,
bei der ein Grundfaktor vorhanden ist, aber die Erscheinung der Eigen-
schaft erst durch einen anderen Faktor realisiert werden muß, während
bei der zweiten Gruppe eine Reihe gleichwertiger Bedingungsfaktoren
die Eigenschaft hervorrufen.
Zu der crsteren Gruppe der eigentlichen Latenz führt uns gut der
in der letzten Vorlesung besprochene Fall der Aglia tau über. Auch
dort war ja, wenn ohne Kenntnis der Gametenbeschaffenheit betrachtet,
Flg. S3.
Kammformen der Hühner. A einfacher Kamm, B C Erbsenkamm, D Rosenkamm,
E Walnußkamm. Nach Bateson.
etwas Neues aufgetreten: die natürlichen Formen melaina und fere-
nigra gekreuzt gaben schon in Fx Spaltung, wobei unter anderem die
Stammform der Aberrationen tau auftrat. In diesem Fall enthielten
auch die Bastardeltern den tau-Charakter gewissermaßen latent, aber
nicht dadurch, daß er ein echtes Glied der Erbmasse war, sondern da-
durch, daß die Eltern selbst Bastarde, Heterozygoten, waren. Wie
wir später sehen werden, steht dieser Fall aber in engstem Zusammen-
hang mit solchen, deren berühmtestes Beispiel wir jetzt kennen lernen
wollen, Kreuzungen von homozygoten Individuen, bei denen trotzdem
— 202 —
in F2 eine latente Eigenschaft sichtbar wird, die bei den Eltern sich
durch die Art ihrer Verbindung mit anderen Eigenschaften nicht zeigen
konnte. Das klassische Beispiel dieser Erscheinung ist das Verhalten
der Hühnerkämme bei Kreuzung verschiedener Rassen, das schon
Darwin beschäftigte und durch Bateson und Punnett vor allem
seine Klärung erfuhr. Viele Hühnerrassen haben die Kammform des
wilden Ahnen, den sogenannten einfachen Kamm (Fig. 83/I). Als
besondere erbliche Kammformen treten nun einmal der sogenannte
Erbsenkamm (Fig. 83 C) und dann der Rosenkamm (Fig. 83 D) auf.
Die letzteren beiden reinzüchtenden Kammformen erweisen sich nun
bei Kreuzung mit dem einfachen Kamm als dominant und geben dann
in F2 eine einfache Spaltung im Verhältnis 3:1. Im wirklichen Ex-
periment kamen z. B. zum Vorschein 695 Rosenkämme : 235 einfachen
Kämmen. Wurde nun Erbsenkamm mit Rosenkamm gekreuzt, so
hatte Fx eine neue Kammform, die in der Natur bei den malayischen
Hühnern vorkommt und wegen ihres Aussehens als Walnußkamm be-
zeichnet wird (Fig. 83E). Nach dem was wir oben bei Aglia tau er-
fuhren, ist das nicht so merkwürdig. Dort addierten sich die beiden
dominanten Faktoren, der melaina- und der f erenigra -Faktor zu
der Additionsform weismanni; hier geschieht das gleiche, Erbsen-
und Rosenkammfaktor geben das merkwürdige Additionsprodukt
Walnußkamm. In F2 treten aber nun typischerweise 4 Kammformen
auf, nämlich Walnußkamm, Erbsenkamm, Rosenkamm und ein-
facher Kamm. Letzterer trat also als Neuheit auf. Die Gesamt-
zahlen der Versuche der englischen Forscher waren
279 Walnußkämme,
132 Erbsenkämme,
99 Rosenkämme,
45 einfache Kämme.
Da das Auftreten von 4 Phänotypen auf die Anwesenheit von 2 Merk-
malspaaren schließen läßt, ist ein Verhältnis von 9:3:3:1 zu er-
warten, dem die Zahlen auch einigermaßen entsprechen. Um ihr
Zustandekommen zu erklären, wurden die notwendigen Versuche ge-
macht, die unter Heranziehung von über 12 000 Individuen zu fol-
— 203 —
gender einfachen Klärung des Falls führten: Der Erbsenkamm beruht
auf der Anwesenheit eines Faktors P (= Pisum), der den einfachen
Kamm in den Erbsenkamm verwandelt. Ebenso beruht der Rosen-
kamm auf dem Faktor R (Rosa), der einfachen Kamm in Rosenkamm
verwandelt. Nach der Presence- und Absencetheorie steht nun jedem
dieser dominanten Merkmale sein Fehlen als Rezessiv gegenüber. Es
heißt somit das Rosenkammhuhn RRpp. nämlich Rosenkamm und
kein Erbsenkamm, das Erbsenkammhuhn aber PPrr, nämlich Erbsen-
kamm und kein Rosenkamm. RRpp x PPrr = RPrp, das ist Walnuß-
kamm heterozygot. In F2 muß dies nun, wie wir wissen, so spalten,
daß 4 Phänotypen entstehen, von denen 9/16 beide Dominanten ent-
halten, RP also Walnußkamm zeigen, je 3/16 eine Dominante, also
Rp oder Pr, was Rosen- bzw. Erbsenkamm gibt, und 1/16 keine Domi-
nante, also rp : kein Rosenkamm und kein Erbsenkamm ist aber der
einfache Kamm. Man wird sich bei dieser Erklärung vielleicht daran
stoßen, daß r und p doch eigentlich das gleiche sind; wir werden gleich
die einfache Erklärung dafür finden. Tatsächlich läßt diese Inter-
pretation jede weitere Kreuzungsmöglichkeit vorausberechnen; um
nur zwei Kontrollversuche zu nennen, so sei die Kreuzung erwähnt
zwischen dem Walnußkamm von Fx und einem einfachen Kamm, also
RPrp x rrpp. Ersteres hat dann wieder die 4 Gametenarten RP,
Rp, rP, rp, letzteres nur rp. Es sind somit nur 4 Kombinationen mög-
lich, und zwar in gleicher Zahl RPrp, Rprp, rPrp, rprp. In der Tat
ergab die Gesamtheit der Kreuzungen 644 Walnußkämme, 705 Rosen-
kämme, 664 Erbsenkämme. 716 einfache Kämme. Eine zweite Kontrolle
könnte in folgendem bestehen: Unter den 9/16 Walnußkämmen in F2
muß je yi6 Homozygote sein, die also rein züchten. In der Tat gab
ihre Zucht ausschließlich Walnußkämme, nämlich 216 Individuen.
Ebenso muß das yi6 mit einfachem Kamm stets rein homozygot sein;
auch es erfüllte diese Erwartung in 1937 Fällen.
Vielleicht noch schlagender ist aber die Kontrolle für die Richtig-
keit der Interpretation, die durch eine ebenfalls von Bateson aus-
geführte Kreuzung mit einem ganz anderen Hühnerschlag gegeben
wird. Das Bredahuhn besitzt an Stelle des Kammes zwei Höcker.
Es zeigte sich nun durch Kreuzung mit einfachem Kamm, daß dies
— 204 —
auf dem Fehlen des Kammfaktors, aber auf der Anwesenheit eines
dominanten Verdoppelungsfaktors beruht. Wenn dieses Bredahuhn
nun mit einem Rosenkammhuhn gekreuzt wurde, so handelte es sich
um 3 Faktoren, nämlich R Rosenkamm, r sein Fehlen, der Verdoppe-
lungsfaktor (duplicitas) D, d sein Fehlen, der Kammfaktor C (crista),
sein Fehlen c. Fx hieß also RDCrdc, muß also doppelten Rosenkamm
haben. In F2 ist dann die Spaltung in 8 Phänotypen zu erwarten,
unter welchen, wie ja leicht zu kombinieren ist, als Neuheiten auftreten
müssen die Zusammensetzungen DCr, also verdoppelter Einfachkamm
und Cdr, also gewöhnlicher Einfachkamm. Beide Neuheiten erschienen
auch. Bateson bemerkt dazu mit Recht, daß ohne Kenntnis der
Mendel sehen Gesetze ein solcher Fall einfach unerklärlich erscheinen
müßte.
In diesen interessanten Fällen war also das Auftreten der Neuheit
in F2, ■ — wenn wir den Walnußkamm ebenso wie die Aglia tau weis-
manni nicht auch als Neuheit infolge Addition zweier Dominanten be-
zeichnen wollen, wozu ja Berechtigung vorliegt, da wenigstens erstere
auch homozygot gezüchtet werden können — so zustande gekommen,
daß durch die Kombination der Gameten ein in den Eltern schon vor-
handener rezessiver Faktor aus der Verbindung mit den ihn unsichtbar
machenden Dominanten befreit wurde. Aber es ist auch noch ein
weiterer Fall echter Latenz denkbar. Es ist klar, daß eine einheitlich
erscheinende Eigenschaft oft in Wirklichkeit komplex ist, aus mehreren
Faktoren zusammengesetzt. Wenn dies dann mehrere dominante
Eigenschaften sind, so kann ihre Kombination sich in verschieden-
artiger Weise äußern. Sie können, wie wir schon sahen, sich in ihrer
Wirkung addieren zu einer besonderen Form, sie können sich aber auch
gegenseitig zudecken; es käme dann ein Verhalten zustande, das in
seinem Effekt der Dominanz gleicht, aber doch etwas davon ganz Ver-
schiedenes ist. Bateson hat deshalb für die Verdeckung eines domi-
nanten Faktors durch einen anderen dominanten die Bezeichnung
Epistasis eingeführt. Der verdeckende Charakter ist epistatisch,
der verdeckte hypostatisch. Es ist klar, daß im Fall solcher Epistasis
eine Eigenschaft unsichtbar, nämlich hypostatisch sein kann und doch
vorhanden, also latent. Auch dann kann es bei einer Bastardierung
- 205 —
dazu kommen, daß der hypostatische Faktor von seinem epistatischen
befreit wird und dann in F2 die durch ihn bedingte Eigenschaft als
Neuheit zum Vorschein kommt. Wenden wir diesen Gedankengang
auf den eben besprochenen Fall der Hühnerkämme an, so kommen wir
sogar zu einer Interpretation, die viel weniger Schwierigkeiten bietet.
Wir nehmen an, daß sowohl Erbsen- wie Rosenkammhühner den posi-
tiven Faktor für den gewöhnlichen Kamm C besitzen, daß sie aber
außerdem noch den epistatischen Faktor R bzw. P haben, dessen An-
wesenheit bedingt, daß dieser Kamm in einen Rosen- bzw. Erbsen-
kamm modifiert wird. Dann bieße das Rosenkammhuhn RRCCpp
und das Erbsenkammhuhn rrCCPP. Es läge also auch doppelte He-
terozygotie vor und es wäre daher in obiger Ableitung jeder Formel
noch CC zuzufügen. Da aber in allen Kombinationen bis auf die letzte
R oder P vorkommt, die ja über C epistatisch sind, so wird nichts ver-
ändert, und nur die letzte Kombination heißt rrCCpp, muß also den
einfachen Kamm sichtbar zeigen. Diese Erklärung ist natürlich nur
eine verständlichere Form, das Prinzip ist das gleiche.
Eine bessere Illustration für das Erscheinen von Neuheiten im Zu-
sammenhang mit der Epistase läßt sich aus den Kreuzungen der Mäuse-
rassen entnehmen, auf die wir noch öfters zurückkommen werden.
Wenn wildfarbige graue Mäuse mit schokoladebraunen gekieuzt wer-
den, so ist ¥1 wildfarbig grau, und in F2 treten außer den beiden Eltern-
typen noch schwarze als Neuheit auf. Das Schwarz war hier, wie die
genaue Durchführung der Kontrollkreuzungen zeigte, als latenter
Faktor bei den grauen enthalten. Aber Grau ist epistatisch über Schwarz
und läßt es somit nicht sichtbar werden. Die Kreuzung ist also die
folgende : Die wildgraue Maus enthält — neben anderen Faktoren
der Fellfarbe, die wir später kennen lernen werden — den Faktor G
(griseus) (genauer gesagt ist das ein Faktor, der eine Anordnung des
Haarpigments in schwarzen, braunen und gelben Ringeln bewirkt
und auch den Sättigungsgrad des Pigments beeinflußt; diese Anord-
nung ergibt den Eindruck der Wildfarbe, wenn sämtliche anderen Farb-
faktoren anwesend sind) und die ihm hypostatische Schwarzdominante N
(niger). Die schokoladefarbige Maus hat aber weder das eine noch das
andere, ist also beschaffen gn. Fx ist somit GNgn, also wieder Grau.
— 206 —
In F2 müssen nun 9/16 £ uncl N enthalten, sie sind grau; 3/16 ent-
halten G aber n, sie sind also wieder grau; 3/16 besitzen g aber N, sie
müssen als Neuheit Schwarz zeigen, und yi6 ist gn, also wieder schoko-
ladefarbig. An dieser Stelle müssen wir nun eine kleine Erörterung
einschalten, die nötig ist, um das Verhältnis der Epistase richtig zu be-
urteilen, wenn es sich um ein ganzes System voneinander epistatischer
Faktoren handelt. Es liegt da etwas äußerlich Analoges vor, wie bei
der gewöhnlichen Dominanz; dort sahen wir, daß homozygote und
heterozygote sich voneinander doch unterscheiden lassen (s. Aglia tau
ferenigra). Auch hier läßt sich das epistatische Grau also GN, von
dem Grau, dem N fehlt, also Gn unterscheiden: während die 9/16 GN
eine Farbe zeigen, die man wildfarbig (agouti) nennt, erscheinen die
3/i6 Gn zimtfarbig (cinnamon agouti). Addiert man die Resultate, die
Miß Durham und Cuenot bei diesem Versuch erhielten, so waren es
63 wildfarbene |
■ 64 graue,
21 zimtfarbene J
20 schwarze,
8 schokoladene,
also äußerst genau das berechnete Resultat. Betrachten wir aber diese
Tatsache noch etwas weiter. Wenn es für die Wirkung des Faktors G
nicht gleichgültig ist, ob sein hypostatischer Faktor N vorhanden ist
oder fehlt, so ist zu erwarten, daß es auch einen Einfluß ausübt, ob
einer der sonst noch vorkommenden Faktoren vorliegt oder fehlt. Es
gibt z. B. einen Faktor, der so wirkt, daß immer, wo er fehlt, eine Art
von Gelb in Erscheinung tritt (Hagedoorns Faktor B). Fehlt also
dieser Faktor, so verursacht G nicht die gleiche Wildfarbe, sondern
eine gelbliche Wildfarbe (yellow-agouti) und entsprechendes gilt natür-
lich für andere Faktoren. Wo also ein epistatisches Verhältnis mehrerer
Bedingungsfaktoren für eine Eigenschaftsart wie Fellfarbe vorliegt,
ruft nicht ein Faktor eine bestimmte Eigenschaft hervor, sondern die
Kombination eines Faktors mit soundso vielen anderen. Dies ist auch
der Grund, weshalb manche Autoren nach dem Vorgang Baurs es
ablehnen, für die Faktoren Bezeichnungen zu benutzen, die an die koordi-
nierte Eigenschaft erinnern, sondern für jede Analyse die nichtssagenden
Anfangsbuchstaben des Alphabetes vorziehen.
— 207 —
Die beiden besprochenen Fälle zeigten uns also das Neuauftreten
wirklich latenter Eigenschaften durch die Neukombination bei der
Bastardierung, die den verdeckenden dominanten bzw. epistatischen
Faktor aus bestimmten Kombinationen ausschloß. Neuheiten bei der
Bastardierung können aber auch auf anderem Wege gebildet werden,
insofern als durch die Gametenkombination Eigenschaften zustande
gebracht werden, die als solche gar nicht bei den Eltern vorhanden
sind. Das ist natürlich nur denkbar, wenn eine Eigenschaft durch
mehrere selbständig spaltende Faktoren bedingt wird und die Eltern
diese Faktoren nur teilweise besitzen. Im einzelnen sind die Möglich-
keiten, die so geschaffen werden, sehr mannigfacher Natur. Der ein-
fachste Fall ist wohl der, daß einer der Bastardeltern den einen Teil-
faktor nicht besitzt, wohl aber den anderen, während der andere Bastard-
elter über den betreffenden Komplementärfaktor verfügt. Wenn es
sich dabei um Farben handelt, kann man sich vorstellen, daß die Farbe
nur durch das Zusammentreffen von zwei chemischen Bestandteilen, einer
Farbbase oder Chromogen und einem Farbferment gebildet werden
kann, wie dies Cuenot zuerst erkannte, was ja in der Tat für pflanz-
liche wie tierische Farbstoffe sich auch erweisen ließ, und zwar gerade
für solche, die die jetzt zu besprechenden Spaltungen zeigen. So bildet
sich das pflanzliche Anthocyan aus einem Glukosid unter der fermen-
tativen Wirkung einer Oxydase, ebenso tierisches Melanin aus Tyrosin
unter Einwirkung der Tyrosinase. Ohne spezielle Beziehung zu den
Farbstoffen ließe sich das Verhältnis auch mit der Terminologie der
Immunochemie so ausdrücken, daß zu dem als „Amboceptor" fun-
gierenden Teil das zugehörige „Komplement" nötig ist, um die Eigen-
schaft hervorzurufen.
Auch für diese Erscheinungen bieten uns die Kreuzungen der Mäuse-
rassen, die zu den bestanalysierten Objekten des Tierreichs gehören,
besonders instruktive Beispiele. Bei den Mäusen gibt es bekanntlich,
wie auch bei anderen Tieren, weiße Formen mit roten Augen, denen
somit das Pigment fehlt. Diese Albinos züchten rein. Mit einer reinen
farbigen Maus gekreuzt dominiert die Farbe über den Albinismus, d. h.
ihr Fehlen, und F2 spaltet in 3 Farbige: 1 Albino. Das ist aber durch-
aus nicht immer der Fall, bei vielen solchen Kreuzungen trat vielmehr
— 21
In F2 müssen nun 9/16 G und N
halten G aber n, sie sind also wied<
müssen als Neuheit Schwarz zeigen,
ladefarbig. An dieser Stelle müss
einschalten, die nötig ist, um das V
urteilen, wenn es sich um ein ganz
Faktoren handelt. Es liegt da etv
der gewöhnlichen Dominanz; dort
heterozygote sich voneinander doch]
ferenigra). Auch hier läßt sich d
dem Grau, dem A' fehlt, also Gn uie
eine Farbe zeigen, die man wildfa
3/i6 Gm zimtfarbig (cinnamon agou .
AI i ß Durham und Cuenot bei di(
63 wildfarben
21 z im t farber
20 schwarze,
8 schokolad
also äußerst genau das berechnete 1
Tatsache noch etwas weiter. Wem
nicht gleichgültig ist, ob sein hyp< ath
oder fehlt, so ist zu erwarten, dal
einer der sonst noch vorkommende Fal
gibt z. B. einen Faktor, der so wirk dal
von Gelb in Erscheinung tritt (H;
dieser Faktor, so verursacht G ni t
eine gelbliche ^'ildfarbe (yellow-agoti) 1
lieh für andere Faktoren. "Wo also e
Bedingungsfaktoren für eine
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Albino
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— 210 —
beruht auf einer selbständigen Erbeinheit. Bei Ratten gibt es nun einen
besonders charakteristischen Scheckungstypus, bei dem Kopf und Hals
gefärbt sind, der weiße Körper aber nur einen farbigen Längsstreifen
am Rücken, die Fahne, besitzt (s. Fig. 99, 100, S. 262, 263). Die Albinos
der Ratte können nun wieder wie bei den Mäusen die Anlage einer be-
stimmten Farbe tragen, und so auch, wie ebenfalls bei den Mäusen,
den Scheckungsfaktor, der in so viel verschiedenen Typen vorliegen
kann, als es Farben gibt. Kreuzt man also einen Albino, der von schwarz-
gescheckten Vorfahren stammt, mit einer grauen Ratte, so haben wir
folgende Erbformeln: Der Albino enthält den Schwarzfaktor N, der
wie bei den Mäusen wieder gegen grau hypostatisch ist, ferner den
Scheckungsfaktor t, der gegenüber der Ganzfarbigkeit T (totaliter)
sich rezessiv verhält, aber es fehlt ihm das Komplement. Die graue
Ratte besitzt das Komplement C, ferner den Graufaktor G, den hypo-
statischen Schwarzfaktor N und den Faktor für Ganzfarbigkeit T.
Der Albino heißt also Ntcg, die Wildratte NTCG. Fx muß deshalb
wieder ebenso aussehen, wie die wildfarbige Ratte. In F2 muß dann
die Spaltung nach dem Schema für 3 Eigenschaftspaare vor sich gehen,
da ja N beiden Eltern zukommt. Die Gameten sind danach:
NTCG, NTCg, NTcG, NtCG, NTcg, NtCg, NtcG, Ntcg.
Ihre Kombination muß folgende Tabelle (siehe Seite 211) ergeben.
Da alle Formen mit sämtlichen Dominanten grau sind, alle die c
tragen, Albinos sind, alle die T tragen, ganzfarbig und die, die nur t
haben, Schecken, N schließlich immer von G verdeckt wird, so daß
nur die Formen mit g schwarz sein können, ergibt sich das Verhältnis
von 27 Grauen : 9 Grauschecken : 9 Schwarzen : 3 Schwarzschecken :
16 Albinos.
In den angeführten Fällen trat die Neuheit erst in F2 auf. Es
lassen sich natürlich unter den gleichen Voraussetzungen, also der,
daß einem der Eltern ein Faktor zu einer durch das Zusammenwirken
von zwei Faktoren bedingten Eigenschaft fehlt, auch Kreuzungen
ausführen, bei denen die Neuheit schon in Fx auftritt. AYird eine scho-
koladefarbige Maus mit einem Albino gekreuzt, der von schwarzer
Herkunft ist, so ist F± abweichend von den beiden Eltern schwarz,
211 —
NTCG
NTCG
NTCg
NTCG
NTcG
NTCG
NtCG
NTCG
NTcg
NTCG
NtCg
NTCG
NtcG
NTCG
Ntcg
NTCG
grau
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grau
2
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3
grau
4
grau
5
grau
6
grau
7
grau
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NTCG
NTCg
grau
NTCg
NTCg
schwarz
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NTCg
grau
NtCG
NTCg
grau
NTcg
NTCg
schwarz
NtCg
NTCg
schwarz
NtcG
NTCg
grau
Nt cg
NTCg
schwarz
9
1
10
1 1
2
3
12
4
NTCG
NTcG
grau
NTCg
NTcG
grau
NTcG
N Tc G
Albino
NtCG
NTcG
grau
NTcg
NTcG
Albino
Nt Cg
NTcG
grau
NtcG
NTcG
Albino
Ntcg
NTcG
Albino
13
14
1
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2
16
0
3
4
N TC G
NtCG
grau
NTCg
NtCG
grau
NTcG
NtCG
grau
N/CG
NtCG
Grauscheck
NTcg
NtCG
grau
NtCg
NtCG
Grauscheck
NtcG
Nt C G
Grauscheck
Ntcg
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Grauscheck
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18
19
1
20
2
1
3
4
NT CG
NTcg
grau
21
NTCg
NTcg
schwarz
5
NTcG
NTcg
Albino
5
NtCG
NTcg
grau
22
NTcg
NTcg
Albino
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NtCg
NTcg
schwarz
6
NtcG
NTcg
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7
Ntcg
NTcg
Albino
8
NTCG
NtCg
grau
NTCg
NtCg
schwarz
NTcG
NtCg
grau
NtCG
NtCg
Grauscheck
NTcg
NtCg
schwarz
Nt Cg
Nt Cg
Schwarzscheck
NtcG
NtCg
Grauscheck
Ntcg
NtCg
Schwarzscheck
23
8
24
5
7
1
6
2
NTCG
NtcG
grau
NTCg
NtcG
grau
N Tc G
NtcG
Albino
NtCG
NtcG
Grauscheck
NTcg
NtcG
Albino
N/Cg
NtcG
Grauscheck
Ntc G
NtcG
Albino
Ntcg
NtcG
Albino
25
26
9
7
10
8
1 1
12
NTCG
Ntcg
grau
NTCg
Ntcg
schwarz
NTcG
Ntcg
Albino
NtCG
Ntcg
Grauscheck
NTcg
Ntcg
Albino
NtCg
Ntcg
Schwarzscheck
NtcG
Ntcg
Albino
Ntcg
Ntcg
Albino
27
9
13
9
H
0
15
16
r4
— 212 —
da ja der Schwarzfaktor des Albinos mit dem Komplement zusammen-
trifft und schwarz (N) ein gleichzeitig vorhandenes braun (n) zudeckt.
Analoge Beispiele kommen jetzt bei fast jeder Untersuchung zutage.
In den letzten Beispielen kam die Neuheit in Fx oder F2 dadurch
zustande, daß bei der Gametenkombination der von dem einen Elter
eingeführte unsichtbare Farbfaktor mit dem zugehörigen Komplement
zusammentraf. Es wäre nun aber auch ganz gut denkbar, daß es einen
Albino geben könnte, der anstatt des Komplementes den Farbfaktor
verloren hat, so daß man nun Albinos unterscheiden könnte, die Farbe
ohne Komplement und solche, die Komplement ohne Farbe besitzen.
Würde man sie kreuzen, so käme in Fx Farbe und Komplement
zusammen und man stände vor der absonderlichen Tatsache, daß
zwei ungefärbte Eltern farbige Nachkommenschaft hätten. Und von
solchen Fällen sind in der Tat auch bereits eine Anzahl bekannt.
Das schönste Beispiel aus dem Tierreich ist das von Bateson für die
Kreuzung von zwei weißen Hühnerrassen ermittelte, die allerdings
keine Albinos sind, da ihnen das Pigment nicht vollständig fehlt, viel-
mehr auch im Gefieder in Form minutiöser grauer Flecken auftritt.
Die beiden hier in Betracht kommenden Rassen, das weiße Seidenhuhn
und ein weißer Stamm eigener Zucht Batesons haben ein rezessives
Weiß, während es bei anderen Rassen auch Weiß gibt, das über Farbe
dominiert. Die Kreuzung dieser beiden Rassen ergab nun in Fx aus-
schließlich farbige Individuen (113 Stück), etwa von der Farbe des
wilden Ahnen der Haushühner Gallus bankiva. Die Erklärung ist
nach den} oben Gesagten die, daß die eine Rasse den Farbfaktor ohne
Komplement und die andere das umgekehrte enthielt. Wenn der Faktor
für die braune Wildfarbe B (brunus) ist und für das Komplement wieder
C, hieß der eine Elter Bc, der andere bC, der Bastard also BCbc. In
F2 ist demnach eine Spaltung im Verhältnis 9:3:3:1 zu erwarten.
Von diesen haben aber nur 9/16 beide Dominanten, die anderen ja nur
eine oder keine. Es können also nur jene 9/16 gefärbt sein, das Re-
sultat muß sein 9 gefärbte : 7 weiße und das war auch der Fall. Es
ist klar, daß von diesen 7/16 weißen nur yi6 rein ist, so daß aus den
übrigen durch geeignete Kreuzungen wieder farbige erhalten werden
können. Ehe die richtige Erklärung bekannt war, konnte man glauben,
— 213 —
hier einen Beweis gegen die Reinheit der Gameten zu haben: die sog.
ausgewählten weißen von F2 enthielten sichtlich noch Farbcharakter
(in kryptomerem Zustand, wie es Tschermak nennt). Die gegebene
Erklärung zeigt, daß es in der Tat bei 6/16 so sein muß.
Für die Spaltung in F2 bei diesem Beispiel liegen noch keine ge-
nauen Zahlen vor, wohl ist das aber bei den pflanzlichen Objekten der
Fall, die die gleiche Erscheinung zeigen. So entstanden bei Kreuzung
von zwei weißblühenden Rassen der spanischen Wicke Lathyrus odo-
ratus in Fx nur purpurne Blüten, wie sie die wilde Stammform besitzt
und in F2 trat Spaltung in 9 gefärbte : 7 weißen ein. Als wirkliche
Zahlen geben Bateson, Miß Saunders und P unnett 382 gefärbte :
269 weiße an.
Und nun wenden wir uns einer dritten Möglichkeit zu, die das Er-
scheinen von Neuheiten bei Bastardierung erklärt und sich enge an
die oben besprochene Erscheinung der echten Latenz durch Epistase
anschließt. Wir haben gesehen, daß zwei dominante Faktoren sich
entweder zu einer gemeinsamen Neuschöpfung vereinigen können
(Walnußkamm) x oder aber, daß der eine den anderen zudeckt, epi-
statisch ist (graue Mäuse mit hypostatischem schwarz), und nun be-
gegnen wir einem Fall, der einigermaßen in der Mitte steht, nämlich
daß ein dominanter Faktor den andern epistatisch verändert. Bei
genauer Betrachtung bemerken wir allerdings, daß diese Erscheinung uns
bereits bekannt ist: Der Wildgraufaktor der Maus war ja auch ein solcher,
der das durch andere Faktoren bewirkte Pigment in besonderer Weise
anordnete und wie wir hier zufügen können, auch in hellerer Tönung
erscheinen ließ. Es hat sich nun aber ferner gezeigt, daß gewisse ein-
ander nahestehende Farben so zusammenhängen, daß die eine einen
Sättigungsgrad der anderen darstellt bzw. umgekehrt betrachtet, die
eine einen Verdünnungsgrad der anderen. Und zwar ist das nicht etwa
eine Fiktion, sondern eine Tatsache, die auf der Pigmentverteilung
beruht. Wenn z. B. bei Mäusen das schwarze Haarpigment dicht
angeordnet ist, so erscheint das satte Schwarz, ist es locker geordnet,
1 Vorausgesetzt, daß sich nicht zeigt, daß hier noch ein besonderer unbekannter
Faktor im Spiel ist, was gar nicht so unwahrscheinlich ist.
— 214 —
so erscheint ein Blauschwarz und diese Differenzen beruhen auf der
An- bzw. Abwesenheit eines die Pigmentverteilung regulierenden domi-
nanten Faktors, des Sättigungsfaktors S (saturator). Ist er also mit dem
Schwarzfaktor N verbunden, so verwandelt er dies Schwarz durch
epistatische Mitbewirkung in tiefschwarz; kommt er zu einer braunen
Farbe hinzu, von der wir schon früher erfuhren, daß sie gleich dem
Fehlen von schwarz n ist, so sättigt er sie zu schokoladenbraun, fehlt
er, so verdünnt er sie zu hellbraun, auch silberfalb genannt. Daraus
ergibt sich nun natürlich, daß in der allerverschiedensten Weise Neuheiten
auftreten können, wenn eines der Eltern den 5-Faktor hat und er dem
anderen fehlt oder wenn gar dieser Faktor mit Fehlen der Farbe beim
Albino verbunden ist. Ein Beispiel illustriere das Resultat: Miß
Durham kreuzte schwarze Mäuse mit Silberfalben. Die Schwarzen
enthalten, wie wir hörten, den Schwarzfaktor N und den Sättigungs-
faktor S, die Silberfalben den Schokoladefaktor (gleich kein schwarz) n
und den Verdünnungsfaktor s. F1 ist also schwarz N Sns. F2 muß
aber Spaltung nach dem Schema des Dihybridismus geben in die 4 Phäno-
typen N S, Ns, 11 S, ns im Verhältnis 9:3:3:1. Tiere, die NS ent-
halten, sind wieder schwarz, solche mit Ns haben verdünntes schwarz
oder blau, nS sind sattes braun oder Schokolade und ns bedeutet ver-
dünntes braun oder silberfalb. Es müssen also in F2 blaue und schoko-
ladefarbige neu auftreten. Das wirkliche Resultat aber war:
67 schwarze : 21 blaue : 20 schokoladefarbige : 5 silberfalbe.
Es ist klar, das genau das gleiche Resultat entstehen muß, wenn eine
blaue mit einer schokoladefarbigen Maus gekreuzt wird, da hier die
schokoladefarbige den Sättigungsfaktor und die blaue den Schwarz-
faktor mitbringt. In der Tat gab diese Kreuzung:
44 schwarze : 17 blaue : 17 schokoladefarbige : 8 silberfalbe.
Natürlich muß, wie gesagt, das Auftreten der Neuheit noch kompli-
zierter sein, wenn einer der Eltern ein Albino ist. So kreuzte Miß
Durham eine blaue Maus mit einem Albino schokoladefarbiger Her-
kunft. Erstere enthält wie gesagt den Schwarzfaktor N mit dem Ver-
dünnungsfaktor s, wozu bei Betrachtung gegenüber dem Albino noch
das Farbkomplement C gezählt werden muß, das dem Albino fehlt.
— 215 —
Dieser hat demnach n die Schokoladefarbe, 5 den Sättigungsfaktor
und c kein Komplement. F1 lautet also NCSncs, ist also schwarz,
zeigt mithin bereits eine Neuheit. In F2 muß dann eine Spaltung nach
dem Schema des Trihybridismus eintreten, wobei bekanntlich 8 Phäno-
typen auftreten, die unter 64 Individuen den Charakter zeigen:
27 NC S : 9 NCs : 9 NcS : 9 nC S : 3 Ncs : 3 nCs : 3 ncS : 1 ncs
27 NCS bedeutet aber schwarz gefärbt gesättigt = schwarz,
9 NCs bedeutet schwarz gefärbt verdünnt — blau,
9 NcS bedeutet schwarz farblos gesättigt = Albino (mit unsicht-
barem schwarz),
9 uC S bedeutet braun, farbig gesättigt = Schokolade,
3 Ncs bedeutet schwarz ungefärbt verdünnt = Albino (mit un-
sichtbarem blau),
3 nCs bedeutet braun farbig verdünnt = Silberfalb,
3 ncS bedeutet braun ungefärbt gesättigt — Albino (mit unsicht-
barem Schokolade),
1 ncs bedeutet braun ungefärbt verdünnt = Albino (mit unsicht-
barem silberfalb).
Es müssen also gebildet werden :
27 schwarze : 9 blaue : 9 schokoladefarbige 13 Silberfalbe : 16 Albinos.
Es erschienen in Wirklichkeit :
33 schwarze : 10 blaue : 8 schokoladefarbige : 2 Silberfalbe : 12 Albinos.
Wir können diese Erscheinungsgruppe nicht verlassen, ohne wenig-
stens noch kurz den bekanntesten Fall gleicher Art aus dem Pflanzen-
reich namhaft gemacht zu haben, der deshalb besonders interessant ist,
weil er diese Erscheinung des Sättigungsfaktors mit der vorher be-
sprochenen Gruppe der ,, Reversion" oder Rückschlag vereinigt, wie
man das Auftreten der braunen Hühner in F± nach Kreuzung zweier
weißen auch nennt. Wir erwähnten oben schon bei jener Reversions-
erscheinung, also der Verteilung zweier komplementärer Faktoren auf
beide Eltern, derart, daß jeder einen besitzt und einen nicht, die Kreu-
— 216 —
zung weißblühender Lathyrusrassen, die in Fx purpur ergeben, in F2
aber in 9 farbige : 7 weißen spalten. Die 9 farbigen waren aber in
diesem Fall nicht einheitlich, sondern bestanden teils aus purpurnen,
teils aus roten. Die Erklärung erscheint nunmehr sehr einfach, daß es
naheliegt, in dem purpur ein gesättigtes rot zu sehen. Der eine der
Eltern enthielte dann, entsprechend wie bei jenen weißen Hühnern,
den Rotfaktor R (ruber) aber kein Komplement c und den Sättigungs-
faktor S, der andere aber keinen Rotfaktor r, dafür das Komplement C
und keinen Sättigungsfaktor s. Fx mit den drei Dominanten ist also
purpur. In F2 erscheinen nach dem Schema des Trihybridismus wieder
8 Phänotypen von dem Aussehen :
27 RC S : 9 RCs : 9 RcS : grC S 13 Res : $rC s : 3 rc S : 1 res.
Die 27 RCS sind wieder purpurn, die 9 RCs sind rot, da sie Farbe
mit Komplement, aber die Verdünnung haben ; alle anderen aber haben
entweder Farbe oder Komplement, nie beides, sind also weiß. Das
Verhältnis ist somit 27 purpurne : 9 roten : 28 weißen. Tatsächlich
erhielten Bateson und Miß Saunders in einem Versuch
315 purpurne : 112 roten : 346 weißen.
Endlich sei noch ein sehr merkwürdiger Fall des Auftretens von
Neuheiten nach Bastardierung genannt, der bei Bohnenkreuzungen
übereinstimmend von Tschermak und Shull gefunden und durch
Shull aufgeklärt wurde, zu dem bisher aber ein Analogon aus dem
Tierreich fehlt. Es handelt sich darum, daß bei Kreuzung schwarzer
mit weißen Bohnenrassen Fx gesprenkelt war und in F2 neben schwarzen
und weißen noch braune, schwarzgesprenkelte und braungesprenkelte
auftraten. Die Erklärung ist eine sehr merkwürdige: Es gibt einen
Sprenkelungsfaktor M (maculosus), der nur dann wirken kann, wenn
er sich heterozygot findet, also Mm, so daß alle in diesem Faktor hetero-
zygoten Individuen gesprenkelt sind. Die anderen Farben sind nach
der uns bekannten Art so zu erklären, daß ein Farbfaktor für braunes
Pigment P vorliegt und ein Sättigungsfaktor 5, der das braun zu schwarz
vertieft. Die Eltern sind also P SM x psm, Vx PpSsMm also schwarz-
gesprenkelt. Die Gameten davon lauten:
PSM, PSm, PsM, pSM, Psm, pSm, psM, psm.
— 217 —
PSM
PSm
PsM
pSM
Psm
pS m
psM
psm
PSM
PSM
PSM
PSM
PSM
PSM
PSM
PSM
schwarz
schwarzgespr.
schwarz
schwarz
schwarzgespr.
schwarzgespr.
schwarz
schwarzgespr.
I
I
2
0
2
<•>
0
4
4
PSM
PSm
PsM
pSM
Psm
p S m
psM
psm
PSm
PSm
PSm
PSm
PSm
PSm
PSm
PSm
schwarzgespr.
schwarz
schwarzgespr.
schwarzgespr.
schwarz
schwarz
schwarzgespr.
schwarz
5
5
6
7
6
7
8
8
PSM
PSm
PsM
pSM
Psm
pSm
psM
psm
PsM
PsM
PsM
PsM
PsM
J'sM
PsM
PsM
schwarz
schwarzgespr.
braun
schwarz
braungespr.
schwarzgespr.
braun
braungespr.
9
9
I
IO
I
IO
2
2
PSM
PSm
PsM
pSM
Psm
pSm
psM
psm
pSM
pSM
pSM
pSM
pSM
pSM
pSM
pSM
schwarz
schwarzgespr.
schwarz
weiß
schwarzgespr.
weiß
weiß
weiß
I I
II
12
I
12
2
3
4
PSM
PSm
Ps M
pSM
Psm
pS m
psM
psm
Psfll
Psm
Psm
Psm
Psm
Psm
Psm
Ps vi
schwarzgespr.
schwarz
braungespr.
schwarzgespr.
braun
schwarz
braungespr.
braun
l3
'3
3
H
3
iS
4
4
PSM
[PSm
PsM
pSM
Ps m
pSm
psM
psm
p S m
p Sm
pS m
p Sm
pSm
pSm
pS m
p S m
schwarzgespr.
schwarz
schwarzgespr.
weiß
schwarz
weiß
weiß
weiß
15
i5
16
5
16
6
7
8
PSM
PSm
PsM
pSM
Psm
pSm
psM
psm
psM
psM
psM
ps M
ps M
psM
psM
psM
schwarz
schwarzgespr.
braun
weiß
braungespr.
weiß
weiß
weiß
17
17
5
9
5
IO
I I
12
PSM
PSm
PsM
pSM
Ps m
p Sm
psM
p s m
psm
psm
psm
psm
psm
tsm
psm
psm
schwarzgespr.
schwarz
braungespr.
weiß
braun
weiß
weiß
weiß
i8
iS
6
'3
6
14
i5
16
Da in der Kombination nur die Formen, die Mm enthalten, ge-
sprenkelt sind, alle die PS enthalten schwarz, und Ps braun, die mit
nur -p weiß sind, so ergibt sich das Verhältnis von 18 schwarzen : 18
schwarzgesprenkelten : 6 braunen : 6 biaungesprenkelten : 16 weißen.
— 218 —
Die wirklichen Zahlen Shulls sind 273 schwarze, 287 schwarzgesprenkelte
109 braune, 79 braungesprenkelte, 265 weiße. Betrachtet man diesen
Fall übrigens genauer, so ist er gar nicht so kompliziert. Wir wissen
von früher her, daß die blaue Farbe des Andalusierhuhns nur hetero-
zygot besteht, und auch sie beruht ja auf einer äußerst feinen Spren»
kelung. Es liegt also vielleicht eine Kombination dieser Erscheinung
mit einem Trihybridismus vor, die man durch geeignete Bastardkom-
bination der Eltern der Andalusierhühner mit anderen Rassen vielleicht
imitieren könnte.
Wir haben nunmehr die verschiedensten Modi des Auftretens von
Neuheiten im Bastard und zwar sowohl in Fx wie in F2 kennen gelernt.
Sie konnten zustande kommen 1. durch echte Latenz, indem vorhan-
dene Merkmale durch Dominanz oder Epistasis verdeckt waren und erst
bei der geeigneten Kombination durch Spaltung frei wurden. 2. Durch
das Bedingtsein einer Eigenschaft von zwei Faktoren, von denen ent-
weder der eine einem der Eltern fehlte und dann bei Bastardierung
vom anderen Elter hinzugefügt wurde, oder aber, von denen jeder der
Eltern nur den einen oder den anderen besaß; oder aber es war bei einem
der Eltern ein Faktor vorhanden, der imstande ist, einen anderen Faktor
abzuändern und endlich die zwei Faktoren sind ein Eigenschaftspaar,
das nur in heterozygotem Zustand wirkt. Es ist klar, daß durch das
Zusammenwirken derartiger verschiedener Eigenschaftsverursacher
schließlich das Gesamtbild der Erbeigenschaften einer Rasse zustande
kommen muß und daß es daher auch eine Aufgabe der weiteren For-
schung sein muß, die einzelnen Tier- und Pflanzenformen so zu ana-
lysieren, daß man für ihre Zusammensetzung aus mendelnden Eigen-
schaften Erbformeln aufstellen kann, aus denen dann ohne weiteres
das zu erwartende Resultat irgendeiner Bastardierung abzulesen ist.
Auf diesem Weg ist man für manche Tier- und Pflanzenformen schon
ziemlich weit gekommen. Ehe wir aber davon ein Weniges kennen
lernen, wollen wir das Bild der Spaltungsgesetze noch durch das Stu-
dium einiger interessanter Besonderheiten abrunden.
219
Elfte Vorlesung.
Die Verursachung einer Eigenschaft durch mehrere selbständige
Faktoren. Gametenkoppelung, falscher Allelomorphismus und
geschlechtsbegrenzte Vererbung. Die Analyse der Erbeinheiten
und die Erbformeln.
Die interessanten Mendelfälle, die in der letzten Vorlesung besprochen
wurden, hatten alle das Gemeinsame, daß nach Bastardierung Charaktere
zutage traten, deren Vorhandensein sonst nicht zu bemerken war.
Hand in Hand damit ging es, daß bei der Spaltung Zahlenverhältnisse
auftraten, die von den klassischen Zahlen irgendwie abwichen, wie
9 : 3 : 4, 9 : 7 statt 9:3:3:1 oder 27 : 9 : 28 statt 27 : 9 : 9 : 9 : 3 :
3:3:1. Diese Vorlesung soll sich nun zunächst mit weiteren Fällen
beschäftigen, in denen von der Norm abweichende Zahlenverhältnisse
auftreten, ohne daß sie durch unsichtbare Eigenschaften ihre Erklärung
finden. Es sind relativ wenige Fälle solcher Art, die bisher bereits
eine befriedigende Lösung erfahren haben, andererseits zeigen sich
aber doch schon einige Gesetzmäßigkeiten von weiterem Geltungs-
bereich. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß gerade hier
noch mancherlei Entdeckungen zu erwarten sind.
An die Spitze dieses Tatsachenkomplexes können wir nun eine
Erscheinung stellen, die sich in einem Punkt eng an die Tatsachen
anschließt, die wir in der letzten Vorlesung kennen lernten. Wir sahen,
daß eine und dieselbe Eigenschaft von mehreren Faktoren bedingt
sein konnte, so die Farbe von der gleichzeitigen Anwesenheit eines
Farbfaktors und eines Komplements. Nilsson-Ehle hat nun die
Entdeckung gemacht, daß es solche Eigenschaften gibt, die von meh-
reren Erbeinheiten bedingt werden, von denen aber jede einzelne für
sich allein auch die betreffende Eigenschaft verursachen kann. Bei
der Kreuzung von Haferrassen mit schwarzen Spelzen mit solchen mit
weißen (richtiger grauweißen, da es sich um diese zwei Farben handelt ;
hier wird das grau nicht mit berücksichtigt) erwies sich schwarz als
dominant und F2 spaltete typisch im Verhältnis 3 : 1. Bei gewissen
Rassen nun war das aber nicht der Fall; bei der Spaltung traten viel-
mehr viel zu viele schwarze Individuen auf, nämlich bei einem Versuch
L'l'O
630 schwarze : 40 weiße. Das ist ein Verhältnis von 15,8 schwarz :
1 weiß. Dies führte auf die Idee, daß es sich um das Verhalten 15 : 1
handeln könne, also einen absonderlichen Fall dihybrider Kreuzung.
Das Verhältnis wäre sofort erklärt, wenn man annimmt, daß die schwarze
Spelzenfarbe von zwei Schwarzfaktoren bedingt ist, von denen jeder
einzelne ebenso wie beide zusammen schwarz ergeben. Der schwarze
Hafer enthielte dann N (niger) und M (melas), die beiden Schwarz-
faktoren (neben dem hier zu vernachlässigenden grau), der weiße Hafer
n und m. F1 wäre schwarz NM um und F2 würde spalten in:
NM
NM
1
Nm
ATM
2
nM
NM
3
;/ m
A'M
4
NM
A' 111
5
Nm
Nm
6
n M
Nm
7
;; m
A'm
8
NM
n M
9
Nm
nM
10
nM
n M
11
;/ in
n M
12
NM
11 in
•3
Nm
n in
14
11 M
n 111
15
// in
n 111
weiß
16
Da 15 von 16 Kombinationen einen der dominanten Schwarzfaktoren
enthalten, nur 1 ausschließlich kleine Buchstaben aufweist, erklärt sich
ohne weiteres das Verhältnis von 15 schwarz : 1 weiß. Der Beweis
für die Richtigkeit der Interpretation wird natürlich aus dem Ver-
halten von F3 und F4 zu erkennen sein. Wenn schwarze F2- Pflanzen
durch Selbstbefruchtung in isolierter Parzellenkultur weiter gezüchtet
werden, so muß es natürlich verschiedene Möglichkeiten geben. In
den Kombinationen, die mindestens 3 große Buchstaben besitzen (1, 2,
3, 5, 9) muß ein jeder Gamet auch mindestens einen großen Buchstaben,
also Schwarzfaktor mitbekommen, d. h. da sämtliche Gameten schwarz
tragen, muß die Nachkommenschaft ausschließlich schwarz sein; das
091
gleiche muß bei den Kombinationen 6 und n der Fall sein, da sie ja
homozygot sind, mithin rein weiterzüchten. Von 7/16 der F2- Pflanzen
muß somit bei Selbstbefruchtung rein schwarze Nachkommenschaft
erhalten werden. In der Tat ergaben bei isoliertem Anbau der ein-
zelnen F2- Pflanzen auf getrennten Parzellen 17 von 43, also recht
genau 7/i6' rem schwarze Nachkommenschaft. Weiter ist zu erwarten,
daß sämtliche Kombinationen, in denen nur ein großer Buchstabe
vorkommt, also die Rubriken 8, 12, 14, 15 des Kombinationsschemas,
in F3 in 3 schwarze : 1 weiße spalten, denn sie sind ja nur in einer Eigen-
schaft heterozygot, müssen also eine einfache monohybride Spaltung
zeigen. In der Tat ergaben 11 von den 43 Pflanzen, mithin genau 4/i6'
diese Spaltung, nämlich 428 schwarz : 120 weiß. Sodann ist zu er-
warten, daß alle Kombinationen, welche die 4 Buchstaben NMnm ent-
halten, also 4, 7, 10, 13, im Verhältnis 15 : 1 spalten, denn sie haben
ja die gleiche zweifach heterozygote Zusammensetzung wie der Ba-
stard Fj_. In der Tat ergaben 11 der 43 Parzellen, also wieder genau
4/i6 diese Spaltung, nämlich 715 schwarz : 39 weiß. Endlich müssen
die Nachkommen der weißen F2- Pflanzen rein weiterzüchten, was sie
auch auf ihren 4 Parzellen taten. Die Interpretation des Resultats
erwies sich somit als richtig. Und das gleiche war auch in anderen
analogen Fällen beim gleichen Objekt festzustellen, vor allen Dingen
bei einer Kreuzung mit rotkörnigem Weizen, dessen Farbe durch 3 selb-
ständige Einheiten bedingt ist, die die gleiche Eigentümlichkeit zeigen,
so daß in F2 unter 64 Individuen sich 63 rote : I weißen finden.
Hier interessiert uns dies Resultat nur wegen des abnormen Zahlen-
verhältnisses und seiner Erklärung; wir werden später weitere bedeut-
same Tatsachen erfahren, die die gleichen Experimente ergaben und
sehen, welche prinzipielle und weittragende Bedeutung ihnen zukommt.
Ein weiterer Fall des Auftretens abnormer Zahlenverhältnisse läßt
sich zwar auch unter gewissen Suppositionen verstehen; diese sind
aber nicht einfach mendelistischer und damit leicht kontrollierbarer
Natur, w7ie in Nilsson-Ehles Fall. Die ganze Erscheinung war bis
vor kurzem noch recht rätselhaft, scheint aber jetzt wenigstens im
Prinzip gelöst. Wir reden von dem, was man mit ihrem Entdecker
Bateson als Faktorenkoppelung bezeichnet, und ferner von der
— 222 —
ursprünglich für eine ganz andersartige Erscheinung gehaltenen Fak-
torenabstoßung, Erscheinungen, die, wie man jetzt weiß, im engsten
Zusammenhang miteinander stehen.
Wir haben bereits in der letzten Vorlesung die interessante Kreuzung
zwischen zwei weiß blühenden Lathyrus odoratus kennen gelernt,
die in Fx purpur ergeben und in F2 in 27 purpur ; 9 rot : 28 weiß spal-
teten, eine Erscheinung, die durch 3 Merkmalspaare ja auf das ein-
fachste geklärt wurde, Es differierten nun die betreffenden Eltern-
pflanzen noch in einem Merkmalspaar: die eine hatte längliche, die
andere runde Pollenkörner. Erstere erwiesen sich als dominant und
traten in Fx auf, in F2 hatten 3/4 der Pflanzen lange, y4 runde Körner.
Diese verteilten sich aber auf die drei Gruppen von F2- Pflanzen in
ganz verschiedener Weise. Während bei den weißen Pflanzen das
Verhältnis das normale war, hatten die purpurnen viel zu viele lange
Körner, nämlich 12 : 1, während die roten Pflanzen zu viel runden
Pollen besaßen, nämlich 3,2 mal so viel als langen. Wir erinnern uns
nun, daß der Unterschied zwischen purpurnen und roten Blüten durch
die Anwesenheit des Sättigungsfaktors 5 bzw. seine Abwesenheit s
hervorgerufen war. Da sich nun zeigte, daß die unregelmäßige Ver-
teilung der Pollenkörner nur statt hatte, wenn die Pflanzen in diesem
Faktor S heterozygot waren, so muß irgendeine feste Beziehung zwischen
diesem und dem Pollenfaktor bestehen. Bateson stellt sie sich so vor,
daß eine „Koppelung" besteht zwischen dem Sättigungsfaktor und
der langen Pollenform, also den beiden Dominanten, und ebenso zwi-
schen Verdünnung und rundem Pollen, den beiden Rezessiven, d. h.
bei der Gametenbildung kommen jene beiden Faktoren besonders
gern zusammen. Wenn er annimmt, daß sie 7 mal sooft sich zusammen-
paaren, als normalerweise geschehen sollte, werden seine wirklichen
Zahlenresultate erklärt, In den Symbolen ausgedrückt bilden die
heterozygoten Pflanzen SsLl (L = langer Pollen) nicht die Gameten
1 SL : 1 Sl : 1 sL : 1 sl, sondern die Gameten 7 SL : 1 Sl : 1 sL : 7 sl.
In einem anderen studierten Fall erklärten die Zahlen 15 : 1 : 1 : 15 das
Resultat . Natürlich läßt sich auch eine vollständige Koppelung vorstellen,
bei der dann die Gameten Sl und sL überhaupt nicht zur Ausbildung
kämen. Wir werden gleich weiteres von diesen Zahlen Verhältnissen hören.
— 223 —
Es könnte nun zunächst scheinen, daß diese Koppelung nichts
anderes ist als eine Korrelationserscheinung. Wir haben früher schon
kurz die Tasacthe der festen Korrelation von Eigenschaften, wie blaue
Augen und Taubheit, gestreift, und wenn wir ihr Wesen betrachten,
so kann es uns nicht wundern, daß feste Korrelationen auch bei der
Bastardierung eine Rolle spielen müssen. Wenn die Korrelation der
Eigenschaften eine so feste ist, daß eine Trennung in keiner Weise
möglich erscheint, dann ist ihre Betrachtung für die Bastardierungs-
lehre eine sehr einfache : Die Eigenschaften verhalten sich dann so,
wie wenn sie durch ein einziges Gen bedingt wären. Das ist etwa der
Fall bei Mendels berühmten Beispiel der gefärbten Samenschale und
farbiger Blüte der Erbsen, bei der von de Vries mitgeteilten festen
Verknüpfung von roter Blattnervatur mit haariger Beschaffenheit
bei seiner Oenothera rubrinervis, der festen Verknüpfung geschlitzter
(laciniater) Laubblätter mit ebensolchen Blütenblättern bei Rubus,
oder bei dem am Schluß dieser Vorlesung zu erwähnenden Fall des
Gelbfaktors F der Mäuse, der das Pigment in den Haarspitzen ansammelt
und gleichzeitig schwarze Augen bedingt, oder der von Bateson stu-
dierten festen Korrelation zwischen Hühnerkämmen und den Fleisch-
lappen des Kopfes. (Unter Umständen läßt sich übrigens eine schein-
bar feste Korrelation durch Bastardierung brechen.) In dem obigen
Fall kam aber die Korrelation durch ein besonderes Verhalten der
Faktoren in den Gameten des Bastards zustande, die als Koppelung
bezeichnet wurde. Es gibt nun aber auch eine Erscheinung, die gerade
das Gegenteil der Koppelung darstellt, was wieder Bateson als fal-
schen Allelomorphismus bezeichnet hat, kürzer auch Faktoren-
abstoßung benannt. Man nennt so die Erscheinung, daß sich zwei
selbständige Dominanten bei der Spaltung so verhalten als ob sie ein
Merkmalspaar wären. Wenn im Bastard die Dominanten A, B, neben
ihren Rezessiven a, b vorhanden sind, so verhält sich A zu B wie das
dominante zu dem rezessiven Merkmal, d. h, sie werden bei der Gameten-
bildung stets voneinander getrennt. Anders ausgedrückt besteht die
Faktorenabstoßung darin, daß zwischen zwei Dominanten bei der Ga-
metenbildung eine Repulsion stattfindet, also das Gegenteil einer Kop-
pelung, so daß sie nie gleichzeitig in eine Gamete gelangen, falls die
— 224 —
Repulsion eine vollständige ist, bzw. zu wenig solche Gameten gebildet
werden, falls sie eine unvollständige ist. Die Kreuzung, bei der Bateson,
Miß Saunders und Punnett dies Verhalten zuerst fanden, wurde
— mPUftFUR —
Fig. 84.
Die in Fo auftretenden 5 Blutenformen (der Charakter der Ein- und Zweifarbigkeit
bleibt unberücksichtigt) bei Kreuzung weißer umgekrempelter mit weißen aufrechten
Lathyrus odoratus. Nach Bateson.
wieder an den gleichen Lathyrus odoratus angestellt, bei denen
nach Kreuzung zweier weißer Rassen in Fx purpur entstand und in
F2 Spaltung in 27 purpur : 9 rot : 28 weiß. Es wurde nunmehr ein wei-
teres Merkmal berücksichtigt, nämlich der umgekrempelte Charakter
der Blütenfahne, den der eine weiße Elter zeigte. F1 war dann purpur
OOK
iiiiO —
und hatte normale Fahne. (Es kann dabei hier außer Betracht gelassen
werden, daß bei normaler Fahne diese einen anderen Farbton hat als
die übrige Blume, während die Blüte mit umgekrempelter Fahne ein-
farbig ist.) In F2 mußten nun die drei entstehenden Farbtypen ja
eigentlich mit normaler und umgekrempelter Fahne erscheinen. Für
die purpurnen und weißen trifft das in der Tat zu. So waren unter
315 purpurnen F2-Pflanzen 232 normal und 83 umgekrempelt, also
das erwartete Verhältnis 2:1. Die roten aber hatten alle ausnahmslos
normale Fahnen. (Nebenstehende Skizze zeigt das Verhalten für die
roten und purpurnen F2-Blüten, für die weißen trifft das gleiche zu,
Fig. 84.) Die Erklärung dafür ergibt sich unter der Annahme der
Faktorenabstoßung zwischen dem Sättigungsfaktor S, der rot zu purpur
macht und dem Faktor E (erectus), der die normale aufrechte Fahne
bedingt. Die Gameten können danach nur einen oder den anderen
der beiden Faktoren tragen. Rote Blüten entstehen aber, wie wir schon
wissen, wenn die Gameten nur s enthielten. Ist eine vollständige Re-
pulsion zwischen 5 und E vorhanden, so haben diese Gameten somit
stets E. Es ist nun keine Kombination eines solchen Gameten, der
also RCsE heißt, mit einem anderen möglich, der, wenn rot entsteht,
umgekrempelte Fahne ergäbe, da ja das E immer über e, das Symbol für
Umkrempelung, dominiert. Es müssen somit die 9/64 rote Blüten
normale aufrechte Fahnen haben. Für purpur aber sowohl wie weiß
sind beide Kombinationen möglich. Es ergibt z. B. RC Se x rcsE
purpurn-aufrecht, aber RC Se x RC Se purpurn-umgekrempelt. Der
Charakter Ee wird also in F2 im Verhältnis von 3 : 1 gespalten, aber
nur innerhalb der purpurnen und weißen Pflanzen tritt die Spaltung
ein, bei ersteren im Verhältnis 2 : 1, letzteren 3 : 1, wie sich aus einem
Kombinationsschema ableiten läßt. Das wirkliche Resultat stimmt
in der Tat genau mit solcher Erklärung:
Purpur aufrecht : Purpur umgekrempelt : Rot aufrecht : Weiß (beides)1:
232 : 83 112 346
315 : 112 : 346
„ '
427 : 346
1 Bei den weißen sind nicht alle Zahlen für aufrechte und umgekrempelte ge-
trennt gezählt.
Goldschm i dt , Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. *5
— 226 —
Das entspricht ziemlich genau folgenden theoretischen Erwartungen:
7f = 36
108
27
36
36
36
9
84 : 21
1 12
28
28
7
Die letzte Zeit hat nun gerade in diese Erscheinung durch die Unter-
suchungen von Emerson, Bateson und Punnett, Gregory, Baur
etwas Licht gebracht. Es steht sicher fest, daß Koppelung und Ab-
stoßung zusammengehörige Erscheinungen sind und zwar hängt ihr
Auftreten, da wo sie statthat, von der Faktorenzusammensetzung der
Elternpflanzen ab: Es werden diejenigen Gametenkombinationen, die
der Zusammensetzung der Eltern gleichen, häufiger gebildet. Wird
AB mit ab gekreuzt, so tritt bei der Gametenbildung des Fi-Bastards
die Koppelung ein, d. h. es werden die 4 Gametensorten AB : Ab :
aB : ab nicht im normalen Verhältnis von 1:1:1:1 gebildet, sondern
im Verhältnis n : I : I : n, wobei n^> 1 ist. Wird umgekehrt Ab x aB
gekreuzt, so tritt die „Abstoßung" zwischen A und B auf, es werden
wieder vorzugsweise die elterlichen Kombinationen gebildet, also jetzt
AB : Ab : aB : ab im Verhältnis I : n : n : 1. Diese Erkenntnis — sie
ist an Kreuzungen von Mais, Spanischen Wicken, Primeln, Löwen-
maul, also nur Pflanzen gewonnen — bedeutet in der Tat eine große
Vereinfachung des Ganzen. Trotzdem sind immer noch allerlei zweifel-
hafte Punkte vorhanden. Was zunächst die Zahl n betrifft, so glauben
Bateson und Punnett, daß sie immer auf der Reihe 3, 7, 15, 31, 63
also 2n — 1 liege. Ihre Versuche geben in der Tat Anhaltepunkte dafür,
Baur findet aber auch andere Zahlen wie 6 und 4. Sodann erhebt
sich die Frage, ob bei Kreuzungen, die in einer Richtung Koppelung
ergeben, in der anderen Richtung nun auch Abstoßung erfolgen muß.
Das kann in der Tat der Fall sein, aber es muß es nicht, wie Baur zeigte.
Sodann fragt sich ob die Zahl n für einen bestimmten Versuch kon-
stant ist. Das scheint nicht der Fall zu sein, vielmehr wechselt bei
Wiederholung des gleichen Versuchs der Wert dieser Zahl. Endlich
fragt es sich, ob die beiden n bei 4 Kombinationen immer gleich sind.
Auch da zeigt sich, daß sie es können, aber nicht müssen. Alle diese
997
Umstände lassen eine einfache Erklärung der Erscheinung nicht leicht
erscheinen. Bateson und Punnett haben eine Vorstellung entwickelt,
nach der die Anlagenspaltung schon in der Embryonalentwicklung
des Bastards stattfinden muß und dann durch bestimmte Systeme
aufeinander folgender Zellteilungen die erwähnten Zahlenverhältnisse
zustande kommen, die sie als „reduplication series" bezeichnen. Wir
werden später sehen, daß sich aus gewissen verwandten Erscheinungen
bei der Geschlechtsvererbung, die Morgan analysierte, eine einfache
und allen Tatsachen gerecht werdende Erklärung ableiten läßt, die
die Ursache der ganzen Erscheinung in die Chromosomen verlegt. In
der folgenden Tabelle seien nur noch im Anschluß an Bateson und Pun -
nett die Zahlenverhältnisse zusammengestellt, die sich für die Gameten
und für die F2-Spaltung ergeben, wenn n auf der Reihe 2" — 1 liegt:
Fi bildet Gameten
in den Verhältnissen:
AB
Ab
3
7
15
3i
aB
3
7
i5
3i
1. Abstoßung.
Eltern AbXaB.
ab
1
1
1
1
1
Die vier Phänotypen in Ft. zeigen an
Stelle von 9:3:3:1 das Verhältnis:
AB
33
129
513
2049
2 n 2 -j- 1
Ab
15
63
255
1023
,2 —
aB
15
63
255
1023
11- — l
ab
1
1
1
1
1
Fi bildet Gameten
in den Verhältnissen:
AB
3
7
15
3i
[n—D
Ab
1
1
1
1
1
aB
1
I
1
1
1
2. Koppelung.
Eltern AB X ab.
ab
3
7
15
3i
[n— 1)
Uie vier Phänotypen in F2 zeigen an
Stelle von 9:3:3: i das Verhältnis:
AB
4i
177
737
3009
lifi—yiu-
Ab
7
15
63
aB
7
15
^1
ab
9
49
225
961
211 ■
in — I ii-— (27! — I
Nur kurz sei zum Schluß noch angedeutet, daß durch die Annahme
einer Koppelung noch manche merkwürdige Fälle zu klären sind, vor
allen Dingen solche, wo eine Spaltung 3 : 1 eintritt, anstatt einer er-
warteten in 9:3:3:1. Dann können Spaltungsverhältnisse zustande
15*
— 228 —
kommen, wie sie Correns für Silene Almeria und Baur für Aquilegia
beschrieben haben, die vielleicht einmal später noch auf manche unklare
Dinge Licht werfen werden.
Wir haben zum Schluß der vorigen Vorlesung bereits betont, daß
die Analyse der Erbeinheiten dazu führen muß, für jede Organismen-
art ihren gesamten erblichen Schatz an trennbaren Eigenschaften,
ihre Erbformeln, zu ermitteln und dabei auch auf die Relativität einer
solchen Analyse hingewiesen, da nur solche Faktoren als anwesend
erkannt werden können, die heterozygot erhalten werden können, die
also wenigstens bei einem Individuum einmal fehlen. Am Schluß
unseres gedrängten Überblicks über die wichtigsten Spaltungserschei-
nungen angelangt, wollen wir uns nun an zwei Beispielen noch den
Gesamterfolg einer solchen Bastardanalyse vorführen. Am weitesten
ist man in dieser Beziehung natürlich bisher bei solchen Organismen
gekommen, die aus irgendeinem Grund ein besonders beliebtes Ver-
suchsmaterial darstellen, wie im Tierreich Mäuse, Ratten, Meerschwein-
chen, Kaninchen, Hühner und im Pflanzenreich Erbsen, Bohnen, Ge-
treide, Löwenmaul. Es ist klar, daß die durch solche Analyse aufge-
stellten Erbformeln allerdings immer etwas Relatives an sich haben,
indem weitere Forschung imstande ist, scheinbar einheitliche Eigen-
schaften wieder zu zerlegen. Aus dem, was wir bereits über die Farb-
rassen der Mäuse erfahren haben, geht das recht deutlich hervor. Erst
stand die Farbe als Einheit dem Albinismus gegenüber. Dann löste
sich erstere in eine Reihe von sich verdeckenden Farben auf, diese
wieder erwiesen sich als durch den Sättigungsfaktor beeinilußbar und
durch zwei getrennte Faktoren bedingt, endlich zeigten sich die Albinos
als unmerkliche Träger aller möglichen Farbeigenschaften. Und dabei
sind uns durchaus noch nicht alle Möglichkeiten begegnet. Augen-
blicklich ist der Stand der Analyse der Farbe der Mäuserassen — ein
Stand, der sich aber mit jeder neuen Untersuchung weiter kompliziert
und das diene uns als Beispiel einer weitgehenden Erbanalyse — der,
daß mindestens n Paare von Allelomorphen isoliert sind, deren ver-
schiedenartige Kombination 2048 reinzüchtende Rassen ergeben könnte.
Von diesen Allelomorphen sind uns 4 Paare schon begegnet, nämlich
der Graufaktor G (richtiger der Faktor für die Anordnung der Haar-
— 229 —
pigmente in Ringeln), der Schwarzfaktor JV, der Sättigungsfaktor S
und das Farbenkomplement C. Dazu kommt nun noch ein Braun-
faktor B (brunus), bei dessen Fehlen allen Farben etwas gelb beige-
mischt erscheint, also gelbwildfarbig statt wildfarben, schildpattfarben
statt schwarz, orange statt schokoladefarbig. Sodann ein Faktor, der ähn-
lich wie der Sättigungsfaktor nötig ist, damit die Farben voll erscheinen,
bei dessen Fehlen die Farben abgeschwächt werden, nämlich schwarz
zu „lilac", Schokolade zu champagnerfarbig, und gleichzeitig die Augen
rot werden, der Faktor R (ruber). Sodann ein Faktor gleicher Natur,
der Faktor F (fulgens), bei dessen Fehlen die Farben matt erscheinen.
Endlich der merkwürdige Gelbfaktor L (luteus), der wie wir später
erfahren werden, nur heterozygot existenzfähig ist. Dazu kommen nun
noch die Faktoren für die Flächenverteilung der Farben, T (totaliter),
bei dessen Fehlen anstatt Ganzfarbigkeit rezessive Scheckung auftritt,
M (maculatus) ein dominanter Scheckungsfaktor und A (argentus),
ein Faktor, dessen Fehlen weiße Haare zwischen den gefärbten stehen
läßt und so silberige Töne hervorruft. Wenn wir von dem Gelbfaktor L
und dem dominanten Scheckungsfaktor M absehen, deren Verhältnis
zu den anderen Faktoren noch nicht ganz klar ist, so sind zunächst
folgende Sorten von Farbverteilung möglich, von denen jede einzelne
in sämtlichen Farbtönen wieder vorkommen kann:
. \ A Ganzfarbi
I a Ganzfarbi;
c{ : . , '
gsilbern
| A gescheckt
\ a
gleichen vier
geschecktsilbern
Albinos mit den
Typen latent.
Jeder von diesen 8 Typen kann dann nach Anwesenheit oder Fehlen
von R schwarzäugig oder rotäugig sein, wobei auch noch die Farbe
beeinflußt wird, was wir unberücksichtigt lassen wollen. Bei jedem
einzelnen dieser Typen können nun die sämtlichen folgenden Farben-
kombinationen vertreten sein:
— 230 —
(N
{N
Z<
B
lB
<* \F wildfarbig (agouti)
\f mattagouti
B
U
B
F verdünnt (blau) agouti
f mattblauagouti
\'r
c \F gelbwildfarbig
\f mattgelbwildfarbig
\F verdünntgelbwildfarbig
\f mattverdünntgelbwildfarbig
\F zimtfarbig
\f mattzimtfarbig
jF verdünntzimtfarbig
\f verdünntmattzimtfarbig
\F hellorange
1/ matthellorange
\F creme
\f mattcreme
\F schwarz
\f mattschwarz
\F blau
\f mattblau
\F schildj>attfarbig
\f mattschildpatt
jF Verdünntschildpatt
\f verdünntmattschildpatt
\F . . . . . Schokolade
\f mattschokolade
IF silberfalb
1/ mattsilb erfalb
c [F orange
\f mattorange
iF verdünntorange
I / verdünntmattorange
S
'S
IS
S
S
Das ergibt also 16 . 32 oder 29 Typen, wenn die beiden vorher ge-
nannten Faktoren weggelassen werden. Natürlich lassen sich die aufge-
zählten Farbtypen nicht alle ohne weiteres unterscheiden; bei manchen
geht es leicht, bei anderen gehört lange Übung dazu, bei wieder anderen
ist die Unterscheidung nur durch das Resultat weiterer Kreuzung möglich.
Es steht aber fest, daß die zahllosen Kreuzungen, die von Castle,
Darbishire, Guaita, Haacke, Morgan, Cuenot, Miß Durham,
Plate, Hagedoorn ausgeführt sind, stets das erwartete Resultat
gaben. Als Beweis diene die folgende Tabelle, die nach den Versuchen
Hagedoorns zusammengestellt ist und für jeden Faktor nur die Kreu-
— 231
zung zwischen rezessiven Homo- und Heterozygoten ( Xx x xx) enthält,
die also Spaltung im Verhältnis i : i ergeben muß :
Homo -heterozygoten -Rückkreuzung bei Betrachtung nur eines
Faktors (in Klammer Hagedoorns Bezeichnung1).
Faktor:
Spaltung in:
Zahl:
C .1,
gefärbte : Albino
34°: 364
B [B]
nicht gelblich : gelblich
1 16 : 107
N [Q
Xu : im
29S : 281
S (D)
vollgefärbt : verdünnt
172: 194
R (E)
schwarzäugig : rotäugig
133 *• 154
A [F)
ganzfarbig : silbern
18 : 13
G (G)
Gg •■ gg
212 : 197
b (//;
vollgefärbt : matt
5i: 5S
T I.
ganzfarbig : gescheckt
116: 131
-1 erhalten
1456 : 1499
2' erwartet
1477.5: 1477-5
Aus dem Gesagten geht hervor, daß es der genaueren Analyse all-
mählich gelingen wird, die mendelnden Erbeinheiten so festzustellen,
daß eine Tier- und Pflanzenrasse ähnlich wie ein chemischer Körper
durch eine Formel ausgedrückt werden kann, ja man hat sogar bereits
die Schreibweise chemischer Formeln einzuführen versucht (Castle).
Das Mäusebeispiel — und es sind die meisten dieser Faktoren und noch
einige andere auch für Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten festge-
stellt — zeigte uns einen Anfang in dieser Richtung, dem wir zum Schluß
noch den Fall aus dem Pflanzenreich gegenüberstellen wollen, der als
der bestanalysierte aller Mendelfälle gelten darf, die Erblichkeitsver-
hältnisse der Gartenvarietäten des Löwenmauls, Antirrhinum
majus. Diese den Gärtnern in Hunderten von Varietäten bekannte
Form wurde von Miß Wheldale und Baur einer bewundernswerten
Analyse unterzogen, die Baur bereits mit über 20 selbständig men-
delnden Merkmalen bekannt machte, über deren 13 schon genauere
1) Die verschiedenen Autoren benutzen für die gleichen Faktoren verschiedenartige
Symbole; wir haben hier stets die Anfangsbuchstaben der lateinischen Worte ge-
nommen, die die Wirkung der betreffenden Faktoren charakterisieren; Ffagedoorn be-
nutzt wie Baur die Anfangsbuchstaben des Alphabets.
— 232 —
Mitteilungen vorliegen. Die Erbformel jeder Pflanze würde also in
bezug auf diese bekannten Faktoren mindestens 13 Buchstaben ent-
halten, bzw. wenn homozygote Charaktere auch doppelt geschrieben
werden, stets 26 Buchstaben. Diese 13 Faktoren A — R sind im wesent-
lichen der gleichen Natur, wie wir sie bereits bei anderen Objekten ken-
nen gelernt haben. Da ist ein Faktor, der dem Komplement unserer
früheren Beispiele gleicht, dessen Anwesenheit die Färbung ermöglicht,
dessen Abwesenheit stets weiße Blüten bewirkt. Da ist ein Faktor,
der dem Scheckungsfaktor entspricht, nur daß die Ganzfarbigkeit
dominant, Scheckung rezessiv ist. (Bei Mäusen gibt es, wie wir er-
wähnten, ja sowohl dominante wie rezessive Scheckung.) Die „Schek-
kung" besteht hier darin, daß die Blütenröhre bei sonst bunter Blüte
elfenbeinfarbig ist (Delilaform). Da sind Faktoren, die vorhandene
Farben verändern, zu vergleichen dem Sättigungsfaktor der Mäuse,
verschiedenartige Farbfaktoren, deren jeweilige Kombination be-
stimmte Farben ergibt, Faktoren für besondere Blütenform, solche
für grüne, gelbe oder blasse Blattfarbe, kurzum eine Menge Erbein-
heiten, deren Zusammenspiel uns ohne weiteres verständlich sein muß,
wenn wir alles bisher Besprochene kennen. Bei den wirklichen Kreu-
zungen wurden denn auch stets die Erwartungen erfüllt. Um dies
nur an einem wirklichen Zahlenbeispiel zu demonstrieren, so wurde
einmal eine Pflanze mit elfenbeinfarbiger normaler Blüte mit einer
roten1 pelorischen gekreuzt. Fj^ war rot normal. In F2 trat die er-
wartete Spaltung im Verhältnis von 9:3:3:1 ein in
rot normal 133
rot pelorisch 43
elfenbein normal 45
elfenbein pelorisch 13.
Die Eltern waren also in 2 Eigenschaften verschieden, ihre Erb-
formeln waren:
ABCDEFghlMNPR x ABcDeFghlMNPR,
wobei C der Elfenbeinfaktor ist, E der für normale Blüten. Alle an-
deren sind in beiden Pflanzen identisch, darunter ist das unumgängliche
1 Das Rot war das vonBaur rot auf elfenbein genannte.
— 233 —
Farbkomplement B und der Faktor für Ganzfarbigkeit D; die nur
rezessiven Faktoren g und / sind solche, die die Färbung verändern
würden usw.
Es ist klar, daß auf diesem Wege die Erblichkeitsanalyse sehr weit
getrieben werden kann: Baur glaubt mit einigen 20 Faktoren die ganze
Formenmannigfaltigkeit des Antirrhinum majus erklären zu können:
es sind ja auch mit 20 Faktoren über eine Million (220) konstante Kom-
binationen möglich, wobei ein eventueller Unterschied zwischen Homo-
und Heterozygoten noch gar nicht berücksichtigt ist. Damit ist aber,
wie er weiterhin ausführt, über die wirkliche Zahl der Einheiten nichts
ausgesagt. Denn es können ja nur solche Einheiten festgestellt werden,
die als Heterozygote erhalten werden können und somit spalten. Man
wird also nach anderen Wegen suchen müssen, auch solche Einheiten
zu isolieren, die nur homozygot sich zeigen können. Dann aber kommt
die wichtige Frage: Wie haben die verschiedenen Rassen ihre typischen
Erbformeln erlangt, wie ist der Zusammenhang mit der Stammart,
welches Licht wirft die Analyse der Erbfaktoren auf die zentrale Frage
der Artbildung? Die Antwort auf solche Fragen steht bis jetzt noch
aus, oder ist wenigstens erst in den bescheidensten Anfängen gegeben.
Zwölfte Vorlesung.
Die Reinheit der Gameten. Konstante Bastardformen und die
Möglichkeit ihres Nachweises. Mendelsche Interpretation scheinbar
konstanter Bastarde. Polymerie. Das Spalten quantitativ-
fluktuierender Eigenschaften.
Wir haben nunmehr die wichtigsten Formen Mendelscher Spaltung
kennen gelernt und müssen angesichts des überwältigenden Tatsachen-
materials, aus dem wir uns ja nur eine bescheidene Auswahl vorführen
konnten, sagen, daß die Mendelschen Erwartungen in ganz staunen-
erregender Weise mit den wirklichen Resultaten übereinstimmen. Es
soll damit allerdings nicht gesagt sein, daß es nicht auch Fälle gibt,
die gewisse Abweichungen zeigen. Vor allem ist häufig beobachtet, daß
die eine oder andere Kombination häufiger oder seltener als erwartet
— 234 —
eintritt. So findet Bateson bei seinen Rosenkamm-Erbsenkamm-
kreuzungen in F2 manchmal zu wenig Walnußkämme. Darin ist aber
in keiner Weise eine Durchbrechung der Regel zu sehen. Die Erwartung
kommt ja immer unter der Voraussetzung zustande, daß alle Gameten-
kombinationen sich in gleicher Zahl bilden. Die Gametenbildung ist
aber ein Prozeß, der ebensogut einer natürlichen Fluktuation unter-
worfen ist, wie irgendein anderer Vorgang. Es ist ja auch eine sehr
häufige Erscheinung, daß in den Geschlechtsdrüsen Zellen in Mengen
zugrunde gehen. Der Zufall, der gerade die Zellen eines bestimmten
Typus in größerer Zahl degenerieren läßt, kann natürlich auf solche
Weise eine bedeutende Verschiebung Mendelscher Proportionen be-
wirken. Es ist daher auf sie kein großer Wert zu legen, wenn es sich um
kleine Zahlen und nicht typische Differenzen handelt.
Mit dem Studium der Spaltung haben wir dann auch die dritte Vor-
aussetzung der Mendelschen Erklärung, die Reinheit der Gameten,
als zu Recht bestehend erwiesen. Denn es ist uns kein Fall begegnet,
der nach einer anderen Richtung hindeutete. Im Anfang des mende-
listischen Studiums glaubte man mehrmals solche Fälle aufgedeckt zu
haben, in denen die reinen Rezessive später doch noch den dominanten
Charakter abspalteten, sich also als nicht rein erwiesen. Die betreffenden
Fälle haben sich aber dann auf das einfachste aufgeklärt, als man die
Bedingtheit einer Eigenschaft durch mehrere Faktoren keimen lernte.
