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Full text of "Einführung in die Vererbungswissenschaft; in zweiundzwanzig Vorlesungen für Studierende, Aerzte, Züchter"

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EINFÜHRUNG  IN  DIE 
VERERBUNGS- 
WISSENSCHAFT 


IN  ZWEIUNDZWANZIG  VORLESUNGEN 
FÜR  STUDIERENDE,  ÄRZTE,  ZÜCHTER 

VON 

Dr.  RICHARD  GOLDSCHMIDT 

A.  O.  PROFESSOR  DER  ZOOLOGIE  AN  DER  UNIVERSITÄT 
MÜNCHEN 


ZWEITE   VÖLLIG   UMGEARBEITETE   UND   STARK   VERMEHRTE    AUFLAGE 

MIT   189  ABBILDUNGEN 


2>-   6/72/7  Witscht 


LEIPZIG  UND  BERLIN 

VERLAG   VON  WILHELM  ENGELMANN 

1913 


COPYRIGHT  1913  BY  WILHELM  ENGELMANN,  LEIPZIG. 


Vorwort  zur   I.  Auflage. 

Vorliegendes  Buch  ist,  wie  schon  seine  Form  besagt,  aus  Univer- 
sitätsvorlesungen hervorgegangen.  Es  hat  sich  zum  Ziel  gesetzt,  che 
erste  Einführung  in  ein  Gebiet  der  Biologie  zu  vermitteln,  das  heute 
wohl  im  Mittelpunkt  des  Interesses  steht,  und  in  gleicher  Weise  für 
den  Zoologen  und  Botaniker,  wie  für  den  Arzt,  den  praktischen  Züchter, 
den  Anthropologen  und  Soziologen  bedeutungsvoll  erscheint.  Die  vielen 
Berührungspunkte,  die  die  Vererbungslehre  mit  so  verschiedenen 
Wissensgebieten  hat,  erfordern  es,  daß  ihre  Darstellung  dem  auch 
Rechnung  trägt.  Trotzdem  wurde  wo  es  irgend  anging,  das  zoologische 
Material  in  den  Vordergrund  gestellt,  wenn  ich  mich  auch  bemühte, 
der  führenden  botanischen  Schwesterwissenschaft  nach  Kräften  gerecht 
zu  werden. 

Seinem  Charakter  als  Einführung  entsprechend,  bietet  das  Buch 
keineswegs  eine  vollständige  Materialsammlung  des  behandelten  Ge- 
bietes, sondern  eine  geeignete  Auswahl,  die  aber  wohl  alle  wesent- 
lichen Tatsachen  wenigstens  an  einem  Beispiel  illustriert.  Ebenso 
wurde  speziell  in  dem  die  Variation  behandelnden  Teil  auf  ausführ- 
liche Darstellung  der  Methodik  verzichtet,  von  der  nur  das  Elementarste 
kurz  mitgeteilt  ist.  Das  konnte  um  so  besser  geschehen,  als  sie  in 
Johannsens  Elementen  der  exakten  Erblichkeitslehre  eine  meister- 
hafte und  unübertreffliche  Darstellung  erfuhr.  Mir  kam  es  vor  allem 
darauf  an,  das  biologische  Tatsachenmaterial  in  logischer  Verknüpfung 
zu  geben. 

Auf  einem  Gebiet,  in  dem  alles  so  in  Fluß  ist,  wie  es  bei  der 
Vererbungslehre  der  Fall  ist,  ist  es  nicht  leicht  möglich,  das  Tatsachen- 
material vollständig  objektiv  vorzuführen.  Seine  Verknüpfung  zu 
einem  Ganzen  erfordert  es,  daß  zu  allgemeineren  Problemen  in  be- 
stimmter Weise  Stellung  genommen  wird.  So  fehlt  auch  in  den  fol- 
genden  Vorlesungen   hier  und  dort  ein  subjektiver  Zug  nicht;  wenn 


—      IV      — 

die  dabei  zutage  tretenden  Anschauungen  nicht  immer  mit  den  augen- 
blicklich herrschenden  übereinstimmen,  so  dürften  doch  auch  die 
entgegengesetzten  Auffassungen  stets  objektiv  hervortreten.  Der 
Fachmann,  der  das  Buch  in  die  Hand  bekommen  sollte,  wird  außer- 
dem hie  und  da  sowohl  Tatsachen  finden,  die  eigenen  im  Gang  be- 
findlichen Untersuchungen  entstammen,  wie  auch  neue  Interpretationen 
der  Befunde  anderer. 

Wieviel  die  Darstellung  des  Mendelismus  dem  Standardwerk  der 
modernen  Bas'a'dforschung,  Batesons  Mendel's  Principles  of  Heredity, 
verdankt,  braucht  wohl  nicht  besonders  hervorgehoben  zu  werden. 
Ich  habe  mich  in  diesem  Kapitel  bemüht,  möglichst  häufig  die  wirk- 
lichen Zahlenangaben  für  die  vorgeführten  Beispiele  zu  geben,  so  daß 
der  Leser  selbst  die  Richtigkeit  der  Interpretationen  kontrollieren 
kann.  Es  wurde  ferner  in  Anlehnung  an  einen  Vorschlag  Längs 
versucht,  eine  einheitliche  Schreibweise  der  Buchstabensymbole  durch- 
zuführen, die  von  den  Autoren  bald  dieser,  bald  jener  Sprache  ent- 
lehnt werden.  Es  wurden  stets  die  Anfangsbuchstaben  der  lateinischen 
Bezeichnung  der  betrachteten  Eigenschaft  gewählt,  die  sich  ohnedies 
oft  mit  sonst  ben atzten  Symbolen  decken. 

Es  ist  mir  schließlich  eine  angenehme  Pflicht,  allen  denen  zu 
danken,  die  mich  bei  der  Arbeit  unterstützten,  vor  allem  mir  durch 
Überlassung  von  Werken  aus  ihrer  Bibliothek  vielen  Zeitaufwand 
ersparten,  nämlich  den  Herren  Prof  f.  Doflein,  Göbel,  Hertwig, 
Maas,  N  eres  hei  m  er,  Poll,  S'emon.  Besonderen  Dank  schulde 
ich  endlich  meinem  Verleger  Herrn  Wilhelm  Engelmann  für  sein 
liebenswürdiges  Eingehen  auf  alle  meine  Wünsche. 

München,  den  i.  Mai  1911. 


Vorwort  zur  2,  Auflage» 

Trotzdem  die  Bearbeitung  dieser  Auflage  bereits  ein  Jahr  nach 
Erscheinen  der  ersten  in  Angriff  genommen  wurde,  erwies  sich  eine 
beträchtliche  Umgestaltung  des  Buchs  als  notwendig.  Teils  war  es 
der  schnelle  Fortschritt  der  Wissenschaft,  teils  eigene  bessere  Kenntnis 
und  Erkenntnis,  teils  didaktische  Gesichtspunkte,  die  dazu  nötigten. 
Die  letzteren  haben  vor  allem  eine  andere  Anordnung  des  Stoffes  be- 
dingt, die  ein  leichteres  Aufbauen  des  Materials  ermöglicht.  Auf  die 
Variationslehre  folgt  jetzt  direkt  der  Mendelismus.  An  ihn  schließt 
sich  die  Geschlechtsbestimmung  an,  ein  Kapitel,  dem  auch  alles  Zyto- 
logische  eingeordnet  ist.  Erst  dann  folgt  Mutation  und  Vererbung 
erworbener  Eigenschaften. 

Nur  wenige  Kapitel  haben  keine  wesentlichen  Änderungen  erfahren ; 
aber  auch  bei  ihnen  wurde  in  Gliederung  und  Darstellung  nach  größerer 
Schärfe  und  Klarheit  gestrebt.  Es  sind  dies  hauptsächlich  die  ersten 
sieben  Vorlesungen.  Die  den  Mendelismus  behandelnden  Vorlesungen 
enthalten  viele  neue  Einfügungen  und  Änderungen,  die  durch  neuere 
Forschungen  bedingt  sind.  Sie  finden  sich  hauptsächlich  in  der  n. 
und  12.  Vorlesung.  Ganz  neu  ist,  bis  auf  einige  herübergenommene 
Stellen,  die  13.  Vorlesung.  Ebenso  sind  die  das  Problem  der  Geschlechts- 
bestimmung behandelnden  Vorlesungen  völlig  neu  geschrieben,  wenn 
auch  überall  mehr  oder  minder  große  Bruchstücke  der  alten  Dar- 
stellung aufgenommen  sind.  Ich  glaube  damit  eine  wirklich  einheit- 
liche Darstellung  des  verwickelten  Gegenstandes  gegeben  zu  haben. 
Auch  die  Darstellung  der  Mutationslehre  und  der  Frage  nach  der 
Vererbbarkeit  erworbener  Eigenschaften  ist  stark  umgearbeitet.  Be- 
sonders in  letzterer  Frage  habe  ich  mich  bemüht,  die  Sachlage  objektiv 
und  doch  auch  wieder  subjektiv  möglichst  klar  herauszuarbeiten.  Die 
letzte  Vorlesung  über  die  Vererbung  beim  Menschen  wurde  wieder 
neu  hinzugefügt. 


—      VI      — 

Eine  Reihe  von  Abbildungen  mußten  verschwinden,  zahlreiche  neue 
wurden   hinzugefügt,   so   daß   die   Gesamtzahl  sich   um   28  erhöhte. 

Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  schließlich  allen  Helfern  bei 
der  Arbeit  meinen  herzlichsten  Dank  zu  sagen:  Doz.  Dr.  Nilsson- 
Ehle  für  die  Ablassung  einer  authentischen  Darstellung  der  Svalöfer 
Versuche  (S.  130,  131),  Herrn  Dr.  Witschi  für  seine  Hilfe  bei  der 
Ergänzung  des  Literaturverzeichnisses  und  Herrn  Dr.  O.  Köhler  für 
seine  mir  höchst  wertvolle  kritische  Hilfe  beim  Lesen  der  Korrekturen. 
Auch  dem  Verleger,  Herrn  W.  Engelmann,  gebührt  für  jegliches  Ent- 
gegenkommen mein  Dank. 

München,  den  1.  Oktober  1913. 

R.  Goldschmidt. 


Inhalt, 

I.  Einleitung. 

A:   Darwin    und    seine  Nachfolge 


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B.  Die  Zelle   als    materielles  Substrat  der  Vererbungsei  - 
scheinungen. 

i.   Die  mitotische  Zellteilung 6 

2.  Der  Kern  als  Vererbungssitz. 

a.  Die  Chromosomen  als  Vererbungsträger 9 

b.  Die  qualitative  Verschiedenheit  der  Chromosomen.     .    .  14 

LI.  Die  Variabilität. 

A.  Die  Tatsachen   der  Variabilität. 

1.  Das  Queteletsche  Gesetz 18 

2.  Die  graphische  Darstellung  der   Variabilität 26 

3.  Das  Maß  der  Variabilität 30 

B.  Die  Ursachen    der   Variabilität. 

1.  Die  Ableitung  aus  dem  Gaußschen  Fehlergesetz ^,^ 

2.  Die  Reaktion  des  Individuums  auf  die  Umwelt       ....  38 

a.  Temperatur 39 

b.  Feuchtigkeit 42 

c.  Nahrung ^2 

d.  Funktionelle  Anpassung 44 

3.  Das  Wesen  der  variabeln  Eigenschaft:   Die  Reaktionsnorm  47 

a.  Lebenslage  und  Variationskurve 48 

«.   Standortsvariation 51 

ß.   Experimentelles 55 

y.   Embryonale  Variation 59 

b.  Experimentelle  Beeinflussung  des  Maßes  der  Variabilität  60 

c.  Innere  Faktoren  und  Variabilität 67 

a.   Amphimixis       67 

ß.   Verschiedenheit  nach  Art,   Organ,   Entwicklungsstufe, 

Geschlecht 68 

y.   Ludwigs   Kurven 71 

ö.   Reaktionsnorm  und   Präinduktion 73 

e.   Chemische  Basis  der  Variabilität 75 


—      VIII      — 

Seite 

C.  Die    Bedeutung    der    statistischen    Methode     für    die 
Variabilitätslehre. 

i.   Ihre  Anwendung  auf  biologische   Probleme 77 

a.  Homogame  Vermehrung 78 

b.  Korrelation 79 

c.  Zuchtwahl 85 

d.  Art-  und  Rassenf  ragen 87 

2.   Die  Grenzen  der  Methode. 

a.  Die  mehrgipfligen  Kurven  und  ihre  Bedeutung  ....      92 

b.  Fester  Dimorphismus      98 

D.  Galtons  Gesetz    vom  Rückschlag   und  Ahnenerbe. 

1.  Galtons  Begründung 102 

2.  Statistische  und  biologische  Gesetze 114 

3.  Johannsens  Kritik  des  Gesetzes 119 

a.  Genotypus  und   Phänotypus 120 

b.  Nichteinheitlichkeit  des  Materials 121 

E.  Die  Selektion   in   Population    und    reinen  Linien. 

1.  Johannsens  Studien      123 

2.  Folgerungen:   Population  und  Biotypus 127 

3.  Die  Tatsachen  aus  der  züchterischen  Praxis  und  dem  Tier- 
reich      129 

a.  Die  Svalöfer  Linien L3° 

b.  Reine  Linien  und  Klone x33 

•  c.   Elementare  Rassen      136 

III.  Die  Bastardierung  als  Mittel  zur  Analyse  der  Erblichkeit. 

A.  Die    ältere  Bastardforschung      142 

B.  Mendelismus. 

1.  Mendels  Untersuchungen   und   die  Zahlenkonsequenzen  des 
Spaltungsgesetzes I4^ 

2.  Die  Ergebnisse  der  Mendelistischen  Forschung, 
a.  Die  Dominanzregel. 

a.  Die  reine  Dominanz  und  ihr  Wesen      160 

a«.   Dominante  Eigenschaften 161 

ßß.  Die  Presence-Absence-Hypothese 162 

yy.   Idiosynkrasien       l&3 

&&.   Homo-  und  Heterozygote       164 

ß.  Unvollständige,  fluktuierende  und  wechselnde  Domi- 
nanz   I^7 

y.   Das  intermediäre  Verhalten 169 

&.  Die  Mosaikbastarde 171 

e.  Die  Ursachen  der  Dominanz,  ihre  Erforschung  im 
biologischen  und  entwicklungsmechanischen  Experi- 
ment       I73 


—      IX      — 

b.  Das  Spaltungsgesetz.  Seite 
a.   Einfache  Fälle  von  Mono-  und  Dihybridismus. 

«a.   Mono-    und    Dihybridismus    mit    Dominanz    und 

mit  intermediärem  Verhalten 183 

ßß.   Die  Xenien 194 

yy.   Anwendungen 195 

ß.  Das  Auftreten  von   Neuheiten  nach  Bastardierung    .  199 
(ca.   Neuheiten     durch     Neukombination     von     Eigen- 
schaften        200 

ßß.   Neuheiten    durch    Bedingtsein    einer    Eigenschaft 

durch  mehrere  Faktoren 207 

yy.   Neuheiten  durch  epistatische  Beeinflussung      .    .213 

t)t)'.   Neuheiten    durch    heterozygote    Mosaikbildung     .  216 

y.   Das  Nilsson-Ehlesche   Prinzip       219 

d\   Gametische  Korrelation 221 

(ca.  Faktorenkoppelung      222 

ßß.   Faktorenabstoßung      223 

yy-.  Gemeinsamkeiten 226 

c.  Die  Analyse  der  Erbfaktoren  und  die  Erbformeln.     .    .  228 

d.  Die  Reinheit  der  Gameten 233 

3.  Die  Frage  der  konstanten    Bastardformen 236 

a.  Intermediäre.   Art-  und  Varietätsbastarde 237 

b.  Differenz  reziproker  Kreuzungen 241 

c.  Die    Möglichkeit    reinzüchtender    Bastarde    im   Pflanzen- 
und  Tierreich 245 

d.  Mendelistische  Erklärung  scheinbar  konstanter  Bastarde  250 

«.   Castles  Kaninchenkreuzungen       250 

ß.   Die   Polymeriehypothese 252 

y.  Die  Spaltung  bei  fluktuierend  variabeln  Eigenschaften  256 

4.  Ergänzungen  und   Ungeklärtes 2G1 

a.  Wechselnde  Potenz  von  Erbfaktoren 262 

b.  Natürliche  Variabilität  durch  Faktorenkombination    .    .  265 

c.  Neukonstruktion  durch  Faktoreninterferenz       268 

d.  Luxurieren  der  Bastarde 271 

e.  Unfruchtbarkeit  der  Bastarde 272 

f.  Lebensunfähige  Kombinationen 273 

g.  Heterozygote  Konstruktion  und  gekoppelte  Faktoren    .  274 
h.   Bastardierungsgesetze  und  Tierzucht 276 

IV.  Das  Problem  der  Geschlechtsbestimmung. 

A.  Die  Vererbung  des  Geschlechts 281 

1.  Die  Geschlechtsvererbung  als  Mendelsche  Rückkreuzung    .  282 

a.  Die  geschlechtsbegrenzte  Vererbung 283 

b.  Die  sekundären  Geschlechtscharaktere 289 


Seite 

a.   Ihre  Beziehungen  zur  Geschlechtsdrüse 290 

ß.   Ihre  Vererbung 293 

aa.   Mendelsche  Formulierung  .    . , 294 

ßß.   Gynandromorphismus 295 

c.   Folgerungen  auf  die  Geschlechtsvererbung 298 

2.  Die  parallelen  Ergebnisse  der  Zellforschung 299 

a.  Mendelismus  und  Chromosomen 301 

(c.   Verhalten    der    Chromosomen    bei    der    Reifung    und 

Befruchtung 301 

ß.  Anwendung  auf  die  Mendelspaltung       308 

aa.   bei  Monohybridismus      308 

ßß.   bei  Dihybridismus 310 

yy.   bei   Polyhybridismus 313 

b.  Chromosomen  und  Geschlechtsbestimmung 317 

ct.  Die  X-Chromosomen      317 

aa.   Der  typische  Fall 318 

ßß.  Varianten 320 

ß.   Die     Geschlechtschromosomen     als     Träger     der     Ge- 
schlechtsfaktoren       322 

aa.   Schwierigkeiten  und  ihre   Überwindung      ....  323 
ßß.   Geschlechtsbegrenzte     Vererbung     und     Chromo- 
somenlehre       326 

yy.  Verschiedenartige  Konsequenzen. 

aaa.   Geschlechtsbegrenzte  Mutation 333 

ßßß.   Geschlechtspolymorphismus      334 

yyy.   Kombination  mit  Nilsson-Ehles  Prinzip    .    .  337 

SS.   Das  Crossing-over 343 

c.  Die  Geschlechtschromosomen  bei  zyklischer  Fortpflanzung  344 

a.   Heterogonie       344 

ß.   Zwittrigkeit       344 

y.   Correns  Bryoniafall 346 

B.  Die  Bestimmung  des  Geschlechts 31 8 

1.  Ältere  Betrachtungsweise 348 

a.  Das  Geschlechtsverhältnis      349 

b.  Die  metagame  Bestimmung 350 

c.  Die  syngame  Bestimmung 351 

d.  Die  progame  Bestimmung 353 

2.  Die  Möglichkeiten  der  Geschlechtsbestimmung      358 

a.   Geschlechtsbestimmung  durch  Potenzverschiebung      .    .  358 

a.   Biologische  Tatsachen    .     .    , 359 

ß.   Experimentelle  Daten 363 

aa.   syngame  Verschiebung 363 

ßß.   metagame  Verschiebung 3^5 


—      XI      — 

Seite 

y.   Störung  des  normalen  Potenzverhältnisses  durch  Fak- 
torenkombination      367 

b.  Geschlechtsbestimmung    durch    Beeinflussung    der    über- 
geordneten Faktoren 369 

v..    Parthenogenese  und  Geschlecht 370 

ß.   Experimente  an  Tieren  mit  zyklischer  Fortpflanzung  372 

y.  Eingriffe   in   den   Vererbungsmechanismus 382 

ö\   Geschlechtliche  und  ungeschlechtliche  Fortpflanzung.  384 

V.  Pfropfbastarde  und  Chimären. 

A.  Tierreich 386 

B.  Pflanzenreich 388 

1.  Der  Cytisus  Ada'mi 38S 

2.  Der  Crataegomespilus  .  v 399 

3.  Die  Bizzarria 390 

4.  Tomaten  =  Nachtschatten       392 

VI.  Die  Mutation  und   die  Vererbung  erworbener  Eigenschaften. 

A.  Die  Mutationslehre 401 

1.  Sports  und  Sprungvariationen 401 

a.  Ältere  Anschauungen      402 

b.  Korschinskys   Material 403 

c.  Tierische  Sports 409 

d.  Knospenvariation 414 

2.  Die  de  Vriessche  Mutationstheorie 415 

a.  Die  Mutation  der  Oenothera 415 

b.  Die  Zahl  der  Mutanten      420 

c.  Erhaltenbleiben  der  Mutanten  in  der  Natur 422 

3.  Kritik  des  Oenotherafalls  und  Schwierigkeiten 423 

4.  Mutation  durch  Faktorenausfall 428 

B.  Die  Möglichkeiten  der  Entstehung  neuer  Eigenschaften  .    .    .    430 

1.  Die  Ursachen  der  Mutation 431 

2.  Das  quantitative  Verhalten  der  Mutante  zur  Stammart   .    .437 

3.  Die  Möglichkeit  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften   .    43S 

a.  Historisches 438 

b.  Weismanns  Keimplasmalehre 440 

a.  Verhältnis  von  Soma  zu   Keimplasma 441 

ß.   Beziehung  zur  Genotypenlehre 444 

c.  Einwände  prinzipieller  Natur 444 

«.   Heterozygotie  und     Vererbung     erworbener     Eigen- 
schaften       444 

ß.   Die  Annahme  der  Parallelinduktion 445 


—      XII      — 

Seite 
d.  Tatsachenmaterial 447 

a.    Übertragung  von  Stoffen  auf  die  Geschlechtszellen    .  447 

ß.   Die  Versuche  über  somatische  Induktion     .....  451 

an.   Gebrauch  und  Nichtgebrauch 451 

ßß.   Instinktveränderungen 453 

yy.   Lebenslagevariation 458 

ö.   Schlußfolgerungen 169 

4.  Die  Telegonie 471 

VII.  Die  Vererbungsgesetze  und  der  Mensch. 

A.  Die  menschliche   Population 473 

B.  Die  Mendelschen  Gesetze  beim  Menschen f75 

1.  Der  gewöhnliche  Vererbungstypus 475 

2.  Dominante  Eigenschaften 476 

3.  Rezessive  Eigenschaften       478 

4.  Geschlechtsbegrenzte  Eigenschaften      481 

5.  Schwierigkeiten      484 

Literaturverzeichnis 486 

Register 536 


Erste  Vorlesung. 

Der  Begriff  der  Genetik.      Die  Zelle  als  materielles  Substrat  der 

Vererbungserscheinungen. 

Die  Biologie  stand  in  den  letzten  50  Jahren,  der  Zeit  ihres  größten 
Aufschwungs,  unter  dem  alles  überragenden  Einfluß  jenes  großen 
Gedanken-  und  Tatsachengebäudes,  das  man  in  seiner  Gesamtheit  als 
die  Abstammungslehre  bezeichnet.  Durch  die  geniale  Begründung  und 
Ausarbeitung,  die  ihr  Darwin  gegeben  hatte,  wurde  sie  befähigt,  in 
kürzester  Zeit  sich  die  gesamte  Biologie  zu  erobern  und  ihre  Gesichts- 
punkte zum  Leitstern  aller  weiteren  Forschungen  zu  machen.  So  wurde 
die  zweite  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  in  allen  Disziplinen  unserer 
Wissenschaft  ein  darwinistisches  Zeitalter.  Systematik  und  vergleichende 
Anatomie,  Entwicklungsgeschichte,  Tiergeographie  und  allgemeine 
Biologie,  Anthropologie  und  zum  Teil  sogar  die  Physiologie  entnahmen 
die  entscheidenden  Gesichtspunkte  für  ihre  Forscherarbeit  jener  Lehre. 
Und  nicht  zu  ihrem  Schaden,  denn  die  Kenntnisse,  die  in  jener  Zeit  dem 
Bestand  der  Wissenschaft  zugefügt  wurden  und  die  unabhängig  von  dem 
jeweiligen  Gesichtspunkte  der  Betrachtung  ihren  dauernden  Tatsachen- 
wert besitzen,  sind  von  bewundernswertem  Umfange.  Gewiß  hatte  diese 
Entwicklung  auch  ihre  Schattenseiten;  wie  jede  große  und  fruchtbare 
Idee,  so  hatte  auch  die  Abstammungslehre  ein  gutes  Teil  ihres  Wesens 
der  schöpferischen  Phantasie  zu  verdanken.  Und  so  wiederholte  sich 
auch  hier  das,  was  uns  die  Geschichte  der  Menschheit  bei  jeder  großen 
geistigen  Bewegung  bemerken  läßt :  der  entfesselte  Strom  überschritt 
seine  Grenzen.  Es  kam  die  Sturm-  und  Drangzeit  unserer  Wissenschaft, 
die  erweckte  Phantasie  hielt  vielfach  nicht  die  ihr  gesteckten  Grenzen 
ein,  Theorien  bekamen  den  Wert  von  Tatsachen,  Umschreibungen 
durften  als  wissenschaftliche  Erklärungen  gelten.  Und  nun  folgte  wie 
immer  die  Ernüchterung  und  mit  ihr  die  Rückkehr  zum  Ausgangspunkt. 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  I 


—     2     — 

Darwin  selbst  war  in  jenen  Wirbel,  der  besonders  die  deutsche  Wissen- 
schaft erfaßt  hatte,  nicht  mit  hineingezogen  worden.  Er  blieb  bei  der 
vorsichtigen  Prüfung  seiner  Gedanken  durch  möglichst  gründliche  Ver- 
suche. Und  wenn  wir  jetzt  uns  wieder  mehr  und  mehr  daran  machen, 
zuerst  die  Grundlagen  der  Abstammungslehre  exakt  zu  erforschen, 
ehe  der  weitere  Aufbau  in  Betracht  kommt,  so  bedeutet  das  eine  Fort- 
führung von  Darwins  Lebenswerk  in  dessen  ureigenstem  Sinn. 