Heute kann man wohl sagen, daß ein sicherer Fall von Gametenunrein-
heit kaum existiert. Am bemerkenswertesten und noch am wenigsten
geklärt ist vielleicht das Verhalten der Rezessiven bei Hackers Axolotl-
kreuzungen. Werden rein schwarze mit rein weißen Axolotln gekreuzt,
so ist Fx schwarz und F2 spaltet typisch in 3 schwarze : 1 weiß. In einer
wirklichen Zucht waren es 573 : 191 Individuen. Die weißen in F2, die
nach dem Mendelschen Schema also homozygote reine Rezessive sein
müssen, nehmen aber als erwachsene Tiere teils eine leichte Pigmen-
tierung an, teils wurden sie stark schwarz gescheckt in metamerer An-
ordnung (Fig. 85). Sie zeigten also einen Teil des Schwarzcharakters,
der ihnen fehlen sollte. Wurden sie aber mit rein weißen gepaart oder
mit schwarzen Heterozygoten rückgekreuzt, so verhielten sie sich genau
wie reine Rezessive. Die weiteren Zuchten mit diesen Tieren haben
— 235 —
immer noch keine bindende Erklärung gebracht, aber die Annahme der
Gametenunreinheit ist noch weniger wahrscheinlich geworden, da es
sich zeigte, daß die Albinos gar keine solchen sind, sondern akromela-
nistische Formen, d. h. albinoartige mit Pigmentansammlungen an den
Körperenden. Die Schecken brauchten also bloß extreme Plusabweicher
dieses Typus zu sein und da es eine merkwürdige Tatsache ist, daß in
Fig. 85. Metamerscheck vom Axolotl nach Hacker.
manchen Tiergruppen melanistische Individuen besonders kräftig sind,
so wäre auch ihr relativ häufiges Auftreten bei den sehr kleinen Zahlen
verständlich.
Es sei an dieser Stelle nur kurz erwähnt, daß man geglaubt hat,
die Annahme der Gametenreinheit überhaupt entbehren zu können.
Es ist ja nicht zu leugnen, daß die Vorstellung der Segregation, der
Anlagenspaltung, in manchen Punkten, besonders von physiologischem
Gesichtswinkel aus betrachtet, schematischer gedacht erscheint, als
— 236 —
latürliche Vorgänge verlaufen dürften. Man hat deshalb eine Inter-
pretation der Spaltungsphänomene durchzuführen versucht, bei der
alle Gameten alle Anlagen erhalten und nur abwechselnd von jedem
Merkmalspaar der eine oder andere Partner dominiert (Morgan). Man
kann allerdings nicht behaupten, daß eine solche Annahme der Vor-
stellung weniger Schwierigkeiten bereitet, und vor allem ist sie ja solange
überflüssig, als die Vorstellung der Segregation die Tatsachen vollständig
erklärt. Erst der wirkliche Nachweis einer Gametenunreinheit könnte
solche Hilfshypothesen wünschenswert erscheinen lassen, und er ist,
wie gesagt, noch nie erbracht worden.
Die Mendelschen Gesetze dürften also wohl imstande sein, die
Anforderungen zu erfüllen, die an ein Naturgesetz gestellt werden können.
Wir haben bisher nun gar keine Rücksicht darauf genommen, wie die
Bastardeltern sich in ihren systematischen Beziehungen verhielten, ob
sie sich sehr nahe standen oder mehr oder minder weit voneinander
entfernten. Nach der Anschauung der führenden Mendelianer muß
das nun gänzlich gleichgültig sein : es gibt nur eine Vererbung und das
ist die Mendelsche. Betrachten wir nun die Fälle, an denen wir bisher
die Mendelschen Regeln illustrierten, so fällt auf, daß stets Angehörige
der gleichen Art, nur verschiedener Rasse, Varietät, Elementarart
bastardiert wurden. Und es drängt sich die Frage auf, ob dann Art-
oder gar Gattungsbastarde sich ebenso verhalten oder ob es nicht viel-
leicht auch einen anderen Typus der Vererbung gibt. Und da ist es in
der Tat eine weit verbreitete Anschauung, daß Artbastarde nicht men-
deln. Das Charakteristische für die Mendelsche Vererbung ist aber
die Spaltung der Eigenschaften in der Bastardnachkommenschaft. Die
Vererbung bei Artbastarden soll aber die sein, daß die Mischung der
Elterneigenschaften im Bastard auch in weiteren Generationen konstant
bleibt. Man stellt vielfach diesen Vererbungstypus als intermediären dem
alternativen Mendelschen gegenüber. Die Bezeichnung ist aber irrefüh-
rend. Denn wir wissen ja, daß in vielen echten Mendelfällen die Hetero-
zygoten intermediär erscheinen — lange und kurze Ähren gaben mittel-
lange — und trotzdem weiterhin spalten. Wie also intermediäres Ver-
halten die weitere Spaltung nicht ausschließt, so darf man andererseits
auch nicht glauben, daß das Eintreten von Dominanz eine spätere Spal-
— 237 —
tung erfordert. Wenn es ein konstantes Weiterzüchten von Bastard-
charakteren gibt, so muß dies ebensogut in der Form des intermediären
wie auch der des dominanten oder epistatischen als auch mehr oder
minder unvollkommenen dominierenden Merkmals, also alternativ
möglich sein. Die Frage lautet also richtig: Spalten auch die Art-
bastarde oder züchten sie konstant? Gibt es nur Mendelsche Vererbung
oder auch eine solche mit Vermischung?
Wollte man die Frage für gelöst halten, wenn mendelnde Bastarde
zwischen Li nn eschen Arten gefunden sind, so wäre sie bereits
zugunsten des Mendelismus entschieden. Denn daß es solche gibt,
kann keinem Zweifel unterliegen. Correns, East u. a. haben solche
aus dem Pflanzenreich beschrieben. Die ausführlichsten Mitteilungen
in dieser Richtung verdanken wir Baur, der zeigen konnte, daß bei
Artbastarden von Antirrhinum in F2 eine Spaltung in eine unüberseh-
bare Fülle von von Fx verschiedenen Typen eintritt, so daß hier die Arten
sich sicher nur quantitativ, also in der Zahl der Differenzfaktoren von
den Rassen unterscheiden. Baur glaubt daher auch, daß dies für alle
Arten gilt und daß die hohe Variabilität gewisser Formen, insbesondere
Gartenformen, nur durch vorausgegangene Artkreuzungen und daraus-
folgender unendlicher Kombinationsmöglichkeit zu erklären ist. Wir
müssen die große Wahrscheinlichkeit dieser Annahme zugeben und
finden auch in der Haustierzucht dafür eine Bestätigung. Wenn man diese
zurückverfolgt, so stößt man immer wieder darauf, daß mit aus-
ländischen Arten bastardiert wurde. So dürfte die Mannigfaltigkeit
der Schweinerassen auf das komplizierte Mendeln von Artbastarden
zwischen unserem \\ lldschwein und einer asiatischen Art zurückzuführen
sein, nicht anders die Geflügel-, Hunde-, Pferde-, Rinderrassen. Je tiefer
man in diese Dinge eindringt, um so mehr zeigt sich, wie unendlich wenig
Neues in all den Rassen steckt, sondern wie die überwiegende Zahl der
Eigenschaften nur in komplizierter Weise zusammenkombiniert sind:
Die Erfolge der Tierzucht erweisen sich, so ungern das der Züchter auch
hört, als ein Resultat dauernden unbewußten Mendelns. Wir werden
darauf nochmals ausführlich zu sprechen kommen. Aber — wenn
wir ganz von der vielfachen Willkürlichkeit des Artbegriffs absehen —
es handelt sich nicht darum zu beweisen, daß gerade Artbastarde nicht
— 238 —
mendeln, sondern daß es überhaupt nicht spaltende Bastarde gibt. Und
das erscheint jetzt sehr zweifelhaft. Die exakte Untersuchung solcher
Fälle ist ja recht schwierig, weil die Artbastarde sich bekanntlich meist
durch verminderte oder fehlende Fruchtbarkeit auszeichnen. Schlüsse
aber, die aus der ersten Bastardgeneration gezogen sind, können nach
obigem keine Geltung beanspruchen. Wenn wir das Material betrachten,
auf das sich die Annahme konstanter Bastarde gründet, so ist es ein
recht verschiedenartiges. Sehr häufig wird nur darauf hingewiesen, daß
l.P
•,/.. %?
«&*•*
2Ja.
Fig. 86.
Oben die Bastardeltern Biston pomonarius Q><B. hirtarius <5, unten die intermediären
Bastarde beider Geschlechter. Nach Oberthür.
Fj dieser Bastarde meist intermediär ist. Da wo solche Bastarde genau
analysiert wurden, zeigte es sich nun allerdings, wie bei Längs Kreu-
zungen zwischen Helix hortensis und nemoralis, daß die einen
Charaktere Dominanz zeigten, andere sich indermediär verhielten. So
schlugen in diesen Bastarden die Farbe und Bänderung des Gehäuses,
Form und Pigmentierung der Mündung nach einem Elter, während die
Größe des Gehäuses, Länge des Liebespfeils und andere quantitative
Charaktere intermediär waren. Da aber keine 2. Generation erzielt
werden konnte, so wissen wir nicht, ob nicht alle diese Charaktere kon-
239
3
stant bleiben würden. Es ist aber immerhin bemerkenswert, daß bei
den meisten Artbastarden sich intermediäre Charaktere in Eigenschaften
finden, die bei Rassenkreuzungen sich oft alternativ verhalten. Die
schönsten Fälle intermediären Verhaltens wird man am leichtesten bei
Artbastarden finden. Um nur einige Beispiele zu zeigen: Nebenstehende
Fig. 86 zeigt das £ von Biston hirtarius, einer in beiden Geschlechtern
geflügelten Biston-Art und
das 5 von B. pomonarius,
welches flügellos ist. Das
Bastardweibchen, Fig. 86
unten, hat halblange Flügel,
ebenso das <$. Fig. 87 zeigt
nach Lang den Liebespfeil
von Helix hortensis und ne-
moralis in der Gesamtansicht
und darunter im Querschnitt;
dazwischen steht der schön
intermediäre Pfeil des Ba-
stards. Fig. 88 bezieht sich
sogar auf die Kreuzung zweier
Gattungen, des Königsfasan
einerseits mit Sömmering-
fasan und Goldfasan anderer-
seits. Das Bild zeigt beson-
ders in den Schwanzfedern
klar die intermediären Ba-
starde, Soweit man ohne Liebespfeil in toto (A) und im Durchschnitt [B)
Zerieffunff eines Organs in von 1, Helk hortensis, 3. H. nemoralis und 2. dem
Z,eiiebung eines UlganS m Bastard beider. Nach Lang.
seine sämtlichen Eigenschaf-
ten von intermediär sprechen kann. Es demonstriert aber auch gleich-
zeitig, wie oft gerade in dieser Frage nicht sehr exakt vorgegangen wird,
indem man so nach dem allgemeinen Augenschein von intermediär
spricht. Wurde man aber den Habitus in seine sämtlichen Elemente
zerlegen, so würde sicher gar manches auch richtige Dominanz zeigen.
Hier sei übrigens auch eine intermediäre Rassenkreuzung eingefügt,
Pf
5 LA 1 tl
m 11
1 1
\ 1 ' :
. 1 r\
1 l ':
\ rl ¥"''
1 1 :]
llP
B
ö
B
Q
Fig. 87.
— 240 —
um die Identität des Ver-
haltens zu zeigen. Fig. 8g
gibt die Kreuzung zwi-
schen Fettsteißschaf und
Fettschwanzschaf wieder.
Der intermediäre weibliche
Bastard ist nach Sette-
gasts Gewährsmann zeu-
gungsunfähig, da er infolge
der Beschaffenheit des
Schwanzes nicht besprun-
gen werden kann. Endlich
sei noch in Fig. 90 der
intermediäre Bastard zwi-
schen Ratte und Maus
wiedergegeben, der von
Ivan off durch künstliche
Befruchtung erzielt wurde.
Wie gesagt handelte es
sich in diesen ja leicht zu
vermehrenden Fällen um
Artkreuzungen, deren wei-
teres Verhalten nicht fest-
zustellen war. Sie sollten
uns zunächst nur die Nei-
gung der Artbastarde zu
intermediärem Verhalten
demonstrieren. Hand in
Hand damit geht aber
eine weitere Eigenheit, die
solche Bastarde ebenfalls
d e
Fig. 88. von mendelnden Hebriden
a Königsfasan £, c Sömmeringfasan £, b Bastard $ zu unterscheiden Scheinen
Königsfasan und Sömmeringfasan, e Goldfasan ß,
d Bastard c5 Königsfasan und Goldfasan. Nach und daher auch benutzt
werden,um für Artbastarde
'
L'il
mim
fmä m
^- - wIE ;
Fig. 89.
Links Fettschwanzschaf, rechts Fettsteifsschaf, dazwischen der Bastard. Nach Settegast.
einen anderen Vererbungsmodus zu
fordern. Ein Grundcharakter
mendelnder Formen ist es ja, daß die reziproken Kreuzungen das
gleiche Resultat geben, eine Regel, die ohne weiteres aus den Men-
de Ischen Annahmen
folgt und sich mit ge-
ringen Ausnahmen
(Dominanzwechsel bei
reziproken Kreuzun-
gen) stets bewahr-
heitet. Bei den Art-
bastarden wird hin-
gegen sehr häufig
beobachtet, daß das
Kreuzungsprodukt ein
verschiedenes ist, je
nachdem welche Art
Bastardvater bzw.
-mutter war. Das klas-
sische Beispiel dafür
stellt ja die Pferde-
Eselkreuzung dar, die Fig. 90.
in beiden Richtungen 4 Tage alte Junge von der Ratte (links), der Maus (rechts)
und dem Rattenmausbastard in der Mitte. Nach Ivanoff.
G oldschmi dt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. I°
9i0
— i —
ganz verschieden ausfallen soll. Pferdestute x Eselhengst er-
gibt das im Habitus mehr pferdeähnliche, in einigen Charakteren
Fig. 91. Maultier. Nach Settegast.
mehr nach dem Esel schlagende Maultier (Fig. 91), die reziproke
Kreuzung ergibt den mehr eselähnlichen, aber in jenen Charak-
teren (Schweif) pferdeartigen Maulesel (Fig. 92) *. Genau den
Fig. 92. Maulesel. Nach Settegast.
*) Dieser so oft zitierte Fall ist übrigens doch nicht so ganz klar, von Nathu-
sius zeigte mir einmal im Hallenser Haustiergarten Maultiere und Maulesel, die ab-
solut nicht zu unterscheiden waren, (abgebildet in Plate, Vererbungslehre 1 913) und
zeigte sich diesem Fall gegenüber sehr skeptisch. Vielleicht ist die Sache so,"ÄdaC>
die Differenzen nur bei Kreuzung mit bestimmten Pferderassen sichtbar werden.
— 243 —
gleichen Wechsel im Resultat je nach der Richtung der Kreuzung fand
auch Ewart bei seinen Pferd-Zebrakreuzungen. In sehr zahlreichen
Fällen ist die gleiche Erscheinung vor allem bei den Artkreuzungen
der Schmetterlinge beobachtet. Als Beispiel diene umstehende
Fig. 93, die das Verhalten in einem typischen Fall erkennen läßt, so-
weit es bei einem nichtfarbigen Bild möglich ist. A ist der eine der
Bastardeltern Deilephila euphorbiae, B der andere D. vespertilio. C ist
der Bastard D. epilobii, gewonnen aus euphorbiae $ x vespertilio £>
D aber ist der reziproke Bastard D. densoi, gewonnen aus vespertilio
q x euphorbiae $. Während bei beiden Bastarden im großen ganzen
die Charaktere von euphorbiae überwiegen, besitzt der Bastard densoi
mit vespertilio als Vater eine ganze Anzahl patrokline Charaktere, die
dem reziproken Bastard fehlen. Sie bestehen vor allem darin, daß sich an
vielen Punkten die grauen und rosa Farbtöne der vespertilio-Zeichnung
bemerkbar machen, wo bei dem reziproken Bastard sich das Grün von
euphorbiae zeigt. In der ungefärbten Abbildung tritt es am ehesten in
Fig. D in dem helleren Ton der mittleren Binde des Hinterflügels und
dem gleichmäßigeren Ton der hellen Partie des Vorderflügels (grau statt
grün und grau) gegenüber C hervor.
So interessant und aufklärungsbedürftig solche Tatsachen an sich
sind, so kann man ihnen doch keinen sehr großen Wert für unsere Frage
zuerkennen: allein das Verhalten weiterer Generationen entscheidet.
Die Schwierigkeit des Beweises liegt aber in der häufigen Unfruchtbar-
keit der Artbastarde; dennoch hat man versucht, ihn in anderer Weise
zu erbringen. Da wo die Bastarde unter sich nicht fortgepflanzt werden
können, gelingt es trotzdem häufig, sie mit einer der Elternformen rück-
zukreuzen. Läge nun ein noch so komplizierter und verschleierter Mendel-
fall vor, so müßte trotzdem bei dieser Paarung die Bastardform und der
Elter, wenigstens in den Charakteren, die beim benutzten Elter rezessiv
sind, rein erscheinen. Tatsächlich ist das bei den zahlreichen bekannten
Rückkreuzungen von Artbastarden nicht in klarer Weise der Fall, vielmehr
erscheint jetzt eine Mischung zwischen dem Bastard- und dem Eltern-
charakter, aus dem y2-Blut wird ein 3/4-Blut. Diese Erfahrung hat man
etwa ebenso bei den bekannt gewordenen Fällen fruchtbarer Maultiere,
wie überhaupt in der ganzen landwirtschaftlichen Tierzucht, gemacht,
16*
244 —
A
B
C
D
bfl
ü
cd
ß
3
ü
GS
p
3
TD
T3
—
-4-"
t/3
rt
pq
o
T3
cd
t/)
c3
pq
<u
a,
w
>
Q
ßq
4)
O
,P
eu
3
(LI
o.
1)
OJ
p
— 245 —
wie bei den zahlreichen Rückkreuzungen von Schmetterlingen. So erhält
man durch Kreuzung des Wolfsmilchschwärmers (Deilephila euphor-
biae) mit dem Fledermausschwärmer (Deilephila vespertilio)
einen Bastard, der die Elterncharaktere patroklin gemischt zeigt, D.
epilobii genannt (Fig. 93 C). Dieser mit euphorbiae zurückgekreuzt
(D. pernoldiana), zeigt ein Gemisch dieser beiden Typen, also Drei-
viertelblut1. Genau das gleiche bedeutet es aber, wenn man Artbastarde
wieder mit anderen Arten kreuzt und so Dreifachbastarde erhält (etwa
Ewarts Pferd-Esel-Zebra). In diesen mischen sich dann die drei
Gruppen von Charakteren durcheinander und scheinen dann konstant
zu bleiben. Es ist aber nicht zu vergessen, daß auch hier die Bezeichnung
3/4-Blut usw. nur den allgemeinen Eindruck wiedergibt, der bei wechseln-
den Kombinationen von nur einigen wenigen mendelnden Eigenschaften
ein ziemlich gleichartiger sein kann, auch wenn eine oder die andere
Eigenschaft herausspaltet. Genaue Analyse mit großen Zahlen steht
aber in all diesen Fällen noch aus1.
Doch das sind alles nur ziemlich indirekte und darum nicht voll
beweiskräftige Antworten. Am wichtigsten für unsere Frage muß natür-
lich ihre direkte Beantwortung sein : gibt es wirklich ohne Spaltung rein
weiterzüchtende Bastarde? Für das Pflanzenreich werden eine große
Anzahl solcher angegeben. Mendel selbst glaubte in den Bastarden
der Hieraciumarten solche vor sich zu haben. Die genaue Untersuchung
durch Ostenfeld und Raunkiaer ergab aber, daß diese Pflanzen sich
parthenogenetisch (apogam) vermehren können, so daß gar keine Ba-
starde vorlagen. Ganz ähnliches gilt für gewisse de Vriessche Oeno-
therabastarde, wie wir später sehen werden. Trotzdem gibt es noch
eine ganze Anzahl analoger Angaben. Kerner von Marilaun hat für
zahlreiche wildwachsende Formen, die als völlig samenbeständig gelten,
nachzuweisen versucht, daß sie konstante Bastarde zwischen verwandten
Arten darstellen. Als Beispiel gilt Medicago intermedia, der Bastard
von M. falcata und sativa oder Rhododendron intermedium als
Bastard zwischen R. f errugineum und hirsutum. Besonders günstige
1 All diesen Fällen gegenüber ist allerdings grüßte Vorsicht geboten. Dem Züchter
genügt es oft, dem Stückkreuzungsprodukt einen neuen Sammlernamen geben zu können
und das auch, wenn keine zwei Stücke sich gleichen. Die herausspaltenden Eltern-
formen bleiben aber einfach als »Rückschläge« unerwähnt.
— 246 —
wD
Fälle solcher konstanten Bastardformen scheinen sich bei den Beeren-
sträuchern zu finden. Bekannt sind die intermediären, rein züchtenden
Johannisbeerenbastarde Janczewskis, deren absolut intermediäre
Beschaffenheit nebenstehend wiedergegebene Blüten- und Antheren-
durchschnitte gut illustrieren (Fig. 94). Das gleiche stellen Burbanks
Himbeeren-Brombee-
renbastarde dar (Pri-
mus-berry, Phenome-
'nalberry), die in ver-
besserter Form die
Eigenschaften der El-
tern zeigen und konstant
züchten sollen. De
Vries, der in seinem
berühmten Hauptwerk
eine große Anzahl sol-
cher konstanter Ba-
starde zusammenge-
stellt hat , betrachtet
als den einwandfreie-
sten aller den „abge-
leiteten" Bastard zwi-
schen dem wildwachsen-
den Gras Aegilops
o v a t aund dem Weizen.
Sagittal durchschnitte der Blumen und Querschnitte der -p. v ,, 13 f 1
Antheren von A Ribes rubrum, B Ribes vulgare und Vei' aueKte rSastaid,
C dem Bastard R. houghtonianum. Nach Janczewski Aegilops tl'iticoides
aus G o d 1 e \v s k i.
ist nicht fruchtbar, aber
mit dem Weizen rückgekreuzt, gibt er eine Dreiviertelblutform, die
absolut konstant weiterzüchtet. Sie ist in der Natur 1838 gefunden
worden und seitdem in zahllosen Generationen unvermindert weiter-
gezüchtet, ohne daß Rückschläge, Polymorphie, oder eine besondere
Variabilität auftreten sollen. Godron hat sie aber auch experimentell
erzeugt, und dieser Bastard wuchs neben dem aus der Natur stammenden,
von dem er nicht zu unterscheiden war, mit der gleichen Konstanz. Nun
— 247 —
versichert aber Baur mit Bestimmtheit, daß diese Aegilopsbastarde
doch spalten und wenn man an den Nachweis der Konstanz eines Ba-
stards einen wirklich exakten Maßstab legt, so muß man zugeben, daß
bisher wohl noch nie eine solche Konstanz einwandfrei nachgewiesen ist.
Dazu kommt noch, daß wir nach unseren heutigen zytologischen Kennt-
nissen verlangen müssen, daß in solchen Fällen auch wirklich der Nach-
weis erbracht wird, daß es sich um Bastarde handelt. Denn es könnten
auch sogenannte falsche Bastarde vorliegen, d. h. eine Entwicklung der
Eier durch den entwicklungserregenden Reiz des Sperma, ohne daß
dieses selbst an der Entwicklung teilnimmt. Es wäre das dann eine
induzierte Parthenogenese, aus der natürlich dann kein Bastard entsteht.
Verläuft die Entwicklung nur mit dem Samenkern ohne den Eikern, so
wäre es eine männliche Parthenogenese. Für beides gibt es Beispiele.
Auch aus dem Tierreich werden manche Beispiele konstanter Bastarde
angeführt. Bei Fasanenkreuzungen will man konstante Bastarde in vielen
Generationen gezüchtet haben. Ebenso bei den berühmten, oft besproche-
nen und sogar in ihrer Existenz bezweifelten Hasen-Kaninchenkreuzungen.
Diese Leporiden zeigen teils alternative, teils intermediäre Merkmale, die
aber nicht spalten sollen. Sieht man sich allerdings die Angaben von
Gayot näher an, so zeigt sich genau das Gegenteil. Es erscheinen näm-
lich in F2 Tiere mit Hasenhaar, mit Kaninchenhaar und mit merk-
würdigen Seidenhaaren, also eine Neukombination. Augen, Kopf, Gang-
art sind verschieden, also in Wirklichkeit die schönste Spaltung der
Merkmale! Es ist also nicht zu leugnen, daß es bisher auch im Tier-
reich keinen einwandfreien Art- oder Gattungsbastard gibt, dessen
völlige Konstanz über allen Zweifel erwiesen sei.
Der ganz außerordentliche Erklärungswert nun, der den Mendel -
sehen Vererbungsgesetzen zukommt, läßt die Frage berechtigt erscheinen,
ob das, was sich als konstanter Bastard darbietet, nicht doch sich viel-
leicht als ein besonders komplizierter Mendelfall erweist und in der Tat
ist es die Ansicht aller Mendelianer, daß dem so ist. Es ist ja auch nicht
schwer, sich das so vorzustellen. Wenn von den Eigenschaften der
Eltern die einen sich alternativ vererben, die andern in heterozygotem
Zustand intermediär sind, von ersteren natürlich die Dominanten teils
bei einem, teils bei dem anderen Elter sich finden, so sind gar nicht
— 248 —
sehr viele Eigenschaftspaare nötig, um im F2-Bastard ein solches Ge-
misch der Elterneigenschaften hervorzurufen, daß er praktisch kaum
von dem in Fx unterschieden werden kann. Und es wird bereits in
solchem Fall die Spaltung sich nur dann klar manifestieren, wenn die
Gametenkombination eintrifft, die eine der Elternformen rein abspaltet.
Selbst bei nicht geringer Zahl von Nachkommen wird schon bei relativ
wenigen Eigenschaftspaaren dies nur sehr selten vorkommen können.
Gibt es doch bei 7 Eigenschaftspaaren bereits 16348 Kombinationen.
Wenn nun gar bei solchen Artbastarden unvollkommene oder gar wech-
selnde Dominanz bei einigen Eigenschaften vorliegt, so kann jede ein-
zelne dieser Kombinationen ein wenig von der anderen verschieden sein,
und wenn die Schwankungen bei den verschiedenen Eigenschaften nicht
völlig gleichgerichtet sind, so wird das Gesamtbild des Bastards in vielen
Exemplaren den Eindruck eines einheitlichen Mischlings mit einer ge-
wissen Variabilität der Mischung machen. In allen solchen Fällen sollte
man aber erwarten, daß bei genügend großen Zahlen der Nachkommen-
schaft hie und da die reinen Elternformen abgespalten werden, oder,
nach dem, was wir früher über das mendelnde Auftreten von Neuheiten
gehört haben, unerwartete Ahnencharaktere erscheinen. Und es kann
dann auch keinem Zweifel unterliegen, daß es im Tierreich manches
Beispiel von Artkreuzungen gibt, die die eine oder andere Erscheinung
zeigen. Beide nebeneinander lassen sich an den Artkreuzungen demon-
strieren, die Bonhote an Enten ausführte. Er vermochte dabei Ba-
starde zwischen verschiedenen Arten zu erhalten, die wieder zu trigenen
und tetragenen Bastarden kombiniert werden konnten, die dann ein
Gemisch der Charaktere der Stammarten zeigten. In der Nachkommen-
schaft solcher tetragener, also aus 4 Arten zusammengesetzter Bastarde
spaltete dann einmal die eine Stammart Anas boschas rein ab. Der
folgende Stammbaum erläutere das Resultat; M ist Anas boschas,
Z = A.superciliosa, S = A.poecilorhynchaundP = Dafilaacuta.
M x s py^M
\ \
MS X PM
PMS X Z
\
PMSZX PMSZ
x + x + M
— 249 —
Aber auch das Auftreten von Neuheiten wurde beobachtet, die einer
anderen bekannten Form gleichen, wenn auch nicht gesagt ist, daß es
eine Ahnenform ist. Nebenstehende Fig. 95 zeigt dies an den Flanken-
federn solcher Enten, gleichzeitig aber auch, wie in weiteren Genera-
tionen eines trigenen Bastards Neukombinationen eintreten, die nach
Fig. 95-
Flankenfedern von Enten. 9, 11, 12 in drei aufeinanderfolgenden Generationen des
trigenen Bastards PMS (s. Text). 10 von der Speckente, 13 von Dafila acuta. Nach
Bonhote.
einem der Elterntypen hin führen. Die Figuren 9, 11, 12 zeigen Flanken-
federn des trigenen Bastards P M S in drei aufeinanderfolgenden Gene-
rationen. Fig. 10 ist eine Feder der bei der Kreuzung nicht benutzten
Speckente, zu deren Charakter eine deutliche „Reversion" erfolgt.
Fig. 13 gibt eine Feder des Bastardeiters Dafila acuta wieder und die
— 250 —
Reihe 9, 11, 12 zeigt deutlich die wachsende Annäherung an diesen
Typus. Gerade diese Entenartbastarde zeichnen sich durch volle Frucht-
barkeit aus, und es ist schon recht bemerkenswert, daß gerade sie solche
Andeutungen an Mendelsche Vererbung zeigen.
Wir haben es nun bisher als selbstverständlich betrachtet, daß für
die Frage der konstanten Bastarde nur solche zwischen weit auseinander-
liegenden systematischen Kategorien wie Arten in Betracht kommen.
Nun gibt es aber auch Fälle, in denen Varietätsmerkmale, die doch
sonst stets mendeln, sich sichtlich konstant vererben. Neben solchen,
die wir bald in anderem Zusammenhang kennen lernen wollen, ist da der
bekannteste Fall die Erblichkeit der Ohrenlänge beim Kaninchen.
Castle hat durch ausgedehnte Kreuzungsstudien festgestellt, daß bei
Kreuzung langohriger mit kurzohrigen Rassen die Nachkommenschaft
intermediär ist und dieser Charakter in allen folgenden Generationen kon-
stant bleibt. Ein Blick auf nebenstehende Figur 96, die die Ausgangstiere
eines solchen Versuchs nebst 2 Generationen von Nachkommen zeigt,
läßt dies Verhalten erkennen. Bei den Elterntieren unterliegt natürlich
die Ohrenlänge einer gewissen fluktuierenden Variabilität, deren Umfang
bei den langohrigen Formen 20 — 30 mm beträgt, bei den kurzohrigen
10 mm. Die Nachkommen zeigen gewöhnlich eine mittlere Variabilität.
Die folgende Tabelle gibt das wirkliche Resultat einer solchen Kreuzung
wieder, wobei die eingeklammerte Zahl unter den Nachkommenzahlen
das Elternmittel darstellt, um das die Nachkommen variieren.
P Q 1 1 8 mm X (5 2 1 o mm
•^i <3 156 mm -+- (5 166 mm -f- (5 170 mm + Q 170 mm -f- 170 mm
f [164 mm] f
\ X /
F-2 (5 160 mm + (J 168 mm + $ 170 mm + (J 172 mm + 6 1^° mm + 2 1S5 mm
[168 mm]
Wurden diese so erhaltenen Halbbluttiere mit Langohren wieder
gekreuzt, so gab es wieder in der Mitte stehende Dreiviertelbluttiere,
wie folgende Kreuzung zwischen einem Halbblutweibchen und einem
langohrigen Männchen beweist :
P Cj 152 mm X <5 210 mm
Fi Q 170 mm + (5 170 mm -+- 3 180 mm + 5 i§3 mm + 6 184 mm
1181 mm]
Es zeigt sich also, daß die Ohrenlänge sich konstant intermediär ver-
erbt. Dieser Fall hat nun eine besondere Bedeutung dadurch erlangt,
251
Fig. 96.
2 und 3 die Bastardeltern, langohriges Weibchen und kurzohriges Angoramännchen.
I Fi Bastard mit intermediärer Ohrenlänge, 4 Fo Bastard desgl. Nach Castle.
— 252 —
daß Lang an ihm demonstrieren konnte, wie schwierig es jetzt ist,
einen wirklichen Beweis für intermediäre konstante Vererbung zu er-
bringen. Und damit kommen wir an den wichtigsten Punkt, an dem
die Frage der konstanten Bastardformen jetzt angelangt ist. Es läßt
sich nämlich zeigen, daß die Resultate ebenso auf Grund mendelistischer
Erwägungen erklärt werden können, und zwar wird die Erklärung durch
die früher besprochenen Entdeckungen Nilsson-Ehles ermöglicht.
Wie wir uns nun erinnern, bestand deren Hauptresultat darin, daß
ein und dieselbe Eigenschaft von 2 oder 3 Faktoren bewirkt werden kann,
die selbständig mendeln, von denen aber jeder allein für sich die Eigen-
schaft auch hervorrufen kann. Bei zwei Faktoren konnten so unter
16 Nachkommen 15 phänotypisch gleich sein, bei 3 Faktoren unter 64
nicht weniger als 63. Hätten wir gar 6 Eigenschaftspaare, so enthielte
unser Kombinationsschema 4096 Rubriken, und 4095 Individuen wären
unter diesen phänotypisch gleich. In einem solchen Fall würde also,
da doch nur selten, bei Tieren wohl nie, so viele Nachkommen gezüchtet
werden können, die Nachkommenschaft den Eindruck erwecken, daß
sie konstant züchte. In diesem Fall lag nun reine Dominanz vor; wie
ist es aber, wenn der Bastard sich intermediär verhält, was, wie wir
wissen, für so viele Mendelfälle zutrifft? Um das verstehen zu können,
müssen wir zuerst ein anderes Resultat Nilsson-Ehles kennen lernen,
das wir bisher nicht berücksichtigten. Wir nahmen an, daß die phäno-
typisch gleichen Individuen in F2, also 63/64 bei drei Allelomorphen
völlig gleich seien. Es zeigte sich nun aber, daß das insofern nicht der
Fall sein muß, als bei der durch 3 Komponenten bedingten Rotfärbung der
Weizenkörner die Farbe in F2 doch zwischen hellerem und dunklerem
Rot variierte. In diesem Fall könnte also wohl das Verhältnis der drei
Allelomorphe nicht das sein, daß jedes Gen für sich das gleiche hervor-
ruft wie ihre Gesamtheit, sondern man müßte annehmen, daß zwar jedes
Gen rot bedingt, aber daß die Wirkung von 2 Genen ein doppeltes Rot er-
gibt, die von 3 Genen ein dreifaches, kurz, daß die einzelnen Faktoren
in der Kombination ihre Wirkung addieren. Derartiges wundert uns nicht
mehr, da es uns schon öfters begegnete, z. B. beim Verhältnis von Homo-
und Heterozygoten. Ist das aber der Fall, dann können wir ja berechnen,
wie oft die verschiedenen Abstufungen des Rot vorkommen müssen,
— 253 —
indem wir im Kombinationsschema auszählen, wie oft in den Kom-
binationen i Rotfaktor, 2 Rotfaktoren usw. vorkommen. Wenn wir
das nun ausführen, so soll in folgendem Schema angenommen sein, daß
das Rot von den 3 Faktoren A, B, C bedingt wird, und in jeder Rubrik
ist durch eine Zahl angemerkt, wie oft ein Rotfaktor vertreten ist.
A B C
AB c
A b C
a B C
A b c
aBc
a b C
(7 b c
A B C
A B C
A B C
A B C
A B C
ABC
ABC
A B C
6
5
5
5
4
4
4
0
0
A B C
AB c
A b C
a b C
A b c
a B c
a b C
a b c
AB c
AB c
AB c
. l B c
. 1 B c
ABc
ABc
A B c
5
4
4
4
3
3
3
2
ABC
A B c
A b C
a B C
A b c
aBc
ab C
a b c
Ab C
A b C
A b C
A b C
A b C
AbC
AbC
A b C
5
4
4
4
3
•>
3
2
ABC
A B c
A b C
a B C
Abc
aBc
a b C
a b c
a B C
aBC
a B C
aBC
a B C
a B C
a B C
a B C
5
4
4
4
0
3
2
ABC
AB c
AbC
a B C
Abc
aBc
ab C
a b c
Abc
A b c
Abc
Abc
A b c
Abc
Abc
Abc
4
3
3
0
2
2
2
1
ABC
AB c
AbC
aBC
A b c
a B c
a b C
a b c
a B c
a B c
aBc
a B c
a B c
aBc
aBc
aBc
4
,
J
0
0
3
2
2
2
1
ABC
AB c
A b C
a B C
Abc
aBc
a b C
a b c
a b C
a b C
abC
abC
a b C
ab C
abC
a b C
4
3
0
n
J
2
2
2
1
ABC
AB c
AbC
a B C
A b c
aBc
abC
a b c
a b c
a b c
a b c
a b c
ab c
a b c
a b c
a b c
3
2
2
2
1
1
I
0
Es kommen somit vor:
6 Rotfaktoren 1 mal
5 „ 6mal
4 » x5 mal
3 „ 20 mal
— 254 -
2 Rotfaktoren 15 mal
1 „ 6 mal
0 ,. 1 mal
Das bedeutet aber etwas sehr Wichtiges. Die reinen Eigenschaften der
beiden Eltern werden sich nur in je 1 Individuum finden. Innerhalb
der 63 roten Formen werden am häufigsten die Mittelroten (3 Rotfak-
toren) sein, am seltensten die ganz dunkel- oder hellroten (6 bzw. 1 Fak-
tor). Mit anderen Worten: Das Rot in F2 tritt in stufenweisen Über-
gängen auf, die in der Zahl, in der sie vorkommen, genau die gleiche
symmetrische Verteilung zeigen, wie die Glieder der fluktuierenden
Variabilität einer einheitlichen Eigenschaft. Würden aber nur wenig
Nachkommen gezogen, so ist es klar, daß am ehesten die mittleren
gefunden würden, somit eine völlig einheitliche mittelrote Nachkommen-
schaft entstände. In diesem Fall nun handelte es sich um die Verhält-
nisse bei Dominanz. Wenn ein intermediäres Verhalten der Eigen-
schaftspaare vorliegt, so erleidet das Bild insofern eine Verschiebung,
als jeder der Kombinationen noch ein entsprechendes Quantum der
anderen Eigenschaft, in diesem Fall wäre es weiß, zugemischt wäre.
Im großen ganzen würde dadurch nur ein einziger Unterschied hervor-
gerufen, nämlich der, daß das gesamte Schwanken der Typen nicht um
mittelrot, sondern um hellrot stattfände.
Wenden wir das Prinzip nun im Anschluß an Lang auf die Ohren-
länge der Kaninchen an, so können wir annehmen, daß lange Ohren durch
3 Gene bedingt seien. Angenommen Ohren von 100 mm seien kurze,
so macht ein Langohrengen sie um 40 mm länger, 3 Gene um 120 mm,
also zu 220 mm. Werden 220 mm-Kaninchen mit 100 mm-Tieren
gekreuzt und Fx ist intermediär, so zeigt es 160 mm-Ohren. In F2
tritt nun die Spaltung so ein, daß sich die Phänotypen genau so verteilen
müssen, wie es oben für die Wirkung der 3 Rotfaktoren abgeleitet wurde.
Da aber intermediäre Vererbung vorliegt, so verteilen sich die Phäno-
typen nicht auf der dominanten Seite, sondern über die ganze Reihe hin,
und da die 40 mm Wirkung eines jeden Langohrenfaktors, da wo er
heterozygot erscheint, halbiert wird, erhält man die auftretenden Größen,
wenn man die Zahl der im Kombinationsschema anwesenden Halbfak-
toren (große Buchstaben) mit 20 multipliziert zur Länge des Kurzohrs
— 255 —
/ 4<> \
( ioo mm) addiert : Denn die Form A BCc = ioo +40 + 40 + — I = 200
ist dort geschrieben AABBCc = 100 + (5 . 20) = 200. Unter diesen
Voraussetzungen erhielten wir in F2 die Phänotypenverteilung :
220 mm 1 Individuum
200 „ 6
180 „ 15
160 „ 20
140 „ 15
120 „ 6
100 „ 1
Bei Kreuzung des Kurz- und Langohrenkaninchens brauchte unter
20 Nachkommen nur die Mittelklasse vertreten zu sein : so entsteht der
Eindruck der Konstanz der intermediären 160 mm-Bastarde in F2.
Erst unter 64 Nachkommen ist ja ein den Eltern gleiches zu erwarten.
Je größer nun die Zahl der Merkmalspaare ist, um so größer wird natür-
lich die Mittelklasse. Für 12 Merkmalspaare berechnet sich so die Zahl
der Individuen mit Ohren zwischen 140 und 180 mm auf etwa 15 Mill.
unter 17 Millionen (was nach den in der 11. Vorlesung gegebenen Zahlen-
ableitungen ja leicht zu berechnen ist), und unter diesen ist nur je ein
reines Exemplar vom Charakter der Eltern. Wenn also in der Tat die
Ohrenlänge von mehreren Merkmalspaaren bedingt ist, so brauchen es
nur sehr wenige Faktoren zu sein, um bereits eine konstant-intermediäre
Vererbung mit einer Variabilität um das Mittel vorzutäuschen.
Wenn die Supposition richtig ist, so kann sie bei Tieren, die nicht
durch Selbstbefruchtung vermehrt werden können, wobei sich ihre
genotypische Zusammensetzung leicht zeigen würde, nur so erwiesen
werden, daß ausnahmsweise unter den scheinbar rein intermediär züch-
tenden Bastarden auch Exemplare vorkommen, die sich ganz oder teil-
weise dem Elterntypus nähern. Die Wahrscheinlichkeit, sie zu finden,
wächst noch, wenn aus den extremen Typen von F2 F3 gezüchtet wird.
Oder aber es lassen sich erblich konstante Formen isolieren, die mehr
patro- oder matroklin sind, entsprechend den Größenklassen, die die
Merkmale bedingen, in unserem Beispiel also 100, 140, 180, 220 mm.
Denn wir wissen ja, daß bei 3 Eigenschaften 8 homozygote Typen exi-
— 256 --
stieren, die im Kombinationsschema sich immer in der Diagonale links
oben — rechts unten finden und von denen bei intermediärer Vererbung,
wie das Kombinationsschema zeigt, 2x3 identisch aussehen. Und wenn
solche isoliert würden, müßten sie rein weiterzüchten. Bei pflanzlichen
Objekten mit Selbstbefruchtung ist es allerdings ein Leichtes, diese
Homozygoten zu isolieren. Bei Tieren dürfte es aber nicht leicht vor-
kommen, daß bei den begrenzten Zahlen der Zuchten zufällig zwei Homo-
zygoten zusammenkommen, von denen bei Annahme von nur 10 Eigen-
schaften bereits nur etwa V1000 der Gesamtindividuenzahl existieren.
Lang weist nun darauf hin, daß es in der Tat bei Castle Angaben gibt,
die darauf hindeuten, daß gelegentlich Individuen mit stark goneokliner
Ohrenlänge auftreten. Die Möglichkeit ist also nicht von der Hand zu
weisen, daß dieser und dann auch andere ähnliche Fälle, nach Nilsson-
Ehles Prinzip als Fälle Mendelscher Vererbung zu erklären sind.
Durch neuere Untersuchungen ist nun diese Möglichkeit der Erklärung
scheinbar konstanter Bastarde durch dieHypothese der Polymerie, wie
Lang die vorgeführte Interpretation bezeichnet, noch beträchtlich wahr-
scheinlicher geworden. Zunächst seien die Untersuchungen von East, der
wohl überhaupt zuerst die Polymeriehypothese aussprach, über quanti-
tative Merkmale beim Mais genannt. Werden solche Merkmale betrachtet,
so ist es klar, daß die fluktuierende Variabilität zu berücksichtigen ist.
Es müssen also die Variationskurven des betreffenden Merkmals für
Bastardeltern, Fx undF2 verglichen werden. Für F1 ist dann in der Regel
eine intermediäre Kurve zu erwarten. Wie steht es aber mit F2? Nach den
Ausführungen der vorhergehenden Seiten kann eine polymere Spaltung in
F2 eine einer Variationsreihe höchst ähnliche Phänotypenverteilung er-
geben. Handelt es sich nun um ein fluktuierendes quantitatives Merkmal,
so hat jeder dieser Phänotypen z. B. der 7 oben aufgezählten, seine eigene
kleine Variationskurve, die, wenn die Typen nahe beisammen liegen, mit
der des benachbarten Typus transgredierend ist. Die Gesamtheit dieser
Einzelkurven ergibt aber dann wieder eine scheinbar einheitliche Phäno-
typenkurve für die ganze F2-Generation. Diese Kurve muß aber eine
viel höhere Variationsbreite haben als die Fj^Kurve und bei genügend
großen Zahlen bis zu den Extremen der Elternkurven reichen. Und das
ist in der Tat im großen ganzen der Fall. Fig. 97, S. 258 — 59, gibt einen
— 257 —
solchen Versuch von E as t wieder. Das betrachtete quantitative Merkmal
ist die Länge des Maiskolbens. Seite 258, a, b finden sich die beiden
Elterntypen mit langen und kurzen Kolben in ihren Variationsreihen dar-
gestellt und unter jedem Typus steht seine Längenklasse und die Zahl der
Varianten. Fig. c, S. 259 zeigt die intermediäre F^Generation und die
viel stärker variable F2, die hier auch nahezu die Elternextreme erreicht.
Als Gegenstück dazu sei in Fig. 98, S. 260 ein ähnlicher Fall nur in seinen
Variationskurven dargestellt, nämlich das Verhalten der Länge des Blumen-
blattes bei Kreuzung von gewöhnlichem Lein mit Limim angustifolium nach
Tine Tarn nies. Auch hier zeigt ein Blick auf die Kurven das gleiche
Verhalten der Variationsbreite bei einem Vergleich zwischen P, Fx undF2.
Im höchsten Maß bemerkenswert erscheint, daß diese Interpretation
nun auch einen Fall klärt, der bisher die Hochburg der konstanten
Bastardvererbung darstellte, den Fall des Mulatten. Bateson be-
zeichnet dieses Kreuzungsprodukt zwischen Neger und Weißen direkt
als den einzigen sicheren Fall einer solchen Vererbung. Die genaue
Untersuchung der Hautfarbe der Nachkommenschaft von Mulatten-
paaren durch G. und C. Davenport, wobei die Farbanteile, aus denen
sich der Hautton zusammensetzt, mittels des Farbkreisels exakt bestimmt
wurden, zeigt aber, daß sie eine ganze Variationsreihe von hell zu dunkel
in verschiedenem Gemisch bildeten. So hatten 7 Kinder eines solchen
Paares folgendes Verhältnis von Schwarz zu Weiß in ihrer Hautfarbe,
bestimmt nach der Skala des Farbenkreisels:
Schwarz
6
60
23
25
25
25
31
24
32
17
33
33
46
Weiß
7
75 8
Bei einem Neger ist das Verhältnis , bei einem \\ eißen — . Da nun
2 33
außerdem in der Nachkommenschaft von Mulatten ganz weiße wie fast
ganz schwarze Individuen auftreten können, so kann es kaum mehr
einem Zweifel unterliegen, daß auch dieser Fall sich in genau der gleichen
Weise wird erklären lassen, wie der der Kaninchenohrenlänge, wie das
auch Davenports annehmen und Lang genau durchgeführt hat. Wenn
es bei der Unmöglichkeit des Experiments wohl auch kaum möglich sein
wird, aus noch so reichen Statistiken die Zahl der dabei mitspielenden
Goldsc hmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. *7
258
Nu r.r.
J
11
Fig. 97-
Vererbung der Kolbenlänge beim Mais, a und /' Variationsreihen der beiden Eltern
(P-Generation).
Faktoren festzustellen, so genügt doch schon die Übereinstimmung
mit Nilsson-Ehles roten Weizenkörnern im Verhalten von F2, um
jene Erklärung als im höchsten Maß wahrscheinlich erscheinen zu lassen.
— 259 —
Wenn sich die Fälle der scheinbar konstanten intermediären Ver-
erbung nun mittels des Nilsson -Ehleschen Prinzips als echte Mendel-
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13
10
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12
1
2
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Fig. 97-
c Variationsreihe von F^ d desgl. von Fo. Nach East.
fälle enthüllen sollten, was, wie gesagt, jetzt sehr wahrscheinlich er-
scheint — und dem Erklärungswert dieses Prinzips gegenüber muß
in der Tat alles oben für die konstante Vererbung angeführte Material
iT
— 260 —
zurücktreten — so bleibt wohl nur eine Möglichkeit übrig, eine nicht
spaltende Vererbung einwandfrei nachzuweisen. Sie wäre bewiesen,
wenn es gelänge, intermediäre oder alternative spaltende Bastarde ex-
perimentell zu zwingen, das Spalten aufzugeben und alternativ- bzw.
intermediär-konstant zu bleiben. So sehr diese Möglichkeit vielen
Mendelschen Anschauungen widerstreitet, so kann man sie doch nicht
ohne weiteres von der Hand weisen. Aber gerade in diesem Punkt stehen
wir erst am bescheidensten Anfang der Forschung. Es sind eigentlich
A
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1 7,5
mm
0.5
9.5 10 10.5 11 11.5 12
7. Ge wöh n licn er L ein xLinum angustifulium.
L änge c/es Jjlu men ola tles.
Fig. 98.
Variationspolygone der Blumenblattlänge in P, Fj , F2 bei Kreuzung zweier Leinformen.
Nach Tine Tarn m es.
nur Towers Studien zu nennen, von denen wir ja schon früher hörten.
Denn ihm gelang es experimentell, konstante Bastarde bei Formen zu
erzeugen, die sonst typisch mendelndes Verhalten zeigen, und zwar waren
dies keine intermediären, sondern alternative Bastarde. So ergibt die
Kreuzung zwischen einem $ von Leptinotarsa undecimlineata
mit dem £ L. signaticollis unter bestimmten Bedingungen in F±
intermediäre Bastarde, die in F2 typisch im Verhältnis von 1:2:1
spalten. Wurden die gleichen Tiere bzw. identische bei größerer
Wärme und Feuchtigkeit gepaart, so zeigte Fx den rein mütterlichen
— 261 —
Typ, also Dominanz von undecimlineata. Dieser Typus spaltete aber
nicht mehr, sondern blieb in den 6 gezüchteten Generationen konstant.
Allerdings fehlt abgesehen von näheren Angaben auch hier noch der
Nachweis, daß es sich nicht um induzierte Parthenogenese handelt.
Diese Versuche stehen ja erst im ersten Anfang, doch deuten sie
vielleicht darauf hin, daß wirklich aus einer spaltenden eine konstante
Vererbung hervorgehen kann. Das bedeutete aber mit anderen Worten,
daß der heterozygote Zustand bei der Gametenbildung unter Umständen
in einen homozygoten übergehen kann: der Bastard Aa, der bisher
Gameten A und Gameten a bildete, produziert jetzt nur noch Gameten
Aa = B. Wenn dies möglich sein sollte, und es liegt kein Grund vor,
die Möglichkeit zu verneinen, so wirft es auch Licht auf mancherlei
weitere Fragen. Wir werden darauf in der nächsten Vorlesung zurück-
kommen.
Dreizehnte Vorlesung,
Polymerie und verschiedene Potenz der Erbfaktoren. Natürliche
Variation durch Bastardkombination. Neukonstruktion durch
Faktoreninterferenz. Unfruchtbarkeit und Luxurieren der Bastarde.
Bastardkonstruktion und gekoppelte Faktoren. Mendelismus und
Tierzucht.
In Anbetracht der kurzen Spanne Zeit, die die mendelistische Er-
forschung des Vererbungsproblems im Gange ist, können wir auf ihre
Resultate wohl mit Recht stolz sein. Andererseits wird sich aber nie-
mand wundern, daß es noch eine ganze Reihe bisher ungelöster Fragen
gibt, wie auch mancherlei Gedankengänge, auf deren weiteren Ausbau
in der Zukunft man gespannt sein darf. Gerade die Theorie der Poly-
merie hatte uns bereits an einen solchen Punkt geführt, und an sie
lassen sich nun leicht noch andere Punkte anschließen, in denen wir
noch nicht völlig klar sehen. Diese im Verein mit einigen Ergänzungen
zum Gesamtbild des Mendelismus sollen den Inhalt dieser Vorlesung
bilden.
— 262 —
Die Untersuchungen über eine Reihe mendelnder Eigenschaften
haben uns auch mit solchen bekannt gemacht, die, obwohl sie sich als
Ganzes zu ihren Allelomorphen wie eine Einheitseigenschaft verhalten,
doch in sich selbst nicht einheitlich sind. Das bekannteste Beispiel
dafür ist die Scheckzeichnung der Nagetiere. Wir haben schon gehört,
daß sie bei Mäusen auf einem dominanten oder rezessiven Scheckungs-
faktor beruht, der gegen die Ganzfarbigkeit mendelt. Die Scheckung
selbst kann nun aber graduell außerordentlich verschieden sein und
schwanken zwischen nahezu ganzfarbigen Tieren mit kaum weiß durch
alle Übergänge hindurch bis zu nahezu weißen mit kaum Farbe. Für
die Ratten und ihren etwas eigenartigen Scheckungstypus mit dem
-.2
Fig. 99.
Schematische Darstellung der verschiedenartigen Scheckung bei Ratten. Nach Castle-
schwarzen Rückenstreifen (Fahne) ist dies schematisch in Fig. 99 wieder-
gegeben und einige Typen zeigt auch die Photographie Fig. 100. Analoge
Fälle sind die durch eingestreute weiße Haare hervorgerufene Silberfarbe
gewisser Kaninchen, bei denen dann das Maß der Silberung schwankt,
die überzählige Zehe bei Meerschweinchen, die von einem bescheidenen
Stummel an einer Extremität bis zu voller Ausbildung an allen variiert
oder ein ganz ähnliches Verhalten überschüssiger Zehen bei Hühnern.
Besonders Castle hat diesen Erscheinungen seine Aufmerksamkeit ge-
widmet. Er stellte dabei fest, daß diese Eigenschaften sich durch fort-
gesetzte Selektion der extremen Plus- oder Minusabweicher weit über
das Maß der Ausgangstiere hinaus steigern lassen. Es ließe sich viel-
leicht für die Erklärung dieser Fälle die Erscheinung der Polymerie
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Fig. ioo.
Gescheckte Ratten mit verschieden starker Ausbildung des Rückenstreifens (Fahne
Nach Mc. Curdv und Castle.
— 264 —
heranziehen, wie es Cuenot und Lang für die Scheckung der Mäuse
andeutungsweise versucht haben. Es könnte ja eine Serie von Schek-
kungsfaktoren geben, von denen jeder schematisch gedacht, ein weißes
Areal bestimmter Ausdehnung hervorruft, so daß das Maß der Scheckung
von der Quantität der anwesenden Teilfaktoren abhängt. Die Selek-
tionseffekte würden dann darauf beruhen, daß Individuen mit möglichst
vielen oder wenigen Faktoren ausgewählt würden, bei deren Weiter-
bastardierung dann die Möglichkeit weiterer steigender oder fallender
Kombinationen gegeben ist. Bis jetzt ist diese Erklärung, mangels
überzeugenden Beweismaterials, aber noch nicht sehr befriedigend.
Castle selbst bevorzugt eine andere Erklärung, die uns nicht nur für
diesen Fall, sondern prinzipiell wichtig erscheint. Er stellt sich vor, daß
ein und derselbe Erbcharakter verschiedene Potenz haben kann, ver-
schiedene quantitative Wirksamkeit. Wenn zwei Erbfaktoren zu-
einander in epistatischem Verhältnis stehen (Castle bezieht den Gedan-
kengang auf die Dominanz, die man aber wohl nicht so betrachten sollte),
so besagt das, daß der eine quantitativ stärker ist als der andere. Durch
Schwankungen in der Potenz kann aber das Verhältnis ausgeglichen, ja
umgedreht werden. Die verschiedenen Grade von Scheckung könnten
also auf verschiedene Potenz des Scheckungsfaktors zurückgeführt wer-
den, und wenn eine Selektion mit Erfolg stattfindet, so besagt das eine
Auswahl der hoch potenzierten Faktoren. Allerdings ist auch damit der
Fall noch nicht völlig geklärt. Aber der Potenzbegriff selbst sollte nicht
aus dem Auge gelassen werden, schon deshalb, weil er die starren Erb-
faktoren in physiologisch -labile Begriffe überzuführen geeignet ist.
Denn es ist dann auch vorstellbar, daß die Potenz eines Erbfaktors durch
innere wie äußere Faktoren beeinflußbar ist. Das ist aber für die prak-
tische Zucht von großer Bedeutung. Kein Züchter wird es sich nehmen
lassen, daß eine bestimmte erbliche Eigenschaft, z. B. die Neigung zu
Fettansatz durch sorgfältige Zuchtwahl hochgehalten und weiter ge-
steigert werden kann; nach Aufhören der Selektion tritt aber sehr schnell
ein Rückschlag ein. Das könnte natürlich die Auswahl geeigneter poly-
merer Kombinationen bedeuten, aber auch die Auswahl von Individuen
mit hochpotenten Erbfaktoren. An diesem Punkte sollten neue, sorg-
sam ausgedachte Experimente einsetzen.
— 265 —
Die Erscheinung der Polymerie und die verwandten Tatsachen haben
nun schon mehrfach uns wieder von einer Variabilität sprechen lassen
und das führt uns auf Dinge zurück, von denen wir früher bei Bespre-
chung der fluktuierenden Variabilität schon gehandelt haben. Schon
dort erfuhren wir, daß es durch bloße Inspektion einer Variationsreihe
oder Kurve unmöglich ist, zu entscheiden, ob es sich um die Kurve einer
nichterblichen Modifikation in einem Biotypus handelt oder um eine
Phänotypenkurve, die sich in Wirklichkeit aus zahlreichen transgre-
dierenden Biotypenkurven aufbaut. Hier haben wir nun gesehen, wie
eine Variabilität, die äußerlich einer gewöhnlichen fluktuierenden gleicht,
dadurch zustande kommen kann, daß eine Reihe von Erbfaktoren in
verschiedener Weise kombiniert werden. So könnte man ja die unend-
liche Fülle der Farbvarietäten der Mäuse in eine aufsteigende Reihe von
den hellsten durch alle Übergänge hindurch bis zu dunkelsten Tieren an-
ordnen. Oder aber die Variationsreihe kam durch die Bastardkombination
einer polymer repräsentierten Eigenschaft zustande : Die Variationsreihe
des Maises inF2, die oben abgebildet wurde, könnte doch gut eine gewöhn-
liche Modifikationsreihe sein. Das läßt uns nun von neuem alle Fälle
ausgesprochener Variabilität, die in Abstammungsfragen eine Rolle spielen,
mit kritischen Augen betrachten. Und da ist das überraschende Resultat,
daß je tiefer wir in den Gegenstand eindringen, um so mehr es sich zeigt,
daß vielgestaltige Tier- oder Pflanzenformen aus Natur oder Kultur nur auf
die Bastardkombinationen einer oft recht geringen Zahl von Erbfaktoren
zurückzuführen sind. Je größer der Polymorphismus, um so größer
auch die Zahl der kombinierten Faktoren. Aus der Fülle der im Tier-
und Pflanzenreich schon vorliegenden Beispiele nur eines: Wir haben
uns bereits mit der Mendelschen Vererbung der Zeichnung der Gehäuse
von Gartenschnecken beschäftigt. Diese Zeichnung ist nun ganz außer-
ordentlich variabel, indem alle Übergänge von einfach gelben bis zu
fünfbändrigen vorkommen, was mit den verschiedenen möglichen Bänder-
kombinationen allein 89 Variationen ergibt. Diese können sich dann
noch mit mehreren verschiedenen Grundfarben der Schale kombinieren,
die Bänder können als Tüpfelbänder erscheinen, kurz es gibt eine unend-
liche Mannigfaltigkeit. Eine solche Variationsreihe in Form eines Kreises,
der mit einer ganz hellen Form beginnt und einer durch Verschmelzung
— 266 —
der Bänder ganz dunkeln aufhört, ist in nebenstehender Fig. 101 wieder-
gegeben. Lang hat es nun wahrscheinlich gemacht, daß diese ganze
Variabilität auf der Bastardkombination einer Reihe von mendelnden
Merkmalen beruht. Ein analoges Beispiel aus dem Tierreich ist in
Fig. 102 abgebildet. Auch diese noch durch viele Zwischentypen zu
ergänzende Variationsreihe kommt durch eine derartige Kombination
von ganz wenigen Faktoren zustande (Goldschmidt).
Q}ax)vt€c{ So
$■» oxv
Fig. ioi.
Variationsreihe der Schalenzeichnung von Helix hortensis in Kreisform, die Übergänge
zwischen weißer und schwarzer Schale zeigend. Die beigesetzten Zahlen stellen sym-
bolische Bezeichnungen der einzelnen Typen dar. Nach Lang.
Diese Tatsachen sind natürlich in der verschiedensten Richtung be-
achtenswert. Wenn etwa Einzelexemplare einer solchen Reihe auf ihre
Erblichkeit untersucht werden, so kann es sich zeigen, daß ihr Charakter
rein vererbt wird. In einem anderen Falle ergibt es sich aber, daß sich
in ihrer Nachkommenschaft wieder eine außerordentliche Variabilität
findet. Man kann dann versucht sein zu sagen, daß ein und dieselbe
Eigenschaft als erbliche Eigenschaft wie als nichterbliche Modifikation
auftreten kann, und man könnte daraus weitgehende Schlüsse auf das
— 267 —
*- ***
»
-1 • s€? 0*
. #7
Fig. 102.
Zehn eine Reihe bildende Variationstypen der Gesamtart Lymantria monacha.
— 268 —
gegenseitige Verhältnis dieser Zustände ziehen. Ich selbst habe diesen
Fehler in der ersten Auflage dieses Buches begangen. Im Lichte der
obigen Erörterungen ist es aber klar, daß der Unterschied in den beiden
Fällen der war, daß einmal Homozygote genommen wurden, die also
nicht weiter spalteten, im anderen Falle mehr oder minder komplizierte
Heterozygote, die weiterhin spalten mußten. Auch dies mahnt wieder
zur Vorsicht bei Schlußfolgerungen aus Material, dessen genotypische
Einheitlichkeit nicht völlig sichergestellt ist.
So erscheint nun all das biologische Material, das in Artbildungsfragen
eine Rolle spielt, die „Variabilität" der Kulturtiere und Pflanzen, die
Variabilität vielgestaltiger Naturformen unter einem ganz anderen
Gesichtswinkel: dem der komplizierten Bastardkombination. Aller-
dings bringt diese nichts Neues hervor, sondern nur neue Zusammen-
stellungen , die nur unter Umständen den Eindruck von wirklich
Neuem erwecken können; man denke an die quergebänderte Helix
Längs. Aber es scheint, daß man jetzt sogar noch einen Schritt weiter
gehen kann.
Erinnern wir uns an den Fall der Hühnerkämme. Rosen kämm x
Erbsenkamm gab Walnußkamm, der ja auch homozygot rein gezüchtet
werden konnte. Zwei durch Bastardierung zusammengebrachte positive
Faktoren ergaben durch ihr Zusammenwirken eine Neukonstruktion.
Stehen sich nun zwei Formen im System so fern, daß man ihre Differenz
als Artdifferenz bezeichnen könnte, so werden sich bei Kreuzung viele
Charaktere als einfache mendelnde Merkmalspaare verhalten und somit
die Möglichkeit von unendlichen Neukombinationen ergeben. Andere
Merkmale aber könnten derart sein, daß sie in beiden Formen durch
einander entsprechende, aber nicht identische positive Faktoren bedingt
sind, die, wenn sie bei Bastardierung zusammenkommen, miteinander
interferieren und dadurch eine gänzlich neue Wirkung hervorrufen, eine
Neukonstruktion durch Faktoreninterferenz. Nehmen wir ein
Beispiel. Bei zahlreichen gezüchteten Tierformen kommt ein sogenanntes
Seidenhaar vor, das gegen das normale Haar mendelt. Die nächstliegende
und wohl auch verbreitetste Auffassung ist die, daß dieser Haartypus
als Mutation plötzlich entstanden ist. Bei seinen Hasen-Kaninchenkreu-
zungen fand Gayot (1872) in der F2-Generation solches Seidenhaar
— 269 —
auftreten und ein kürzlich beschriebener derartiger Bastard zeigte es
ebenfalls (Rörig). Es waren da also wohl 2 (oder mehrere) interferie-
rende Faktoren so zusammengetroffen, daß sie die Neukonstruktion be-
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L#f
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• ^^pP»1
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Fig. 103. Burchells Zebra nach Ewart.
dingten. Es ist dabei sehr gut möglich, daß diese neue Eigenschaft sich
nachher nicht als durch mehrere Faktoren bedingt erweist, sondern
durch nur einen, da es ja durchaus denkbar ist, daß in einem solchen
A.' *' ' / ^^
Fig. 104. Burchellzebra — Halbeselbastard nach Ewart.
- 268 —
gegenseitige Verhältnis dieser i stände ziehen. Ich selbst habe diesen
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obigen Erörterungen ist es abei lar, daß der Unterschied in den beiden
Fällen der war, daß einmal H nozygote genommen wurden, die also
nicht weiter spalteten, im andt n Falle mehr oder minder komplizierte
Heterozygote, die weiterhin sp en mußten. Auch dies mahnt wieder
zur Vorsicht bei Schlußfolgernden aus Material, dessen genotypische
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So erscheint nun all das biol- ische Material, das in Artbildungsfra^«
eine Rolle spielt, die „Variabi it" der Kulturtiere und Pflanzen,
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zuerst fand, nur in
gepaart, so müßten ja
1 ■ ichtgelbe entsteh
ici) im Verhältnis von
V< 1 5U< i" ii 1511 : 767).
, Mi: dem Gelbfaktor
ich 1-1 . Ein ganz ana-
Die gelbblättrige
rozygot in bezug auf
fortgepflanzt entstanden
- 3 homozygote grüne.
ml zwar, wie sich zeigte,
iS
— 272 —
doppelte Größe gewöhnlicher Walnußbäume erreicht. Interessant ist in
diesem Zusammenhang die Annahme vonEast, daß die guten Kartoffel-
sorten auch luxurierenden Bastarden entstammen, da sie in vielen Charak-
teren sich als heterozygot erweisen, was, da sie ja nur ungeschlechtlich
fortgepflanzt werden, von jeher der Fall sein muß. Aus dem Tierreich sei
auf die außerordentliche Leistungsfähigkeit der Maultiere verwiesen oder
auf einen von Kammerer gezüchteten Acerina-Perca-Bastard, der
sich als viel schnellwüchsiger und zählebiger erwies als seine Eltern.
Ich selbst habe bei meinen Entenzuchten beobachtet, daß bei einer
bestimmten Kreuzung (Wildente x Pekingente) die als solche nicht
sehr kräftigen Bastarde eine ganz ungeheuer gesteigerte Fruchtbarkeit,
fast die doppelte wie die besten Legerassen, besaßen. In jüngster Zeit
hat nun Pearl, wie wir später erfahren werden, gezeigt, daß die mehr
oder minder große Fruchtbarkeit von Hühnerrassen auf dem Zusammen-
wirken von zwei charakteristischen Erbfaktoren beruht. Der Gedanke
liegt nahe, daß auch dieses Luxurieren nichts ist, als die Additionswirkung
zweier derartiger interferierender Faktoren.
Und ganz ähnliches gilt wohl für den zweiten Punkt, die häufige
Unfruchtbarkeit von Bastarden. Während meist Bastarde zwischen
nahestehenden Rassen, Varietäten, Elementararten unbegrenzt fruchtbar
sind, nimmt die Fruchtbarkeit mit der Entfernung im System rapid ab.
Schon von Artbastarden gilt die Tatsache, daß sie in überwiegender Zahl
unfruchtbar sind. Und zwar lassen sich dabei alle Übergänge von vöUiger
Unfruchtbarkeit über geminderte Fruchtbarkeit zu normaler Fruchtbar-
keit feststellen. Bei völlig unfruchtbaren Artbastarden zeigt sich aller-
dings bisweilen, daß nur die männlichen Tiere gänzlich unfruchtbar
sind, die weiblichen aber regelmäßig oder nur gelegentlich befruchtungs-
fähige Eier bilden, aber auch das umgekehrte, so daß eine Anpaarung
mit den Elternformen möglich ist. Über die Ursache der Unfruchtbar-
keit ist so gut wie nichts bekannt. Man hat versucht, sie auf zelluläre
Ursachen zurückzuführen, ohne daß dies trotz zahlreicher Einzelbefunde
mit einiger Zuverlässigkeit gelungen wäre. Denn es zeigte sich, daß ent-
weder überhaupt keine Geschlechtszellen gebildet werden oder daß sie
sich ganz normal entwickeln und trotzdem im letzten Moment zugrunde
gehen. Während man so die verschiedenen Stufen des Verhaltens der
— 273 —
Geschlechtselemente steriler Bastarde vor allem durch die Untersuchun-
gen von Poll an Tieren und Tischler an Pflanzen sehr gut kennt, weiß
man nichts Positives über die Ursachen des betreffenden Verhaltens.
Für die Frage der Artbildung aus konstant züchtenden Bastarden
ist dieser Punkt natürlich von besonderer Wichtigkeit; wie vorsichtig
man da aber mit negativen Schlüssen sein muß, geht aus der
Tatsache hervor, daß Wettstein bei sterilen Sempervivumbastarden
fand, daß bei Erzeugung neuer Blüten plötzlich die Fruchtbarkeit
wieder auf 50% anstieg, so daß er eine konstante Bastardrasse züchten
konnte. Vielleicht ist die physiologische Ursache der Unfruchtbarkeit
in den gleichen Faktoren zu suchen, die es bedingen, daß mit steigender
Entfernung der Bastardeltern im System auch die Bastardnachkommen
immer mehr lebensunfähig werden. Gattungsbastarde von Schmetter-
lingen sterben vielfach schon auf dem Raupenstadium, noch weiter ent-
fernte Bastarde vermögen bereits die Embryonalentwicklung nicht mehr
zu vollenden oder sogar nur zu beginnen. Angesichts des bekannten
biochemischen Verhaltens der Körpersäfte verschiedener Tierformen
(Präzipitation) dürften die letzten Ursachen für beide Erscheinungen
wohl auf biochemischem Gebiet zu suchen sein.
Es ist übrigens von großem Interesse, daß es auch bei Varietätskreu-
zungen Dinge gibt, denen sichtlich die gleiche Erscheinung zugrunde
liegt, mit dem Unterschied nur, daß die Bastardformen existenzfähig
sind, merkwürdigerweise aber nicht bestimmte homozygote Kombina-
tionen. So sind gewisse gelbe Mäuse, wie Cuenot zuerst fand, nur in
heterozygotem Zustand lebensfähig. Werden sie gepaart, so müßten ja
Y4 homozygot gelbe, 2/4 heterozygotgelbe und y4 nichtgelbe entstehen.
Statt dessen gibt es aber immer gelbe zu nichtgelben im Verhältnis von
2:1 (in Cuenots, Castles und Durhams Versuchen 1511 : 767).
Die homozygoten gelben sind also existenzunfähig. Mit dem Gelbfaktor
muß etwas verbunden sein, was in zwei Dosen tödlich ist. Ein ganz ana-
loges Beispiel hat Baur im Pflanzenreich gefunden. Die gelbblättrige
(aurea)-Sippe von Antirrhinum majus ist stets heterozygot in bezug auf
grün mit Dominanz von gelb. Mit ihresgleichen fortgepflanzt entstanden
y3 wieder heterozygote aurea -Formen und 2/3 homozygote grüne.
Homozygote gelbe werden aber nie gebildet, und zwar, wie sich zeigte,
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. *"
— 274 —
bloß deshalb, weil sie nicht lebensfähig sind und schon als Keime ab-
sterben. Diese Versuche sind übrigens auch in anderer Richtung lehr-
reich, indem sie zeigen, daß auch den theoretisch möglichen Faktoren-
kombinationen unter Umständen eine physiologische Grenze gesteckt ist.
Kehren wir nach dieser kleinen Abschweifung wieder zur Unfrucht-
barkeit der Bastarde zurück.
Vom nicht -physiologischen, rohmechanischen Standpunkt aus be-
trachtet dürfte aber auch dieser Fall sich auf dem Wege der interferieren-
den Bastardkonstruktion erklären lassen. Eine Reihe von neueren
botanischen Untersuchungen z. B. von Baur für Bastarde der Antir-
rhinumspezies und von Rosen für die der Eropliila umia-Kleinarten
haben ergeben, daß wenn in F1 die Fruchtbarkeit nur so vermindert
war, daß gerade noch Nachkommenschaft erhalten werden konnte, ein Teil
der F2Tndividuen wieder vollständig fruchtbar ist : das können nur die
sein, bei denen bei der Neukombination die interferierenden Faktoren
nicht mehr zusammenkamen.
Schließlich gehört in diesen Zusammenhang noch eine Erscheinung,,
die bisher noch nicht genügend geklärt ist. Erinnern wir uns an den
Fall der Andalusierhühner. Dort entstanden aus der Kreuzung einer
schwarzen mit einer schmutzigweißen Rasse die blauen Fj-Tiere, die
immer wieder in i schwarzes : 2 blaue : 1 weißes spalteten. Blau war
also der heterozygote Zustand. Man kann nun gewiß nicht sagen, daß.
dies ohne weiteres verständlich ist. Denn auf Grund der Presence-
Absence-Theorie haben die Bastarde einen Schwarzfaktor in heterozy-
gotem Zustand, also in einer Portion, was doch nicht blau ist. Es muß.
also wohl etwas wie eine interferierende Konstruktion im Spiel sein. Da
die Spaltung in diesem Fall mit nur einem Eigenschaftspaar verläuft,,
so können die interferierenden Faktoren nicht selbständig sein, son-
dern müssen mit dem Schwarz-weiß-Allelomorphenpaar fest verkoppelt
sein, so daß sie nur im Heterozygotenzustand zusammenkommen und
eine Reaktion ergeben. Die richtige Formulierung des Falles müßte
also folgendermaßen lauten: Die schwarze und die weiße Rasse haben
beide Pigment, denn die letztere ist nicht rein weiß, jede besitzt den Pig-
mentfaktor P. Die weiße Rasse besitzt aber nur minimal wenig Pigment,,
ihr fehlt nur ein Entfaltungsfaktor, der die reiche Pigmentquantität.
— 275 —
bedingt und bei der schwarzen vorhanden ist, sagen wir 0. Dagegen
besitzt die weiße Rasse einen Mosaikfaktor, der das anwesende Pie-
ment fein verteilt, M, weshalb sie ja auch schmutzigweiß ist. Der
schwarzen fehlt aber dieser Faktor. Bei beiden Rassen sind abei
diese Faktoren so aneinander gekoppelt, daß sie nur gemeinsam ver-
erbt werden können, was durch eine Klammer ausgedrückt werden
kann. Es heißen somit die Eltern:
schwarz: (m P Q) = A weiß: {MPq) = a
und Fx (m P ()) {MPq) = A a
Es trifft somit in Fx der Mosaikfaktor mit dem Ouantitätsfaktor zusam-
men und bedingt somit die feine Verteilung des reichlichen Pigments,
die als blau bezeichnet wird. Die Spaltung kann aber nur monohybrid
erfolgen, da alles in der Klammer so gekoppelt ist, als wenn es nur ein
Faktor A bzw. a wäre.
Die Möglichkeit einer solchen Erklärung ist von Correns angeregt
worden, der damit einen ganz analogen pflanzlichen Fall interpretiert.
Er kreuzte eine sehr hell rosa, fast weiße Varietät des Leimkrauts Silene
Armeria mit einer rosa blühenden und erhielt in F1 stets schön purpurrot
blühende, also eine Neukonstruktion. Nach dem, was wir früher über
die purpurroten spanischen Wicken hörten, wäre nun anzunehmen, daß
die eine Rasse, die weiße, einen kryptomeren Sättigungsfaktor hätte,
der dann in Fr in Wirksamkeit tritt und in F2 wäre dann eine Spaltung
nach dem Schema mit zwei Eigenschaften zu erwarten. Statt dessen trat
aber wie bei den Andalusiern die Spaltung in i rosa : 2 purpurn : 1 weiß
ein. Die Cofrenssche Erklärung ist denn auch die, die wir schon vorweg
für die Andalusier benutzt haben, wobei nur an Stelle des Mosaikfaktors
der Sättigungsfaktor 5 zu setzen wäre.
Diese Tatsachen und Überlegungen haben nun aus folgenden Gründen
ihre Wichtigkeit. In den meisten Fällen, in denen eine solche spaltende
heterozygote Konstruktion vorkommt, gibt es verwandte Rassen, die
die gleiche Eigenschaft in nichtspaltender konstanter Form besitzen.
Correns weist darauf hin, daß es auch eine konstant züchtende purpur-
rote Silene Armeria gibt. Es gibt Fälle von Kreuzungen dunkler und
heller Bohnen, bei denen der Bastard gesprenkelt ist, aber es gibt auch
reinzüchtende gesprenkelte Formen; wir haben gehört, daß bei Kreuzung
18*
— 276 —
von schwarzen und weißen Hühnern Fx gegittert sein kann (Mosaikver-
erbung), aber es gibt auch Formen, deren Gitterung auf einem einzigen
konstanten Erbfaktor beruht. Es ist daher sehr gut denkbar, daß es
vorkommt, daß solche gekoppelte Faktoren ihre feste Verbindung bei
der Bastardierung oder auch vorher aufgeben. Ist das der Fall, dann
kann natürlich eine nicht mehr spaltende Form durch Bastardierung
kombiniert werden, also rein züchtende blaue Andalusier von der Formel
MMPP Q Q anstatt (;;; P Q) (MPq)< reinzüchtendes purpurnes Leinkraut,
gesprenkelte Bohnen und gesperberte Hühner. Der Endeffekt ist dann
der gleiche wie bei der vorher besprochenen Konstruktion durch Inter-
ferenz, wenn auch der Weg ein anderer ist.
Damit verlassen wir nun aber bereits den Boden der Tatsachen.
Fügen wir daher zum Schluß nur noch ein Wort über die praktische
Seite der behandelten Probleme zu.
Es wird wohl heute keinen mit den Tatsachen genügend Vertrauten
mehr geben, der die große wissenschaftliche Bedeutung des Mendelismus
nicht erkennte. Aus einer richtigen Würdigung der hier vorgeführten
Grundtatsachen geht aber auch ohne weiteres die außerordentliche prak-
tische Bedeutung hervor. Die Pflanzenzüchtung hat denn auch schon
diese Erkenntnis gezogen und verwertet sie, besonders bei den landwirt-
schaftlichen Nutzpflanzen, Getreide, Mais, Tabak, Baumwolle, bereits
in ausgedehntem Maße. Merkwürdigerweise verhält sich aber die prak-
tische Tierzucht bisher noch, besonders bei uns, völlig ablehnend. Es
ist dies um so unbegreiflicher, als die ganze züchterische Literatur, richtig
betrachtet, eine Sammlung von mendelistischen Tatsachen darstellt.