Im  Mittelpunkt  der  Abstammungslehre  steht  die  Annahme  der  Ver- 
änderlichkeit der  Art:  die  uns  als  konstant  erscheinenden  Tier-  und 
Pflanzenformen  sind  es  nicht,  sondern  unterliegen  der  Möglichkeit  der 
Umwandlung  und  Weiterentwicklung  zu  anderen  Formen.  Nach  Dar- 
wins Annahme  hat  diese  Veränderlichkeit  zur  Grundlage  die  Tatsache, 
daß  die  verschiedenen  Individuen  einer  Tierart  nicht  völlig  wesens- 
gleich sind,  sondern  in  kleinen  Merkmalen  sich  voneinander  unter- 
scheiden, daß  sie  variieren.  Das  Lebewesen  ist  aber  im  allgemeinen 
seiner  Umgebung  angepaßt.  Beziehen  sich  nun  die  Valvationen  auf 
Eigenschaften,  die  für  das  Angepaßtsein  von  Bedeutung  sind,  so  können 
sich  geringfügige  Veränderungen  für  den  Organismus  nützlich  oder 
schädlich  erweisen.  Träger  schädlicher  Eigenschaften,  also  schlecht 
angepaßte  Varianten,  werden  aber  nach  Darwin  durch  die  natürliche 
Zuchtwahl,  die  nur  Brauchbarem  den  Bestand  ermöglicht,  ausgemerzt 
und  nur  die  mit  Nützlichem,  gut  Angepaßtem  Ausgestatteten  bleiben 
im  Kampf  ums  Dasein  erhalten.  Pflanzen  diese  sich  fort,  so  übertragen 
sie  ihre  günstigen  Anlagen  auf  die  Nachkommenschaft,  und  da  bei  dieser 
der  gleiche  Prozeß  statthat,  so  bilden  sich  die  Arten  allmählich  zu  besser 
Angepaßtem,  somit  Höherem  um. 

Es  ist  daraus  klar  zu  ersehen,  daß  sich  die  Grundlagen  der  Abstam- 
mungslehre um  drei  große  Zentren  gruppieren:  die  Fragen  der  Variation, 
der  Anpassung,  der  Vererbung.  Es  muß  festgestellt  werden,  ob  und 
in  welchem  Umfang  die  von  Darwin  postulierte  Veränderlichkeit 
besteht  und  zwar  sowohl  die  Veränderlichkeit  innerhalb  einer  Art  als 
auch  von  einer  Form  zu  einer  anderen.  Es  muß  dann  nach  den  Ur- 
sachen solcher  Veränderlichkeit  geforscht  und  womöglich  versucht 
werden,  sie  in  die  Hand  des  experimentierenden  Forschers  zu  be- 
kommen.     Sodann   erhebt   sich   die    Frage   des  Angepaßtseins   an   die 


—     3     — 

Umgebung  und  die  Wirkung  der  Auslese  der  weniger  Angepaßten. 
Soll  eine  solche  irgendeine  Bedeutung  haben,  so  ist  die  Voraussetzung 
die,  daß  die  erhalten  gebliebenen  Variationen  vererbt  werden.  Und 
da  liegt  das  Kardinalproblem  des  Ganzen:  was  wird  vererbt,  wie  wird 
vererbt.  Eine  jede  Erforschung  der  Grundlagen  der  Abstammungslehre 
muß  sich  um  diesen  Punkt  gruppieren,  um  das  Vererbungsproblem,  und 
mit  Recht  hat  man  es  daher  überhaupt  als  das  zentrale  Problem  der 
ganzen  Biologie  bezeichnet.  Hat  es  doch  auch  nach  allen  Seiten  hin 
Beziehungen,  bildet  es  doch  auch  einen  wesentlichen  Faktor  für  die  Ver- 
bindung der  Biologie  mit  ihren  Tochterwissenschaften,  der  Medizin,  der 
Soziologie,  der  Landwirtschaft. 

Die  neuere  Zeit  hat  nun  die  Erforschung  aller  jener  Dinge,  die  seit 
Darwin  etwas  zurückgetreten  war  und  nur  von  einer  Minderzahl  von 
Forschern,  mehr  Botanikern  als  Zoologen,  gepflegt  wurde,  wieder  in 
den  Vordergrund  des  Interesses  gebracht.  Einmal  war  es  die  Erkennt- 
nis, daß  weitere  wesentliche  Fortschritte  der  Biologie  in  erster  Linie 
nur  auf  dem  Wege  des  biologischen  Experiments  erzielt  werden  können. 
War  Darwin  selbst  zweifellos  der  größte  experimentierende  Biologe 
seines  Jahrhunderts  gewesen,  so  hatten  seine  Nachfolger,  verlockt  von 
der  unübersehbaren  Fülle  des  vor  ihnen  ausgebreiteten  Beobachtungs- 
materials, sich  zunächst  an  dessen  Durcharbeitung  gemacht.  Erst  als 
hier  bereits  die  wesentlichsten  Erfolge  erzielt  waren,  konnte  durch  die 
zum  Teil  in  bewußtem  Gegensatz  zum  herrschenden  Darwinismus 
stehende  Entwicklungsmechanik  die  experimentelle  Methode  in  der 
Biologie  wieder  betont  werden.  Ein  weiterer  Faktor  ist  in  der  exakten 
Grundlage  gegeben,  die  die  Erblichkeitsforschung  durch  die  Bemühung 
der  Variationsstatistik  erhielt,  die  mathematische  Genauigkeit  in  dies 
Wissensgebiet  einführte.  Als  dritten  Hauptfaktor,  der  das  Interesse  auf 
die  Erblichkeit  und  ihre  Nachbarfragen  konzentrierte,  muß  man  die 
Entdeckung  oder  richtiger  die  besondere  W7ertung  der  Mutationen  durch 
de  Vries  bezeichnen,  die  ganz  neue  Möglichkeiten  für  die  Lösung 
unserer  Fragen  auftauchen  ließ.  Und  endlich  ist  es  die  Wiederent- 
deckung der  Mendelschen  Bastardierungsregeln,  die  auf  eine  Fülle 
von  Dingen  Licht  warf  und  der  Vererbungsforschung  eine  ganz  neue 
Domäne  eröffnete.     So  stehen  wir  denn  jetzt  in  einer  Zeit,  in  der  sich 


innerhalb  des  Riesengebietes  der  Biologie  ein  Giund  abgrenzt,  an  dessen 
Bebauung  sich  die  besten  Kräfte  abmühen.  Seinen  Mittelpunkt  bildet 
die  Erblichkeitslehre,  um  die  herum  sich  alle  jene  Probleme  gruppieren, 
die  ohne  sie  nicht  gelöst  werden  können.  In  England  hat  Bateson 
für  unsere  neueroberte  Wissenschaft  die  Bezeichnung  genetics  ein- 
geführt und  wir  können  sie  mit  dem  gleichen  griechischen  Wort  als 
Genetik  bezeichnen,  die  Wissenschaft  von  dem  Werden  der  Orga- 
nismen. 

Die  Genetik  ist  in  erster  Linie  eine  exakte  Wissenschaft  und  mit 
vollem  Recht  heben  ihre  führenden  Vertreter  hervor,  daß  sie  nur  die 
Aufgabe  hat,  exakte  Tatsachen  auf  dem  Wege  der  Beobachtung  und 
des  Experiments  festzustellen.  Sie  rücken  damit  bewußt  ab  von  der 
eben  verflossenen  Zeit,  in  der  gerade  die  Erblichkeitslehre  ein  beliebter 
Tummelplatz  für  phantastische  Spekulationen  war.  Man  darf  aber  auch 
darin  nicht  ungerecht  sein:  jene  Ideengebäude,  vor  allem  Weismanns 
Lebenswerk,  haben  viel  dazu  beigetragen,  die  Fragestellungen  unserer 
Wissenschaft  ins  richtige  Licht  zu  rücken  und  wurden  so  vielfach  der 
eigentliche  Ausgangspunkt  für  die  exakte  Forschung.  Und  so  sollte 
man  auch  jetzt  nicht  vollständig  auf  gewisse  Dinge  verzichten,  die  nur 
auf  dem  Wege  des  Schlusses  gewonnen  der  exakten  Beweisführung  nicht 
zugängig  sind,  sofern  sie  nur  geeignet  sind,  weitere  Anregungen  zu  geben 
oder  uns  sonst  schwierige  Vorstellungen  zu  erleichtern.  Wenn  wir  uns 
dabei  der  Grenzen  zwischen  Tatsache  und  Hypothese  bewußt  bleiben, 
und  uns  davor  hüten,  eine  Hypothese  auf  eine  andere  zu  stützen,  kann 
eine  den  Tatsachen  untergelegte  Idee  uns  sogar  in  der  reinen  Tatsachen- 
forschung höchst  förderlich  sein.  Wenden  wir  nun  einmal  diese  An- 
schauung auf  einen  konkreten  Fall  an  und  suchen  uns  für  die  Erblich- 
keitslehre einen  Ausgangspunkt,  der  in  richtiger  Weise  Tatsachen  und 
Ideen  verbindet. 

Die  Frage,  die  in  einfachster  Form  das  Wesen  des  Vererbungs- 
problems foimuliert,  lautet:  Warum  sind  die  Nachkommen  ihren 
Eltern  wesensgleich  ?  Die  naive  Antwort  würde  sein,  weil  sie  Fleisch  von 
ihrem  Fleisch  und  Bein  von  ihrem  Bein  sind.  Und  sie  tiifft  wirklich 
den  Kern  des  Ganzen:  der  Ausgangspunkt  für  die  Entstehung  der 
Nachkommen  ist  in  einem  körperlichen  Teil  der  Eltern  gegeben,  in  dem, 


5 


was  man  ihre  Geschlechtszellen  nennt.  Em  jeder  Organismus  bringt  zum 
Zweck  der  Fortpflanzung  —  umHvir  dürfen  hier  von  der  ungeschlecht- 
lichen Fortpflanzung  absehen  —  Geschlechtszellen  oder  Gameten  her- 
vor, im  weiblichen  Geschlecht  die  Eizellen,  im  männlichen  die  Samen- 
zellen. Im  typischen  Fall  geht  aus  deren  Vereinigung  bei  der  Befruch- 
tung das  neue  Individuum,  der  Tochterorganismus  hervor.  Ein  Seeigel 
entlaß:  seine  Eizellen  ins  Wasser,  wo  sie  von  den  Samenzellen  eines 
anderen  befruchtet  werden.  Aus  ihnen  entwickeln  sich  dann  neue  Seeigel 
und  zwar  werden  sich,  was  auch  mit  den  Eiern  passiert,  wenn  sie  sich 
überhaupt  entwickeln,  nur  Seeigel  aus  ihnen  bilden.  In  dem  befruchteten 
Ei  müssen  also  bereits  alle  jene  Eigenschaften  als  Möglichkeiten  enthalten 
sein,  die  später  die  Spezies  Seeigel  ausmachen.  Für  die  experimentelle 
Erforschung  der  Vererbungserscheinungen  könnte  uns  diese  Tatsache 
zunächst  völlig  genügen.  Weitere  Vorstellungen  darüber,  wo  und  wie 
sich  jene  Anlagen  der  erblichen  Eigenschaften  in  den  Geschlechtszellen 
finden,  sind  uns  vorerst  nicht  erforderlich.  Wir  können  sie  mit  Weis- 
mann  Determinanten  nennen  oder  auch  mit  Johannsen  sagen,  daß 
sie  in  den  Geschlechtszellen  sich  als  Erbeinheiten  finden,  über  deren 
Natur  sich  nichts  aussagen  laß:,  mit  denen  wir  keinerlei  bestimmte 
materielle  oder  andere  Vorstellung  verbinden  können,  und  die  wir  deshalb 
mit  einem  nichts  Weiteres  involvierenden  Namen  als  Gene  bezeichnen. 
Für  die  Forschung  ist  eine  derartige  Voraussetzungslosigkeit  in  der  Tat 
wünschenswert,  soweit  es  sich  um  experimentellbiologische  Studien 
handelt.  Für  den  Lernenden  trifft  das  nicht  zu.  Er  wird  leichter  Dinge 
verstehen,  mit  denen  er  konkrete  Vorstellungen  verbindet  und  so  braucht 
er  sie  auch  nicht  zu  verschmähen,  besonders  wenn  sie  ihm  in  Gestalt 
eines  so  imposanten  Tatsachengebäudes  entgegentreten,  wie  es  die 
Zellenlehre  in  ihrer  Beziehung  zu  den  Vererbungserscheinungen  darstellt. 
Wenn  wir  heute  versuchen,  uns  von  dieser  Seite  her  eine  Grundlage  für 
das  Verständnis  der  Erblichkeitsfragen  zu  verschaffen,  so  wollen  wir  uns 
über  den  Hauptzweck  klar  sein,  nämlich  den  didaktischen.  Wie  überall 
in  der  Wissenschaft,  steht  auch  hier  oft  Tatsache  gegen  Tatsache,  Mei- 
nung gegen  Meinung.  Für  das,  was  wir  erreichen  wollen,  kann  es  nicht 
unsere  Aufgabe  sein,  uns  in  den  Streit  des  Tages  einzulassen.  Denn 
nicht  als  solche  soll  uns  hier  die  Zellenlehre  interessieren,  sondern  nur 


als  die  materielle  Grundlage  der  eigentlichen  Tatsachen  der  Genetik, 
die  uns  hier  nur  so  weit  beschäftigt,  als  sie  geeignet  ist,  uns  das  Ver- 
ständnis für  die  biologischen  Phänomene  zu  erleichtern.  Wir  werden 
uns  daher  nur  an  die  sichergestellten  Tatsachen  halten,  die  in  ihrer  Ge- 
samtheit geeignet  sind,  uns  klare  Vorstellungen  über  die  materiellen 
Grundlagen  der  Vererbungserscheinungen  zu  geben,  auf  die  Gefahr  hin, 
früher  oder  später  einmal  lernen  zu  müssen,  daß  die  Vorstellungen  nicht 
in  allen  Teilen  richtig  waren.  Klar  und  konsequent  aber  sind  sie,  wie 
wir  sogleich  erkennen  werden.  Und  selbst  bei  vorsichtigster  Wertung 
können  wir  jetzt  schon  sagen,  daß  die  Grundideen  immer  mehr  an  Sicher- 
heit gewinnen  und  daß  die  fruchtbare  Verbindung  von  experimenteller 
und  cycologischer  Forschung,  von  der  wir  später  Interessantes  hören 
werden,  den  Tag  nicht  mehr  allzufern  erscheinen  läßt,  an  dem  wir  auf 
wirklich  sicherem  Boden  aufbauen  werden. 

Wir  haben  schon  gehört,  daß  in  der  Regel  ein  Organismus  sich  aus 
einer  befruchteten  Eizelle  entwickelt.  Rein  zellulär  betrachtet  unter- 
scheiden sich  nun  die  Geschlechtszellen  in  nichts  Wesentlichem  von  all 
den  anderen  Zellen,  die  den  Körper  der  Lebewesen  zusammensetzen. 
Wissen  wir  doch  auch,  daß  unter  Umständen  eine  gewöhnliche  Körper- 
zelle ebenfalls  imstande  ist,  einen  neuen  Organismus  zu  reproduzieren. 
Aus  einem  kleinen  herausgeschnittenen  Stück  des  Kiemenkorbs  der 
Ascidie  Clavellina  kann  sich  das  ganze  Tier  regenerieren,  den  Kiemen- 
zellen kommt  also  hier  die  gleiche  Fähigkeit  zu  wie  den  Geschlechts- 
zellen. Wir  dürfen  also  annehmen,  daß  die  für  die  Vererbung  in  Betracht 
kommenden  Zellbestandteile  sich  im  wesentlichen  in  jeder  Zelle  vor- 
finden. (Daß  dies  allerdings  nicht  so  ganz  selbstverständlich  ist,  werden 
wir  später  erfahren.)  Wie  können  wir  nun  Anhaltepunkte  gewinnen, 
wo  sie  in  der  Zelle  zu  suchen  sind? 

Das  was  dem  Forscher,  der  die  Lebenserscheinungen  der  Zelle  stu- 
diert, immer  wieder  als  das  Merkwürdigste  entgegentritt,  ist  die  Fähigkeit 
der  Zelle,  sich  durch  Teilung  zu  vermehren  und  diese  Teilung  auf  eine 
höchst  eigentümliche  Art  durchzuführen.  Die  Teilung  besteht  darin, 
daß  die  beiden  Hauptbestandteile  der  Zelle,  der  Zelleib  oder  das  Proto- 
plasma und  der  Zellkern  halbiert  werden  und  so  zwei  Tochterzellen 
entstehen,  die  außer  in  der  zunächst  geringeren  Größe  genau  der  Mutter- 


zelle  gleichen.  Nun  verläuft  aber  in  der  überwältigenden  Mehrzahl  der 
tierischen  und  pflanzlichen  Zellen  der  Teilungsprozeß  nicht  als  eine  ein- 
fache Halbierung,  sondern  in  der  komplizierten  Weise,  die  umstehende 
Figur  i  darstellt,  dem  Vorgang  der  Karyokinese.  Die  Teilung  wird 
dadurch  eingeleitet,  daß  neben  dem  Kern  sich  im  Umkreis  eines  Körn- 
chens, des  Centrosoms,  eine  Strahlenfigur  bildet,  die  durch  die  Teilung 
des  Centrosoms  sich  bald  verdoppelt  und  in  ihre  beiden  Hälften  aus- 
einanderweichend zwei  gegenüberliegende  Pole  der  Zelle  einnimmt. 
Inzwischen  haben  im  Innern  des  Kerns  komplizierte  Umlagerungen 
seiner  wichtigsten  Substanz  stattgefunden,  die  man  wegen  ihrer  Neigung, 
gewisse  Farbstoffe  festzuhalten,  Chromatin  nennt,  und  die  damit 
enden,  daß  sich  eine  bestimmte  Anzahl,  sagen  wir  vier,  festere  Schleifen 
ausbilden,  die  vielgenannten  Chromosomen.  Nun  löst  sich  der  Kern 
auf,  und  die  Chromosomen  ordnen  sich  in  einer  Reihe  im  Äquator  der 
zweipoligen  Strahlenfigur  an.  Dann  wird  ein  jedes  Chromosom  der  Länge 
nach  gespalten,  so  daß  jetzt  je  zwei  Spalthälften  einander  gegenüber 
liegen,  und  diese  beginnen  sich  zu  trennen  und  nach  den  beiden  Zellpolen 
auseinander  zu  wandern,  bis  sie  nahe  bei  den  Centrosomen  angelangt 
sind.  Jetzt  aber  verläuft  der  ganze  Prozeß  wieder  rückwärts,  die  Chro- 
mosomen verlieren  ihre  individuelle  Abgrenzung,  es  bildet  sich  aus  ihnen 
ein  neuer  Kern,  die  Strahlung  erlischt  und  es  sind  zwei  Zellen  von  gleicher 
Art  wie  die  Ausgangszellen  gebildet. 

Überlegen  wir  nun  einmal,  was  dieser  komplizierte  Vorgang  be- 
deuten kann,  welchen  Vorzug  er  etwa  vor  einer  einfachen  Durchschnürung 
von  Zelle  und  Kern  hat.  Es  wurde  der  ganze  geformte  Inhalt  des  Kerns 
in  Chromosomenschleifen  zusammengefaßt  und  diese  durch  eine  Spaltung 
verteilt:  das  besagt,  daß  der  Kerninhalt  oder  richtiger  seine  färbbare 
Substanz,  das  Chromatin,  in  einer  ganz  besonders  exakten  Weise  verteilt 
wird.  Stellen  wir  uns  vor,  wir  erhielten  die  Aufgabe,  einen  Sack  mit 
Bohnen  auf  zwei  Hälften  zu  verteilen.  Wir  könnten  es  so  ausführen, 
daß  wir  den  Sack  in  der  Mitte  durchschnürten  und  so  in  zwei  gleiche 
Hälften  zerlegten.  Sehr  genau  wäre  allerdings  diese  Teilung  nicht. 
Besser  wäre  es,  wir  zählten  die  Bohnen  ab  und  legten  die  Hälfte  auf 
jede  Seite;  dann  hätten  wir  in  der  Tat  gleiche  Zahlen,  aber  die  eine  Bohne 
ist  groß,  die  andere  klein,  die  eine  sehr  nährstoffhaltig,  die  andere  ver- 


8     — 


Fig.   i. 

Schema  der  mitotischen  Zellteilung,  i — 3  Bildung  der  Chromosomen  im  Kern,  4  Auf- 
lösung des  Kerns,  5,  6  Bildung  der  Aequatorialplatte,  7,  8,  10  Auseinanderweichen  der 
Tochterplatteu,    9,   11,   12  Rekonstruktion  der  Tochterkerne.     Gez.  von  Dr.  Dingler. 


—     9     — 

dorben,  kurz,  unsere  beiden  Haufen  wären  immer  noch  nicht  völlig 
gleich.  Wirklich  gut  geteilt  hätten  wir  erst,  wenn  jede  Bohne  der  Länge 
nach  halbiert  und  die  Hälften  verteilt  würden.  Das  Beispiel  zeigt  uns 
klar,  daß  die  Einteilung  des  Kerninhalts  in  Chromosomen  und  deren 
Verteilung  durch  Spaltung  nichts  anderes  bezwecken  kann,  als  die  be- 
treffende Substanz  des  Kerns  möglichst  genau  auf  die  Tochterzellen  zu 
verteilen.  Der  Schluß  liegt  also  nahe,  daß  hier  in  den  Chromosomen 
Qualitäten  der  Zelle  lokalisiert  sein  müssen,  die  zu  ihrem  notwendigen 
Bestand  gehören.  Die  allererste  Eigenschaft  einer  jeden  Zelle  ist  aber, 
daß  sie  eine  Artzelle  ist :  jede  Zelle  eines  Hundes  ist  nur  Hundezelle,  jede 
Zelle  einer  Linde  nur  Lindenzelle.  Dürfte  also  nicht  auch  noch  weiterhin 
geschlossen  werden,  daß  wir  hier  in  den  Chromosomen  die  Träger  der  das 
Wesen  der  Art  ausmachenden  erblichen  Eigenschaften  zu  sehen  haben? 
Wollen  wir  diese  Annahme  erweisen,  so  müssen  wir  zunächst  einmal 
den  Beweis  dafür  führen,  daß  der  Zellkern,  in  dem  sich  ja  nur  bei  der 
Teilung  die  Chromosomen  erkennen  lassen,  der  Träger  der  erblichen 
Eigenschaften  ist.  Der  Beweis  läßt  sich  mit  größter  Wahrscheinlichkeit 
aus  den  Erscheinungen  der  normalen  wie  der  experimentell  beeinflußten 
Befruchtung  führen.  Bei  der  Befruchtung  dringt  eine  männliche  Samen- 
zelle in  die  weibliche  Eizelle  ein.  Beide  Zellen,  die  sogenannten  Gameten, 
bestehen  trotz  verschiedener  äußerer  Form  aus  den  typischen  Bestand- 
teilen der  Zelle,  Kern  und  Protoplasma.  Nun  zeigen  viele  Samenzellen 
die  Form  eines  langen  Fadens,  dessen  besonders  gestaltetes  Vorderende, 
der  Kopf,  den  Kern  darstellt,  wie  seine  Entstehung  lehrt,  das  übrige 
aber,  Mittelstück  und  Schwanz,  dem  Protoplasma  entspricht.  In  vielen 
Fällen  wird  nun  beobachtet,  daß  bei  der  Befruchtung  nur  der  Kopf  in 
die  Eizelle  dringt  (und  ganz  entsprechend  bei  den  höheren  Pflanzen  nur 
der  Kern  des  Pollenschlauchs),  der  Schwanz  aber  abgeworfen  wird. 
Innerhalb  des  Eiprotoplasmas  nimmt  dann  der  Kopf  die  Gestalt  eines 
gewöhnlichen  Kerns  an  und  verschmilzt  mit  dem  Kern  der  Eizelle.  Der 
wesentliche  Vorgang  bei  der  Befruchtung  ist  also  eine  Verschmelzung 
des  väterlichen  mit  dem  mütterlichen  Kern.  Da  bei  der  Befruchtung 
die  Eigenschaften  beider  Eltern  auf  die  Nachkommen  übertragen  werden, 
so  müssen  diese  Eigenschaften  in  irgendeiner  Weise  in  den  Kernen  der 
Gameten  enthalten  sein. 


—     10     — 

Im  Kern  dürfen  wir  also  mit  Recht  die  Träger  der  Vererbung  suchen. 
Wo  sie  dort  liegen,  zeigt  ein  weiter  eindringendes  Studium  der  Befruch- 
tung. Wir  sagten,  daß  bei  ihr  die  Kerne  der  Gameten  verschmelzen. 
Oft  ist  dies  aber  nicht  ganz  wörtlich  zu  nehmen,  vielmehr  bleiben  die 
Kerne  zunächst  nebeneinander  liegen.  Die  weitere  Entwicklung  zum 
Organismus,  die  nach  der  Befruchtung  einsetzt,  besteht  nun  in  einer 
unübersehbaren  Folge  von  Zellteilungen,  deren  erste  bald  nach  der  Be- 
fruchtung eintritt.  Da  kann  es  denn  sein,  daß  die  Zellteilungsfigur  sich 
bildet,  ohne  daß  die  beiden  Kerne  miteinander  verschmolzen  sind  und 
da  tritt  das  gleiche  ein,  wie  bei  jeder  anderen  Zellteilung,  die  Chromo- 
somen bilden  sich  aus.  Aber  nun  bilden  sie  sich  in  jedem  Kern  getrennt 
aus,  in  dem  nebenstehend  abgebildeten  Beispiel  (Fig.  2)  je  zwei  in  jedem 
Kern.  Die  fertige  Zellteilungsfigur  enthält  also  eine  Anzahl,  hier  vier 
Chromosomen,  von  denen  die  Hälfte  von  der  Eizelle,  die  Hälfte  von  der 
Samenzelle  stammt.  Bei  der  nun  folgenden  Teilung  werden  alle  der 
Länge  nach  gespalten  und  auf  die  Tochterzellen  verteilt.  Es  erhält 
somit  eine  jede  Tochterzelle  zur  Hälfte  väterliche  und  zur  anderen  Hälfte 
mütterliche  Chromosomen  und  ebenso  geht  es  bei  jeder  weiteren  Zell- 
teilung. Nun  werden  bei  der  Befruchtung  die  Eigenschaften  beider 
Eltern  auf  die  Nachkommen  vererbt.  Das,  was  die  Zellen  der  Nach- 
kommen in  gleicher  Weise  von  beiden  Eltern  besitzen,  sind  aber  nur 
die  Chromosomen  und  somit  müssen  wir  schließen,  daß  auch  in  den 
Chromosomen  die  betreffenden  Eigenschaften  lokalisiert  sein  müssen. 