Unglaublicherweise ziehen aber auch die fortschrittlichsten Züchter, von
verschiedenen Ausnahmen abgesehen, die alten Züchterredensarten
einer wirklichen Erkenntnis vor. So kann man in einem vielbenutzten,
neuen Lehrbuch der Tierzucht Sätze lesen wie : „Neue Rassen werden
in bezug auf Vererbungsfähigkeit als unsicher gelten müssen, wenn sie
unter geschraubter Haltung, also bei Stallaufzucht und reichlicher Er-
nährung ohne Abhärtung entstanden sind, anderen wiederum wird man
mehr Vertrauen entgegen bringen können, wenn sie sich bei Weidegang
und naturgemäßer Jugendernährung herangebildet haben. Mit welcher
Generation bei planmäßigen Kreuzungen die Konstanz eintritt, ist dem-
277 —
nach von den oben geschilderten Außenverhältnissen abhängig. Als rein-
blutig wird zwar schon die vierte oder fünfte Generation angesehen,
immerhin kann es aber Tieren solcher Abkunft im einzelnen Falle noch
an Konstanz mangeln." Also, wann homozygote Bastardkombinationen
erhalten werden, hängt vom Weidegang ab! Die Schuld an solchen Vor-
stellungen dürfte wohl zweierlei tragen. Einmal das gänzliche Fehlen
einer Trennung zwischen nichterblichen Modifikationen, also dem, was
durch gute oder schlechte Haltung, passendes Klima, Boden, kurz die
Außenwelt bedingt wird, und dem erblich festgelegten Verhalten : Ein
Schwein mit Anlage zur Fettwüchsigkeit wird, wenn es hungert, auch
nicht fett, unter richtigen Bedingungen aber sehr fett, eines ohne diese
Erbanlage aber auch unter den besten Bedingungen nicht über ein ge-
wisses Maß hinaus. Sodann trifft die Hauptschuld die Geheimnistuerei
der erfolgreichen Züchter, das Vorherrschen undefinierbarer Redens-
arten an Stelle klarer Angaben und unklare Vorstellungen über die
eigene Züchtertätigkeit. Wie schon gesagt, betrachtet man in irgend-
einem einigermaßen geklärten Fall züchterische Erfolge, so zeigt sich
stets, daß — ■ natürlich abgesehen von geeigneter Haltung, also Erziehung
von Plusabweichern — • nichts anderes vorlag als eine mendelistische
Faktorenkombination, die so geschah, daß zwei Formen bastardiert
wurden und dann unter den zahllosen Faktorenkombinationen die-
geeigneten solange ausgewählt wurden, bis sie mehr oder minder homo-
zygot waren. Diese einfachen Tatsachen werden nur hinter Ausdrücken
wie Zuchtrichtung, Hochzucht, inzüchterische Behandlung und derglei-
chen verschleiert. Zeigen wir dies an einem Beispiel noch auf, der Ge-
schichte der Schweinezucht, wie sie von einem so vortrefflichen Kenner
wie Hösch geschildert wird. Man möchte da zunächst allerdings an
einer Möglichkeit der wissenschaftlichen Erkenntnis verzweifeln, wenn
man liest 1 : ,, Unsere Herden sind im großen und ganzen entweder be-
wußt veredelt oder aber planlos verzüchtet. Von einer Urwüchsigkeit,
die hinter den Bergen bestehen blieb, kann abgesehen von Ausnahme-
fällen, keine Rede mehr sein. Da gibt es denn nur zwei Wege. Bei wei-
tem am meisten bevorzugt ist heute derjenige Weg, welcher einer Zucht-
1 Es ist von der Robustheit urwüchsiger Rassen die Rede und ihrem Gegensatz
zu hochveredelten Zuchten.
— 278 —
richtung Raum verschafft, die mit dem Typ des erstrebten und meist
verwendeten Nutztieres zusammenfällt. Auf diesem Wege schreiten
die Zuchten der mittleren Formen, also des deutschen veredelten Land-
schweines, zum Teil auch diejenigen des deutschen Edelschweines vor.
Ein anderer Weg, der sich dem Verfahren früherer Zeiten anschließt,
betreibt getrennte Produktion von Frühreife und Jugendmastfähig-
keit einerseits und von Robustheit andererseits. Aber mit dem Unter-
schied gegen früher, daß man die Pflege der letztgenannten Eigenschaften
nicht dem Zufall überläßt, sondern dieselbe zielbewußt und geradezu hoch -
züchterisch in die Hand nimmt. Hier arbeiten die äußerlich so getrennt
gehenden weißen und schwarzen Edelschweinzuchten in gegenseitiger
Unterstützung mit den Zuchten der unveredelten Landschweine, zum ge-
ringen Teil auch mit denjenigen des veredelten Landschweins zusammen."
Betrachten wir nun aber einmal einzelne ausgewählte Angaben, aus
denen klar hervorgeht, was Ausdrücke wie zielbewußt und hochzüchte-
risch bedeuten. Da heißt es vom Beginn der englischen Zuchterfolge:
,, Hiermit sind wir in jene Zeit eingetreten, wo englische Züchter die
Augen des Kontinents auf ihre erstaunliche Züchtung neuer Haustier-
formen lenken . B a k e w e 1 1 , den Albrecht Th. aer als den wunderbaren
Künstler bezeichnete, welcher Tierformen praktisch schaffe, wie er die-
selben sich im Ideal des Gedankens vorgebildet habe, hatte nach vorher-
gegangener Einmischung von neapolitanischem und chinesischem Blut
durch fortgesetzte inzüchterische Behandlung das verbesserte Leicester-
Schwein in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen lassen.
Durch regelmäßige Bevorzugung der symmetrischen und feinknochigen,
wenn auch kleineren Tiere vor den größeren und daher weniger leicht
ernährbaren, war diese Zucht in Formen gebracht, die ganz besonders
gegenüber den bisher in England und im kontinentalen Europa vertrete-
nen großen, hochgestellten, gemeinen, großohrigen Hausschweinen auf-
fallen mußten." Drücken wir dies etwas anders aus, so hat Bakewell
das einheimische Schwein mit neapolitanischen und siamesischen ge-
kreuzt, also einige komplizierte Bastardierungen ausgeführt, in deren
Folge eine Spaltung mit allen möglichen Kombinationen der zahlreichen
involvierten Erbfaktoren auftrat. Aus diesen suchte er die ihm geeignet
erscheinenden aus, paarte sie untereinander und so immer fort, bis er
— 279 —
zu einem homozygoten Zustand der betreffenden Faktorenkombination
in möglichst vielen der ihm wünschenswert erscheinenden Faktoren kam.
Also er mendelte unbewußt!
Eine andere Stelle, bei Besprechung der Anpassung an bestimmte
Marktbedürfnisse: „Einer derartigen Marktlage wurde man gerecht, in-
dem man die früh verfettenden englischen Zuchten aus südostasiatischen
und romanischem Blut zu Kreuzungen heranzog und naturgemäß auch die
Haltungsart entsprechend einem solchen Ziele einrichtete." Also man
kombinierte im unbewußten Mendelexperiment die Erbeigenschaft früh-
zeitige Fettwüchsigkeit mit der vorhandenen Erbmasse und richtete
dann die äußeren Faktoren auf Erzielung von Plusabweichern bei der
Xeukombination ein. Oder bei Besprechung der Berkshire-Sau : „Die
erste Kunde von der Erzüchtung dieser Zucht kommt aus dem Jahre
1813 durch eingehendere Ausführungen Manors. Man hatte das be-
sonders große, grobe, starkknochige und starkborstige Landschwein der
Grafschaft Berkshire, durch lang herabhängende Ohren besonders charak-
terisiert, mit chinesischen Schweinen, die in diesem Falle als Tongking-
rasse bezeichnet waren, gekreuzt. Die Entwicklung der Berkshirezucht
ist zunächst von Hermann von Xathusius und später von der Mehr-
zahl unserer Tierzuchtlehrer mit Fug und Recht als ein Lehrbeispiel für
die Bedeutungslosigkeit eines Zuchtnamens hinsichtlich der Zucht-
eigenschaften benutzt worden, sobald es sich um lange Zeitabschnitte
handelt. . . . Zunächst wurde den Berkshirezüchtern auf Grund der ge-
machten Erfahrungen anempfohlen, alle 6 — 7 Generationen aufs neue
chinesische Hausschweine einzukreuzen. Dann aber hielten es, wie be-
richtet wird, ,besonders erfolgreiche Züchter' für angezeigt, halbwilde
Eber, zwecks Rettung der Konstitution zu verwenden. Eine mittlere,
feinere Natur behielt aber schließlich die Oberhand. Nun kam in den
dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts das neapolitanische
Schwein in England zu großem x\nsehen und für längere Dauer, das aus
diesem hervorgegangene Essexschwein. Dessen Einfluß blieb, wie wir
bereits hörten, ein ausschlaggebender auf die weitere Gestaltung der
Berkshirezucht. Die gelbe Hautfärbung von schwarzen Flecken durch-
setzt, ging in einheitliches Schwarz über, dem im weiteren Verlauf die
weißen Zuchtmerkmale mit leidlicher Konstanz angezüchtet wurden."
— 280 —
Also Faktorenkombination und wieder Faktorenkombination! Und
schließlich noch : ,,Aber das eine muß bei all unseren Erwägungen Gel-
tung behalten, nämlich, daß aUe unsere neuzeitlichen Kulturzuchten . . .
aus Kreuzungen hervorgegangen sind, daß sie streng genommen der
Blutreine entbehren und für absehbare Zeiten in einem gewissen Prozent-
satz gegen die Vorschriften der Konstanz verstoßen werden." Also alle
die Zuchtrassen sind durch Kombination mendelnder Faktoren nach
Kreuzung wilder Rassen oder Arten erhalten, sind aber bei der Vielheit
der in Betracht kommenden Faktoren noch nicht in homozygoten Kom-
binationen ausgewählt und spalten daher noch weiter!
Dies Beispiel genüge. Es erscheint daher wohl kaum verständlich,
daß sich die Tierzucht nicht mit Begeisterung auf die Resultate der
Mendelforschung wirft, die sie so einfach all das verstehen lehrt, was
bisher unbewußt geschah; daß sie nicht ferner erkennt, daß eine genaue
Kenntnis der bisher unbewußt kombinierten Faktoren und der Art ihrer
Vererbung im Spezialfall das sichere Mittel in die Hand gibt, planmäßig
nach unverrückbaren Gesetzen das zu erzielen, was bisher nur planlos
tastend auf vielen Umwegen erreicht wird, nämlich mit den dem Men-
schen nutzbringenden Erbfaktoren der Haustiere mit im Voraus berechen-
barem Erfolg genau so zu hantieren, wie es mit den Farben der Mäuse,
dank der schon durchgeführten Analyse, geht. Erst dann, wenn eine
entsprechende Analyse vorliegt, und ihre Resultate sachverständig ver-
wendet werden, kann man, natürlich immer unter Beachtung der Gesetze
der Tierhaltung, also der Erziehung von Plusmodifikationen, von einer
rationellen Tierzucht reden.
Vierzehnte Vorlesung.
Das Problem der Geschlechtsbestimmung und der Versuch seiner
mendelistischen Lösung. Die geschlechtsbegrenzte Vererbung.
Tatsachenmaterial des Verhaltens der sekundären Geschlechts-
charaktere. Gynandromorphismus und neue Formulierung.
Bei unserer bisherigen Betrachtung der Haupttatsachen des
Mendelismus haben wir absichtlich vermieden, irgendeine der mende-
listischen Tatsachen zu diskutieren, die im Zusammenhang mit dem
— 281 —
Problem der Vererbung und Bestimmung des Geschlechts stehen, ob-
wohl gerade hier eine Reihe der interessantesten Befunde der gesamten
Vererbungswissenschaft vorliegen. Nunmehr sind wir aber darauf vor-
bereitet, uns im Zusammenhang vorzuführen, in welcher 'Weise der
Mendelismus im Verein mit der Zellforschung das Geschlechtsproblem
in einer bis vor kurzem noch kaum zu ahnenden Weise aufgehellt hat.
Um das Problem ganz klar zu fassen, müssen wir da von vornherein
zwei Dinge voneinander trennen, nämlich die Frage der Vererbung und
die der Bestimmung des Geschlechts. Die erstere Frage lautet so: wie
ist der Erbmechanismus beschaffen, der es bedingt, daß bei der einfachen
und normalen zweigeschlechtigen Fortpflanzung männliche und weib-
liche Individuen immer wieder entstehen, also bei doch sonst einheit-
licher Nachkommenschaft sie in bezug auf die Eigenschaft Geschlecht
in zwei scharf getrennte Gruppen, sagen wir ruhig, spaltet? Die zweite
Frage aber lautet: wenn dieser Grundmechanismus uns bekannt ist, ist
es möglich, in ihn irgendwie verschiebend einzugreifen, und wie kommen
die in der Natur bei besonderen Geschlechtsverhältnissen wie Generations-
wechsel u. dgl. sicher vorhandenen bestimmenden Einflüsse auf den
Mechanismus zustande? Die erste Frage können wir aber auf Grund
der bisher gewonnenen Erkenntnisse auch direkt so formulieren: ist es
möglich, die Eigenschaft Geschlechtigkeit ebenso zu betrachten wie
andere Erbeigenschaften, mithin auch für sie eine Vererbung nach Men-
delschen Gesetzen nachzuweisen? Ihrer Beantwortung wollen wir uns
nun zunächst widmen.
Schon Mendel selbst hatte vermutet, daß Männlichkeit und Weib-
lichkeit als selbständig spaltende Erbfaktoren zu betrachten seien. Nach
der YViederentdeckung seiner Gesetze waren es vor allem Correns,
Castle, Bateson, die eine mendelistische Erklärung des Geschlechts
versuchten. Castle nahm an, daß beide Geschlechter in bezug auf
Geschlechtlichkeit heterozygot seien, also daß wenn F (femina) = weiblich
ist, M (mas) = männlich, das weibliche Geschlecht laute F(M), das
männliche (F)M, wobei also in jedem Geschlecht sein Charakter do-
miniert. Es bildet nun jedes Geschlecht Gameten F und M. Es muß
also, um beide Geschlechter in der Nachkommenschaft in gleichen
Zahlen zu erhalten, angenommen werden, daß eine selektive Befruch-
— 282 —
tung eintritt, daß die Gameten, die Weiblichkeit tragen, nur von
solchen befruchtet werden können, welche Männlichkeit enthalten und
umgekehrt. Über die Dominanz muß aber dann der Zufall entscheiden,
der wohl in gleicher Zahl von Fällen F und M dominieren läßt. Die
Komplikation dieser Annahme liegt auf der Hand, der vor allem in
der selektiven Befruchtung eine Schwierigkeit entgegensteht, die keiner-
lei Tatsachen zu ihrer Überwindung anführen könnte. Und so ist
diese Hypothese wohl heute allgemein aufgegeben und an ihre Stelle
eine ziemlich einfache Supposition getreten. Die wesentliche Erschei-
nung der Geschlechtsbildung ist ja die, daß im großen ganzen beide
Geschlechter in gleicher Zahl aufzutreten pflegen. Nun kennen wir ja
einen Mendelschen Fall, in dem typisch das Verhältnis i : i auftritt,
das ist die Rückkreuzung eines Heterozygoten mit einem seiner Eltern.
Nehmen wir also an, daß das eine Geschlecht, etwa das weibliche, hetero-
zygot sei in bezug auf die Geschlechtlichkeit, das männliche homozygot,
so ergibt sich bei jedem Fortpflanzungsakt ohne weiteres stets das
Verhältnis i : i. Das Weibchen hieße dann F(M), das Männchen MM,
ersteres bildet Gameten F und M, letzteres nur M, was bei der Befruch-
tung i F(M) : i MM ergibt. Weiblichkeit muß dann über Männlich-
keit natürlich dominieren. Es käme aber auch das gleiche Resultat zu-
stande, wenn umgekehrt das männliche Geschlecht heterozygot, das
weibliche homozygot wäre, wie es zuerst von G. Smith und Correns
postuliert wurde, während die erstere Annahme Bateson und Punnett
zum Urheber hat. Wenn wir auch hier wieder die Ausdrucksweise der
Presence-Absence-Theorie benutzen, so müssen wir bei weiblicher Hetero-
zygotie schreiben Ff = $, // = $, also das $ hat etwas in heterozygotem
Zustand, was dem <§ fehlt, umgekehrt bei männlicher Heterozygotie
Mm = <$, mm = 2.
Die Annahme nun, daß auch das Geschlecht durch ein mendelndes
Merkmalspaar bestimmt werde, stützt sich hauptsächlich auf 4 Gruppen
von Tatsachen und ihre gemeinsame Betrachtung. Die erste Gruppe
ist das biologische Verhalten der sekundären Geschlechtscharaktere,
ihre experimentelle Beeinflussung und die Tatsachen, die über ihre Ver-
erbung bekannt geworden sind. Diese Gruppe muß als die wichtigste
gelten; denn die sekundären Geschlechtscharaktere werden normaler-
283
weise immer konform mit dem Geschlecht vererbt, so daß es wohl selbst-
verständlich ist, daß der Vererbungsmechanismus für beides der gleiche
ist. Eine zweite Gruppe, die, wie später klar werden wird, innerlich mit
der ersten identisch ist, stellt die Erfahrungen über geschlechtsbegrenzte
Vererbung dar, deren Wesen sowie ihre mendelistische Deutung wir
gelegentlich kurz erwähnten; sodann sind jene bisher auf das Pflanzen-
reich beschränkten Versuche zu nennen, direkt mit der Eigenschaft Männ-
lichkeit und Weiblichkeit im Bastardierungsexperiment zu arbeiten,
und endlich kommt die Gruppe der zellulären Befunde hinzu, die in
Verbindung mit den experimentell ermittelten Tatsachen nunmehr die
Lösung des Problems der Geschlechtsvererbung gebracht haben.
Fig. 107.
Abraxas grossulariata (links und seine Aberration lacticolor. Nach Doncaster
und Raynor.
Um uns gleich von Anfang an darüber klar zu werden, in welcher
Weise erschlossen werden kann, daß das mendelistische Heterozygotie-
Homozygotie-Schema die Geschlechtsvererbung erklärt, wollen wir
zunächst die typischen Beispiele der zweiten Gruppe, der geschlechts-
begrenzten Vererbung, vorausnehmen, deren vollständige Kenntnis die
Voraussetzung für alle weiteren Erörterungen darstellt.
Als instruktivsten Fall wollen wir zunächst den von Doncaster
und Raynor entdeckten des Stachelbeerspanners Abraxas grossu-
lariata betrachten.
Von diesem Schmetterling gibt es eine selten auftretende helle Va-
rietät lacticolor, die eine Art Albino darstellt und gewöhnlich nur
im weiblichen Geschlecht gefunden wird (Fig. 107). Wurde also lacti-
color Q mit grossulariata ^ gekreuzt, so waren alle Nachkommen in
Fx grossulariata und zwar beider Geschlechter. Der Grossulariata-
— 284 —
faktor dominiert also über den Lacticolorfaktor. F2 gab dann beide
Formen im Verhältnis etwa 3 : 1, nämlich 18 grossulariata : 7 lacticolor.
Während erstere aber beide Geschlechter enthielten, waren letztere bloß
weiblich. Wurden aber die Fx (heterozygoten) grossulariäta-Männchen
mit lacticolor-Weibchen rückgekreuzt, so gab es, wie zu erwarten, zur
Hälfte grossulariata, zur Hälfte lacticolor, diese waren aber in gleicher
Zahl aus beiden Geschlechtern zusammengesetzt, nämlich 63 Gross. $.
62 Gross. $, 65 Lactic. $, 70 Lactic. $. In dieser Kreuzung entstanden
also zum erstenmal Lacticolor £. Wurden diese nun mit heterozygoten
grossulariata $ von ¥x gepaart, so war die Nachkommenschaft natür-
lich zur Hälfte grossulariata, nämlich 145 Stück, und zur Hälfte lacti-
color, nämlich 130 Stück. Erstere aber waren ausschließlich $,
letztere ausschließlich Q. Wurden aber dieselben lacticolor <$
mit wilden, aus der Natur stammenden, also bei der Seltenheit von
lacticolor sicher reinen grossulariata $ gepaart, so war das Resultat
das gleiche. Alle grossulariata (nämlich 19) waren <$, alle lacticolor
(nämlich 52) waren $.
Betrachtet man nun diese letztere Kreuzung zuerst, so ergibt sich
daraus zunächst, daß die grossulariata der Natur in bezug auf den
lacticolor-Charakter heterozygot sein müssen, wobei der grossulariata-
Faktor G über den lacticolor-Faktor g dominiert. Wie erklärt sich nun
das Verhalten des Geschlechts? Bateson und_Punnett zeigten, daß
es ohne weiteres klar ist, wenn man annimmt, daß die Männlichkeit
und Weiblichkeit mendelnde Eigenschaften sind und daß die Weibchen
darin stets heterozygot, die Männchen homozygot sind, wobei Weib-
lichkeit dominiert. Wenn F (femina) Weiblichkeit bedeutet, / keine
Weiblichkeit, also Männlichkeit, besitzen alle Weibchen Ff, alle Männ-
chen //. Wenn nun weiterhin angenommen wird, daß die beiden Domi-
nanten sich abstoßen (falscher Allelomorphismus oder Faktorenab-
stoßung, die wir ja bereits kennen lernten), dann ist das Resultat aller
obigen Kreuzungen erklärt. Der letzte Fall, die Kreuzung wilder grossu-
lariata $ mit lacticolor <$, ebenso wie der identische mit Fx grossu-
lariata $ erklärt sich z. B. folgendermaßen: Die grossulariata $ heißen
GgFf, die lacticolor <$ ggff. Erstere bilden nun bei Repulsion der Domi-
nanten nur Gameten Gf und gF, letztere nur gf, die Nachkommen sind also
— 285 —
zur Hälfte Gfgf oder gFgf, also grossulariata $, lacticolor $. Oder
kreuzen wir die, natürlich im Faktor G heterozygoten Fx grossulariata £
und <$, so heißt ersteres GgFf, letzteres Ggf f. Die Gameten sind also bei
ersterem Gf und gF, bei letzterem Gf und gf. Die Befruchtung ergibt
somit in gleicher Zahl die Kombinationen
GfGf — Grossulariata q,
Gfgf = Grossulariata q,
gF Gf = Grossulariata $,
gFgf = Lacticolor $.
Würde aber ein Lacticolor £ ggFf mit einem heterozygoten Grossu-
lariata $ Ggff gepaart, so wären die Gameten gF, gf und Gf, gf. Es
entständen also in gleicher Zahl:
gF Gf = Grossulariata $,
gFgf = Lacticolor $,
g/G/ = Grossulariata $,
gfgf = Lacticolor $.
Wir sehen also, wie die Annahme die wirklichen Resultate vortreff-
lich erklärt. In instruktiver Weise sind die ganzen Resultate nochmals
in nebenstehender Fig. 108 wiedergegeben. Nun wollen wir noch einen
zweiten Fall anschließen, der deshalb besonders interessant ist, weil er
die gleiche Erscheinung, nur umgekehrt, illustriert, nämlich die ge-
schlechtsbegrenzte Vererbung, die Morgan bei der Taufliege Droso-
phila fand. Hier trat in einer normalen rotäugigen Kultur ein weiß-
äugiger männlicher Mutant auf. Mit seinen normalen Geschwistern ge-
kreuzt ergab er rotäugige Fx. F2 spaltete dann in 2459 rotäugige Weib-
chen, ion rotäugige Männchen, 782 weißäugige Männchen. Es fehlten
also weißäugige Weibchen. Wir sehen also genau das gleiche wie bei der
Abraxaskreuzung, nur daß <§ und $ vertauscht sind. Wurde das weiß-
äugige $ mit einem rotäugigen heterozygoten F± $ gepaart, so enthielt
die Nachkommenschaft wie bei Abraxas alle vier Möglichkeiten, nämlich
129 rotäugige Weibchen, 132 rotäugige Männchen, 88 weißäugige Weib-
chen, 86 weißäugige Männchen. Wurde endlich ein aus der Natur
stammendes rotes Männchen mit einem weißen Weibchen gepaart, so
war die Nachkommenschaft halb weiße Männchen, halb rote Weibchen. Die
roten Männchen der Natur erwiesen sich demnach für weiß heterozygot,
— 286 —
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287
ebenso wie bei Abraxas die Weibchen. Also in der Tat genau der gleiche
Fall, aber mit Umkehr der Geschlechter. Will man also den Fall mit
den gleichen Voraussetzungen erklären, so muß man hier annehmen,
daß das Weibchen so-
wohl in den Eigen-
schaften wie dem Ge-
schlecht homozygot,
das Mannchen aber he-
terozygot ist. Es muß
zwar dieses Resultat zu-
nächst etwas in Er-
staunen setzen, indem
es doch verwunderlich
erscheint, daß bei so
nahe verwandten For-
men die Geschlechtsbe-
stimmung umgekehrt
verlaufen soll. Immer-
hin haben wir schon
mancherlei erfahren,
was dafür spricht, daß
beides in der Natur
vorkommen kann, so
daß dieser Punkt der
Interpretation keine
Schwierigkeiten berei-
tet.
Wir sehen also jeden-
falls die Tatsache, daß
unter Umständen die
Spaltung nach Kreu-
zung in Zusammenhang
mit dem Geschlecht erfolgt, und daß eine Erklärung dafür unter der
Annahme der mendelistischen Bestimmung des Geschlechts zu finden ist.
Bei der großen Wichtigkeit des Gegenstandes sei aber noch ein drittes
Fig. 109.
Gegitterte Plymouth Rock Henne und schwarzer Indian
Game Hahn. Nach Pearl und Surface.
— 288 —
in gleichem Sinn zu interpretierendes Beispiel aus einer anderen Tier-
gruppe genannt, die geschlechtsbegrenzte Vererbung bei mehreren
Hühnerrassen. Pearl
nebst Surface, Goo-
d al e , S pi 1 1 m an , eben-
so wie auch Bateson
und Haagedoorn un-
tersuchten derartige
Fälle, von denen be-
sonders die Vererbung
des Gittermusters der
Zeichnung hervorzu-
heben ist. Es handelt
sich um die Kreuzung
einer schwarzen Indian
Game Rasse und eines
gegitterten Plymouth
Rock (Fig. 109). Wird
das schwarze Weibchen
mit dem gegitterten
Männchen gepaart, so
ist die Nachkommen-
schaft beider Geschlech-
ter gegittert ; in einem
konkreten Fall waren
es 70 gegitterte Männ-
chen und 68 ebensolche
Weibchen. Bei der um-
gekehrten Kreuzung ge-
gittertes Weibchen x
schwarzes Männchen
sind die sämtlichen
Männchen der Nach-
kommenschaft, in einem
Versuch 95, gegittert,
Fig. 110.
Fj-Bastarde der Eltern von Fig. 109: schwarze Henne und
gegitterter Hahn.
Nach Pearl und Surface.
— 289 —
sämtliche Weibchen, nämlich 96, schwarz (Fig. 110). Es ist klar, daß die
Erklärung genau die gleiche ist, wie bei Abraxas gross ulari ata:
Die gegitterten Weibchen sind in dem Gitterungsfaktor wie im Geschlecht
heterozygot, die Männchen homozygot, und zwischen beiden Dominanten
besteht Repulsion. Genau das gleiche Resultat erhielt Haagedoorn
wie Goodale bei Bankivahühnern gekreuzt mit braunroten Game
Bantams, wobei sich erstere im weiblichen Geschlecht als heterozygot
erwiesen.
Ziehen wir nun nochmals das Resultat, so sprechen die Resultate
der genannten, wie aller noch zu besprechenden Versuche dafür, daß
das Geschlecht in der Tat wie ein mendelnder Faktor vererbt wird;
denn es erscheint nur so begreiflich, daß eine Außeneigenschaft,
die mendelistisch vererbt wird, es in so striktem Konnex mit
dem Geschlecht tut. Und die Vererbung des Geschlechts muß dann
so vor sich gehen, daß stets ein Geschlecht — je nach der Tier- oder
Pflanzengruppe das männliche oder weibliche — im Geschlechtsfaktor
heterozygot ist und somit zweierlei Gameten bildet (heterogametisch),
das andere aber homozygot und somit homogametisch ist. Diese Tat-
sache müssen wir nunmehr als grundlegend festhalten. Eine andere
Frage ist nun allerdings, ob die gegebene Formulierung genügt, um das
Gesamtproblem zu erklären. Da mag zunächst verwunderlich erscheinen,
daß nur das eine Geschlecht einen positiven Geschlechtsfaktor besitzt,
das andere nicht. Man könnte natürlich dann sagen, etwa bei Ff = £-
// = <$, beide Geschlechter haben einen Geschlechtsfaktor, der für sich
allein Männlichkeit erzeugt, die aber bei Anwesenheit von F in Weib-
lichkeit verwandelt wird. Jedenfalls bleibt aber auch bei dieser Aus-
drucksweise eine Konsequenz bestehen, nämlich daß das homozygote
Geschlecht in keiner Weise imstande ist, in das entgegengesetzte über-
zugehen. Und diese Folgerung ist es, die nicht dem Prinzip, wohl aber
jener Formulierung Schwierigkeiten bereitet. Das ergibt sich vor allem
bei der Betrachtung des Verhaltens der sekundären Geschlechts-
charaktere. Die sie betreffenden Tatsachen werden uns denn auch
zu einer besseren Formulierung führen.
Die Mehrzahl der Schlußfolgerungen über die Vererbung des Ge-
schlechts sind immer aus dem Verhalten der sekundären Geschlechts-
Goldschmidt, Vererbungs Wissenschaft. 2. Aufl. J9
— 290 —
Charaktere gezogen worden, die ja als äußere Marke für die geschlecht-
liche Stimmung des ganzen Organismus gelten konnten. Wenn dabei oft
recht widerspruchsvolle Resultate zum Vorschein kamen, so hat das
wohl in erster Linie darin seinen Grund, daß es im Tierreich sichtlich
zwei prinzipiell verschiedene Typen in bezug auf das Verhältnis der pri-
mären und sekundären Geschlechtscharaktere gibt. Bei dem einen
Typus besteht eine vollständige wechselseitige Unabhängigkeit in bezug
auf die Erscheinung der Charaktere. Es werden also die sekundären
Geschlechtscharaktere normalerweise zwar konform mit dem Geschlecht
vererbt, für ihr in Erscheinungtreten ist aber die Geschlechtsdrüse selbst
vollständig irrelevant. Das klassische Objekt für diesen Typus sind
die Schmetterlinge, wie aus den in ihren Resultaten völlig überein-
stimmenden Versuchen von Oudemans, Kellogg, Meisenheimer,
Kopec mit Sicherheit hervorgeht. Meisenheimer, der die von Oude-
mans mit Erfolg inaugurierten Versuche auf breiter Basis weiterführte,
arbeitete mit dem Schwammspinner Lymantria dispar. Bei diesem
Schmetterling, wie auch bei vielen anderen Insekten, sind die Ge-
schlechtsdrüsen schon auf frühem Raupenstadium völlig differenziert,
lange ehe die erst im Schmetterling auftretenden äußeren Geschlechts-
differenzen sichtbar werden. Diese bestehen in diesem Fall darin,
daß das große Weibchen weiße Flügel mit unscharfen dunkeln Binden
besitzt, während das kleine Männchen braun gezeichnete Flügel auf-
weist. Wurden nun den Raupen die Geschlechtsdrüsen, deren Lage
aus nebenstehender Figur in ersichtlich ist, zerstört, so übte dies auf
das Kleid des daraus sich entwickelnden Falters gar keinen Einfluß
aus: auch die Schmetterlinge aus kastrierten Raupen, die demnach
keine Geschlechtsdrüsen besaßen, zeigten ihre typischen sekun-
dären Geschlechtscharaktere. Nun wurde geprüft, ob vielleicht die
Anwesenheit der entgegengesetzten Drüse einen Einfluß ausüben
könne. Männliche Raupen wurden also ihres Hodens beraubt und
dafür ihnen der Eierstock einer anderen Raupe eingesetzt, und ebenso
umgekehrt. Die falschen Geschlechtsdrüsen entwickeln sich in diesem
Fall ganz normal weiter. Die sekundären Geschlechtscharaktere
blieben aber gänzlich unbeeinflußt; es kommen z. B. typisch männ-
liche Falter mit all ihren Eigenheiten zum Vorschein, die dabei den
291
ganzen Leib voller reifer Eier haben. Es wäre nun noch die Mög-
lichkeit vorhanden, daß die Zerstörung oder Transplantation der Ge-
schlechtsdrüse auf einem zu späten Stadium vorgenommen wurde, so
daß ihr Einfluß auf das Soma bereits abgeschlossen war. Hegner
konnte diesem Einwand begegnen, indem er die Geschlechtsdrüse bereits
in ihrer Embryonalanlage — die Insekten haben eine typische Keim-
bahn — zerstörte, ohne daß dadurch eine Beeinflussung der sekundären
Geschlechtscharaktere eintrat.
Meisenheimer erreichte die
gleiche Wirkung auf anderem
Weg. Er stellte das frühe em-
bryonale Stadium für ein in Be-
tracht kommendes Organ, die Flü-
gel, gewissermaßen künstlich her,
indem er ihre Anlagen, die Ima-
ginalscheiben, zerstörte und sie
so zur Neuentwicklung durch
Regeneration zwang. Den glei-
chen Tiere war vorher eine
Geschlechtsdrüse des entgegen-
gesetzten Geschlechts nach Ent-
fernung der eigenen implantiert
worden. Der regenerierte Flügel
Raupe von Lymantria dispar, ganz und im
erwies sich dann immer als der für Querschnitt (6), um die Lage der Geschlechts-
j .. ,. , ~ 111. driisen g zu zeigen, d Darm, /z Herz, b? Bauch-
das ursprüngliche Geschlecht zu *ark- *Nach Meisenheimen
erwartende. Diese Versuche zei-
gen also mit Sicherheit, daß die Geschlechtsdrüsen und bestimmte für
das Geschlecht charakteristische somatische Eigenschaften voneinander
völlig unabhängig sein können.
Diesem Typus steht aber ein anderer gegenüber, bei dem umgekehrt
eine beträchtliche Abhängigkeit zwischen Geschlecht und sekundären
Geschlechtsmerkmalen besteht, indem die richtige Ausbildung dieser
von der Anwesenheit der richtigen Geschlechtsdrüse abhängig ist. Wir
werden später die betreffenden Tatsachen nochmals erörtern müssen,
hier sei auch dafür nur ein Beispiel gegeben.
19*
Fij. in.
— 292 —
Die Krabben werden bekanntlich häufig von einem parasitischen
Cirriped, der Sacculina, befallen. Giard stellte nun fest, daß durch die
schädliche Einwirkung des Parasiten eine Kastration des Wirtes hervor-
gerufen werden kann. Die Wirkung solcher parasitärer Kastration
äußert sich nun, wie Smith an reichem Material genau untersuchte,
darin, daß bei weiblichen Individuen die sekundären Geschlechtscharak-
tere beeinträchtigt werden, bei männlichen aber ihre sekundären Charak-
tere verschwinden und dafür die weiblichen sich so ausbilden, daß es
manchmal schwer ist, ein solches Männchen von einem echten Weibchen
Fig. 112.
i (5 von Inachus, 3 Q desgl., 2 Parasitär kastriertes $. Nach Smith.
zu unterscheiden. Fig. 112 zeigt das Männchen von Inachus mit dem
charakteristischen schmalen Abdomen und der großen Schere, c das
Weibchen mit den entgegengesetzten Charakteren und b das vollständig
dem Weibchen gleichende kastrierte Männchen.
Es geht also in diesem und ähnlichen Fällen von der Geschlechtsdrüse
eine Wirkung auf die Außeneigenschaften aus, die für das Zustandekom-
men normaler sekundärer Geschlechtscharaktere nötig ist und deren
Fehlen unter Umständen diese Charaktere in ihr Gegenteil verkehrt.
Vergleichen wir die beiden geschilderten Typen miteinander, so muß
dei Vererbungsgrundlage ja die gleiche sein, die es bedingt, daß im
— 293 —
Normalfalle jedes Geschlecht seine richtigen sekundären Charaktere
erhält. Im ersteren Falle aber ist mit dem Ablauf des Vererbungsmecha-
nismus, also mit der Befruchtung, auch das Gesamtresultat festgelegt.
Im zweiten dagegen ist das Resultat noch labil und wird erst durch die
Einwirkung der inneren Sekretion der Geschlechtsdrüse in seine Rich-
tung gelenkt.
Die Frage nun, zu deren Beantwortung wir das Verhalten der sekun-
dären Geschlechtscharaktere studieren, lautete ja: Ist ein Geschlecht
heterozygot und das andere homozygot und besagt das, daß ein Ge-
schlecht die Charaktere des anderen mitenthält, das andere dagegen
nicht? Es ist klar, daß eine Antwort besonders leicht aus jenen Tat-
sachen des 2. Typus abgeleitet werden kann. Denn wenn die sekundären
Charaktere von der Anwesenheit der Geschlechtsdrüse abhängig sind,
so ist damit die Methode gegeben, wie festgestellt werden kann, ob ein
Geschlecht die Charaktere des anderen mit enthält oder nicht. Bei dem
Typus der völligen gegenseitigen Unabhängigkeit ist es natürlich viel
schwerer, einen derartigen Nachweis zu erbringen; falls er aber gelingt,
muß er dann um so größere Beweiskraft beanspruchen.
Die Betrachtung des Verhaltens der sekundären Geschlechtscharak-
tere bei der Vererbung und in besonderen physiologischen Verhältnissen
hatten schon Darwin zu dem Schluß geführt, daß jedes Geschlecht
die Eigenschaften des anderen latent mit enthalten müsse. Der Hahn
überträgt die Eigenschaft guten Eierlegens auf seine Nachkommenschaft,
der Stier eine hohe Milchleistung. Tritt aber eine Fasanenhenne in eine
Kreuzung, so führt sie den Schwanzschmuck des Männchens in diese
ein. Eine alte Ente wird hahnenfedrig, sieht wie ein Erpel aus, ein
kastrierter Erpel kann völlig das Kleid der Ente tragen. Gelegentlich
kommen in der Natur Schwammspinnermännchen vor, die ein Gemisch
von beiderlei Geschlechtscharakteren zeigen, gynandromorph sind, aber
auch Weibchen kommen vor, für die das gleiche zutrifft. Ganz ent-
sprechendes gilt auch für das Pflanzenreich: Correns zeigte, daß bei
der Lichtnelke das $ die Pollenform des $ vererbt, das <$ Samenkapsel-
charaktere des $. Das sieht nun allerdings aus, als ob das Hetero-
Homozygotieschema nicht stimmen könne, daß vielmehr jedes Ge-
schlecht mit dem anderen heterozygot ist. De Meijere hat denn auch
— 294 —
auf Grund von später zu besprechenden Versuchen über die Vererbung
des Geschlechtspolymorphismus diesen Schluß gezogen und spricht von
einer getrennten Vererbung der Geschlechter. Wäre derartiges der Fall,
dann könnte man wohl kaum die strikte mendelistische Erklärung der
Geschlechtsvererbung aufrecht erhalten. Ich habe aber nun zeigen
können, daß man trotzdem das mendelistische Hetero-Homozygotieschema
mit den Tatsachen der Vererbung der sekundären Geschlechtscharaktere
in Harmonie bringen kann, und eine befriedigende mendelistische Formu-
lierung für den Vererbungs Vorgang gefunden.
Wenn einerseits jedes Geschlecht die Charaktere des anderen mit
enthält, aber normalerweise nicht zeigt, andererseits der typische Ver-
erbungsvorgang sich so leicht erklären läßt, wenn ein Geschlecht hetero-,
das andere homogametisch ist, so wird dem durch folgende Formulierung
Rechnung getragen: Nennen wir den Erbfaktor, der den weiblichen
sekundären Geschlechtscharakteren zugrunde liegt, G, und den für die
männlichen Charaktere A, so müssen beide Geschlechter beiderlei Fakto-
ren besitzen. Da aber ein Geschlecht heterozygot ist, so muß dort einer
dieser Faktoren in heterozygotem Zustand enthalten sein. Da ferner
normalerweise jedes Geschlecht nur seine Charaktere zeigt, so muß
zwischen den Faktoren ein derartiges epistatisches Verhältnis bestehen,
daß ein Faktor in der richtigen Weise den anderen unterdrückt, etwa in
gleicher Weise wie das bei den verschiedenen Farbfaktoren der Mäuse
der Fall war. Setzen wir den Fall, das weibliche Geschlecht sei das hetero-
zygote, wie es bei den Schmetterlingen der Fall sein muß, so heißen die
Formeln für die sekundären Geschlechtscharaktere GGAa = $ und
GGAA = <§. Das $ wäre also ebenso wie das <$ in den weiblichen
Charakteren homozygot, in den männlichen aber heterozygot, das Männ-
chen aber auch in diesen homozygot. Wir müssen uns nun das epista-
tische Verhältnis so vorstellen, daß A über G epistatisch ist, dagegen
zwei G ein A unterdrücken. Man könnte vergleichsweise annehmen,
daß diesen Erbfaktoren in ihrer Potenz, ihrer Durchschlagskraft ein be-
stimmter meßbarer WTert zukommt. In der Tat kommt die mendelisti-
sche Forschung immer mehr dazu, eine solche Annahme zu machen,
von der wir auch schon in der vorigen Vorlesung hörten und zwar bei
allen möglichen Faktoren. Schon die Idee, daß eine Portion eines Erb-
— 295 —
faktors einen anderen Effekt hervorrufen kann als 2 oder gar 3 Portionen,
arbeitet mit dieser Grundvorstellung. Auch ihr sind wir ja schon be-
I
d
•.. ..
T
Fig. 113.
Lymantria dispar. Oben das große Weibchen und kleine Männchen. Unten zwei
Männchen, mit gynandromorphem Mosaikkleid.
gegnet und können hier zufügen, daß sie zuerst von Correns für die
Maisxenien ausgesprochen wurde, wo die Möglichkeit besteht, einen
Faktor in 1, 2 und 3 Por-
tionen zu studieren. Neh-
men wir nun etwa an, A
hätte den Wert 60 und G
= 40, so würde bei der
männlichen Formel AA GG
AA der Wert 120 zukom-
men und damit den männ-
lichen Faktoren das Über-
gewicht über die weib-
lichen, nämlich G G = 80,
verleihen; bei der weib-
Fig. 113 a.
Gynandromorphes Q. von Lymantria dispar.
— 296 —
liehen Formel GGAa bliebe der Wert 80 für GG, aber Aa hätte ja nur
60, so daß hier A unterdrückt werden kann.
Die Richtigkeit dieser Formulierung ließ sich nun durch die eigen-
tümlichen Resultate der Kreuzung des Schwammspinners Lymantria
dispar mit seiner japanischen Varietät japonica beweisen. Wir haben
ja schon oben erfahren, daß diese Art einen besonders deutlichen
sexuellen Dimorphismus zeigt (Fig. 113). Wird diese Kreuzung so aus-
geführt, daß japonica $ x dispar g gekreuzt wird, so sind die Bastarde
normal. Bei der reziproken Kreuzung dispar $ x japonica <$ sind je-
doch alle 5? gynandromorph1 und nur die $ normal. Diese gynandro-
morphen Weibchen haben äußerlich teilweise bis ganz das Kleid des
Männchen und auch in dem charakteristischen Kopulationsapparat
zeigt sich ein männlicher Einschlag, so daß man eine vollständige Reihe
von einem weiblichen bis zu einem fast männlichen Apparat finden kann.
Innerlich aber sind es echte WTeibchen, von denen man gelegentlich sogar
Nachwuchs erzielen kann. Umstehende Fig. 113 und 113 a zeigen solche
Weibchen verglichen mit einem normalen Pärchen, und in Fig. 114 ist auch
eine Serie derartiger Kopulationsapparate weiblicher Gynandromorphen
wiedergegeben. Gewinnt man nun aus diesen Bastarden F2, so tritt
eine Spaltung in normale und gynandromorphe $ ein. Diese Tatsachen
lassen sich nun auf Grund obiger Erbformel erklären, wenn man nur
annimmt, daß bei den beiden gekreuzten Rassen die betreffenden
Erbfaktoren verschiedene Potenz haben. Wir können einmal wie oben
annehmen, daß bei L. dispar A = 60, G = 40 wäre ; bei L. japonica
aber könnte .4 = 120, G = 80 sein. Schreiben wir die hochpotenzierten Fak-
toren fett, so ist die Formel für dispar GGAa = $, GGAA = $, die für
japonica aber GGAa = $, GGAA = g. Wird japonica $ mit dispar g
gekreuzt, so sind die F1 $ = GGAa, die $ = GGAA. An dem epi-
statischen Wertverhältnis wird dadurch nichts geändert. WTird dagegen
dispar $ x japonica $ gekreuzt, so heißen in Fx die $ GGAa und die
<$ GGAA. Jetzt entstehen $, bei denen GG nicht mehr über A über-
wiegen, denn GG = 120 und Aa auch = 120: und das sind eben die
gynandromorphen $, die beiderlei Charaktere gemischt zeigen. Es muß
1 Unter gewissen Bedingungen; das Resultat kann auch ein anderes sein, wie sich
aus der Erklärung ergibt und meine neusten Ergebnisse beweisen.
297 —
OB.
La (Un)
Sit
O.B.
Fig. 114. Kopulationsapparate von Lymantria dispar 1 Q, 4 r$, 2 und 3 schwach und
stark gynandromorphe Q. Weibliche Teile: Ap Apophysen, La laminae,i0.i>. Ostium
bursae. Männliche Teile : P Penis mit Penisscheide PS, L Ring, Sa Saccus, Un Uncus,
Va Valven mit Fortsatz F. Nach Poppelbaum.
— 298 —
dann nur noch nachgewiesen werden, daß ein Grund zu der Annahme
solcher Potenzdifferenzen zwischen den beiden Formen besteht. Der
Nachweis konnte so geführt werden, daß es durch Inzucht möglich ist,
die Potenz der Faktoren zu schwächen und dann entsprechend andere
Ergebnisse zu erzielen. Ferner war mir es in der allerletzten Zeit möglich,
auf dem Weg der theoretisch vorauszusagenden Faktorenkombination
genau in dem berechneten Zahlenverhältnis die schon aus der Natur
bekannten gynandromorphen $ (sogen. Farbenzwitter) von der Formel
GGAA zu erziehen, wie sie in Fig. 113 abgebildet sind, bei denen also
GG dem AA die Wage halten muß. Die benutzten Formeln bestehen
also sichtlich zu Recht und zeigen, daß zwar in der Tat ein Geschlecht
in bezug auf die sekundären Geschlechtscharaktere heterozygot ist,
trotzdem aber jedes auch die Charaktere des anderen trägt.
WTir haben nun die sekundären Geschlechtscharaktere ja nur als
Marke benutzen wollen, um daraus auf die Vererbung des Geschlechts
selbst, das ja konkordant damit vererbt wird, schließen zu können. Ist
jene Formel richtig, so folgt daraus, daß auch für die Geschlechtsver-
erbung die Formel analog lauten muß, d. h. für Männlichkeit wie für
Weiblichkeit muß es besondere Bestimmungsfaktoren geben, von denen
einer in einem Geschlecht heterozygot ist, und das ist derjenige, der über
den anderen epistatisch ist. Es sei F der Faktor für Weiblichkeit, M der
für Männlichkeit, so heißt bei weiblicher Heterozygotie (Abraxastypus)
die Formel: FF Mm — $, FF MM = $, bei männlicher Heterozygotie
(Drosophilatypus) MMFf = $ und MMFF = $. Da die sekundären
Geschlechtscharaktere konform mit dem Geschlecht vererbt werden, so
muß die Erbformel für beide zusammen lauten (F G)(F G)(M A)(ma) = $,
(F G)(F G){MA)(MA) = $ im Falle des Abraxastypus. Es hat sich nun
gezeigt, daß diese Formulierung nicht nur allen bisher besprochenen
Tatsachen gerecht wird, sondern auch eine Reihe weiterer mit dem Ge-
schlecht in Zusammenhang stehender Vererbungsmodi als einfache
Konsequenz ableiten läßt1. Hier sind wir nun aber an einen Punkt ge-
1 In jüngster Zeit ist mir auch hierfür der Beweis geglückt, indem sich für die
Geschlechtsfaktoren das gleiche erzielen ließ, wie für die der sekundären Charaktere,
nämlich unnormale Potenzkombinationen und damit Umwandlung von Q in Zwitter
und Männchen.
— 299 —
langt, an dem wir den bisherigen Gang unserer Darstellung unterbrechen
müssen, um einmal wieder zu den Tatsachen der Zellenlehre zurück-
zukehren. Es hat sich nämlich gezeigt, daß gerade für die Lösung des
Problems der Geschlech tsvererb ung die zytologischen Tatsachen von
größter Bedeutung sind und speziell eine so genaue Parallele zu den
Ergebnissen der Mendelforschung liefern, daß eine erfolgreiche Betrach-
tung des Geschlechtsproblems gleichmäßig mit beiden Forschungs-
richtungen arbeiten muß. Dazu soll uns nun die folgende Vorlesung
instand setzen.
Fünfzehnte Vorlesung.
Die zellulären Grundlagen der Bastardlehre. Mendelismus und
Chromosomentheorie. Geschlechtschromosomen und Hetero-
gametie.
Die Erfolge, die die Anwendung der Zellenlehre auf das Geschlechts-
problem erzielte, basieren begreiflicherweise auf den gesamten Grund-
vorstellungen über die zelluläre Grundlage der Vererbung, wie wir sie in
der i. Vorlesung schon kurz entwickelten, und deshalb müssen wir auch
jetzt auf ihnen aufbauen, indem wir vor allem einmal die Beziehung zu
den Ergebnissen der Mendelforschung herstellen.
Bei der Besprechung der Hauptergebnisse der Bastardlehre sahen
wir, daß die Resultate einer jeden Kreuzung in erster Linie bedingt
sind durch die ererbte Konstitution der Gameten oder Geschlechts-
zellen. Und da liegt es nahe, sich die Frage vorzulegen, ob es nicht
möglich sein sollte, durch das Studium jener Zellen und das Verhalten
ihrer Bestandteile etwas weiter in das Wesen der Vererbungserschei-
nungen einzudringen. Nun haben die außerordentlich eingehenden
morphologischen wie experimentellen Studien der letzten Jahrzehnte
uns gerade mit der Lebensgeschichte der Geschlechtszellen in so gründ-
licher Weise bekannt gemacht, daß man wohl sagen kann, daß, wenn
überhaupt in dieser Richtung etwas zu erreichen ist, wenigstens der
Weg schon sichtbar sein muß. Es hat sich nun in der Tat ergeben,
daß man imstande ist, eine enge Beziehung zwischen den Erscheinungen
der Geschlechtszellengeschichte und der experimentellen Erblichkeits-
— 300 —
lehre zu statuieren. Ihr Wert für die weiteren Fortschritte der Erb-
lichkeitslehre wird allerdings sehr verschieden eingeschätzt. Es ist
bemerkenswert, daß gerade manche führenden Geister der Vererbungs-
wissenschaft sich den Ergebnissen der Zellforschung gegenüber ab-
lehnend verhalten. So zitiert Johannsen gelegentlich Galtons Satz:
„Die Zellen und ihr Inhalt sind für die mikroskopierenden Biologen
ungefähr dasselbe wie die Briefbündel enthaltenden Postsäcke für Neu-
gierige am Fenster eines Postamts. Die Leute können schon gewisse
Schlüsse über den Postdienst machen — aber was in den Briefen steht,
können sie gar nicht wissen." Seine eigene Ansicht harmoniert recht
wohl mit solchem extremen Skeptizismus: ,,Es will mir scheinen, daß
die hohe Entwicklung, welche die Zytologie in der neuesten Zeit erreicht
hat, für die eigentlichen Erblichkeitsstudien gar nicht fruchtbar gewesen
ist, .... Wer weiß, wir erleben vielleicht, daß die berühmten Chro-
matingebilde sich als für Erblichkeit irrelevant zeigen, während nicht
sichtbare chemische Konstellationen als Grundlage der in Frage kom-
menden Einzeleigenschaften angenommen werden." Man muß in der
Tat zugeben, daß es bisher sich empfahl, in diesen Dingen nicht gar zu
optimistisch zu sein; sicher hatte Tschermak im wesentlichen recht,
wenn er meinte, daß es besser sei, wenn die zelluläre und biologische
Erblichkeitsforschung zunächst rein auseinander gehalten werden. Ohne
Zweifel ist die Gefahr von Zirkelschlüssen bei unvorsichtiger Vermengung
der Ergebnisse der beiden Richtungen gegeben. Andererseits darf aber
nicht verkannt werden, daß die Studien an den Geschlechtszellen zu so
bemerkenswerten Resultaten geführt haben, daß die experimentell-
biologische Arbeitsrichtung sie unmöglich vernachlässigen kann. Auch
die Entwicklungsmechanik hatte sich von der Zellenlehre abgewandt,
ja ein berühmter Führer jener Disziplin meinte einmal, die Zelle sei
überhaupt kein selbständiges Objekt kausal-experimenteller Forschung.
Und doch ist diese Wissenschaft jetzt an einem Punkte angelangt, an
dem die zellulären Studien beginnen in das Zentrum der Fragestellung zu
rücken. Wir glauben aber, daß die Zeit der vorsichtigen Zurückhaltung
nunmehr überwunden ist. Denn es zeigt sich mit jedem Tage mehr, wie
gerade in den verwickeltsten Fällen der Erblichkeitslehre sich die Zell-
forschung als Lichtspenderin erweist. Und das trifft gerade für die Be-
— 301 —
Ziehungen zum Geschlechtsproblem zu, von denen wir ja hier ausgehen.
Wir können jetzt schon sagen, daß gewisse ungewöhnlich verwickelte
Vererbungsfälle im selben Augenblick einfach und durchsichtig werden,
in dem sie auf die Zellenlehre bezogen werden. Wir werden das bald
beweisen können; beginnen wir jetzt mit den Grundtatsachen.
Wir wissen aus der einleitenden Vorlesung, daß in dem Zellkern der
Träger der Erblichkeit zu erblicken ist. Wir wissen weiterhin, daß mit
aller Wahrscheinlichkeit innerhalb des Kerns die Chromosomen das
materielle Substrat darstellen, an das die Erblichkeitserscheinungen
geknüpft sind, gleichgültig ob wir sie uns als auf materielle Partikelchen
lokalisiert vorstellen oder nicht. Sodann wissen wir, daß die Zahl
dieser Chromosomen für jede Organismenart konstant ist, daß aber
wahrscheinlich die einzelnen Chromosomen qualitativ verschieden sind.
Endlich wissen wir, daß bei der normalen Befruchtung Ei und Samen-
zelle die gleiche Zahl und die gleichen Qualitäten von Chromosomen
im Befruchtungskern zur Vereinigung bringen. Diese Zahl ist aber
die Hälfte der Normalzahl, so daß letztere nach der Befruchtung wieder
hergestellt ist. Es richtete sich nun die Aufmerksamkeit der Forscher
vor allem auf die Frage, wie diese Zahlenhalbierung vollzogen wird, und
die Forschungen über diesen Punkt sind es, von denen aus die Beziehun-
gen zwischen zellulären Vorgängen und Bastardlehre sich feststellen
ließen.
Eine jede befruchtungsbedürftige Geschlechtszelle, Ei oder Samen-
zelle tierischer oder pflanzlicher Natur (im Pflanzenreich sind vielfach
die hier behandelten Prozesse durch den eigenartigen Generations-
wechsel nicht direkt mit der Geschlechtszellenbildung verknüpft, was
aber keine prinzipielle Änderung bedingt) erfährt, bevor sie befruch-
tungsfähig wird, eine zweimalige Teilung. Diese Reifeteilungen sind
es, die auf das engste mit der Halbierung der Chromosomenzahl zu-
sammenhängen. Nun zeigte es sich aber, daß bereits im Beginn dieser
Teilungen in der mitotischen Figur nur die Hälfte der der Art zukommen-
den Chromatinelemente sichtbar ist; die Elemente unterscheiden sich
allerdings deutlich von gewöhnlichen Chromosomen durch den Aufbau
aus mehreren Teilstücken ; man nennt sie wegen einer besonders typisch
auftretenden Einteilung Tetraden. Ihre Entstehung muß somit zuerst
— 302 —
klar sein, ehe ihre Verteilung bei den Reifeteilungen verstanden werden
kann. Wurde nun das Verhalten des Kernchromatins der Geschlechts-
zellen soweit zurückverfolgt, bis man an den Punkt ankam, an dem sie
soeben aus der letzten Teilung der Urgeschlechtszellen hervorgegangen
waren, — es folgt also bis zur Reifeteilung keine weitere Teilung mehr,
Fig. 115-
A Acht aufeinanderfolgende Stadien der
synaptischen Phänomene im Spermato-
zytenkern von Fasciola hepatica. Nach
Schellenberg.
B Bukettstadium aus einer Spermatozyte
von Pamphagus zur Demonstration der
feineren Chromosomenstruktur,
nata.
Nach Gra-
B
die Zwischenzeit in der Entwicklung wird vielmehr durch das Wachs-
tumsstadium der Geschlechtszellen ausgefüllt — so fand man stets, daß
im Kern eine Reihe absonderlicher Veränderungen des Chromatins vor-
gingen. Sie beginnen mit einer dichten Aufknäuelung des Chromatin-
fadens, die man Synapsis nennt; die nun folgenden Umwandlungen
erscheinen besonders markant im Bukettstadium, in dem die einzelnen
— 303 —
Schleifen, in die sich nach der Synapsis der Faden auflöst, sich gegen
einen Kernpol orientieren. Und als Schluß der synaptischen Phäno-
mene, wie man auch die ganze Periode nennt, aus der sich einige Stadien
in Fig. 115 reproduziert finden, erscheint dann zum erstenmal im Kern
die halbe, reduzierte Zahl der Chromosomen in Tetradenform. Kein
Zweifel, daß hier während der Synapsis die Halbierung der Chromo-
somenzahl zur Halbzahl von Tetraden stattfinden muß.
Über die Art, wie dies geschieht, gehen die Meinungen auseinander.
Wenn wir uns der einfachsten Auffassung hier der leichteren Darstell-
barkeit halber anschließen — wir haben ja in dieser Vorlesung darauf
verzichtet, strittige Punkte zu erörtern, werden einer anderen Auffassung
außerdem noch begegnen — so ereignet sich der Vorgang der Tetraden-
bildung, die Pseudoreduktion, in der Art, wie es nebenstehendes Schema,
Fig. 116.
Schema der Bildung der Doppelchromosomen während der Synapsis. a die 4 Chromo-
somenformen, /' die parallele Konjugation, die in c vollendet ist, a — f Verkürzung zu
den 2 Doppelchromosomen (Tetraden). Nach Gregoire.
Fig. 116, wiedergibt. Es sind 4 verschiedene Chromosomenschleifen
angenommen, die durch verschiedene Schraffierung unterschieden sind.
Diese legen sich, wie b zeigt, paarweise parallel aneinander, konjugieren,
so daß dann die im Bukettstadium vorhandenen — Fig. 115 — verdop-
pelten Chromosomenschleifen aus zwei eng miteinander verbundenen
Einzelchromosomen bestehen, wie Fig. c zeigt. Die weiteren Umwand-
lungen d — / bestehen nur in charakteristischen Verkürzungen, die
schließlich zu den verschiedenartig gestalteten Tetraden der Reifeteilung
führen. Die Pseudoreduktion während der Synapsis besteht also darin,
daß sich je zwei Chromosomen vereinigen; jede Tetrade, die in die Reife-
teilung eintritt, setzt sich also, welches auch ihre Form sei, aus zwei
ganzen vereinigten Chromosomen zusammen. Es sind also im Beginn
der Reifeteilung noch alle Chromosomen in den Geschlechtszellen vorhan-
— 304 —
den, aber sie sind paarweise zur halben Zahl von Chromatinelementen,
den Tetraden, vereinigt. Und jetzt sind wir vorbereitet zu erfahren,
was in den Reifeteilungen geschieht : Das Wesen der Reifeteilungen
besteht darin, daß in einer von beiden die paarweise miteinander ver-
einigten ganzen Chromosomen voneinander getrennt werden, so daß
jetzt jede Tochterzelle nicht nur die halbe Zahl von Chromatinelementen,
sondern auch die halbe Zahl der vorhandenen Chromosomen besitzt.
Fig. 117,
Schema des Verlaufes der Reduktionsteilung bei Annahme von drei Tetraden. Er-
klärung im Text. Nach Gregoire.
Fig. njA — E und 118 A — C geben den Verlauf der zwei Reifeteilungen
in einem Schema wieder, das sich ebensogut auf tierische Samenzellen
als auf pflanzliche Pollenkörner beziehen kann. Bei den Eizellen ist
die Reifung im Prinzip ebenso und nur im Detail insofern verschieden,
als von den 4 entstehenden Zellen 3 winzig klein und als sogenannte
Richtungskörper nicht mehr befruchtungsfällig sind, wie aus der Fig. 2
der I.Vorlesung zu erkennen ist. Es ist in nebenstehendem Schema an-
genommen, daß die Normalzahl der Chromosomen sechs beträgt. In
der reifefähigen Geschlechtszelle finden sich somit 3 Chromatinelemente,
— 305 —
von denen jedes aus zwei Chromosomen, einem schwarzen und einem
punktierten zusammengesetzt ist. Es ist hier nun angenommen, daß
die erste der beiden Reifeteilungen diejenige ist, in der die ganzen Chro-
mosomen voneinander entfernt werden, die Reduktionsteilung. In B
sieht man die Chromatinelemente in der Äquatorialplatte der (nur an-
gedeuteten) Teilungsfigur eingestellt. In C weichen aber zu jedem Tei-
lungspol entweder schwarze oder punktierte Chromosomen auseinander.
Daß hier nun ein jedes bereits wieder doppelt erscheint, ist eine unwesent-
liche Besonderheit: die Teilung der Chromosome für die zweite Reife-
teilung wird so früh schon angedeutet; in vielen Fällen geschieht das
sogar schon auf dem Stadium A. Die beiden aus der i. Reifeteilung
Fig. nS.
Schema des Verlaufes der Aquationsteilung, an Fig. 117 anschließend. A folgt auf
W} E, ist nur um 90" gedreht. Nach Gr6goire.
hervorgegangenen Zellen haben somit jede (D) die Hälfte der (längs-
gespalten erscheinenden) Chromosomen, jede 3 von den 6 Chromosomen,
die den Zellen sonst typisch zukämen. Fig. 118 A, B, C zeigt dann den
Verlauf der 2. Reifeteilung. Sie geht wie eine gewöhnliche Zellteilung
vor sich, bei der die einzelnen Chromosomen der Länge nach halbiert
werden, was ja schon vorher in der Verdoppelung in Fig. 117 C an-
gedeutet war. Diese sogenannte Aquationsteilung, deren Bedeutung
übrigens bei dieser Darstellungsweise gänzlich unklar ist, hat für die
weiteren Betrachtungen zunächst keine Bedeutung. Das gesamte In-
teresse konzentriert sich auf die Reduktionsteilung, bei der die ganzen
Chromosomen auf zwei Zellen verteilt werden.
Im Schema ist es nun so dargestellt worden, daß die eine Zelle alle
schwarzen, die andere alle punktierten Chromosomen erhielt. Und das
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl.
20
— 306
führt zu der Frage, ob es denn gleichgültig ist, in welcher Weise die Ver-
teilung erfolgt. Die Antwort können wir bereits auf Grund dessen geben,
was wir in der ersten Vorlesung erfuhren. Wie wir dort hörten, gelang
Boveri der Beweis, daß die verschiedenen Chromosomen einer
Zelle verschiedene Qualität haben. Wir wissen ferner, daß die Samen-
zelle mit ihrer Chromosomenhälfte die gleichen Eigenschaften zu über-
tragen imstande ist, wie die Eizelle mit der ihrigen. Denn bei der Ba-
stardierung ist es meist gänzlich gleichgültig, welche von den Elternformen
der Vater bzw. die Mutter ist. Aber auch jede reife Geschlechtszelle
muß allein in ihrer Chromosomenhälfte sämt-
liche Eigenschaften vertreten besitzen. Denn
aus einem Seeigelei entsteht bei künstlicher
Parthenogenese der gleiche Seeigel wie aus
dem befruchteten Ei, und ein kernloses See-
igeleifragment, das befruchtet wird, also nur
den Samenkern enthält (sozusagen männliche
Parthenogenese) gibt ebenfalls eine richtige
Seeigellarve. Es muß also der reife Ei- wie
„. _, ' ., Samenkern sämtliche Chromosomenarten, eine
Die Chromosomengarnitur einer
Ureizelle der Wanze Protenor ganze „Chromosomengarnitur" (Heider) be-
belfragei mit 14 Chromosomen, . . .
die sich in 7 unter sich ver- sitzen. Das befruchtete Ei muß somit jede
schiedene Paare ordnen lassen. Chromosomenart zweimal enthalten, nämlich
Aach Wilson.
einmal mütterlicher, einmal väterlicher Her-
kunft. Wenn sich also die Geschlechtszellen der kommenden Generation
bilden, müssen sie ebenfalls zur Hälfte väterliche, zur Hälfte mütterliche
Chromosomen enthalten, die ihnen im Laufe der Zellgenerationen vom Ei
her durch die ganze Entwicklung hindurch — die Keimbahn! — überliefert
wurden. In der Synapsis vereinigen sich aber die Chromosomen paar-
weise; in der Reduktionsteilung werden die Paare auf zwei Zellen ver-
teilt; jede der Zellen besitzt wieder alle Chromosomenarten, die vor der
Reifung doppelt vorhanden waren; von diesen stammte die Hälfte von
dem Vater, die Hälfte von der Mutter : Folglich können die beiden Chro-
mosomen, die sich in der Synapsis vereinigten, nur je ein väterliches und
je ein mütterliches Chromosom der gleichen Qualität gewesen sein!
Nun gibt es Objekte, bei denen die Verschiedenheit der Chromosomen
— 307 —
nicht nur in mühsamem Experiment erschlossen werden kann, wo sie
vielmehr dem Auge sichtbar ist. Nebenstehende Fig. ng gibt den
Chromosomenbestand einer Wanze wieder, der deutlich die verschiedene
Größe und Form der einzelnen Chromosomen zeigt. Und in solchen
Fällen wurde nun des öfteren festgestellt, daß jede Größenart von Chro-
mosomen zweimal vorhanden ist. In der Abbildung sind sie durch
gleiche Nummern gekennzeichnet. Nach der Pseudoreduktion in der
Synapsis sind aber, wie wir wissen, die Chromosomen paarweise zu Dop-
2.
A
Aa
Fig. 120.
Schema des Verhaltens der Chromosomen bei der Bastardbefruchtung (in Anlehnung
an Heide r).
pelelementen vereinigt, die nun wieder alle jene Chromosomengrößen
aufweisen. Es haben sich somit je zwei gleichwertige Chromosomen
vereinigt. Nach dem vorhin Ausgeführten können dies aber nur je
ein vom Vater und ein von der Mutter stammendes Element gewesen sein.
Da nun in der Reduktionsteilung die Chromosomenpaare voneinander
getrennt werden, so ist damit auch gesagt, daß diese Teilung väter-
liche und mütterliche Chromosomen trennt.
Und nun kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück. Angenom-
20'
308
men, die Chromosomen sind die Träger der erblichen Eigenschaften,
und angenommen, ein Chromosom bedinge eine Einzeleigenschaft, dann
können wir uns in folgender Weise ableiten, was mit den betreffenden
Chromosomen bei einer Bastardierung geschieht. Setzen wir den Fall,
a.
%
•c.
Fig. 121.
Das Verhalten der Chromosomen bei der Reifung der Geschlechtszellen des Bastards
Aa von Fig. 120, schematisch dargestellt.
die Normalzahl beider Bastardeltern sei 8 Chromosomen, so haben ihre
Geschlechtszellen als reduzierte Zahl 4. Nehmen wir nun an, von diesen
vieren bedinge eines bei der Bastardmutter ein schwarzes Fell. Wir
können dann die 3 Chromosomen der reifen Eizelle, die zu den anderen
Eigenschaften des Tieres gehören, punktiert wiedergeben und das
Schwarzfellchromosom schwarz. Der Bastardvater unterscheide sich
von der Mutter durch ein weißes Fell und habe dementsprechend außer
den drei punktierten ein weißes Chromosom. Die Geschlechtszellen
der P-Generation sehen dann so aus, wie es Fig. 120 1, 2 zeigt. 3 gibt
309
deren Vereinigung bei der Befruchtung wieder und 4 zeigt den Chromo-
somenbestand des Bastards in Fx. Fig. 121 stellt nun dar, wie in diesem
Bastard die Reifung der Geschlechtszellen verlaufen muß. In der Sy-
napsis vereinigen sich die homologen väterlichen und mütterlichen
Chromosomen paarweise. Es kommen somit 3 punktierte Paare zu-
sammen und natürlich auch das schwarze Fellfarbechromosom mit dem
weißen Vertreter der entsprechenden Eigenschaft (a). So treten nun
die Chromosomenpaare in die Reduktionsteilung ein (b) und werden
<fa+fA
Fig. 122.
Schema der 4 Möglichkeiten der Befruchtung zwischen zwei Gameten des Bastards Aa,
deren Bildung in zwei nach den Farbchromosomen verschiedenen Arten Fig. 121 zeigte.
NB. In 2 fehlt aus Versehen in der linken Zelle das schwarze
Chromosom.
dort auseinandergeteilt, so daß jede Tochterzelle drei punktierte Chro-
mosomen erhält, die eine aber dazu ein schwarzes, die andere ein weißes
(c). Da aber die zweite Reifeteilung, die eine gewöhnliche Zellteilung
darstellt, an dieser Verteilung nichts mehr ändert, so ist das Endresultat,
daß zwei Sorten von Geschlechtszellen entstehen : eine, die in bezug auf
die Fellfarbe nur das schwarze Chromosom, eine die nur das weiße ent-
hält, d. h. mit anderen Worten, nichts anderes als in bezug auf jene
Eigenschaften reine Gameten (d). Es werden also von beiden Geschlech-
tern in Fx diese zwei Sorten von Gameten, und zwar in gleicher Zahl,
— 310 —
gebildet. Bei der Befruchtung zwischen zwei solchen Bastardindividuen
können sich somit die Geschlechtszellen auf 4 Arten je nach Zufall
zusammenfinden, wie es Fig. 122 zeigt. Entweder kommen zwei Ga-
meten mit schwarzen Chromosomen zusammen, oder die Samenzelle hat
das schwarze, die Eizelle das weiße Chromosom oder das Umgekehrte ist
I ct.
7TA3
/*
J.
ULa3
TfAl
yd
Fig. 12'
Die zwei möglichen Arten der Verteilung von 2 verschiedenen Chromosomenpaaren
bei der Reifeteilung der Geschlechtszellen eines Dihybriden. Es können 4 Arten von
Gameten I — IV gebildet werden.
der Fall, oder endlich beide kopulierende Gameten haben das weiße. Nen-
nen wir das schwarze Chromosom aber A , das weiße a, so haben wir hier
ganz klar das Mendelsche Spaltungsverhältnis für F2 : AA : Aa: aA: aa.
Es ist klar, daß das, was jetzt für ein Chromosom ausgeführt wurde,
ebensogut sich für mehrere ausführen läßt. Die folgenden Figuren 123,
124 stellen das gleiche für zwei Eigenschaftsträgerpaare dar, um zu zeigen,
311 —
Fig. 124.
Die 16 Möglichkeiten, in denen sich die 4 Gametenarten des Dihybriden zur Erzeugung
von Fo kombinieren können. Die Buchstabensymbole ergeben das Kombinations-
schema des Dihybridismus.
— 312 —
daß auch das völlig unabhängige Mendeln einer jeden Einzeleigenschaft
in den Chromosomenverhältnissen eine gute Darstellung findet. Es sind
wieder 4 Chromosomenpaare angenommen, von denen zwei in Betracht
gezogen werden; ein großes und ein kleines schwarzes im einen Elter,
ein großes und ein kleines weißes im anderen. Wenn diese sich in der
Synapsis paarweise vereinigen, so können sie so in die erste Reifeteilung
eingehen, wie es Fig. 123 a zeigt; es werden dann die Hälfte der Gameten
nach der Teilung die beiden schwarzen, die andere Hälfte die beiden
weißen bekommen (c). Da aber die Einstellung der Paare in der Äqua-
torialplatte der Reifeteilung doch wohl vom Zufall abhängt, so könnte
sie auch so sein, wie Fig. 123 b zeigt ; tritt hier die Teilung ein, so erhält
jede Zelle ein schwarzes und ein weißes (d). Wir sehen somit, daß 4 Arten
von Gameten gebildet werden können, die die 4 möglichen Kombina-
tionen der zwei Chromosomenpaare darstellen. Heißen die schwarzen
Chromosomen A und B, die weißen a und b, so werden die Gameten
AB, Ab, aB, ab gebildet, genau wie wir es für den mendelnden F^Bastard
bei Dihybridismus forderten. Da in beiden Geschlechtern aber das gleiche
der Fall ist, so können sich bei der Befruchtung 4 X4 =16 Kombinationen
der Gameten ergeben, wie sie in Fig. 124 dargestellt sind. Also auch
für den Dihybridismus und selbstverständlich auch für den Polyhybri-
dismus läßt sich in gleicher Weise die Ableitung aus den Chromosomen-
verhältnissen gestalten.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese von Boveri und
Sutton gegebene Herleitung der Mendelschen Zahlen aus dem Ver-
halten der Chromosomen im höchsten Maß bestechend ist und, falls
sie der Kritik standzuhalten vermag, der Erklärung der Spaltungs-
regeln eine sichere Basis schafft. Das ist denn auch der Fall, wenn
auch mit dem Angeführten noch nicht alle Schwierigkeiten über-
wunden sind. Es sind ja bereits jetzt eine Anzahl von Mendel-
f allen analysiert, bei denen mehr Allelomorphe bekannt sind als
Chromosomen existieren, und dabei sind doch in solchen Fällen nur
ein Teil der mendelnden Merkmale untersucht. Die Annahme, daß
die Anlagen in großer Zahl innerhalb eines Chromosoms sich finden,
läßt allerdings die reine Zahlenschwierigkeit beseitigen, aber dann ver-
sagt scheinbar die Erklärung, sobald mehrere selbständig mendelnde
— 313 —
Merkmalspaare betrachtet werden. Denn bei Lokalisierung in einem
Chromosom müßten alle in einem solchen zusammengefaßten Merkmale
korrelativ vererbt werden : es könnten unter allen Umständen in bezug
auf diese Merkmale nur zwei Gametenarten gebildet werden. Der der
zytologischen Betrachtung der Vererbungsgrundlagen skeptisch Gegen-
überstehende könnte daraus den Schluß ziehen, daß man daran sieht,
wie wenig auf diesem Wege weiterzukommen ist, und es muß zugegeben
werden, daß dem der Zellforschung Fernerstehenden alle diese Betrach-
tungen leicht als phantastische Konstruktionen erscheinen können. Wir
sehen in der Tat in der Erblichkeitslehre jetzt eine Richtung, die diesen
Standpunkt einnimmt und ihn insofern auch mit einem gewissen Recht
einnimmt, als solche Skepsis eine heilsame Reaktion gegenüber dem
allzu großen Optimismus der verflossenen Zeit darstellt. Wer aber Ge-
legenheit hatte, die minutiösen Vorgänge in der Reifungsgeschichte der
Geschlechtszellen näher zu studieren und dabei die ganz außerordent-
liche Einförmigkeit der subtilsten Erscheinungen durch die ganze belebte
Organismenwelt hindurch zu bewundern, Erscheinungen, die so ganz
ausschließlich auf diese Periode der Geschlechtszellen beschränkt sind,
der muß, sofern er gewohnt ist, hinter den Dingen einen Sinn zu
suchen, dazu kommen, Beziehungen zwischen den sichtbaren morpho-
logischen Vorgängen und den experimentell ergründeten biologischen
Erscheinungen anzunehmen. Es stehen daher derartige Gedankengänge
auf keinem weniger wissenschaftlichen Niveau als z. B. Überlegungen
über das Wesen der Dominanz.
Es lassen sich nun aber die gesamten Schwierigkeiten in der Tat
einerseits überbrücken, anderseits werden wir bald sehen, daß die Konse-
quenz, daß in einem Chromosom lokalisierte Eigenschaften korrelativ
vererbt werden müssen, auch den Tatsachen entspricht. Was nun
zunächst die Möglichkeit einer größeren Zahl selbständig mendelnder
Eigenschaften als Chromosomen betrifft, so läßt sie sich auf verschiedene
Art erklären. Für manche Fälle hat es sich gezeigt, daß nach der Sy-
napsis die paarweise konjugierten Chromosomen völlig untereinander
verschmelzen. Wenn die in ihnen enthaltenen Erbanlagen linear hinter-
einander angeordnet sind, so werden sie, wenn sich dann die Chromosomen
wieder trennen, wie es der Zufall will, auf beide verteilt werden. Und im
314
Durchschnitt hat dann jede Kombination die gleiche Chance. Der
Effekt für viele Faktoren in einem Chromosom ist dann der gleiche wie
für verschiedene Faktoren in verschiedenen Chromosomen.
Man kann die gleiche Möglichkeit auch noch auf andere Art beweisen
und zeigen, daß sie auch unter etwas anderen Voraussetzungen gegeben
ist. Wir haben bereits eingangs erwähnt, daß viele von den Tatsachen,
an die sich die vorgetragenen Gedankengänge anknüpfen, auch in anderer
Weise interpretiert werden können. Wir haben gesehen, daß nach der
sogenannten Synapsis die Chromosomen im Kern eine Doppelnatur
zeigen und haben diese so interpretiert, daß je ein väterliches und mütter-
d
Fia:. 12:
Schematische Vorstellung der paarweisen Vereinigung homologer Chromosomen (schwarz
und weiß) mit den Enden unter gleichzeitigem Auftreten des Längsspaltes für die
Äquationsteilung. a Der Zustand nach der Synapsis, d die für die Reifeteilungen
fertige Tetrade nach Gregoire.
liches Chromosom sich parallel aneinander lagern, um dann in der Re-
duktionsteilung später getrennt zu werden. Es wird nun immer wahr-
scheinlicher, daß in vielen Fällen diese Doppelnatur der Fäden eine
andere Bedeutung hat : daß sie nämlich eine Anordnung der Bestandteile
eines Chromosoms in zwei Längshälften bedeutet, also die Ausbildung
von längsgespaltenen Chromosomen, wie sie in jeder Teilung auftreten.
Dieser Längsspalt, also die Selbständigkeit der Spalthälften, bleibt dann
weiterhin bis zu den Reifeteilungen bestehen und ihm entsprechend wird
dann in der Äquationsteilung, die wir ja als eine gewöhnliche Zellteilung
bezeichneten und bisher nicht weiter berücksichtigten, die Verteilung
der Spalthälften besorgt. Die Verteilung der ganzen, homologen väter-
— 315 —
liehen und mütterlichen Chromosomen in der Reduktionsteilung findet
aber außerdem statt. Sie hatten sich nur in der Synapsis nicht paarweise
parallel zusammengelegt, sondern waren mit ihren Enden zusammen-
getreten, wie es nebenstehendes Schema, Fig. 125, zeigt, das sich direkt
mit Fig. 116 vergleichen läßt. Es ist nun in der Tat merkwürdig, daß
überall wo eine Reduktionsteilung stattfindet, auch eine Äquations-
teilung sich vollzieht, und daß die Vorbereitungen zu ihr in der Synapsis
mit der gleichen Sorgfalt vollzogen werden, wie die für die Reduktions-
teilungen. Die Reduktionsteilung nun wird durch die Notwendigkeit,
die Chromosomenzahl auf die Hälfte zu reduzieren, erklärt, für die
Äquationsteilung aber fehlt jede Erklärung aus zellulären Ursachen.
Sie läßt sich aber sofort geben, wenn wir auch sie mit der Verteilung
der Erbsubstanzen in Verbindung bringen.