Wir  haben  nun  bisher  keinen  besondern  Wert  auf  die  Zahl  der  Chro- 
mosomen gelegt.  Und  doch  ist  diese  nicht  etwa  gleichgültig.  Es  zeigt 
sich  vielmehr,  daß  sie  bei  allen  Tier-  und  Pflanzenarten  eine  typisch 
konstante  ist.  Ein  Pferdespulwurm  zeigt  in  seinen  sich  teilenden  Zellen 
vier,  ein  Mensch  in  allen  Zellen,  welche  es  auch  seien,  24,  eine  Tomate 
auch  24,  ein  Nachtschatten  aber  72  und  so  fort. 

Kurzum  jede  Art  von  Lebewesen  besitzt  eine  für  sie  charakteristische 
Chromosomenzahl  in  den  Kernen  ihrer  Zellen.  Nun  haben  wir  gehört, 
daß  bei  der  Befruchtung  zwei  solche  Kerne  sich  miteinander  vereinigen. 
Hätten  sie  auch  die  typische  Zahl,  so  wäre  nach  der  Befruchtung  in  der 
Zelle  die  doppelte  Anzahl  vorhanden.  Alle  Zellen  der  Nachkommen- 
schaft, also  auch  ihre  Geschlechtszellen  bärgen  jetzt  die  doppelte  Chro- 


11    — 


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10       

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mosomenzahl  und  wenn  sie  sich  wieder  bei  der  Befruchtung  vereinigten, 
so  bekäme  die  Enkelgeneration  bereits  die  vierfache  Zahl  und  so  fort. 
Soll  das  nicht  eintreten,  und  tatsächlich  ist  ja  die  Chromosomenzahl  eine 
konstante,  so  kann  es  nur  auf  einem  Wege  erreicht  werden;  es  muß  eine 
Einrichtung  bestehen,  die  bewirkt,  daß  in  den  Geschlechtszellen  vor 
ihrer  Vereinigung  die  Chromosomenzahl  auf  die  Hälfte  herabgesetzt 
wird.  Nur  so  kann  nach  der  Befruchtung  immer  noch  die  Normalzahl 
gewahrt  bleiben.  Tatsächlich  findet  sich  eine  solche  Einrichtung,  be- 
stehend in  einer  besonderen  Teilung,  die  eine  jede  Geschlechtszelle  durch- 
machen muß,  bevor  sie  befruchtungsfähig  wird,  der  Reduktionsteilung, 
deren  besonderer  Mechanismus  so  verläuft,  daß  durch  sie  die  Hälfte  der 
Chromosomen  aus  der  Zelle  entfernt  wird.  Eine  jede  befruchtungsfähige 
Geschlechtszelle  enthält  also  nur  die  Hälfte  der  normalen  Chromo- 
somenzahl. 

Nun  wissen  wir,  daß  die  Chromosomen  die  Vererbungsträger  sind 
und  jetzt  sehen  wir,  daß  typisch  die  Hälfte  von  ihnen  in  den  Gameten 
entfernt  werden.  Da  taucht  die  Frage  auf,  ob  dabei  nicht  die  Erbmasse 
eine  Beeinträchtigung  erfährt  oder  ob  besondere  Einrichtungen  ge- 
troffen sind,  sie  zu  verhindern.  Gehen  wir  einmal  von  dem  tatsächlich 
beobachteten  Fall  aus,  daß  sich  die  verschiedenen  Chromosomen  einer 
Zelle  voneinander  unterscheiden  lassen  und  zwar  nach  Größe  und  Form. 
Die  Gameten  enthielten  ein  solches  Sortiment  von  Chromosomen,  z.  B. 
vier  verschiedene.  Da  die  beiderlei  Geschlechtszellen  vollständig  wesens- 
gleich sind,  so  werden  wir  in  beiden  genau  das  gleiche  Sortiment  vor- 
finden. Wenn  sich  nun  bei  der  Befruchtung  die  Gameten  vereinigen, 
so  enthält  das  befruchtete  Ei  und  somit  jede  der  aus  ihm  sich  entwickeln- 
den Zellen  des  Körpers  acht  Chromosomen,  von  denen  sich  immer  je 
zwei  gleichen.  Man  könnte  die  acht  Elemente  zu  vier  Paaren  anordnen, 
und  in  jedem  identischen  Paar  wäre  der  eine  Partner  väterlicher,  der 
andere  mütterlicher  Herkunft,  wie  nebenstehendes  Schema  (Fig.  3) 
zeigt.  Wenn  nun  die  Geschlechtszellen  dieses  Individuums  sich  an- 
schicken, jene  Reduktionsteilung  durchzumachen,  durch  die  ihre  Chro- 
mosomenzahl auf  die  Hälfte  herabgesetzt  wird,  dann  finden  sich  jene 
vom  Vater  und  der  Mutter  stammenden  gleichwertigen  Paarlinge  zu- 
sammen und  stellen  sich  in  der  Teilungsfigur  gemeinsam  auf.     Erfolgt 


—     13     — 

dann  die  Teilung,  so  werden  die  einzelnen  Chromosomen  nicht  gespalten 
und  verteilt,  sondern  je  ein  ganzes  Chromosom  eines  jeden  Paars  rückt 
zum  Teilungspol,  jede  Tochterzelle   erhält  also  nur  die  halbe  Chromo- 


3. 


Fig-  3- 
Schematische  Darstellung  des  Verhaltens  väterlicher  (schwarz)  und  mütterlicher  (weiß) 
Chromosomen  bei  der  Reifeteilung  und  Befruchtung.  I  Die  paarweise  zusammen- 
gehörigen väterlichen  und  mütterlichen  Chromosomen  von  4  Größenarten,  2  die  Aequa- 
torialplatte  der  Reduktionsteilung,  3  der  Chromosomenbestand  in  den  Kernen  der 
gereiften  Geschlechtszellen,  4  der  Chromosomenbestand  der  beiden  Befruchtungskerne. 


somenzahl.  Aber  wenn  auch  die  Zahl  halbiert  wird,  jede  Tochterzelle, 
d.  h.  die  jetzt  befruchtungsfähigen  Geschlechtszellen,  erhalten  doch  das 
ganze  Sortiment  der  Chromosomen,  eines  von  jeder  Art 


Das  gibt  zu 


—     14     — 


denken.  Wenn  wirklich  so  sehr  Sorge  getragen  ist,  daß  die  Gameten 
jede  Sorte  der  für  unser  Auge  unterscheidbaren  Chromosomen  mit- 
bekommen, liegt  dann  nicht  die  Annahme 
nahe,  daß  diesen  sichtbaren  Unterschieden 
auch  Qualitätsunterschiede  zugrunde  lie- 
gen, ist  es  nicht  denkbar,  daß  wir  in 
jedem  Chromosom  uns  andere  Erbeigen- 
schaften oder  Gruppen  von  solchen  nieder- 
gelegt denken  müssen?  Auch  diese  Frage 
konnte  beantwortet  werden. 

Bei  der  gewöhnlichen  Befruchtung 
dringt  stets  nur  eine  Samenzelle  in  das 
Ei  ein.  Durch  eine  bestimmte  Methode  bei 
der  Befruchtung  kann  es  aber  beim  See- 
igelei  erreicht  werden,  daß  zwei  Samen- 
zellen eintreten.  Beide  bilden  sich  zu  einem 
Kern  um  und  jeder  läßt  seine  Chromo- 
somenzahl hervortreten.  Die  normale 
Chromosomenzahl  beträgt  aber  bei  diesem 
Seeigel  36,  also  enthält  der  reife  Eikern 
wie  die  reifen  Samenkerne  nach  dem,  was 
wir  eben  gehört  haben,  18.  In  dem  dop- 
pelt befruchteten  Ei  finden  sich  also 
54  Chromosomen.  Nun  bildet  ein  solches 
Ei  seine  erste  Teilungsspindel  nicht  wie 
andere,  sondern  es  entstehen  an  Stelle  von 
zwei  Teilungspolen  deren  vier,  und  wenn 
dann  die  Teilung  erfolgt,  so  werden  gleich- 
zeitig vier  Zellen  gebildet,  wie  neben- 
stehende Figur  4  zeigt.  Wie  ist  nun  die 
Chromosomenverteilung  auf  diese  vier 
Zellen?  Die  54  Chromosomen  verteilen 
1§'  4*  .    sich  zunächst  zwischen  die  vier  Pole  der 

Schema    der    Chromosomenvertei- 

lung  auf  die  Kerne  der  ersten  Blas-  Teilungsfigur    ganz    SO    wie    es    der   Zufall 
tomeren  des  disperm  befruchteten  ..,,_..  ,  t->      j  u 

Echinuseies.     NachBoveri.  erglbt-       Es    kann    also    Z"   R    der    neben" 


—     15 


stehend  abgebildete  Fall,  ebenso  wie  auch  jeder  andere  denkbare 
eintreten  (Fig.  4),  daß  zwischen  die  einzelnen  Pole  6,  26,  12  und 
10  Chromosomen     gelangen. 


Diese     werden     dann     in    gewöhnlicher 


Fig.  5- 


/       aa 

a         \ 

bb 

bb 

cc 

c 

d 

d 

aa 

a 

b 

b 

cc 

c 

\        dd 

dd        / 

Fig.  6. 


Fig.  7. 


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bb 

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Fig.  5 — 9.  Die  5  Möglichkeiten  der  Teilung  des  dispermen  Seeigeleies.   Die  Furchungs- 
zellen,  die  nicht  alle  Chromosomenarten  erhalten,  punktiert.    Nach  Boveri. 


Weise  längsgespalten,  wie  Figur  b  zeigt,  und  dann  nach  den  Polen  ge- 
zogen. Die  vier  entstehenden  Zellen  enthalten  dann  32,  18,  36  und  22 
Chromosomen.     Nun  nehmen  wir  einmal  an,  die  18  Chromosomen  der 


—     16 


Geschlechtszellen  seien  nach  Qualitäten  verschieden,  bezeichnen  sie  mit 
den  Buchstaben  des  Alphabets  und  nehmen,  um  uns  die  Sache  zu  ver- 
einfachen, nur  vier,  nämlich  a,  b,  c,  d  an.  Dann  könnte  es  der  Zufall 
so  fügen,  daß  sie  sich  so  auf  die  vier  Pole  verteilen  wie  es  Fig.  5a  dar- 
stellt. Tritt  dann  die  Verteilung  ein,  so  erhalten  die  vier  entstehenden 
Zellen  das  an  Chromosomen,  was  Fig.  5&  zeigt.  Ein  Blick  läßt  erkennen, 
daß  sämtliche  vier  Zellen  auch  sämtliche  vier  Sorten  von  Chromosomen 
erhalten.     Nun  könnte  aber  auch  die  Verteilung  auf  die   Pole  so  sein 


Fig.  8. 


b  /^^ 

A     aaa    :\ 

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bb         \ 

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d 

c  c 

aa 
b 

•    bbb        : 

\      ddd 

..dd       / 

Fig.  9. 


wie  es  Fig.  6a  zeigt.  Nach  der  Teilung  resultierte  dann  die  Chromo- 
somenanordnung der  Fig.  6b,  die  erkennen  läßt,  daß  drei  der  Zellen 
jede  Chromosomenart  erhalten,  einer  aber,  die  punktiert  ist,  die  Sorte  d 
fehlt.  Eine  weitere  Möglichkeit  ist  in  Fig.  ja  wiedergegeben.  Das 
Resultat  der  Verteilung  in  jb  ergibt,  daß  zwei  der  entstehenden  Zellen 
ein  Manko  aufweisen,  der  oberen  punktierten  nämlich  fehlt  d,  der  unteren 
die  Sorte  b.  Wieder  eine  andere  Chromosomenverteilung  zeigt  Fig.  8a. 
Hier  kommen  dann,  wie  8b  zeigt,  vier  Zellen  zustande,  von  denen  gar 


—     17     — 

dreien  etwas  fehlt.  Und  endlich  bei  dem  letzten  Musterbeispiel,  Fig.  9, 
sehen  wir  als  Endresultat  vier  Zellen  entstehen,  von  denen  keine  jede 
Sorte  von  Chromosomen  enthält.  Nun  geht  aber  die  weitere  Ent- 
wicklung des  Seeigeleies  so  vor  sich,  daß  schließlich  eine  Larve  resultiert, 
deren  vier  Körper  viertel  auf  diese  vier  Furchungszellen  zurückzuführen 
sind.  Sind  nun  die  Chromosomen  qualitativ  als  Erbträger  verschieden, 
so  müssen  dementsprechend  die  Larven  in  dem  Viertel,  in  dem  ihren 
Zellen  gewisse  Chromosomen  fehlen,  auch  gewisse  Eigenschaften  ver- 
missen lassen,  defekt  sein.  Tatsächlich  finden  sich  in  Zuchten  aus  solchen 
doppelt  befruchteten  Eiern  neben  gesunden  Larven  solche,  die  viertel, 
halb,  dreiviertel  und  ganz  defekt  sind.  Die  Richtigkeit  des  zu  Beweisen- 
den, der  qualitativen  Chromosomendifferenz,  wird  nun  auf  ganz  sicheren 
Füßen  stehen,  wenn  sich  noch  zeigen  läßt,  in  welchem  Verhältnis  die 
verschieden  beschädigten  Larven  zu  erwarten  sind  und  daß  die  Wirk- 
lichkeit diesen  Erwartungen  entspricht.  Boveri,  von  dem  diese  geist- 
reichen Untersuchungen  stammen,  machte  es  so,  daß  er  sich  entsprechend 
den  108  Chromosomen,  die  nach  der  Längsspaltung  der  3  x  18  im  Ei  vor- 
handen sind,  108  Kugeln  mit  je  sechsmal  den  Zahlen  1 — 18  herstellte, 
sie  auf  eine  runde  Platte  warf,  mit  einem  darüber  gelegten  Holzkreuz 
ganz  nach  Zufall  in  vier  Portionen  teilte  und  dann  auszählte  in  welchem 
Viertel  sämtliche  Zahlen  von  1 — 18  vorhanden  waren  und  in  welchem 
nicht.  Aus  zahlreichen  Zählungen  ging  dann  hervor,  daß  in  einem  ge- 
wissen Prozentsatz  der  Fälle  alle  vier  Quadranten  sämtliche  Zahlen  ent- 
hielten, in  anderen  nur  3,  2,  1  oder  gar  keiner.  Wurden  nun  die  in  dem 
wirklichen  Experiment  erhaltenen  Larven  gezählt,  so  zeigte  sich,  daß  die 
gefundenen  gesunden,  y4,  l/2,  3/4  und  ganz  defekten  in  genau  dem  gleichen 
Verhältnis  auftraten  wie  in  dem  Holzkugelversuch  die  Fälle,  in  denen 
keinem,  einem,  zwei,  drei  oder  allen  vier  Quadranten  bestimmte  Kugeln 
fehlten.  Damit  aber  war  die  qualitative  Verschiedenheit  der  Chromo- 
somen bewiesen. 