Bei der Ausbildung der längsgespaltenen Fäden in der Synapsis
legen sich zahlreiche feinste Partikelchen hintereinander und sie ent-
sprechen sich in den beiden Spalthälften in weitgehendem Maße, wie
deutlich Fig. 115 zeigt, eine Erscheinung, auf deren Bedeutung für
die uns hier beschäftigenden Fragen am meisten durch Groß hingewiesen
wurde. Nehmen wir nun einmal an, diese vielen Partikelchen wären
die materiellen Grundlagen der Erbfaktoren, so bedeutet die Ausbildung
der Spalthälften, daß jedes Partikelchen sich verdoppelt hat und sich
für jedes Chromosom zwei identische Ketten von Erbfaktoren zusammen-
finden. Benutzen wir nun wieder das obige Beispiel der Fellfarbe und
machen die Annahme, in einem Chromosom seien u. a. alle Faktoren für
Fellfarbe vereinigt und stellen uns nunmehr auf den Standpunkt der
Presence-Absence-Theorie, der erfordert, daß ein Allelomorphenpaar aus
einem vorhandenen Faktor und seinem Fehlen bestehe. Das Fellchromosom
enthielte also bei beiden Tieren etwa die Faktoren ABC; das schwarze
verfügt dann außerdem noch über den Schwarzfaktor N. Das väterliche
und das mütterliche Chromosom, die in der Synapsis des Bastards mit
ihren Enden zusammentreten, heißen also
N
BX B
C C
— 316 —
Nun besteht die Chromosomenbildung aber doch darin, daß sich die
vorher im Kern zerstreuten einzelnen Partikelchen aus unerklärten
Ursachen zu ihrem typischen Chromosom zusammenfinden, und zwar
wie die Zahlen- und Formkonstanz lehrt, immer wieder die gleichen
bzw. analogen und gleichzeitig die ganze Serie zu dem synaptischen
Spiremfaden, der später in die Chromosomen zerfällt. Hat die erwähnte
Längsspaltung, also Verdoppelung der Körnchen-Erbfaktoren, statt-
gefunden, so sind jetzt viermal ABC vorhanden und zweimal N, die
zir vier Halbchromosomen zusammentreten. Da selbstverständlich an-
zunehmen ist, daß die sämtlichen ABC identisch sind, so finden sie
sich eben unter allen Umständen richtig vereinigt. Die beiden N können
aber nur zu zwei ABC-Ketten, von den 4 vorhandenen, hinzutreten,
die, wenn sie alle untereinander identisch sind, sie alle 4 in gleicher
Weise anzuziehen vermögen. Es können daher die längsgespaltenen,
und mit den Enden vereinigten Chromosomenpaare, die aus der Synapsis
hervorgehen, die Tetraden, wie sie Fig. 125 c zeigt, ■ — ■ jetzt wird dieser
Ausdruck verständlich — zweierlei Zusammensetzung haben, nämlich
N
Ar
A
A
B
B
C
C
A
A
B
B
C
C
oder
N
A
-1
B
B
C
C
N
A
A
B
B
C
C
Da aber die Reduktionsteilung die ganzen Chromosomen, also in der
horizontalen Linie, trennt, die Äquationsteilung die Spalthälften, also
in der vertikalen Linie, so muß unter allen Umständen eine von beiden
Teilungen, im ersteren Fall die Reduktionsteilung, im zweiten die Äqua-
tionsteilung, das Merkmalspaar verteilen. Die Äquationsteilung ist
also für die Spaltung ebenso nötig, als die Reduktionsteilung, die nur
außerdem noch die Herabsetzung der Chromosomenzahl bewirkt. Es
ist klar, daß bei dieser Interpretation der Tatsachen die Schwierigkeit der
Zahl der selbständig mendelnden Einheiten beseitigt ist. Denn ebenso
wie der Faktor N kann sich jeder andere verhalten, und wie leicht zu
— 317 —
kombinieren ist, ergibt das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Merk-
malspaare ebensoviel Gametenkombinationen als die Mend eischen
Gesetze verlangen, da die Merkmale, auch wenn sie in großer Zahl sich
in einem Chromosomen finden, stets durch die gemeinsame spaltende
Wirkung der beiden Reifeteilungen getrennt werden. Da die Faktoren-
zahl, die man sich in dieser Weise in der Gesamtheit der Chromosomen
vorhanden denken kann, eine ganz außerordentlich große ist, so lassen
sich in der Tat auch bei dieser Interpretation der Reduktionsteilungen
die Spaltungsgesetze in Anlehnung an die zytologischen Tatsachen auf
die Chromosomenverhältnisse zurückführen.
Und nun können wir wieder zum Geschlechtsproblem zurückkehren,
um zu sehen, in welcher Weise hier die Chromosomenlehre klärend ein-
zugreifen imstande war.
Die Verbindung zwischen Zellenlehre und Geschlechtsbestimmung
wird durch die bedeutungsvollen Entdeckungen über das akzessorische
Chromosom oder X-Chromosom hergestellt. Die ersten entscheidenden
Beobachtungen auf diesem Gebiet hatte Henking gemacht, ihre Be-
deutung für unser Problem wurde aber erst von McClung richtig er-
kannt. Aber auch seine Interpretation hat sich weiterhin als unrichtig
erwiesen, und es ist das Verdienst von Miß Stevens und vor allen
Dingen E. B. Wilson, die Tatsachen geklärt und in ihrer Bedeutung
gewürdigt zu haben. Nach allem, was wir jetzt über die Chromosomen
und ihre Geschichte gehört haben, ist es selbstverständlich, daß sie stets
nur in gerader Zahl gefunden werden, denn die Halbierung der Zahl in
der Reduktionsteilung, die paarweise Vereinigung in der Synapsis er-
fordert ja eine gerade Zahl. Die Tatsachen, die wir jetzt kennen lernen
wollen, fußen aber alle auf dem zunächst höchst erstaunlichen Befund,
daß in den Zellen mancher Insekten eine ungerade Zahl sich findet.
Nach mancherlei Irrwegen der Forschungen kann es jetzt als feststehend
gelten, daß da, wo dies der Fall ist, es meist das männliche Geschlecht
ist, dem die ungerade Zahl zukommt, und zwar besitzt es immer dann
ein Chromosom weniger als das weibliche, z. B. letzteres 22, ersteres 21
Elemente. Da wir schon wissen, daß im allgemeinen die Chromosomen
als Elemente väterlicher und mütterlicher Herkunft paarweise zusam-
mengehören, so muß bei dem Männchen einem Chromosom, dem X-Chro-
— 318 —
mosom, sein Partner fehlen, der aber beim \\ eibchen mit seiner geraden
Zahl vorhanden ist, so daß dieses außer allen anderen Chromosomen
a
f (fIMiil #
f MttiM f
/
c »
^55% !€••••••••• /
«MM
$
9
h
Fig. 126.
Chromosomenverhältnisse von Anasa tristis. a Die Chromosomengarnitur der Ur-
samenzellen. b Die gleichen Chromosomen paarweise geordnet, c Die Garnitur einer
Ureizelle. d Die gleichen paarweise geordnet, e Metaphase der 1. Spermatozyten-
teilung. / Die 2. Reifeteilung, g, h Die beiden Tochtergruppen einer Teilungsfigur
vom Pol gesehen. // besitzt allein das unpaare Chromosom //. Nach Wilson aus
Hacker.
zwei X-Chromosomen besitzt. Fig. 126 a stellt die Chromosomen aus
einer Teilungsfigur der Wanze Anasa tristis im männlichen Geschlecht
— 319 —
dar. In b sind sie einzeln herausgezeichnet, und da erkennt man deutlich
21 Chromosomen, von denen 20 paarweise zusammengehören, während das
21., das keinen Partner hat, das X-Chromosom darstellt. Fig. 126c zeigt
nun die Chromosomen einer weiblichen Zelle, ebenfalls in d isoliert ge-
zeichnet und man erkennt die 11 Paare, von denen die beiden links
die X-Chromosomen sind.
Erinnern wir uns nun daran, was in den Reifeteilungen vor sich geht.
Die eine von ihnen war eine Reduktionsteilung, d. h. die vorher in homo-
logen Paaren miteinander vereinigten Chromosomen wurden als ganze
Chromosomen auf die beiden Teilungspole verteilt, so daß nur die beiden
Tochterzellen die Hälfte, die reduzierte Chromosomenzahl erhielten,
in der aber jede Chromosomenform einmal vertreten war. Lassen wir
nun bei einer solchen weiblichen "Wanze die Reduktionsteilung vor sich
gehen, so erhält jede Zelle, bzw. im weiblichen Geschlecht die Eizelle und
der Richtungskörper, den gleichen Chromosomenbestand: alle reifen
Eier besitzen ihre 11 Chromosomen von der typischen Art der Fig. 126 d.
Wenn aber im männlichen Geschlecht in den Spermatozyten die Reife-
teilungen stattfinden und sich die Chromosomen in der Synapsis paaren,
dann besitzt das X-Element keinen Partner, es muß also ungepaart bleiben.
In der Reduktionsteilung, die ganze Chromosomen auseinanderteilt,
muß es daher als Ganzes zu einem Pol gezogen werden und das ist in
der Tat der Fall. Fig. 126 / zeigt uns diese Teilung, und wie das X-Ele-
ment (h) ungeteilt zu einem Pol wandert. Damit sind aber nach der
Reduktionsteilung zwei verschiedene Arten von Samenzellen vorhanden:
solche mit 10 Chromosomen (Fig. g) und solche mit n, nämlich den
gleichen 10 + dem X"-Chromosom (Fig. h). Da nun aus jeder dieser
Zellen sich ein Spermatozoon bildet, so entstehen in gleicher Zahl zwei
verschiedene Spermatozoenarten, solche mit und solche ohne X-Chromo-
som. Nun ist es klar, was sich bei der Befruchtung ereignen muß : Ent-
weder befruchtet ein Spermatozoon mit 10 Chromosomen das Ei, das
immer n enthält, dann entsteht ein Organismus mit 21 Chromosomen.
Oder eine Spermie mit 11 Chromosomen kommt zur Befruchtung, dann
entsteht ein Wesen mit 22 Chromosomen. Da es aber feststeht, daß die
Männchen in ihren Zellen 21, die Weibchen 22 Chromosomen besitzen,
so folgt daraus mit zwingender Notwendigkeit, daß die Spermatozoen
— 320 —
•••
mit X-Chromosom weibchenbestimmend, die ohne X-Chromosom
männchenbestimmend sind.
An der Richtigkeit der Befunde, die bereits durch die ganze Lebens-
geschichte solcher Formen hindurch verfolgt sind, kann nicht der ge-
ringste Zweifel bestehen. Sie stehen jetzt für sehr viele Arthropoden,
für Würmer und für Wirbeltiere fest. Wie klar sich oft die männchen-
und weibchenbestimmenden Spermatozoen unterscheiden lassen, geht
z. B. aus nebenstehender Photographie der 4 aus den beiden Reifeteilun-
gen entstandenen Spermien eines Nema-
toden hervor, von denen die beiden <£-
bestimmenden 5, die $- bestimmenden 6
(5 + AT)Chromosomenzeigen(Fig.i27). Aller-
dings ist im einzelnen der Prozeß gewissen
Variationen unterworfen, die, ohne am
Prinzip etwas zu ändern, doch für die theo-
retische Wertung der Befunde von großer
Bedeutung sind. Nebenstehende Fig. 128
illustriert schematisch die wichtigstenTypen.
Die geschlechtsbestimmenden Chromosomen
sind dabei schwarz gezeichnet und außer
ihnen stets 4, also 2 Paar gewöhnliche weiße
Chromosomen angenommen. Die senkrech-
ten Reihen stellen das Verhalten bei 6 ver-
schiedenen Typen, meist Wanzen, deren
Gattung am Kopfe steht, dar. Die oberste Horizontalreihe enthält sche-
matisch das Auseinanderrücken der Chromosomen bei der männlichen
Reduktionsteilung, die zweite Reihe stellt das gleiche für die weibliche
Reifeteilung dar. Die dritte Reihe gibt die männchenbildende Befruchtung,
die letzte die weibchenbildende wieder. Der dritte Typus (Protenor, Pyrrho-
coris) bedarf weiter keiner Erläuterung, da er genau das zeigt, was uns schon
unser obiges Beispiel lehrte. Der vierte Typus (Syromastes, Phylloxera)
gibt prinzipiell das gleiche, nur daß statt einem zwei X-Chromosomen
sich finden. Bei allen anderen aber sehen wir, daß das X-Chromosom,
entgegen dem bisher angeführten, doch einen Partner hat, das durch
ein Kreuz ausgezeichnete Y-Chromosom. Im zweiten Fall (Lygaeus,
Fig. 127.
Die 4 aus den Reifeteilungen
hervorgegangenen Spermatiden
(am Cytophor befestigt) von An-
cyracanthus. Nach Mulsow.
— 321 —
Euschistus) ist das Y-Chromosom ohne weiteres durch seine geringere
Größe kenntlich, im fünften und sechsten dadurch, daß ihm als X- Part-
ner zwei bzw. drei X-Chromosomen gegenüberstehen. In diesen Fällen
besitzen also die zwei Klassen von Spermien, die X- und Y-Klasse,
nicht ausschließlich verschiedene Chromosomenzahlen, sondern auch
Chromosomenarten: die weibchenbestimmenden Spermatozoen haben
nur X-Elemente, die männchenbestimmenden entweder kein solches,
oder dafür ein Y-Element. Wir sehen also bei allen Varianten doch
A/ezara
Oncope/tus
Lyeaeu.i>
Protenor
Pyrrhocons
Syromofiles
Phylloxe ra
Fi tchit*
Thyantoi.
St ne<x
Prionidut,
fieifelettunji
des
Noinnoheni)
Y -Klaut
XJibox
Aeifeteitung
des
Weibchens
II!
X-Klotix
XJUane
Befruchtung
gibt
Männchen
Sperma
r Y
+
Eil
Befruchtung
gibt
Weibchen
Sperma
ZiX
Fig. 12S.
Schematische Darstellung der verschiedenen Typen geschlechtsbestimmender Chromo-
somen. Nach Wilson.
NB. Rechts unten soll es nicht heißen Sperma Y, sondern Sperma X.
immer ein grundsätzliches Resultat: das männliche Geschlecht ist
heterogametisch, das weibliche homogametisch, erst eres bildet
zwei Sorten, letzteres eine Sorte von Geschlechtszellen. Da sehen wir
nun mit Erstaunen, daß wir ja hier genau das gleiche Resultat vor uns
haben, wie wir es auch aus den mendelistischen Erörterungen gezogen
haben: das Hetero-Homozygotieschema, und sind jetzt an dem Punkte
angelangt, die Verbindung zwischen beiden Forschungswegen herzu-
stellen.
Da stößt uns gleich eine Frage auf, deren Beantwortung von vorn-
herein zeigen muß, ob diese Verbindung auf gutem Boden steht. Wir
G olds ch mi dt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 2*
— 322 —
haben bei Besprechung der geschlechtsbegrenzten Vererbung erfahren,
daß bald das <$ heterozygot ist (Drosophila-Typ), bald das £ (Abraxas-
Typ). Hier sahen wir bisher nur eine männliche Heterogametie, wie sie
entsprechend der Erwartung auch für Drosophila nachgewiesen ist. Der
einzige Fall von weiblicher Heterogametie, der jetzt sicher feststeht,
findet sich aber bei einem Schmetterling (Seiler), also auch diese Er-
wartung ist erfüllt.
Wie läßt sich nunmehr die chromosomale Heterogametie und die
MendelscheHeterozygotie vereinigen? Nehmen wir für die Geschlechts-
vererbung die mendelistische Formel Mm = <$, mm — £ an, so müßte
also das X-Chromosom des $ der Träger des Faktors für Männlichkeit
M sein. Nun haben wir aber gesehen, daß die Spermatozoen, die das
X- Element besitzen, weibchenerzeugend sind, es müßte also das £ eben-
falls ein M haben, was in der Formel nicht der Fall ist. So geht es also
nicht. Man ist deshalb auf einen anderen Ausweg verfallen : so wie das ^
in diesem Fall zwei X-Chromosomen besitzt und das Männchen nur
eines, so muß bei Übertragung auf die Mendelfaktoren das Weibchen
zwei und das Männchen einen solchen Bestimmungsfaktor besitzen.
Das kann aber dann nur der Weiblichkeitsfaktor F sein ; das Weibchen
hieße dann FF und das Männchen Ff. Die Konsequenz davon ist also
die Annahme, daß das Männchen in seinem X"-Chromosom einen Weib-
lich keitsbestimmer führt. Trotzdem ist es aber ein Männchen, es muß
also /, das ist das Fehlen des Weiblichkeitsfaktors, dominant sein über
sein Vorhandensein und dadurch ein Männchen bedingen. Das ist aber
einfach absurd.
Nicht viel erfreulicher ist ein weiterer Weg, der ebenfalls begangen
wurde. Er sieht nun wieder von der Presence-Äbsence-Theorie ab. Das
Weibchen wird hier als ein Bastard zwischen Männlichkeit und Weib-
lichkeit mit dominanter Weiblichkeit betrachtet und könnte somit
W (M) geschrieben werden. Es müßte dann von seinen beiden X-Chro-
mosomen eines M und eines W tragen. Das Männchen dagegen enthielte
in seinem X-Chromosom nur den Männlichkeitsbestimmer M, dem ein
Partner fehlt. Nun bildet das Weibchen zwei Arten von Gameten, näm-
lich solche mit M und solche mit W, ist also heterogametisch. Das Männ-
chen aber bildet ebenfalls zwei Gametenarten, solche mit M (im X-Chro-
— 32:3 —
mosom) und solche mit Nichts. Bei freier Befruchtungsmöglichkeit
müßten also vier Kombinationen entstehen können, darunter MM also
ein Männchen mit zwei X-Chromosomen, und W, also ein Weibchen
mit nur einem X-Element. Beides gibt es aber nicht. Es bleibt also nur
die Möglichkeit der selektiven Befruchtung übrig, d. h. der Annahme,
daß ein Ei mit W nur vom Spermatozoon mit M und ein Ei mit M nur
vom Spermatozoon ohne AT-Element befruchtet werden kann. Eine
solche selektive Befruchtung ist aber sehr unwahrscheinlich, zum min-
desten gänzlich unbewiesen und damit nicht annehmbar, sie hat denn
auch nicht viele Anhänger gefunden.
Damit könnte es nun scheinen, als ob ein Zusammenstimmen der aus
den Experimenten gewonnenen mendelistischen Anschauung mit den
beobachteten Tatsachen der Chromosomenforschung nicht zu erzielen
sei und in der Tat haben, jeder in seiner Weise, die Zytologen und die
Mendelianer, oft einen solchen Schluß gezogen. So steht Wilson auf
dem Standpunkte, daß wir zunächst nichts anderes sagen können, als
daß zwei X ein Weibchen bedingen und ein X ein Männchen, wobei
einfach die relative Quantität der Substanzen entscheidend sein kann,
ohne daß wir ihnen mendelnde Erbfaktoren zuzuschreiben brauchen.
Und ich selbst war zum Schluß gekommen, daß die Geschlechtsvererbung
ein durch den X-Chromosomenmechanismus geordneter rein zellregula-
torischer und zellphysiologischer Vorgang ist, der nur durch seinen
selbstverständlich alternativen Charakter eine Mendelsche Rückkreu-
zung vortäuscht. Diese Ansicht läßt sich aber nicht aufrecht erhalten.
Vielmehr kann man es jetzt als feststehend erachten, daß die Ergeb-
nisse der Chromosomenforschung und des Mendelschen Ex-
periments völlig in Harmonie sind und daß sie nur zweierlei
verschiedene Anschauungs- und Ausdrucksweisen desselben
Tatsachenkomplexes darstellen. Diese Anschauung basiert einmal
auf den Tatsachen der geschlechtsbegrenzten Vererbung und ihrer Inter-
pretation mit Hilfe der Chromosomenlehre und sodann auf der Auf-
findung einer besseren mendelistischen Formel der Geschlechtsvererbung,
die die oben ausgeführten Schwierigkeiten beseitigt. Wir haben diese
Formulierung, die FFilfw-Formel, bereits oben abgeleitet und werden
nun durch die Tatsachen der Chromosomenlehre wieder zu ihr geführt.
21*
— 324 —
Es erscheint dabei bemerkenswert, daß Morgan und Sturtevant von
dieser Seite her zur gleichen Formulierung kamen, wie ich beim Studium
der sekundären Geschlechtscharaktere. Diese Formel nun läßt mit
einem Schlag die Schwierigkeiten verschwinden, die der chromosomalen
Interpretation bei Benutzung der einfachen Hetero-Homozygotieformel
o
Fig. 129 A.
Schema der Reifeteilung in beiden Geschlechtern bei männlicher Ileterogametie. Es
sind angenommen 2 kleinere Z-Chromosomen in beiden Geschlechtern, die den Faktor M
tragen, und ein großes A'-Chromosom im <5, zwei solche im Q-Geschlecht, die den
Faktor F enthalten.
entgegenstanden. Bei Annahme der männlichen Heterogametie ent-
hielte dann das X-Chromosom den Weiblichkeitsbestimmer F, der in
beiden Geschlechtern aber außerdem vorhandene Männlichkeitsbestim-
mer M müßte dann, wie Morgan und ich übereinstimmend ausführten,
natürlich in einem anderen Chromosom enthalten sein, das wir das
Z-Chromosom nennen können. An der Geschlechtsbestimmung nehmen
— 325 —
demnach zwei Chromosomenarten teil: ein gewöhnliches nicht näher zu
unterscheidendes (Z) Chromosomenpaar und die X-Chromosomen, deren
Verteilungsmechanismus wir schon kennen. Das obige Schema, Fig. 129 A.
zeigt, wie dieser Chromosomenbestand dann in der Reduktionsteilung
o
Fig. 129 B.
Das gleiche Schema wie Fig. 129.-/ nur unter der Annahme, daß umgekehrt das weib-
liche Geschlecht das heterogametische ist.
verteilt wird und Fig. 129 B, wie es ist, wenn umgekehrt das £ Geschlecht
das heterogametische ist. Die Schwierigkeiten sind damit überwunden.
Und nunmehr können wir unseren alten Faden wieder aufnehmen und
die Konsequenzen für das Problem der Geschlechtsvererbung weiter
verfolgen.
326 —
Sechzehnte Vorlesung,
Geschlechtsbegrenzte Vererbung und Chromosomenlehre. Ge-
schlechtspolymorphismus. Kompliziertere Fälle von geschlechts-
begrenzter Vererbung. Crossing-over.
Wir wissen nunmehr, daß durch die eigenartigen Verhältnisse der
Geschlechtschromosomen ein unfehlbar arbeitender Mechanismus ge-
geben ist, der die Geschlechtsfaktoren in der typischen Weise auf die
Gameten verteilen läßt. Aus dem bisher Vorgeführten geht nun hervor,
daß diese Chromosomen nicht nur als Vehikel für die eigentlichen Ge-
schlechtsfaktoren F und M dienen, sondern daß mindestens in ihnen
auch die Faktoren für die sekundären Geschlechtscharaktere enthalten
sein müssen. Diese sind nun ja nichts anderes als gewöhnliche Körper-
eigenschaften, die in strikter Verbindung mit dem Geschlecht vererbt
werden; es ist also die Möglichkeit gegeben, daß die Repräsentanten ge-
wöhnlicher Körpereigenschaften in dem Bereich der Geschlechtschromo-
somen sich finden. Wir werden nun später hören, wie neue Eigenschaften
durch Mutation entstehen, d. h. durch Neuhinzukommen eines Faktors
zur Erbmasse oder durch Ausfallen eines solchen aus der Erbmasse.
Wenn diese Faktoren sich nun in den gewöhnlichen Chromosomen finden,
so werden sie bei Kreuzung einfach mendelistisch vererbt. Wie aber,
wenn die Mutation innerhalb des Bereichs der Geschlechtschromosomen
auftritt ? Es ist klar, daß dann nach Bastardierung sich bei der Bastard-
spaltung ganz bestimmte Relationen zwischen dem Verhalten dieser Eigen-
schaften und dem Geschlecht der Individuen ergeben müssen, und das
heißt nichts anderes, als daß eine Form der geschlechtsbegrenzten Ver-
erbung auftritt. Die geschlechtsbegrenzte Vererbung erklärt sich also,
wie von Castle, Spillman, Wilson, Gulick, Morgan und mir aus-
geführt wurde, dadurch, daß der betreffende geschlechtsbegrenzt ver-
erbte Faktor seinen Sitz im Geschlechtschromosom, dem X-Chromosom
hat. Prüfen wir nun zunächst diese Schlußfolgerung einmal an Hand
des Abraxasfalls, dessen rein mendelistische Erklärung wir oben gegeben
haben.
— 327 —
Wir haben also bei weiblicher Heterogametie, wie oben auseinander-
gesetzt wurde, beim $ die beiden Z-Chromosomen als Träger des Faktors
F und ein X-Chromosom als Träger von M, also das Schema von Fig. 129 B ;
im männlichen Geschlecht aber 2 Z- und 2 X-Chromosomen, alle mit F
bzw. mit M. Es soll nun der Grossulariata-Faktor G seinen Sitz im
X-Chromosom haben, muß also dann stets an M gebunden vererbt
Q
Ö
Fig. 130.
Schematische Darstellung der Reduktionsteilung bei A. grossulariata.
werden. Die Form lacticolor entsteht nun als Ausfallsmutante, indem
der Faktor G aus dem X-Chromosom verschwindet (ob noch andere
Faktoren darin sind, wird später zu erörtern sein). Wir sagen dann in
Mendelscher Ausdrucksweise, daß g im Chromosom enthalten sei. Der
Bestand der Geschlechtschromosomen eines Grossulariata- Pärchens ist
also der oben in Fig. 130 dargestellte, was in Mendelscher Schreibweise
die Formel ergäbe : $ = FF Mm Gg, <$ = FFMM G G. Der eines lacti-
— 328 —
color- Pärchens aber müßte der Fig. 131 entsprechen, was wieder in
Mendelscher Schreibweise die Formeln $ = FFMmgg, $ = FFMMgg
ergäbe. Greifen wir nun aus den vielen Einzelkreuzungen nur 3 heraus,
um zu zeigen, wie einfach die Übertragung auf die Chromosomen die
Tatsachen klärt. In der Natur werden nur lacticolor- £ gefunden, und
mit grossulariata- $ gekreuzt geben sie Bastarde von grossulariata-
9
Fig. 131.
Geschlechtschromosomen in der Reduktionsteilung von var. lacticolor.
Aussehen, das also über lacticolor dominiert. Diese Fj-Tiere müssen
dann den in der Fig. 132 dargestellten Chromosomenbestand haben, da
das X-Chromosom des $ männchenbestimmend ist. Diese Fr $ bilden
nun zweierlei Eier und die Fx- $ ebenso zweierlei Spermatozoen, was in
der Fig. 133 veranschaulicht wird. Wird ein solches Fr $ mit lacticolor
$ zurückgekreuzt, so können sich diese beiden Arten von Spermatozoen
mit den zwei Eiarten des $ (mit und ohne X-Chromosom) vereinigen,
— 329 —
und es entstehen die aus Fig. 134 ersichtlichen vier Kombinationen, also
beiderlei Geschlechter beiderlei Art, was das Experiment ergab. Werden
nun die so erhaltenen lacticolor <$ mit grossulariata $ gekreuzt, so gibt
es folgendes: Die Gameten des grossulariata $ und lacticolor $ sind
in bezug auf die Geschlechtschromosomen so beschaffen, wie es Fig. 135
veranschaulicht. Die Befruchtung ergibt dann nur zwei Kombinationen
9
Fig. 132.
Geschlechtschromosomen in Fi aus lact Q X gross <$•
(Fig. 136). Das sind lacticolor $ und grossulariata $. Das ist die soge-
nannte crisscross- Vererbung. Wie ein Vergleich von Fig. 130 und 132
lehrt, ist aber die Chromosomen- und Faktorenkonstitution des Fj^ $ und
des Naturweibchens genau die gleiche, sie müssen also mit lacticolor <£ ge-
nau das gleiche Resultat geben. Aus dem vorstehenden geht nun eines mit
großer Klarheit hervor: Das bei der Mendelschen Ausdrucksweise be-
nötigte System von Abstoßungen erweist sich bei sinngemäßer Anwendung
der Chromosomenlehre als nichts als eine andere Ausdrucksweise für die
— 330 —
Tatsache, daß geschlechtsbegrenzte Vererbung in dieser Form dann ein-
treten muß, wenn bei der Kreuzung ein Merkmalspaar betrachtet wird,
dessen Repräsentant, sein Erbfaktor, sein Gen im X-Chromosom loka-
lisiert ist. So wie es hier für Abraxas geschah, läßt sich die gleiche Be-
trachtungsweise auch ohne weiteres für alle anderen bisher bekannten
Fälle durchführen, was wir uns natürlich ersparen können.
+
9
9amet(n
+
cfs
ameten
2
FiS- !33-
Gameten von Fj aus lact Q X gross $•
NB. Im X-Chromosom des Q Gameten I fehlt aus Versehen der Faktor G.!
Nun mag vielleicht mancher sich sagen: erst erfuhren wir, daß die
geschlechtsbegrenzte Vererbung durch eine Mendelsche Rückkreuzung
kombiniert mit einer Faktorenabstoßung erklärt wird; jetzt erklären
wir das gleiche ohne jene Annahme bloß aus dem Chromosomenmecha-
nismus. Was ist da nun das richtige? Die Antwort ist für den, der
die bisherigen Ausführungen klar erfaßt hat, eine sehr einfache : Die bei-
den Erklärungsweisen sind in Wirklichkeit identisch!
— 331 —
Die Geschlechtsvererbung muß ja auf einem alternativen Mechanis-
mus beruhen, der es bedingt, daß stets ein Geschlecht zweierlei Gameten
Lact:
d
Lact
9
9rosi Q
Fig. 134-
Die 4 Kombinationen von Geschlechtbchromosomen nach Rückkreuzung von Fj r$
mit lact Q.
bildet. Ein solcher ist uns in der eigenartigen Verteilungsweise der Ge-
schlechtschromosomen sichtbar gegeben, und wir dürfen diese daher als
die Vehikel betrachten, auf denen die maßgebenden Substanzen, die
332
Geschlechtsfaktoren, stets in geordneter "Weise verteilt werden müssen.
Kommt in den Bereich dieses Mechanismus irgendeine andere Erb-
qualität, so muß sie ihm folgen und wird in dieser oder jener Weise ge-
schlechtsbegrenzt vererbt. Wollen wir solche Fälle dann in der Termi-
nologie der Bastardlehre betrachten, so müssen in die gewöhnliche Be-
handlungsweise der mendelnden Erbfaktoren analog arbeitende Mecha-
+
Q */a meten
-f
1 4, 1
ö 9ameten
Fig- 135-
Geschlechtschromosomen der Gameten von gross Q und lact <J.
nismen eingeführt werden, die sich als die Annahme der Faktorenab-
stoßung, Koppelung und geschlechtsbedingter Dominanz darbieten.
Doch ist das ja nur eine Form, in jener symbolistischen Weise Mechanis-
men ausdrückbar zu machen, wie sie uns in der Chromosomenverteilung
sichtbar entgegentreten. Die mendelistische Interpretation und
die Chromosomentatsachen sind daher das gleiche Ding in
zwei verschiedenen Sprachen gesprochen.
Ist dieser Schluß richtig, und darüber kann jetzt kaum mehr ein
Zweifel herrschen, so lassen sich daraus auch alle Möglichkeiten ableiten,
333
wie Geschlecht und andere Erbeigenschaften miteinander in Beziehung
treten können. Und es ist bemerkenswert, daß für die wichtigsten Mög-
lichkeiten unabhängig von dieser Ableitung bereits Beispiele bekannt
sind. Wenn wir zunächst beim einfachsten Fall geschlechtsbegrenzter
Vererbung vom Abraxas- oder Drosophila-Typus bleiben, so entstand
er also durch den Ausfall eines Gens im Bereich des X-Chromosoms.
Nach dem, was wir früher bei der Analyse der Mäuserassen gehört haben,
ist nun für das Zustandekommen einer Eigenschaft nicht nur der Faktor
nötig, mit dem wir die Eigenschaft symbolisieren, sondern auch alle
AactQ
Fig. 136.
Resultat aus gross Q X lact 5 •
anderen mitnotwendigen müssen da sein : eine graue Maus entstand
nicht, wenn G da war, sondern wenn G in Anwesenheit des Farbkomple-
mentes C usw. da war. Beim Abraxas-Fall dürfte somit nicht G der
grossulariata-Faktor sein, sondern, sagen wir A, B, C, D, E, F, G ergäbe
grossulariata und ABCDEFg wäre lacticolor. Alle diese Faktoren
könnten aber im X-Chromosom liegen. Ist dem so, so könnte ja auch
ein anderer Faktor ausfallen, und die dadurch entstehende Mutation
müßte dann ebenfalls geschlechtsbegrenzt vererbt werden. Wenn daher
bei einem solchen Objekt Mutationen in größerer Zahl zu erzielen sind,
so ist zu erwarten, daß diese, wenigstens zum Teil, geschlechtsbegrenzt
— 334 —
sind, so daß bei einer Form eine ganze Reihe geschlechtsbegrenzt-vererbter
Eigenschaften entstehen können. Diese Erwartung ist denn auch auf das
schönste in den interessanten Untersuchungen von Morgan an der Tau-
fliege Drosophila erfüllt worden. Den grundlegenden Versuch dieses Falles
haben wir ja schon besprochen. In Morgans Kulturen sind seitdem eine
ganze Anzahl von Ausfallsmutanten aufgetreten, die sich auf Körperfarbe,
Augenfarbe, Flügelform beziehen und teilweise einfach mendeln, somit
nicht im X-Chromosom lokalisiert sind, großenteils aber in der erwarteten
Weise geschlechtsbegrenzt vererben. Auch die Erwartungen, die bei
Kreuzungen dieser verschiedenen Mutanten unter sich eintreten, sind
erfüllt. Wir brauchen sie im einzelnen nicht hier zu analysieren,
da, nach dem, was wir nun wissen, die Ableitung ja leicht zu kom-
binieren ist.
Eine weitere Konsequenz ergibt sich, wenn wir uns an das erinnern,
was wir über die Vererbung der sekundären Geschlechtscharaktere hörten.
Bei weiblicher Heterogametie war ihre Formel GGAa — $ GGAA
= (J, wobei ja A sich im X-Chromosom fand. Nehmen wir einmal an,
es handle sich um einen Schmetterling und ein sekundärer Geschlechts-
charakter wäre der, daß das $ eine breite, das <$ eine schmale dunkle
Zeichnung auf gelbem Grund hätte, also ein gewöhnlicher Geschlechts-
dimorphismus vorläge. Nun entstehen plötzlich durch Mutation $ mit
weißem Flügelgrund, so daß nunmehr zwei Arten von $ $ und nur eine
von <$<$ existieren. Die £ mit weißem Grund können nun entweder
durch eine gewöhnliche Mutation zustande gekommen sein; dann hätte
das weiter kein Interesse, es läge bei Kreuzung mit der Stammart ein
gewöhnlicher Mendelfall vor und man erhielt in F1 oder F2, je nachdem
welche Farbe dominiert, die weiße Farbe in beiden Geschlechtern inMen-
delschen Proportionen. Es könnte nun aber auch sein, daß die Mutation
in einer Veränderung des Faktors G beruht, der ja beim £ den gelben Flügel
mitbedingte, und sich nun in G1 umgewandelt hat, was also einen weißen
Flügel bedeutet. Wenn jetzt diese weißen £ mit gelben $ gekreuzt
werden, so entstehen $ = GGxAa und $ = GGXAA. Ist weiß domi-
nant, so sind alle $ weiß, ist es rezessiv, so sind sie gelb, aber in F2
müßten dann wieder weiße, nämlich G1G1Aa auftreten. Wie verhalten
sich aber die <£? Die Grundlage der Formulierung war ja die, daß im <$
— 335 —
die beiden A über die beiden G epistatisch sind, somit immer nur die
Eigenschaft A sichtbar werden kann. Es ist also gänzlich gleichgültig,
ob das $ G oder G1 enthält, beides kommt nie zur Geltung. Bei solchen
Kreuzungen bleiben somit die $(§ immer gelb, obwohl sie auf ihre Nach-
kommenschaft auch das Weiß vererben können, genau so wie der Stier
die Milchleistung vererbt, ohne selbst Milch zu geben. Wenn also ein
geschlechtlicher Polymorphismus vorliegt, derart, daß zu einer Art <$
zwei oder mehr Sorten <j? gehören, so muß die Vererbung derart sein, daß
die <$ immer gleich bleiben, die Weibchenarten aber in einfachen Men-
delschen Proportionen aus den Kreuzungen hervorgehen und die $
imstande sind, das Weibchenkleid, das sie selbst nicht zeigen, zu vererben.
Und in der Tat verlaufen die bekannten Fälle der Vererbung des Ge-
schlechtspolymorphismus genau so. Das fingierte Beispiel entspricht völlig
dem Verhalten des in beiden Geschlechtern gelben Falters Colias edusa,
zu dem es eine weiße £-Sorte, helice, gibt, wie ich an Hand der Unter-
suchungen von Gerould ableiten konnte. Es stimmt aber auch für die
komplizierten Fälle des Geschlechtspolymorphismus. Der einzige genauer
analysierte ist der des Papilio memnon, den de Meijere aufklärte. Bei
dieser Form gehören zu einem <§ mindestens 3 Weibchenformen, Achates,
Agenor, Laomedon genannt (Fig. 137, 138). De Meijere zeigte nun,
daß bei jeder Kreuzung die $ immer Memnon bleiben, daß sie aber das
Kleid von 2 Weibchenarten mendelistisch vererben. Auch jedes £ kann
außer seinem eigenen noch ein anderes £- Kleid in die Kreuzung ein-
führen und die Resultate zeigen, daß bei der Spaltung Achates über
Agenor und dieses über Laomedon dominiert, richtiger gesagt, epistatisch
ist. Auch hier folgern ohne weiteres alle Resultate aus der gleichen Ab-
leitung. Nehmen wir die im epistatischen Verhältnis höchste Form Achates
als Ausgang (man kann natürlich ebensogut umgekehrt von Laomedon
ausgehen), so wäre ein £ GGAa ein Achates $ undGGAA das zugehörige
Memnon <£. Durch Ausfallsmutation entstände das Agenorweibchen
G1G1Aa und schließlich das Laomedon $ G2G2Aa. Bei Kreuzungen
können dann alle denkbaren Kombinationen zwischen G, G1, G2und Aa
bzw. AA entstehen. Ein $ kann also z. B. heißen G G2Aa und das heißt,
daß es Achates-Aussehen hat, da ja G über G2 epistatisch ist, aber den
Laomedon-Charakter in die Kreuzung mitbringt. Alle <$ aber müssen
— 336 —
memnon sein, da ja A immer über G epistatisch ist. Da aber ein $
z. B. G1 G2AA heißen kann, so kann es maximal zwei Weibchenkleider,
in diesem Falle Agenor und Laomedon in die Kreuzung mitbringen.
Die aus dieser Formulierung leicht abzuleitenden Erwartungen stimmen
Fig- x37' Oben Papilio memnon <3, unten £ forma Laomedon. Nach de Meljere.
denn auch auf das schönste mit den von de Meijere mitgeteilten Tat-
sachen. Es ist klar, daß nun auch weitere Komplikationen auszudenken
sind, also Mutationen an A allein oder neben solchen an G. Solche Fälle
sind aber noch nicht analysiert.
— 337 —
Eine weitere Konsequenz im Rahmen der hier behandelten Dinge
ergibt sich aus einigen uns von früher her bekannten Tatsachen des Men-
delismus. Wir wissen einmal, daß es auf die gleiche Eigenschaf t bezügliche
Fig. 138.
Oben Papilion memnon Cj forma Agenor, unten Q forma Achates. Nach de Meijere.
Erbfaktoren gibt, die sich gegenseitig in ihrer Wirkung beeinflussen.
Man denke z. B. an den Sättigungsfaktor, dessen Anwesenheit alle Farben
tiefer erscheinen ließ. Sodann wissen wir, daß ein und dieselbe Eigen-
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl.
22
— 338 —
schaft von zwei oder mehreren Faktoren bedingt sein kann, von denen
jeder allein auch die Eigenschaft hervorruft, und daß sich diese Faktoren
in ihrer Wirkung addieren können (Nilsson-Ehles -Prinzip). Es ist
nun sehr gut möglich, daß derartige Faktorensysteme auch innerhalb
des Geschlechtschromosomenkomplexes auftreten, und dann müssen
sich merkwürdige Fälle von geschlechtsbegrenzter Vererbung ergeben, bei
denen eine Eigenschaft durch zwei Faktoren bedingt wird, von denen
einer normal, d.h. im Z-Chromosom, und einer geschlechtsbegrenzt, also
im X-Chromosom vererbt wird. Es ist bemerkenswert, daß in neuerer
Zeit in der Tat mehrere Vererbungssysteme aufgedeckt worden sind, die
sich ungezwungen dieser unserer Ableitung eingliedern lassen. Als
Typus sei die Vererbungsweise dargestellt, die Bateson und Punnett
für die besondere Pigmentierungsart des Seidenhuhns eruierten, deren
Hauptcharakter die starke Pigmentansammlung in den mesodermalen
Membranen ist. Wurden diese Seidenhühner mit gewöhnlichen braunen
Leghorns gekreuzt, so war F1 verschieden je nach der Richtung der
Kreuzung. Seidenhuhn $ x Leghorn <$ gab schwach pigmentierte F1 ;
bei Leghorn $ x Seidenhuhn £ jedoch waren zwar die männlichen Fx-
Tiere ebenso, die weiblichen jedoch stark pigmentiert. In F2 traten
alle Übergänge von pigmentierten zu nichtpigmentierten auf. Bei der
Rückkreuzung mit braunen Leghorn war wieder das Resultat verschie-
den, je nachdem das F^Tier männlich oder weiblich war. Diese Resul-
tate gehen besser als mit vielen Worten aus folgendem Schema der
Autoren hervor, in dem zunächst den Zahlenverhältnissen nicht weiter
Rechnung getragen ist und wobei $ $ unpigmentierte, £ gf schwach-
pigmentierte und ? • tiefpigmentierte Tiere sind.
I. Braun Leghorn X Seidenhuhn.
X
Br. L. Q X- -tf X § - -X Br. Legh. 3
0* <3 ? $ Q o* <3 ? $ Stfd $
Br. L. Q X
<=? 6 ?
— 339
2. Seidenhuhn X Braun Leghorn.
i x 9
-0" x ?
*
? ?
X Br. L. (5
G? d ? 8
Die Geschlechtsbegrenzung zeigt sich also hier einmal in dem Fx-
Resultat, sodann in dem Fehlen tiefpigmentierter g in allen anderen
Kreuzungen außer einer, wie das Schema zeigt. Die Erklärung von
Bateson und Punnett ist nun die: Das Pigment hängt ab von einem
Pigmentierungsfaktor P und einem Hemmungsfaktor / (inhibitor).
Verschiedene Grade der Pigmentierung hängen ab von der Kombination
dieser Faktoren: PPii ist vollpigmentiert, Ppli kaum pigmentiert,
pf> II, ppii unpigmentiert usw. Die Geschlechtsbestimmung verläuft
nach dem Schema Ff = $,// = $. Wenn F und / heterozygot vor-
liegen, stoßen sie sich ab, so daß sie nicht in die gleiche Gamete gelangen
können. Es verläuft dann etwa die Kreuzung Leghorn $ x Seiden-
huhn $ folgendermaßen:
Leghorn
S
eidenhuhn
QlippFf
(
liiPPff
Gameten :
Gameten :
Ipf\
ipF\
X
iiPf
\iPf
Fi
0*
UPpff
t
i i Pp Ff
Gameten:
(
Gameten:
IPf\
IPf \
iPf 1
ipf '
X
' iPF
iPf
ip F
ipf
221
340
Fi
7 Ff
IPf
IPf
IPf
iPF
i Pf
ipF
ipf
?
*
?
&
///
ipf
Ipf
Ipf
i PF
iPf
ipF
ipf
?
0*
9
3
iPf
iPf
iPf
iPf
iPF
iPf
ipF
'Pf
f
i
•+
i
ipf
'Pf
ipf
ipf
i PF
iPf
i p F
'Pf
?
i
Q
6
Und ebenso lassen sich dann die anderen Resultate ableiten. Es ist klar,
daß damit also ein Fall gegeben ist, der einesteils genau wie der Abraxas-
fall verläuft, andernteils dadurch kompliziert wird, daß der geschlechts-
begrenzt vererbte Faktor I mit einem gewöhnlichen P zusammenarbeitet.
Der Fall wird daher auch ohne weiteres klar, wenn wir annehmen, daß
I im X-Chromosom und P im Z-Chromosom liegt, so daß die Geschlechts-
chromosomen in diesem Fall an bekannten Faktoren enthielten (wobei
wir unsere früher benutzten Formeln (F G) (F G) (MA) (ma) = 9,
(FG) {FG) {MA) (MA) = 6 wieder anwenden):
eines der (5 :
eines
der Cj:
2
X
F
M
G
A
P
I
z
F
G
P
£
X
F
M
G
A
P
I
s
X
F
M
G
A
P
I
oder natürlich jede andere Kombination mit P, p, I, i.
In genau der gleichen Weise dürfte sich auch nach den neuen Unter-
suchungen von Davenport und Ar kell der viel diskutierte Fall der
Hornvererbung bei Schafen erklären. Wood hatte festgestellt, was
341 —
übrigens schon Darwin bekannt war, daß bei Kreuzung gehörnter
Dorset-Schafe mit einer ungehörnten Rasse in Fx die $ gehörnt, die $
hornlos sind. In F2 sind dann 3/4 der g wieder gehörnt, y4 hornlos,
dagegen 3/4 der £ hornlos und V4 gehörnt. Zur Erklärung mußte man
annehmen, daß die Eigenschaft gehörnt immer beim <$ dominant, beim
$ rezessiv ist, also geschlechtsbedingter Dominanzwechsel eintritt. Die
Wiederholung dieser Versuche durch die genannten Autoren gab das gleiche
Resultat, führte aber bei Beachtung der verschiedenen Größentypen
der Hörner zu einer anderen Interpretation. Auch hier wird ein in dem
A'-Chromosom gelegener Hemmungsfaktor angenommen, /, der bei den
hornlosen Rassen vorhanden ist, den gehörnten aber fehlt. Da hier
das $ heterogametisch ist (Drosophila-Typ), so kann dies infolgedessen
nur ein I haben. Das Hornwachstum wird aber durch den Faktor H
bedingt, den wir dann ruhig im Z-Chromosom lokalisieren können. Die
Rassen heißen dann in ihrem Geschlechtschromosomenbestand
Gehörnt.
Hornlos.
.1/
A
II
M
A
II
F
G
M
A
h
M
A
II
2
X
2
M
F
M
A
G
A
H
i
h
X
z
X
F
M
F
G
A
G
I
h
I
z
X
AI
F
A
G
h
I
Zwischen diesen Faktoren wird dann ein ganz ähnliches Potenzverhältnis
angenommen, wie wir es für die Faktoren der sekundären Geschlechts-
charaktere bei den Lymantria-Kreuzungen taten, nämlich / kann H
nicht ganz unterdrücken, // nicht HH, dagegen II wohl ein H. Damit
läßt sich dann der ganze Fall leicht erklären. Vielleicht wird übrigens
die Erklärung noch vereinfacht und wird auch den Fällen gerecht, in
denen normalerweise nur das $ gehörnt ist, wenn wir ihn ebenso wie
bei Papilio memnon interpretieren, also durch Mutation an G bei den
nur weiblich hornlosen Rassen und an G und A bei den in beiden Ge-
schlechtern hornlosen. Doch sei das hier nicht weiter ausgeführt.
— 342 —
Endlich gehört unseres Erachtens in diese Kategorie noch der merk-
würdige Vererbungsmodus, den Pearl in mühsamen Versuchen für die
Fruchtbarkeit der Hühner ausgearbeitet hat. Er benutzt auf Grund
seiner statistischen Vorarbeiten als Maß für die Fruchtbarkeit die
Winterproduktion an Eiern. Diese beträgt bei normaler Fruchtbar-
keit o und wird durch Anwesenheit eines Steigerungsfaktors Lx auf bis
30 erhöht. Ein zweiter Steigerungsfaktor L2 hat den gleichen Effekt,
mit Lx zusammen steigert er die Fruchtbarkeit auf über 30. Dieses
L2 wird aber in gleicher Weise wie in den anderen Fällen geschlechts-
begrenzt vererbt, ist also beim $ stets heterozygot. Es liegt nahe,
diesen Steigerungsfaktoren wieder ihren Platz im Z- und X-Chromosom
zuzuweisen; die Geschlechtschromosomen heißen hier also bei maxi-
maler Fruchtbarkeit :
z
X
F
M
G
A
A
Li
z
F
G
Li
z
X
F
M
G
A
Li
L2
z
X
F
M
G
A
Li
L%
Es ist bemerkenswert, daß alle bisher genannten Fälle geschlechts-
begrenzter Vererbung sich auf tierische Objekte bezogen. In der Tat
gibt es bisher im Pflanzenreich erst einen von Baur entdeckten, aber
noch nicht völlig analysierten Fall gleicher Art. Es ist nun nicht
einzusehen, warum sich hier das Pflanzenreich anders verhalten sollte
als das Tierreich. Zwar ist es bisher noch nicht gelungen, X-Chro-
mosomen mit Sicherheit festzustellen. Aber es gibt bereits eine ganze
Reihe von Anhaltepunkten dafür, daß die gleichen Verhältnisse vorliegen
und daß absonderliche Erblichkeitsfälle, wie der der gefüllten Levkojen,
sich als Fälle geschlechtsbegrenzter Vererbung erklären lassen, wie ich
kürzlich nachzuweisen versuchte. Wir werden bald nochmals auf diesen
Punkt zurückkommen.
Zum Schluß dieser Vorlesung müssen wir uns noch mit einer Konse-
quenz beschäftigen, die sich aus der Verbindung der Chromosomenlehre
mit den Erblichkeitsstudien ergibt und so recht zeigt, wie gewisse Er-
scheinungen nur durch Übertragung auf die Chromosomenlehre ver-
ständlich werden. Morgan gebührt das Verdienst, in einer Reihe
hochinteressanter Arbeiten die Tatsachen entdeckt und interpretiert zu
haben. Wir wollen hier den umgekehrten Weg gehen und die Tatsachen
als Konsequenz aus der Chromosomenlehre ableiten. Wenn in den be-
trachteten Fällen, z. B. oben bei den Drosophilakreuzungen bestimmte
Eigenschaften nur mit einem bestimmten Geschlecht verbunden er-
scheinen konnten, so kam das daher, daß sie in einem X-Chromosom
lagen. Stellen wir uns nun die Synapsis vor, in der die Chromosomen
paarweise konjugieren, so hat beim $ (im Falle des Drosophilatypus)
das X-Chromosom einen Partner, beim $ aber nicht. Wenn nun die
Chromosomen eine Zeitlang sich fest vereinigen würden, was tatsächlich
beobachtet ist, so könnte es leicht sein, daß beim Wiederauseinander-
rücken die Teilchen nicht mehr völlig identisch sind, sondern einmal
eines ausgetauscht würde. Es ist klar, welche Konsequenz das ergäbe:
es würden Gametenkombinationen gelegentlich entstehen können, die
eigentlich bei geschlechtsbegrenzter Vererbung nicht auftreten dürften,
und zwar könnten sie nur von der weiblichen Seite her kommen, da das
männliche X-Chromosom keinen Partner hat, mit dem es etwas aus-
tauschen könnte. Nehmen wir als fingiertes Beispiel folgende Konsti-
tution der X-Chromosomen:
Q
<3
X
X
F
F
A
b
a
b
X
F
a
B
Dann könnte normalerweise das $ nur Gameten FAb und FaB bilden,
somit aus der Kreuzung nur die £ Kombinationen FFAabb und FFaaBb
344
entstehen. Wenn nun ein Faktoren aust ausch — crossingover nennt es
Morgan — zwischen den beiden X-Chromosomen des $ gelegentlich
stattfindet, so könnte also etwa B an die Stelle von b kommen und somit
einige Gameten FAB und Fab gebildet werden, die bei der Befruchtung
die nach dem Schema der geschlechtsbegrenzten Vererbung unerlaubten
Kombinationen FFAaBb und FFaabb in einigen wenigen Individuen
liefern würden. Wenn überhaupt ein solches crossing over vorkommt,
dann sind bei großen Zahlen immer einige Individuen der unerlaubten
Kombinationen zu erwarten. Und das ist das tatsächliche Resultat
Morgans, aus dem er diese Erklärung ableitet. Bei einer Kreuzung
weißäugiger, langgeflügelter Fliegen mit rot äugigen kurzgeflügelten (der
geschlechtsbegrenzte Charakter) treten in F2 einige wenige weißäugige-
kurzgeflügelte Individuen auf, die nicht hätten auftreten dürfen. Mor-
gan konnte nun sogar noch weiter gehen: Es zeigte sich, daß wenn
gleichzeitig mehrere geschlechtsbegrenzte Charaktere betrachtet werden,
manche mit Vorliebe miteinander verbunden bleiben, so daß man daraus
vielleicht auf ihre benachbarte Lage im Chromosom schließen kann.
Aus dem Maß des eintretenden crossing over hat Sturtevant direkt
versucht, den relativen Abstand der Faktoren im Chromosom zu be-
rechnen. Doch würde es zu weit führen, wollten wir in eine genaue
Betrachtung dieser Einzelheiten eintreten.
Siebzehnte Vorlesung.
Die Geschlechtschromosomen bei Generationswechsel und Zwittrig-
keit. Vererbung- der Zwittrigkeit. Die Geschlechtsbestimmung::
Vormendelistische Betrachtungsweise. Die pro-, syn- und meta-
game Bestimmung.
Mit der Erkenntnis des Chromosomen-Erbfaktorenmechanismus
kann die normale Vererbung des Geschlechts bei zweigeschlechtigen
Formen als geklärt betrachtet werden. Nun gibt es aber eine ganze
Reihe von Vererbungsformen, die sich nicht an das einfache Schema
halten ; sie sind geeignet, uns zu dem Problem der Geschlechtsbestimmung
— 345 —
hinüberzuführen. Als besonders bemerkenswert seien die Fälle voran-
gestellt, in denen sieh ein typischer Wechsel zwischen Generationen
verschiedener Geschlechtigkeit vorfindet. Denn gerade hier hat sich der
Erklärungswert der Geschlechtschromosomentatsachen besonders klar
gezeigt.
Bei den Blattläusen entstehen aus parthenogenetisch erzeugten
Eiern im Sommer nur Weibchen, im Herbst aber beide Geschlechter,
zuvor manchmal auch Weibchen, die nur Männchen erzeugen und solche,
die nur Weibchen erzeugen. Die befruchteten Eier aber ergeben stets
nur Weibchen. Letztere Tatsache konnte nun für die Aphiden von
v. Baehr, Morgan und Stevens in glänzende Übereinstimmung mit
den zellulären Befunden gebracht werden. Wenn bei der Samenreife
der Männchen, die eine ungerade Chromosomenzahl besitzen, die Re-
duktionsteilung erfolgt ist, also in einer prinzipiell der beschriebenen
ähnlichen Weise die X- und Y-Zellen gebildet sind, entwickeln sich nur
aus ersteren Spermatozoen, die Y-Zellen, die ein Chromosom weniger
besitzen, degenerieren aber, so daß die Befruchtung ausschließlich durch
A"-Spermatozoen geschehen kann, die ja weibchenbestimmend sind. Die
so entstandenen Weibchen haben also die gesamte Chromosomenzahl,
ebenso wie die parthenogenetisch aus ihnen erzeugten weiteren Weib-
chen. Werden aber dann Eier gebildet, aus denen sich parthenoge-
netisch Männchen entwickeln, so entfernen sie bei der Bildung der
Richtungskörper ein Chromosom mehr aus dem Ei, als in ihm zurück-
bleibt; durch diesen Mechanismus kommt also in den männchen-
erzeugenden Eiern die ungerade männliche Zahl zustande. Die zytolo-
gischen Befunde erklären somit in unserem Falle das biologische Verhalten.
Ähnlichen Verhältnissen von prinzipiell der gleichen Bedeutung begeg-
nen wir beim Fortpflanzungszyklus des Nematoden Angiostoma nigro-
venosum, wie ihn Schi ei p und Boveri zytologisch analysierten. Hier
findet ein regelmäßiger Wechsel zwischen einer getrennt geschlechtlichen,
freilebenden und einer zwittrigen, parasitischen Generation statt. Aus den
befruchteten Eiern der getrennt geschlechtlichen Form entstehen also
stets Zwitter und umgekehrt. Die Weibchen der getrennt geschlecht-
lichen Generation besitzen 12 Chromosomen, die in den Reifeteüungen
auf 6 reduziert werden. Die Männchen haben deren 11, so daß Spermato-
— 346 —
zoen mit 6 und solche mit 5 Elementen gebildet werden. Die zwittrige
Generation enthält aber stets 12 Chromosomen, die Spermien mit 5
Chromosomen sind also nicht zur Befruchtung gelangt. Die Zwitter
haben also weibliche Chromosomenzahl und erscheinen auch in ihren
äußeren Charakteren als Weibchen. Ihre Eier sind dann auch wieder
nach der Reifung mit 6 Chromosomen ausgestattet. In den Ursamen-
zellen findet sich zwar auch die weibliche Zahl von 12 Chromosomen,
aber eines davon zeigt bereits Besonderheiten, aus denen hervorgeht,
daß es dem Untergang geweiht ist. Es macht zwar auch die Reifeteilung
mit und kommt sodann in die Hälfte der Spermatiden, wird aber nicht
in deren Kern einbezogen und geht zugrunde, so daß nun wieder zweierlei
Spermien, solche mit 6 und solche mit 5 Chromosomen gebildet werden.
Beide befruchten und erzeugen wieder ^ und $,
In beiden Fällen ist es klar, daß die Geschlechtsvererbung wieder an
den Chromosomenmechanismus gebunden ist, aber es begegnet uns
auch etwas Neues, nämlich die Tatsache, daß ein richtendes Eingreifen
in diesen Mechanismus möglich ist, so daß eine Geschlechtsbestimmung
resultiert, die Erzeugung eines bestimmten Geschlechts. Das was hier
eingriff, waren unbekannte innere Faktoren, die dem Chromosomen-
mechanismus übergeordnet sind. Und daraus geht bereits hervor, daß
ein Teil des Problems der Geschlechtsbestimmung mit dem Versuch,
diese inneren Faktoren zu beeinflussen und in die Hand zu bekommen
identisch ist. Wir werden davon bald ausführlich zu sprechen haben.
Aber auch vom Standpunkt der Geschlechtsvererbung aus haben diese
Erscheinungen ein besonderes Interesse, da sie wieder den Schlüssel
dazu in die Hand geben, besondere Resultate des mendelistischen Ex-
periments einfach zu interpretieren.
Eine besondere Rolle spielen in dieser Frage nämlich die Kreuzungs-
versuche von Correns an der getrennt geschlechtlichen Bryonia
dioica mit der monözischen Bryonia alba.
Correns ging von der Tatsache aus, daß monözische und diözische
Pflanzen, also solche, die männliche und weibliche Blüten an einer
Pflanze oder nur an getrennten Pflanzen erzeugen, diese Fähigkeit
auf ihre Nachkommen vererben. So ist die Dimorphoteca -pluvialis
eine extrem monözische, eine trimonözische Pflanze, indem ihre Blüten-
— 347 —
köpfchen gleichzeitig männliche, weibliche und Zwitterblüten enthalten.
Wie man nun aber auch diese drei Blütenarten sich untereinander be-
fruchten läßt, stets entsteht wieder eine trimonözische Pflanze. Es
müssen somit alle Geschlechtszellen einer monözischen Pflanze diesen
Charakter besitzen, und dadurch eröffnet sich vielleicht die Möglichkeit,
durch Kreuzung mit einer diözischen Pflanze, deren Geschlechtscharakter
männlich oder weiblich ja bekannt ist, erstere analysieren zu können.
Correns kreuzte deshalb die monözische Zaunrübe Bryonia alba mit
der getrennt-geschlechtigen B. dioica. Wurde nun dioica $ x alba <£
gekreuzt, so war die gesamte Nachkommenschaft weiblich, nämlich
587 Individuen (zu denen allerdings als Ausnahme 2 $ kamen). Die
umgekehrte Kreuzung dioica £ x alba £ ergab aber zu genau gleichen
Teilen männliche und weibliche Pflanzen, nämlich 38 : 38 Individuen.
Die normale Befruchtung zwischen dioica $ und $ gibt natürlich wieder
zu gleichen Teilen beides. Nun wissen wir schon, daß monözische Indi-
viduen sämtlich den Charakter Monözie, Zwittrigkeit, vererben. Das
Resultat erfordert also, daß bei der diözischen Pflanze männliche und
weibliche Individuen verschiedene geschlechtliche Tendenz haben. Es
wird erklärt, wenn wir annehmen, daß die £ in bezug auf das Geschlecht
heterozygot sind, mit männlicher Dominanz also Mm, die Weibchen
dagegen homozygot mm. Erstere bilden also zweierlei Geschlechtszellen
M und m, letztere nur eine Sorte m. Natürlich muß dann auch angenom-
men werden, daß aus der Monözie durch den Faktor M bzw. m sichtbare
Männlichkeit oder Weiblichkeit wird. Es würde also etwa die Kreuzung
dioica £ x alba 9 folgendermaßen verlaufen, wenn wir die Monözie
(Hermaphroditismus) mit £ bezeichnen und uns der Geschlechtssym-
bole bedienen :
Dioica
(5 = 6 £
alba £ = s s
Gameten
<S und Cj
s
F\
<5 S
und
e g
Nun haben wir schon gehört, daß im Pflanzenreich Geschlechts-
chromosomen noch nicht bekannt sind. Da aber alle experimentellen
Tatsachen mit den im Tierreich gewonnenen aufs schönste übereinstim-
men, so ist wohl anzunehmen, daß prinzipiell die gleichen Verhältnisse
vorliegen. Man könnte also z. B. den Fall der Hermaphroditen bei
— 348 —
Rhabdonema ganz gut auf die zwittrigen und monözischen Blütenpflan-
zen übertragen. Dann wäre also anzunehmen, daß in deren männlichen
Organen ein X-Chromosom (oder auch nur die X-Substanz in einem
Geschlechtschromosom, der Faktor F) funktionsunfähig wird und somit
<$ und $ bestimmende Pollen gebildet werden. Erstere aber befruchten
nicht und so entstehen nur $ mit der Fähigkeit zum Zwittertum. (Was
das heißt werden wir später hören.) Wie Hertwig und Demoll zeigten
und ja nun leicht zu kombinieren ist, erklärt sich in der Tat damit mühe-
los der Bryoniafall. Und ich habe zeigen können, daß unter dieser
Voraussetzung sich der verwickelteste aller bekannten Mendelfälle, die
von Miß Saunders analysierte Vererbung der gefüllten Levkojen,
ebenfalls leicht als Fall geschlechtsbegrenzter Vererbung im Rahmen
dieses Chromosomenmechanismus zwittriger Blütenpflanzen erklärt.
In diesem Falle wie in dem des Rhabdonema begegnet uns nun wieder
etwas, was zu einer anderen Seite der Frage hinführt, auf die wir in dieser
Vorlesung hinaus wollen. Wir hatten in beiden Fällen gesehen, daß der
Chromosomenmechanismus eigentlich $ erzeugt, trotzdem aber Zwitter
entstehen; wir müssen also diesen Zwittern die weibliche Faktorenkon-
stitution zuschreiben. Erinnern wir uns nun an unser Faktorenschema,
das bei männlicher Heterozygotie FFMM = $ war, wobei F über M
epistatisch ist. Wir hatten uns das so vorgestellt, daß F eine höhere
quantitative Potenz hat, etwa F : M = 6 : 4. Wenn nun bei gleicher
Konstitution ein Zwitter entsteht, so kann dies nur so sein, daß in diesem
Falle die Potenz von F und M gegeneinander einigermaßen ausgeglichen
ist, so daß es vielleicht von geringfügigen inneren Ursachen abhängt,
welche überwiegt und damit eine <§- oder $-Blüte an der gleichen Pflanze
erzeugt wird. Oben haben wir gesehen, daß ein Eingriff in die Ge-
schlechtsvererbung, eine Geschlechtsbestimmung, durch Beeinflussung
der den Chromosomenmechanismus dirigierenden Faktoren möglich ist,
hier sehen wir nun die Möglichkeit einer Geschlechtsbestimmung durch
Verschiebung der relativen Potenz der Erbfaktoren vor Augen.
Ehe wir diese nicht ganz einfachen Dinge diskutieren, ist es vielleicht
am Platze, kurz auf die ältere Behandlungsweise unseres Problems
einzugehen, um sie dann unserem bisherigen Gedankengang einzu-
gliedern.
— 349 —
Wir haben unserer bisherigen Betrachtung des Geschlechtsproblems
die Gesichtspunkte zugrunde gelegt, die die jüngste Phase des Studiums
dieser Frage beherrschen, die mendelistische Auffassung. Bei ihrer
Diskussion haben wir zunächst eine Frage ganz außer acht gelassen, die
Frage des Zeitpunkts der Geschlechtsbestimmung. Die vormende-
listische Epoche hat aber gerade diesen Punkt in das Zentrum des In-
teresses gestellt. Sie suchte ja in der Hauptsache das Wesen der Ge-
schlechtlichkeit so zu erforschen, daß sie sich bestrebte, im Experiment
das normale Geschlechtsverhältnis zugunsten des einen oder anderen
Geschlechts zu verschieben. Ein derartiger Eingriff kann natürlich nur
dann Erfolg haben, wenn er zu einem Zeitpunkt einsetzt, an dem noch
eine Reaktionsmöglichkeit vorhanden ist. Da bietet sich denn als natür-
liche Marke der Abgrenzung jenes Zeitpunktes der Moment der Be-
fruchtung dar, so daß die drei Möglichkeiten der zeitlichen Bestimmung
gegeben sind als Bestimmung vor der Befruchtung (progam), während
der Befruchtung (syngam), nach der Befruchtung (metagam). Es ist
klar, daß für die mendelistische Betrachtungsweise die Tatsachen, die
zugunsten der drei Möglichkeiten sprechen, größtenteils gleichgültig sind.
Denn wird das weibliche Geschlecht als heterozygot genommen, so ist
die Bestimmung eine hauptsächlich progame, ist das Männchen hetero-
zygot, so ist sie eine syngame. Eine progame Beeinflussung aber ist
dann, wie wir oben hörten, eine Bewirkung der übergeordneten Faktoren,
eine metagame aber eine Potenzverschiebung. Im großen ganzen ist
also diese Frage für die mendelistische Betrachtungsweise ziemlich
gleichgültig, soll aber doch kurz hier im Sinne der älteren Forschung
behandelt werden.
Es liegt auf der Hand, daß die ältere Forschung sich vorwiegend für
die metagame Bestimmung des Geschlechts interessierte, denn wenn
überhaupt Hoffnung sein sollte, der Bestimmung Herr zu werden, so
war das nächstliegende, eine Beeinflussung des sich entwickelnden Orga-
nismus zu versuchen. Es ist klar, daß ein solcher Versuch von vorn-
herein mit sehr vielen Schwierigkeiten und Klippen zu kämpfen hat.
Er muß selbstverständlich von der Betrachtung des normalen Ge-
schlechtsverhältnisses ausgehen. Es spricht zwar zunächst manches
dafür, daß dies für die einzelnen Organismen ein konstantes ist. So
— 350 —
gibt Darwin für Rennpferde bei 25560 Geburten 99,7 $ : 100 $ an;
King findet bei der Kröte Bufo lentiginosus 93 g : 100 $>> Standfuss
unter 32176 Individuen von 40 Schmetterlingsarten 106,93 <§ (stets
auf 100 $ berechnet), Montgomery bei dem Käfer Macrodactylus
subspinosus unter 8796 Tieren 131,0 <$ : 100 $, dagegen bei der Spinne
Lactrodectes mactans unter 41 749 Individuen ein Verhältnis von
819 $ : 100 $. Aber selbst wenn solche Verhältnisse aus recht großen
Zahlenreihen abgeleitet sind, müssen sie doch mit großer Vorsicht be-
trachtet werden, wenn es sich darum handelt, sie zur Grundlage experi-
menteller Studien zu machen. Welche Fehlerquellen sie in sich bergen
können, zeigen am besten die Verhältnisse des Menschen, für den ja
die ausgedehntesten Zählungen vorliegen. Im Durchschnitt Europas
fallen auf 100 Mädchengeburten 105,3 Knabengeburten, eine Zahl,
die mit großer Konstanz auftritt. Werden aber die totgeborenen Kinder
betrachtet, so fallen auf 100 Mädchen 131,9 Knaben, und wenn gar die
Frühgeburten in Betracht gezogen werden, ist das Verhältnis 160 : 100
(Lenhossek). Andererseits ist auch bei lebenden Kindern der Prozent-
satz an Knaben bei Erstgebärenden relativ hoch, nämlich etwa 137 : 100.
Natürlich liegen bei Tieren die Verhältnisse auch nicht anders. Vielfach
läßt sich das Geschlecht erst in einem gewissen Entwicklungsstadium
bestimmen, so daß kaum kontrolliert werden kann, ob nicht mehr oder
weniger Eier, Embryonen, Larven eines Geschlechts zugrunde ge-
gangen sind. Eine weitere Schwierigkeit kommt daher, daß an ver-
schiedenen Lokalitäten das Verhältnis ein verschiedenes sein kann.
Die Zahlen für den Menschen variieren bekanntlich nach Ländern und
Rassen, für die Frösche fand Pflüger 87% $ in Utrecht, aber nur
50% in Königsberg, bei Artemia salina kommen in manchen Fund-
stellen gar keine oder nur wenige <$ vor, in anderen mehr, wieder in
anderen ebenso viele wie Weibchen. Die wenigen Beispiele genügen wohl,
zu zeigen, welche Grundschwierigkeit allen Versuchen metagamer Ge-
schlechtsverschiebung anhaftet : denn das was sie beweisen müssen,
wenn das Resultat das Problem der Geschlechtsbestimmung selbst
betreffen soll, ist ja, daß ein indifferenter Zustand nach einer oder der
anderen Seite auszuschlagen bestimmt wird oder daß ein vorhandener
Geschlechtszustand umgestimmt wird.
— 351 —
Unter diesen Umständen wird es nicht wunder nehmen, daß die
älteren Versuche, eine metagame Bestimmung zu beweisen, als fehl-
geschlagen oder mindestens noch nicht bewiesen betrachtet werden müs-
sen. (Allerdings werden wir bald auch von positiver Potenzverschiebung
hören.) So lohnt es sich denn auch gar nicht, in eine Einzelbetrachtung
einzutreten. Vielfach erwiesen sich schon die Voraussetzungen der Ver-
suche als gänzlich unhaltbar; wenn z. B. durch äußere Eingriffe an Rau-
pen das Geschlecht von Schmetterlingen bestimmt werden sollte, während
bereits im sich entwickelnden Schmetterlingsei doch das Geschlecht
schon feststeht, wie wir früher bei Besprechung der Transplantations-
versuche erfuhren. Cuenot hat sich der undankbaren Aufgabe unter-
zogen, einen großen Teil derartiger Angaben exakt nachzuprüfen, stets
mit dem gleichen negativen Resultat.
Es kommt somit mehr die Möglichkeit der pro- und syngamen Be-
stimmung in Betracht. Letztere ist es vor allem, die uns in den letzten
Vorlesungen ja dauernd als normaler Geschlechtsvererbungsmodus be-
gegnete. Alles was mit den geschlechtsbestimmenden Spermatozoen
zusammenhängt, alles was dafür angeführt werden kann, daß das Ge-
schlecht durch die Befruchtung zwischen einer Heterozygote und einer
Homozygote bestimmt wird, ist ja Material im Sinne der syngamen
Entscheidung. Bei ihr handelt es sich dann im wesentlichen um den
Einfluß der Samenzelle bei der Befruchtung: es muß Samenzellen mit
männlicher und solche mit weiblicher Tendenz geben. Seitdem die
Tatsachen über die zwei Spermienarten bekannt sind, die wir in der
letzten Vorlesung kennen lernten, ist mit dem Begriff der Tendenz
natürlich eine feste Vorstellung verknüpft. Er bedeutet entweder das
Vorhandensein oder Fehlen eines Gens für Weiblichkeit oder das Vor-
handensein oder Fehlen einer Ä'-Substanz, die in bestimmter Quantität
das männliche, in der doppelten das weibliche Geschlecht bedingt. In
jedem Falle wäre ein unverrückbarer Zustand geschaffen und eine Ver-
schiebung nur denkbar durch die relative Häufigkeit der zur Befruch-
tung kommenden beiden Spermienarten.
Damit kann also von einer syngamen Bestimmung, also Verschiebung,
gar nicht die Rede sein. In der älteren Literatur konnte man sich da eine
Wirkung durch die Tendenz der Geschlechtszellen vorstellen. Jetzt ist die
— 352 —
geschlechtsbestimmende Tendenz aber einfach ein unverrückbarer alter-
nativer Zustand, während man früher mit so unfaßbaren Begriffen, wie
kräftige und geschwächte, alte und junge Spermien operierte. Besonders
der Begriff des Kräftezustandes spielt in der älteren Literatur eine be-
trächtliche Rolle und seine Bedeutung wurde meist auf dem Wege der
Statistik zu erweisen gesucht. Natürlich standen dabei die menschlichen
Verhältnisse im Vordergrunde, aber auch bei den Tierzüchtern herrscht
der Glaube, an die verschiedene Wirksamkeit kräftiger und schwacher,
alter und junger Hengste, Stiere, Widder vor. Bald betrachtete man
das relative Alter der Eltern, bald ihre sozialen und Ernährungsvei'hält-
nisse. Wie so oft sind die Ergebnisse der Statistik in keiner Weise ein-
deutig, ganz abgesehen davon, daß ein derartiges biologisches Problem
überhaupt nicht rein statistisch gelöst werden kann. Wo man aber
versucht hat, einen bestimmten Punkt im Tierexperiment zu prüfen,
wie es Cuenot und O. Schultze taten, ergaben sich stets negative
Resultate. Was für den undefinierbaren Kräftezustand der Spermien
gilt, trifft auch für die Möglichkeit zu, daß ihr Alter eine Bedeutung
haben könne. Die bekannteste Illustration dieser Anschauung stellt
ja das Geschlechtsverhältnis der Haustaube dar. Bei ihr lösen sich stets
2 Eier im Intervall einiger Stunden vom Eierstock los und werden oben
im Ovidukt befruchtet; sie werden dann im Abstand von i — 2 Tagen
abgelegt. Eine alte Überzeugung besagt nun, daß stets aus dem ersten
Ei ein Männchen, dem zweiten ein Weibchen schlüpft. Da nun die
Spermatozoen, die die beiden Eier befruchten, von der gleichen Be-
gattung stammen, so ist das das zweite Ei befruchtende etwas länger im
mütterlichen Körper, älter, und dadurch soll es weibchenbestimmend
geworden sein. Wenn es nun auch tatsächlich oft vorkommt, daß die
jungen Tauben in solcher Reihenfolge schlüpfen, so ist nach Cuenot
jedoch auch das umgekehrte ebensowohl der Fall, als auch, daß aus-
schließlich 2 ^ oder 2 $ schlüpfen. Hätte außerdem ein solcher Einfluß
eine geschlechtsbestimmende Bedeutung, so könnte er von vornherein
nicht für solche Tiere gelten, bei denen das Sperma im mütterlichen
Körper lange leben kann, ohne daß dabei ein Einfluß auf das Geschlecht
bemerkbar ist, wie das etwa beim Huhn, bei den Fledermäusen und in
extremer Form mit jahrelanger Funktionsfähigkeit des von einer Be-
— 353 —
gattung stammenden Spermas bei Landschnecken und der Biene der
Fall ist.
Was nun die dritte Möglichkeit, die der progamen Bestimmung betrifft,
so würde sie besagen, daß bereits im unbefruchteten Ei das Geschlecht
des zukünftigen Wesens bestimmt ist : es gäbe weibliche und männliche
Eier, deren Charakter durch die Befruchtung nicht mehr geändert
werden kann. Die mendelistische Erklärung erfordert diese Annahme
natürlich in all den Fällen, in denen das weibliche Geschlecht als hetero-
zygot betrachtet wird, da dann die Gameten zur Hälfte weiblich, zur
Hälfte männlich determiniert sein müssen. Es kann nicht dem gering-
sten Zweifel unterliegen, daß es zahlreiche Fälle solcher Art gibt. Vor
allem muß das natürlich dann der Fall
sein, wenn auf parthenogenetische Weise
beide Geschlechter erzeugt werden und
in dieser Gruppe besonders wieder in
jenen Fällen, in denen es verschiedene
Individuen sind, die entweder nur weib-
liche oder nur männliche Eier legen, wie
bei Phylloxera. Das gleiche trifft für
solche Fälle zu, in denen, wie bei man-
chen Käfern und Schmetterlingen durch FiS- r39-
Cocon von Dinophilus mit £> und
gelegentliche, ungewöhnliche Partheno- 3 -Eiern. Nach Korscheit.
genese auch beide Geschlechter im
normalen Verhältnis erzeugt werden. Die berühmtesten Fälle zur De-
monstration der progamen Bestimmung sind abef die, bei denen bereits
die Eier äußerlich das zukünftige Geschlecht erkennen lassen, indem
die Männcheneier kleiner, die Weibcheneier größer sind. Das klassische
Beispiel dafür ist der Wurm Dinophilus nach der Entdeckung von
Korscheit, dessen Gelege mit ,^-und $-Eiern nebenstehend abgebildet
ist (Fig. 139). Das gleiche steht, neben einigen nicht einwandfreien
Fällen, fest für Rotatorien, Phylloxerinen, Spinnen.
Ebenfalls im gleichen Sinne wird meist die Tatsache der Gleichge-
schlechtigkeit multipler Embryonen verwertet, die allerdings ebensosehr
auch für die syngame Bestimmung spricht. Man versteht darunter die
merkwürdige Erscheinung, daß aus einer Eizelle mehrere Individuen
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 23
— 354 —
entstehen können, indem frühe Furchungsstadien auseinander fallen
und sich selbständig weiter entwickeln. Wenn wir von den sogenannten
eineiigen Zwillingen des Menschen absehen, deren Entstehung ja nur
erschlossen ist und deren ausschließliche Gleichgeschlechtigkeit nicht
unbestritten ist, sind die beiden schönsten Fälle die des Gürteltiers
Tatusia und der parasitischen Wespen (Chalcididen) Ageniasftis, Litho-
Fig. 140.
Junge Keimblase von Tatu novemcinctum mit 4 Embryonen (I — IV). Nach New man
und Patterson.
mastix und verwandter Formen. Bei jenen Gürteltieren entwickeln sich
fast immer gleichzeitig 4 Embryonen [bei anderen Arten durch einen
merkwürdigen Knospungsprozeß zahlreiche (Fernandez)], die in ge-
meinsame Embryonalhüllen eingeschlossen sind, was auf einen Ursprung
aus den 4 Furchungszellen deutet. Fig. 140 zeigt eine Fruchtblase mit
4 jungen Keimscheiben im Kreis angeordnet und Fig. 141 eine aufge-
schnittene Blase mit älteren Embryonen. Die 4 Jungen sind aber stets
— 355 —
des gleichen Geschlechts. Noch eklatanter ist aber der Fall jener Wes-
pen. Sie legen ihre Eier in Schmetterlingseier hinein, in denen sie sich mit
dem Schmetterling entwickeln, bis schließlich sich die fertigen Wespen aus
der Raupe herausbeißen. Die Eier der Wespen zerfallen nun nach einigen
Teilungen in ihre Zellen, die dann für sich die Furchung beginnen. Esent-
stehen so ganze Ketten von Embryonen aus einem Ei, die bei manchen
Fig. 141.
Aufgeschnittene Keimblase von Tntu novemcinctum mit den 4 Embryonen. Nach
New man und Patterson.
Arten bis 1000 Individuen enthalten können, die nun wieder alle eines
Geschlechts sind. Fig. 142 a zeigt ein junges Entwicklungsstadium von
Polygnotus minutus, in dem sich gerade die Furchungszellen auseinander-
legen, b ein älteres Ei mit vielen Furchungsstadien, c eine noch ältere
Blase mit mehreren Embryonen. Fig. 143 gibt eine aus einem Ei ent-
standene Embryonenkette einer anderen Art, Encyrtus fuscicollis wieder.
Den Tatsachen der progamen Bestimmung gegenüber erhebt sich
natürlich die Frage, ob man imstande ist, auf sie einen Einfluß aus-
:356
HO
cmb
na
cmb
na
Fig. 142.
"> b, c 3 Stadien der Entwicklung von Polygnorus minutus, na Amnionkeme, emb
Embryonen. Nach Marchai.
357
zuüben, also die Relation männlicher und weiblicher Eier zu ver-
schieben.
Fig. 143-
Embryonenkette der Wespe Encyrtus. Nach Marchai.
Wir haben bereits festgestellt, daß das ja nichts anderes wäre, als
eine Beeinflussung der übergeordneten Faktoren und somit können wir
nun wieder unseren alten Faden aufnehmen und uns den beiden, aus
dem Mechanismus der Geschlechtsvererbung abgeleiteten Möglich-
keiten der Geschlechtsbestimmung zuwenden.
— 358 —
Achtzehnte Vorlesung,
Die Geschlechtsbestimmung: durch Potenzverschiebung-, syngam
und metagam. Geschlechtsbestimmung und übergeordnete Fak-
toren. Die Generationszyklen. Progame Geschlechtsbestimmung.
Generationswechsel und Sexualität.
Wir wollen also nunmehr die beiden Möglichkeiten diskutieren, be-
stimmend in das Geschlecht einzugreifen, nämlich einmal die Möglich-
keit durch Bewirkung der übergeordneten Faktoren den Vererbungs-
mechanismus in eine bestimmte Richtung zu lenken, sodann die Mög-
lichkeit, innerhalb einer gegebenen Geschlechtskonstitution durch Ver-
änderung der relativen Potenz der beteiligten Erbfaktoren einen ver-
änderten Effekt hervorzubringen. Wenden wir uns zunächst dem
letzteren Punkte zu. Auch hier können wir, wie bei der Geschlechtsver-
erbungsformel, wieder von dem Verhalten der sekundären Geschlechts-
charaktere ausgehen. Auch für sie hatten wir ja die Formel mit dem
epistatischen Verhältnis der beteiligten Faktoren aufgestellt, die den nor-
malen Zustand bedingte. Diese Formel aber hatten wir gerade daraus
abgeleitet, daß es durch geeignete Bastardierungen möglich ist, das nor-
male Verhältnis so zu ändern, daß in jedem Geschlecht die Charaktere
des anderen zum Durchbruch kommen, Gynandromorphe entstehen. In
dem geschilderten Falle der Lymantria dispar war diese verschobene
relative Potenz zwischen den Faktoren G und A dadurch erreicht worden,
daß durch Bastardierung in die Erbformel Faktoren von anderswertiger
Potenz eingeführt wurden. Es war also nicht eine direkte Veränderung
der Potenz erzielt worden; daß eine solche möglich ist, ohne daß die
Methode bisher bekannt ist, kann keinem Zweifel unterliegen, da auch in
der Natur, also ohne Bastardierung, gelegentlich solche Gynandromorphe
vorkommen. Bei sehr vielen Tieren ist aber auch normalerweise die
Potenz dieser Faktoren sichtlich eine labile und immer von bestimmten
physiologischen Zuständen abhängig, nämlich von der inneren Sekretion
der Geschlechtsdrüse. Es ist eine bekannte Tatsache, daß vor allem bei
den Wirbeltieren die Ausbildung der sekundären Geschlechtscharaktere
von der Anwesenheit der richtigen Geschlechtsdrüse abhängig ist und
vor allem Ancel und Bouin haben gezeigt, daß es ein bestimmter Teil
— 359 —
dieses Organs, die interstitielle Drüse, von St ei nach Pubertätsdrüse
genannt, ist, die den Ausschlag gibt. Ein Merinobock, bei dem, wie
wir hörten, durch die Erbformel die Ausbildung von Hörnern bedingt
wird, bleibt hornlos, wenn frühzeitig kastriert (Darwin, Castle). Ein
kastriertes männliches Meerschweinchen, dem Ovarien implantiert sind,
bildet weibliche Geschlechtscharaktere wie Zitzen und bestimmte Skelett-
eigentümlichkeiten aus (Steinach), eine alte Henne oder Ente, deren
Eierstock mit der inneren Sekretion aufhörte, wird hahnenfedrig, ein
ebensolcher alter Erpel nimmt das Kleid der Ente an, die parasitär
kastrierte männliche Krabbe Inachus erhält die weiblichen sekundären
Geschlechtscharaktere (Smith) usw. Das besagt doch wohl nichts
anderes, als daß in diesen Fällen - - wenn wir von Entwicklungshem-
mungen absehen, wie das Nichtmutieren der Stimme des Kastraten, also
rein physiologischen Dingen, die nichts mit dem Vererbungsprozeß zu
tun haben, wenn sie auch in anderer Hinsicht sehr wichtig sind — die
relative Potenz der Faktoren G und A, auf deren Epistase das normale
Verhalten beruht, verändert, unter Umständen sogar vertauscht wird.
Übertragen wir nun diese Erklärung auf das Geschlecht selbst, so
ist es denkbar, daß auch hier das normale Verhältnis von F und M ver-
schoben werden kann, so daß (bei männlicher Heterozygotie) ein Tier
von der Formel FFMM anstatt eines $ zu einem Zwitter oder gar zu
einem $ wird, ebenso MMFf anstatt männlich zwittrig oder weiblich
erscheint. (Es ist klar, daß diese „Verschiebung der Potenz" nur ein
symbolischer Ausdruck für einen unbekannten physiologischen Prozeß
darstellt, ebenso wie ja auch der „Erbfaktor" nicht ein Baustein sondern
ein physiologischer Ablauf ist. Diese Selbstverständlichkeit braucht
wohl nicht weiter ausgeführt zu werden.) Diese Möglichkeit kann nun
jetzt bereits aus einer Reihe von Tatsachen und Experimenten mit
Sicherheit erschlossen werden. Zunächst sind es eine Reihe biologischer
Beobachtungen, die in diese Richtung weisen und die Grundlage für
eine experimentelle Inangriffnahme des Problems geben. Vor allem
gehört hierher der sogenannte akzidentelle Hermaphroditismus, wie er
sich im Tier- und Pflanzenreich findet, also das gelegentliche Auftreten
von Eiern im Hoden oder Samengewebe im Eierstock. Es gibt wohl
keine Gruppe im Tierreich, in der das nicht gelegentlich vorkommt.
— 360 —
Nebenstehende Fig. 144 zeigt einen solchen Fall, Eibildung im Hoden
des Flußkrebses und Fig. 145 das entgegengesetzte, nämlich Hoden-
gewebe im Eierstock eines Seesterns. Ja es gibt Tierformen, bei denen
ganz typischerweise ein Geschlecht nichtfunktionierende Geschlechts-
drüsenteile des anderen besitzt. So liegt bei der Pseudoneuroptere
Perl ajnaxgüi ata. dem Hoden stets einBüschel Eiröhren an(Schoene-
mund) und das sogenannte Bidd ersehe Organ männlicher Kröten ist
Fk
St
M
E
N
B
Kb
Kf
Kb
K
Fh
Fig. 144.
Hodenbläschen eines <3 von Potamobius astacus mit Eiern. B Eiplasma, E Ei,
Fh Follikelhaut, Fk Follikelkern, K Kern der Membran, Kl> Keimbläschen, Kf Keim-
neck, M Membran des Hodenbläschens, N Dotter, St Spermatogonien. Nach
v. La Valette-St. George.
auch nichts als ein dem Hoden anhängendes Stück Eierstock. Es wäre
natürlich sehr angenehm, wenn man in solche Erscheinungen der ge-
legentlich oder normalerweise labilen Potenz eine Gesetzmäßigkeit
bringen könnte, etwa derart, daß es stets das homo- oder das hetero-
zygote Geschlecht ist, das dazu neigt. Das ist aber nicht der Fall: wenn
bei Blatta im Hoden Eier auftraten, ist es sicher das heterozygote
Geschlecht, wenn beim Seestern im Ovar Spermien gebildet wurden, ist
es wohl das homozygote Geschlecht. Dem entsprechen denn auch die
— 361 —
Verhältnisse aus dem Pflanzenreich. Wir werden noch auf die Tatsache
zurückzukommen haben, daß bei den Moosen mit der Sporenbildung
die Reduktionsteilung erfolgt, die also hier von der Geschlechtszellen-
vaS-- 4 ?!
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Fig. HS-
Schnitt durch den Eierstock eines Seesterns mit eingesprengtem Hodengewebe. Nach
Buchner.
bildung getrennt ist. Mit dieser Teilung vollzieht sich aber die Trennung
der Geschlechter, denn je eine der Tochterzellen liefert eine männliche,
je eine eine weibliche Geschlechtspflanze. Obwohl deren Geschlecht
— 362 —
nun fixiert ist, gibt es nach Strasburger doch viele Fälle, in denen
solche Geschlechtspflänzchen die Geschlechtsorgane des anderen Ge-
schlechts ausnahmsweise produzieren. Im Prinzip ist das natürlich das
gleiche, wie die soeben zitierten Fälle des akzidentellen Hermaphroditis-
mus, des Vorkommens von Eiern im Hoden und umgekehrt. Aus dem
Pflanzenreich sind auch mancherlei weitere entsprechende Fälle bekannt ;
so fand Strasburger, daß alternde weibliche Individuen von Mercu-
rialis annua vereinzelte männliche Blüten erzeugen können und um-
gekehrt männliche Individuen weibliche. In Staubfäden können sich
in abnormen Fällen weibliche Organe bilden (Nemec), in Samenanlagen
Pollen (Göbel).
Endlich gibt es sogar einen Fall, in dem sichtlich die Labilität der
Potenz und damit zusammenhängende vorübergehende Zwittrigkeit
zu dem normalen Entwicklungsgeschehen einer Tierform gehört.
Pflüger, R. Hertwig und seine Schüler Schmitt, Kuschake-
witsch und Witschi haben uns mit der absonderlichen Geschlechtsent-
wicklung der Frösche bekannt gemacht. Es zeigte sich dabei das eigen-
artige hochbedeutsame Resultat, daß in jungen Stadien, manchmal aber
auch bei längst metamorphosiertcn Tieren es sich verfolgen läßt, wie weib-
liche Geschlechtsdrüsen in ihrer Entwicklung stillstehen, die Eier degene-
rieren und sich an ihrer Stelle Hodengewebe ausbildet. Fig. 146 zeigt
einen Schnitt durch eine solche intermediäre Keimdrüse, in der außen
noch eine Eischicht erhalten ist. Die Potenz ist also in frühen Stadien
eine labile und erst in einem bestimmten Zeitpunkt kommt aus unbekann-
ten Ursachen das normale Epistaseverhältnis zustande. Wird die Ent-
scheidung schon sehr früh getroffen, dann entwickelt sich sogleich ein
typischer Hoden, wird sie erst später getroffen, dann entwickelt sich
zuerst eine intermediäre Drüse, deren Entwicklung sich in der Tat nach
Kuschakewitsch von der eines typischen Ovars unterscheidet, und
die Umstimmung zum Hoden, der Übergang vom labilen Gleichgewicht
zur männlichen Epistase ist zu beobachten. Wir werden auf diesen
wichtigen Fall zurückkommen müssen.
In all diesen Fällen war nun allerdings die Ursache unbekannt und
es lag noch kein zwingender Grund vor, eine Potenzverschiebung als
Ursache anzunehmen. In viel höherem Maße ist das dort der Fall, wo
— 363 —
wir tatsächlich etwas über die Ursachen der geschlechtlichen Umstim-
mung wissen. Noch sind es wenige Daten, die hier vorliegen, aber sie
erscheinen doch schon sehr bemerkenswert. Wir sind schon mehrfach
dem Smithschen Beispiel der parasitär kastrierten Krabbe Inachus
begegnet, die, wenn es ein <§ war, die sekundären Geschlechtscharaktere
des $ annahm. In diesem Falle ging nun die Umstimmung so weit,
Fig. 146.
Embryonale Keimdrüse von Rana esculenta während der Umwandlung zum Hoden-
Nach Kuschakew itsch.
daß auch an Stelle des Hodens sich ein Ovar entwickelte, woraus ja auf
männliche Heterozygotie geschlossen wurde. Hier war es also die un-
bekannte chemische Einwirkung von seiten des Parasiten, die den Potenz-
umschlag bedingte. Ein ganz analoges Beispiel aus dem Pflanzenreich
ist durch Strasburger bekannt geworden. Der Brandpilz Ustilago,
der die Lichtnelke Melandrium affiziert, veranlaßt bei den weiblichen
Exemplaren die Entwicklung von Staubgefäßen. Gerade dieser Fall ist
— 364 —
deshalb besonders beachtenswert, weil wie wir früher hörten, Coerrns
für die gleiche Pflanze zeigen konnte, daß beide Geschlechter die Anlage des
anderen vererben. Wenn also bei Inachus die Sacculina nur das Männ-
chen weiblich machen kann und bei Melandrium der Brandpilz nur das
WTeibchen männlich, so besagt das nicht, daß gerade dieses Geschlecht
nur heterozygot sei und deshalb das andere nur zum Vorschein kommen
könne, während in dem Geschlecht, in dem kein solcher Effekt eintritt,
er überhaupt nicht möglich sei. In beiden Fällen ist es eben so, daß der
betreffende Parasit nur den adäquaten Reiz liefert, der die genügende
Potenzverschiebung in einem Geschlecht leistet, im anderen aber ent-
weder nicht genügend oder nicht adäquat ist. Correns drückt dies
treffend so aus : ,, Ja ich glaube, man wird nicht einmal annehmen dürfen,
beim Inachus -Männchen und beim Melandrium -Weibchen sei das
Verhältnis des männlichen und weiblichen Anlagenkomplexes labiler als
beim entgegengesetzten Geschlecht, so wenig, wie wir annehmen dürften,
von zwei verschiedenen Schlössern sei das eine seiner Konstruktion nach
leichter zu öffnen als das andere, wenn wir nur zu einem den passenden
Schlüssel haben."
Als besonders bemerkenswert aber im Sinne der Potenzverschiebung
erscheint schließlich die folgende Tatsache. Wir haben schon mehrfach
meine Versuche mit Lymantria dispar erwähnt, bei denen Gynandro-
morphismus durch Kombination von Geschlechtsfaktoren, deren Potenz
nicht in der richtigen Relation stand, erzielt wurde. Es schien, als ob
die Geschlechtsdrüse selbst davon unberührt bliebe, also für die Fakto-
ren F und M andere Verhältnisse gelten als für G und A ; für die £, die
zuerst gynandromorph werden, trifft das zunächst auch zu, dagegen hat
jetzt mein Schüler Poppelbaum gefunden, daß in den Hoden von
männlichen Gynandromorphen Mengen von Eiern gebildet werden.
Und hier ist sicher das $ das homozygote Geschlecht, bei dem nun für
die primären Charaktere die adäquate Potenzverschiebung leichter eintrat
als beim $, während umgekehrt die sekundären Charaktere leichter
beim $ männlich wurden. Aber auch beim $ kann die gleiche Ver-
schiebung eintreten, wie wir in jüngster Zeit fanden: Werden in die
weibliche Formel durch Bastardierung Männlichkeitsfaktoren von be-
sonderer Stärke eingeführt, so gelingt es schließlich die Weib-
— 365 —
chen in Zwitter und endlich sogar in <$ zu verwandeln. Also
eine höchst beweisende Bestätigung der Gesamtanschauung !
In allen diesen Fällen also lag eine Umstimmung des Geschlechts vor,
eine wirkliche metagame Geschlechtsbestimmung, die sich als eine Ver-
schiebung in der relativen Potenz der Geschlechtsfaktoren deuten ließ.
Man könnte nun noch verlangen, daß auch wirkliche Beweise durch
Züchtung dafür erbracht wurden, daß in all diesen Fällen die betreffenden
abändernden Individuen wirklich ihre ursprüngliche Erbformel des Ge-
schlechts beibehalten haben und daß nur eine individuelle Modifikation
der Potenz die entgegengesetzten Charaktere hervorrief. Viel liegt da
bis jetzt noch nicht vor, aber die wenigen Daten sind bereits höchst be-
weisend. Treten an dem weiblichen Bingelkraut gelegentlich männliche
Blüten auf und werden die weiblichen mit diesen bestäubt, so sind die
Nachkommen alle weiblich, treten umgekehrt an der männlichen Pflanze
weibliche Blüten auf, so entstehen bei Selbstbestäubung nur Männchen
(Strasburger, Bitter, Correns) !
Gibt es nun auch Experimente, die in gleicher Richtung zu verwerten
sind? Soweit es sich um experimentelle metagame Geschlechtsbestim-
mung durch Umstimmung der Potenz handelt, liegt bis jetzt noch sehr
wenig vor. (Meine eigenen gerade zitierten Befunde bedeuten ja
eine syngame Bestimmung, da die veränderten Potenzverhältnisse ja
durch Faktorenkombination bei der Bastardbefruchtung erzielt
wurden.) R. Hertwig hatte schon lange mitgeteilt, daß ihm bei
Fröschen eine Geschlechtsverschiebung durch Temperatureinwirkung
gelungen ist. Da die Tragweite der Resultate oft angezweifelt wurde,
sind sie jetzt von seinem Schüler Witschi mit allen Kautelen wiederholt
worden. Auch Witschi fand, daß es je nach der Herkunft verschiedene
Rassen gibt, die auf die gleichen Bedingungen verschieden reagieren.
Die einen lieferten bei 21 ° kultiviert das normale Geschlechtsverhältnis,
wobei frühzeitig sich die beiden Geschlechter in definitiver Weise an-
legten. Erst der sehr starke Reiz einer Kultur bei 27 ° ließ noch nach
der Metamorphose einige $ sich in der schon geschilderten Art in $ um-
wandeln. Bei einer anderen Rasse — - andere Reaktionsnorm! — kam
ein normales Geschlechtsverhältnis zustande, wenn erst kalt, dann warm
kultiviert wurde, aber die g kamen durch Umwandlung aus einem
— 366 —
ursprünglich (vor der Metamorphose) neutralen Zustand zustande.
Wurde diese Rasse aber bei 20 ° kultiviert, so war das Resultat ausschließ-
lich $. Endlich konnten bei einer Rasse, die sich ebenso verhielt, durch
Hitze (27 °) ausschließlich <§ erzielt werden, die durch immer weiter fort-
schreitende Umwandlung von $ im Laufe der Kultur zustande
kamen.
Wir verstehen dies Resultat nun so. Es gibt Rassen, bei denen die
relative Potenz der Faktoren F und M stark verschieden ist. Diese
entwickeln sich gleich zu beiden Geschlechtern und eine Umstimmung
ist nur in geringem Maße durch starke Reize möglich. Bei anderen
Rassen ist dagegen die Potenz ziemlich labil und erst im Laufe der Ent-
wicklung treten die Faktoren in Kraft, die das normale relative Ver-
hältnis herstellen. Die Tiere von der Konstitution FFMm (bei weib-
licher Heterogametie) sind $, die FFMM aber erscheinen wegen der zu-
nächst nicht ausgesprochenen Epistase von M zunächst auch weiblich bzw.
indifferent. Bei Entwicklung unter den für die Rasse typischen Ver-
hältnissen, tritt dann im Laufe der Entwicklung die Stärkung von M
und damit die Umstimmung zu $ bei allen FF MM -Tieren ein. Man
könnte das, ohne daß der Vergleich gar zu wörtlich genommen werden
soll, mit dem Verhalten mancher sekundärer Geschlechtscharaktere ver-
gleichen, die zunächst in beiden Geschlechtern identisch sind und dann
erst unter dem Einfluß der Pubertät oder Brunst sich differenzieren.
Kommt eine solche Rasse nun unter Bedingungen des Experiments, so
kann eine bestimmte Temperatur entweder das Eintreten jener potenz-
regulierenden Einflüsse aufheben und dann erscheinen lauter $, von
denen aber 50% doch FFMM hießen, werden umgekehrt jene Einflüsse
sehr gestärkt, so kann die Potenzumstimmung soweit gehen, daß M
relativ so hochwertig wird, daß auch die richtigen § mit FFMm sich in $
umwandeln. Ein experimenteller Beweis für die Richtigkeit dieser
Auffassung könnte natürlich nur durch Nachzucht erhalten werden.
Es erscheint immerhin bemerkenswert, daß auch aus dem Pflanzenreich
vergleichbare Dinge vorliegen. Die Prothallien von vielen Farnen,
Schachtelhalmen und auch Moosen (richtiger ausgedrückt die Gameto-
phyten) sind hermaphrodit, d. h. sie können sowohl Antheridien wie
Archegonien ausbilden. Durch bestimmte Ernährungsverhältnisse läßt
— 367 —
sich aber das eine oder andere Geschlecht völlig unterdrücken (Prantl,
Klebs, Noll u. a.). Bei manchen Lebermoosen geht die Geschlechts-
trennung mit der Sporenbildung vor sich : Die Gametophyten sind männ-
lich oder weiblich. Durch eine Art von Regeneration unter Umgehung
der Sporen können der Faktorenbeschaffenheit nach hermaphrodite
Gametophyten erzeugt werden (Marchai), die dann zwittrig sind, aber
auch rein männliche oder weibliche Organe produzieren können. All
dieses scheint uns in der Tat Beweise für metagame Geschlechtsum-
wandlung durch Potenzverschiebung zu liefern.
Endlich sind in gleicher Richtung noch wichtige Zuchtversuche zu
verwerten, die es sich nicht zur Aufgabe machen, die relative Potenz der
Geschlechtsfaktoren nachträglich zu ändern, sondern die untersuchen,
in welcher Weise die Erscheinungen der Geschlechtsvererbung verlaufen,
wenn Formen miteinander gekreuzt werden, denen sichtlich eine verschie-
dene Potenz der Faktoren als Erbeigenschaft zukommt, also für die
primären Geschlechtscharaktere im Prinzip das gleiche, was wir oben
für die sekundären bei Lymantria dispar beschrieben. Sowie es
zweifellos innerhalb einer Tier- oder Pflanzenrasse erbliche Linien gibt,
die sich nur dadurch voneinander unterscheiden, daß ihre Erbfaktoren
in einer bestimmten Eigenschaft konstante Potenzdifferenzen zeigen, so
könnte das gleiche ja auch für die Potenz der Geschlechtsfaktoren ein-
treffen. Und das scheint in der Tat der Fall zu sein, wenigstens können
wir am besten so die Versuche von Correns und R. Hertwig begreifen.
Unsere eigenen neuen Befunde an Lymantria dispar, die auch hier-
her gehören, wurden schon in anderem Zusammenhang referiert.
R. Hertwig ging bei seinen Froschkulturen von früheren Befunden
aus, die ihn mit der merkwürdigen Erscheinung der geschlechtlichen In-
differenz bekannt gemacht hatten. Während in manchen Zuchten das
Geschlecht schon auf frühen Larvenstadien sehr deutlich ausgeprägt ist,
ist es in anderen bei schon lange metamorphosierten Tieren noch nicht
deutlich zu erkennen. Die ganze Gonade findet sich makroskopisch wie
mikroskopisch im Zustand einer gewissen Indifferenz, die bald mehr
nach der männlichen, bald mehr nach der weiblichen Seite hinneigt.
Es hatte sich nun gezeigt, daß Frösche von gewissen Lokalitäten beson-
ders zur Bildung der indifferenten Formen neigten. Hertwig ging nun
— 368 —
von folgender Überlegung aus: Wenn das Sperma verschiedene aber
typische geschlechtliche Tendenz hat, typisch bei jedem einzelnen In-
dividuum, so muß die geschlechtbedingende Einwirkung sich stets in
gleicher Richtung bewegen, wenn man Weibchen verschiedener Tendenz
mit dem gleichen Sperma befruchtet. Es zeigt sich nun, daß bestimmte
Männchen in starkem Maße das Auftreten von indifferenten Formen för-
dern, wenn sie mit verschiedenartigen Weibchen gepaart werden, die
von Lokalitäten stammen, die normale Geschlechtsentwicklung zeigen.
Wird dasselbe Sperma aber zu Eiern gegeben, die zur Bildung der In-
differenten neigen, so erscheint ein Überschuß an Weibchen. Es ver-
läuft also eine Reihe der Steigerung von <$ über Indifferente mit mehr
,^-Habitus, Indifferente, und Indifferente mit ^-Habitus zu Weibchen.
So war in einem Fall durch das Männchen das normale Verhältnis
der Geschlechter von i : i auf
i $ : 34 $ -Indifferente : 87 Indifferente : 43 ^-Indifferente : 70 <$
verschoben worden. Das gleiche $ erzeugte mit einem $ mit Neigung
zu Indifferenten, das bei Befruchtung mit dem zugehörigen <$ ergab
9 $ : 18 ^-Indifferente : 134 Indifferente : 12 ^-Indifferente : 7 g
ausschließlich 99 weibliche Tiere.
Das botanische Analogon zu diesen Versuchen bilden Correns' Zuch-
ten von Plantago lanceolata. Hier gibt es einmal rein weiblich
blühende Pflanzen, dann zwittrige und dazwischen alle Übergänge. Es
wurde nun einmal die gleiche weibliche Pflanze mit verschiedenen Pollen
bestäubt, sodann umgekehrt mehrere Eipüanzen mit dem gleichen
Pollen. Es zeigte sich nun, daß die Zusammensetzung der Nachkom-
menschaft sowohl von der Eipflanze wie von der Pollenpflanze abhing.
Der Prozentsatz der Zwitter ist bei gleichem Bestäuber für die ver-
schiedenen Eipflanzen typisch verschieden und umgekehrt. Je inten-
siver dabei die geschlechtliche Tendenz einer Eipflanze ist, um so ge-
ringer die Wirkung des Pollens. Das dem vorher zitierten Hertwig-
schen ganz analoge Resultat geht aus der folgenden Tabelle für einen
Fall hervor: I, II, III sind drei verschiedene Eipflanzen, die mit den
zweierlei Pollen a und b bestäubt folgende Prozentzahlen an Weibchen,
Zwischenstufen und Zwittern liefern:
— 369
Pollen.
a
b
Zwitter
Zwischenstufe
Weibchen
Zwitter
Zwischenstufe
Weibchen
-
I
II
III
2,8
7,6
89,9
0
97
Eier
7-7
18,4
73,8
i,7
17.2
81
23,6
57,9
18,5
i,5
39,7
58,S
Im Prinzip müssen wohl beide Fälle die gleiche Grundlage haben.
Im Hertwigschen Falle geht die Verschiebung von den Zwischenstufen
zu den Männchen, im Corrensschen zu den Weibchen. Sie kann in
beiden Fällen nur dadurch bedingt sein, daß die gekreuzten Individuen
Rassen mit verschiedenartiger durchschnittlicher Potenz der Faktoren
F und M angehörten. Je nachdem stark verschiedene oder gegeneinander
ausgeglichene Faktoren bei der Befruchtung — im ersteren Falle inner-
halb der Männchenformel, in letzterem innerhalb der Weibchenformel — zu-
sammenkamen, entstanden mehr oder weniger zahlreiche Zwischenformen.
Doch damit wollen wir diesen Punkt verlassen; es kann ja wohl keinem
Zweifel unterliegen, daß eine Geschlechtsverschiebung durch Bewirkung
der relativen Potenz der Faktoren möglich ist und es handelt sich nur noch
darum, den adäquaten Reiz experimentell in die Hand zu bekommen.
Wir kommen nunmehr zu dem zweiten Punkt, zur Frage ob und wie
weit es möglich ist, eine Geschlechtsbestimmung durch Einwirkung auf
die „übergeordneten Faktoren" zu erzielen, also den normalen Mecha-
nismus der Geschlechtsvererbung in bestimmte Bahnen zu lenken.
Oder konkreter ausgedrückt, bei weiblicher Heterogame die Reife-
teilungen des Eies so zu beeinflussen, daß nur Eier mit bzw. ohne X-Chro-
mosom gebildet werden, bei männlicher so, daß eine bestimmte Sorte
von Spermien nicht zur Befruchtung kommt, bei Parthenogenese so,
daß durch Zugrundegehen eines X-Chromosoms die weibliche Faktoren-
konstitution in die männliche umgewandelt wird. Der gegebene Weg,
hier weiter zu kommen, ist natürlich der, zunächst darüber Klarheit zu
erhalten, unter welchen Bedingungen, äußeren wie inneren, in der Natur
der Mechanismus in Gang gesetzt wird, und die Objekte können daher
nur solche sein, bei denen irgendein besonderer Geschlechtsbestim-
mungsmechanismus vorliegt.
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl.
24
— 370 —
Im Tierreich wie im Pflanzenreich bieten sich da zunächst die Fälle
dar, in denen sich eine Beziehung zwischen Geschlechtsbestimmung und
parthenogenetischer oder zweigeschlechtiger Fortpflanzung einerseits,
reduzierter oder nicht reduzierter (haploider und diploider) Chromo-
somenzahl andererseits zeigt. Als Typus aus dem Tierreich kann der
Fall der Honigbiene gelten. Wie bekanntlich Dzierzon zuerst lehrte
und auch durch die genaue zytologische Untersuchung durchaus be-
stätigt wurde, entwickeln sich aus parthenogenetischen Eiern mit
der haploiden Chromosomenzahl stets <$, aus befruchteten diploiden
stets $. Da bei der Samenentwicklung die Hälfte der Spermien zugrunde
geht, kann man sich vorstellen, daß dies die männchenbestimmenden
sind. Warum aber ohne Befruchtung dann stets <$ entstehen, bleibt
durchaus unverständlich. In anderen Fällen ist ein solcher Modus noch
mit einem Wechsel zwischen Parthenogenese und Zweigeschlechtigkeit
verknüpft. Bei der Gallwespe Neuroterus verhält es sich nach Don-
caster folgendermaßen: Befruchtete Eier überwintern und aus ihnen
schlüpfen Wespen aus, die sich parthenogenetisch vermehren, und zwar
legen manche Weibchen nur Eier, aus denen sich wieder Weibchen
entwickeln, andere nur solche, aus denen Männchen entstehen. Das
befruchtete Ei ist dann das gleiche, von dem wir ausgingen. Nun enthal-
ten die Weibchen des Frühjahrs, die aus befruchteten Eiern hervorgehen,
natürlich die diploide Chromosomenzahl 20 in ihren Zellen, die partheno-
genetisch erzeugten Sommerweibchen ebenfalls, die Männchen dagegen
nur die haploide Zahl 10. Es findet also bei der Reifung der partheno-
genetischen Eier bei solchen, die Weibchen liefern, eine Reduktion nicht
statt, wohl aber bei solchen, die Männchen liefern. Man kann also an-
nehmen, daß die Weibcheneier nur weibliche Determinanten besitzen,
die Männcheneier aber beiderlei, von denen dann bei der Reifeteilung
die weiblichen entfernt werden. Diese Verschiedenheit der beiden Eiarten
muß nun natürlich in einer Verschiedenheit der beiderlei Mütter begrün-
det sein. Diese entstehen aber aus befruchteten Eiern des gleichen
Weibchens, also muß dieses mit zweierlei Spermatozoen befruchtet sein.
Wenn diese auch nicht direkt klar nachgewiesen wurden, so kann ihre
Existenz doch aus einem Punkt erschlossen werden. Es ist eine überaus
merkwürdige Tatsache, daß bei der männlichen Biene, wo aus befruch-
— 371 —
teten Eiern nur Weibchen entstehen, ebenso wie bei den Aphiden, nur
die eine von den Zellen, die bei einer Reifeteilung entstehen, erhalten
bleibt, die andere zugrunde geht. Bei anderen Hymenopteren und so
auch bei Neuro terus werden aber zwei funktionsfähige Spermien ge-
bildet. Man kann also annehmen, daß die einen, wenn sie zur Befruch-
tung kommen, thelytoke (also weibchenproduzierende) Weibchen be-
stimmen, die anderen arrhenotoke, männcheneierlegende Weibchen.
Doncaster erklärt den Fall nun durch die Annahme, daß die Männ-
chen einen Männchenbestimmer enthalten, der also etwa dem A'-Chro-
mosom entspricht und mit $ bezeichnet sei, und ihn erhält die Hälfte
der Spermatozoen, die also auch <§ heißen, die andere Hälfte nicht, was
mit O ausgedrückt sei. Die Sommerweibchen, die befruchtungsfähige
Eier legen, sollen alle den Weiblichkeitsfaktor $ enthalten. Aus der
Befruchtung entstehen dann parthenogenetische Weibchen, die teils
$ 3, teils $ 0 heißen. Die Eier ersterer erleiden dann eine Reifeteilung,
wobei der Weibchenfaktor entfernt wird, und es entstehen <$, die letzteren
machen keine Reifeteilung durch und produzieren so Weibchen. In
deren befruchtungsbedürftigen Eiern bleiben aber dann bei der Reife-
teilung nur die Faktoren $ zurück, womit wir wieder am Ausgangspunkt
angelangt sind.
Wir brauchen diese Erklärung nicht weiter zu diskutieren; sicher ist
eines klar, daß wir in diesen und anderen ähnlich liegenden Fällen über
das Wesen der geschlechtsbestimmenden übergeordneten Faktoren nichts
wissen und daher auch an Versuche, sie zu beherrschen, zunächst noch
nicht denken können. Noch größere Schwierigkeiten bereiten dem Ver-
ständnis die analogen Daten aus dem Pflanzenreich, obwohl dort die
Objekte dem Experiment viel leichter zugängig sind. Bekanntlich findet
sich bei den Pflanzen ein Generationswechsel zwischen diploider und
haploider Generation. Der diploide Sporophyt erzeugt ungeschlechtlich
durch Sporen den haploiden Gametophyten, der die Geschlechtszellen
bildet. Die Reduktion findet bei der Sporenbildung statt durch zwei
Teilungen, die da, wo Sporen wirklich ausgebildet werden, zur Sporen-
tetrade führen. Nun gibt es Fälle bei diözischen Moosen, wo mit der
Reduktionsteilung über das Geschlecht entschieden ist, also 2 Zellen
der Sporentetrade weibliche, 2 männliche Gametophyten liefern (Stras-
24*
— 372 —
burger, E. und E. Marchai). Experimentell lassen sich hier auch
diploide Gametophyten ziehen und diese sind zwittrig, können aber
auch männlich oder weiblich sein. Letzteres ist ja nicht so unverständ-
lich, da uns ja schon öfters Fälle begegnet sind, wo bei zwittriger
Faktorenkonstitution, das eine oder andere Geschlecht durch Potenz-
verschiebung hervorgerufen werden kann. Nun sind aber bei anderen
Pflanzen, z. B. Farnen, die haploiden Individuen unter Umständen
auch zwittrig, bei anderen steht das Geschlecht der aus den Sporen
keimenden Gametophyten schon vor den Reifeteilungen fest (Makro-
und Mikrospuren) und damit ist die Fülle der Möglichkeiten noch
nicht erschöpft. Man kann also wohl ahnen, daß hier etwas im Grund
ähnliches wie bei den genannten Fällen aus dem Tierreich vorliegen
mag, von .einem Verständnis sind wir aber noch weit entfernt.
Nun gibt es aber noch im Tierreich Objekte, die durch ihre äußeren
Charaktere dem Experiment besonders günstige Verhältnisse darbieten,
und die denn auch bedeutungsvolle Ergebnisse in bezug auf unsere
Frage gezeitigt haben, Ergebnisse, die in der Tat einiges Licht auf das
Eingreifen der übergeordneten Faktoren in den Geschlechtsbestim-
mungsmechanismus werfen und bis zu einem gewissen Grade sie auch
in die Hand des Experimentators gebracht haben.
Das Vorhandensein übergeordneter Faktoren wurde ja oben aus den
Verhältnissen solcher Formen abgeleitet, die auf parthenogenetischem
Wege beide Geschlechter erzeugen können und dies, wie z.B. bei Phyllo-
xera feststeht, durch eine Regulation der Verteilung der Geschlechts-
chromosomen bei der Reifeteilung erzielen. Daraus folgt von selbst, daß
man hoffen muß, durch das Studium der Geschlechtsverhältnisse der-
artiger zyklischer Formen noch einen Schritt weiter kommen zu können.
So erhalten die Versuche, die Ursachen der Generationszyklen aufzuklären,
eine ganz besondere Bedeutung für das gesamte Geschlechtsproblem;
ihrer Betrachtung wollen wir uns darum, an diesem Punkte angelangt,
zuwenden.
Im Tierreich sind es vor allem drei Gruppen von Formen, deren
Generationszyklus experimentell erforscht wurde, die Rotatorien,
Daphniden und Aphiden. Im Prinzip verläuft bei allen der Zyklus in
gleicher Weise, wenn wir von Detailverschiedenheiten absehen, nämlich
— 373 —
so, daß parthenogenetische Weibchen ein Zeitlang immer wieder ihres-
gleichen erzeugen, bis mit einem Male auf gleichem Wege Männchen und
Weibchen gebildet werden. Aus deren Befruchtung nehmen wieder
parthenogenetische Weibchen ihren Ursprung, die den Zyklus von
neuem beginnen. Die parthenogenetisch erzeugten, meist zarten Eier
werden Sommereier genannt, die mit besonderen Schutzvorrichtungen
ausgestatteten und hartschaligen befruchteten Eier sind die Dauer-
oder Wintereier. Im großen ganzen haben die Experimente an diesen
Organismen jetzt zu übereinstimmenden Resultaten geführt, so daß
wir hier nur für eine Gruppe eine genauere Darstellung geben wollen
und uns für die beiden anderen kurz fassen können. Wir wählen dazu
die Daphniden, für die das meiste Material vorliegt und die ja auch die
dem Experiment günstigsten Objekte darstellen.
A. Weis mann war der erste, der die große Bedeutung des Gegen-
standes klar erkannte und durch genaues biologisches Studium der
Generationszyklen der Daphnien wie durch Versuche, sie experimentell
zu beeinflussen, die Grundlagen für unsere gesamten Kenntnisse des
Gegenstandes legte. Er fand zunächst, daß die Generationszyklen der
einzelnen Formen ziemlich verschieden sind. Bei manchen Arten findet
nur einmal im Jahre typisch die Bildung der Dauereier statt, sie sind
monozyklisch; andere zeigen einige bis viele aufeinanderfolgende Pe-
rioden geschlechtlicher und parthenogenetische!" Vermehrung, sie sind
polyzyklisch. Wieder andere, die azyklischen Alien, scheinen die Fähig-
keit, Geschlechtsformen zu bilden, ganz verloren zu haben, sie vermehren
sich dauernd parthenogenetisch. Die Bildung der befruchtungsbe-
dürftigen Wintereier und der Männchen ist ein identischer Vorgang,
das Eintreten des Zustandes der Sexualität ; denn erstere sind nicht
etwa Sommereier, die durch die Befruchtung zu Wintereiern werden,
sondern sind auf besondere Weise gebildete Eier, die befruchtungs-
bedürftig sind und ohne Befruchtung zugrunde gehen. Nur jene Ver-
änderungen, welche die definitive Ausbildung des Wintereies mit allen
seinen Schutzvorrichtungen bedingen, sind von der Befruchtung ab-
hängig.
Weis mann fand nun als Regel, die die weiteren faunistischen
Studien auch bestätigten, daß die monozyklischen Arten sich in großen
— 374 —
Seen finden mit ihren wenig bedeutenden Schwankungen der Lebens-
verhältnisse, deren wichtigste nur das Zufrieren im Winter darstellt. In
kleinen Becken aber, die ebenso leicht im Sommer austrocknen wie im
Winter zufrieren, leben die polyzyklischen Arten, bei denen somit
nahezu immer Dauereier zur Verfügung stehen, die schlechte Perioden
überleben können. Gemäß der Gesamtrichtung seiner Anschauungen
zog somit Weis mann den Schluß, daß der Generationszyklus eine
Anpassungserscheinung an die äußeren Lebensbedingungen sei, die
durch die natürliche Zuchtwahl erblich fixiert ist. Die ganze Erschei-
nung ist somit nur phylogenetisch zu verstehen und muß von den Fak-
toren der Außenwelt, die früher die Selektion bewirkt haben, jetzt un-
abhängig sein. Einige Experimente, die er ausführte, ließen ihn dann
auch ebensowenig wie die Beobachtungen in der Natur irgendeinen
derartigen Einfluß erkennen.
Den Anstoß zur Neubetrachtung des Problems gaben vor allem
R. Hertwigs Untersuchungen über die geschlechtsbestimmenden Ur-
sachen. Sie hatten ihn auf den Gedanken geführt, daß das Wesen der
Geschlechtlichkeit in zellulären Vorgängen zu sehen sei, nämlich Massen-
beziehungen zwischen Kern und Protoplasma. Da diese, wie sicher
feststeht, durch äußere Faktoren, vor allem die Temperatur, beein-
flußbar sind, so gehen seine und seiner Schüler Studien vor allem darauf
aus, durch experimentelle Verschiebung jenes Faktors die Geschlecht-
lichkeit zu beeinflussen. In der Tat glaubte Issako witsch, durch
Temperatureinflüsse, nämlich Kälte, die Sexualität herbeigeführt zu
haben. Es sind also in der Hauptsache äußere Faktoren, die das Auf-
treten der Geschlechtstiere bewirken. Dem wurde vor allem von Weis-
manns Schülern Keilhack, Strohl, Kuttner widersprochen, ohne
daß sie eine weitere Klärung der Frage bringen konnten. Erst in der
jüngsten Zeit scheint sich die Streitfrage im wesentlichen entschieden
zu haben und zwar durch die Bemühungen von Wolter eck und seinem
Schüler v. Scharf fenberg einerseits, McClendon und Papanikolau
andererseits.
Wir haben bereits bei Besprechung der Wirkung äußerer Faktoren
auf die Variabilität Wolterecks Studien über den Einfluß der Assi-
milationstätigkeit auf die Kopfhöhe der Daphnien besprochen. An
— 375 —
sie schließen sich die Untersuchungen über unser Problem direkt an,
indem sie die Sexualität, also die Neigung, Geschlechtstiere — Weib-
chen mit befruchtungsbedürftigen Eiern und Männchen — zu bilden,
in gleicher Weise als variable Eigenschaft betrachten, wie jene Helm-
größe, deren Ausfall durch das Zusammenwirken einer unanalysier-
baren inneren Potenz mit den Außenfaktoren bedingt wird. Wenn sich
auch im Detail die verschiedenen Arten und Rassen verschieden ver-
halten, so ist im wesentlichen folgende Gesetzmäßigkeit festzustellen:
Die Sexualität, also die innere Neigung Geschlechtstiere zu bilden, ist in
der ersten parthenogenetischen Generation sozusagen gleich Null. In-
folgedessen können auch äußere Faktoren keinerlei Wirkung ausüben. Mit
allen weiteren parthenogenetischen Generationen steigt aber die Sexua-
lität. Der äußere Faktor, der die Sexualität fördert, ist schlechte
Ernährung (indirekt auch wohl Kälte), während umgekehrt sehr reich-
liche Ernährung die Sexualität unterdrückt. Je höher nun in den
weiteren parthenogenetischen Generationen die innere Neigung zur
Sexualität steigt, um so kräftiger muß man die entgegengesetzte Ein-
wirkung der Außenfaktoren dosieren, um die Parthenogenese noch zu
erhalten, bis schließlich die Sexualität obligatorisch wird und nichts
mehr sie aufhält. Die Bildung der Geschlechtstiere beruht also auf
zwei Faktoren, die sich gegenseitig die Wage halten, der inneren Ge-
schlechtspotenz und der Einwirkung äußerer Faktoren.
Zu diesen Befunden Wolterecks ist durch Scharffenberg und
Papanikolau eine wichtige Ergänzung hinzugekommen. Ein jedes
parthenogenetische Weibchen erzeugt ja nicht nur einen Wurf von
Jungen, sondern deren viele. Es zeigt sich nun, daß die Tendenz zur
Sexualität mit jedem einzelnen Wurf steigt. Ein später Wurf der
ersten parthenogenetischen Generation hat bereits eine starke sexuelle
Tendenz, so daß sogar in normalen Verhältnissen hier bereits Geschlechts-
tiere auftreten können. Mit der Zahl der Generationen tritt diese Stei-
gerung der Tendenz in immer früheren Würfen auf, so daß diese Tendenz
zur Sexualität also proportional ist der Zahl der parthenogenetischen
Generationen wie der Zahl der Geburten. Die folgende Tabelle über das
Verhalten einer Normalkultur von Simocephalus illustriert dies. Die
vertikalen Reihen beziehen sich auf die Zahl der Geburten eines Weib-
376 —
chens, die horizontalen geben die parthenogenetischen Generationen
wieder, der Ausgangspunkt ist ein Dauerei. O bedeutet partheno-
genetische Weibchen, O sind Männchen, O sind Weibchen mit be-
3eburten
1
2
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Fig. 147. Darstellung des Zyklus einer Daphnie. Nach Papanikolau.
fruchtungsbedürftigen Eiern (Ephippialweibchen), 0 sind nicht weiter
auf ihre Geschlechtlichkeit geprüft, # bedeutet degenerierte Tiere, die
stets den Schluß der Brüten und Zyklen bilden. Das Gesagte geht aus
dieser Tabelle ohne weiteres hervor (Fig. 147).
— 377 —
Natürlich folgt aus diesen Befunden, daß die Möglichkeit, auf die
Fortpflanzungsweise einen Einfluß in der Richtung des Anhaltens der
Parthenogenesis auszuüben, der Zahl der Würfe wie Generationen um-
gekehrt proportional ist. Tiere der ersten Würfe der ersten Generation
können durch hohe Temperatur oder noch besser durch reiche Ernäh-
rung in unbegrenzter parthenogenetischer Fortpflanzung erhalten
werden. Woltereck züchtet eine solche Kultur jetzt schon seit Jahren
parthenogenetisch. In mittleren Generationen und Brüten fällt „der
Kampf" zwischen der inneren Tendenz und der äußeren Bewirkung bald
zugunsten der Sexualität, bald zugunsten der Parthenogenese aus, und
in den letzten Generationen wie Brüten ist es nicht oder nur in geringem
Maße möglich, die Sexualität aufzuhalten. Zu diesem Hauptbild kom-
men dann noch eine Anzahl Einzelzüge hinzu, wie etwa, daß eine Ein-
wirkung der Außenfaktoren auch eintreten kann, die sich erst an der
Enkelgeneration äußert (Wolterecks Präinduktion), Züge, die aber
wohl nichts prinzipiell verändern.
Wenn wir versuchen, diese Tatsachen für unser Problem zu ver-
werten, so ist zunächst ein Punkt aus der Diskussion auszuschalten:
Das verschiedene Verhalten der azyklischen, monozyklischen, dizykli-
schen Formen. Woltereck sagt ganz richtig, daß dies eben die ver-
schiedene ererbte Reaktionsnorm ist, die auf dem Vorhandensein spezi-
fischer Gene beruht und daß sich darin die Eigenschaft Sexualität nicht
anders verhält als eine andere somatische Eigenschaft. Für unsere Frage
ist aber die folgende Tatsache entscheidend: der Mechanismus, der
es bedingt, daß parthenogenetische £, befruchtungsbedürftige £ oder <$
erzeugt werden, ist durch innere physiologische wie durch äußere Fak-
toren beeinflußbar. Man kann dies einmal so deuten, daß hier eine
geschlechtliche Tendenz von der Einwirkung getroffen wird, etwa
der Art, daß es einer Verschiebung der Potenz von Erbfaktoren
gleichkäme, und das ist wohl im wesentlichen trotz ganz anders-
artiger Ausdrucksweise Wolterecks Auffassung. Oder aber wir sind
überzeugt, daß der Geschlechtsvererbungsmechanismus auch hier in
typischer Weise an einen Chromosomenmechanismus gebunden ist, und
dann liegt hier die experimentelle Beeinflussung der übergeordneten
Faktoren vor, die den Mechanismus in bestimmter Weise laufen
— 378 —
lassen. Welcher Art diese Faktoren sind, geht daraus allerdings nicht
hervor. Dem modernen Geist der Forschung entspricht es wohl am
meisten, an Vorgänge chemisch-physiologischer Natur zu denken, deren
Verknüpfung mit der Änderung morphologischer Prozesse so schön
in Weinlands Entdeckung sichtbar ist, daß der Zeitpunkt der Insekten-
metamorphose zusammenfällt mit einem Übergang von einem Am-
moniak- zu einem Harnsäurestoffwechsel. Andeutungen in dieser Rich-
tung sind vielleicht aus einem Befund Papanikolaus zu entnehmen,
daß nämlich die Eier der Moina annähernd parallel der steigenden Ten-
denz zur Sexualität einen Wechsel in der Färbung der Dotterkügelchen
durchmachen. Auch ist zu bemerken, daß nach Woltereck Infektion
der Daphnien mit Mikrosporidien, also eine parasitäre Beeinflussung des
Stoffwechsels, in bestimmter Art auf die Sexualität wirkt und daß
nach Papanikolaus Befunden mit der Veränderung der Sexualität
auch ein physiologischer Charakter der Körperzellen, die Kernplasma-
relation sich ändert. Doch sind wir damit zunächst an der Grenze
der Tatsachenforschung angelangt.
Wir sagten bereits früher, daß sich im großen ganzen die Ergebnisse,
die über den Generationswechsel der Aphiden und Rädertiere erzielt
wurden, in gleicher Richtung bewegen; wir können ihre Besprechung
daher kurz fassen. Bei den Rotatorien ist das klassische Versuchs-
objekt Hydatina senta, deren Lebenszyklus auch aus einem Wechsel
parthenogenetischer und befruchtungsbedürftiger Individuen besteht.
Erstere legen Sommereier, letztere hartschalige Dauereier. Der Unter-
schied gegenüber den Daphniden besteht im wesentlichen darin, daß
die befruchtungsbedürftigen Weibchen die gleichen Tiere sind, die die
Männchen produzieren. Ein und dasselbe Weibchen bildet entweder
nur Weibcheneier oder »Sexualeier«. Die letzteren sind aber
eine Sorte von Eiern, die nach den übereinstimmenden Resultaten von
Maupas, Lauterborn, Whitney, Shull, unbefruchtet nur Männ-
chen liefern, wenn das Weibchen rechtzeitig befruchtet ist, aber Winter-
eier ergeben, aus denen dann wieder nur Weibchen schlüpfen. Die
beiden Arten von Weibchen, die man Weibchengebärer und Männchen-
gebärer nennt, sind also die parthenogenetischen und die sexuellen Tiere,
welch letztere je nach der Nichtbefruchtung oder Befruchtung Männchen
— 379 —
oder weibliche Dauereier liefern. Wie bei der Biene geben also befruch-
tete Eier (von den befruchtungsfähigen Q erzeugt) nur Weibchen, un-
befruchtete bei den rein parthenogenetischen Müttern (den befruch-
tungsunfähigen Weibchengebäre rn) ebenfalls nur Weibchen, bei den
sexuellen Müttern (auch Männchengebärer genannt) nur Männchen. Die
Frage nach der Ursache des Übergangs von tier parthenogenetischen
zur zweigeschlechtigen Fortpflanzung ist also hier identisch mit der Frage
nach dem Auftreten der Männchengebärer.
Auch hier stehen sich zwei Anschauungen gegenüber: die, daß aus-
schließlich innere Ursachen, ein ererbter Zyklus maßgebend seien (Lau-
terborn, Whitney), und die, daß Einwirkung äußerer Bedingungen
eine beliebige Verschiebung hervorruf t (Maupas, Nußbaum). Während
Maupas die Temperatur verantwortlich macht, läßt Nußbaum hin-
gegen nur die Nahrungsmenge gelten. Jedenfalls sind beide überzeugt,
und Maupas vor allem gibt zahlreiche Versuche dafür an, daß man
durch die Wirkung von Außenfaktoren ein und dasselbe Weibchen ver-
anlassen kann, bald Eier zu legen, aus denen sich parthenogenetische £ ,
ausschließlich oder fast ausschließlich, entwickeln, bald aber Eier, die
sexuelle &> liefern. Im Prinzip zum gleichen Schluß kommt auch
der letzte Untersucher Shull, nur daß er Nahrung und Temperatur
ausschließlich als indirekte Faktoren gelten läßt, als direkte dagegen
unbekannte im Wasser gelöste Substanzen annimmt, die gemeinsam
mit inneren Faktoren wirken, sie paralysierend oder mehr oder weniger
beeinflussend. Alles in allem hat es also den Anschein, als ob auch hier
bei den Rotatorien unbekannte innere Faktoren im Wettstreit mit
äußeren die Zyklen bedingen. Mehr anhangsweise sei wenigstens kurz
erwähnt, daß von seifen Punnetts der Versuch gemacht wurde, die
Grundlagen einer mendelistischen Interpretation des Zyklus zu finden,
indem er glaubte, bestimmte „Geschlechtslinien" von Weibchen isolieren
zu können, die ausschließlich eine bestimmte Art von Eiern produzieren,
parthenogenetisch-weibliche, geschlechtlich-männliche und gemischte
Linien. Kein anderer Beobachter konnte aber solches bestätigen;
Shull konnte sogar Tiere von verschiedenen Fundorten (reine Linien)
von typisch verschiedener Sexualität, gemessen nach der Zahl der
Männchengebärer durch äußere Faktoren zur Produktion jeder anderen
— 380 —
Zahl bringen; es wird auch dadurch unwahrscheinlich, daß bei den
Aphiden, deren Zyklus doch wohl im Prinzip ähnlich bedingt sein muß,
das gleiche Weibchen die sämtlichen Eiarten produzieren kann. Die
Sachlage ist also wohl so, wie auch die neuen Studien von Whitney
zeigen, daß es einmal Rassen verschiedener Reaktionsnorm gibt, wie
auch bei Daphniden, daß aber innerhalb einer Rasse die Sexualität,
d. h. also die übergeordneten Faktoren durch Außenbedingungen be-
einflußt und in diese oder jene Richtung gelenkt werden können. Trotz
mancher Differenzen im einzelnen, die wir nicht näher betrachten wollen,
scheint also doch das gleiche wie bei den Daphnien vorzuliegen.
Was schließlich den Generationswechsel der Aphiden betrifft, so
ist er wohl der komplizierteste von allen, vor allem auch dadurch, daß
er einer Unzahl von speziellen Modifikationen unterworfen ist. Das
prinzipielle Problem ist aber das gleiche wie bei Daphnien und Rota-
torien. Es besteht ein Wechsel zwischen parthenogenetischen und
geschlechtlichen Generationen und zwar können, wenn die Sexualitäts-
periode beginnt, entweder ein und dieselben Weibchen parthenogene-
tisch Geschlechtsweibchen und Männchen erzeugen, oder aber es gibt
getrennte Männchengebärer und Weibchengebärer; das befruchtete Ei
ist wieder das Winterei. Diese einfachen Grundzüge des Zyklus werden
nur dadurch kompliziert, daß die parthenogenetischen Generationen in
verschiedenen typischen Formen auftreten, daß sie verschiedene Lebens-
weise führen, daß parthenogenetische und Geschlechtstiere auf ver-
schiedenen Futterpflanzen leben, Dinge, die biologisch und vor allem
morphogenetisch von der größten Bedeutung sind. Trotz zahlreicher
wichtiger Studien konnten aber bei den Aphiden die Ursachen des
Übergangs von parthenogenetischer zu geschlechtlicher Fortpflanzung
noch nicht so klargestellt werden, wie bei den Daphniden. Es steht aber
einmal fest, daß für die Zyklen ebenso wie dort einmal ein unbekannter
innerer Faktor in Betracht kommt. Sodann steht fest, daß äußere Ur-
sachen den Zyklus zu beeinflussen vermögen und zwar ist es wieder
Temperatur und Nahrung. Durch hohe Temperatur können manche
Blattläuse in dauernder Parthenogenese erhalten werden; es scheint,
daß Formen, die bei typischem Wechsel nicht auf die Futterpflanze der
Geschlechtsgeneration übergehen, letztere auch nicht bilden, ferner
— 381 —
scheint es, daß zur Zeit der Sexualitätsperiode, also in späteren partheno-
genetischen Generationen, ebenso wie bei den Daphnien der Kampf
zwischen inneren und äußeren Faktoren sich leichter zugunsten der
ersteren entscheidet. Die jüngsten Untersuchungen von Klodnitski
lassen sogar die inneren Ursachen noch mehr in den Vordergrund treten.
Bei vorsichtiger Wertung der vorliegenden Befunde scheint es somit,
daß die Ursachen, die den Übergang von der parthenogenetischen zur
zweigeschlechtigen Fortpflanzung bedingen, im wesentlichen die gleichen
sein werden wie bei den Daphniden.
Wir haben bisher öfters von den äußeren Faktoren gesprochen, ohne
uns auf weitere Erörterungen über ihr Wesen einzulassen. Gerade die
Art dieser Faktoren hat aber bei der Diskussion des Geschlechtsproblems
immer eine große Rolle gespielt. Die einen Autoren suchen stets die
letzten Ursachen in Temperaturdifferenzen, wie Maupas für Rotatorien,
Hertwig für alle von ihm studierten Objekte, andere Autoren glauben
hingegen als wesentlichen Faktor die Ernährung, die Assimilations-
energie sehen zu müssen, auf die dann erst indirekt die Temperatur
einwirken kann, wie Woltereck für die Daphniden, Nußbaum für
alle von ihm studierten Objekte; wieder andere endlich sehen die eigent-
liche Ursache in chemischen Veränderungen des Mediums, hervorgerufen
durch Anhäufung von Exkretprodukten der Tiere oder Zerfallsstoffe der
Nahrung, wie es Langhans für die Daphnien und Shull für die Rota-
torien will. Es ist wohl nicht nötig, in diese Diskussion einzutreten; es
handelt sich ja in allen Fällen darum, daß im Organismus etwas vor-
handen ist, das auf Reize von seiten der Außenfaktoren reagiert. Diese
Reaktionsfähigkeit hat eine ganz bestimmte Wirkung, nämlich zui
Sexualität hin. Erinnern wir uns nun an die früher besprochenen Tat-
sachen über den Einfluß äußerer Faktoren auf die Färbungsvariabilität
der Schmetterlinge. Auch da sehen wir eine bestimmt gerichtete Varia-
tionsmöglichkeit, z. B. vom Albinismus zum Melanismus; bei Anwen-
dung äußerer Faktoren zeigte sich aber, daß von einer gewissen Inten-
sität an jede Art von Reiz die gleiche Reaktion auslöste, die Reaktion
war orthogenetisch, bestimmt gerichtet, nicht spezifisch nach der Reiz-
art abgestuft. Es ist sehr wohl möglich, daß hier genau das gleiche vor-
liegt: die verschiedensten Arten von Reizen können genau den gleichen
— 382 —
Effekt haben, der sich in einer Beeinflussung der übergeordneten Faktoren
in der Richtung Parthenogenese — Sexualität bewegt, vorausgesetzt, daß
sie die für jede Art von Bewirkung wohl quantitativ verschiedene Reiz-
schwelle überschreiten.
Die Möglichkeit eines richtenden Eingriffs in den Geschlechtsver-
erbungsmechanismus ist also in diesen Fällen zweifellos gegeben, wenn
sein Erfolg auch mehr oder minder von einem ererbten Zustande des
Objekts, seiner Reaktionsnorm, abhängig ist. Wenn nun der Erfolg
wirklich erzielt wurde, so ist daraus zu schließen, daß es im Prinzip auch
im gewöhnlichen Falle der Geschlechtsvererbung möglich sein muß rich-
tend in den Ablauf des Prozesses einzugreifen. Vor allem dann, wenn
das Weibchen heterozygot ist, so daß durch eine Beeinflussung der Eier
die Reifeteilung so gerichtet werden könnte, daß die Eier nur ein Ge-
schlecht zu liefern vermöchten, also etwa nur das männliche, falls stets
das X-Chromosom in den Richtungskörper gelangte.
Bis jetzt liegen da aber nur zwei erfolgreiche Versuchsreihen vor,
die beide von R. Hertwig und seinen Schülern stammen, v. Malsen
suchte durch Einwirkung von Außenfaktoren die Produktion der Weib-
chen- und Männcheneier von Dinophilus zu beeinflussen. Als solche
dienten, wie bei allen derartigen Versuchen, Temperatur- und Nahrungs-
differenzen, also Faktoren, die den Stoffwechsel herabsetzen oder be-
fördern. Es zeigte sich in der Tat, daß die Zahl der beiden Eiarten
in einem Gelege beträchtlich von solchen Faktoren abhängt. Während
in der als Normalkultur betrachteten Zucht bei etwa 19 ° das Verhältnis
der Männcheneier zu den Weibcheneiern 1 : 2,4 betrug, stieg es bei
13 ° auf 1 : 3,5 und sank bei 26 ° auf 1 : 1,7. Hunger wirkte aber bei
normaler Temperatur genau wie erhöhte Temperatur bei normaler Er-
nährung. Wie weit allerdings diese Resultate in unserem Sinne beweisend
sind, läßt sich im Augenblick nicht mit Sicherheit sagen, um so mehr als
auch die morphologischen Grundlagen des Falles neuerdings durch
Shearer eine so eigenartige Darstellung erfahren haben, daß eine erneute
Klärung nötig erscheint.
Die zweite Versuchsreihe arbeitet nicht mit Temperatur oder Er-
nährung, sondern mit einer Verschiebung eines inneren Gleichgewichts-
zustandes der Eier, die sich in ihrer wesentlichen Grundlage nur schwer
— 383 —
fassen läßt. Schon Thury hatte die Vermutung ausgesprochen, daß
der Reifezustand des Eies geschlechtsbestimmend wirken könne und
Pflüger suchte in Experimenten am Froschei den Beweis dafür zu er-
bringen. Den Zustand der Überreife erzielte er dadurch, daß er brünstige
Weibchen trennte und sie so zwang, ihre Eier über die Normalzeit im
Uterus zu halten. Wurden solche überreife Eier aber befruchtet, so
ergaben sie einen höheren Prozentsatz an Männchen. Ganz entspre-
chende Untersuchungen führte nun R. Hertwig, von bestimmten
theoretischen Überlegungen über die zellulären Grundlagen der Ge-
schlechtsbestimmung ausgehend, in systematischer Weise aus. Dabei
gelang es ihm in der Tat, regelmäßig bei Befruchtung überreifer Eier
einen besonders hohen Prozentsatz an Männchen zu erzielen. In zwei
Versuchen, in denen zwischen der ersten normalen Befruchtung und
der letzten Befruchtung künstlich zurückgehaltener Eier 54 bzw. 64
Stunden lagen, war das Geschlechtsverhältnis der aus ersteren Eiern
gezogenen Tiere 89 $ : 99 <$, das aber aus der Befruchtung der über-
reifen Eier 24 $ : 177 <$. Noch eklatanter ist das Resultat, das Ku-
schakewitsch bei Wiederholung des gleichen Versuchs erhielt. In
einem Experiment war das Ergebnis der Normalkultur 53 $ : 58 <$;
die Eier des gleichen Weibchens, die 89 Stunden künstlich zurück-
gehalten waren, lieferten 299 $ und gar kein Weibchen (neben einem
bilateralen Hermaphroditen). Das Ergebnis ist auch dadurch besonders
einwandfrei, daß bei den beiden Kulturen die Sterblichkeit nur 6 bzw.
4% betragen hatte. Aus jüngster Zeit stammt ein neuer Versuch R.
Hertwigs, der bei der ersten, normalen Befruchtung 185 $ : 164 $
ergab, während die letzte Befruchtung der überreifen Eier nach 94 Stun-
den ausschließlich 271 $ lieferte. Hertwig faßt nun in der Tat auch
diesen Erfolg so auf, daß die Überreife einen richtenden Einfluß auf die
Reifeteilungen ausübt, wie wir das eingangs postulierten.
Ein dritter Versuch, der von Russo stammt, wäre besonders bedeu-
tungsvoll, wenn er sich bestätigte, da hier direkt die möglichen physio-
logisch chemischen Grundlagen der progamen Verschiebung im Ei
betroffen würden. Er will durch Verabreichung von Lecithin an Kanin-
chen eine besonders reiche Ansammlung von deutoplasmatischem Ma-
terial im Ei und darauffolgenden Überschuß an Weibchengeburten
— 384 —
erzielt haben. Von verschiedenen Seiten ausgeführte Nachprüfungen
konnten aber nicht das gleiche Resultat zeitigen. Theoretisch ist der
Erfolg auch deshalb unwahrscheinlich, weil bei den Säugetieren das
weibliche Geschlecht das homogametische ist.
Mehr anhangsweise seien schließlich noch ein paar Worte über eine
Frage zugefügt, die zwar nicht mit der Geschlechtsvererbung zusammen-
hängt, aber doch für das Problem der Sexualität als solche bedeutungs-
voll ist, der Frage der Beziehung von ungeschlechtlicher zu geschlecht -
licher Fortpflanzung; denn hier, sollte man annehmen, muß sich das
Wesen der Sexualität am klarsten erkennen lassen. Vor allem aber muß
hier die letzte Wurzel der Gesamtfrage am ehesten berührt werden, die
zelluläre Grundlage, da ja eines der Objekte, die einen derartigen echten
Generationswechsel zeigen, die Einzelligen sind. Die Infusorien unter
ihnen und der Süßwasserpolyp Hydra sind denn auch auf tierischem
Gebiet die Hauptobjekte aller Versuche, in den Gegenstand einzudringen,
während im Pflanzenreich in erster Linie die Algen zu nennen sind.
Hydra vermehrt sich bekanntlich durch Knospen, die, wenn genügend
groß, sich ablösen und ihrerseits neue Individuen durch Knospung bilden,
so daß bei guter Ernährung leicht aus einem Ausgangstier in kurzer Zeit
tausende von Individuen erhalten werden können. Von Zeit zu Zeit
tritt aber eine Geschlechtsperiode ein, indem die Tiere Hoden oder Eier
oder beides zur Ausbildung bringen. Der Übergang von der ungeschlecht-
lichen Fortpflanzung zur geschlechtlichen muß nun äußere oder innere
Ursachen haben. Sämtliche darüber angestellten Untersuchungen, vor
allem die von Nußbaum einerseits, R. Hertwig und seinen Schülern
Krapfenbauer, Frischholz, Koch andererseits, führen zum Resultat,
daß äußere Faktoren die Geschlechtsbildung hervorrufen, nämlich nach
Nußbaum die Ernährung, nach Hertwig die Temperatur. Im Ex-
periment gelingt es durch längere Einwirkung von hoher oder niederer
Temperatur (es verhalten sich darin die beiden wichtigsten Spezies ver-
schieden) jederzeit die Bildung von Geschlechtstieren auszulösen,
ebenso durch die entgegengesetzte Bewirkung dauernde ungeschlecht-
liche Vermehrung zu erhalten. Die betreffenden Tiere aber sind ent-
weder monözisch oder diözisch, so daß stets nur die eine Art von Gona-
den auftritt oder die andere, oder beide zugleich ; ein und dasselbe Tier
— 385 —
kann bei der monözischen Form in mehreren Geschlechtsperioden hinter-
einander die gleichen Gonaden ausbilden. Es geht daraus hervor, daß
die Lösung des Problems nicht die Frage der zweigeschlechtlichen
Differenzierung betrifft, wie die bisher besprochenen Tatsachen. Es
liegt vielmehr ein neues Problem vor, die Frage, was die Bildung von
Geschlechtszellen verursacht, und welches die Beziehungen zwischen
Wachstum (das ist ja das Wesen der ungeschlechtlichen Vermehrung)
und Geschlecht sind. Das bedeutungsvolle Problem liegt aber mehr
außerhalb des eigentlichen Rahmens der Vererbungswissenschaft, es
gehört der Zellphysiologie an. Und das gilt im gleichen Maße ebenso von
den Untersuchungen an Algen, bei welchen die für die Fortpflanzungspro-
zesse als Reiz wirkenden Außenfaktoren von Klebs so eingehend ana-
lysiert wurden, wie auch von den Untersuchungen über die Geschlechts-
perioden der Infusorien, die ebenfalls vor allem von R. Hertwig und
seiner Schule ausgeführt wurden. Auch hier dreht sich die Diskussion in
der Hauptsache um die Wirkung der inneren Faktoren zellphysiologischer
Natur oder der Außenfaktoren wie Nahrung, Temperatur, Exkret-
stoffe. Es steht fest, daß die ungeschlechtliche Vermehrung der Infu-
sorien durch Teilung nach einiger Zeit unter normalen Bedingungen
zu einem Absinken der Teilungsfähigkeit führt, einer Depression (Cal-
kins), die nach Hertwig durch Veränderung der Kernplasmarelation
bedingt ist, und die dann zum Eintritt der geschlechtlichen Fortpflan-
zung, der Konjugation führt. Es kann diese Depression aber auch durch
einen inneren Autoregulationsvorgang, ferner durch Einführung von
Reizmitteln, und endlich durch äußerst wechselnde Kulturbedingungen
überwunden werden. Auf solche Weise erhielt Woodruff Paramaecien
mehr als 3400 Generationen lang über fast 4 Jahre hinweg in dauernder
ungeschlechtlicher Fortpflanzung. Es ist klar, daß solche Studien für
die Erkenntnis des Wesens der Geschlechtlichkeit überhaupt von größter
Bedeutung sind, besonders wenn sie wie hier das Problem direkt an
seiner zellphysiologischen Wurzel anfassen. Da aber auch die Zwei-
geschlechtigkeit schon hier auf der niedersten Stufe des Organismenreichs
auftritt, wird vielleicht auch einmal das Geschlechtsbestimmungsproblem
von da aus seine Lösung erfahren. Doch dazu liegen bisher nur die
ersten Ansätze vor.
Go ld s chmid t, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 25
— 386 —
Damit können wir die Betrachtung des Problems der Geschlechts-
vererbung und Geschlechtsbestimmung abschließen. Wenn auch noch
vieles zu erforschen ist, so steht doch wohl jetzt eines fest, daß die ver-
einigten Erfolge des zytologischen wie des experimentellen Studiums
die großen Richtlinien zu seiner Lösung festgestellt und die so ver-
wickelte und so viel diskutierte Frage nunmehr zu der hoffnungsvoll-
sten der ganzen Vererbungslehre gemacht haben.
Neunzehnte Vorlesung.
Pfropfbastarde und Chimären.
Am Schluß unserer gedrängten Übersicht über die Hauptergebnisse
der modernen Bastardlehre angelangt, bleibt uns noch ein Problem zur
Besprechung übrig, das in der Neuzeit besonders lebhaft diskutiert
wurde : die Frage nach der Möglichkeit, auf vegetativem Wege Bastarde
zu erzeugen. Im Tier- wie im Pflanzenreich gelingt es ja bekanntlich,
Teile verschiedenartiger Individuen miteinander zu einer Einheit zu
verbinden, indem sie mit künstlich gesetzten Wundflächen aufeinander
geheilt werden. Im Tierreich nennt man das Verfahren meist Trans-
plantation, besonders wenn nur kleine Gewebs- oder Organteile des
einen Individuums dem anderen einverleibt werden, im Pflanzenreich
ist diese vegetative Vereinigung als Okulierung und Pfropfung allgemein
bekannt. Die Frage ist nun die, ob bei einer derartigen Vereinigung
von Individuen verschiedener Art oder Rasse die Gewebe dauernd ge-
trennt nebeneinander bestehen bleiben, ob sie sich zu einem Bastard-
gewebe vereinigen können oder ob vielleicht durch eine der Befruch-
tung vergleichbare vegetative Zellverschmelzung der Ausgangspunkt für
eine Bastardentwicklung gegeben werden kann. Für das Tierreich können
wir uns in bezug auf diese Frage sehr kurz fassen: bis jetzt ist nichts
bekannt geworden, was auch nur entfernt auf eine der beiden letz-
teren Möglichkeiten hindeuten könnte. Bei Vereinigung artfremder Tier-
stücke können wohl Doppelwesen entstehen, in denen aber stets die
beiderlei Bestandteile deutlich getrennt bleiben. Nebenstehende Figg. 148
387
und 149 zeigen solche Doppelwesen verschiedener Froscharten, in denen
sich aber die Bestandteile, im Beispiel durch die Pigmentierung der Haut,
deutlich abgrenzen lassen. Es ist allerdings noch nicht gelungen,
solche Tiere zur Geschlechtsreife heranzuziehen ; auch auf dem Wege der
Regeneration, der für das Pflanzenreich, wie wir gleich sehen werden,
Fig. 148.
Künstlicher Doppelfrosch aus vorn Rana pipiens, hinten R. palustris. Links als Kaul-
quappe, rechts als Frosch. Nach Harrison.
so bedeutungsvolle Ergebnisse zeitigte, konnte nichts erzielt werden.
Wurde einer der erwähnten sehr jungen Doppellarven in der Art wie es
umstehende Fig. 150 zeigt, ein Stück des Muttertieres und des Pfropf-
stücks gleichzeitig abgeschnitten, so regenerierte von der Wundfläche her
ein neuer Schwanz. An dem Regenerat aber beteiligten sich in gleicher
25*
388
Weise die beiderlei Gewebe, ohne sich dabei irgendwie zu einer Einheit,
einem Bastardgewebe zu vereinigen.
Wenn es überhaupt nun möglich sein sollte, auf vegetativem Wege Ba-
starde zu erzeugen, so ist es zweifellos weit eher im Pflanzenreich als im
Tierreich zu erwarten. Denn wir werden in einer der nächsten Vor-
lesungen hören, daß bei den Pflanzen der für das Tierreich so cha-
rakteristische Gegensatz zwischen Soma und Geschlechtszellen nicht
besteht, so daß man von vornherein die Möglichkeit nicht bestreiten
kann, daß zwei vege-
tative Gewebezellen
sich so miteinander
vereinigen, daß ein
demBefruchtungspro-
zeß entsprechendes
Resultat zustande
käme. Wenn dieser
Nachweis allerdings
gelänge, so wäre er in
seinen weiteren Fol-
gerungen für die ganze
Bef ruchtungs- und Ba-
stardierungslehre von
elementarer Bedeu-
tung. Die Idee nun,
daß es vegetativ, also
durch Pfropfung er-
zeugte Bastarde,
Pfropfbastarde, geben könne, ist oft diskutiert worden und sie hat ihren
Ausgang stets von drei gleich berühmten Fällen genommen, die ihre Er-
klärung am besten auf solchem Wege finden sollten. Der erste ist der Fall
des Goldregens Cytisus Adami. Er entstand im Jahre 1825 in Adams
Garten in der Nähe von Paris und zwar im Anschluß an eine Pfropfung
von Cytisus purpureus auf Cytisus laburnum. Seine von Adam mit-
geteilte Entstehungsgeschichte, die ihn auf die gleiche Stufe wie alle
anderen sogenannten Pfropfbastarde stellt, wurde vielfach angezweifelt.
Fig. 149.
Zusammengesetzte Embryonen; vorne Rana sylvatica, hinten
R, palustris, in verschiedenen Altersstadien. Nach H a r r is on.
389 —
Jetzt ist aber nach allem was wir wissen, kein Grund mehr vorhanden
daran zu zweifeln, obwohl der Ursprungsbaum verloren gegangen
ist. Er konnte aber seitdem weder neugebildet noch auch auf dem
Wege echter Bastardierung erhalten werden. Er stellt in seinen Charak-
teren eine Mischung zwischen den beiden Stammpflanzen dar. Häufig
aber erfolgt ein Rückschlag auf eine der beiden Formen, so daß ein und
derselbe Baum Blütentrauben des gelben, des purpurnen Goldregens und
der Mischform tragen kann.
Der zweite vielbesprochene Fall ist der des Crataegomespilus von
Bronvaux, von dessen erster Entstehung ebenfalls nichts Näheres be-
kannt ist. ,,In dem Dardarschen Garten zu Bronvaux bei Metz steht
ein etwa ioojähriger Mispelbaum, dessen Krone auf einen Weißdorn-
Fig. 150.
A Larve von Rana sylvatica mit aufgepfropftem Schwanz von R. palustris. B Larve
von R. palustris mit Schwanz von R. sylvatica. a — a ist die Schnittlinie. Nach
Moreran aus Korscheit.
s '
stamm veredelt worden ist. Unmittelbar unter dem Pfröpfling, aus
der Verbindungsstelle von Edelreis und Unterlage, brachen nun dicht
nebeneinander zwei Ästchen hervor, die, wiewohl untereinander sehr
verschieden, doch beide Zwischenformen der zwei vereinigten Gattungen
Crataegus und Mespilus (bzw. der Arten Mespilus germanica und Mespilus
monogyna) repräsentierten. Der eine Zweig kommt in seinem Habitus
mehr auf die Mispel heraus, der andere gleicht mehr dem Weißdorn"
(Noll). Gegenüber von diesen beiden Zweigen wuchs dann noch ein
dritter, der sich zunächst kaum von einem gewöhnlichen Weißdorn
unterschied, später aber ganz dem einen Bastardzweig ähnlich wurde.
Es handelt sich also um bastardartige Formen verschiedener Mischung.
An einem der Zweige bildete sich dann einmal ein Mispeltrieb, dann ein
Trieb, der zur Hälfte reine Mispel, zur Hälfte reiner Weißdorn war. Also
390
auch hier die völligen Rückschläge. Dieser Baum existiert noch, seine
Entstehungsgeschichte ist somit um vieles klarer als beim vorigen Fall.
Der dritte merkwürdige und zugleich am längsten bekannte Fall,
der eine Entstehung auf dem Wege der vegetativen Bastardierung
möglich erscheinen läßt, ist der Fall der Bizzarria. Es sind das Pflanzen,
die in sehr verschiedener Weise die Charaktere mehrerer Citrusarten
vereinigen, also Pomeranze, Zitrone, Zedrate, Limette. In ihren Blät-
tern zeigen sie teils reine Pomeranzen-,
Apfelsinen - oder Zedratencharaktere,
teils ein Gemisch von ihnen. Das gleiche
gilt für die Blüten und in der absonder-
lichsten Weise für die Früchte. Neben
reinen Pomeranzen oder Zedraten trägt
der gleiche Baum Früchte, die aus beiden
W zusammengesetzt sind. Einzelne sind
Fig. 151.
Bizzarria mit abwechselnd Zitronen-
und Orangencharakter aus Engler.
Pomeranzen in Gestalt von Zitronen,
andere haben die Rinde ersterer, das
Fruchtfleisch letzterer. Andere zeigen 4
gleichmäßige über Kreuz verteilte Por-
tionen, von denen ein Paar orangefarbig
ist und der Pomeranze angehört, ein Paar
gelb ist und eine Zitrone (bzw. Zedrate)
darstellt. Eine solche Frucht gleicht
dann vom Scheitel gesehen „einem bun-
ten Kinderball" (Strasburger), wie
Fig. 151 auch zeigt. Es soll aber auch solche Bizzarrien geben, die
aus drei, vier und fünf Arten zusammengesetzt sind. Wie an solchen
Bäumen reine Früchte und Blüten einer Art entstehen können, so bilden
sich auch etwa Zedratenknospen in der Achsel eines Orangeblattes und
umgekehrt,
Die Geschichte dieser absonderlichen Pflanzen ist nun nach Pen zig
und Strasburger die folgende. Sie entstanden zuerst nachweisbar in
Florenz im Jahre 1644, obwohl sie vielleicht vorher auch schon ander-
wärts entstanden waren; ein Gärtner behauptete sie durch Vereinigung
mehrerer Knospen erzielt zu haben. Es stellte sich aber dann heraus,
— 391 —
daß sie ganz selbständig entstanden waren und zwar auf einer Pflanze,
die zunächst als Unterlage für Veredelung gedient hatte, deren Edel-
A, B, C Schematische Darstellung verschiedener Arten von Pfropfung mit den zu-
gehörigen Querschnitten der Pfropfungsstellen in der Richtung der Pfeile ; punktiert
das Reis, unpunktiert die Unterlage, A Kopulation, B Keilpfropfung, C Sattelpfropfung,
D Chimäre; unten der Tomatenmuttersproß mit dem eingesetzten Nachtschattenkeil
(Nachtschattengewebe punktiert). E Blatt des Nachtschattens (Solanum nigrum),
G Blatt der Tomate (S. lycopersicum), F Chimärenblatt. Nach Winkler aus Lang.
reis dann aber abgestorben war, worauf die Bizzarria hervorwuchs. Das
deutet also auf eine pfropfhybride Entstehung hin. Von vielen Seiten
— 392 —
wurde aber dieser Annahme widersprochen und ein Ursprung als echter
Bastard angenommen. Jetzt läßt sich, wie wir bald sehen werden, die
wahrscheinliche Erklärung in ganz anderer Weise geben.