Wir  wissen  also  jetzt,  daß  wir  ein  Recht  haben,  in  dem  Kern  der 
Zelle  den  Sitz  der  Vererbungsträger  zu  sehen,  ja  sogar  im  Kern  bestimmte 
Teile,  die  Chromosomen,  als  solche  anzusprechen  und  diesen  wieder 
eine  qualitative  Verschiedenheit  entsprechend  den  verschiedenen  erb- 
lichen Qualitäten  des  Körpers  zuzuschreiben.    Wenn  wir  also  in  Zukunft 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  2 


—     18     — 

von  Vererbungsträgern  reden,  können  wir  uns  darunter  die  Chromo- 
somen vorstellen  und  mit  Hilfe  dieser  Vorstellung  manche  Schwierig- 
keit überwinden.  'Wir  dürfen  uns  aber  dabei  nicht  verhehlen,  daß  die 
Chromosomenlehre,  wie  wir  sie  hier  entwickelt  haben,  zwar  in  ihrer 
Klarheit  und  ihrem  uns  hier  im  Vordergrund  stehenden  didaktischen 
Wert  alle  billigen  Anforderungen  an  eine  Grundlage  der  Erblichkeitslehre 
erfüllt,  daß  sie  aber  an  sich  noch  in  manchen  wesentlichen  Punkten 
strittig  und  unsicher  ist.  Vor  allem  ist  der  Begriff  der  Erbträger  ja  noch 
ein  ziemlich  vager.  Aber  auch  in  diesem  Punkt  zeigt  sich  bereits  von 
ferne  die  zukünftige  Lösung:  Der  Erbträgerbegriff  wird  nicht  identisch 
sein  mit  der  Annahme  einer  Monopolstellung  der  Chromosomen  in  bezug 
auf  die  Vererbung.  Wohl  aber  wird  sich  zeigen,  daß  in  den  Chromo- 
somen Substanzen  von  Zelle  zu  Zelle  geführt  werden,  deren  Anwesenheit 
zum  vollständigen  Ablauf  der  Vererbungsphänomene  notwendig  ist. 
Und  daher  kann  man  auch  ruhig  von  Erbträgern  reden,  wenn  man  sich 
bewußt  ist,  daß  der  Begriff  nicht  allzu  wörtlich  genommen  werden  darf. 
Gerade  an  diesem  Punkt  liegen  die  interessantesten  Probleme,  die  uns 
die  Zellenlehre  in  bezug  auf  das  Vererbungsphänomen  bietet.  An  ihrer 
Lösung  arbeiten  vereint  Zellmorphologie,  Entwicklungsmechanik  und 
Genetik.  Aber  wir  haben  uns  hier  die  Aufgabe  gesetzt,  die  Vererbungs- 
morphologie weit  hinter  der  Vererbungsbiologie  zurücktreten  zu  lassen, 
und  so  müssen  diese  Andeutungen  genügen.  Wir  werden  ohnedies 
später  noch  manche  zelluläre  Tatsachen  und  Probleme  streifen  müssen; 
gehen  wir  jetzt  aber  gleich  ohne  viele  Einleitung  an  die  eigentlichen 
Tatsachen  der  Genetik  heran. 


Zweite  Vorlesung. 

Die  Variabilität  und  ihre  exakte  Darstellung;.    Das  Queteletsche 
Gesetz.     Das  Maß  der  Variabilität. 

Es  bedarf  wohl  keiner  besonderen  Begründung,  daß  an  der  Basis  der 
Vererbungslehre  die  Betrachtung  der  Eigenschaften  zu  stehen  hat, 
deren  Erblichkeit  untersucht  werden  soll.  Ein  jeder  Organismus  setzt 
sich  aus  einer  kaum  bestimmbaren  Fülle  von  Eigenschaften  meßbarer 


—     19     — 

und  nicht  meßbarer  Natur  zusammen,  die  in  ihrer  Gesamtheit  sein 
Wesen  ausmachen :  Größe  des  Ganzen  und  der  Teile,  Farbe,  Zeichnung, 
Muskelkraft,  Fähigkeit  gewisse  Stoffvvechselprodukte  zu  produzieren, 
Fähigkeit  auf  bestimmte  Reize  in  bestimmter  Weise  zu  reagieren,  Dispo- 
sition zu  Erkrankungen  und  welcher  Art  sie  immer  sein  mögen.  Wenn 
sie  für  die  Fragen  der  Erblichkeit  natürlich  auch  alle  gleichmäßig  studiert 
werden  müssen,  so  können  wir  begreiflicherweise  zunächst  am  weitesten 
mit  solchen  kommen,  die  sich  exakt  z.  B.  durch  Messung  festlegen 
lassen.  Darwins  Zuchtwahllehre  basiert  nun  auf  der  Annahme,  daß 
alle  diese  Eigenschaften  bei  einer  Anzahl  von  Individuen  der  gleichen 
Art,  die  beliebig  aus  der  Gesamtheit  der  Artgenossen  herausgegriffen 
sind,  bei  einer  Population,  wie  wir  von  jetzt  ab  sagen  wollen,  ebenso 
wie  bei  der  Gesamtheit  der  Nachkommen  eines  Elternpaares,  nicht 
völlig  identisch  vorhanden  sind,  sondern  sich  in  mehr  oder  minder  hohem 


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Fig.    10. 

Variationsreihe  der  Länge  von   (45 — 310  a)   aus  einer  Paramaecienkultur.     Im  Anschluß 

an  Jennings. 

Maß  unterscheiden,  daß  die  Eigenschaften  variieren.  Diese  Variabilität 
ist  nun  in  der  Tat,  wie  auch  schon  vor  Darwin  bekannt  war,  vorhanden, 
und  ihre  Untersuchung  muß  natürlich  einer  jeden  Betrachtung  der  Erb- 
lichkeit der  Eigenschaften  vorangehen. 

Betrachten  wir  uns  zunächst  einmal  ein  paar  konkrete  Fälle  und 
beginnen  mit  einem  einfachsten,  einer  Eigenschaft  der  Zelle.  Als  Einzel- 
zellen, die  der  experimentellen  Untersuchung  besonders  zugänglich  sind, 
benutzt  man  mit  Vorliebe,  wie  wir  noch  mehrfach  sehen  werden,  die 
Infusorien.  Prüft  man  nun  eine  Kultur  von  Paramaecien,  die  aus  vielen 
Tausenden  artgleicher  Individuen  besteht,  z.  B.  auf  die  Länge  der  Einzel- 
tiere, so  findet  man  darunter  winzig  kleine  Tiere  von  etwa  45  ß  Länge, 
ferner  riesengroße  von  310  ß  und  dazwischen  sämtliche  denkbaren 
Größenstufen,  so  daß  eine  kontinuierliche  Reihe  von  Individuen  sich 


—     20     — 

nach  ihrer  Größe  anordnen  läßt,  wie  umstehende  Fig.  10  zeigt.  Die 
Variabilität  schwankt,  fließt  also  gewissermaßen  zwischen  zwei  Extre- 
men, weshalb  wir  auch  von  einer  fluktuierenden  Variabilität  reden. 
Wenn  in  Zukunft  also  von  Variieren  und  Variabilität  die  Rede  ist,  so 
sei  der  Ausdruck  nur  in  diesem  Sinne  verstanden  und  in  keiner  anderen 
der  Bedeutungen,  die  man  ihm  schon  untergelegt  hat.  So  wie  wir  hier 
das  Variieren  in  der  Größe  einer  Zelle  sehen,  so  könnten  wir  es  auch  in 
ganzen  vielzelligen  Organismen  oder  auch  an  Teilen  von  Lebewesen, 
die  in  der  Vielzahl  vorhanden  sind,  feststellen.  Ein  klares  Beispiel 
erhält  man  etwa  in  der  Weise,  daß  man  die  Blätter  eines  Baumes  in 


Fig.  ii. 
Variationsreihe    der  Größe   von  Kirschlorbeerblättern.      Darüber  ihre   graphische  Dar- 
stellung: als  Offive.     M  Mittelwert.      Nach  de  Vries. 


gleichen  Abständen  voneinander  auf  einer  gradlinigen  Basis  aufklebt, 
indem  man  sie  gleichzeitig  nach  ihrer  Größe  anordnet.  Das  ist  im 
Anschluß  an  de  Vries  in  vorstehender  Fig.  n  für  die  Blätter  des 
Kirschlorbeers  geschehen  und  wir  erkennen  daran  eine  fluktuierende 
Variabilität  zwischen  63  und  137  mm. 

Die  Herstellung  einer  derartigen  Reihe  läßt  sich  natürlich  bei  meß- 
baren, zählbaren,  wägbaren  Eigenschaften  ohne  weiteres  vornehmen. 
Etwas  schwieriger  gestaltet  sie  sich,  wenn  es  sich  etwa  um  Färbungs- 
oder Zeichnungscharaktere  handelt.  Läge  eine  dunkle  Zeichnung  auf 
hellem  Grund  vor,  die  sich  variierend  auf  dem  Grund  ausbreitet,  so 
könnte  man  ja  auch  zu  Zahlenverhältnissen  gelangen,  wenn  man  pro- 


21 


zentual  das  Verhältnis  von  dunkel  und  hell  berechnet.  Aber  auch  ohne 
dies  läßt  sich  eine  den  vorigen  Beispielen  entsprechende  Variations- 
reihe aufzeigen,  wenn  man  besonders  typische  Varianten  auswählt  und 
sie  in  eine   Reihe  anordnet  und  kleine  Zwischenformen  zwischen  den 

feÖ  6ö  60  6Ü  feföl 

m  m  m 

Fig.   12. 
Variationsreihe  der  Zeichnung  des  Pronotums  von  Leptinotarsamultitaeniata.  Nach  Tower. 

Typen  zunächst  vernachlässigt.  Abbildung  12  zeigt  eine  solche  Va- 
riationsreihe, die  sich  auf  die  Zeichnung  des  Halsschildes  (Pronotum) 
des  Koloradokäfers,   Leptinotarsa    multitaeniata,     bezieht,    und    zwar 


Fig.  13- 


Typen  von  4  Variationsklassen  der  Flügelzeichnung  von  Lymantria  monacha  var.  eremita. 

wurden  in  der  aus  Mexiko  stammenden  Population  zehn  Typen  unter- 
schieden. Sie  zeigen,  wie  die  aus  schwarzen  Strichen  und  Punkten 
bestehende  Zeichnung  variiert,  indem  allmählich  erst  Striche,  dann 
Punkte,  dann  beides  zusammenfließen,  so  daß  das  Endglied  der  Reihe 


—     22     — 

ein  ganz  schwarzes  Schild  besitzt.  Eine  ganz  entsprechende  Variations- 
reihe zeigt  uns  Fig.  13  mit  Variationen  der  Flügelzeichnung  von  Ly- 
mantria  monacha  var.  eremita,  der  Nonne.  Diese  Individuen  stammen 
aber  nicht  aus  einer  Population,  sondern  aus  den  Nachkommen  eines 
Elternpaares,  was  für  die  Variabilität  im  Prinzip  gleichgültig  ist.  Auch 
hier  führen  die  vier  Typen  von  einem  schwarz  und  weiß  gebänderten 
Individuum  durch  alle  Übergänge,  von  denen  nur  noch  zwei  dargestellt 
sind,  zu  einem  ganz  schwarzen.  Diesen  Beispielen  ließen  sich  beliebig 
viele  aus  allen  Klassen  von  Eigenschaften  anfügen,  die  uns  alle  zeigen 
würden,  daß  eine  derartige  fluktuierende  Variabilität  in  der  Natur 
besteht. 