Die Frage der Entstehung derartiger Pfropfbastarde trat nun in ein
neues Stadium, als Winkler das Problem experimentell in Angriff
nahm und in der Tomate Solanum lycopersicum und dem Nacht-
schatten Solanum nigrum Objekte fand, die bessere Antwort zu
geben geeignet erschienen. Er pfropfte mittels Keilschnitt einen To-
matenkeimling einen Nachtschattensproß ein (Fig. 152) und schnitt
dann, wenn das Reis der Unterlage aufgewachsen war, mitten durch
das gemischte Gewebe durch, so daß im Querschnitt nun die Gewebs-
teile beider Arten frei lagen, und rief dann aus dieser Wunde Adven-
tivsprosse hervor, die später abgeschnitten, bewurzelt und allein
weitergezüchtet wurden. Neben reinen Tomaten- und reinen Nacht-
schattentrieben erhielt er dabei auch solche, die Gewebe von beiden
Arten enthielten, aber normal gemeinsam wuchsen und dann Blätter
bildeten, die zur Hälfte Tomatenblätter, zur anderen Hälfte Nacht-
schattenblätter waren. Ein solches Doppelwesen wurde Chimäre ge-
nannt, und sie erschienen mehrfach in verschiedenem Ausbildungsgrad
(Fig. 152). Nach vielen Versuchen trat nun aber auch ein Sproß auf,
der völlig einheitlich erschien und in seinen Charakteren, besonders
der Blattform, deutlich die Mitte zwischen Tomate und Nachtschatten
hielt: in diesem Sproß, der als Solanum tubingense weitervermehrt
wurde, glaubte Winkler den ersten experimentell erzeugten Pfropf-
bastard erzielt zu haben. Sein Typus geht aus Fig. 153, im Vergleich
mit den Stammpflanzen, Figg. 154, 155, hervor. In weiteren Versuchen
traten aber dann auch andere derartige Formen auf. So entstand einmal
eine Chimäre, die zur Hälfte Nachtschatten war, zur Hälfte ein neuer
Pfropfbastard, S. proteus, der mehr der Tomate ähnelte. Ein anderer,
S. Darwinianum, entstand nur als ein Blatt mit seinem Stengelanteil
und konnte aus seiner Achselknospe vermehrt werden. Und in ähn-
licher Weise wurden noch weitere Zwischenf 01 men gebildet, die sich
bald mehr dem Nachtschatten, bald mehr der Tomate näherten, wie
S. koelreuterianum und gaertnerianum.
Damit schien die Existenz der Pfropfbastarde experimentell erwiesen
393
zu sein. Sollte der Beweis aber jeder Kritik standhalten, mußte das
weitere Verhalten dieser Formen natürlich den Anforderungen entspre-
chen, die man nach dem Stand
unserer Kenntnisse an einen
Bastard stellen muß. Und da
ergaben sich bald Schwierig-
keiten. Zunächst treten an
den Pfropf bastar den vegetative
Rückschläge auf, das heißt, es
bildeten sich auf vegetativem
Wege Sprossen, die ganz nach
dem einen der Eltern zurück-
schlugen. Einen Beweis gegen
die Bastardnatur stellen sie
allerdings noch nicht dar, da
auch sonst an pflanzlichen Ba-
starden gelegentlich solche ve-
getativen Rückschläge oder
vegetativen Spaltungen vor-
kommen. Das Hauptinteresse
richtet sich nun aber auf die
Nachkommenschaft der Pf ropf -
bastar de. Wenn sie solche sind,
so stellen sie natürlich die Fx-
Generation dar; F2 muß also
entweder konstant weiter züch-
ten, was bei Artbastarden ja
denkbar ist, oder eine Spal-
tung zeigen. Winkler fand
aber, daß F2 ausschließlich aus
Pflanzen der einen Stammart
Fig. i
DJ-
Solanum tubingense nach Winkler.
Fig. 154-
Solanum nigrum nach W i n k 1 e r.
bestand, und zwar aus der, der der betreffende Bastard näher stand.
F2 von S. tubingense gab also ausschließlich Nachtschattennachkommen-
schaft, die in allen weiteren gezüchteten Generationen rein blieb, und
das entsprechende traf auch für die anderen Pfropfhybride zu.
394
Nun wäre es natürlich wünschenswert, den Vergleich mit Bastarden
anzustellen, die auf dem Wege normaler Kreuzbefruchtung gewonnen
sind. Dies erwies sich aber als unmöglich, da sich die beiden verwandten
Arten ebensowenig bastardieren ließen, wie die Arten, denen der
früher besprochene Cytisus Adami entstammte. Natürlich muß auch
diese Tatsache stutzig machen. Und nun bleibt nur noch eine ent-
scheidende Kontrolle übrig, die Untersuchung der Zellverhältnisse. Wir
haben in der einleiten-
den Vorlesung erfah-
ren, daß eine jede Tier-
und Pflanzenart eine
konstante Chromoso-
menzahl besitzt, die
vor der Befruchtung
auf die Hälfte redu-
ziert wird. Werden
nun Organismen mit
verschiedenerChrom
somenzahlbastardiert,
so vereinigen sich die
beiden verschiedenen
Halbzahlen und diese
Bastardzahl bleibt
konstant im Hybriden
erhalten. Kreuzt sich
zum Beispiel eine As-
carisvarietät mit der
Normalzahl von 4 Chromosomen (bivalens) mit einer solchen mit
nur 2 Chromosomen (univalens), so findet man in den Bastard-
zellen 3 Chromosomen (Boveri). (Andersartige Verhältnisse bei Art-
bastarden, die Federley neuerdings aufdeckte, brauchen hier nicht
weiter berücksichtigt zu werden.) Nun haben Tomate und Nacht-
schatten in der Tat sehr verschiedene Chromosomenzahlen, nämlich
erstere 24, letztere 72. Im Bastard sind somit 48 zu erwarten; da es aber
nicht unwahrscheinlich ist, daß bei einem vegetativ erzeugten Bastard
Fig- 155- Solanum lycopersicum nach Winkler.
— 395 —
die für die Geschlechtszellen typische Halbierung der Chromosomen-
zahl, die Reduktion, nicht stattfindet, so könnte dort auch eine ein-
fache Addition vorliegen, es müßten also 96 Chromosomen ge-
funden werden. An und für sich ist eine vegetative Kern- und Zell-
verschmelzung ja nicht unwahrscheinlich, da sie in beiden Organismen-
reichen sowohl beobachtet wie experimentell erzielt ist. Die von
Winkler durchgeführte Untersuchung ergab aber, daß die Keim-
zellen der Pfropfbastarde entweder die Nachtschattenzahl oder die
Tomatenzahl enthielten. Und zwar war es, wie nach den Resultaten
von F2 zu erwarten ist, die Zahl der Elternpflanze, der der sog. Bastard
näher stand und die er auch rein reproduzierte. (Eine gleich zu nen-
nende Ausnahme ist vorhanden.) Und nun bleibt nur noch eine Mög-
lichkeit, die Bastardnatur der Pflanzen zu erweisen. Es konnten auf
unerklärliche Weise vielleicht die Geschlechtszellen nur die eine Chromo-
somenart erhalten; dann müßte man aber in den gewöhnlichen vegeta-
tiven Zellen der Pflanzen die Bastardzahlen finden. Aber auch das
war nicht der Fall. Und damit war durch Winklers hervorragende
Untersuchungen selbst die Pfropfbastardnatur seiner Pflanzen wider-
legt worden.
Was sind nun aber dann diese merkwürdigen Gebilde? Baur, der
gleichzeitig mit Winkler über den gleichen Gegenstand experimen-
tierte, vermochte die wahrscheinliche Lösung zu geben. Sie ergibt sich
aus seinen interessanten Befunden über Periklinalchimären. Wir haben
oben bereits Winklers Chimären kennen gelernt, die die enge Ver-
wachsung von Tomaten- und Nachtschattenteilen zu einer Einheit
darstellten. Hier waren aber die beiden heterogenen Anteile neben-
einander angeordnet. Unter Periklinalchimäre versteht aber Baur
das Durcheinanderwachsen zweier verschiedener Arten in der Form,
daß das Gewebe der einen Art das der anderen vollständig einhüllt, also
gewissermaßen das eine der Hand, das andere dem Handschuh zu ver-
gleichen ist. Oder mit anderen WTorten, bei einer Periklinalchimäre
steckt ein Blatt, ein Stengel, ein Vegetationspunkt einer Pflanze in der
Haut der anderen, wie es das Schema Fig. 156 illustriert. Die Peri-
klinalchimären sind aber nichts als eine Abart der gewöhnlichen Chi-
mären, die die beiden Bestandteile nebeneinander zeigen. Wenn an
396 —
dem Vegetationspunkt einer künstlich erzeugten Chimäre die beiderlei
Gewebe zusammenstoßen und sich an dieser Stelle ein Blatt bildet,
dann kommt ein solches Nebeneinander, eine Sektorialchimäre, zu-
stande. Die Periklinalchimären konnte nun Baur in folgender Weise
herstellen. Er benutzte die allbekannten Pelargoniu märten, die
in grünen und weißblättrigen Formen vorkommen. Letztere können
sich aber nicht allein ernähren und gedeihen daher nur, wenn man sie
auf einer grünblättrigen Pflanze wachsen läßt. Und aus solchen
Doppelpflanzen vermochte Baur
ähnliche Chimären mit grünweißen
Blättern zu erzielen, wie sie Winkler
bei Solanum erhalten hatte, also
Sektorialchimären mit den verschie-
denen Anteilen grüner und weißer
Blätter. Wenn nun an dem Vege-
tationspunkt solcher Chimären grüne
und weiße Gewebspartien aneinander-
stoßen, kann es wohl vorkommen,
daß das weiße Gewebe sich außen
ein wenig über das grüne hinüber-
schiebt, so daß an einer solchen Stelle
unter einer weißen Außenlage eine
grüne Innenlage sich findet, wie es
Fi°r. i ?6.
c , .. , ^ , , ' ... , , , Fig. 157 darstellt. Wächst nun hier
Schematischer Durchschnitt durch den ö u/
Vegetationspunkt einer Periklinalchimäre ein Blatt aus, SO ist eine Pei'iklinal-
aus einer schwarzen und einer weißen . .
Art. Nach Baur. chimäre entstanden mit außen weißen
Zellagen und innen grünen Schichten.
Ein solches Blatt sieht dann aus, wie es Fig. 158 (links) zeigt, grün
mit weißem Rand. Würde man einen Querschnitt hindurch legen,
so erhielte man im Groben das Bild von Fig. 159«, die im Ver-
gleich mit dem normalen Blatt b die äußere weiße Hülle zeigt, und
das genaue mikroskopische Bild von Fig. 160 a zeigt dann die farb-
lose äußere Pallisadenparenchymschicht unter der Epidermis, die
beim gewöhnlichen Blatt (b) natürlich grün ist. Solche Periklinal-
chimären wurden mit nur der Epidermis der weißen Pflanze, mit 2, 3
397
und mehr äußeren Zellschichten wie in noch komplizierterer Form
erzeugt.
Wie verhalten sich solche Periklinalchimären nun zu Winklers
Pfropfbastarden? Die Beziehung ergab sich Baur vor allem aus dem
Verhalten der Nachkommenschaft dieser Pflanzen. Es ist eine Tat-
sache, daß die Geschlechtszellen der Blütenpflanzen aus der ersten unter
der Hautschicht liegenden Zellage des Vegetationskegels ihren Ursprung
nehmen. Ist diese Schicht bei einer solchen Periklinalchimäre der
weißen Pflanze angehörig, so kann von ihr aus also auch nur Samen
weißer Beschaffenheit ge-
bildet werden, umgekehrt,
wenn diese Schicht grün
ist, nur grüner Samen, und
das war auch in der Tat
der Fall. Nun haben wir
schon die von Winkler
festgestellte Tatsache er-
fahren, daß die Nachkom-
men seiner Pfropfbastarde
stets nur dem einen Elter
entsprechen, dem auch der
Fig. 157.
Habitus des Bastards mehr Schematischer Durchschnitt durch den Vegetations-
glich. Wenn die vermeint- keSel ?ine' weißgriinen Chimäre, _ die oben links ge-
0 eignet ist, den Ausgangspunkt für eine Feriklinalcaimare
liehen Pfropf bastarde aber zu liefern. Nach Baur.
Periklinalchimären sind,
dann ist dieses Verhalten nicht nur auf das einfachste erklärt, sondern muß
sogar postuliert werden. Der Nachweis, daß diese Annahme richtig ist,
kann nun nach dem was wir früher hörten, auf einfache Weise geführt
werden: da die Chromosomenzahlen der beiden Stammarten so sehr
verschieden sind, so muß ja leicht festzustellen sein, ob in den äußeren
Zellschichten die eine, in den inneren die andere Zahl sich findet. Und
das ist denn in der Tat, wie Winkler feststellte, der Fall: Der ver-
meintliche Pfropfbastard Solanum tubingense ist wirklich eine Peri-
klinalchimäre mit einer Tomatenzellschicht außen, die das innere Nacht-
schattengewebe umschließt.
398
Aber auch für den Crataegomespilus wie den Cytisus Adami konnte
Baur das gleiche feststellen, nachdem schon früher ihre anatomische
Untersuchung die Zu-
sammensetzung aus
den getrennten Ge-
weben der beiden Mut-
terpflanzen erwiesen
hatte. Ersterer ergab
bei der Fortpflanzung
reine Crataegussäm-
linge, es ist also zu
erwarten, daß die sup-
epidermale Zellschicht
dem Weißdorn ange-
hört. In der Tat
zeigte sich bei mikro-
Links Periklmalchimärenblatt von Pelargomum mit weißem
Rand, rechts ein solches, das zeigt, wie die Haut der einen skopischer UnteiSU-
Pflanze für das übrige Blatt^ewebe der anderen zu eng; ist. . ,_..._.
Nach Baur. chung, daß die Epi-
dermis eine typische
Mispelhaut, das innere aber Weißdorngewebe ist. Und mit dem Cy-
tisus Adami ist es nicht anders: er ist ein Laburnum vulgare mit der
Fig. 158.
Fig. 159-
Schematischer Querschnitt durch den Blattrand, a einer grün-weißen Periklinalchimäre,
b eines normalen sjrünen Blattes nach Baur.
Haut eines Cytisus purpureus, wie schon Macfarlane ahnte und Buder
bewies. Der Bizzarrien braucht wohl nun gar keine Erwähnung mehr
getan zu werden, sie erweisen sich ohne weiteres als einfache Sektorial-
399
Chimären. Noch fehlt diesen Folgerungen ein Schlußstein: die künst-
liche Erzeugung dieser Chimären auf einem durch solche Interpretation
vorgezeichneten Weg. So wenig ihre erste Entstehung bekannt ist, so
wenig ist das bisher gelungen. Doch sprechen nunmehr alle Tatsachen
so sehr für Baurs Lösung des Problems, daß man wohl sagen darf,
daß es nur eine Frage der Zeit ist, daß auch jener letzte Stein zugefügt
wird.
Fig. 160.
Die in Fig. 159 eingerahmten Stellen stärker vergrößert. Nach Baur.
Ist damit die Frage der Pfropfbastarde definitiv als erledigt zu be-
trachten? Es wäre sicher voreilig, einen solchen Schluß zu ziehen,
wenn er auch sehr viele Wahrscheinlichkeiten für sich hat. Winkler
selbst verfügt auch noch über einen Fall, der durch die Deutung als
Periklinalchimäre nicht betroffen wird, sein Solanum Darwinianum.
Denn hier fand er eine Chromosomenzahl, die eine Kombination der
Zahlen von Tomate und Nachtschatten darstellt, nämlich 48. Es
— 400 —
bleibt somit abzuwarten, wie sich diese letzte Möglichkeit der Existenz
eines Pfropfbastards aufklärt. Soviel aber kann man jetzt schon sagen,
daß die Anschauung, daß durch die Erzeugung der vegetativen Bastarde
die ganzen Fundamente der Befruchtungs- und Vererbungslehre er-
schüttert werden, zunächst noch nicht als begründet zu betrachten
ist. Dagegen wird diesen Periklinalchimären, wie überhaupt den Chi-
mären, weiterhin eine ganz außerordentliche Bedeutung für die Lösung
entwicklungsmechanischer, morphogenetischer und physiologischer Fra-
gen zukommen.
Zwanzigste Vorlesung.
Die Sports im Pflanzen- und Tierreich. Die Mutationstheorie
von de Vries. Kritik und Aussichten.
Die letzten Vorlesungen haben uns, wenn wir sie in ihrer Gesamt-
heit betrachten, mit einer sehr wichtigen Erkenntnis vertraut gemacht.
Durch die Bastardanalyse konnte gezeigt werden, daß die verschieden-
artigsten morphologischen wie physiologischen Eigenschaften der Or-
ganismen in Form von festen Einheiten in der Erbmasse repräsentiert
sind, die wir, ohne damit über ihr eigentliches Wesen etwas aussagen
zu wollen, als Erbfaktoren bezeichneten. Diese erschienen als die
letzten und unteilbaren Einheiten, die „units", aus deren verschieden-
artiger Kombinationsmöglichkeit sich die Verschiedenheit der Tier-
und Pflanzenrassen erklärte. So konnte man dazu kommen, die Orga-
nismen als den Ausdruck der Wirkung eines Mosaiks von Erbfaktoren
zu betrachten, von einer Faktorentheorie zu sprechen. Erinnern wir
uns nun einmal an die Schlußfolgerungen, die wir in den ersten Vor-
lesungen aus den Tatsachen der Variabilität und der Lehre von den
reinen Linien zogen. Auch da waren wir auf die Erkenntnis gestoßen,
daß das Wesentliche an einem Organismus die Zusammensetzung seiner
Erbmasse, die ererbte Reaktionsnorm oder, wie wir noch sagten, seine
genotypische Konstitution, sei und daß das letzte, wodurch zwei Orga-
nismen als wirklich different unterschieden werden können, das Vor-
handensein oder Fehlen eines Gens in der Erbmasse ist. Es ist klar,
— 401
daß diese beiden auf so verschiedenen Wegen gewonnenen Ergebnisse
im Grund genau das gleiche besagen. Es ist nun eine Erkenntnis, an
der heute wohl niemand mehr rütteln wird, daß die Arten nicht unver-
änderlich sind, daß es eine Entwicklung gibt. Besteht aber der ge-
ringste erbliche Unterschied zwischen zwei Organismenformen in dem
Plus oder Minus einer Erbeinheit, eines Erblaktors, so ist die Grund-
frage des Problems der Artbildung die : Wie entstehen neue Erbein-
heiten in der Erbmasse, oder, allgemeiner gefaßt, wie kann sich der Schatz
an Erbeinheiten innerhalb der Erbmasse verändern? Die Darwin-
sche Antwort, daß sie durch Zuchtwahl allmählich herausgebildet
werden — wenn dies, wie meist angenommen wird, wirklich Darwins
Anschauung war — hatten wir, als mit den Experimentaltatsachen
unvereinbar, aufgeben müssen. Entstehen solche Veränderungen nicht
allmählich, so müssen sie plötzlich erscheinen und zwar aus Ursachen,
die nichts mit der Selektion zu tun haben: Die Veränderung kann nur
so vor sich gehen, daß plötzlich und ohne Übergang neue Erbeinheiten
in der Erbmasse auftreten oder alte aus ihr verschwinden. Und diese
Annahme ist es, die sich in der Neuzeit unter dem Namen der Muta-
tionstheorie die biologischen Wissenschaften erobert hat. Es ist
klar, daß es sich hierbei um Dinge von größter Tragweite handelt,
deren genaue Erforschung den wichtigsten Grundstein der Abstammungs-
lehre liefern sollte. Noch ist aber diese Lehre nicht über das kritische
Stadium hinaus und wir stehen gerade jetzt in einer Zeit, in der hier
alles gärt. Wir wollen deshalb zunächst das grundlegende Tatsachen-
material kennen lernen, ohne eine Kritik an seinem Wert zu üben, und
erst dann zu sehen, ob es einer Kritik auch wirklich standhalten kann.
Das Beobachtungsmaterial, von dem die Mutationstheorie ausgeht,
ist zum Teil durchaus nicht neu. Es besteht aus den Beobachtungen
der Tier- und Pflanzenzüchter, welche zeigen, daß gelegentlich in als
rein betrachteten Zuchten einzelne Individuen abweichender Beschaffen-
heit auftreten ; und diese Abweichung, der neue Charakter, ist von Anfang
an erblich. Unter dem Namen Sports oder Sprungvariationen
ist diese Erscheinung bekannt. Es ist klar, daß Darwin, der ja nicht
nur selbst züchtete, sondern in großem Maßstabe auch die Erfahrungen
der Züchter sammelte und verwertete, nicht an diesen Tatsachen vor-
Golds chmi dt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 2"
— 402 —
über ging. Im Gegenteil hat er einen beträchtlichen Teil der verbürgten
Fälle zusammengetragen und analysiert. Das Hauptinteresse kon-
zentriert sich nun aber auf die Frage, welche Bedeutung er den Sprung-
variationen, von ihm single variations genannt, für die Artbildung
zuerkannte. Und da ist es von höchstem Interesse, daß diese Wert-
schätzung ursprünglich gar keine geringe war. In den ersten Ent-
würfen zur Abstammung der Arten, die 15 und 17 Jahre vor deren
Erscheinen geschrieben sind und die vor kurzem wieder entdeckt wurden,
finden sich dafür sehr bemerkenswerte Belege. So heißt es an einer
Stelle: „Es ist bekannt, daß solche Sports in einigen Fällen die Stamm-
eltern unserer domestizierten Rassen geworden sind; und wahrschein-
lich sind ebensolche auch die Stammeltern vieler anderer Rassen ge-
worden, besonders solcher, die in gewissem Sinne als erbliche Monstra
bezeichnet werden können; z. B. wo ein überzähliges Glied vorhanden
ist oder alle Extremitäten verbogen sind (wie beim Anconschaf) oder
wo ein Teil fehlt, wie bei den kurzsteißigen Hühnern und schwanz-
losen Hunden oder Katzen." . . . „und bei vielen unserer domestizierten
Rassen wissen wir, daß der Mensch durch allmähliche Zuchtwahl und
geschicktes Ausnützen plötzlicher Sports alte Rassen beträchtlich ver-
ändert und neue hervorgebracht hat." Vor allem aber bei Besprechung
der Schwierigkeit, die die langsame Entstehung mancher Organe durch
Zuchtwahl bietet, bekanntlich der Haupteinwurf, den später seine
Gegner der Zuchtwahllehre machten, und den die Mutationstheorie
ja glücklich überwindet: „Wie im Zustand der Domestikation Bau-
veränderungen ohne jede fortgesetzte Zuchtwahl auftreten, die der
Mensch für sehr nützlich hält oder ihnen Kuriositätswert zuerkennt . . .,
so mögen vielleicht in der Natur manche kleine Veränderungen, die
gewissen Zwecken gut angepaßt sind, als ein von den Fortpflanzungs-
organen ausgehendes Geschehen1 entstehen und von Anfang an in
vollem Umfang weiter vererbt werden ohne lang andauernde Zucht-
wahl kleiner Abweichungen in der Richtung dieser Eigenschaft." Wieder
an einer anderen Stelle nimmt er die Sports für die Bildung neuer Tier-
formen auf isolierten Inseln in Anspruch, kurzum er erkennt ihnen
1 Wir würden jetzt sagen, als genotypische Veränderung innerhalb der Erbmasse
oder als Mutation.
— 403
einen nicht unbeträchtlichen Wert für die Artbildung zu. 15 Jahre
später ist er allerdings von solcher Anschauung zurückgekommen und
läßt die sprunghafte Variation nicht mehr als für die Artbildung in
Betracht kommend gelten. Und so kommt es, daß in der nachdarwin-
schen Zeit sich nur vereinzelte Stimmen erhoben, sie zur Grundlage
des Artbildungsproblems zu erheben. Auf zoologischer Seite ist es vor
allem Bateson, der seine Opposition gegen die allmähliche Umwand-
lung der Arten in Darwinschem Sinne schon im Titel seines Buches
„Materialien zum Studium der Variation, speziell im Hinblick auf die
Diskontinuität bei der Entstehung der Arten" zum Ausdruck bringt.
Er stellte eine Unmenge von Tatsachen hauptsächlich aus dem Ge-
biete der von ihm sogenannten meristischen Variation zusammen.
Darunter versteht er vor allem die Zahlenvariation von in Mehrzahl
vorhandenen Organen, zum Beispiel beim Menschen Sechsfingrigkeit
gegenüber Fünffingrigkeit. Diese Variabilität ist nun in allen Fällen
diskontinuierlich, nicht durch Übergänge mit dem Ausgangspunkt
verbunden und diese Variationen erscheinen trotzdem ebenso voll-
ständig und normal. Daraus muß aber geschlossen werden, daß die
Diskontinuität der Arten auch hervorgeht aus der Diskontinuität der
Variation. Allerdings finden die eigentlichen Sports der Züchter bei
Bateson weniger Beachtung.
Unter den Botanikern darf Korschinsky das Recht beanspruchen,
die meisten Erfahrungstatsachen gesammelt zu haben, die sich auf
sprungweise Entstehung von Pflanzenformen beziehen, die er Hetero-
genesis nannte. Er stellte fest, daß sie nicht gar zu selten auftritt und
alle möglichen Pflanzenteile betreffen kann. Auch kann sie in den ver-
schiedensten Richtungen eintreten und ebensogut einen Fortschritt
wie einen Rückschritt bedeuten, wie indifferent sein. Alle diese hetero-
genetischen Abweichungen, d. h. Mutationen, sind erblich konstant,
wiewohl sie gewöhnlich nur in einem einzigen Exemplar entstehen.
Die Ursache ihrer Entstehung muß aber in irgendeiner Veränderung
der Geschlechtsprodukte der Mutterpflanze beruhen. Auf Grund all
seines Materials an Beobachtungstatsachen kommt Korschinsky
zum Schluß, daß alle neuen pflanzlichen Kulturvarietäten (natürlich
abgesehen von Bastarden), deren Entstehung wirklich beobachtet ist,
26*
— 404
auf dem Wege plötzlicher Abweichung entstanden sind. Und er be-
zweifelt nicht, daß auch in der Natur die Arten ebenso durch Sprünge
sich entwickelt haben, zieht auch eigens die Sports auf zoologischem
Gebiet zum Beweis an.
Aber auch diese Sammlungen von Tatsachenmaterial hätten wohl
nicht leicht der Mutationslehre einen berechtigten oder gar bevorzugten
Platz neben der Darwinschen Lehre der allmählichen Artumwandlung
gesichert. Ihren Erfolg verdankte sie erst der planmäßigen experi-
mentellen Erforschung, die de Vries den Erscheinungen der Mutation
angedeihen ließ. Sein an Beobachtungen und Experimenten zur Frage
der Variabilität, Selektion, Mutation, Bastardierung überreiches Werk
bildet zweifellos die Grundlage der modernen Artbildungslehre. Ehe
wir aber daran gehen, seine Versuche zu besprechen und die daran
anschließenden Probleme und ihre bisher vorliegende experimentelle
Bearbeitung zu studieren, wollen wir uns einige der vor und nach Dar-
win bekannt gewordenen Sports aus dem Tier- wie Pflanzenreich be-
trachten, um zu sehen, nach welchen Seiten derartige Sprünge erfolgen
und wie weit sie vom Normalen wegführen können, und beginnen im
Anschluß an Korschinsky mit einigen Fällen aus dem Pflanzenreich.
Wir zitieren dabei zunächst kritiklos und werden erst später in eine
kritische Würdigung der vorgeführten Angaben eintreten.
Eine gewisse Berühmtheit hat die Entstehung der Form Cheli-
donium laciniatum, bei dem die Blätter tief fiederteilig sind (Fig.161),
aus dem gewöhnlichen Schöllkraut Chelidonium majus erlangt.
Sie erschien plötzlich unter den gewöhnlichen Pflanzen im Jahre 1590
im Garten des Apotheker Sprenger in Heidelberg. Er sandte ihre
Samen an alle bekannten Botaniker seiner Zeit, wie Caspar Bauhin,
die alle daraus die laciniatum-Form erzogen, die sich immer als konstant
und samenbeständig erwies. Sie breitete sich, ohne je etwa wildwach-
send gefunden worden zu sein, im Laufe von 150 Jahren in den bo-
tanischen Gärten aus und verwilderte auch von hier aus. Sie verhält
sich auch jetzt noch völlig wie eine gute Art. „Und doch ist das erste
Exemplar derselben aus dem Samen einer anderen Art ausgewachsen
und die neue Art entstand aus einer anderen mit einem Schlage, mit
konstanten Merkmalen und fester Vererbungskraft; sie entstand voll-
405
kommen ausgebildet und abgeschlossen wie Pallas Athene in voller
Rüstung aus dem Haupte Zeus hervorgegangen ist."
Diesem Fall des Schöllkrautes läßt sich am besten das Verhalten
mancher Farne wie Scolopendrium vulgare zur Seite stellen. Hier
finden sich eine ganz außerordentliche Zahl von Variationen der Blatt-
spreite vor (Fig. 162), welche innerhalb der Art Hunderte von Formen
unterscheiden lassen, die besonders aus England bekannt sind. Eine
A B
Fig. 161.
Chelidonium majus [A) und seine Mutation Ch. laciniatum [B). Nach de Vries.
jede vererbt aber diese Eigenschaften. Wenn, was häufig vorkommt,
ein und dasselbe Blatt aus ungleich geformten Teilen besteht, vererbt
jeder Teil durch die an ihm gebildeten Sporen seine Eigentümlichkeit.
(Aus den ungeschlechtlich erzeugten Sporen gehen die Farne ja erst
wieder durch Vermittlung einer Geschlechtsgeneration hervor, so daß
auch mittels der Sporen indirekt eine reine geschlechtliche Vermehrung
statthat.) Die einzelnen Blattvariationen stellen also ebensoviele sprung-
weise entstandene Elementararten dar.
406
Bemerkenswert ist auch der Fall der italienischen Pappel, deren
erstes Entstehen auf dem Wege einer Sprungvariation von der Schwarz-
pappel aus höchst wahrscheinlich, wenn auch nicht erwiesen ist. Sie
wird von jeher in Italien kultiviert und wurde von da aus überall hin
r
\
•: )
VARIATION IN HART'S TONGUE FERN
Fig. 162.
Blattmutationen des Farns Scolopendrium vulgare. 1 die typische Form. Nach Lowe
aus Thomson.
geführt. Es ist aber bisher nicht gelungen, irgendwo ihre Heimat zu
entdecken, und da sie ausschließlich im männlichen Geschlecht vor-
kommt und auf ungeschlechtlichem Wege weiter vermehrt wird, so
muß man annehmen, daß sie einmal als Mutation in einem einzigen
männlichen Exemplar entstand. Es ist ja überhaupt besonders häufig
— 407
der Fall, daß die Sprungvarietäten in nur einem Exemplar auftreten
(single variations!).
Am besten bekannt sind natürlich die Fälle, in denen es sich um
Kulturpflanzen handelt; ist es doch wahrscheinlich, daß die unend-
liche Fülle der Gartenvarietäten, abgesehen von der Bastardierung,
ausschließlich so entstanden sind. Nicht immer liegen aber zuverlässige
Angaben über das erste Auftreten einer Varietät vor. Da aber, wo es
bekannt ist, zeigt sich, daß alle Teile der Pflanze in den verschiedensten
Richtungen an der Mutation teilnehmen können. So kann die Ver-
änderung sich z. B. auf den ganzen Wuchs und Habitus beziehen. Es
gab in der Mitte des vorigen Jahrhunderts die gewöhnliche Zypresse,
die ja pyramidenförmigen Wuchs hat, einer Varietät den Ursprung,
der var. cereiformis, deren Stamm nur von kleinen, nach oben gerich-
teten Zweigen bedeckt ist, so daß der Baum den Habitus einer sich
nach oben verjüngenden Säule erhält, deren Durchmesser bei einem
Exemplar von 12 m Höhe nur 60 cm beträgt. Aus ihren Samen ent-
stand nur die gleiche Form. In anderen Fällen bezieht sich die Ver-
änderung auf die Bätter; für ihre Gestaltsveränderung haben wir schon
ein Beispiel angeführt, ein anderes beziehe sich auf die Blattfarbe.
Besonders die sogenannten Blutbäume, wie die BJutbucbe, gehören
hierher. Wenn auch für diese gerade der Ort ihres unvermittelten
Auftretens bekannt ist, so wurde der betreffende einzelne Baum doch
nur als anwesend festgestellt, nicht aber in seiner Entstehung beob-
achtet. Für die entsprechende Form der Berberize, Berberis vulgaris
var. atropurpurea ist aber auch dieses der Fall; sie entstand im Anfang
des vorigen Jahrhunderts in Versailles unter den Sämlingen der ge-
wöhnlichen Berberize und gab seitdem reine blutblättrige Nachkommen-
schaft.
Am meisten Beachtung haben natürlich die Sprungvariationen in
Form und Farbe der Blüten gefunden, und es gibt unter den Garten-
varietäten eine beträchtliche Zahl, deren Herkunft bekannt ist. Um
nur einen der vielen Fälle der gefüllten Blumen zu erwähnen, so be-
obachtete Lambotte in Paris im Jahre 1853 die Entstehung gefüllter
Petunien. Unter einer gewöhnlichen Aussaat fand er ein Exemplar
mit besonders großen Blüten, deren Staubfäden zur Hälfte in Krön-
408
blätter verwandelt waren und die sich auch durch andere Färbung aus-
zeichneten. Durch Benutzung ihres Pollens zur Weiterzucht konnte
er dann eine gefüllte Rasse isolieren. Übrigens spielte auch in de Vries
bald zu besprechenden Versuchen die Erzeugung eines gefüllten Chry-
santhemum segetum eine Rolle. Endlich noch ein Beispiel über eine
Mutation am Samen. Godron fand 1860 unter einer Stechapfelaus-
saat gleicher Herkunft ein Exemplar mit einer stachellosen Samen-
kapsel und bei Weiterzucht erhielt sich das Merkmal in 13 kontrol-
lierten Generationen konstant. Diese Beispiele mögen genügen, den
Satz Korschinskys zu illustrieren, daß es den Gärtnern so selbst-
verständlich ist, daß ihre Varietäten auf diesem Wege der Mutation
entstehen, daß sie es gar nicht weiter erwähnenswert halten. Es stimmt
damit ja auch überein, daß die neuesten Formen am ehesten in großen
Züchtereien gefunden werden, die mit großen Massen arbeiten. Und
um mit den pflanzlichen Sports abzuschließen, braucht wohl nicht be-
sonders hervorgehoben zu werden, daß, seitdem man im Gefolge von
de Vries' Mutationstheorie besonders darauf achtet, zahlreiche weitere
Beobachtungen bekannt wurden; so berichtet de Vries selbst über
die Mutationen, die bei dem berühmten kalifornischen Züchter Bur-
bank entstanden, und die Svalöfer Botaniker beobachteten Mutationen
in ihren Getreidelinien ebenso wie Johannsen bei seinen reinen Linien
der Bohnen.
Werfen wir nun auch einen Blick auf einige solche Sports im Tier-
reich, die als Beobachtungstatsachen festgestellt wurden. Wir werden
da allerdings von vornherein nicht erwarten dürfen, allzuviel Material
vorzufinden; denn Beobachtungen an nicht domestizierten Tieren sind
natürlich noch viel schwieriger und unzuverlässiger als bei wilden Pflan-
zen. Die domestizierten Tiere sind aber an Zahl der Arten den domesti-
zierten Pflanzen beträchtlich unterlegen, sind es doch weniger als hundert,
während allein ein einziger großer Pflanzenzüchter wie Luther Bur-
bank 2500 Arten kultivierte, gar nicht zu reden von der gar nicht in
Vergleich zu setzenden Individuenzahl. Mit der Anwendung indirekter
Schlüsse muß man aber im Tierreich noch vorsichtiger sein wie im
Pflanzenreich, da z. B. das Erscheinen einer vorher unbekannten Form
von einem gewissen Zeitpunkt ab nur bei wirklich in Massen unter-
— 409 —
suchten Formen ihr vorheriges Nichtvorhandensein sicher erscheinen
läßt. Natürlich dürfen wir auch hier nur dann von einer Mutation
reden, wenn ihre Erblichkeit festgestellt ist. Sicher wäre manche Mu-
tation mehr z. B. aus dem so fleißig studierten Reich der Insekten
bekannt, wenn nicht der Züchter hier meist auch Sammler wäre, der
eine unvermutet auftretende „Aberration" sofort, ehe sie sich fort-
gepflanzt hat, in seine Sammlung steckt, damit das kostbare Exemplar
sich nicht bei der Kopula verletzt. So ist ein interessanter mehrfach
beobachteter Fall das Fehlen der „Augen" bei Schmetterlingen mit
charakteristischen Augenflecken wie dem Tagpfauenauge, deren künst-
liche Erzeugung im Temperaturexperiment wir schon kennen lernten.
So lange aber die Erblichkeit nicht festgestellt ist, kann es ebensogut
auch eine extreme Variation oder ein embryonaler Defekt sein. Das-
selbe gilt von der merkwürdigen Aberration ab. Daubi des mittleren
Weinschwärmers Chaerocampa elpenor, die Herr Schmidt in
Fürth im Jahre 1908 aus einer normalen Zucht in 2 Exemplaren erhielt,
und solcher Fälle ließen sich genügend aufzählen. Aber gerade aus
dem Reich der Schmetterlinge können wir auch eine Form nennen, die
zuverlässig in neuerer Zeit in freier Natur als Mutation entstanden ist,
zuverlässig, obwohl ihr erstes Auftreten unbekannt ist, da sie noch jetzt
im Zuchtexperiment sich neu bildet. Von Norden her vordringend
breitet sich in Deutschland die schwarze Aberration der Nonne aus,
die früher gänzlich unbekannt war. 'Wenn auch ihr erstes Auftreten
sich nicht genau feststellen läßt, so erweist sie sich trotzdem dadurch
mit Sicherheit als Mutation, daß sie auch in Zuchten mit rein weißen
Faltern öfters in einzelnen Exemplaren auftritt und zwar gelegentlich
in recht charakteristischer Weise, worüber aber hier nicht näher be-
richtet werden kann. Dasselbe gilt von der schwarzen Varietät double-
dayaria des Birkenspanners Amphidasys betularius, den Standfuss
ebenfalls als Mutanten entstehen sah, von der Cymatophora or albin-
gensis, deren Auftreten in Hamburg genau registriert werden konnte,
wie noch von anderen Melanismen. Auch albinistische Mutanten sind
in den verschiedensten Teilen des Tierreichs, bei Insekten, Vögeln,
Säugetieren, nicht selten.
Von in neuerer Zeit aus freier Natur festgestellten Mutanten seien
410
nur noch die Mutationen des schon so oft erwähnten Koloradokäfers
aufgeführt, weil sie uns später noch des näheren beschäftigen werden,
da auch ihre Erzeugung im Experiment geglückt ist. So zeigt neben-
stehende Fig. 163 in d die Form Leptinotarsa decemlineata, und in
/ und e die aus ihr entstehenden Mutanten defectopunctata und tor-
tuosa, besonders letztere charakteristisch durch die Verschmelzung
/
Fig. 163.
Mutationen beim Koloradokäfer, a L. undecimlineata, b ihr Mutant angustovittata,
c der Mutant melanothorax von L. multitaeniata, d L. decemlineata mit ihren Mutanten
e tortuosa und f defectopunctata nach Tower.
der Längsstreifung auf den Flügeldecken, a aber zeigt die Art L. un-
decimlineata mit ihrem gänzlich abweichenden Mutant angustovittata (b).
Es braucht wohl nicht besonders bemerkt zu werden, daß all diese
Mutationen völlig erblich konstant sind.
Die altbekannten Fälle beziehen sich im Tiei reich aber auch ähnlich
wie im Pflanzenreich auf die Kulturformen, von denen mancherlei Sports
im Lauf der Zeit registriert sind; eine ganze Reihe von ihnen hat ja bereits
Darwin aufgezählt und ihnen dadurch eine gewisse Berühmtheit ge-
411
sichert. Einer der bekanntesten ist das Ancon- oder Otterschaf. Im
Anfang des vorigen Jahrhunderts fiel in Nordamerika in einer kleinen
Schafherde, bestehend aus einem Bock und einem Dutzend Lämmern
unter lauter normalen Tieren ein männliches Lamm, das durch seinen
langen Rücken und seine krummen Beine an einen Dachshund erinnerte.
Da die dort gezüchteten Schafe gern ihre Hürden übersprangen, brachte
der Farmer Seth Wright diesen Bock zur Fortpflanzung in der Hoff-
nung, daraus eine Rasse zu ziehen, der jener Fehler nicht anhaftete.
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Fig. 164. Huf des Einhuferschweins von hinten.
Nach v. Dabrowa.
Fig. 165. Fußskelett des ge-
wöhnlichen links) und Einhufer -
schweins. Nach v. Dabrowa.
In der Tat waren die Nachkommen, die der Anconbock mit einem ge-
wöhnlichen Schaf erzeugte, entweder reine Anconschafe oder solche
der Ausgangsrasse, so daß eine reine Anconrasse erhalten werden konnte,
die sich auch so lange praktisch bewährte, bis ihre Zucht durch Ein-
führung der sanftmütigen Merinos überflüssig wurde.
Als ein sehr charakteristischer, zu verschiedenen Zeiten aufge-
tretener Sport, seien sodann die einhufigen Schweine genannt,
deren Existenz nach Darwin schon seit Aristoteles bekannt ist,
und die seiner Ansicht nach öfters entstanden sind. Sie zeichnen sich
dadurch aus, daß die beiden Zehen distal verwachsen sind, wie Fig. 164
412
im ganzen, Fig. 165 im Skelett, verglichen mit dem normalen Fuß,
zeigt, so daß eins der grundlegenden systematischen Merkmale der
ganzen Ordnung, die Paarhuf ig keit, wenn
auch nicht aufgehoben (dazu müßte eine
Zehe aasfallen), so doch verschleiert ist.
Eine Zeitlang wurden solche Einhufer-
sauen lebhaft gezüchtet, als vor Ein-
führung der Eisenbahnen große Herden
weit weggetrieben wurden und sich dabei
die Einhufer als bessere Wanderer er-
wiesen. Sie sollen außerdem auch nicht
unter der Klauenseuche leiden. Später
gingen die Zuchten wieder ein. Gelegent-
lich tritt aber der gleiche Sport wieder
auf ■ — wie dies auch von anderen Sprung-
variationen des Tier- und Pflanzenreichs
bekannt ist — und einen solchen fand
im Jahre 1888 der Züchter v. Dunin -
Kozicky auf. Erließ die Sau von einem
Yorkshire-Eber bespringen und erhielt zu
je einer Hälfte Nachkommenschaft genau
nach den Eltern. Die Einhufer vererbten
ihren Charakter aber rein weiter.
Noch bekannter ist vielleicht der Fall
der Mauchampschafe. Der Züchter Graux
auf dem Gut Mauchamp fand im Jahre 1828
in einer Merinoherde ein Bocklamm, das
sich von allen anderen Tieren unterschied.
Während die gewöhnliche Merinowolle,
wie nebenstehende Figur 167 zeigt, ganz
fein gekräuselt oder eingekerbt ist, war die
Wolle dieses Schafes sehr lang, sanft wellig
und von charakteristischem Seidenglanz
(Fig. 166). Bei Paarung mit einem ge-
Merinowolle nach Settegast. wohnlichen Merinoschaf vererbte sich
Fig.
166.
Mauchampwolle nach Settegast.
— 413 —
diese Eigentümlichkeit und blieb bei Reinzucht seitdem völlig kon-
stant, so daß eine besondere Rasse, die Mauchampschafe, erhalten
wurde, die lange weiter kultiviert wurden und auch durch Bastar-
^
Fig. 16S. Merinoschaf. Nach Settegast.
dierung Verbesserungen erfuhren. Fig. 168 und 169 zeigen die beiden
Rassen. Gerade dieser berühmte Fall ist aber geeignet, zu zeigen,
wie vorsichtig man bei Verwendung von Angaben aus der Tierzüchtung
Fig. 169. Mauchampschaf. Nach Settegast.
sein muß. Es scheint nämlich jetzt erwiesen zu sein, daß dem Erscheinen
des Mauchampschaf s eine Bastardierung vorausging. (Draeger,
Nathusius.) Die scheinbare Mutation wäre somit eine Faktoren-
— 414 —
kombination oder auch Faktoreninterferenz nach Bastardierung! Wie
viele der Sports aus Tier- und Pflanzenzucht mögen auf gleichem Niveau
stehen! Hornlosigkeit und Vierhörnigkeit bei Rindern und Ziegen
sind solche Sports und noch so manche andere.
Um auch noch einen Fall aus einer ganz anderen Tiergruppe zu
erwähnen, sei auf den schwarzschulterigen Pfau hingewiesen, der durch
Darwins Mitteilungen berühmt wurde. Diese Vögel unterscheiden
sich von dem gemeinen Pfau in der Färbung ihrer Schwungfedern
zweiter Reihe, Schulterdeckfedern, Flügeldeckfedern und Schenkel.
Darwin kennt 6 Fälle, in denen sie sich plötzlich in Herden gewöhn-
licher Pfauen zeigten und sich dann als erblich konstant erwiesen
und bemerkt dazu: „Bessere Zeugnisse für das erste Auftreten einer
neuen Varietät lassen sich kaum beibringen". Und zum Schluß nun
noch einen Fall der Neuzeit, der sich im Gegensatz zu den bisherigen
morphologischen Befunden auch auf einen physiologischen Charakter
bezieht: Arenander berichtete vor kurzem das Auftreten einer Kuh,
die nur ein Minimum an magerer Milch lieferte, in einem schwedi-
schen Schlag, der sich durch reichliche, fette Milch auszeichnet.
Diese physiologische Eigentümlichkeit, die ihr Entdecker selbst als
Mutation betrachtet, erwies sich aber als völlig erblich.
In der Neuzeit hat man vielfach auch den Begriff der Mutation
auf niedere einzellige Organismen, besonders Bakterien und Pilze, an-
gewandt. Da es sich hier um „experimentell erzeugte" Mutationen
handelt, so werden wir später nochmals auf sie zurückzukommen haben.
Hier sei nur bemerkt, daß man zunächst diesen Dingen mit Vorsicht
gegenüber treten muß, da es sich bei der Vererbung der betreffenden
Veränderungen ja nur um ungeschlechtliche Fortpflanzung handelt.
Wir wollen diesen Abschnitt aber nicht beschließen ohne wenigstens
mit einem Wort auf die berühmten Knospenvariationen im Pflanzen-
reich hingewiesen zu haben. Die Erscheinung, besser als Knospen-
mutation oder vegetative Mutation (Johanns en) bezeichnet, ist ja
bekanntlich bereits von Darwin ausführlich in ihrer Bedeutung ge-
würdigt worden. Sie besteht darin, daß unvermittelt an einem vege-
tativen Pflanzenteil eine weitgehende Abänderung eintritt, die sich
nun gleich als erblich erweist. Das bekannte Beispiel Darwins ist
— 415 —
das plötzliche Auftreten von Nektarinen an Pfirsichbäumen, aus deren
Kernen sich nur wieder Nektarinen entwickeln. Wenn man von den
Fällen absieht, in denen solche Erscheinungen auf vorhergegangener
Bastardierung beruhen und in das Gebiet dessen gehören, was wir
früher als Mosaikbastarde kennen lernten, handelt es sich in den zahl-
losen verbürgten Fällen wohl meist um Sports, die eben nur vegeta-
tiver Natur sind. Im Tierreich ist, auch bei koloniebildenden, knospen-
den Tieren nichts Entsprechendes mit Sicherheit bekannt, vielleicht
auch unmöglich, da, wie wir später sehen werden, sich ein prinzipieller
Unterschied zwischen Tier- und Pflanzenreich in bezug auf das Ver-
hältnis von Körper- und Geschlechtszellen findet.
Diese Beispiele mehr oder minder sicherer Mutationen mögen ge-
nügen. Überblickt man sie insgesamt und sieht von den zweifelhaften
Fällen ab, so ist die Ausbeute keine allzu große. Weitaus am häufig-
sten sind Fälle, die man in das Gebiet der pathologischen Bildungen
rechnen muß: Dackelbeinigkeit, Kurzsteißigkeit, Polydactylie, Riesen-
oder Zwergwuchs und so vieles andere, was Darwin später bestimmte,
geradezu das Pathologische als das Charakteristikum der Sports zu
betrachten. Das, was aber nicht als pathologisch betrachtet werden
kann, bewegt sich doch auffallenderweise besonders gern in einigen
wenigen bestimmten Bahnen: Albinismus und Melanismus bei Tieren,
zerschlissene Blätter, Blutfarbe, gefüllte Blüten bei Pflanzen, alles
Dinge, denen man nicht gut eine Bedeutung für die Artbildung zuer-
kennen kann. So wären diese Erscheinungen wohl auch weiterhin gering
geschätzt worden, wenn nicht de Vries in seiner Mutationstheorie
dem ganzen Problem eine neue Wendung gegeben hätte.
Der ausgezeichnete holländische Botaniker Hugo de Vries fand
auf der Suche nach Arten, die sich zur experimentellen Erforschung
der Artumwandlung geeignet erwiesen, auf einem verlassenen Kar-
toffelacker in der Nähe von Hilversum eine Menge Individuen der
Nachtkerze Oenothera Lamarckiana, einer aus Amerika einge-
führten Pflanze, die hier aus benachbarten Anlagen verwildert war.
Es fiel ihm nun auf, daß die Pflanzen eine besonders starke fluktu-
ierende Variabilität, ferner eine große Neigung zu gewissen Abnormi-
täten, wie Bänderung, zeigten. Im nächsten Jahre 1887 fand er nun
416
unter den gewöhnlichen Formen zwei kleine Gruppen von Individuen,
wahrscheinlich aus dem Samen einer Mutterpflanze hervorgegangen,
die sich als selbständige elementare Arten erwiesen. Die eine war
besonders kurzgrifflig und wurde brevistylis genannt, die andere hatte
glattere Blätter, schmalere
Blumenblätter und anderen
Habitus als die Stammart und
wurde laevifolia genannt.
Da die Formen bis dahin un-
bekannt waren, so regte sich
der Verdacht, daß sie durch
Mutation neu entstanden sein
könnten und sie wurden eben-
so wie Aussaaten von der
Stammpflanze in Kultur ge-
nommen.
Eine erste Kultur ging von
9 1 a m a r c k i a n a - Pflanzen aus.
Aus ihnen entstanden in den
folgenden Generationen neben
einer überwiegenden Anzahl
von lamarckiana eine große
Zahl von Mutationen, die mehr
oder minder weit von der Mut-
terpflanze abwichen. Nicht
alle konnten weiter verfolgt
werden, die aber, die weiter
gezogen wurden, erwiesen sich
sofort als samenbeständig, d. h.
sie gaben gleichgestaltete Nach-
kommenschaft . Sie wurden da-
bei stets mit künstlicher Bestäubung unter Anwendimg aller Vor-
sichtsmaßregeln vermehrt. Nebenstehende Figg. 170 — 173 zeigen die
Stammpflanze mit einigen ihrer Mutanten.
Da entstand die O. gigas, ausgezeichnet durch besonders schönen
Fig. 170.
Oenothera lamarckiana. Nach de Vries.
— 417 —
Wuchs, große Blüten, kurze dicke Früchte, große Samen, in einem
einzigen konstant züchtenden Exemplar. Ferner die O. rubrinervis,
charakterisiert durch rote Blattnerven und breite rote Streifen auf Kelch
und Früchten sowie eine sehr geringe Ausbildung des Bastes, und eben-
falls völlig konstant. Die gleich-
falls neu entstandene Elementar-
art O. oblonga erwies sich
nicht minder konstant, gab aber
außerdem selbst später anderen
Mutanten den Ursprung. Be-
sonders bemerkenswert ist die
Zwerg-Oenothera, 0. nanella,
die sich von der Stammart im
wesentlichen nur durch ihren
Zwergwuchsunterscheidet,deren
Nachkommenschaft aber diesen
Charakter rein erbt. Eine an-
dere Form, O. lata, trat stets
nur in weiblichen Exemplaren
auf, so daß sie nur mittels einer
Kreuzung weiter fortgepflanzt
werden konnte. Es ist dies
deshalb bemerkenswert, weil es
auch im Tierreich Analogien
der rein eingeschlechtigen Mu-
tation gibt. Und so traten noch
viele andere Formen auf, die im
einzelnen nicht aufgezählt seien.
Nebenstehende Fig. 173 (S. 419)
gibt einen ausgezeichneten Be-
griff der Mutabilität, indem sie
eine Serie von 11 Mutanten der Oenothera lamarckiana als jurge
Topfpflanzen zeigt, wie sie MacDougal in Amerika züchtete. Rechts
oben ist die Stammpflanze, in den beiden unteren Reihen links sind
außerdem Vertreter der Spezies O. biennis abgebildet.
Gol dschm idt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 2y
Fig. 171.
Mutanten von Oenothera lamarckiana, A 0.
rubrinervis, £u. C die zwerghafte O. nanella.
Nach de Vries.
— 418
In sämtlichen anderen Stämmen, die in Kultur genommen wurden,
war der Verlauf ein ähnlicher, es traten bald mehr, bald weniger Mu-
tanten auf, und zwar sowohl solche, die auch schon in der obengenannten
Serie aufgetreten waren, wie neue. Die Art des Auftretens ohne jede
Vermittlung, die völlige
Konstanz bei weiterer
Kultur nach Selbstbe-
stäubung war immer die
gleiche, so daß de Vries
schließlich über das We-
sen der Mutation und
ihre Bedeutung für die
Bildung neuer Arten zu
folgenden Vorstellungen
kam : Neue elementare
Arten entstehen in der
Natur plötzlich und ohne
Übergänge. Es ist hier-
für, wie für alles Weitere
anzunehmen , daß die
Verhältnisse in der Natur
sich von denen im Ver-
such nicht unterscheiden,
da der Versuch ja nichts
anderes darstellt als die
Kultur unter Kontrolle.
Auch am natürlichen
Standort wurden ja eben-
falls die Mutanten an-
getroffen. Sind neue elementare Arten durch Mutation entstanden, so sind
sie meist vom ersten Augenblick an konstant. Nur eine Ausnahme wurde
gefunden; die Oenothcra sc'intilläns, die in ihrer Nachkommen-
schaft nur zum Teil scintillans hat, ein Fall, der uns später noch be-
schäftigen wird. Die neu auftretenden Arten müssen, wie das schon
der Paläontologe Scott verlangt hatte, im allgemeinen in einer größeren
Fig. 172.
Die Mutante Oenothera gigas. Nach de Vries.
419
Zahl von Individuen bzw. innerhalb einer gewissen Periode auftreten,
damit es möglich ist, daß sie auf die Dauer neben der Stammart be-
Fig. i73-
Junge Topfpflanzen von Oenothera-Mutanten. Rechts oben die Stammpflanze O. la-
marckiana. In der zweituntersten Reihe links die Art O. biennis mit einem Mutanten
darunter. Alle übrigen sind Rosetten von Lamarckianamutanten. Nach Mac Dougal,
Vail und Shull.
stehen können. Auf die tatsächlichen Zahlenverhältnisse ihres Auf-
tretens werden wir gleich zu sprechen kommen. Die an den Mutanten
27*
— 420 —
neu auftretenden Eigenschaften zeigen zu der individuellen Variabilität
keine auffällige Beziehung, sie liegen außerhalb ihres Rahmens. Ferner
umfassen sie alle Organe und können in jeder beliebigen Richtung
liegen. So werden die Pflanzen stärker oder schwächer, die Blätter
breiter oder schmaler, die Blumen größer und dunkler gelb oder kleiner
und blasser, die Früchte länger oder kürzer, die Oberhaut unebener
oder glatter und so fort. Diese vielen Eigenschaften sind dabei vom
Standpunkt der Zuchtwahl aus keineswegs alle nützlich, vielmehr zum
Teil gleichgültig oder unvorteilhaft. Einige Formen, wie die nur weib-
lich entstandene lata, sind ja sogar allein gar nicht lebensfähig. Die
Zuchtwahl ist also imstande, sofort die ungünstigen Mutanten wieder
auszumerzen. Die Art, wie die Mutation bei der Oenothera explosions-
artig auftritt, während bei allen anderen darauf untersuchten Arten
nichts derartiges zu finden war, spricht dafür, daß es besondere Mutations-
perioden gibt, die mit Perioden der Un Veränderlichkeit abwechseln. In
diesen sammelt sich die Fähigkeit zum Mutieren gewissermaßen auf, eine
Prämutationsperiode geht der Mutationsperiode vorauf. Mit dieser An-
nahme läßt sich vielleicht für die Entstehung der Arten eine viel kürzere
Zeit berechnen, als es die Theorie der allmählichen Veränderung nötig hatte.
Für die Begründung dieser Anschauungen ist natürlich ein Punkt
von besonderer Wichtigkeit, nämlich die Zahl der Mutanten, die im
mindesten so groß sein muß, daß sie Aussicht auf Erhaltenbleiben
haben. Aus den Erfahrungen der künstlichen Zucht wissen wir, daß
dazu im günstigsten Fall nicht viel nötig ist. Haben wir doch eine
ganze Anzahl von Haustieren und Kulturpflanzen kennen gelernt, die
durch die Zuchtwahl des Menschen aus einem einzigen Sport gezüchtet
worden sind. Hier mußte allerdings die Zuchtwahl eine so intensive
und geschickte sein, daß es schwer ist, sich vorzustellen, wie sie in der
Natur in gleicher Weise sollte wirken können. Delboeuf hat ein
Gesetz aufgestellt, nach dem Mutanten, die in einer bestimmten Anzahl
von Individuen auftreten und deren Bildung sich in mehreren Gene-
rationen hintereinander wiederholt, sich dauernd gegenüber der Stamm-
art vermehren müssen. Es läßt sich aus der Prozentzahl des Mutierens
berechnen, nach wieviel Generationen die Zahl der Individuen der
neuen Form die der alten erreicht hat. Die Vorausbedingung ist nur
— 421
die Möglichkeit der freien und normalen Vermehrung und ein neutrales
Verhalten gegenüber dem Kampf ums Dasein. Das Gesetz berück-
sichtigt allerdings eines nicht, nämlich, daß sich in den meisten Fällen die
neuen Mutanten mit der Stammform kreuzen werden und dabei werden
bestimmte Zahlenverhältnisse auftreten müssen, die sich ohne weiteres aus
den Spaltungsgesetzen ergeben. Aber es läßt sich berechnen, daß auch
unter diesen Umständen die Mutation mindestens erhalten bleiben wird.
Die eine Bedingung dieses Gesetzes, das regelmäßige Auftreten
von Mutanten in aufeinanderfolgenden Generationen trifft nun für
die Versuche von de Vries zu, es zeigt sich ebenso auch in den so-
gleich zu besprechenden Beobachtungen von Tower am Kolorado-
käfer, und auch für die schwarze Mutation der Nonne läßt sich un-
regelmäßiges Auftreten in den Zuchten zeigen. Daß aber auch die
andere Bedingung eines einigermaßen regelmäßigen Prozentsatzes von
Mutanten zutrifft, geht aus allen vorliegenden Daten hervor. Be-
trachten wir uns untenstehenden Stammbaum, den de Vries für die
Entstehung von Mutanten unter Angabe der Individuenzahl für die oben
erwähnten Nachkommen der 9 in Kultur genommenen Individuen von
Oenothera Lamarckiana gibt, so sehen wir, wie in jeder Generation
eine, wenn auch wechselnde Prozentzahl von neuen Formen gebildet wird.
leration
Arten
Ger
gigas
albida
oblonga
rubri-
nervis
Lamar-
ckiana
nanella
lata
scin-
tillans
VIII
1899
1898
1897
1896
1895
1890/91
1888/89
1886/87
I
5
1
0
1700
21
1
VII
11
9
0
1
3000
11
5
VI
29
3
1
1800
9
1
V
25
135
20
1
8000
49
142
6
IV
15
176
8
1
14000
60
73
1
III
1
1
10000
0
II
1
15000
5
5
I
1
9
— 422 —
Es mutierten also von 50 000 Individuen etwa 800, d. h. 1,5% im
Durchschnitt. Die entsprechenden Zahlenangaben von Tower für die
oben erwähnten Mutationen der Koloradokäfer, wie sie in der freien
Natur aufgefunden wurden, sind:
ö
.2
V-l
a
O
Arten
Lokalität
decem-
lineata
melani-
cum
tortuosa
minutum
pallida
imma-
culo-
thorax
albida
Massachusetts 1895
Long Island 1899 .
I
II
I
II
II
II
I
II
I
II
II
25050
21399
14598
13500
11710
9460
16002
14183
5*425
29408
1088
1
I
1
•
I
Maryland 1900 . . .
Pennsylvania 1900 .
8
?
1
Illinois 1902/03 . .
* HH
17
2
I
2
<-—
Das Gesamtresultat ist also das Vorhandensein von nur sehr wenigen
Sports in der freien Natur, viel weniger als in de Vries Kulturen. Es
fanden sich unter 207 891 Individuen 118 Sports, d. h. nur 1 auf 1761.
Würde die eine Zählung von Maryland 1900 mit der ungewöhnlich
hohen Zahl von 82 Sports fortgelassen, so käme sogar nur 1 auf 5447.
Diese Zahlen dürften als Mutationsprozente sicher auch den normalen
Verhältnissen, wie sie in der Natur auch bei anderen Arten verwirklicht
sind, entsprechen.
Tower suchte nun aber auch festzustellen, welche Aussichten diese
Sports auf ein Erhaltenbleiben in der Natur haben und führte zu dem
Zweck die folgenden interessanten Experimente aus. Von der Mu-
tation pallida wurden 10 Männchen und 12 Weibchen mit 15 Pärchen
der Stammform decemlineata zusammengebracht. Bei der Kopu-
lation traten alle Kombinationen auf, aber 7mal soviel Kopulae zwischen
gleichartigen Tieren als Kreuzungen. Die folgende Generation ergab
dann 131 rj, 11 £ decemlineata, 133 <3, 162 9 pallida. Nach der
— 423 —
Überwinterung waren davon noch vorhanden io 3, 18 Q von decem-
lineata und 9 c5, 10 Q pallida. Deren Nachkommenschaft ergab dann
wieder 80 6, 106 Q decemlineata und 190 <5, 210 Q pallida. In der
folgenden Generation war das Verhältnis schon 211 <5, 209 £ decem-
lineata und 509 <5, 540 Q pallida. Die Mutation hatte also tüchtig
gegenüber der Stammform zugenommen. Der folgende Winter war
nun ein besonders ungünstiger und gefährlicher und ihn überstanden
nur 6 (5, 10 £ von decemlineata und 14 3, 15 Q von pallida, aus deren
Vermehrung 314 <5, 301 Q decemlineata und 819 <3, 761 Q der Mu-
tation pallida hervorgingen. Die Mutation hatte also auch unter un-
günstigen Umständen der Stammart gegenüber glänzend bestanden.
Theoretisch ist es also sehr gut möglich, daß eine solche Mutation als
erfolgreiche Art bestehen bleibt. Tatsächlich aber hat sich doch die
Mutation pallida nirgends in der Natur Geltung verschaffen können.
Das kommt wohl daher, daß sie in nur einem Exemplar auf 5000 auf-
tritt. Da sich die Wahrscheinlichkeit der Kreuzung mit der Stammart
in obigem Versuch wie I : 7 ergab, so ist die Wahrscheinlichkeit ihres
Erhaltenbleibens keine sehr große. Sie würde nur steigen, wenn ein-
mal aus besonderen Gründen ungewöhnlich viele Mutanten entständen.
Es gibt aber anderseits aus der Natur eine ganze Anzahl von Bei-
spielen dafür, daß eine Mutante, die regelmäßig gebildet wird, sich nicht
nur erhält, sondern sogar die Stammart allmählich verdrängt: die
melanistischen Formen der Nonne und des Birkenspanners sind die
bekannten Beispiele dafür.
Die de Vriessche Mutationstheorie scheint also auf gutem Boden
zu stehen und die Erklärung für viele Rätsel zu bringen. Leider müssen
wir aber sagen, scheint! Denn die rasch fortschreitende Forschung
hat bereits begonnen, wieder an den Grundlagen dieser Lehre zu rütteln
und heute können wir schon sagen, daß wahrscheinlich das Haupt-
material, auf das sie sich stützt, in anderer Weise zu deuten ist. Und
so ist es jetzt unsere Aufgabe, auf die optimistische Darstellung die
Kritik folgen zu lassen.
Schon bald nach Bekanntwerden von de Vries' Ergebnissen haben
einige Forscher Zweifel an der Richtigkeit der Interpretation geäußert.
Die Kenntnis der Mend eischen Spaltungsgesetze zeigte, daß aus Ba-
— 424 —
starden ja neue Bastardkombinationen in wenigen Exemplaren ab-
spalten können, die dann wie ganz neue Formen erscheinen können;
Bateson, Lotsyu. a. haben deshalb auch die Oenothera lamarckiana
für einen Bastard erklärt, der in bestimmter Weise neue Kombinationen,
die scheinbaren Mutanten abspaltet. Sieht man den Fall der Oeno-
thera von diesem Gesichtspunkt aus an, so bemerkt man leicht, daß
das Verhalten der Oenothera und ihrer Mutanten vieles darbietet, was
zu solchen Zweifeln berechtigt. Zunächst ist es, ganz im Gegensatz
zu anderen Oenotheraarten, noch nicht gelungen, die Herkunft der
O. lamarckiana festzustellen. Sie dürfte wohl aus Amerika nach Europa
gekommen sein ; trotz aller Bemühungen ist es aber noch nicht geglückt,
ihren natürlichen Standort aufzufinden. An sich besagt das natürlich
nicht viel, aber im Zusammenhang mit den weiteren Tatsachen ist es
doch bemerkenswert. Und da ist wohl der Hauptpunkt das Verhalten
der Mutanten bei der Bastardierung. Aus allem, was wir in den bis-
herigen Vorlesungen gehört haben, muß eine Mutation in dem Hinzu-
kommen oder Ausfallen eines Erbfaktors bestehen. Die Mutante mit
der Stammform gekreuzt muß somit eine einfache Mendelsche Spaltung
ergeben und tut es auch in den experimentell sicher gestellten Fällen,
wie wir sehen werden. Ganz anders verhalten sich aber die de Vries-
schen Oenotheramutanten. Es wäre eine besondere Vorlesung nötig,
um all die Besonderheiten zu schildern, die sich bei den Oenothera-
kreuzungen ergeben haben. Da gibt es allerdings Mutanten, wie die
Form brevistylis, die mit der Stammform gekreuzt, mendeln. Wieder
andere aber ergeben in Fx eine Spaltung in die beiden Elternformen
und die Spaltungsprodukte sollen dann in F2 usw. konstant bleiben.
Die Spaltung selbst erfolgt aber in ganz unregelmäßigen Prozentsätzen.
Nun treten aber in den weiteren Generationen unter den scheinbar
reinen Formen wieder in gewissen Prozentsätzen die anderen Eltern-
formen und gerade nur die auf. Aber auch diese Resultate scheinen
nicht konstant zu sein, da andere Autoren bei den gleichen Kreuzungen
wieder andere Resultate erzielten. Bei Kreuzung zwischen Mutationen
untereinander tritt in F2 die Stammform wieder auf, daneben kommen
aber auch Formen vor, die die Eigenschaften beider Mutanten ver-
einigen und von de Vries als Doppelmutanten bezeichnet werden.
— 425 —
Die gleichen Doppelmutanten können aber auch gelegentlich aus der
reinen Stammform, wie aus reinen Mutanten hervorgehen, ebenso
mehrere Doppelmutanten aus einer Mutationskreuzung und es können
sogar Formen auftreten, die die Eigenschaften vieler Mutanten in sich
vereinigen. Endlich soll es sogar konstant intermediäre Bastarde
geben. Diese kleine Auswahl aus den Resultaten von de Vri es »Gates,
Heribert-Nilsson, Honing, Schouten, Stomps u. a. gibt wohl
über die Wertung des Mutationsphänomens zu denken!
Zu diesen für die Beurteilung des Ganzen entscheidenden Punkten
kommt nun noch die Betrachtung der ganzen Mutationserscheinung
als solcher, die Beschränkung auf die Oenotheraarten, die Vielheit der
Mutanten und ihr immer wieder typisches Auftreten, das Abgeben der
gleichen und spezifischen Mutanten von Seiten der Mutanten selbst.
Nimmt man all dies zusammen, so gewinnt die Annahme von Bateson-
Lotsy von der Bastardnatur der Oenothera, wenigstens in allgemeinster
Fassung, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Wie die Verhält-
nisse dabei im einzelnen liegen, ist allerdings eine weitere Frage. Man
hat da verschiedene Wege einzuschlagen versucht. Davis, der der
Meinung ist, daß die 0. lamarckiana einen spaltenden Artbastard
darstellt, hat versucht, sie synthetisch durch Bastardierung von O.
grandiflora x biennis herzustellen und erhielt auch bereits lamarckiana-
ähnliche Formen, wenn auch von einem entscheidenden Erfolg wohl
noch nicht gesprochen werden kann. Am nächsten dürfte der Lösung
des Problems wohlHeribert-Nilsson gekommen sein, der auf anderem
Weg vorging. Er geht von den Tatsachen der Variabilität aus und von
dem Verhalten quantitativer Merkmale bei der Bastardierung, das wir
früher (S. 255 — 260) ja genau kennen gelernt haben. Er stellt zunächst
fest, daß die meisten Merkmale, die die Mutanten von der Stammart
unterscheiden, quantitativer Natur sind und bei jener nur extreme
Zustände einer Variationsreihe darstellen. Betrachtet man nun die
gleichen Eigenschaften innerhalb der Stammart, so kann man auch
hier schon erblich verschiedenartige Linien isolieren. Da nun die Oeno-
thera eine allogame, durch Insekten bestäubte Pflanze ist, so tritt eine
dauernde Neu- und Umkombination dieser selbständigen quantitativen
Faktoren ein. Es wird nun nach dem, was wir bereits früher kennen
— 426 —
lernten, relativ selten vorkommen, daß die Kombinationen mit zahl-
reichen gleichsinnigen Faktoren vorkommen. Nehmen wir etwa an,
sehr lange Früchte entständen durch das Zusammenwirken von 5 Länge-
faktoren ABCDE, so werden in solchen immer wieder sich wechselseitig
befruchtenden Populationen stets alle möglichen Kombinationen
vorhanden sein wie ABede, AbcDe usw., die ganze Kombination ABCDE
wird aber sehr selten sein. Erscheint sie aber plötzlich, so scheint eine
Mutation vorzuliegen. Daß diese dann einigermaßen rein züchtet, ist
erklärlich, da bei solchen Kombinationsreihen quantitativer Faktoren
die extremsten Glieder immer die am meisten homozygoten sind (s. die
früheren Erörterungen über Nilsson-Ehles Prinzip). Es wäre somit
die Oenothera in keiner Weise von irgendeiner anderen stark polymorphen
Art unterschieden und die Mutationserscheinung in eine Rekombi-
nation einer Reihe vorzugsweise quantitativ wirkender mendelnder
Faktoren aufgelöst. Auch die merkwürdigen Resultate der Mutations-
kreuzungen lassen sich unter diesem Gesichtspunkt recht gut verstehen,
so daß es scheint, als ob hier wirklich die Lösung gegeben sei. Alle
Schwierigkeiten sind damit allerdings noch nicht aus dem Weg
geräumt.
Und zwar ist es da vor allem der Fall der Oenothera gigas, der als
nicht geklärt betrachtet werden muß. Wenn auch die Brücke zwischen
dieser Riesenfoim und der Stammart durch viele Übergänge gegeben
ist und auch die konstant-intermediäre Vererbung der Bastarde mit
der Stammform von Heribert -Nilsson erklärt ist, so ist doch noch
eine sehr wesentliche Tatsache ungeklärt : gigas unterscheidet sich
nämlich nach der Entdeckung von Gates von der Stammart durch
den Besitz der doppelten Chromosomenzahl, nämlich 28 statt 14. Außer-
dem gibt es auch eine Mutante semigigas mit 21 Chromosomen (Sto mps,
Lutz). Wrie diese Besonderheit auch zustande gekommen sein mag,
sicher ist, daß keine Mendelsche Rekombination sie erklären kann,
so daß wenigstens dieser Charakter als Mutation bestehen bleibt. Man
müßte gerade annehmen, daß das zufällige Zusammentreffen all der
quantitativen Faktoren, die zusammen den Charakter der Mutante
gigas hervorrufen sollen, eine physiologische Konstellation schafft, die
die Chromosomenverdoppelung als Folgeerscheinung zeitigt. Man
— 427 —
könnte als Beweis dafür anführen, daß nach Geerts in F2 aus gigas x
lamarckiana wieder die Normalzahl von Chromosomen (14) erscheint,
ohne daß sich der intermediäre Charakter des Bastards ändert. Hier,
wie noch in so vielem anderm, was die merkwürdige Pflanzenart
betrifft, ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Kann man nun sagen, daß damit die Mutationstheorie ihre Be-
deutung verloren hat? Mit nichten! Denn wenn auch der gesamte
Fall der Oenothera ausscheidet, so bleibt die Erscheinung der Mutation,
abgesehen von den übrigen Tatsachen, doch eine notwendige Folgerung
aus der Faktorentheorie : eine neue Erbfaktorenkonstitution kann nur
durch Additions- oder Subtraktionsmutation entstehen. (Progressive
und Verlustmutanten.) Aber nichts ist schwieriger als ihr Auftreten
einwandfrei nachzuweisen. Wir haben ja schon früher die Sports der
Züchter als Beispiele für Mutation kennen gelernt, aber auch bereits
gesehen, welche Vorsicht ihnen gegenüber geboten ist. Wenn nicht
die ganz reine Aszendenz der betreffenden Tier- oder Pflanzenformen
in mehreren Generationen bekannt ist, ist die Möglichkeit einer Bastard-
kombination nicht von der Hand zu weisen. Wie eine solche als etwas
ganz Neues und Überraschendes erscheinen kann, illustriert zur Genüge
die früher besprochene quergestreifte Helix, die Lang züchtete. Einen
in dieser Beziehung recht beweisenden Versuch scheint uns Tower
angestellt zu haben.
Er brachte u. a. eine gleiche Anzahl von Koloradokäfern der 3 Spezies
decemlineata, oblongata und multi taeniata auf eine isolierte
Insel in Mexiko, an welcher Lokalität die sonst in diesem Gebiet hei-
mischen oblongata fehlten. Dort überließ er sie sich selbst und der
Kreuzung. In der ersten Generation konnte er dann 5 Typen (A — E)
feststellen, nämlich die drei Ausgangsformen A — C und Mittelformen
zwischen decemlineata einerseits und andererseits oblongata (D),
bzw. multitaeniata (E). Die Mittelformen zwischen decemlineata
und oblongata (D) überwogen stark, wie folgende Zahlen zeigen:
A B C D E
327 371 142 1439 246
Schon in der 4. Generation zeigten sich nun vorzugsweise Formen,
die aus den beiden Arten von Mittelformen D + E kombiniert waren,
— 428 —
und in der 5. Bastardgeneration waren diese Formen D + E ausschließ-
lich in der Zahl von 1877 Tieren vorhanden. Diese wurden dann nach
Chicago genommen und weiter untersucht und pflanzten sich nun
völlig rein fort. Aber in ihrer Nachkommenschaft traten immer 2 bis
3% Formen auf, welche sich ebenso wie Mutanten weit vom Mittel
der Population entfernten und auch in bezug auf Erblichkeit verhielten.
Tower findet aber, daß sie nichts Neues darstellen, sondern eine Ab-
spaltung von bei der Bastardierung eingeführten Charakteren.
Aber auch wenn es sich um ganz neuartige Charaktere handelt,
muß nicht unbedingt eine Mutation vorliegen. Man denke an all das,
was wir früher über das Auftreten von Neuheiten nach Bastardierung
hörten. Wenn man also etwa sagt, daß ein so absonderlicher Charakter
wie das Seidenhaar von Ziegen, Katzen, Meerschweinchen, Kaninchen,
Hunden nur durch Mutation entstanden sein kann, so ist dem nach
den Erfahrungen am Mauchampschaf, an den Hasenkaninchen ent-
gegenzuhalten, daß er auch als Neukonstruktion durch Interferenz
von Faktoren nach Bastardierung entstanden sein kann. Es ist da
eben doch sehr bemerkenswert, daß bei genauerer Kenntnis der Tat-
sachen recht viele sogenannte Mutationen in diese Kategorie fallen.
Das Mauchampschaf wurde mehrfach erwähnt, die berühmten Zucht-
erfolge Luther Burbanks und der Svalöfer Getreidezüchter, die für
die Mutationslehre in Anspruch genommen wurden, haben so ihre
Erklärung gefunden.
Beschränkt man sich so auf die Mutanten, die unter wirklicher
Kontrolle auftraten, so ist deren Zahl allerdings immer noch eine recht
große und wächst täglich. Aber sie haben alle eine merkwürdige Ge-
meinsamkeit: sie sind immer oder fast immer Verlustmutanten, ein
Erbfaktor ist aus der Erbmasse ausgefallen. Solche Fälle sind bei all
den Tieren und Pflanzen beobachtet worden, die die Hauptobjekte
der Erblichkeitsforschung bilden. Der typische Charakter dieser Fälle
ist uns ja bereits von dem Studium des Mendelismus her geläufig. Man
erinnere sich an die Farbrassen der Mäuse, die durch Ausfallen einzelner
Erbfaktoren entstanden; fiel G aus, so wurde aus einer grauen eine
schwarze Maus, fiel C aus, ein Albino, oder man denke an die Mutationen
in Augenfarbe, Flügelgröße, die in Morgans Drosophilakulturen auf-
— 429 —
traten und bei unseren Erörterungen über geschlechtsbegrenzte Ver-
erbung eine Rolle spielten. Als Einzelfall mag vielleicht dar-
gestellt werden, wie in Hagedoorns Mäusezuchten eine solche Mu-
tation zur Beobachtung kam. Er fand in einer Kultur von wildfarbigen
und weißen Mäusen plötzlich schwarze. Durch Rückkreuzung mit
den noch lebenden Eltern und Vorfahren konnte er nun ihre Entstehung
aufklären. Schwarz entsteht, wie wir wissen, wenn der Wildfaktor G
wegfällt. Wenn GN .... wildfarbig ist, ist gN ... . schwarz. Es
zeigte sich nun, daß eine Maus in F2 teilweise Gameten bildete von der
Beschaffenheit gN . . . . Da diese mit normalen grauen GN .... be-
fruchtet wurden, so entstanden heterozygote Mutanten GgNN . . . ., die
natürlich auch wildfarbig waren, somit ihr Wesen nicht erkennen ließen.
Erst als ein solches heterozygotes Weibchen mit einem heterozygoten
Männchen zusammenkam, mußten schwarze entstehen, denn GgNN x
GgNN = GGNN + 2 GgNN + ggNN. In ganz analoger Weise ver-
laufen die anderen durch Baur, Correns, Nilsson-Ehle, Morgan u. a.
beschriebenen Mutationen, die, wie aus der Betrachtung des Beispiels
hervorgeht, oft lange unsichtbar bleiben können, bis sie einmal hervor-
treten. Dabei erweisen sie sich zunächst, wie auch in diesem Fall, als
heterozygot.
Wir sagten schon, daß diese Mutanten fast immer Verlustmutanten
sind; ja manche Forscher, wie Baur und Hagedoorn, leugnen über-
haupt die Existenz von progressiven Mutanten. Tatsächlich kann
leicht eine Gewinnmutation vorgetäuscht werden, während eine Verlust-
mutation vorliegt, nämlich wenn ein Hemmungsfaktor ausfällt. Ja in
einem solchen Fall kann es sich sogar um den scheinbaren Gewinn
einer ganzen Reihe von Eigenschaften handeln. Ein sehr schönes
Beispiel dieser Art verdanken wir Nilsson-Ehle. Die Kulturhafer-
sorten sind durch das Fehlen einer ganzen Reihe von Merkmalen aus-
gezeichnet, die der wilde Hafer besitzt. Jedes dieser Merkmale beruht
auf der Anwesenheit mendelnder Faktoren. In Kulturrassen traten
nun plötzlich Individuen vom Wildhafercharakter auf, die sich somit in
allen den betreffenden Merkmalen weit vom Ausgangsmaterial ent-
fernten. Mit der Ausgangsrasse gekreuzt, zeigten nun diese Mutanten
eine einfache Mendelspaltung, unterschieden sich also nur in einem
— 430 —
Erbfaktor. Die Erklärung ist nun die, daß die Kulturrassen einen
Hemmungsfaktor besitzen, der die Manifestation all der Wildhafer-
charaktere unterdrückt. Die Mutation bestand im Ausfall dieses Hem-
mungsfaktors, wodurch sofort alle jene Charaktere gleichzeitig mani-
fest wurden.