In  allen  diesen  Fällen  ist  also  die  Variabilität  eine  fluktuierende, 
kontinuierliche.  Nun  bezeichnet  man  aber  mit  dem  gleichen  Ausdruck 
auch  das  Abweichen  einzelner  Individuen  einer  Tier-  oder  Pflanzenform 
von  ihren  Artgenossen,  das  nicht  durch  alle  Übergänge  mit  der  typischen 
Erscheinung  verbunden  ist,  sondern  ihr  schroff  gegenübersteht.  Wenn 
etwa  eine  typisch  blaublühende  Pflanze  gelegentlich  weiße  Blüten  zeigt, 
eine  rechtsgewundene  Schnecke  mit  einem  linksgewundenen  Gehäuse 
auftritt,  so  ist  das  auch  eine  Variation,  aber  diskontinuierlicher  Natur. 
Solche  Variationen  werden  uns  später  auch  interessieren;  hier  können 
wir  von  ihnen  absehen  und  uns  zunächst  nur  an  die  fluktuierenden, 
kontinuierlichen  Variationen  halten.  Wir  lassen  dabei  zunächst  völlig 
außer  acht,  ob  die  fluktuierende  Variation  eine  einheitliche  Erscheinung 
ist,  oder  ob  sie  nicht  vielmehr  aus  innerlich  ganz  verschiedenen  Quellen 
herzuleiten  ist,  so  daß  sie  in  verschiedene  Unterbegriffe  zerlegt  werden 
muß.    Später  werden  wir  allerdings  erfahren  müssen,  daß  dem  so  ist. 

Soll  die  Variation  nun  zum  Gegenstand  von  Überlegungen  oder  Ex- 
perimenten gemacht  werden,  so  genügt  es  nicht,  die  Tatsache  des  Vor- 
handenseins der  Varianten  zu  kennen,  wir  müssen  vielmehr  vor  allem 
ihre  Zahl  und  deren  Verteilung  auf  die  Variationsreihe  betrachten.  Und 
diese  zuerst  von  dem  Anthropologen  Quetelet  eingeführte  Betrachtungs- 
weise hat  zur  Feststellung  eines  sehr  wichtigen  Gesetzes  geführt.  Gehen 
wir  direkt  von  einem  der  Queteletschen  Beispiele  aus.  Er  führt  die 
Messungen  an,  die  an  25878  nordamerikanischen  Freiwilligen  in  bezug 
auf  ihre  Körpergröße  ausgeführt  wurden,  und  ordnet  die  Zahlen  in  eine 


23     — 


Reihe,  die  beginnt  mit  1,549  m  =  60  engl.  Zoll,  dem  Maß  der  kleinsten 

Individuen  bis  zu  2,007  m   =   7^  Zoll,    dem  Maß  der  größten  Männer. 

Benutzen  wir  nun   der  Bequemlichkeit   halber  seine  Umrechnung  der 

Gesamtzahl  auf  den  Durchschnitt  von  1000,  so  erhalten  wir  das  klarste 

Bild,  wenn  wir  in  die  oberste  Reihe  die  Größen  und  darunter  die  für 

jede  Größe  gefundene  Anzahl  von  Individuen  schreiben : 

Größe   in   Zoll:    60   61   62  63  64    65      66      67      68      69    70  71   72   73   74   75   76 

Anzahl  Soldaten: 

pro    1000  2      2    20  48   75    117     134    157     140    121    80   57   26    13     5      2      1 

Der  erste  Blick  auf  diese  Reihe  zeigt,  daß  die  für  die  einzelnen  Größen- 
variationen gefundenen  Zahlen  der  Individuen  innerhalb  der  Variations- 
reihe ganz  regelmäßig  verteilt  sind.  Die  größte  Zahl  der  Individuen, 
nämlich  157  pro  1000,  findet  sich  in  der  Mitte  der  Reihe  bei  der  Größe 
67  Zoll,  die  kleinsten  Zahlen  finden  sich  an  den  Enden  der  Reihe,  und 
dazwischen  liegen  alle  Übergänge  in  der  Zahl  der  Individuen  und  diese 
Übergangszahlen  verteilen  sich  ziemlich  symmetrisch  zu  beiden  Seiten 
der  Mitte.  Es  gibt  also  bei  dieser  Population  von  Menschen  in  bezug 
auf  das  Größenmaß  eine  mittlere  Größe,  die  die  meisten  Individuen 
zeigen,  während  die  Zahl  der  Individuen  immer  geringer  wird,  je  weiter 
sich  das  Maß  nach  oben  oder  unten  von  der  Mitte  entfernt.  Quetelet 
erkannte  sofort,  daß  diese  symmetrische  Zahlenverteilung  innerhalb  der 
Variationsreihe  eine  große  Ähnlichkeit  mit  der  Verteilung  hat,  die  man 
erhält,  wenn  man  die  binomische  Formel  (a  +  b)n   ausrechnet : 

(a  +  b)1  =  a  +  b 

(a  +  b)2  =  a2  +  20b  +  b2 

(a  +  6)3  =  a3  +  3a2b  +  sab2  +  b3 

(a  +  6)4  =  tf4  +  4rt3£  +  6a2b2  +  \ab*  +  &4 

usw. 
Setzt  man  an  Stelle  der  Buchstaben  bestimmte  Zahlen,  z.  B.  a  =  1, 
b  =  1  so  ergeben  sich 


{a  +  b)1  = 
(«  +  b)2  = 
(a  +  6)3  = 
(a  +  6)4  = 
\a  +  6)io  = 


1  +  1 
1  +  2  +  1 

1  +  3  +  3  +  1 

1+4+6+4+1 

1  + 10  +  45  + 120  +  210  +  252  +  210  + 120  +  45  + 10  + 1. 


—     24     — 


Es  ergibt  sich  also  eine  ganz  genau  symmetrische  Verteilung  der 
Zahlen  um  ein  Mittel.  Will  man  die  für  die  Soldaten  gefundenen  Zahlen 
nun  mit  einer  solchen  idealen  Zahlenreihe  vergleichen,  so  berechnet 
man,  wie  eine  solche  für  die  Gesamtsumme  von  iooo  aussehen  würde, 
wenn  gewisse  Bedingungen  die  gleichen  sind,  wie  im  realen  Fall.  In 
folgender  Variationsreihe  ist  nun  diese  berechnete  ideale  Zahlenreihe 
unter  die  wirklich  gefundene  gesetzt : 

Größe  in  Zoll:  60  61   62  63   64    65      66      67      68      69     70  71   72   73   74  75  76 

Zahl  d.  Soldaten 
pro    1000: 

Ideale  Zahlen  für 
1000: 


61 

62 

63 

64 

65 

66 

67 

68 

69 

70 

7i 

72 

73 

74 

75 

2 

20 

48 

75 

117 

134 

157 

140 

121 

80 

57 

26 

13 

5 

2 

9 

21 

42 

72 

107 

137 

153 

146 

121 

86 

53 

28 

13 

5 

2 

Der  Vergleich  der  beiden  unteren  Zahlenreihen  zeigt,  in  welch  aus- 
gezeichneter Weise  die  gefundenen  und  die  zu  erwartenden  Zahlen  über- 
einstimmen, ein  Zusammentreffen,  was  noch  viel  schlagender  würde, 
wenn  etwa  ebensoviel  Millionen  Menschen  gemessen  worden  wären  als 
es  Tausende  waren.  Diese  nun  ausführlich  gezeigte  Gesetzmäßigkeit 
in  der  Verteilung  der  Varianten  auf  die  Variationsreihe  nennt  man  das 
Queteletsche  Gesetz.  Denn  es  hat  sich  seitdem  gezeigt,  daß  die 
Mehrzahl  der  variabeln  Eigenschaften,  wenn  in  dieser  Form  betrachtet, 
sich  in  genau  der  gleichen  Weise  verhalten.  Einige  wenige  Beispiele 
sollen  das  zunächst  noch  illustrieren. 

In  der  Systematik  der  Fische  spielen  die  Schuppenzahlen  eine  große 
Rolle.  Auch  für  sie  gibt  es  eine  fluktuierende  Variabilität,  wie  die 
folgende  Tabelle  von  Voris  beweist,  die  sich  auf  die  Zahl  der  Seiten- 
linienschuppen   bei    einem    nordamerikanischen    Cypriniden,     Pima- 

pheles  notatus,  bezieht: 

Schuppenzahl :    40    41    42    43    44    45    46    47    48 

Individuenzahl 
pro   500:  ^ 

Oder  ein  anderes  Beispiel,  eine  Aufzählung  der  Anzahl  von  Zähnen, 
die  sich  auf  dem  Rand  des  Kiefers  des  marinen  Borstenwurms,  Nereis 

limbata,  finden.     Unter  398  Individuen  fand  Hefferan: 
Zahl  der  Zähnchen: 
Zahl  der  Individuen: 

In  diesen  beiden  Beispielen  ist  es  klar,  daß  die  Individuen  genau 
ihren  Klassen  entsprechen,  daß  also  eine  andere  Klasseneinteilung,  bei 


41 

42 

43 

44 

45 

46 

47 

7 

36 

126 

157 

121 

37 

11 

2 

n 

4 

5 

6 

7 

7 

30 

80 

148 

98 

29 

_      9 


UO 


der  noch  feinere  Unterschiede  berücksichtigt  werden,  nicht  möglich  ist. 
Denn  weniger  wie  eine  Schuppe  oder  ein  Zähnchen  gibt  es  nicht,  zwischen 
den  Klassen  kann  nichts  liegen.  In  diesem  Falle  spricht  man  von 
diskreten  Varianten.  Bei  unserm  ersten  Beispiel,  dem  Ouetelet- 
schen  Fall  der  Menschenmaße,  war  das  anders.  Dort  hatten  die  Klassen, 
in  die  das  Material  eingeordnet  war,  einen  Spielraum  von  einem  Zoll. 
Ebensogut  hätte  man  aber  auch  einen  halben  Zoll,  auch  weniger  oder 
mehr  nehmen  können.  Immer  wären  die  Individuen,  die  bei  einer 
Klassenzahl,  z.  B.  60  Zoll,  aufgezählt  sind,  nicht  alle  genau  60  Zoll  groß, 
sondern  gehörten  in  den  Spielraum,  der  begrenzt  wird  von  der  Mitte 
zur  nächstunteren  und  nächstoberen  Klasse,  also  bei  Zolleinteilung 
zwischen  59,5  und  60,5  Zoll.  In  diesem  Fall  würde  man  also  von 
Klassenvarianten  reden  und  zu  ihnen  dürfte  die  Mehrzahl  der  Varia- 
tionen gehören,  nämlich  alle,  die  sich  nicht  auf  eine  zählbare  Eigenschaft 
beziehen.  Es  ist  klar,  daß  in  solchen  Fällen  bei  exakter  Schreibweise 
die  Zahl  der  Individuen  immer  zwischen  den  Klasseneinteilungen  stehen 
müßten.  Schreibt  man  sie  aber  in  gleicher  Weise  wie  bei  den  diskreten 
Varianten  unter  die  betreffenden  Klassen,  so  nimmt  man  natürlich 
stillschweigend  an,  die  Klasse  2  bedeute  den  Spielraum  von  1,5 — 2,5. 
Als  Beispiel  dieser  Klassenvarianten  diene  die  oben  besprochene  vari- 
ierende Zeichnung  des  Halsschildes  des  Koloradokäfers  nach  Towers 
Untersuchungen,  eingeteüt  in  n  Klassen,  die  aber  für  dieses  Beispiel 
nicht  ganz  genau  den  oben  abgebildeten   10  Klassen  entsprechen: 

Klasse  der  Färbung:     123     456      789     10    n 
Zahl  der  Individuen:     I     4    7     12     13    26     14    12      7       3       I 

Und  ein  ganz  ähnliches  Bild  liefert  unser  ebenfalls  oben  abgebildetes 
Nonnenbeispiel,  für  das  die  Zahlen  von  fünf  Typen  weiblicher  Falter 
lauten : 


Klasse  der  Färbung:     1 

Zahl  der  Schwester-    (- 
Individuen : 


2 


13 


Für  viele  Fälle  der  Darstellung  sind  derartige  Aufzählungsreihen 
genügend.  Bedarf  man  aber  des  Vergleiches  oder  einer  Darstellung, 
die  schnelle  Orientierung  gewährt,  oder  der  mathematischen  Betrachtung 
der  Variation,  so  wählt  man  wie  immer  die  graphische  Darstellung.    Die 


—     26     — 

Konstruktion  einer  solchen  Variationskurve  oder  eines  Variationspolygons 
(oder  auch  Häufigkeits-  bzw.  Frequenzkurve  genannt,  da  sie  ja 
die  Verteilung  der  Häufigkeit  einer  Eigenschaft  darstellt),  ist  ein  klein 
wenig  verschieden,  je  nachdem  es  sich  um  diskrete  oder  Klassenvarianten 
handelt.  Würden  wir  sie  für  unser  Beispiel  für  diskrete  Varianten,  die 
Seitenschuppenzahl  von  Pimapheles  konstruieren,  so  müßten  wir  auf  der 
horizontalen  Linie,  der  Abszisse  des  Koordinatensystems,  die  Schuppen- 
zahlen in  gleichen  aber  beliebig  gewählten  Abständen  eintragen.  Auf 
jedem  Punkt,  der  eine  Schuppenzahl  bedeutet,  wäre  dann  ein  Lot  zu 
errichten  von  der  Länge  einer  beliebig  gewählten  Maßeinheit,  z.  B.  i  mm 
multipliziert  mit  der  Anzahl  der  für  die  betreffende  Schuppenzahl 
angegebenen  Individuen,  also  bei  44  Schuppen  157  mm,  bei  48  Schuppen 
2  mm.  Werden  dann  die  Gipfel  aller  dieser  Lote  verbunden,  so  erhält 
man  das  in  Fig.  14  (verkleinert)  abgebildete  Polygon.  Es  ist  klar,  daß 
ein  solches  Variationspolygon  je  mehr  in  eine  Variationskurve  über- 
geht, je  größer  die  Zahl  der  Klassen  und  je  kleiner  damit  die  Entfernung 
der  einzelnen  Lotgipfel  wird.  Haben  wir  es  dagegen  mit  einer  Klassen- 
variation zu  tun,  so  würden  wir  in  der  gleichen  Weise  auf  der  Abszisse 
die  Klassengrenzen  abtragen.  Nehmen  wir  als  Beispiel  die  Halsschild- 
färbung von  Leptinotarsa,  so  würden  ja,  sagen  wir  zu  Klasse  4,  alle 
Individuen  gezählt,  die  den  Färbungstypus  4  repräsentieren,  aber  auch 
alle  die  kleinen  Zwischenstufen,  die  näher  an  4  als  an  3  oder  5  standen. 
Die  Klassengrenzen  sind  also  0,5,  1,5,  2,5  usw.  Wir  müssen  also  nun 
auf  den  Klassengrenzen  Lote  errichten,  deren  Höhe  der  Individuenanzahl 
entspricht,  auf  dem  Gipfel  eines  jeden  Lotes  aber  eine  Horizontale  ziehen 
von  der  Länge  des  Klassenspielraums.  Auf  diese  Weise  erhält  man  die 
in  Fig.  15  abgebildete  Figur  der  Treppenkurve.  Aus  dieser  erhält  man 
ein  gewöhnliches  Variationspolygon,  wenn  man  die  Mittelpunkte  der 
Treppenstufen  miteinander  verbindet,  woraus  hervorgeht,  daß  im 
wesentlichen  für  diskrete  und  Klassen  Varianten  dieselbe  graphische 
Darstellung  zum  Vorschein  kommt. 

Wie  wir  nun  oben  gesehen  hatten,  nähert  sich  eine  Variationsreihe, 
je  symmetrischer  sie  ist,  um  so  mehr  einer  idealen  Zahlenreihe,  die  (im 
Elementarfalle;  von  anderen  können  wir  hier  absehen)  aus  der  Formel 
(a  +  b)n  entwickelt  wird.     In  gleicher  Weise  kann  man  natürlich  eine 


—     27     — 


160 
MO 
120 
100 
SO 

eo 

MO 
'40 

«0 


41 


4  2 


43 


44 


15 


Hb 


47 


HS 


Fig.    14. 
Variationspolygon  der  Seitenschuppenzahl  von   Pimapheles. 


25 


20 


15 


10 


I 

L 

10  11 


Fig.    15. 


Treppenkurve  zu  der  Variationsreihe  der  Färbung   des  Pronotums  des  Koloradokäfers. 


—     28     — 

Variationskurve  mit  einer  idealen  Kurve  vergleichen,  die  aus  derselben 
Formel  konstruiert  ist,  der  Binomialkurve,  und  dabei  wird  sich  ebenfalls 
die  wirkliche  Kurve  bei  normalen  Verhältnissen  um  so  mehr  der  idealen 
nähern,  mit  je  größeren  Zahlen  gearbeitet  wurde.  (Natürlich  muß  diese 
ideale  Kurve  unter  Zugrundelegung  eines  bestimmten  aus  der  wirklichen 
Zahlenreihe  gewonnenen  Wertes  konstruiert  werden.  Wir  wollen  darauf 
aber  nicht  eingehen,  da  uns  hier  nur  die  Resultate  beschäftigen,  nicht 
die   Methoden.)     Als   Beispiel    diene    nebenstehende    Kurve,    Fig.    16 


A*\ 

Mt 

M 

\ 

1   / 

/    i 

\  \ 

50 

<y 

[; 

j 

f/ 

«30 

/ 

20 

? 

V 

"'tW 

^r  / 

V 

^S^ 

1075 

1125 

1175 

1225 

1273 

1325 

1375 

1425 

Jf  75 

1525 

1575 

1625 

1075 

1725 

1775 

Fig.   16. 

Variationspolygon  des  Hirngewichts    schwedischer  Männer  verglichen  mit  der  idealen 
Kurve  (letztere  punktiert).     Nach  Pearl. 


die  sich  auf  das  Hirngewicht  von  416  schwedischen  Männern  bezieht. 
Auf  der  Abszisse  sind  die  Gewichtszahlen  in  Gramm  eingetragen,  die 
punktierte  Linie  stellt  die  ideale  Vergleichskurve  dar.  Die  zugehörigen 
Zahlen  sind: 


Gewicht  des  Gehirns  in  g:  1075  II25  IJ75  I225  I275  J325  1375  1425 

Individuenzahl:   o    I  10  21   44   53   86   72 

H75'  i525  1575  l625  1675  1725  1775 

60   28  25  12    3    1    o 


—     29     — 

Es  gibt  nun  auch  Fälle,  in  denen  eine  Variationskurve  nicht  mit 
dieser,  sondern  mit  anders  abgeleiteten  Idealkurven  verglichen  werden 
muß,  Fälle,  die  vor  allem  von  Pearson  und  Duncker  ausgearbeitet 
worden  sind.  Wir  werden  aber  später  sehen,  daß  mit  solcher  rein  mathe- 
matischen Betrachtung  nicht  viel  für  biologische  Zwecke  gewonnen  wird, 
so  daß  wir  es  uns  hier  ersparen  können,  auch  jene  Fälle  zu  besprechen. 
Sollen  diese  Vorlesungen  doch  auch  nur  in  die  Genetik  einführen  und 
nicht  etwa  spezielle  Arbeitsmethoden  lehren. 

Benutzt  man  nun  derartige  Variationsreihen  oder  Kurven  zur  Be- 
trachtung eines  biologischen  Materials,  so  bedarf  man  natürlich  gewisser 
Bezeichnungen  für  die  Angehörigen  der  verschiedenen  Kurvenbezirke. 
Wenn  die  Kurve  eine  ganz  ideale  ist,  so  stellt  die  Klasse,  bei  der  die 
meisten  Individuen  liegen,  also  der  Kurvengipfel  den  Mittelwert  dar. 
Natürlich  ist  dieser  Mittelwert  bei  nicht  völlig  symmetrischer  Kurve 
nicht   genau   mit    dem   Gipfelpunkt    zusammenfallend,    er   ist    nämlich 


9 


« 


a  9  * 


i 


Fig.   17. 
Bildliche   Darstellung    des    Mittelwerts   einer  Variationsreihe    durch    einen    im    Gleich- 
gewicht befindlichen  Wagebalken.     Nach  Pearson. 


nach  der  Seite  der  größern  Variantenzahl  verschoben.  Seine  genaue 
Lage  wird  am  anschaulichsten  aus  nebenstehender  Darstellung  Pear- 
sons  (Fig.  17)  verständlich,  in  der  die  Variationsreihe  durch  einen 
Wagebalken  dargestellt  ist,  an  dem  ebenso  viele  Gewichte  hängen  als 
Variationsklassen  existieren  und  die  einzelnen  Gewichte  sich  zueinander 
verhalten  wie  die  Zahlen  der  Variationsreihe.  Der  Unterstützungspunkt 
des  Balkens,  auf  dem  er  in  vollem  Gleichgewicht  ruht,  entspricht  dann 
dem  Mittelwert  M  der  Variationsreihe.  Wenn  man  aber,  was  bei  rein 
deskriptiver,  nicht  mathematischer  Betrachtung  auch  oft  genügt,  den 
höchsten  Punkt  der  Kurve  einfach  als  den  Mittelwert  nimmt,  so 
wird  alles,  was  links  von  ihm  liegt,  als  Minusvariante  oder  Minus  ab- 
weicher bezeichnet,  was  rechts  liegt,  als  Plusvariante  oder  Plusab- 
weicher. 


—     30     — 

Nun  müssen  wir  noch  einen  notwendigen  Begriff  ableiten,  wiewohl 
wir  uns  sonst  hier  von  der  mathematischen  Seite  der  Variations- 
statistik, wie  diese  Wissenschaft  heißt,  fernhalten  wollen,  da  sie  für 
die  biologischen  Probleme,  die  uns  hier  beschäftigen  sollen,  nicht  uner- 
läßlich ist.  Jenen  Begriff  aber  müssen  wir  kennen  lernen,  weil  er  uns 
später  noch  begegnen  wird.  Wenn  wir  eine  Variationsreihe  aufgestellt 
haben  und  wollen  sie  etwa  mit  einer  anderen  vergleichen,  die  von  dem- 
selben Objekt  zu  anderer  Zeit  genommen  wurde,  so  können  wir  uns 
den  Vergleich  sehr  erleichtern,  wenn  wir  eine  Durchschnittszahl  be- 
nutzen können,  die  das  Maß  der  Variabilität  in  einer  solchen  Reihe  aus- 
drückt. Die  bloße  Inspektion  einer  Reihe  könnte  die  Variationsbreite, 
die  sie  zum  Ausdruck  bringt,  als  ein  solches  Maß  erscheinen  lassen.  Es 
ist  klar,  daß  das  nicht  angängig  ist,  wenn  man  bedenkt,  daß  diese  be- 
trächtlich von  der  Zahl  der  Messungen  abhängig  ist.  Wenn  etwa  bei 
unserem  obigen  Beispiel  der  Flügelfärbung  der  Nonne  uns  nur  ein  Teil 
der  Falter  vorgelegen  hätte,  so  hätte  es  ganz  gut  sein  können,  daß  Stücke 
der  hellsten  oder  dunkelsten  Sorte  überhaupt  gefehlt  hätten,  und  dann 
wäre  die  Variationsbreite  scheinbar  geringer.  Oder  wenn  wir  die  zehn- 
fache Anzahl  von  Individuen  zur  Verfügung  gehabt  hätten,  wäre  vielleicht 
noch  eine  hellere  Variation  gefunden  worden  als  Klasse  i  (was  tatsächlich 
der  Fall  ist)  und  die  Variationsbreite  wäre  größer  erschienen.  Ein 
Variabilitätsmaß  muß  also  hiervon  unabhängig  sein.  Man  hat  sich  nun 
aus  hier  nicht  zu  erörternden  Gründen  auf  ein  Maß  geeinigt,  das  die 
Standardabweichung  oder  Streuung  heißt,  (Die  ältere  Literatur 
benutzt  allerdings  ein  anderes  Maß.)  Diese  Streuung  a  stellt  dar  die 
Quadratwurzel  aus  dem  mittleren  Quadrat  der  Abweichungen 
vom  Mittelwert.  Wenn  a  die  Abweichung  ist,  die  eine  jede  Klasse 
vom  Mittelwert  zeigt,  p  die  Zahl  der  Individuen,  die  je  diese 
Abweichung  zeigen,  n  die  Gesamtzahl  der  in  der  Variationsreihe  vorliegen- 

-i/2pa2 
den  Individuen,  so  ist  die  Standardabweichung  a=  ±  \ .     (2  ist 

das  Summenzeichen.)  Es  ist  klar,  daß  man,  um  o  zu  berechnen,  zunächst 
den  Mittelwert  kennen  muß.  Bei  einer  völlig  symmetrischen  Variations- 
reihe fällt  er  mit  der  Klasse  der  größten  Individuenzahl  zusammen. 
Das  ist  aber  meist  nicht  der  Fall  und  er  muß  daher  erst  ausgerechnet 


—     31     — 

werden.  In  der  naivsten  Weise  —  man  denke  an  die  Versinn- 
lichung  durch  den  Wagebalken  —  geschieht  dies,  indem  man  je  den 
Klassenwert  mit  der  Zahl  der  zugehörigen  Varianten  multipliziert, 
sämtliche  Produkte  addiert  und  durch  die  Gesamtzahl  der  Indivi- 
duen dividiert.  Wählen  wir  etwa  als  Beispiel  die  schon  einmal 
gegebene  Reihe  für  die  Zähnchen  auf  dem  Kieferrand  von  Nereis 
limbata: 


Zahl  der  Zähnchen : 

2 

3 

4 

5       6 

7 

8 

Zahl  der  Individuen: 

7 

30 

80 

148   98 

29 

6 

so  erhalten  wir 


2  = 

=   14 

0 

30  = 

=  90 

4- 

80  = 

=  320 

5- 

148  = 

=  740 

6. 

98  = 

=  588 

7- 

29  = 

=  203 

8. 

6  = 

=  48 

2= 

=  2003 

die  Gesamtzahl  n- 

=398 

2 
n 

2003 

"  ™8 

=  5,03 

=  dem  Mi 

Bei  größeren  Reihen  ist  dies  Verfahren  natürlich  sehr  umständlich 
und  es  läßt  sich  durch  einfachere  Methoden  ersetzen,  die  wir  aber  für 
unsere  Zwecke  der  Begriffserklärung  nicht  brauchen.  Wer  sie  erlernen 
muß,  findet  eine  wunderbar  klare  Anleitung  in  Johannsens  berühmtem 
Lehrbuch.  Berechnen  wir  nun  o  für  die  gleiche  Variationsreihe.  Wenn 
wir  uns  der  Vereinfachung  halber  mit  einer  Dezimalstelle  des  Mittel- 
werts begnügen,  dann  können  wir  ihn  auf  5,0  abrunden.  Die  Abwei- 
chungen von  ihm  sind  dann  — 3 — 2 — 1  0  +  1  +  2  +  3,  ihre  Quadrate 
9,  4,  1,  0,  1,  4,  9.  Diese  Quadrate  multipliziert  mit  p,  der  Zahl  der  In- 
dividuen in  jeder  Klasse,  ergibt: 


—     32     — 


9- 

7  = 

63 

4- 

30  = 

120 

i. 

8o  = 

80 

0