Betrachten wir nun all diese Resultate, so müssen wir sagen, daß
das Ergebnis gerade kein sehr tröstliches ist. Denn wir wissen somit
von dem Auftreten neuer artbildender Eigenschaften eigentlich gar
nichts. Und das ist wohl die fühlbarste Lücke, die die Vererbungs-
wissenschaft bisher gelassen hat. Wer sie für unüberbrückbar hält,
der kann schließlich mit Lotsy die Ansicht vertreten, daß die gesamte
Mannigfaltigkeit der Tier- und Pflanzenwelt auf Bastardkombination
beruht. Wäre das richtig, so hätte wohl das letzte Stündlein der Ab-
stammungslehre geschlagen. Noch ist das aber nicht der Fall, denn
wenn wir auch noch nicht wissen, wie neue Eigenschaften entstehen,
so ist auch noch keine der Möglichkeiten widerlegt, die da gegeben
sind. Und eine von ihnen, die wir bisher ganz außer acht ließen, die
alte Darwinsche Anschauung, bietet sich uns nun, an diesem Punkt
angelangt, zur Diskussion dar.
Einundzwanzigste Vorlesung.
Mutation und Modifikation. Das Problem der Vererbung er-
worbener Eigenschaften. Die Telegonie.
Wenn wir uns an das erinnern, was die ersten Vorlesungen gelehrt
hatten, so tritt uns als eine wichtige Grundtatsache vor Augen, daß
strenge zwischen den nicht erblichen Variationen oder Modifikationen,
auch Somationen genannt, und den erblichen Variationen oder Mu-
tationen zu scheiden ist. In der Literatur über die Abstammungs-
lehre spielen nun gerade die Modifikationen, die wir als geographische,
klimatische, Lebenslage-Standortsvariationen kennen lernten, eine we-
sentliche Rolle. WTir haben aber nun erfahren, daß die Modifikationen
— 431 —
nicht erblich sind und daher durch ihre Auswahl auch nichts Neues
geschaffen werden kann. Fallen sie also nun vollständig für die Frage
der Artbildung aus und sind die Mutationen ganz andersartige Dinge,
die mit jenen gar nichts zu tun haben?
Da ist es zunächst von Interesse zu sehen, wie D arwin sich zu diesem
Problem stellte. Darwin war sich, besonders in jungen Jahren, völlig im
klaren über die Bedeutung der Mutationen, der Sports für die Artbildung.
Aber auch in bezug auf die Variation machte er, wenigstens in jungen
Jahren, nicht den Fehler, der ihm so oft vorgeworfen wird. Wenn
ihm auch noch die exakte Kenntnis der fluktuierenden Variabilität
im Quetelet-Galtonschen Sinn fehlte, und wenn er vielleicht auch
später die nicht erblichen Glieder der Variabilität zu wenig berück-
sichtigte, so war er sich doch ursprünglich darüber völlig im klaren,
daß nicht alle Varianten erblich sind und daß für die Artbildung nur
erbliche Varianten in Betracht kommen können. Sein Essay vom
Jahre 1842, also 17 Jahre vor dem Erscheinen des Hauptwerks ge-
schrieben, beginnt mit den Worten: „Em einzelner Organismus, der
unter neue Bedingungen gerät, variiert manchmal in geringem Maße
und in ganz unbedeutenden Dingen wie Wuchs, Fettheit, manchmal
Farbe, Gesundheit, Gewohnheiten bei Tieren und wahrscheinlich auch
Disposition. Auch die Art der Lebensweise bringt gewisse Teile zur
Entwicklung. Die meisten dieser geringen Variationen neigen dazu,
erblich zu werden." Der Vorwurf, den man der Selektionslehre so oft
macht, daß sie die Entstehung neuer Formen erklären wolle, trifft sie
daher, wie Plate schon öfters hervorhob, gar nicht, da sie sich nur
auf schon entstandene erbliche Varianten bezieht.
Darwin unterschied also zwischen erblichen und nicht erblichen
Variationen, Modifikationen und Mutationen, aber er hielt sie nicht
für prinzipiell verschieden, er glaubte, daß jene in diese übergehen
können. Ob dies möglich ist, ist nun in der Tat eine grundlegende
Frage und so müssen wir nun einmal das Verhältnis der beiden Er-
scheinungen näher beleuchten. Zu dem Behuf müssen wir zunächst
für die Mutationen einige Fragen beantworten, die wir in bezug auf
die Modifikationen schon ausführlich besprochen haben, vor allem die
Frage nach der Ursache der Mutation.
— 432 —
In der oben S. 422 aufgeführten Tabelle von Towers Material
muß es auffallen, daß im Jahr 1900 in Maryland so ungewöhnlich viele
Mutationen auftraten, und auch in dem Stammbaum der Oenothera
nach de Vries tritt das besonders hohe Mutationsprozent in den Jahren
1895 und 1896 hervor. Und das deutet darauf hin, daß die Ursache
der Mutation vielleicht in äußeren Bedingungen zu sehen ist. Mit
aller Klarheit geht es aus den Beziehungen hervor, die sich zwischen
Lebenslagevariation und Mutation bei den Koloradokäfern gezeigt
haben. Wir haben schon oben die charakteristische Lebenslage Varia-
tion, wie sie sich unter dem Einfluß des Wechsels der äußeren Bedin-
gungen zeigt, näher kennen gelernt. Es zeigte sich nun, daß in den
Jahren, in denen die Bedingungen derartige sind, daß eine recht extreme
Lebenslagevariation eintritt, auch die Zahl der Mutanten beträchtlich
ansteigt. So erschien in einem Jahre, das derartige Wirkung auf die
Lebenslagevariation erkennen ließ, in Guadeloupe die Mutation mela-
nothorax 10 mal häufiger als gewöhnlich, in Puebla sogar 30 mal
häufiger; in anderen Fällen konnte festgestellt werden, daß ein Jahr
mit besonders reichlichen Niederschlägen sich auch durch besonders zahl-
reiche Mutationen auszeichnete. Ganz ähnliche Beobachtungen liegen
aber auch für viele andere Objekte vor; Simroth hat eine ganze Reihe
von Tierformen verschiedenster Gruppen zusammengestellt, die bei
uns in dem extrem heißen und trockenen Sommer 1904 mutierten;
so fand ferner Graf Arnim Schlagenthin, daß in reinen Weizen-
linien neue Mutanten nach Frostschaden auftraten. Doch kann ein
sicherer Schluß erst gezogen werden, wenn das Experiment die gleichen
Resultate ergibt. Die Fragestellung dazu lautet: Ist es möglich, durch
Einwirkung äußerer Faktoren künstlich Mutationen zu erzeugen? Die
Frage muß bereits bejaht werden, wenn auch dieses Studium erst in
den Anfangsstadien liegt.
Es hat seinen Ausgangspunkt genommen von den Erfahrungen und
Experimenten der Schmetterlingszüchter, welche ausgeführt wurden,
noch ehe die Mutationslehre weitere Geltung besaß und zunächst teils
systematische Aufklärung, teils Lösung von Abstammungsfragen be-
zweckten. Wir meinen die so berühmt gewordenen Temperaturexperi-
mente an Schmetterlingen, denen wir ja bereits oben unsere Aufmerk-
— 433 —
samkeit zugewandt haben. Dorfmeister war der erste, der um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts Puppen mit hohen und niedrigen Tem-
peraturen zu behandeln versuchte, um damit die Frage zu lösen, ob
die verschiedenen geographischen Varietäten der Falter durch klima-
tische Differenzen bewirkt seien. Weis mann, Edwards, v. Rei-
chenau, Merrifield vertieften die Studien weiter, die aber
erst durch Standfuss und E. Fischer ihre Bedeutung für die
Mutationstheorie erhielten. Die Hauptresultate bestanden ja, wie
schon ausführlicher besprochen, darin, daß junge Puppen von mittel-
europäischen Faltern, die mit niederen Temperaturen von etwa 6°
behandelt wurden, Schmetterlinge ergaben, die den nördlichen Varie-
täten entsprachen, während solche, die einer Wärme von etwa 360
exponiert wurden, Falter südlicher Rasse ergaben. Das analoge Re-
sultat, die künstliche Erzielung der Standortsvarietäten des Kolorado-
käfers, haben wir ja auch schon oben besprochen. Es traten bei diesen
Versuchen aber auch neue Typen auf, nämlich stärker aufgehellte und
stark verdunkelte Individuen. Und gewisse dabei gemachte Beobach-
tungen führten dazu, mit Frost von — 4 bis ■ — 200 und mit Hitze von
+ 40 bis +460 zu arbeiten, wobei sich zeigte, daß beide in gleichem
Sinn verändernd einwirkten, und die so geschaffenen Hitze- bzw. Frost-
aberrationen glichen gewissen selten in der Natur auftretenden Aber-
rationen, von denen es höchstwahrscheinlich, zum Teil, wie schon er-
wähnt, sicher ist, daß sie Sports, Mutationen darstellen. Es war also
möglicherweise gelungen, hier künstlich Mutationen zu erzeugen; der
Beweis dafür kann aber nur aus ihrem erblichen Verhalten geliefert
werden. Nachdem schon Standfuss eine Andeutung davon erhalten
hatte, ist es Fischer gelungen, ihn zum erstenmal einigermaßen sicher
zu stellen. Er erzeugte durch Frostwirkung Aberrationen von Arctia
caja, die sich durch starke Verdunkelung infolge von Verschmelzung
der Fleckenzeichnung auszeichneten. Ein solches Pärchen, von dem
das Männchen viel stärker abgeändert war als das Weibchen (Fig. 174,
1 u. 2), wurde zur Fortpflanzung gebracht. Es entwickelten sich aus
den Eiern 173 Puppen und als diese schlüpften, kamen unter den Fal-
tern, die zuletzt ausschlüpften, 17 Individuen zum Vorschein, die ebenso
wie die Eltern verändert waren; 6 von diesen sind in Fig. 174, 3 — 8
Golds ch m i dt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 2°
— 434 —
wiedergegeben. Die Männchen erwiesen sich stärker verändert als die
Weibchen. Wenn auch dieses Resultat noch keineswegs allen An-
Fig. 174.
Künstlich erzeugte Temperaturaberrationen von Arctia caja (1 u. 2) und 6 ihrer Nach-
kommen. Nach Fischer.
forderungen gerecht wird und seine exakte Interpretation durchaus
nicht so einfach ist, so bedeutet es doch einen sehr wichtigen ersten
Schritt.
— 435 —
Hier schließen sich nun die schon so oft erwähnten Studien Towers
an, die auch in diesem Punkte wirkliche Klarheit brachten. Sie gingen
von den erwähnten Beobachtungen über gelegentlich besonders reiches
Auftreten von Mutanten in der Natur aus, ebenso wie von gelegent-
lichen Beobachtungen im Verlaufe anderer später zu besprechender
Versuche, bei denen mit veränderten äußeren Bedingungen gearbeitet
wurde, wobei die Zahl der Mutanten beträchtlich zunahm. Schon
Dorf meist er hatte bei den Temperaturexperimenten mit Schmetter-
lingen erkannt, daß die Wirkung eintritt, wenn man nur die eben ge-
bildeten Puppen dem Temperaturreiz aussetzt, daß also eine besonders
empfängliche, eine sensible Periode besteht. Eine ebensolche ver-
mochte nun auch Tower festzustellen. Wenn die Käfer vor der Über-
winterung oder aus der Puppe ausschlüpfen, sind ihre Geschlechts-
produkte noch nicht entwickelt, sie machen ihre Entwicklung erst in
den folgenden Tagen durch, und zwar entwickelt sich zuerst ein Satz
Eier, der abgelegt wird, und dann ebenso weitere. Und diese Zeit des
Heranwachsens der Eier hat sich als die sensible Periode für die Er-
zeugung von Mutationen erwiesen. Wurden während dieser Zeit die
Käfer extremen äußeren Bedingungen wie Hitze, Trockenheit, niederer
Luftdruck ausgesetzt, so erzeugten sie Mutationen in ungewöhnlicher
Zahl. So wurden, um ein Beispiel zu nennen, 4 Pärchen von L. dece in-
line ata so behandelt, während sich der erste Eiersatz ausbildete und
nachher die Jungen unter ganz normalen Bedingungen aufgezogen.
Aus diesen Eiern kamen 96 Käfer zur Entwicklung, von denen 82 die
Mutation pallida, 2 die Mutation immaculothorax darstellten,
während nur 14 gewöhnliche decemlineata schlüpften. Wurden
aber die folgenden Eiersätze unter normalen Bedingungen gebildet,
so lieferten sie keine Mutationen. Zahlreiche Experimente auch
mit anderen Arten gaben das gleiche Resultat, und es braucht wohl
kaum besonders hervorgehoben zu werden, daß sich die Mutanten als
völlig erblich erwiesen. Aus allen diesen Versuchen sei nur noch einer
erwähnt, weil da als Mutation nicht eine Färbungsvarietät, sondern
ein neuer physiologischer Charakter erschien. Bei einem der Versuche
kamen aus einem der auf Mutation beeinflußten Eiersätze auch 20
decemlineata zum Vorschein, die sichtlich unverändert waren. Auch
28*
— 436 —
ihre Nachkommen erschienen völlig unverändert. Aber als die Parallel-
kulturen zu überwintern begannen, blieben diese an der Oberfläche,
und es zeigte sich schließlich, daß sie, anstatt der normalen zwei, im
ganzen 5 Generationen bildeten, bevor sie überwinterten. Und diese
Eigentümlichkeit behielten sie auch im nächsten Jahr bei, es war eine
Rasse mit der erblichen Eigenschaft gebildet worden, in einem Zyklus
5 Generationen hervorzubringen, eine Fähigkeit, die in der Natur keinem
Glied der Gattung zukommt. Es sei, gewissermaßen in Parenthese,
hinzugefügt, daß Wettstsein im Pflanzenreich einen ganz analogen
Fall fand, die Entstehung einer einjährigen Mutation aus dem peren-
nierenden Ranunculus. alpestris. Allerdings wurde dieser Fall
nicht im Experiment erzeugt, sondern in freier Natur aufgefunden.
An diesen Resultaten erscheint nun bemerkenswert, daß die künst-
liche Erzeugung von Mutanten die Einwirkung der betreffenden Fak-
toren während einer bestimmten sensibeln Periode erfordert, in diesem
Fall der Zeit der Reifung der Geschlechtsprodukte. Es ist ja auch
nicht weiter merkwürdig, daß deren Empfänglichkeitszustand maß-
gebend ist, da ja neue erbliche Eigenschaften sich innerhalb der Erb-
masse der Geschlechtszellen finden und bilden müssen. Auf die theo-
retische Tragweite dieser Dinge werden wir denn auch in den nächsten
Vorlesungen näher einzugehen haben. Hier wollen wir nur noch kurz
Fälle erwähnen, die sich auf die Erzeugung von Mutationen durch
ungewöhnliche, in der Natur wohl kaum verwirklichte Reize beziehen.
Der eine von ihnen erscheint doppelt interessant dadurch, daß er sich
auf die de Vriessche Mutationspflanze Oenothera bezieht. Mc Dougal
mit seinen Mitarbeitern Shull und Vail prüfte die Befunde von de Vries
nach und konnte sie in allen wichtigen Punkten bestätigen und vor
allem auch durch genaue variationsstatistische Betrachtung erweitern.
Bei dieser Gelegenheit führte er dann auch Versuche zur experimen-
tellen Erzeugung von Mutanten und zwar durch direkte Beeinflussung
der Fort pflan zungsorgane aus. Es wurden verschiedene Salzlösungen,
wie Zinksulfat, Kalziumnitrat, Kupfersulfat, Zucker in die Ovarien
gespritzt oder diese mit Radium bestrahlt. In manchen Fällen traten
dann Mutationen in relativ hoher Zahl oder auch im normalen Zahlen-
verhältnis auf. In gleicher Weise gelang es bei einer der Oenothera
— 437 —
verwandten patagonischen Nachtkerze Raimannia odorata cha-
rakteristische Mutanten zu erzeugen, die ebenfalls sich bei der Fort-
pflanzung in mehreren Generationen als konstant erwiesen. Eben-
so vermochte Gager Oenotheramutanten durch Radiumbestrah-
lung zu erzeugen, und, auf dem Gebiete des Tierreichs, Morgan auf
gleichem Wege Mutanten der Taufliege Drosophila, ausgezeichnet
durch helle statt rote Augen und kurze statt lange Flügel. Allerdings
hat es auch nicht an Kritik dieser Versuche gefehlt, da es gar nicht fest-
steht, ob die betreffenden „Mutanten" nicht auch ohne den Reiz ent-
standen wären. Dazu kommen natürlich noch alle Bedenken, die gegen
die Oenotheramutanten überhaupt sprechen. Hier ist also noch man-
cherlei zu klären. Immerhin kann man jetzt schon sagen, daß ebenso
wie für die Modifikation auch für die Mutation äußere Einwirkungen
als Ursache anzunehmen sind. Es scheinen aber auch innerer eine
Rolle zu spielen, unter denen neben unbekannten vielleicht die Wirkung
der Inzucht zu nennen wäre, wie aus Morgans Drosophila- Versuchen
hervorgeht und wofür ich auch neues Material erhalten habe.
Erbliche Mutation und nicht erbliche Modifikation dürfte also wohl
durch die gleichen Ursachen bedingt werden. Wie steht es nun mit
der Quantität der Entfernung der Mutation von der Stammart? Man
neigt leicht dazu, mit dem Begriff der Mutation die Vorstellung eines
großen Sprungs zu verbinden und mit dem der Modifikation die einer
minimalen Veränderung. Das ist nun nicht richtig.
De Vries hatte ja ursprünglich an sehr beträchtliche Differenzen
gedacht, die vor allem jenseits des Rahmens der normalen Variabilität
liegen sollten und nicht in deren Richtung, richtungslos aufträten.
Für diesen oder jenen Fall der Sports, besonders solche mehr abnormer
Richtung, also die typischen Verlustmutanten, wie sie besonders im
Tierreich vorkommen, so Hornlosigkeit der Haustiere, überzählige
Zehen bei Hühnern, mag das auch zutreffen. Ob es aber die Regel ist,
muß mehr als fraglich erscheinen. Es hat sich vor allem gezeigt, daß
die Mutationen quantitativ sehr verschieden sein können. Neben den
großen, weit von der Stammform abführenden Sprüngen stehen Mu-
tanten, deren Identität nur das geübteste Auge oder die mathematisch-
quantitative Betrachtung feststellen kann, wie etwa bei Johannsens
— 438 —
Mutationen in den reinen Bohnenlinien. Und in allen solchen Fällen
scheint es, daß sie sogar typisch in der Richtung der normalen Fluktuation
liegt. Also die Quantität des Sprunges ist für den Begriff der Mutation
gleichgültig, ebenso wie das quantitative Moment auch für den der
Modifikation gleichgültig ist: der einzige wesentliche Charakter ist die
Erblichkeit. Auch die geringste erbliche Veränderung ist eine Muta-
tion, eine noch so große nicht erbliche Veränderung ist eine Modifika-
tion oder Fluktuation.
Und nun kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück: besteht
die von Darwin als selbstverständlich angenommene Möglichkeit, daß
eine nicht erbliche Variation erblich wird, daß auf dem Weg über eine
Modifikation eine Mutation entsteht? In der üblichen Bezeichnung
aber lautet diese Frage auch : ist eine Vererbung individuell erworbener
Eigenschaften denkbar? Betrachten wir diese heißumstrittene Frage
zuerst einmal mehr allgemein; denn in der Neuzeit sind einige nam-
hafte Biologen zur Anschauung gelangt, daß es gar nicht mehr lohnt,
diese Frage ernsthaft zu erörtern, da durch die Entdeckungen, mit
denen wir uns bisher befaßt haben, die logische Unmöglichkeit jener
Annahme erwiesen sei. Sehen wir also zunächst zu, ob das wirklich
der Fall ist.
Die historische Rolle, die unserm Problem zukommt, ist ja all-
bekannt. Es ist das unsterbliche Verdienst La marcks, die grundlegende
Bedeutung dieser Frage für die Abstammungslehre zuerst erkannt zu
haben. Indem er sie bejahte, suchte er die Grundlage für die Veränder-
lichkeit der Tierformen zu legen, um auf ihr aufbauend die Tatsachen
der Anpassung an die Umgebung zu erklären. Dieser aus dem Bedürfnis
nach Vollkommenheit abgeleitete Erklärungsversuch hat ja bekanntlich
in der Neuzeit seine Auferstehung gefeiert und vor allem durch Pauly
eine philosophische Durcharbeitung erfahren. Da er sich aber zunächst
noch nicht mit der exakten Methode des Experiments behandeln läßt, so
braucht er uns auch hier nicht weiter zu beschäftigen. 'Wohl ist das
aber der Fall mit dem ersten Teil von La marcks Lehre, mit der Ver-
erbung erworbener Eigenschaften.
In La marcks Konzeption spielen eine besondere Rolle die inneren,
physiologischen Faktoren, die die Organisation der Tiere verändern,
— 439 —
vor allem die Wirkung von Gebrauch und Nichtgebrauch. Ein stark
in Anspruch genommenes Organ nimmt zu, ein unbenutztes bildet sich
zurück. Vererben sich solche Veränderungen, so ist eine allmähliche
Steigerung in dieser oder jener Richtung denkbar. Das klassische
Beispiel dafür ist die Rückbildung der Augen von im Dunkeln leben-
den Tieren, Da es keinem Zweifel unterliegt, daß sie ebenso wie ihre
nächsten Verwandten einst gut ausgebildete Augen besaßen, so ist es
der Nichtgebrauch, der die Organe atrophieren ließ, und indem diese
erworbene Variation erblich wurde, entstanden schließlich von Geburt
an und erblich augenlose Tiere. Die Nach-Lamarcksche Entwick-
lungslehre, die ja vor allem an den Namen Darwins geknüpft ist,
hat nun bekanntlich dadurch vor allem ihren durchschlagenden Erfolg
errungen, daß sie in dem Zucht Wahlprinzip eine bessere Erklärung der
Anpassungserscheinungen geben konnte, als es Lamarck vermochte.
Die Grundlagen aber jenes Versuchs, die Erblichkeit der milieubedingten
Variationen, hat sie zunächst unverändert übernommen. So schreibt
Darwin in der schon mehrfach erwähnten frühen Fassung seiner Lehre
aus dem Jahre 1844: ,, Unter gewissen Bedingungen werden organische
Wesen selbst während ihres individuellen Lebens von ihrer gewohnten
Form, Größe, oder anderen Charakteren weg etwas verändert: und
viele dieser so erworbenen Besonderheiten werden auf ihre Nachkommen-
schaft vererbt. So werden bei den Tieren Größe und Kraft des Körpers,
Mästung, Reifezeit, Charaktere des Körpers, der Bewegungen, des
Verstandes und Temperaments verändert oder während des indivi-
duellen Lebens erworben und dann vererbt. Man hat allen Grund
zu glauben, daß, wenn lange Übung gewisse Muskeln stark entwickelt
oder Nichtgebrauch sie geschwächt hat, dies auch vererbt wird."
Erst in der Neuzeit wurden ernste Zweifel an der Möglichkeit der
Vererbung der erworbenen Eigenschaften wach, und jetzt sehen wir
die Biologen in zwei Lager gespalten, zwischen denen eine Verständigung
zunächst noch nicht möglich erscheint. Diese Veränderung ging von
theoretischen Auffassungen aus, die als extremer Darwinismus be-
zeichnet werden können. Weismann war es, der in den achtziger
Jahren den Versuch unternahm, die Abstammungslehre auf eine extrem
ausgebaute Zuchtwahllehre zu basieren, und die im Anschluß daran
— 440 —
von ihm ausgearbeitete Vererbungstheorie führte ihn dazu, die Ver-
erbung erworbener Eigenschaften als unmöglich abzulehnen. Wenn
wir auch in diesen Vorlesungen uns bemühen wollen, die Theorien
weit hinter den Tatsachen zurücktreten zu lassen, so ist es in diesem
Fall nicht anders möglich, als die Schilderung der Tatsachen von den
theoretischen Voraussetzungen ausgehen zu lassen. Haben sie doch
den eigentlichen Anstoß zur experimentellen Erforschung des Problems
gegeben, und wird doch die Tragweite der positiven Resultate viel-
fach nur im Zusammenhang mit ihrem theoretischen Ausgangspunkt
verständlich.
Es ist uns nun schon öfters die Vorstellung begegnet, daß sich in
den Geschlechtszellen, die ja die ganze Erbmasse des Organismus ent-
halten, Vertreter aller jener unzähligen Eigenschaften finden müssen,
aus denen ein Lebewesen besteht. Es ist dabei zunächst gleichgültig,
in welcher Weise wir uns diese Erbeinheiten, die Gene oder Determi-
nanten, vorstellen wollen, ferner ob wir jeder Eigenschaft eine Deter-
minante zuordnen oder im Anschluß an Rhumbler uns mit einer
geringeren Zahl von Genen begnügen, als Eigenschaften vorhanden
sind. Weis mann stellt sich nun vor, daß die Ausbildung der Zellen
des Körpers zu bestimmten Organen oder Funktionen im Lauf der
Entwicklung so zustande kommt, daß die Determinanten der Erb-
masse auseinander geteilt werden, und so schließlich eine jede in die
bestimmte Zelle gelangt, deren Wesen sie determinieren soll. Nun haben
aber alle die Geschlechtszellen der kommenden Generation die Fähig-
keit, den gleichen Organismus wieder hervorzubringen, sie müssen
also in ihrer Erbmasse, oder, in Weismanns Ausdrucksweise, ihrem
Keimplasma, auch das gesamte Determinantenmaterial besitzen.
Die Bildung von so beschaffenen Geschlechtszellen ist demnach nur
denkbar, bevor die Aufteilung der Determinanten auf die Körperzellen
vor sich geht. Die einfachste Weise, sie sich vorzustellen, wäre dem-
nach die, daß die befruchtete Eizelle sich zunächst in zwei gleiche Zellen
teilt. Von diesen behielte die eine ihr ganzes Determinantenmaterial
und übertrüge es als Ganzes auf die aus ihr entstehenden Tochter-
zellen. Aus diesen, die somit die ganze Erbmasse enthalten, entständen
dann ausschließlich die Geschlechtszellen. Die andere Zelle aber hält
— 441 —
in ihren weiteren Teilungen die Determinanten nicht beisammen, sie
verteilen sich auf die Tochterzellen und bestimmen so deren Entwick-
lungsrichtung. Aus ihren Derivaten geht somit der ganze übrige Kör-
per, das Soma, hervor. Es besteht somit ein prinzipieller Gegensatz
zwischen Soma und Keimplasma. Das letztere hat eine Kontinuität
von Generation zu Generation, ist dem Körper gegenüber sozusagen
unsterblich. Ist das aber der Fall, so können neue Eigenschaften oder
Veränderungen nur in dem Determinantenkomplex des Keimplasma
entstehen. Was am Soma sich ereignet, berührt das kontinuierliche
und von Anfang an reservierte Keimplasma nicht. Mit anderen Worten
ausgedrückt heißt das aber, somatische Veränderungen, oder, wie man
gewöhnlich sagt, erworbene Eigenschaften sind nicht erblich. So sieht
in kurzen Zügen das berühmte Ideengebäude aus, von dem aus unser
Problem seine Neuorientierung erfuhr.
Es ist also ersichtlich, daß sich Weismanns gesamte Schlußfolge-
rungen auf der Determinantenlehre aufbauen. Man könnte ihre Be-
rechtigung also prüfen, indem man jene Lehre einer kritischen Be-
trachtung unterzieht, wie es seine zahlreichen Gegner auch getan haben.
Wir wollen diesen Weg aber nicht einschlagen, da unser Problem, die
Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften, ein solches ist, das unab-
hängig von theoretischen Voraussetzungen behandelt werden kann
und muß. Sagt doch auch Weis mann selbst darüber: „Fürs erste
aber müssen wir die Tatsachen zu Rate ziehen und uns von ihnen allein
leiten lassen. Beweisen sie, oder machen sie auch nur wahrscheinlich,
daß eine solche Vererbung existiert, so muß dieselbe auch möglich sein
und unsere Aufgabe ist nicht mehr sie zu leugnen, sondern ihre Möglich-
keit verstehen zu lernen." Aber ein wesentlicher Punkt aus WTeis-
manns Theorien muß einer gesonderten Betrachtung unterzogen
werden, weil er in wirklich enger Beziehung zu vielen Beobachtungs-
tatsachen steht und weil die kritische Würdigung der Tragweite der
später anzuführenden Experimente vielfach auf ihn zurückgreifen
muß: die Lehre von der Kontinuität des Keimplasma.
Wie wir gesehen haben, erfordert sie eine scharfe Trennung des
Soma von dem in den Geschlechtszellen — vielleicht ihren Chromo-
somen, wie wir in der ersten Vorlesung sahen — gegebenen Keimplasma.
— 442 —
Dies soll eine substantielle Kontinuität von Generation zu Generation
besitzen, stellt also gewissermaßen die gerade Linie dar, die die Gene-
rationen einer Art von Lebewesen miteinander verbindet, an der das
Soma als vergänglicher Seitenzweig sitzt. Wäre diese Idee eine ein-
fache theoretische Fiktion, so könnten wir sie ruhig zunächst auf sich
beruhen lassen; das ist aber nicht der Fall, es gibt vielmehr eine Reihe
von Tatsachen, die ihr für manche Fälle Realität verleihen. Solche
Tatsachen müssen nun derart beschaffen sein, daß sich die Geschlechts-
zellen eines Individuums in seiner Entwicklung als wohl abgegrenzte
Einheiten rückwärts verfolgen lassen bis zum befruchteten Ei, eine
kontinuierliche Reihe, die man als Keimbahn bezeichnet. Und es
gibt in der Tat nicht wenige Vertreter verschiedenartiger Tiergruppen,
bei denen das der Fall ist. Vielleicht der typischste Fall ist der von
Boveri entdeckte der Keimbahn von Ascaris megalocephala.
Er ist dadurch so besonders klar, daß bei diesem Spulwurm eine cha-
rakteristische zelluläre Differenz zwischen den Geschlechtszellen und
Körperzellen besteht. Während erstere in ihren Kernen 4 bzw, bei
einer anderen Varietät 2 große schleifenförmige Chromosomen ent-
halten, besitzen letztere zahlreiche kleine, stäbchenförmige. Das be-
fruchtete Ei enthält 4 Chromosomenschleifen ; teilt es sich dann in zwei
Furchungszellen, so bleiben sie in einer erhalten, in der anderen aber
zerfallen sie in viele kleine Körner, wobei die Schleifenenden zugrunde
gehen (Fig. 175). Die erstere Zelle gibt dann bei ihrer weiteren Teilung
eine Tochterzelle mit Schleifenchromosomen und eine solche, bei der
der Zerfall mit der Zerstörung der Schleifenenden, die Diminution,
stattfindet und so geht es immer weiter, wie es das Vierzellenstadium
in Fig. 175D zeigt. Die Zelle aber mit den 4 Schleifenchromosomen er-
weist sich als die Keimbahnzelle, nur aus ihr gehen später die Geschlechts-
zellen hervor, alle anderen aber, die die Diminution erfahren haben,
geben das Soma mit all seinen Elementen. Hier ist also während der
ganzen Entwicklung eine wirklich nachweisbare Trennung von Soma
und Keimplasma mit Kontinuität des letzteren gegeben.
Wenn auch außerhalb der kleinen Gruppe der Nematoden eine so
klare Charakterisierung einer Keimbahn durch Differenzen der Zell-
kerne nicht wieder bekannt geworden ist, so hat sich doch in vielen
— 443 —
Fällen eine echte Keimbahn durch genaues Verfolgen der Entwicklung
von Zelle zu Zelle erweisen lassen, so bei Würmern, Krebsen, Insekten.
Ja es scheint sich sogar immer mehr herauszustellen, daß in solchen
Fällen die Keimbahn auch von Anfang an durch die Anwesenheit be-
sonderer Substanzen morphologisch charakterisiert ist. Die betreffen-
den Zellen der Keimbahn enthalten, diesmal nicht im Kern, sondern
Fig. 175.
Zwei- und Vierteilung des Ascariseies. Die Zellen s, in denen die Chromosomen nicht
zerfallen, bezeichnen die Keimbahn. Nach Boveri aus Wilson.
im Protoplasma, Bestandteile, die nur ihnen zukommen und deren
Herkunft unter Umständen eine sehr absonderliche sein kann, wie es
von Buchner für Pfeilwürmer, von Weis mann, Amma u. a. für
Krebse, von Ritter, Kahle, Silvestri u. a. für Insekten gezeigt
werden konnte. Bemerken wir schließlich noch, daß eine solche prin-
zipielle Differenz von Soma und Keimplasma sogar schon innerhalb
— 444 —
der einfachen Protozoenzelle durchgehends vorhanden zu sein scheint
(Schaudinn, Goldschmidt), so erscheint die Weismannsche An-
nahme einer Kontinuität des Keimplasma in der Tat höchst verführe-
risch. Die logische Konsequenz dieser Anschauung ist aber, daß neue
Erbeigenschaften nur aus inneren Veränderungen des Keimplasmas
heraus entstehen können und daß, mag am Soma vorgehen was da
will, der Determinantenschatz des Keimplasmas davon nicht betroffen
wird.
Im Prinzip ist es eigentlich der gleiche Weg, auf dem nun die neuere
Erblichkeitslehre zum selben Schluß kommt; hier ist es Johanns ens
Genotypenlehre, die den Ausgangspunkt bildet. Wir erinnern uns an
die Unterscheidung von Genotypus und Phänotypus. Das äußere
Aussehen des Organismus, sein Phänotypus, gibt keine Auskunft über
seine genotypische Beschaffenheit, über die Zusammensetzung seiner
Erbmasse aus bestimmten Genen. Das was vererbt wird, ist eine Re-
aktionsnorm, die Fähigkeit unter bestimmten äußeren Bedingungen
bestimmte Gestaltung anzunehmen, z. B. auf dem Land ganze, im Wasser
zerschlissene Blätter zu bilden. Eine durch äußere Einflüsse bewirkte
Veränderung trifft daher die genotypische Beschaffenheit nicht, so
wenig, wie es einen Menschen berührt, wenn er einen anderen Über-
rock anzieht. Eine Veränderung der Reaktionsnorm kann also nur
aus dieser selbst heraus erfolgen und das ist eben eine Mutation. Die
Richtigkeit dieser Anschauung wurde vor allem durch den Nachweis
der Wirkungslosigkeit der Auswahl von Plus- oder Minusabweichern in
reinen Linien erwiesen. Sie stützt sich aber auch auf die Ergebnisse der
Bastardierungsversuche, die ja so klar die Bedeutungslosigkeit
des Phänotypus für die Erblichkeit zeigen: aus Heterozygoten spalten,
auch wenn sie noch so lange als Heterozygoten bestanden, doch immer
wieder die reinen Dominanten und Rezessiven heraus, die Keimzellen
vererben eben das, was sie von den Eltern mitbekommen haben, nach
seinem Gesetz, unabhängig von der Beschaffenheit des Somas, in dem
sie liegen.
Folgt nun daraus wirklich die logische Unmöglichkeit einer Ver-
änderung der genotypischen Beschaffenheit als Folge einer somatischen
Veränderung? Was den Fall der Bastardierungsgesetze zunächst an-
— - 445 —
geht, so scheint uns, daß er gar nichts mit dieser Frage zu tun hat.
Wenn es das Wesen des heterozygoten Zustandes ist, daß die Erb-
faktoren sich so in der Erbmasse vorfinden, daß sie bei der Gameten-
bildung wieder getrennt werden, so ist da eben ein durch die Bastar-
dierung bedingter Mechanismus gegeben, der mit der gleichen Prä-
zision arbeitet wie der gewöhnliche Erbmechanismus. Der erscheinende
Phänotypus ist also die Konsequenz jenes Verhaltens der Gene, ohne
daß dabei eine äußere Komponente eine Rolle spielt. Erst wenn diese
hinzukäme, könnte man dann aus dem weiteren Verhalten etwas schlie-
ßen. Was aber die Unwirksamkeit der Selektion in reinen Linien be-
trifft, so besagt dies doch nur, daß im gegebenen Fall der modifizierende
Reiz eine Reaktion innerhalb der ererbten Reaktionsnorm am Orga-
nismus hervorgerufen hat, deren Eintreten nicht auf die Beschaffen-
heit der Gene zurückwirkt. Es folgt aber daraus nicht, daß bei ge-
nügender Intensität des modifizierenden Reizes und adäquatem Zu-
stand der Erbmasse, eine am Soma ausgelöste Modifikation nicht auf
die Gene sie verändernd rückwirken kann. Die Möglichkeit des Her-
vorrufens einer Mutation durch Rückwirkung eines modifizierten Soma
auf die Beschaffenheit der Gene, und das ist die Vererbung erworbener
Eigenschaften oder somatische Induktion, kann also nicht als wider-
legt gelten.
Man könnte nun sagen, daß eigentlich die Frage schon durch die
Tatsache entschieden ist, daß der gleiche äußere Reiz eine Eigenschaft
als Modifikation wie als Mutation hervorrufen kann. Die Anhänger
der Anschauung von der Unmöglichkeit somatischer Induktion sagen
in diesem Fall aber, daß die Mutation durch direkte Bewirkung des
Keimplasmas bedingt sei, daß der Reiz ohne Vermittlung das Soma
traf. Wenn aber die gleiche Veränderung durch das veränderte Keim-
plasma vererbt wird, auch wie sie am Soma auftritt, etwa wie in dem
früher beschriebenen Fall des Melanismus der Arctia caja, so sprechen
sie von einer Parallelinduktion, nehmen also an, daß der Reiz
einesteils das Soma es verändernd traf, andernteils aber das Keim-
plasma direkt traf, das dann in paralleler Weise verändert wird.
Man hat versucht, eine solche Anschauung auch auf Tatsachen
zu stützen, nämlich auf die schon früher besprochenen Experimente
— 44G —
von Fischer und Tower. Wir hatten gesehen, daß es vor allem Tower
gelungen war, durch Einwirkung veränderter äußerer Bedingungen
beim Koloradokäfer Mutationen oder extreme Variationen zu erzeugen.
Das interessante Resultat, das er bei diesen Experimenten erzielte,
war nun das, daß die Mutationen nur auftraten, wenn die Einwirkung
zu einer bestimmten Zeit stattfand. Wenn die Koloradokäfer aus der
Erde kommen, beginnen ihre Geschlechtszellen heranzuwachsen und
wenn die Eier abgesetzt werden, reift ein neuer Satz wieder heran.
Diese Periode des Heranreifens erwies sich nun als die einzige, in der
Mutationen erzeugt werden können, die sensible Periode; es ist ja auch
für die Temperaturaberrationen der Schmetterlinge schon von lange
her bekannt, daß sie am besten in einer bestimmten Zeit des Puppen-
lebens hervorgerufen werden, und in Fischers Erblichkeitsexperi-
menten waren sie ja auch in dieser sensiblen Periode erzeugt. Wurden
also Käfer während der Reifung des ersten Eisatzes den Bedingungen
des Experiments ausgesetzt, so bestand ihre Nachkommenschaft vor-
wiegend aus Mutanten, wurde dann der zweite Satz normal gebildet,
so gab er auch normale Nachkommenschaft. In beiden Fällen hatte
das Tier selbst aber keine sichtbare Veränderung erlitten. Nun haben
wir aber früher gesehen, daß durch Lebenslageveränderungen, die auf
das heranwachsende Tier selbst wirken, an diesem Variationen er-
zeugt werden, die aber, wie auch die natürlichen Lebenslagevariationen,
nicht erblich sind. (Tower vergleicht sie mit einem Regenmantel,
den man bei schlechtem Wetter anzieht, der aber doch keine Verände-
rungen an seinem Träger hervorbringt.) Und daraus wird dann der
Schluß gezogen, daß es in diesem Versuch gelungen ist, die Einwirkung
auf Soma und Geschlechtszellen zu trennen, indem in ersterem Fall
zwar die Geschlechtszellen aber nicht das Soma direkt beeinflußt wurden,
in letzterem Fall keines von beiden.
Aus diesen Versuchen geht nun in der Tat hervor, daß eine Ver-
änderung der Erbmasse nur in einem bestimmten Zustand der Keim-
zellen, ihrer sensiblen Periode, möglich ist. Es geht ferner daraus her-
vor, daß diese Periode mit einer Zeit zusammenfallen kann, in der sich
eine somatische Veränderung aus physiologischen Gründen nicht mehr
erzielen läßt; ausgefärbte Tiere werden eben nicht mehr umgefärbt.
447
In andern Fällen aber, wie bei Fischers Versuchen, wird auch das
Soma noch sichtbar getroffen, da die Ausfärbung erst nach der
sensibeln Periode erfolgt. Kann man also wirklich aus solchen Ver-
suchen schließen, daß das Keimplasma ohne Vermittlung des Soma
betroffen wurde? Mir scheint, nicht. Und so stehen wir auf dem
Standpunkt, daß die Möglichkeit somatischer Induktion nicht auf
Grund unserer jetzigen Kenntnisse einfach verneint werden kann,
sondern daß sie genau wie irgendeine andere Frage nur auf Grund
experimenteller Daten zu lösen ist. Lernen wir daher einiges
von dem Material kennen, was hier im Vordergrund des Interesses
steht.
Da es gilt, die Frage zu lösen, ob eine Übertragung somatischer Ver-
änderungen auf die Keimzellen möglich ist, so hat es ein gewisses Inter-
esse, zunächst die Vorfrage zu beleuchten, ob und in welcher Weise
die Übertragung bekannter Stoffe aus dem Körper in die Geschlechts-
zellen möglich ist. Daß dieser Weg in der Tat gangbar ist, läßt sich
auf verschiedene Art beweisen. In der elementarsten Form geschieht
es durch Übertragung körperfremder Substanzen wie gewisser Farb-
stoffe durch das Soma über die Keimzellen zur Nachkommenschaft.
So wurde der Fettfarbstoff Sudan, den Sitowsky an Pelzmotten,
Riddle an Hühner und Schildkröten verfütterte, in den Eiern ab-
gelagert und auch auf die Nachkommenschaft übertragen. Und der
damit als möglich erwiesene Weg wird dann auch unter Umständen
von vom Körper selbst auf unnormale Reize hin gelieferten Substanzen
eingeschlagen. Das beweisen vor allem die Erfahrungen der erblichen
Immunität. Bekanntlich hat der Organismus die Fähigkeit, der Ver-
giftung durch die Produkte von Krankheitserregern vielfach dadurch
zu begegnen, daß er spezifische Schutzstoffe bildet, die ihm eine Im-
munität gegen die gleiche Schädigung verleihen. Es ist nun bekannt,
daß diese experimentell erzeugte Immunität noch auf die Nachkommen
übertragen werden kann. So lange die Übertragung allerdings nur
beim Säugetier von Mutter auf Kind bekannt war, konnte sie als durch
das Blut bei der embryonalen Ernährung im Uterus übertragen ge-
dacht werden. Wenn es aber gelungen ist zu zeigen, (was übrigens
wieder bestritten wird), daß auch vom Vater die erworbene Immunität
— 448 —
übertragen werden kann, so ist der Beweis als erbracht anzusehen,
daß die Immunstoffe vom Soma auf die Geschlechtszellen über-
gehen.
Damit ist aber gesagt, daß der chemische Leitungsweg, der vom
Soma zu den Geschlechtszellen führt, im Prinzip genau der gleiche ist
wie der, der von einer Körperzelle zur anderen führt. Für die einfache
Übertragung einer Eigenschaft von einer zur anderen Zelle gibt es aber
Beispiele, die sich nicht nur auf die Zellen im Gewebsverband beziehen,
sondern auch auf frei sich teilende Zellen bei ungeschlechtlicher Ver-
mehrung, Beispiele, die somit unserem Problem um einen Schritt näher
stehen. Während Untersuchungen dieser Art an Infusorien (Jennings)
bisher noch keine klaren Resultate zeitigten, hat man an Mikroorga-
nismen mancherlei interessante Befunde erzielen können. Goebel
vermochte den blutroten Micrococcus prodigiosus, auf dessen
Wachsen bekanntlich die Erscheinung der blutenden Hostie beruht,
durch Kultur auf alkalischem Agar weiß umzuzüchten. Wuchs er
lange genug so und kam dann wieder auf Kartoffel zurück, so blieb er
noch eine Zeitlang weiß. Neuere Studien über den gleichen Gegen-
stand haben gezeigt (Wolf), daß man durch Chemikalienwirkung auch
bei ganz reinem Ausgangsmaterial (reine Linien) derartige Verände-
rungen erzielen kann, die teils nach Aufhören der Kulturbedingungen
wieder zurückschlagen, teils auch erhalten bleiben. Es gibt bereits
eine umfangreiche Literatur über den Gegenstand, die zeigt, daß
solche Veränderungen bald mit dem Individuum erlöschen, bald über
mehr oder weniger „Generationen" erhalten bleiben, um dann zu er-
löschen, bald auch dauernd bestehen bleiben: also alle Stufen von der
Modifikation über die Nachwirkung bis zur sogenannten Mutation.
In diesem wie in anderen Fällen, etwa Hansens Erzeugung der Ober-
hefe durch „Mutation", ist also erwiesen, daß eine künstliche Verände-
rung in einer Zelle so weitgehend sein kann, daß sie bei der Zellteilung
dauernd auf die Derivate übertragen wird. Wir haben also erstens
die Möglichkeit einer stofflichen Übertragung im Raum, von einer
Zelle zur anderen, zweitens eine solche in der Zeit, von einer Zelle zu
ihren Derivaten. Letztere kann eine vorübergehende sein, oder eine
dauernde, erbliche. Welcher Art sie ist, muß ja wohl von dem W7esen
— 449 —
der im Experiment erzeugten Substanzen abhängen. Somit muß auch
eine Übertragung von somatischen Abänderungen auf die Nachkommen
möglich sein, vorausgesetzt, daß die betreffenden abgeänderten Sub-
stanzen zu den Geschlechtszellen geleitet werden, was sich als prin-
zipiell möglich erwies, und vorausgesetzt, daß sie derart sind, daß sie
in der „Erbmasse" die entsprechenden nicht abgeänderten dauernd
ersetzen, was sich eben auch als möglich zeigte. Es ist nunmehr nur
fraglich, ob der so als gangbar erwiesene Weg der stofflichen Über-
tragung nicht etwas von dem Vorgang der Vererbung neuer soma-
tischer Eigenschaften gänzlich Verschiedenes darstellt? Die Frage
darf aber nur an der Hand der Tatsachen beantwortet werden, nicht
auf Grand theoretischer Vorstellungen über die Erbeinheiten und der-
gleichen.
Wir werden ihrer Lösung schon näher kommen, wenn wir zusehen,
ob nicht auch normalerweise im Organismus enthaltene Fähigkeiten
oder Eigenschaften in gewissermaßen leitender Verbindung mit den
Geschlechtszellen stehen. Soll eine derartige Verbindung bewiesen
werden, so gibt es dafür wohl nur einen Weg: Die Geschlechtszellen
eines Organismus müssen durch andere ersetzt werden, die sicher noch
nicht unter dem supponierten Einfluß der betreffenden somatischen
Eigenschaften gestanden haben, um dann zu sehen, ob in ihnen eine
auf die Nachkommenschaft übertragbare Veränderung in der Richtung
der betreffenden Eigenschaften vor sich geht. Solche Versuche, die
vielbesprochenen Gonadentransplantationen, sind denn auch schon oft
angestellt worden, aber nie mit einwandfreiem positivem Erfolg. Als
Typus des Verfahrens können die Experimente dienen, die Guthrie
an Hühnern ausführte. Es gelang ihm, die Eierstöcke junger Hühner
in andere zu transplantieren, wo sie so gut einwuchsen, daß sie später
normal abgelegte Eier lieferten. Er benutzte nun eine weiße Hühner-
rasse, die in den Kontrollzuchten nur rein weiße Nachkommenschaft
lieferte, und eine ebensolche schwarze und vertauschte die Eierstöcke
schwarzer und weißer Hennen. Es wurden dann die schwarzen Hennen
mit weißem Ovar ebenso wie die weißen Hennen mit schwarzem Ovar
von weißen wie von schwarzen Hähnen befrachtet. Dabei zeigte sich
in zwei Versuchen, wie er glaubte, daß die Farbe der Tragamme auf
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 29
— 450 —
die Nachkommenschaft einen Einfluß ausübte. Wurde ein schwarzes
Huhn, dem ein weißes Ovar implantiert war, von einem weißen Hahn
begattet, so ergab die Nachkommenschaft, wie Fig. 176 obere Reihe
zeigt, 9 weiße und 11 weiß und schwarze Küken. Wurde umge-
kehrt ein weißes Huhn mit schwarzem Ovar von einem schwarzen
Hahn begattet, so ergab die Nachkommenschaft (Fig. 176 unten)
Fig. 176.
Schematische Darstellung von Guthries Transplantationen der Hühnerovarien. Nach
Guthrie aus Godlewski.
12 schwarz und weiße Küken. Es soll also die Farbe der Mutter
auf die fremden Eier einen derartigen Einfluß geübt haben, daß sie
die Fähigkeit sie zu zeigen auf die Nachkommenschaft vererbten. Schon
a priori erscheint nun dieses Resultat höchst unwahrscheinlich, wenn
wir uns an die mendelistischen Tatsachen über die Farbvererbung
erinnern. Und in der Tat hat auch kein anderer Untersucher, der die
— 451 —
zahlreichen Fehlerquellen zu vermeiden suchte, ein positives Resultat
erhalten (Davenport für Hühner, Castle für Kaninchen). Nach
unseren obigen allgemeinen Erörterungen ist ein Erfolg aber auch
nur zu erwarten, wenn so vorgegangen wird, daß an einem Tier durch
äußere Bewirkung eine ungewohnte somatische Veränderung hervor-
gerufen wird, und dann diesem Tier die Geschlechtsdrüse eines Normal-
tieres eingesetzt wird. Solche Versuche liegen bisher nur von Seiten
Kammerers vor, der ihre Resultate für positive hält. Allen kritischen
Einwänden gegenüber scheinen sie uns aber noch nicht bestehen zu
können.
Unsere Vorfrage ist somit dahin zu beantworten, daß in der Tat
eine Stoffleitung zwischen Soma und Geschlechtszellen besteht. Von
der Überlieferung einer neuen Substanz, bis zum Entstehen eines neuen
Erbfaktors ist allerdings noch ein weiter Weg, und es fragt sich nur,
wie es mit den Tatsachen steht, die einen solchen Vorgang, eine soma-
tische Induktion, beweisen sollen.
Die Beantwortung der Frage muß uns zur Betrachtung einer Aus-
wahl aus all dem Material führen, das man als Beweis für die Vererbung
erworbener Eigenschaften vorgebracht hat. Es lassen sich wohl die
wesentlichen Erwerbungen, die der Organismus im individuellen Leben
machen kann, bei den nicht scharf voneinander abzugrenzenden Gruppen
der Veränderung durch Gebrauch und Nichtgebrauch, der Instinkt-
variationen, und der allgemeinen Beeinflussung durch die Lebenslage
unterbringen. Dazu kämen noch die mehr unnatürlichen Experimental-
einwirkungen wie künstliche Krankheitserregung und Verstümmelung.
Wir dürfen letztere beiden Punkte aber wohl beiseite lassen, weil das
Material, das sich mit ihnen befaßt, teils in der Fragestellung, teils in
den Resultaten zu unklar ist, andererseits aber auch für die engeren
Erblichkeits- und Artbildungsprobleme nicht allzu wesentlich erscheint.
Sicherlich ist die Gruppe der Neuerwerbungen durch Gebrauch und
Nichtgebrauch, also das Gebiet, das dem engeren Lamarekismus zu-
grunde liegt, diejenige, in der man für unser Problem die bedeutungs-
vollsten Resultate erwarten sollte, auch fordern müßte. Gerade hier
haben aber bisher die experimentellen Studien, wenigstens wenn man
einen einigermaßen kritischen Maßstab anlegt, noch ziemlich versagt.
29*
— 452 —
Indirekte Anhaltepunkte gibt es ja daiür in Fülle, auch Experimente,
bei denen aber eine Voraussetzung immer im Gebiet des Phylogene-
tischen, also der Unsicherheit, liegt. Sehr interessant sind ja zweifellos
Tatsachen von der Art der folgenden. Schon Darwin wies darauf
hin, und Semon hat es neuerdings wieder untersucht, daß bei mensch-
lichen Embryonen die Fußsohlenhaut schon viel dicker angelegt wird,
als die des übrigen Körpers. Da die Verdickung und Verhornung dieser
Stelle als eine Erwerbung durch die Benutzung beim aufrechten Gang
betrachtet werden muß, wäre also eine durch Gebrauch erworbene
Abänderung erblich geworden. Ein ganz ähnlich liegender Fall ist
der der Karpalschwiele beim Warzenschwein Phacochoerus. Dieses
sucht abweichend von allen seinen Verwandten seine Nahrung, indem
es auf den Handgelenken liegend rutscht, mit den Hinterbeinen nach-
stemmt und so im Boden wühlt. Dementsprechend ist auch das Karpal-
gelenk mit einer hornigen Schwiele versehen, einer Stelle, an der auch
die Haare fehlen. Leche fand nun, daß schon beim Embryo diese
Stelle deutlich kenntlich ist und mit verdickter Haut, der die Haar-
anlagen fehlen, angelegt wird; und da man annehmen muß, daß die
Schwiele durch den Reiz beim Rutschen einst entstand, so wäre eine
einst erworbene Eigenschaft erblich geworden. Das gleiche kann man
erschließen, wenn Kükenthal berichtet, daß die Zähne der Halicore
schon vor der Geburt ihre Kauflächen anlegen; denn solche Kauflächen
entstehen durch Abkauen von Höckerzähnen, und die Zähne der Hali-
core werden ebenfalls als Höckerzähne angelegt, bilden aber durch
Resorption der Höcker schon embryonal jene Flächen aus. Und um
auch eine entsprechende aber entgegengesetzt gerichtete Reaktion zu
nennen, so ist bekannt, daß die Saatkrähe eine nackte, von Federn
entblößte Schnabelbasis hat, und man kann sich vorstellen, daß dies
durch das Abstoßen beim Wühlen in der Erde bewirkt wird. Junge
Nestvögel haben nun zwar die betreffenden Federn, sie fallen aber
auch ab, wenn der Vogel in der Gefangenschaft gar keine Gelegenheit
zum Graben hat.
Und nun auch noch ein dem Pflanzenreich entnommenes Beispiel,
das der gleichen Gruppe zugesellt werden muß. Viele Pflanzen, wie
die Mimosen, Akazien, zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, in 12 stün-
— 453 —
digem Rhythmus Schlafbewegungen auszuführen, z. B. durch Zu-
sammenfalten ihrer Blätter. Man könnte annehmen, daß diese Be-
wegungen direkt durch den Lichtreiz ausgelöst werden. Semon zeigte
aber, daß das nicht allein zutrifft. Werden junge Keimpflanzen von
allem Anfang an in einem unnatürlichen Beleuchtungsrhythmus ge-
halten, etwa alle 6 Stunden von Hell zu Dunkel wechselnd, oder nur
alle 24 Stunden, so zeigen sie ihre Bewegungen zwar auch in dem neuen
Rhythmus, daneben erscheint aber auch der altererbte 12 stündige.
Läßt man nun den künstlichen Rhythmus aufhören und hält die Pflanzen
in andauernder Dunkelheit oder andauerndem Licht, so geht der 12 stün-
dige Rhythmus immer noch weiter, er ist also wirklich erblich fixiert.
Man muß aber annehmen, daß er einmal in früheren Zeiten von den
Pflanzen erworben wurde und mit der Zeit sich erblich fixierte. Der
Weg, auf dem das denkbar wäre, wird durch die Nachwirkung von
Reizen gezeigt; so können etwa bei Pflanzen durch intermittierende
geotropische Reizungen auf dem Klinostaten abwechselnde Wachstums-
perioden erzeugt werden, die auch nach Aufhören des Reizes noch
eine Zeitlang anhalten.
Damit seien aber genügend Beispiele für diese Art der Argumen-
tation gegeben. Daß sie unseren jetzigen kritischen Ansprüchen, die
verlangen, daß sämtliche Faktoren eines Experiments bekannt sind,
jedenfalls in der Gegenwart liegen, nicht in phylogenetisch zurück-
liegenden Perioden, nicht genügen können, liegt auf der Hand. Denn
niemand wird es widerlegen können, daß alle jene Eigenschaften, die
vom Organismus einst erworben werden „mußten", nicht auch als
plötzliche und zufällige Sprünge direkt vom Keimplasma aus entstan-
den sein können. Und da die Versuche, die angestellt wurden, um
besonders auch die Vererbung von Veränderungen durch Nichtgebrauch,
etwa bei Sehorganen, zu beweisen, in ihren Resultaten noch derart sind,
daß sie einer kritischen Prüfung nicht standhalten können, so muß
gerade dieses wichtige Kapitel, die Vererbung von Wirkungen des
Gebrauchs und Nichtgebrauchs, als für die Lösung des Problems nicht
entscheidend ausgeschaltet werden.
Viel besser dagegen sieht es aus, wenn wir die Instinktvariationen
ins Auge fassen, die neu erworben und dann vererbt wurden. Gerade
— 454 —
auf diesem Gebiete besitzen wir aus neuerer Zeit eine Anzahl experi-
menteller Studien, die höchst bemerkenswert sind, wenn auch ihre
Beweiskraft nicht voll genügend erscheint. Da müssen zunächst die
Versuche von Schröder an Insekten erwähnt werden. Der kleine
Weidenblattkäfer Phratora vitellinae L. lebt auf glattblättrigen
Weiden und der Schwarzpappel, deren Blattunterseite von den Larven
skelettiert wird. Solche Larven wurden nun auf einen Strauch einer
Weidenart mit filzhaarigen Blättern, der rings nur von andersartigen
Gewächsen umgeben war, gesetzt. Sie schoben dann die Filzhaare
mit dem Kopf vor sich her und benagten in gewohnter Weise das Blatt-
gewebe, manchmal auch, indem sie minenartige Gänge an der Blatt-
unterlage gruben. Als dann die Käfer ausschlüpften, wurde dicht
an die filzhaarige eine glattblättrige Pflanze gerückt. Es wurden dann
an erstere Pflanze 127, an letztere 219 Eigelege angeheftet. Letztere
wurden dann wieder auf die filzblättrige Pflanze übertragen, wo sich
die nächste Generation entwickelte, bei der das Experiment wiederholt
wurde; sein Ergebnis war 104 Gelege auf den filzhaarigen, 83 auf den
glatten Blättern. Im kommenden Jahr war dann das Verhältnis 48 : 11
zugunsten der filzhaarigen Pflanze. In der nächsten Generation wurden
nur 15 Gelege, aber ausschließlich an der filzhaarigen Pflanze abgelegt.
Wenn man aus diesem Versuch auch noch nicht einen Beweis dafür
ablesen kann, daß eine künstliche Instinktveränderung erblich ge-
worden war — es fehlt ja vor allem der Kontrollversuch, der zeigen
müßte, daß normal gehaltene Tiere nicht auf die angerückte filzblättrige
Pflanze übergehen — so deutet er doch in die Richtung, in der solche
Versuche sich bewegen müssen. Und das gleiche gilt für den folgenden
Versuch des gleichen Autors. Es fiel ihm vor seinem Hause an einer
Dotterweide die große Zahl der zu einer kegelförmigen Tasche um-
gewandelten Blattenden auf, die von der Raupe der Motte Gracilaria
stigmatella F. herrührten. Sie werden so hergestellt, daß die Raupe
eine Anzahl Fäden quer zur Richtung der Mittelrippe an der Blatt-
unterseite in 3 — 4 cm Entfernung von der Blattspitze spinnt. Dann
werden quer dazu Fäden gezogen, die immer mehr angespannt werden,
so daß sich die Blattspitze immer mehr gegen die Blattunterseite schlägt.
Dann wird diese durch weitere Fäden eingerollt und die Öffnungen
— 455 —
an beiden Enden verschlossen. Durch Abschneiden sämtlicher Blatt-
spitzen wurde den Raupen nun die Möglichkeit genommen, ihre typi-
schen Wohnungen zu bauen. Es wurden dann von 91 Wohnungen
84 in Form ein- oder doppelseitiger Rollungen des Blattrandes gebaut.
Die nächste Generation befand sich in der gleichen Situation und bildete
auf gleiche Weise 43 Wohnungen. Die folgende kam nun wieder auf
normale Blätter und da waren von 19 Wohnungen wieder 15 vom ur-
sprünglichen Typus, 4 aber waren durch Blattrandrollung hergestellt.
Auch diesen an sich interessanten Versuch kann man nur als einen
Fingerzeig, nicht als einen Beweis für vererbte Instinktveränderung
betrachten, da ja auch normalerweise Individuen vorkommen, die in
anderer Weise bauen, die Zahlen der Schlußgeneration zu niedrig sind
und weitere Generationen nicht vorliegen.
Auf wesentlich breiterer Basis sind dagegen Versuche an Amphibien
ausgeführt, deren Betrachtung wir uns jetzt zuwenden. Sie schließen
alle mehr oder minder eng an Experimente an, die Marie von Chauvin
in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ausführte. Spe-
ziell in bezug auf Instinktvariation ist der folgende Versuch viel be-
sprochen worden. Bekanntlich stellt der mexikanische Axolotl eine
neotenische Larve des Molchs Amblystoma tigrinum dar, d. h.
also ein Tier, das im Larvenzustand geschlechtsreif werden kann, indem
es dauernd im Wasser bleibt, die Kiemenatmung und andere Anpas-
sungen an das Wasserleben beibehält, die Metamorphose, die es typischer-
weise beim Übergang zum Landleben und zur Lungenatmung durch-
macht, ganz aufgibt. Durch geeignete Zwangsmittel können nun
solche Larven in verschiedenen Entwicklungsstadien noch zur Meta-
morphose gezwungen werden. Es wurden nun in einem der Versuche
solche künstlich metamorphosierte Amblystomen zur Geschlechtsreife
herangezogen und ihre Nachkommenschaft unter solchen Bedingungen
gehalten, daß normale Axolotl dabei niemals zur Metamorphose schreiten
würden. Nach einem Jahr trat nun bei diesen Tieren eine Reduktion
der Kiemen, also der Beginn der Metamorphose, ein, und als 20 Tieren
die Möglichkeit ans Land zu gehen gegeben war, metamorphosierten sie
sofort, ein Tier sogar in der kurzen Zeit von 10 Tagen, was sonst nie
beobachtet worden war. Es scheint also die Neigung zur Metamor«
— 456 —
phose nach künstlicher Induktion erblich geworden zu sein. Daraus
allerdings einen Beweis für die Vererbung einer Instinktvariation ab-
zuleiten, geht wohl zu weit. Denn abgesehen davon, daß nur eine Ge-
neration vorliegt, ist ja das Metamorphosieren der ursprüngliche In-
stinkt, der nicht verloren gegangen ist, sondern nur durch die abnorme
Lebenslage gehemmt wird, so daß sein Wiedererwecken nicht gut als
Instinktveränderung bezeichnet werden kann. Viel eher könnte man
aus der von Kammerer erwähnten Tatsache, daß die nun schon so
lange aus stets neotenischen Formen gezüchteten Axolotl des Handels
kaum mehr mit Gewalt zur Metamorphose zu bringen seien, einen der-
artigen Schluß ziehen. Ob diese Tatsache aber richtig ist, kann an-
gesichts der Schwierigkeiten, die der Versuch überhaupt bietet und die
Frl. von Chauvin nur durch große Erfahrung, Ausdauer und indi-
viduell verteilte Sorgfalt überwand, zunächst nicht ohne weiteres an-
genommen werden. Und schließlich bleibt, solange nicht erwiesen ist,
daß jener Versuch immer oder doch oft gelingt, der schwerwiegende
Einwand bestehen, daß unter dem vorher nicht analysierten Material
sich eine Rasse (Linie) fand, die sich durch größere Neigung zur Meta-
morphose auszeichnete.
Ganz ähnliche, wenn auch im Wesen entgegengesetzte Versuche
werden nun von Kammerer für die Geburtshelferkröte Alytes obste-
tricans berichtet. Dort kommen in der Natur neotenische Larven
nicht vor. Im Experiment konnte nun durch Einwirkung von Dunkel-
heit, Kälte, Luftreichtum oder vorzeitiges Herausschneiden der Larve
aus den Eiern ein starkes Hinausschieben der Metamorphose erzielt
werden, in einem Fall sogar durch kombinierte Einwirkung dieser Be-
dingungen ein Tier gezüchtet werden, das in larvalem Zustand schließ-
lich geschlechtsreif wurde. Durch künstliche Befruchtung seiner Eier
mit dem Samen eines normalen Männchens wurde eine Nachkommen-
schaft erzielt, die zurzeit der Veröffentlichung des Versuchs schon 1 1/2 Jahr
alt war ohne zu metamorphosieren. Auch dieser Versuch wird bis jetzt
allerdings nicht allen Anforderungen gerecht, da es nicht erwiesen ist,
daß das eine ganz neotenische Individuum als Folge des Experiments
auftrat und nicht einen Sport darstellt. Kommen doch solche auch
sonst in ganz normalen Kulturen vor; so konnte R. Hertwig vier
— 457 —
derartige riesengroße Larven aus einer gewöhnlichen Froschkultur
erhalten.
Und ein entsprechendes Beispiel auf botanischem Gebiet ist wie
schon erwähnt durch Wettstein bekannt geworden. Er fand in der
Natur zweifellos durch Mutation entstandene Exemplare von Ranun-
culus alpestris, die anstatt zu perennieren einjährig waren, was sonst
hier wie bei anderen Alpenpflanzen nicht vorkommt; und diese Neo-
tenie erwies sich als voll erblich.
Auf wesentlich sichererem Boden stehen dagegen Versuche, die
Kammerer wieder ander Geburtshelferkröte ausführte und die sich auf
die Veränderung eines normalen Fortpflanzungsinstinktes beziehen.
Unsere heimischen Amphibien legen ja bekanntlich ihre Eier ins Wasser
ab, wo sie sich zu kiementragenden Larven entwickeln. Die Geburtshelfer-
kröte macht nun von dieser Regel eine Ausnahme, indem sie sich am
Land begattet und auch dort ihre Eier abgibt, die sich dann das Männ-
chen, das sie dem Weibchen aus der Kloake ziehen hilft — die Geburts-
hilfe — um die Hinterschenkel wickelt, wo sie durch ihre eintrock-
nende Gallerte kleben bleiben. Das Männchen schleppt sie dann mit
sich herum, bis die Larven reif zum Ausschlüpfen sind, was im Wasser
geschieht, in das sich das Männchen um diese Zeit begibt. Die frisch-
geschlüpften Larven haben dann schon keine äußeren Kiemen mehr,
wie sie die jungen Larven anderer Amphibien besitzen. Es wurden
nun Geburtshelferkröten in erhöhter Temperatur gehalten und da-
durch veranlaßt sich mehr im Wasser aufzuhalten, wo sie sich begatteten
und Eier ablegten. Dort quillt aber deren Gallerte auf, so daß das
Männchen nicht imstande ist, sie sich anzuheften und die gewohnte
Brutpflege zu üben. Im Laufe einiger Brutperioden sind die Tiere an
diese Fortpflanzungsart gewöhnt und die Eier entwickeln sich im Wasser
in einer Weise, die sich mehr der der übrigen Amphibien nähert, vor
allem werden kleinere Eier abgelegt, die schwarz statt gelb sind. Die
Tiere aus diesen Wassereiern nun zeigten auch in normalen Bedin-
gungen nicht den Instinkt zur Brutpflege, sondern legten von selbst
ihre Eier ins Wasser ab, und das gleiche geschah in 2 weiteren Gene-
rationen. Ja, in der dritten, also Urenkelgeneration, waren die neuen
Fortpflanzungsinstinkte so stark, daß die Männchen sogar von selbst
— 458 —
im Wasser die Begattung ausübten. Merkwürdigerweise entwickelten
sich bei ihnen dann die bei anderen Lurchen zum Festhalten des Weib-
chens dienenden Daumenschwielen, die ihnen sonst fehlen. Die künst-
lich den Tieren aufgezwungene Instinktabänderung hatte sich also
als erblich erwiesen. Daß in diesem Fall das neue Merkmal auch wirk-
lich in den Bestand der Erbmasse eingegangen ist, geht daraus hervor,
daß bei Kreuzung von Tieren ohne Brutpflegeinstinkt mit solchen,
die ihn besitzen, die Eigenschaft sich nach den Mendelschen Gesetzen
vererben soll. Man hat gegen die Beweiskraft dieses Versuchs ein-
gewandt, daß die ererbte Reaktionsnorm der Alytes nicht die Geburts-
hilfe ist, sondern die Fähigkeit unter bestimmten Bedingungen die Ge-
burtshilfe auszuüben, unter anderen nicht. Wenn aber die damit zu-
sammenhängenden Modifikationen sich in der nächsten Generation
steigern bzw. wenn die verändernden Bedingungen weggelassen werden,
noch nachwirken, so zeige das nur, daß es Modifikationen gäbe, die erst
in der nächsten Generation voll zur Wirkung kommen. Das Prinzip
dieser Argumentation scheint uns eine unheimliche Verwandtschaft
mit der Vorstellung der alten Embryologen zu haben, daß die ganze
Menschheit ineinandergeschachtelt im Ei der Eva lag.
Wir haben oben als dritte Gruppe, die für die Vererbung von Neu-
erwerbungen des Organismus in Betracht kommt, die Beeinflussung
der Organisation bezeichnet, die durch eine Veränderung der Lebens-
lage hervorgerufen wird. In letzter Linie gehören allerdings ja auch
die vorher besprochenen Gebiete der Veränderung durch Gebrauch
und Nichtgebrauch, wie der Instinktabänderung hierher. Im Fall
der Geburtshelferkröte z. B. war der neue Instinkt ja eine Folge der
veränderten Lebensbedingungen, daher mit ihm auch eine ganze Reihe
von Lebenslage Variationen verbunden waren. Sie führen uns am ein-
fachsten zu einer Besprechung dieses Punktes über. Die Lebenslage,
in der die Alyteslarven aufgezogen werden, übt auf ihre Gesamtorga-
nisation einen sehr stark umgestaltenden Einfluß aus, wie uns das schon
früher auch für die Axolotl bekannt wurde. So legen die Kröten, die
künstlich veranlaßt wurden, ins W'asser zu legen, mehr Eier, die kleiner
sind und dunkler gefärbt. Während ferner im normalen Zustand Larven
ausschlüpfen, die bereits innere Kiemen haben, schlüpfen jetzt Larven
— 459 —
auf frühem Zustand mit einem äußeren Kiemenbüschel aus, wie es
auch bei anderen Amphibien der Fall ist. Die nach der Metamorphose
erwachsenen Tiere besitzen aber eine viel bedeutendere Körpergröße.
War nun in den folgenden Generationen der Instinkt, ins Wasser zu
legen, wie eben berichtet, erblich geworden, so wurden noch kleinere
und noch dunklere Eier abgelegt. Aber auch die Lebenslagevariationen
hatten sich so gesteigert, daß an Stelle der normalerweise nur vor-
handenen einen Kieme sich an allen drei Kiemenbogen Kiemenbüschel
zeigten. Die künstlich hervorgerufene Lebenslagevariation war also
in mehreren Generationen gesteigert worden, also vielleicht auch in
ihrer Grundlage erblich fixiert. Natürlich ist es in einem solchen Fall
sehr schwer zu sagen, was erblich ist, da bei Aufhören der betreffenden
Lebenslage, also in diesem Fall Entwicklung auf dem Land, dieser
Faktor wieder die ihm zugeordnete Lebenslagevariation hervorruft,
also entgegengesetzt wirkt. Zunächst kann man daher nur sagen, daß
in der Tat hier eine Reiznachwirkung vorliegt.
Zunächst wollen wir noch einige Beispiele kennen lernen, die die
Erblichkeit von Lebenslage Variationen betreffen. Auch hier haben in
der Diskussion, besonders der Neolamarckisten, eine ganze Anzahl
von Fällen eine Rolle gespielt, die jenen oben erwähnten zur Seite zu
stellen sind, bei denen der Erwerb der Eigenschaft, in diesem Fall der
Lebenslagevariation, nur als phylogenetische Tatsache gelten kann.
Um nur ein Beispiel zu nennen, so sei auf die bekannten Angaben von
Cieslar über das Wachstum von alpinen Fichten und Lärchen hin-
gewiesen. In den Alpen wachsen diese Bäume langsam und bilden
dementsprechend dünne Jahresringe. Wurden ihre Samen in der Ebene
ausgesät, so behielten sie trotzdem die gleiche Eigentümlichkeit; sie
ist also erblich, obwohl sie einmal in den Alpen als Lebenslagevariation
erworben sein muß. Allerdings besagen die Versuche von Nägeli an
alpinen Hieraciumarten gerade das Gegenteil, indem sie in der Ebene
sofort die Charaktere der nichtalpinen Formen annahmen, wie wir
es früher schon ebenso für die Standortsvarianten von Towers Kolo-
radokäfern gehört haben. Es dürfte allerdings gerade in dieser Richtung
ein Gebiet für aussichtsreiche Versuche, besonders im Pflanzenreich
liegen. Denn dafür, daß doch vielleicht erbliche Veränderungen so in
— 460 —
gar nicht zu langen Zeiträumen erzielt werden können, spricht mancherlei.
So berichtet Bordage, daß auf der Insel Reunion die seit etwa 150
Jahren eingeführten Pfirsichbäume ihre Blätter nicht mehr richtig
abwerfen und daß sie dieses „Anpassungsmerkmal" auch beibehalten,
wenn sie in kälteren Regionen angepflanzt werden. Es ist zu hoffen,
daß die Versuche, die jetzt in Amerika in größtem Maßstabe in be-
sonderen Gebirgs-, Wüsten-, Meerlaboratorien über solche Fragen an-
gestellt werden (Mc Dougal), die erwünschte Klärung bringen werden.
Für die exakte experimentelle Beantwortung der Frage der Erb-
lichkeit von künstlich erzeugten Lebenslagevariationen kommen natür-
lich alle jene Veränderungen ebenso in Betracht, die im Rahmen der
normalen Variationskurve liegen, wie solche, die weit von ihr abliegen.
Denn wir haben früher bereits gehört, daß die ersteren gewöhnlich
nicht erblich sind, aber auch die letzteren, die extremen oder diskon-
tinuierlichen Variationen nicht erblich zu sein brauchen, wie die Lang-
schen Helixbefunde zeigten und wie es auf botanischem Gebiet be-
sonders von Klebs gezeigt wurde. Nach den Erfahrungen der Mu-
tationslehre ist es allerdings nicht unwahrscheinlich, daß Variationen
eine größere Aussicht haben, erblich zu werden, wenn sie weit von der
normalen Variationsbreite abliegen, und so erscheinen solche Versuche am
ehesten aussichtsvoll, die künstlich Lebenslagevariationen erzeugen,
welche normalerweise nicht verwirklicht sind. Man muß sich aber dabei,,
wie Klebs mit Recht hervorhebt, davor hüten, derartige Charaktere
ohne weiteres als neue zu bezeichnen, d. h. als durch die Anwesenheit
besonderer Erbeinheiten bedingte. Das braucht durchaus nicht der
Fall zu sein: sie sind oder können vielmehr Glieder der Variationsreihe
sein, die in Potenz vorhanden sind und nur deshalb gewöhnlich nicht
auftreten, weil der adäquate Reiz fehlt. Jene früher erwähnten Cha-
raktere des Landtieres, die Frl. von Chauvin ihren Axolotln auf-
zwang, und die sie rückläufig wieder in die Charaktere des Wasser-
tieres verwandelte, illustrieren gut diese Potenz für ungewohnte, dis-
kontinuierliche Variationen, die in der Erbmasse eben auch als Anlage
vorhanden sind und nur durch Lebenslagewirkung realisiert werden
können, wenn die Form über die Anlagen verfügt. Oder anders aus-
gedrückt: Unter den Erbeinheiten einer Form sind auch solche, die es
— 461 —
bedingen, daß eine bestimmte extreme Variation, etwa die Göbelschen
Wasserblätter bei Landpflanzen, auf adäquaten Reiz hin auftreten
kann : kurz, es wird, wie schon so oft gesagt, die Reaktionsnorm vererbt.
Es ist nun die Frage, ob es entweder durch einen besonders starken
Reiz oder auch die Summation von Reizen gelingt, eine solche Vari-
ante hervorzurufen, die erblich wird, d. h. aus der Reaktionsnorm A die
Norm B zu machen. In dem mehrfach benutzten Beispiel wäre dann der
Effekt der, daß auch auf dem Lande die Wasserblätter bestehen bleiben.
Daß die meisten Versuche, die eine Erblichkeit von Lebenslagevaria-
tionen beweisen wollen, sich daher derartiger extremer, diskontinuier-
licher Variationen bedienen, ist begreiflich. Wir haben aber früher
gesehen, daß man diskontinuierliche Variationen, sobald sie erblich
sind, als Mutationen bezeichnet, und so bemerken wir jetzt, ebenso
wie früher schon, daß die Frage nach der Vererbung von Lebenslage-
variationen zum Teil identisch ist mit der Frage nach der Erzeugung der
Mutationen oder richtiger der Überführung nicht erblicher diskonti-
nuierlicher Variationen, Modifikationen oder Fluktuationen in erbliche
Mutationen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß für gewöhnlich
solche Versuche, besonders im Pflanzenreich, erfolglos sind. Daraus
zu schließen, daß sie erfolglos sein müssen, wäre aber voreilig.
Betrachten wir nun als Typus solcher Experimente die Versuche,
die Kammerer über Färb Variationen beim Salamander ausführte
und die auch von in der Natur vorkommenden nicht erblichen, konti-
nuierlichen Variationen oder Modifikationen ausgehen, sie aber dann
künstlich über das natürliche Maß hinaus steigern, um sie dabei erblich
werden zu lassen.
Beim schwarz und gelb gefleckten Feuersalamander läßt sich die
Färbung durch die äußere Umgebung beeinflussen. Es ist das nicht
etwa ein physiologischer Färb Wechsel, wie er bei so vielen Tieren fast
momentan eintritt, sondern eine ganz langsam im Lauf von Jahren
erfolgende Veränderung des Zeichnungsmusters, indem entweder die
gelben Hautteile auf Kosten der schwarzen oder umgekehrt sich ver-
größern. Werden also die Salamander auf gelbem Grund erzogen (auch
Temperatur und Feuchtigkeit spielen eine Rolle) so werden sie schließlich
durch Zusammenfließen der Flecken sehr viel gelber als ihre normalen
— 462 —
Geschwister, auf schwarzem Grund aber sehr viel schwärzer (Fig. 177,
a — d, 178 a — c). Wird dann die Nachkommenschaft solcher veränderter
Tiere wieder in gleicher Weise beeinflußt, so wird die Wirkung noch
P-Reihe auf gelbem Grunde
fj- Reihe auf schwarzem Grunde.
rf Reihe auf gelbem Grunde.
Fig. 177.
Üben experimentell gelb gemachte Feuersalamander. Unten deren Nachkommen bei
Zucht auf schwarzem und auf gelbem Grunde. Nach Kammerer.
stärker, man erhält schließlich fast ganz gelbe oder schwarze Tiere
(Fig. 177 h, i, k, 178 e, /). Wächst die Nachkommenschaft wieder
unter normalen Bedingungen auf, so ist sie immer noch viel gelber oder
— 463 —
Fig. 178.
Feuersalamander: a forma typica, d forma taeniata, beide aus der Natur, b künstlich
gelb und c künstlich schwarz gemachte forma typica. c Nachkommen von b, in gleichen
Bedingungen erzogen, ebenso f (noch jung) von c. Alle außer d nach Kämmerer.
schwärzer als die Kontrolltiere (Fig. 177 e, f, g). Merkwürdigerweise
zeigen die Nachkommen künstlich veränderter Tiere nun eine ganz
— 464 —
symmetrische Zeichnung mit zwei Längsstreifen am Rücken (Fig. ijje-k,
178 e). Genau die gleiche Form der Zeichnung ist aber bei der var.
taeniata aus der Natur bekannt (Fig. 178 d), wo sie sich rein vererbt.
Damit ist nun die Möglichkeit einer sehr exakten Untersuchung der
Erblichkeitsfrage gegeben. Kammerer fand, daß bei Kreuzung der
beiden Naturrassen die Fleckung (= f. typica, Fig. 178 a) über die
Streifung (= f. taeniata, Fig. 178 d) dominiert und in F2 Spaltung 3 : 1
eintritt. Ist die künstlich induzierte Streif ung erblich geworden, so
muß sie sich also bei Kreuzung mit f. typica ebenfalls wie ein Mendel-
sches Rezessiv verhalten, bei Kreuzung aber mit f. taeniata muß es
so sein, als ob taeniata rein gezüchtet würden. Das ist aber beides nicht
der Fall. In ersterem Fall soll eine Art Mittelform entstehen, die in
F2 nicht spaltet und allmählich zur f. typica zurückkehrt, im zweiten
Fall entstehen in Fx nur f. typica, wie es zu erwarten ist, wenn die Strei-
fung der veränderten Tiere nur eine nicht erbliche Modifikation ist.
(Fleckung dominiert ja über Streif ung.) Es war also in dem Versuch
zwar der Phänotypus der f. taeniata erreicht worden, der Genotypus
war hingegen der der typica. (Kammerer selbst zieht unbegreiflicher-
weise den entgegengesetzten Schluß.) Die Versuche haben aber auch in
bezug auf unser Problem ein positives Resultat : Denn es war einmal eine
Nachwirkung der Induktion auf 2 Generationen erwiesen und dann
gezeigt, daß als Folge der Induktion in der nächsten Generation eine
diskontinuierliche Eigenschaft, die in der Natur durch einen mendeln-
den Faktor bedingt wird, nämlich die Streifung, als Modifikation auf-
trat. Das ist allerdings keine Vererbung einer erworbenen Eigenschaft,
es kann aber der Anfang dazu sein; was nötig wäre, um sie zu voll-
enden, um die Modifikation Streifung in die Mutation Streifung überzu-
führen, wissen wir nicht.
Schon in diesem Fall mußte die experimentell erzeugte Lebenslage-
variation, wenigstens die Streifung der Nachkommenschaft, als eine
diskontinuierliche Variation bezeichnet werden. Das bietet nun einen
Übergang von den gewöhnlichen kontinuierlichen Variationen zu den
in der Variationskurve nicht verwirklichten, nur unter der Wirkung
besonderer Reize auftretenden diskontinuierlichen Variationen, in deren
Natur es an und für sich noch nicht liegt, erblich zu sein, wie etwa das
— 465 —
Beispiel der linksgewundenen Helix zeigte, wenn auch, wie schon
mehrfach erwähnt wurde, es wohl wahrscheinlich ist, daß sie leichter
dazu neigen mögen, erblich zu werden. Aus den Versuchen, die mit
derartigen unnormalen Lebenslagevarianten ausgeführt wurden, hat
sich denn auch schon manches bemerkenswerte Resultat ergeben.
Um zunächst wieder einmal einen Fall aus dem Gebiet der Botanik
zu erwähnen, so sei an jene interessanten Untersuchungen von Klebs
erinnert, die sich mit der Erzeugung ungewöhnlicher Variation be-
faßten und die wir bei Betrachtung der Variabilität schon genau kennen
lernten. Es hatte sich dabei ergeben, daß durch besondere Einwirkung
äußerer Bedingungen Varianten erzielt werden konnten, die sonst
nicht verwirklicht sind, und so muß sich daran weiterhin die Frage
anschließen, ob derartige künstliche diskontinuierliche Varianten, also
neu erworbene Eigenschaften, erblich sind. Bei den jetzt zu besprechen-
den Studien an Sempervivumarten wurde nun als extremer Lebens-
lagefaktor zur Erzeugung ungewohnter Varianten ein anderer Reiz
benutzt. Es wurden nämlich die normalen Blütenstände abgeschnitten,
nachdem festgestellt war, daß sie in ihren Eigenschaften eine normale
Variationsreihe zeigen, und dann die neu entstehenden (regenerierten)
Blüten untersucht. Dabei zeigte es sich, daß diese jetzt eine Unmenge
von sonst nicht vorkommenden Varianten zeigten, wie Verschiebungen
in der Zahl der Blütenorgane oder Blumenblattform der Staubfäden
(Petalodie). Alles in allem traten bei 85,8% der Blüten derartige Ano-
malien auf, während normalerweise sich nur 22% abweichender Blüten
finden, deren Abweichungen außerdem viel geringer sind. Aus jenen
veränderten Blüten wurden nun Nachkommen gezogen und diese jahre-
lang, bis sie zum Blühen kamen, in den normalen Bedingungen ge-
halten, die für diese Pflanzenart typisch und günstig sind. Von den
3 veränderten Mutterpflanzen, deren Samen benutzt wurden, ergaben
nun 2 wieder normale Nachkommen, wenn sich auch schon einige
Variationen bei ihnen zeigten, die sonst nicht angetroffen werden.
Von den Nachkommen der 3. Pflanze waren 7 zwar typisch gebaut,
wiesen aber wieder wesentlich mehr Anomalien, d. h. extreme Vari-
anten auf, als es sonst der Fall ist. Die übrigen vier Exemplare er-
wiesen sich aber als stark verändert und zwar in der gleichen Art wie
G old schraidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl. 3°
— 466 —
die Mutterpflanze, also Erhöhung der Variationsbreite, Verschiebung
des Mittelwertes (für die Zahl der Blütenorgane) nach der Minusseite,
reiches Auftreten von petaloiden Staubblättern, kurz dem Vorhanden-
sein aller der der Mutterpflanze induzierten Anomalien, die hier bei
den Tochterpflanzen in 64 — 100% der Blüten sich fanden. Es spricht
also alles dafür, daß bei jenen 4 Pflanzen die Abänderung des Blüten-
baues erblich geworden war. Wenn wir früher schon gegebene Be-
griffsbestimmungen auf diese Versuche anwenden, so ist das Resultat
dies, daß die Pflanze als Erbanlage auch die Reaktionsnorm besitzt,
auf bestimmte Reize, etwa den Wundreiz hin mit der Erzeugung anor-
maler Vegetationsorgane, diskontinuierlicher Varianten zu reagieren,
etwa so wie Schmetterlinge bei extremen Temperaturen stets mit Me-
lanismus reagieren. Erhalten jene Varianten sich aber in der Nach-
kommenschaft, so besagt das, daß in der Erbmasse eine derartige Ver-
änderung vorgegangen ist, daß das, was vorher nur eine ungewöhnliche
Reaktion war, jetzt im Gefolge somatischer Veränderungen, die die
Reaktion hervorriefen, zum Typus wurde, also die Reaktionsnorm A
in die Norm B übergeführt war. Mit der Bezeichnung „vegetative
Mutation" für die ursprünglichen Veränderungen der Blüten würde
nichts weiter gewonnen sein. Allerdings liegt auch hier erst eine Gene-
ration vor; es fehlt auch nicht an anderen Einwänden gegen die Trag-
weite der Versuche, die sich vor allem auf das Ausgangsmaterial be-
ziehen, welches als Bastard gilt. Aber gerade dies erscheint hier des-
halb besonders gut analysiert, weil es ja zuerst normal geblüht hatte
und dann erst nach Entfernung jener Blüten die veränderten erzeugt
hatte. Das Ergebnis der Versuche steht aber auch in Übereinstimmung
mit anderen bald zu erwähnenden botanischen Experimenten, nicht
minder auch mit Tierversuchen, von denen wir jetzt die wichtigsten
schildern wollen.
Am meisten bekannt geworden sind die Versuche, die Kammerer
an unseren heimischen Salamanderarten ausführte, die sich auf Varia-
tionen der gesamten Fortpflanzungsart beziehen. Es kommen bei uns
bekanntlich zwei Salamanderarten vor, der gelbgefleckte Feuersala-
mander, Salamandra maculosa, und der schwarze Alpensalamander,
Salamandra atra. Ersterer bewohnt das Tiefland, vor allem das Mittel-
— 467 —
gebirge, bis etwa iooo m Höhe, letzterer das Hochgebirge. Entsprechend
dieser Verschiedenheit der Lebenslage ist die Art der Fortpflanzung
auch eine verschiedene. Beim Feuersalamander entwickeln sich gleich-
zeitig 14 — 72 Larven im Uterus und werden dann mit gut entwickelten
äußeren Kiemen und einem Ruderschwanz ausgestattet ins Wasser
abgesetzt, wo sie dann nach einer Zeit, indem sie ans Land gehen,
zum Salamander metamorphosieren. Der Alpensalamander dagegen
bringt typisch nur ein paar Junge zur Welt. Zwar gehen auch viele
Eier in den Uterus über, sie zerfallen aber dort und bilden einen Nah-
rungsbrei für die einzige Larve, die in jedem Uterus zur Entwicklung
gelangt. Sie macht nun ihre ganze Metamorphose schon im Mutter-
leib durch, bildet dementsprechend auch keine zur Wasseratmung
tauglichen Kiemen aus. sondern merkwürdig gestaltete riesige Kiemen,
die ein embryonales Ernährungsorgan darstellen. Die Jungen werden
dann schließlich als schon voll entwickelte kleine Salamander geboren.
Es ist klar, daß diese Differenzen durch die Lebenslage bedingt sein
müssen, da ja dem Alpen Salamander im kurzen Sommer für die Ent-
wicklung seiner Brut nur zu kalte Gewässer zur Verfügung ständen.
Diese Fortpflanzungserscheinungen sind nun bei jeder der beiden Arten
in der Natur der Lebenslagevariation unterworfen. Feuersalamander,
die in hohen, kalten Regionen leben, produzieren weniger Larven und
setzen sie auf einer viel späteren Entwicklungsstufe als normalerweise
ab. Alpensalamander aus den tiefen Regionen ihres Verbreitungs-
gebietes bilden mehr, bis zu vier Larven, die auf einem früheren Ent-
wicklungszustand geboren werden. Kammerer suchte nun durch
Anwendung extremer äußerer Bedingungen diese Lebenslagevariation
bis zu ihrem möglichen Maximum zu verschieben. Es gelang ihm in
der Tat, durch Wasserentziehung und Kälte die Feuersalamander so
weit zu bekommen, daß sie, zunächst gezwungen, nach einiger Zeit
aber auch freiwillig, die Fortpflanzungsgewohnheiten der Alpensala-
mander annahmen. Sie bildeten schließlich nur zwei Laiven aus, die
übrigen Eier zerfielen zu einem Nahrungsbrei und die Laiven wurden
als Vollsalamander am Land geboren. Umgekehrt konnten auch die
Alpensalamander die Fortpflanzungsgewohnheiten des Feuersalamanders
annehmen. Schon Frl. von Chauvin hatte gezeigt, daß aus dem
— 468 —
Uterus herausgeschnittene Laiven dieser Foim an das Wasserleben
gewöhnt werden können und daß sie dort ihre embryonalen Kiemen
zu Wasserkiemen umwandeln und einen Ruderschwanz bilden, wie
nebenstehende Fig. 179 erkennen läßt, die in F. 4 eine frisch dem
Uterus entnommene Laive mit den schleierartig feinen Kiemen zeigt,
in 1 und 2 eine kürzer bzw. länger ans Wasserleben angepaßte Larve.
Ähnlich konnte Kammerer durch Einwirkung von Wärme und Dar-
Fig. 179.
Larven von Salamandra atra. Fig. 4 normale Larve mit zarten Uteruskiemenbüscheln,
Fig. I Reduktion der Kiemen', Fig. 2 ihre Umbildung bei experimentell erzwungener
Anpassung an das Wasserleben. Nach M. von Chauvin.
reichung von Wasser die Tiere daran gewöhnen, ihre Larven freiwillig
auf frühem Entwicklungszustand ins Wasser abzusetzen, wobei sich
auch eine größere Zahl von Embryonen, bis zu 9, im Uterus entwickeln.
Das Interesse richtet sich nun auf die Nachkommenschaft dieser künst-
lich erzeugten extremen Varianten. Es zeigte sich dabei bei der ein-
zigen bis jetzt vorliegenden Generation insofern eine Vererbung, als
die Alpensalamander freiwillig Wasserlarven gebaren, die Feuersala-
mander aber weiter als normal vorgeschrittene Larven, einer sogar
— 469 —
auf dem Lande Vollmolche. Wenn auch diese Ergebnisse eine Vererbung
der extremen Lebenslagevariation noch nicht beweisen, so zeigen sie
doch die eine Generation wenigstens währende Nachwirkung des modi-
fizierenden Reizes, den gleichen Erfolg, den wir nun schon mehrfach
antrafen.
Diesen wie den meisten bisher berichteten Versuchen haftet nun
noch eine prinzipielle Schwäche an, die, daß das Material nur schwer
variationsstatistisch betrachtet werden kann und daher auch positive
Ergebnisse sich nicht leicht auf eine wirklich exakte Basis stellen lassen.
Versuche aber mit quantitativ bestimmbaren Merkmalen sind im Tier-
reich noch wenig ausgeführt. Aus neuerer Zeit stammen die Experi-
mente von Przibram und Su inner an Ratten und Mäusen, von denen
letztere erst mit genauen Zahlenangaben publiziert sind. Beide Au-
toren hielten ihre Versuchstiere in niedrigen und hohen Temperaturen
und stellten dabei, in Einklang mit den Erfahrungen aus freier Natur,
fest, daß in höheren Temperaturen (bei Sumners Mäusen 260, bei
Przibrams Ratten 30 — 350) die Ohren, Schwänze, Füße eine größere
Länge annahmen als in tiefen Temperaturen. Hand in Hand damit
geht eine Verminderung der Behaarung und bei den Ratten ein exzes-
sives Hervortreten der äußeren Genitalien. Bei den in normalen Be-
dingungen gehaltenen Nachkommen der Wärme- wie der Kältetiere
waren diese Differenzen noch vorhanden, schwächten sich aber im Lauf
des Heranwachsens ab. Trotzdem sie nicht sehr groß waren, so können
sie doch kein Zufallsresultat sein, da Sumner berechnete, daß dagegen
die Wahrscheinlichkeit von 1 : 20 000 spricht. Allerdings trat, wie
Przibram fand, das Wiederauftreten der induzierten Variation in der
Nachkommenschaft nur ein, wenn die Befruchtung noch unter den
veränderten Bedingungen stattgefunden hatte. Das Resultat ist also
auch noch nicht klar und eindeutig.
Noch manches Material gleicher Art wäre anzuführen; doch da
es uns nichts prinzipiell Neues lehrt, so möge dies genügen. Und welches
ist nun das Resultat? Stellen wir uns auf den strengen Standpunkt
der Faktorentheorie, so beweisen alle diese Versuche nichts. Ent-
weder lag nur eine Modifikation vor, die erst in einer weiteren Gene-
ration voll zum Ausdruck kam, eine Präinduktion, wie wir früher mit
— 470 —
Woltereck sagten. War aber wirkliche Erblichkeit im Sinne der moder-
nen Genetik erzielt, so handelte es sich um eine direkte Beeinflussung der
Keimzellen bzw. eine Parallelinduktion. Wir glauben aber, daß diese
Auswege nicht genügen, um allen Tatsachen gerecht zu werden. Wir
haben schon oben gesehen, daß mit der Parallelinduktion und der direkten
Bewirkung der Keimzellen nicht viel gewonnen ist. Wir wissen nun
sicher, daß ein und dieselbe Außeneigenschaft als Modifikation hervor-
Fig. 180.
Lord Mortons Quaggahengst. Nach Ewart.
gerufen werden kann und als erbliche Form in der Natur sich finden
kann. Wir wissen, daß eine solche Modifikation bei Andauer des Reizes
sich in weiteren Generationen bis zur Grenze des physiologisch Mög-
lichen verstärken kann, also eine Summation eintritt. Wir wissen,
daß auch bei Aufhören des modifizierenden Reizes in der nächsten
Generation noch eine Nachwirkung bemerklich sein kann. Es können
also auch die Keimzellen „modifiziert" werden. Soll es da wirklich
ein Ding der Unmöglichkeit sein, daß schließlich auf diesem Weg eine
Veränderung in den Keimzellen zustande kommt, die dann als Addition
471
eines einheitlichen Gens erscheint? Das Leugnen solcher Möglichkeit
scheint uns der Ausdruck unbiologischen, schematischen Denkens zu
sein. Ein exakter Beweis für die Wirklichkeit des Vorgangs, gegen
den es keinen Einwand mehr gäbe, liegt allerdings noch nicht vor. Wir
sind aber überzeugt, daß zukünftige Experimente einmal auch den
einwandfreien Beweis erbringen werden, daß die Mutation, also eine
genotypische Veränderung, ebensowohl plötzlich auf einen starken
Reiz hin erfolgen kann, wie allmählich als Endresultat einer modi-
fizierenden Außenwirkung auf dem Weg über Reiznachwirkung und
Summation. Heute gilt diese Anschauung als ketzerisch; warten wir,
Fig. i S i .
Lord Mortons Quaggabastard.
Nach Ewart,
ob ihr nicht die Zukunft ebenso gehören wird, wir ihr die Vergangenheit
gehörte.
Wir können diese ebenso interessanten wie weiterer Aufklärung
bedürftigen Probleme nicht verlassen, ohne noch einige kurze Worte
einem Aberglauben gewidmet zu haben, der, so unbiologisch seine Grund-
gedanken sind, doch immer wieder auftaucht und besonders in der
praktischen Tierzucht seinen Spuk treibt, der Annahme der sogenannten
Telegonie. Keiminfektion oder Telegonie bedeutet, daß, wenn mehrere
Väter nacheinander das gleiche Weibchen befruchten, die Nachkommen
aus der späteren Befruchtung Charaktere des früheren Vaters zeigen sollen.
Hundezüchter lassen oft, weil sie an diese Möglichkeit glauben, Rasse-
hunde niemals von einem Köter decken, der ihnen die ganze spätere
— 472 —
Nachkommenschaft mit einem Rassehund verderben soll. Die Auf-
merksamkeit wurde auf diese Erscheinung erst durch den berühmt
gewordenen Fall der Stute des Lord Morton gelenkt, den sogar Darwin
als beweiskräftig ansah. Eine kastanienbraune Stute, die mit einem
Quaggahengst, der in Fig. 180 abgebildet ist, bastardiert worden war,
gebar später, als sie von einem Araberhengst befruchtet wurde, drei
braune gestreifte Füllen, von denen eines mehr Zebrastreifen besaß
als der Quaggabastard und von Anfang an eine kurze, steife und auf-
rechte Mähne besitzen sollte. Ewart, der auch umstehend wieder-
gegebene Bilder des Quaggabastards (Fig. 181) wie des gestreiften
Fig. 182.
Lord Mortons gestreiftes Füllen. Nach Ewart.
Füllens (Fig. 182) beibrachte, hat nun einmal die genaue Herkunft
dieser Pferde eruiert und dabei festgestellt, daß die Mutterstute ein
Halbblut zwischen einem Araber und einem indischen Pony war, welch
letzteres eine Streifung von der Art, wie sie die Füllen zeigten, besitzt
ferner aber auch festgestellt, daß die Angabe der aufrechten Mähne,
die von einem Reitknecht stammte, durch zeitgenössische Abbildungen
des Füllen widerlegt wird. Sodann hat aber Ewart an mehreren Haus-
säugetieren und Vögeln, besonders auch am Pferd nach Kreuzung mit
Zebra durch zahlreiche Experimente festgestellt, daß die Telegonie
ins Reich der Fabel gehört; und de Parana, der in Brasilien die gleichen
Versuche in riesigem Maßstabe nach Zebra- wie nach Eselkreuzung
— 473 —
ausführte, kam zu dem gleichen Resultat. Die Telegonie, die für den
mit der Befruchtungs- und Vererbungslehre Vertrauten ohnedies ein
Unding darstellt, kann also ruhig als überwundener Irrtum verschwin-
den, der nur noch Kuriositätsinteresse hat.
Zweiundzwanzigste Vorlesung.
Anwendung der Vererbungsgesetze auf den Menschen.
Wir hatten bereits an verschiedenen Stellen früherer Vorlesungen
Gelegenheit zu sehen, wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse der
Vererbungslehre auf das engste mit den praktischen Bedürfnissen des
Menschen zusammenhängen, wie sie besonders der Tier- und Pflanzen-
züchtung neuen Inhalt zu geben geeignet sind. Nun wollen wir zum
Schluß uns noch kurz vor Augen führen, in welcher Weise sich die Ver-
erbungslehre auch auf den uns am meisten interessierenden Organismus,
den Menschen, anwenden läßt. Es kann ja von vornherein keinem
Zweifel unterliegen, daß Gesetze, die für das ganze Tier- wie Pflanzen-
reich gültig sind, auch vor dem Menschen nicht halt machen werden.
Ebenso klar ist es aber auch, daß die Anwendung auf einen Organis-
mus, der dem Zuchtexperiment nicht zugängig ist, praktisch manche
Schwierigkeiten bietet; denn es muß das Experiment vollständig durch
statistische Aufnahmen, durch Stammbaumstudien ersetzt werden.
Es ist nun nicht etwa zu erwarten, daß dabei für die Vererbungs Wissen-
schaft besonders wertvolle Erkenntnisse zutage treten werden. Da
aber bei den Erbeigenschaften des Menschen gerade solche sehr reich
vertreten sind, die sozial und kulturell von größter Wichtigkeit sind,
Talente und psychische Fehler, kraftvolle Anlagen und Krankheiten,
so bildet die Kenntnis und Erforschung der Einzelheiten menschlicher
Vererbung die Grundlage für alle Bestrebungen, die sich die Verbesserung
der Menschheit zum Ziel setzt.
Betrachtet man eine menschliche Population, so erkennt man leicht,
daß kaum ein Individuum dem anderen gleicht, mit Ausnahme iden-
tischer Zwillinge. Trotzdem findet man im einzelnen eine Unmenge
— 474 —
äußerer und innerer Eigenschaften, die für sich betrachtet sich bei
vielen Menschen in gleicher Art finden. Man könnte aus der Population
Gruppen von Menschen isolieren, die blonde, schwarze, rote Haare haben,
die sehr groß oder sehr klein sind, die lange oder kurze Schädelform be-
sitzen, die geistig normal oder defekt sind, die taubstumm, epileptisch,
schwachsinnig sind usw. Von einer außerordentlich großen Zahl der-
artiger Eigenschaften weiß aber auch ein jeder, daß sie erblich sind:
das hat er von seiner Mutter, seinem Großvater, ist ja eine alltägliche
Redewendung. Wird man sich nun über diese Tatsache in Zusammen-
hang mit dem, was wir in diesen Vorlesungen hörten, klar, so folgt
daraus, daß wir es in der menschlichen Population mit einem überaus
komplizierten Bastardgemisch zu tun haben. Man könnte es mit einer
sehr polymorphen Art vergleichen, die in eine Unmenge kleinster Varie-
täten und Elementararten zerfallen ist, die sich nun immer wieder durch-
einander kreuzen, so daß die Individuen aus allen möglichen Faktoren-
kombinationen zusammengesetzt sind. Bei der großen Zahl von Einzel-
eigenschaften, um die es sich handelt, ist es dabei kaum möglich, daß
einmal zwei völlig homozygote Individuen zur Fortpflanzung kommen.
Es stellt somit jede Fortpflanzung eine Bastardierung dar. Nimmt
man nun dazu noch, daß vielleicht die verschiedenen Menschenrassen
differente Arten darstellen und daß überall solche Rassen durcheinander-
gekreuzt sind, so bekommt man einen Begriff von dem Bastardgemenge,
das die Menschheit darstellt.
Will man dies Gemenge nun vom Standpunkt der Erblichkeits-
forschung aus analysieren, so muß auch hier zuerst festgestellt werden,
was eine Modifikation, eine nichterbliche Lebenslagevariation ist, und
was auf dem Vorhandensein eines Erbfaktors beruht. Praktisch ist
das vielleicht der wichtigste Punkt, über den nicht genug Erfahrung
gesammelt werden kann. Denn eine Modifikation erlischt ja mit ihrem
Träger bzw. mit Aufhören der bedingenden Lebenslagefaktoren. Schäd-
liche Modifikationen brauchen daher nicht mit Stumpf und Stiel aus-
gemerzt zu werden, sondern sind durch Beseitigung der Bedingungen,
also meistens auf sozialem Weg, zu bekämpfen. Nützliche Modifikationen
aber können umgekehrt auch nicht einfach durch Heiratsauswahl er-
halten werden, sondern sind immer wieder neu zu erwerben. Um-
— 475 —
gekehrt können Eigenschaften, die auf dem Vorhandensein eines Erb-
faktors beruhen, durch keine Lebenslage zum Verschwinden oder zum
Vorschein gebracht werden (wohlverstanden genotypisch, phänotypisch
können sie vielleicht unterdrückt werden). Ihre Beseitigung oder ihre
Erhaltung ist daher eine reine Frage der Faktorenkombination. Die
Wissenschaft, die sich die Verbesserung der Menschheit auf rassen-
hygienischem Weg zum Ziel setzt, die Eugenik, muß daher auf der
allergenausten Kenntnis dieser Verhältnisse basieren und hat so die
Erforschung dieser Punkte zur nächsten Aufgabe.
Ist nun eine Eigenschaft als Erbeigenschaft bekannt, so erhebt sich
die Frage : wie wird sie vererbt ? Und da können wir jetzt schon sagen,
daß alle bisher schon näher analysierten menschlichen Eigenschaften
sich, wie zu erwarten, den Mendelschen Gesetzen einordnen lassen.
Betrachten wir daher die wichtigsten Typen, deren Auftreten bereits
bekannt ist. Nach dem vorher über die Zusammensetzung der mensch-
lichen Population Gesagten ist folgendes dabei zu erwarten. Es ist
im höchsten Maß unwahrscheinlich, daß zwei Eltern sich in einer zu
betrachtenden Erbeigenschaft verhalten wie AA zu aa, also der eine
im Besitz, der andere im Fehlen einer Eigenschaft homozygot ist. Die
größte Wahrscheinlichkeit ist vielmehr dafür vorhanden, daß jemand
eine Eigenschaft nur von einem seiner Eltern überkommt, also in ihr
heterozygot Aa ist. Heiratet er wieder jemand, dem die Eigenschaft
fehlt, so gibt es also eine Kreuzung Aa x aa, also eine Mendelsche
Rückkreuzung und es ist daher zu erwarten, daß die Hälfte der Nach-
kommenschaft wieder Aa ist, die andere Hälfte aa. Nächst diesem
Fall wird auch öfters der Fall vorkommen, daß beide Eltern Aa sind,
und zwar ist es klar, daß das am häufigsten bei Verwandtenehen zu
erwarten ist. Dann muß natürlich das Resultat in der Nachkommen-
schaft eine einfache Mendelspaltung AA.'.Aa : aA : aa sein.
Solcher einfacher Mendel fälle sind nun bereits eine ganze Reihe
beim Menschen studiert und zwar sowohl normale wie pathologische
Eigenschaften. Das Verhalten bei der Vererbung richtet sich natürlich
nun danach, ob die betreffende Eigenschaft dominant oder rezessiv
ist, also nach der Presence-Absence-Theorie auf dem Vorhandensein
oder Fehlen eines Faktors beruht. Betrachten wir zuerst den Fall
— 476 —
einer dominanten Eigenschaft. Untenstehende Fig. 183 zeigt schema-
tisch an einem Stammbaum, welche Vererbungsmöglichkeiten da vor-
liegen. Jede Horizontalreihe eines solchen Stammbaums bedeutet eine
Generation. Die Individuen, die die betrachtete Eigenschaft zeigen,
sind schwarz angegeben, die, denen sie fehlt, weiß. Geschwister sind
durch die horizontalen Striche oberhalb verbunden, Ehegatten unter-
halb des Zeichens. Den Ausgangspunkt des Stammbaums bilden ein
rein dominanter Vater (DD) und eine rein rezessive Mutter (RR). Sämt-
liche 7 Kinder sind heterozygot (DR), zeigen also das dominante Merkmal,
sind also krank, wenn es sich um eine Krankheitsanlage handelt. Links
DD? x gff/f
DD% DR* DR% DR* DR* qff% DR* DR% ۟R
f «T f •' « DRftRR^ 9 € f rft»g • • f tf
Q Cf Q CT Cf Q Cf
, ^ , 1 Vi_
L I L I L I LI LI
Cf 9 Cfc) O 9 ÖQOQ
Fig. 183.
Schematischer Stammbaum zur Vererbung einer dominanten Krankheit. Nach Plate.
heiratet dann ein Sohn (DR) wieder eine dominante Frau (DD). Deren
Kinder müssen also alle wieder das dominante Merkmal zeigen. In
der Mitte heiratet ein Sohn (DR) eine rezessive Frau (RR), es müssen
also die Hälfte ihrer Nachkommenschaft (DR) dominantmerkmalig,
die Hälfte rezessiv (RR) sein. War das dominante Merkmal eine Krank-
heit, so ist die Hälfte krank, die andere Hälfte gesund. Die Gesunden
(RR) mit Gesunden (RR) vermählt, können nur gesunde Nachkommen-
schaft erzeugen (die 4. und 5. Generation des Stammbaums). Endlich
heiratet rechts eine Tochter (DR) einen ebenfalls heterozygoten Mann
(DR). Dann muß eine Mendelspaltung 3 : 1 eintreten, ein Viertel
der Kinder ist rezessiv, also gesund.
477
Nach diesem Schema vererben sich nun eine ganze Anzahl domi-
nanter Eigenschaften. Dunklere Pigmentierung von Haar und Augen
dominiert über hellere, krauses Haar über straffes, eine Menge von
Mißbildungen wie Spaltfuß und Hypospadie über den normalen Zustand,
ebenso eine Menge von Krankheitsanlagen, wie Nachtblindheit, Diabetes,
Keratoma über den normalen Zustand. Das bekannteste Beispiel
Fig. 1S4.
Links brachydaktyle, rechts normale Hand. Nach Drink water.
einer Körpereigenschaft ist der Habsburger Familientypus mit der
bekannten Unterlippe und dem vorspringenden Kinn, der sich seit
dem 14. Jahrhundert als dominante Eigenschaft durchverfolgen läßt.
Von Mißbildungen sei die Brachydaktylie erwähnt, die durch Ver-
schmelzung zweier Fingerglieder zustande kommt (Fig. 184). Die
von Drinkwater beigebrachten Stammbäume, von denen einer in
— 478 —
Fig. 185 reproduziert ist, zeigt das typische Verhalten einer dominanten
Eigenschaft : Die abnormen Individuen vererben die Mißbildung auf
die Hälfte ihrer Kinder (insgesamt 22 abnorm : 26 gesund), die nor-
malen haben nur normale Nachkommen. Noch bekannter ist ein Stamm-
baum über die Nachtblindheit, der bereits 10 Generationen mit über
2000 Gliedern umfaßt. Auch hier treffen die genannten Erwartungen
zu. Mehr der Kuriosität halber sei auch die gelegentlich bei Negern
auftretende Scheckung erwähnt, die sich der Scheckung der Tiere gut
vergleichen läßt, da sie auf einem dominanten Scheckungsfaktor be-
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• = 21
0= 26
Fig. 185.
Stammbaum über Vererbung der Brachydaktylie. Nach Drink water.
ruht (Pearson, Kingston und Castle). Auf nebenstehend wieder-
gegebenem alten Kupferstich ist dieser Vergleich bereits in origineller
Weise gezogen (Fig. 186).
Betrachten wir nun eine rezessive Eigenschaft, die also durch das
Fehlen eines Faktors bedingt ist. Werden die Individuen, die die Eigen-
schaft oder Krankheit manifest zeigen, die somit den Erbfaktor nicht
besitzen, also reine Rezessive RR sind, wieder schwarz angegeben,
so ergibt sich für den Vererbungstypus im Schema der folgende Stamm-
baum (Fig. 187). Der kranke Mann RR heiratet die gesunde Frau DD.
— 479 —
Alle Kinder sind heterozygot DR, erscheinen also gesund, obwohl sie
den rezessiven Krankheitskeim tragen. Ein solcher Sohn DR (rechts)
heiratet eine gesunde Frau DD, und deren Kinder sind somit zur
Hälfte DR, zur anderen Hälfte DD, also alle scheinbar gesund. In
Wirklichkeit führt aber die Hälfte den Krankheitskeim in der Erb-
Fig. 186.
Scheckung beim Menschen. Alter Stich mit der Aufschrift: »The spotted negro boy.
George Alexander Opattan, the spotted boy died on the 3. Febr. 1813 aged 6 years,
was buried at Great Marlow in Buckingham . . . .« »Painted from life by Dan. Orme
and engraved under his Direction by his late pupil P. R. Cooper.
masse mit {DR). Aus deren Heiraten mit Gesunden können dann
zahllose Generationen scheinbar ganz Gesunder hervorgehen, bis ein-
mal ein DR Individuum auf ein anderes DR Individuum trifft. Am
ehesten wird dies natürlich bei Verwandtenheiraten der Fall sein, wie
das Schema in der 3. Generation in der Mitte zeigt, wo ein Mann DR
seine Kusine DR heiratet. Nun ist die Vorbedingung für die Mendel-
— 480 —
Spaltung DD : DR : RD : RR gegeben. Von den Kindern wird also
V4 RR, d. h. krank: Die scheinbar aus der Familie ausgelöschte Krank-
heit erscheint wieder. Des weiteren ist noch die Möglichkeit gegeben,
daß ein krankes Individuum RR ein heterozygot-gesundes (DR) hei-
ratet, wie der Stammbaum in der 1. Tochtergeneration links zeigt.
Dann ist die Hälfte der Nachkommenschaft DR, also heterozygot
gesund, die andere aber RR, also krank. Heiratet endlich ein krankes
Individuum RR ein anderes krankes (Enkelgeneration links), so ist
die ganze Nachkommenschaft krank. Es ist klar, daß dieser rezessive
Typus praktisch besonders wichtig ist, weil er zeigt, wie scheinbar
RR 4
QDD
fifff DR<3 9 3 DRÖ QDD
|_
/ffff Rr4 f d DRQ DRÖ 909 äüßO <$DD
1 | consanguin \ | |
• f • f f cff d 9
<$ 9 (5^9 ÖDD
Fig. 187.
Schematischer Stammbaum zur Vererbung einer rezessiven Krankheit. Nach Plate.
erloschene Krankheiten doch immer wieder auftreten können. Eine
Ausschaltung der Krankheit ist eben auf die Dauer nur möglich, wenn
nie ein krankes Individuum zur Fortpflanzung kommt. Allerdings
werden auch so die DR Individuen aus früheren Generationen — die
Sünden der Väter — nicht beseitigt und bilden eine dauernde Gefahr.
Als Typus einer rezessiven Eigenschaft kann beim Menschen
ebenso wie bei Tieren und Pflanzen der Albinismus gelten, also das
Ausfallen des Farbkomplements, so daß die Haare farblos, die Augen
rot erscheinen (Kakerlaken). Wenn solche in einer Familie plötzlich
auftreten, müssen beide Eltern DR gewesen sein und die Zahl der Al-
binos 1/4 der gesamten Kinderzahl betragen, was tatsächlich zutrifft.
481
Zwei albinotische Eltern aber
können nur Albinos erzeugen.
Viel größeres Interesse be-
anspruchen aber die rezes-
siven, Krankheitsanlagen, zu
deren wirklicher Bekämpfung
durch die Erkenntnis der
Gesetzmäßigkeit die erste
Handhabe gegeben ist. Zu
diesen scheint dieTaubstumm-
heit zu gehören, wie auch die -o
Epilepsie und Schwachsinn.
Die praktischen Folgerungen
sind bereits oben an Hand
des Schemas abgeleitet.
Wir haben in früheren
Vorlesungen ausführlich das
so sehr interessante Kapitel
dergeschlechtsbegrenzten Ver-
erbung behandelt. Es ist nun
sehr bemerkenswert, daß sich
gerade dafür besonders ty-
pische Fälle beim Menschen
finden. Das Wesen jenes Ver-
erbungsmodus war es, daß
der betreffende Erbfaktor in
charakteristischer Weise mit
den geschlechtsbestimmenden
Faktoren gekoppelt war. Das
gleiche ist nun bei den
betreffenden menschlichen
Eigenschaften der Fall, und
dabei kommt folgender merk-
würdige Vererbungsmodus zustande: Die Erkrankung kann nur im
männlichen Geschlecht sichtbar werden und überspringt in der Ver-
I
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V
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S
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Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2. Aufl.
31
— 482 —
erbung eine Generation. Heiratet ein kranker Mann eine gesunde
Frau, so sind alle Kinder gesund. Auch die Nachkommen der Söhne
bleiben gesund. Dagegen sind die Hälfte der Söhne der scheinbar ge-
sunden Töchter wieder krank. Die nur bei Männern manifeste Krank-
heit wird also nur durch scheinbar gesunde Frauen übertragen. Die
bekanntesten Krankheiten, die auf diese ,,gynephore" Art vererbt wer-
den, sind die Bluterkrankheit und die Farbenblindheit. Für erstere ist
umstehend (Fig. 188) der berühmte Stammbaum der Bluterfamilie
Mampel wiedergegeben. Man erkennt daran leicht, wie genau sich die
Krankheit an das Vererbungsschema hält.
Die mendelistische Erklärung dieser Fälle ist nun nicht ganz leicht.
Meist wird angenommen, daß dabei ein geschlechtsbedingter Domi-
nanzwechsel im Spiel ist, also derselbe Faktor im männlichen Geschlecht
dominant, im weiblichen rezessiv ist. Wir haben nun früher schon
ausführlich erörtert, wie sich gerade im Fall der geschlechtsbegrenzten
Vererbung die Übertragung der Tatsachen auf die Chromosomenlehre
als Lichtspenderin erweist. Und das trifft auch für diese merkwürdige
Art geschlechtsbegrenzter Vererbung zu, wie leicht aus der Betrachtung
nebenstehenden Schemas nach Wilson hervorgeht (Fig. 189). Die chromo-
somale Erklärung der Geschlechtsbestimmung fußte ja auf der Tat-
sache, daß ein Geschlecht homogametisch, das andere heterogametisch
ist. Beim Menschen ist, nach allem was wir wissen, das männliche
Geschlecht das heterogametische, wenn auch in den Einzelheiten die
Ansichten noch unglaublich weit auseinandergehen. Es hätte somit
das weibliche Geschlecht zwei X-Chromosomen, das männliche aber
nur eines. Die weitere Annahme war die, daß der geschlechtsbegrenzt
vererbte Faktor innerhalb des X-Chromosoms lokalisiert ist. Wir
können also das den Krankheitsfaktor tragende X-Chromosom in Kürze
das kranke X-Chromosom nennen und zeichnen es im Schema schwarz
eingerahmt. Der Krankheitsfaktor aber ist rezessiv. Heiratet nun
eine gesunde Frau einen kranken Mann, so liegen die Geschlechts-
chromosomenverhältnisse vor, wie es die 1. Reihe des Schemas angibt.
Da das X-Chromosom des Mannes keinen Partner hat, so muß natürlich
ein Mann mit einem kranken X-Chromosom auch immer manifest
krank sein. Die zweite Reihe zeigt nun die Gameten, die diese Eltern
— 483 —
bilden und die dritte die beiden Kombinationsmöglichkeiten bei den
Kindern. Man sieht sofort, daß alle Söhne gesund sein müssen und
auch die Krankheit nicht übertragen können, da sie ja kein krankes
X-Chromosom besitzen. Auch die Töchter sind gesund, da Gesundheit
über Krankheit dominiert. Aber sie besitzen ein krankes X-Chromosom,
EUem
P
Gameten
vonP-
Kinder
in Fi.
QameUn.
von Fi.
Ki na er
in Fi.
OLinit
Vaterkravk
hludter qe.su.nd
Kinder gesund
Tothttr überträft
Wü
''icLe-rSöhne Kr a?tK
\dtrVochter übertrtxyzn
Fig. 189.
Schema des Verhaltens der Geschlechtschromosomen bei der Vererbung der Bluter-
krankheit. Nach Wilson.
durch das sie zu Trägern der Krankheit werden. Heiratet eine solche
heterozygot-gesunde Frau einen gesunden Mann, so können sich nun
die 4 Gametensorten vereinigen, die in der 4. Reihe dargestellt sind
und das ergibt im ganzen die 4 Kombinationen der 5. Reihe. Ein Blick
zeigt, daß alle Töchter gesund sind, daß aber die Hälfte von ihnen
31*
— 484 —
wieder in gleicher 'Weise die Krankheit weiter vererben können. Von
den Söhnen ist aber die Hälfte gesund, die Hälfte krank. So klärt sich
auch dieser merkwürdige Vererbungstypus in einfacher Weise auf.
Wir haben nun beim Studium des Mendelismus eine Fülle von Kom-
plikationen kennen gelernt, die alle ihre mehr oder minder befriedigende
Erklärung fanden. Es ist natürlich zu erwarten, daß auch beim Menschen
die betreffenden Erscheinungen sich finden werden . "War aber ihre Analyse
schon im Vererbungsexperiment schwierig, wieviel mehr muß sie es bei
einem nur statistisch zugänglichen Material sein. Und so läßt sich
bis jetzt auch nicht viel mehr Sicheres angeben, als diese hier aufge-
führten Elementarfälle. Es steht zwar auch schon fest, daß solche
komplizierten epistatischen Systeme, wie wir sie für die Färbung der
Nagetiere kennen lernten, vorliegen, und der Anfang zu ihrer Analyse
ist bereits für die Eigenschaften Haarfarbe und Augenfarbe gemacht.
Es steht ferner fest, daß es polymere Eigenschaften gibt, die sich also
nach dem Prinzip von Nilsson-Ehle verhalten. Eine solche, die Haut-
farbe bei Kreuzung von Negern und "Weißen, ist bereits analysiert
und wurde von uns früher schon besprochen. Aber für diese, wie für
andere Punkte muß noch viel Material gesammelt werden, ehe die
Gesetzmäßigkeiten klar demonstriert werden können. Das ist aber
begreiflicherweise nicht leicht. Abgesehen von den technischen Schwie-
rigkeiten der Stammbaumforschung, sind auch gerade die Eigenschaften,
die praktisch am wichtigsten sind, oft sehr schwer zu fassen. So ist es
oft kaum möglich zu unterscheiden, ob eine Krankheit gleicher Er-
scheinung vererbt oder individuell erworben ist. Besonders embryonale
Defekte sind da eine gefährliche Fehlerquelle. Dann kann das gleiche
Krankheitsbild durch ganz verschiedenartige Erbfaktoren bedingt sein,
die wir dann zunächst nicht trennen können, umgekehrt kann ein Erb-
faktor sein Vorhandensein in sehr verschiedenem Effekt dartun. Es
kann aber auch das Manifestwerden einer Krankheitsanlage an die
Lebenslage oder das Alter geknüpft sein, es kann ein und derselbe Krank-
heitstyp nach verschiedenen Modis vererbt werden, ebenso wie etwa
die äußerlich gleiche Färbung bei Tieren in verschiedenen Fällen do-
minant, rezessiv, intermediär, geschlechtsbegrenzt vererbt werden kann.
(Für die Farbenblindheit kennt man z. B. schon mehrere Vererbungs-
— 485 —
typen.) All dies sind unendliche Schwierigkeiten, die nur langsam
Schritt für Schritt überwunden werden können. Voraussetzung dazu
ist, daß die ärztliche Wissenschaft, die in dieser Richtung arbeitet, die
Rassenhygiene, mit der Beherrschung des ärztlichen Wissens auch
die vöUige Vertrautheit mit den Tatsachen der Erblichkeitsforschung
verbindet. Die unendlich mühevolle und zunächst sicher keine schnellen
und blendenden Resultate versprechende Einzelforschung wird dann
einmal auch Großes zum Wohl der Menschheit beisteuern können.
•♦-•••~*-
Literaturverzeichnis.
Das folgende Literaturverzeichnis erhebt keinerlei Anspruch auf Voll-
ständigkeit. Es enthält aber wohl alle wichtigeren Arbeiten, wie solche,
von denen aus die weitere Literatur gefunden werden kann. Die mit *
bezeichneten Werke enthalten zusammenfassende Darstellungen, ausführ-
liche Literaturverzeichnisse oder beides. Es ist in drei Teile gegliedert:
i. Zeitschriftenverzeichnis, 2. Literatur bis 1912, 3. Literatur 1912 — 1914.
I. Zeitschriften.
Die wichtigsten genetischen Arbeiten wurden in den folgenden
Zeitschriften veröffentlicht, von denen die mit * bezeichneten außerdem
(oder ausschließlich) ausführliche Referate bringen.
Deutsch.
*Archiv für Entwicklungsmechanik der Organismen. Herausgegeben von
W. Roux.
Archiv für mikroskopische Anatomie. Abt. II (für Zeugungs- und Ver-
erbungslehre). Herausgegeben von O. Hertwig und W. Waldeyer.
*Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie. Herausgegeben von A.
Ploetz.
* Archiv für Zellforschung. Herausgegeben von R. Goldschmidt.
Biologisches Centralblatt. Herausgegeben von J. Rosen thal.
♦Zeitschrift für induktive Abstämmlings- und Vererbungslehre. Heraus-
gegeben von E. Baur.
Zeitschrift für Pflanzenzüchtung. Herausgegeben v. C. Fruwirth.
Zoologische Jahrbücher. Abteilung für allgemeine Zoologie und Phy-
siologie der Tiere. Herausgegeben von J. W. Spengel.
*Zentralblatt für Zoologie, allgemeine und experimentelle Biologie. Her-
ausgegeben von A. Schuberg und H. Po 11.
Englisch.
Annais of Botany.
Biological Bulletin of the Marine Biological Laboratory Woods Hole,
Mass. Managing Editor: F. R. Lillie.
Botanical Gazette.
Journal of Genetics. Edited by W. Bateson and R. C. P unnett.
Journal of Morphology. Edited by J. S. Kingsley.
Proceedings of the Royal Society London.
Science.
— 487 —
*The American Naturalist.
The Journal of Experimental Zoology. Edited by W. E. Castle, E. G.
Conklin, C. B. Davenport, H. Jayne, H. S. Jennings, F. R.
Lillie, J. Loeb, T. H. Morgan, G. H. Parker, E. B. Wilson
and R. G. Harrison.
The Mendel Journal.
The Quarterly Journal of Microscopical Science. Ed. Ray Lankester
u. Minchin.
Französisch.
Archives de Zoologie experimentale et generale. Ed. Pruvot et Racovitza.
♦Bulletin Scientifique de la France et de la Belgique. Fonde par A.
Giard. Ed. Caullery.
II. Literatur bis 1912.
♦Ackermann, A., Tierbastarde, Zusammenstellung der bisherigen Beob-
achtungen. Abhandlungen und Berichte des Vereines für Natur-
kunde in Kassel. I. Wirbellose. 40. 1 896/1897. II. Wirbeltiere.
43. 1897/1898.
Adler, H., Über den Generationswechsel der Eichengallen. Zeitschr. f.
wiss. Zoologie. 35. 1881.
Allen, J. A., The influence of physical conditions in the genesis of species.
The Radical Review 1877.
Allen, G. M., The heredity of coat colour in mice. Proc. Americ. Acad.
Arts. Sei. 40. 1904.
Amma, K., Über die Differenzierung der Keimbahnzellen bei den Cope-
poden. Arch. f. Zellf. 6. 191 1.
Arenander, E. O., Eine Mutation bei der Fjellrasse (Kularasse). Jahrb.
f. wissensch. u. prakt. Tierzucht. 3. 1908.
Artom, C, Ricerche sperimentali sul modo di riprodursi dell' Artemia
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Register,
Abraxas grossulariata 43, 283, 289.
Abraxas-Typ 322.
Acerina-Perca-Bastarde 272.
Achatinellen 52.
Aegilopsbastarde 145, 247.
Aegilops ovata 246.
Aegilops triticoidcs 246.
Aequationsteilung 305.
Ageniaspis 354.
Aglia tau 166, 195, 202.
Akazien 452.
Albinismus ji,, 73, 480.
Albino 212.
Albinos, verschiedenartige 208.
Allelomorphe 162.
Allelomorphismus, falscher 223.
Allen 53, 54.
Alpensalamander 466.
Alytes obstetricans s. Geburtshelfer-
kröte.
Amblystoma tigrinum s. auch Axo-
lo^ 455. 456-
Amma 443.
Amphidasys betularius 409.
Amphimixis 67, 77.
Amphioxus 59.
Ancel und Bouin 358.
Anconschaf 402, 411.
Andalusierhühner 171, 218, 27-),
276.
Angiostoma nigrovenosum , Fort-
pflanzungzyklus des 345.
Anpassungen, funktionelle 45, 47.
Antirrhinum majus 231, 237, 273.
Formenmannigfaltigkeit des
233-
Antirrhinumspezies 274.
Anuraea cochlearis 75.
Aphiden 372.
Aphiden, Generationswechsel der
378, 3S0.
Aquilegia 22S.
Araschnia levana 39.
— prorsa 39.
Arctia caja, Aberrationen von 433.
Aristoteles 411.
Artbastarde 236, 238, 294.
- konstante 245.
Artbastardierungen 270.
Artkreuzungen an Enten 24S.
Ascaris megalocephala, Keimbahn
von 442.
Atavismen 146, 270.
Axolotl 46, 455, 456, 460.
Axolotlkreuzungen 234.
Babak 45.
Baehr v. 345.
Bakterien 414.
Baltzer 179.
Bankivahuhn 146.
Bastarde, intermediäre 169.
- mendelnde zwischen Arten 237.
— vegetative 386.
- -Befruchtung kernloser Eifrag-
mente 177.
— -Forschung 143.
ältere 143.
- -Generation erste 144.
Bastardierung, Auftreten von Neu-
heiten bei 199.
- Neukombination bei der 207.
Bastardierungs-Lehre 143.
Bateson 4, 48, in, 112, 113, 147,
161, 162, 164, 165, 169, 173, 186,
193. J99. 2°2- 2°3< 2°9. 2I2> 2I3>
216, 222, 224, 226, 227, 234, 257,
281, 282, 288, 403, 424.
537 —
Bateson-Lotsy 425.
Bateson und Punnett 284, 33S, 339.
Bauhin 404.
Baur 48, 206, 226, 22S, 231, 2^^,
^il, 247, 273, 274, 342, 395, 396,
397. 398, 399. 4^9-
Bccbc 42.
Befruchtung 5, 10, 177.
Berbcris vulgaris var. atropurpurea
407.
Biddersches Organ männlicher Krö-
ten 360.
Biene 370.
Biffen 193.
Binometrische Schule 111.
Biotypus 120, 127, 129, 139.
Birkenspanner 423.
Biston hirtarius 43, 239.
Bitter 365.
Bizzarria 390, 398.
Blankinship 97.
Blatta 360.
Blattläuse 345.
Blutbäume 407.
Bluterkrankheit 482.
Blutwechsel 460.
Bohnen 122.
Kreuzungen 216.
Bonhote 248.
Bordage 460.
Boveri 17, 177, 179, 306, 312, 345,
394. 442-
Brachydaktylie 477.
Bravaissche Formel 82.
Bredahuhn 203.
Bryonia 346, 347.
Buder 398.
Bumpus 63, 70.
Burbank 163, 246, 271, 408, 428.
Calkins 385.
Cardium edule 48.
Castle 68, 230, 231, 250, 256, 262,
264, 273, 281, 326, 359, 451,
478.
Cerion 52.
Chaerocampa elpenor 409.
Chauvin, Marie von 46, 455, 456,
460, 467.
Chelidonium laciniatum 404.
208, 230, 264,
Chimären yji, 395.
Chromosomen 7, 9, 10, 179, 227, 301.
- geschlechtsbestimmende 320.
- qualitative Verschiedenheit 14.
- und Mendelspaltung 308.
- väterliche und mütterliche 10.
- Verschiedenheit der 306.
- Zahl der 10, 12.
Chrysanthemum segetum 93.
Cieslar 459.
Colias edusa 315.
Correns 114, 147, 165, 169, 194, 199,
228, 237, 275, 281, 282, 293, 295,
346> 347. 364. 365. 367. 368, 369,
429.
Coutagne 164, [86.
Crataegus 389.
crossing over 344.
Cuenot 199, 200, 20;
^73- 351» 352.
Cunningham 86.
Cyklomorphose 50, 67, 75.
Cymatophora or albingensis 409.
Cytisus Adami 388, 398.
Dachshund 110.
Daphniden 55, 133, 373.
Daphnien 73, 138.
- Generationszyklen der 373.
- Helmhöhe der 49, 70.
Kopf höhen der 55, 374.
Darbishire 112, 113, 165, 181, 230.
Darwin 1, 2, 3, 19, 33, 48, 67,
73» 78, 79- So, 110, 115, 116, 119,
M-. 143. 144. T45. 147. l6l> l67>
172, 200, 202, 293, 341, 350, 359,
401, 403, 410, 411, 414, 415, 430,
43i. 438, 439- 45^. 472-
Darwinismus 3.
— extremer 439.
Darwin, Taubenkreuzungen 146.
Davenport ^^, 52, 97, 111, 165, 168,
174-
Davenport, G. u. C. 257.
Davenport und Arkcll 340.
Davis 425.
Deilephila-Artbastard 243.
Delboeufs Gesetz 420.
Delcourt und Guyenot 60.
Demoll 348.
538
Depression bei Infusorien 385.
Determinanten 5, 119, 440.
Diabetes 477.
Dihybridismus 186.
Dimorphismus, fester 98.
— Geschlechts- 98.
— sexueller 44, 295.
- zweier Rassen 97.
Dimorphoteca pluviahs 346.
Dinophilus 353, 382.
Dipsacus sylvestris 99, 100.
Disposition zu variieren 68, 69, 70.
Divergenz 78.
Dominanz 161.
- Gesetzmäßigkeit 162.
unreine 16
5-
164.
— Unvollkommenheit der,
Dominanzwechsel 167.
— bei reziproken Kreuzungen 241.
- unregelmäßiger 168.
Doncaster 180, 283, 370, 371.
Dorfmeister 39, 433, 435.
Dorkinghuhn 145.
Doppellarven von Amphibien 387.
Doppelmutanten 424.
Draeger 413.
Drinkwater 477.
Drosophila 60, 68, 285,
343, 428, 437.
Duncker 29, 33, 63, 83.
Dunin-Kozicky von 412.
Durchschlagskraft 144.
Durham, Miß 164, 206,
230, 273.
Dzierzon 370.
322, 334,
208, 214,
East 131, 237, 256, 257, 272.
Echinus 69, 178.
Edwards 433.
Ehrlich 141.
Eigenschaft, die von mehreren Erb-
einheiten bedingt wird 219.
Einhuferschwein 145.
Elementarrassen 137, 139.
Elternmittel 103.
Emerson 226.
Enriques 78.
Entwicklungsmechanik 3, 83.
Epistasis 204.
Erbeinheiten 5.
Erbformeln 228.
Erblichkeitszahl 122.
Erblichkeitsziffer 106.
Erbsen 122, 181, 22^.
Erbsenkamm 202.
Ernährungseinwirkung auf Tiere
42.
Erophila verna- Kleinarten 274.
Ewart 243, 245, 271, 472.
Faktoren- Abstoßung 222.
- -Austausch 344.
— klimatische 54.
— Koppelung 222.
Farbenblindheit 482.
Farne 372.
Fasanenkreuzungen 247.
Fasziation 100.
Federley 394.
Felchen 137.
Felstaube 146.
Fernande z 354.
Fettschwanzschaf 240.
Fettsteißschaf 240.
Feuchtigkeitswirkung auf Tiere 42.
Feuersalamander 466.
— ■ -Fortpflanzungsgewohnheiten
467.
Fibonaccireihe 72.
Fichten, alpine 459.
Fischer 433, 446, 447.
Focke 143.
Formenkette, geographische 52.
Fortpflanzung der Algen 385.
- Beziehung von
ungeschlecht-
licher zu geschlechtlicher 384.
- ungeschlechtliche 133, 414.
Frequenzkurve 26.
Frischholz 384.
Frosch 383.
— ■ -Geschlechtsentwicklung 362.
Fruchtbarkeit 141.
- der Hühner 272.
• Vererbung der 138.
Fruwirth 131.
Fuß-Sohlenhaut menschlicher Em-
bryonen 452.
Gärtner 143.
Gager 437.
- 539 —
85, 102, 103,
in, 1 1 3 > ii4.
127, I2S< I4I»
45;
458.
Gallus bankiva 212.
Galton ij, 37, 79, 82
104, 105, 107, 1 10,
116, 1 iS, 120, 124,
300.
Galtons Gesetz des Ahnenerbes 108.
vom Rückschlag und Ahnen-
erbe 102.
Galtonsche Gesetze 122.
Galton, Zufallapparat 36.
Gameten, Reinheit der 234.
Gametophyten 367.
Gartenschnecke s. Helix.
Gartenvarietäten 407.
Gates 167, 425, 426.
Gattungsbastarde 273.
Gaußsches Fehlergesetz 37.
Gayot 247, 268.
Gebrauch und Nichtgebrauch, Wir-
kung von 439.
Geburtshelferkröte 456,
Geerts 426.
Gefüllte Blumen 407.
Gene 5, 119.
Genetik 4.
Genotypus 120, 127, 129.
Genotypenlehre 444.
Germinalselektion 73.
Gerould $$=,.
Gerste 122.
— Schartigkeit der 122.
Geschlecht mendelistische Erklärung
des 281.
— Vererbung und Bestimmung 281.
Geschlechtsbestimmung durch Ein-
wirkung auf übergeordnete Fak-
toren 369.
- Eingriffe in den Chromo-
somen-Mechanismus 346.
- Verschiebung der relativen
Potenz der Erbfaktoren 348.
- experimentell metagame 365.
- metagame 349, 351, 365.
- Probleme der 344.
- progame 353.
- pro- und syngame 351.
— und Temperatur, Nahrung, Ex-
kretion 381.
— Zeitpunkt 349.
Geschlechtscharaktere, primäre 367.
Geschlechtscharaktere, sekundäre,
s. auch Sexualcharaktere 44, 282,
289, 293, 324. 358-
- Vererbung der sekundären 21)4.
Geschlechtschromosomen 326, 340.
Geschlechtsdimorphismus 97.
Geschlechtsdrüsenteile, nicht funk-
tionierende 360.
Geschlechtslinien 379.
Geschlechtspolymorphismus 294,
335. 336-
Geschlechtsumwandlung, metagame
durch Potenzverschiebung 367.
Geschlechtsvererbung 227, 331.
Geschlechtsverhältnis, normales 349.
Geschlechtsverhältnis zyklischer For-
men 372.
Geschlechtszellen 5, 6.
Giard 97, 168, 292.
( rleichgeschlechtigkeit multipler Em-
bryonen 3^3.
Godin 144.
Godlewski 17c).
Godron 246, 408.
Göbel 45, 80, 362, 461.
Goldregen 388.
Goldschmidt 266, 444.
Gonadentransplantationen 449.
Goodale 288, 289.
Gracilaria stigmatella 454.
Graux 412.
Gregory 226.
Guaita 230.
Guignard 194.
Gulick 52, 326.
Guthrie 449.
Gynandromorphe 296, 358.
Gynandromorphismus 364.
Haase 133.
Haacke 230.
Habsburger Familientypus 477.
Hacker 72, 234.
Hagedoorn 206, 208, 230, 288, 289,
429.
Hafer 219.
— -Svalöfer, reine Linie von, 131.
Halicore 452.
Hanel 133.
Hansen 448.
540
Harris 82.
Hasen-Kaninchenkreuzungen 247,
268, 428.
Haustierzucht 270.
Hautfarbe von Mulatten 257.
Hays 130.
Hefferan 24.
Heincke 87, 137, 138, 139.
Helix 163, 265, 427, 460.
- Artbastarde 238.
■ — hortensis, Längs Kreuzung von
Varietäten der 183.
- linksgewunden 465.
— nemoralis 52.
Helmpotenz 70.
Heiweg 84.
Henking 317.
Herbst 180.
Heribert-Nilsson 425, 426.
Hering 137, 138, 139.
■ — Naturgeschichte des 87.
Hermaphrcditismus , akzidenteller
362.
Hertwig, O. und R. 177.
Hertwig, R. 348, 362, 365, 367,
369. 37-1. 38i, 382, 383. 384. 385.
456-
heterozygot 159.
Hieraciumarten 245.
— alpine 459.
Himbeeren-Brombeerenbastarde
246.
Hipponoe 180.
Hoesch 277.
Hofer 137.
Homoeotypus 129.
Homogamie 78.
homozygot 159.
Honing 425.
Houssay 45.
Hühner 141, 168, 212, 451.
— Fruchtbarkeit der 342.
Hühnerkämme 202, 223, 234, 268.
Hühnerrassen, geschlechtsbegrenzte
Vererbung bei 288.
— kurzsteißige 163, 402.
Huhn, polnisches 79.
Hunde, schwanzlose 402.
Hybridatavismus 199.
Hybridmutationen 270.
Hydatina, senta 378.
Hydra 133, 384.
Hypospadie 477.
Janczewski 246.
Idiosynkrasie 163.
- individuelle 167.
Jennings 60, 63, 82, 94, 134, 448.
Immunität, erbliche 447.
Inachus 359, 364.
Indifferenz, geschlechtliche 367.
Infusorien 67, 133, 384, 448.
- Geschlechtsperioden der, 385.
Instinktvariationen 453.
— Vererbung 456.
Inzucht 68.
Johannisbeerenbastarde 246.
Johannsen 31, 48, 49, 77, 82, 84,
93, 107, in, 112, 119, 120, 122,
124, 128, 130, 131, 139, 149, 300,
408, 414, 437, 444.
Isolationsindex 97.
Issako witsch 374.
Ivanoff 240.
Kahle 443.
Kakerlaken 480.
Kammerer 272, 456, 457, 461, 464,
466, 467, 468.
Kanarienvögel 42.
Kaninchen 231, 451.
- lang- und kurzohrige 169.
Kaninchen, Lecithinfütterung 383.
— Silberfarbe 262.
Kapteyn 82.
Kartoffel 272.
Kastrat s. auch Eunuch 359.
Kastration, parasitäre 292.
Katzen mit blauen Augen 79.
— schwanzlose 402.
Keilhack 374.
Keimbahn 442.
Keimesvariationen 67.
Keimplasma 34, 67, 440.
Kellogg 163, 167, 168, 186, 290.
Keratoma 477.
Kerner von Marilaun 245.
King 350.
Kingston 478.
Kirschlorbeer 20.
541
Klassenvarianten 25.
Klebs 63, 72, 74, 101, 367, 385, 460.
Klodnitsky 381.
Klone 133.
Knight 143.
Knospenvariationen 414.
Koch 384.
Koloradokäfer 21, 25, 50, 53, 55, ^y ,
72, 78, 80, 91, 137, 138, 139, 175,
421, 422, 427, 435, 446, 459.
Mutationen des 410.
Kölreuter 143.
KollektivsYmmetrie 83.
Korrelation 79, 80, 22^.
- graphischer Ausdruck für 106.
Korrelationsko^ffizient 82.
Korscheit 353.
Korschinsky 403, 404.
Krabbe, parasitär kastrierte 363.
Krabben s. auch Inachus 292, 359.
Krapfenbauer 384.
Kryptomerie 199.
Kükenthal 452.
Kulturhafer 429.
Kupelwieser 179.
Kurve, doppelgipflige 101.
— vielgipflige 72.
- zweigipflige 92, 93, 95.
Kuschakewitsch 362.
Kuttner 374.
Lamarck 438.
Lambotte 407.
Lang 115, 127, 128, 139, 168, 191,
238, 230, 254, 256, 257, 264, 266,
268, 427, 460.
Langhans 381.
Lasiocampa quercus 43, 44.
Latenz 199.
— durch Epistase 213.
Lathyrus 107, 216.
- odoratus 103, 213, 222, 224.
Lauterborn 75, 378, 379.
Lebenslage 48, 117.
- stoßweise Verschiedenheit der
72.
Lebenslagevariation 51,
— in der Entwicklung
— Erblichkeit 459.
Leche 452.
68, 137.
59-
Le Couteur 129.
Lenhossek 350.
Leporiden s. auch Hasenkaninchen
^47-
Leptinotarsa s. auch Koloradokäfer
26, 68, 260.
Levkojen, gefüllte 342, 348.
Leydig =,2.
Lichtnelke 293.
Limnophila 48.
- heterophvlla 46.
Linum • angustif oliurn 257.
Lithomastix 354.
Littorina littorea 63.
Lock 114, 185.
Löwenmaul s. Antirrhinum majus
231-
Lokalrassen 137.
Lotsy 45, 424, 430.
Ludwig 33, 71.
Lutz 426.
Lymantna dispar 43, 44, 169, 290,
158' 364. 367-
- monacha s. Xonne.
Männcheneier und Weibcheneier
353-
Marey 45.
Mc Clendon 374.
Mc Clung 317.
Mc Dougal 417, 436, 460.
Macfarlane 398.
Mc Leod 72.
Mäuse 213, 22},, 469.
Mäuse-Farbrassen 428.
- gelbe 273.
Mäuserassen, Analyse der Farben
der 228.
Kreuzungen der 205, 207.
Mais 257.
■ Kreuzungen des 194.
v. Malsen 382.
Manxkatzen 167.
Marchai 367.
- E. u. E. 372.
Matschie 137.
Mauchampschaf 412, 428.
Maulesel 242.
Maultier 242, 272.
Maupas 378, 379, 381.
542
Medicago intermedia 245.
Meerschweinchen 231.
— kastriertes 359.
Meijere, de 293, 335, 336.
Meisenheimer 290, 291.
Melandryum 363, 364.
Melaninpigmente, weiße 164.
Melanismus 53, 73.
Mendel 3, in, 114, 143, 146, 164,
181, 199, 223, 245, 281, 423, 426,
458. 475-
Mendelfälle beim Mensch 475.
Mendels Erbsenversuche 147.
Mendelscher Monohybridenfall 183.
Mendelspaltung bei fluktuierend-
variablen Eigenschaften 256.
Mendelismus und Tierzucht 276.
Mensch 68, 70, 78, 83, 104.
- Anwendung der Vererbungsge-
setze 473.
— sechsfingerig 403.
Mercurialis annua 362.
Merinoschaf 411, 412.
Merrifield 433.
Mespilus 389.
Micrococcus prodigiosus 448.
Mimosen 452.
Mirabilis Jalapa 169.
Mittelfehler ^2.
Mittelwert 29.
Modifikabilität 34.
Modifikation und Mutation 438.
Montgomery 63, 350.
Moose 371.
— Sporenbildung 361.
Morgan 227, 230, 236, 285, 324, 326,
334- 343. 344. 345. 428> 4-9,
437-
Mosaikbastarde 171.
Mutanten, albinistische 409.
- Entfernung von der Stammform
437-
Erzeugung von, durch Beein-
flussung der Fortpflanzungs-
organe 436.
Mutation 404.
Mutationen 3, 426, 431, 448.
- in Getreidelinien 408.
Mutationsperiode 420.
Mutationstheorie 401.
Nachtblindheit 477, 478.
Nachtschatten 392.
Nägeli 147, 459.
Nathusius, von 43, 413.
Naudin 143, 145.
Nawaschin 194.
Nektarinen 415.
Nemec 362.
Neolamarckisten 459.
Nereis limbata 24, 31.
Neukonstruktion durch Faktoren-
interferenz 268.
Neuroterus 370, 371.
Nilsson, N. Hj. 130.
Nilsson-Ehle 219, 221, 252, 256,
258, 426, 429, 484.
Nilsson-Ehles Prinzip 338.
Noll 367, 389.
Nonne 22, 30, 71, 95, 98, 409, 423.
Nußbaum 379, 381, 384.
Oberhefe 448.
Oenothera 70, 436.
— Lamarckiana 415, 421, 424.
- Mutationen 416.
— rubrinervis 55, 22^.
- Variabilität der Fruchtlänge von
117.
Oenotheraarten, de Vries' Kreu-
zungen von 424.
- gigas 426.
— scintillans 418.
- -Chromosomen 426.
Ohrenlänge beim Kaninchen 250.
Okulierung 386.
Ostenfeld 245.
Ostwald 55.
Oudemans 290.
Papanikolau 76, 374, 375, 378.
Papilio hospiton 41.
— machaon 40.
- memnon 99, 335.
Pappel, italienische 406.
Parallelinduktion 445, 470.
Paramaecium 19. 60, 78, 94, 134,
138.
Parana, de 472.
Parthenogenese 49, 179.
— gelegentliche 353.
543
Parthenogenese, künstliche 180.
Pearl 67, in, 114. 138. X4X. 111-
288, 34--
Pearl und Dunbar 68.
Pearl und Surface 171.
Pearson 29, 33, 68, 70, 78, 97, 107,
108, 110, iii, 113, 115, 116, 478.
Pearson und Lee 68.
Pearson und Whiteley 83.
Pelargoniumarten 396.
Penzig 390.
Periklinalchimäre 395, 397.
Periode, sensible 435.
Perla marginata 361.
Peter 59, 61, 69, 73.
Pfau, schwarzschulteriger 414.
Pferd-Zebrakreuzung 243.
Pflanzenzüchtung 276.
Pflüger 350, 362, 383.
Pfropfung 386.
Pfropfbastarde 388.
Phacochoerus, Karpalschwielc bei
452-
Phaenotypus 120,
Phratora vitellina
Phylloxera 372.
Pictet 43.
Pilze 414.
Pimapheles 26.
— notatus 24.
Place Variation 50.
368.
198, 208, 230.
Poll 273.
Polygordius 59.
Polymerie 256, 262.
Poppelbaum 364.
Population 19, 102, 120, 127, 129
— menschliche 473.
Portunion 97.
Potenz 174.
von Erbfaktoren 264.
Präinduktion 74, 377, 469.
Prantl 367.
Presence- und Absence-Theorie 162.
173, 198.
Primula sinensis 42, 185.
Primula stellata 185.
— officinalis 72.
Prothallien 366.
127, 129.
454-
Plantago lanceolata
Plate 52,
Przibram 86, 87, 114. 469,
Pubertätsdrüse 359.
Punnett 148, 185, 202, 209, 213, 224,
226. 227, 2S2, 284, i^S, 379.
Quaggabastard 472.
Quetelet 22, 25, 25.
— -Galton 431.
Queteletsches Gesetz 24, 34.
Radiolarien 72.
Rädertiere, Generationswechsel der
378.
Raimannia odorata 437.
Ranunculus alpestris 436, 457.
Rassen, hörn- oder schwanzlose
144.
neue, durch Bastardierung 191.
Rassenfrage 87.
Rassenhygiene 111.
Rassen, hörn- und schwanzlose 144.
Rassen in einem Individuengemenge
02.
Ratte 209, 231, 469.
-Mausbastarde 240.
Ratten, Scheckungstypus bei 210.
Raunkiaer 245.
Raynor 283.
Reaktionsnorm 47, 60, 71, 72, 73,
119, 129, 377.
Reduktion bei Sporenbildung 371.
Reduktionsteilung 12, 305.
Reduplication series 227.
Reichenau, von 433.
Reifeteilungen 301.
Reifezustand des Eies 383.
Reine Linien 49, 123, 408.
Reiznachwirkung 459.
Reversion 199, 215.
Rhododendron intermedium 245.
Rhumbler 440.
Riddle 447.
Ritter 443.
Rörig 269.
Romanes 78.
Rosen 274.
Rosenkamm 202.
Rotatorien 372.
Rubus 223.
Rückschlag 106, 199, 215.
Russo 383.
544
Saatkrähe 452.
Sacculina 97, 292, 364.
Saisondimorphismus 39.
Salamander 466.
- Farbvariationen beim 461.
Salvia horminum 209.
Sarasin 52.
Saunders, Miß 209, 21^, 216, 224,
348.
Scardafella inca 42.
Schafe, Hornvererbung bei 340.
v. Scharffenberg 374, 375.
Schaudinn 444.
Scheckung der Nagetiere 257.
Schecknngsfaktor 164.
Schepelmann 45.
Schlafbewegungen von Pflanzen 432
Schlagenthin, Graf Arnim 432.
Schleip 345.
Schmetterlinge Futterversuche 43.
— Temperaturexperimente an 39.
Schmitt 362.
Schnecke, quergebänderte 192.
Schnecken 168.
Schoenemund 361.
Schouten 425.
Schröder 454.
Schultze O. 352.
Schwammspinner, Kreuzung des
295-
Schweine, einhufige 411.
Schweinerassen 237.
Schweinezucht, Geschichte der 277.
Schweinezüchter 43.
Scolopendrium vulgare 405.
Scott 418.
Sedum 63, 74, 10 1.
Seeliger 1 79.
Seeigel 5, 59, 62, 73.
— -Bastarde 176.
Seeigeleier, kernlose 59.
Seenadel 91.
Seidenhaar 428.
Seidenhuhn 144.
— Pigmentierungsart des 338.
Seidenspinner 186.
— Kokonfarbe 163.
Seiler 322.
Sektorialchimäre 396.
Selektion in einer reinen Linie 126.
Selektion und Lebenslage 117.
Selektionsversuch an Krabben 86.
Semon 452, 453.
Sempervivum 63, 465.
— -Bastarde 273.
Settegast 240.
Shearer 382.
Shireff 130.
Shull 133, 199, 216, 218, 378, 379,
381, 436-
Silene Almeria 22S.
- Armeria 275.
Silvestri 443.
Simroth 432.
Sitowsky 447.
Smith 282, 359, 363.
Solanum Darwinianum 399.
- lycopersicum 392.
- nigrum 392.
- tubingense 392, 397.
Soma- und Keimplasma, Gegensatz
zwischen 443.
Spaltfuß 477.
Spaltungsgesetz 181.
Sphaerechinus s. Seeigel 69, 178.
Spermatozoen, Männchen- und weib-
chenbestimmende 320.
Spillman 288, 326.
Sport 402, 410, 420, 437.
Sports 144.
im Tierreich 408.
Sprungvariationen 401.
Standardabweichung 30.
Standfuss 39, 144, 166, 195, 409,
433-
Standorts- Variabiltät 53.
- -Varietäten 137, 430.
Stechapfel 408.
Steinach 359.
Steinrück 179.
Stevens 317, 345.
Stomps 425, 426.
Strasburger 362, 363, 365, 371, 372,
39o.
Strohl 374.
Strongylocentrotus s. Seeigel 69.
Sturtevant 324, 344.
Summation 470.
Sumner 469.
Surface 288.
545 —
Sutton 312.
Svalöfer, Züchtungsmethoden 130.
Symmetrie, bilaterale 83.
Synapsis 303.
Tagpfauenauge 409.
Tammes 257.
Taschenkrebs, Rassen des 96.
Tatusia 354.
Taube 79.
Tedin 130.
Telegonie 471.
Temperaturexperimente an Schmet-
terlingen 39, 432.
Tennent 180.
Tetraden 303.
Thompson 85.
Thomson 114.
Thury 3S3.
Tischler 273.
Tomate 392.
Tower 25, 50, 53, 54, 57, 68, 69, 72,
78, 139, 170, 175, 260, 410, 421,
422, 427, 432, 435, 446, 459.
Toxopneustes 180.
Toyama 164, 168, 1S6.
Treppenkurve 26.
Trihybridismus 209.
Tschermak 147, 199, 213, 216, 300.
Unfruchtbarkeit von Bastarden 272.
Ustilago 363.
Vau 436.
Vanessa io 40.
- — urticae 40.
Variabilität 19, 60, 74.
— der Kulturtiere und
268.
— durch Veränderungen
mischen Grundlage der
schaftsbestimmer 74.
— — Wechsel der Bedingungen ge
-Pflanzen
der che-
Ei^en-
steigert 60.
Ernäh-
— eine Erscheinung der
rungsphysiologie 56.
— fluktuierende 20, 431.
Ursache der 48.
— geographische oder Standorts- 5 1 .
Variabilität, kollektive 49, 50.
Goldschmidt, Vererbungswissenschaft. 2
Variabilität, Konjugation und 68.
— nahe verwandter Formen, ver-
schiedene 69.
- Rolle der inneren Faktoren des
Organismus für die fluktuierende
67.
— Ursachen der ^^, 55, 67.
- variabler und konstanter Organe
63-
Varianten, diskrete 25.
— räumliche Verteilung der 71.
Variation, bestimmt gerichtete 72.
- der geographischen, klimatischen
und Lebenslage 77.
- diskontinuierliche 22.
- Qualität der 71.
Richtung der 71.
Variationen, als Ausgangspunkt für
die Bildung neuer Arten 78.
Variationskurve 26.
— halbe ^,7,.
— hochgipflige ^^,.
— schiefe 33.
- tiefgipflige 33.
unsymmetrische 33.
Verschiebung der 38, 55.
zwei- und mehrgipflige 33.
Vuriationskurven, symmetrische ^^.
Variationsreihe durch Bastard-Kom-
bination 265.
- Veränderung unter dem Einfluß
äußerer Bedingungen 22, 48.
Variationsstatistik 30, 33, 79.
Vereinigung artfremder Tierstückc
386.
Vererbung erworbener Eigenschaften
438.
— geschlechtsbegrenzte
- geschlechtsbegrenzte
183, 326.
bei Men-
schen 481.
Vererbungsrichtung, Verschiebung
der 179.
Vererbungstypus, intermediärer 236.
Verlustmutanten 429, 437.
Vernon 59, 68, 70, 97, 179.
Vilmorin 123.
De Vries 3, 20, 55, 56, 70, 73, 93,
100, 117, 129, 139, 147, 223, 245,
246, 271, 404, 408, 415, 418, 421,
422, 423, 424, 425, 432, 436, 437.
Aufl. 35
546 —
Walnußbastarde 271.
Walnußkamm 202, 213.
Wassertiere, Einfluß des Salzgehaltes
auf 48.
Weinberg 114.
Weinland 378.
Weismann 4, 5, ss> 67, 73, 119, 373-
374- 433. 439, 44°- 441- 443.
444-
Weizen 221.
Weizenlinien 432.
Weizenkreuzungen 193.
Weldon 33, 70, 85, 86, 97.
Wesenberg-Lund 75, 137.
Wespen, parasitische 354.
Wespen- Variabilität 68.
Wettstein 273, 436, 457.
Wheldale 231.
Whitney 378, 379, 380.
Wichura 143.
Wilson 317, 323, 326, 482.
Winkler 392, 393, 395. 39^, 397-
399-
Witschi 362, 365.
Wolf 448.
Wood 340.
Woodruff 385.
Woltereck 47, 56, 70, 72, 73, 74,
134, 138, 374, 375. 377, 378, 381,
470.
Wunderblume, gelb- und grünblätt-
rige 165.
X-Chromosom, Ausfall eines Gens,
im Bereich des 333.
Xenie 194.
Yule 33, 114.
Zeatypus 169, 185.
Zellenlehre und Geschlechtsbestim-
mung 317.
Zellkern, der Träger der Erblich-
keit 301.
Zellteilung 6.
Ziege 43.
Zuchtwahl 85, 115.
Zuchtwahllehre 19, 73.
Zuckerrübe S4, 123.
Zugvögel, größere Variabilität der 63.
Zwangsdrehung 100.
Zwittrigkeit, vorübergehende 362.
Zypresse 407.
II
fc .--
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
I I
: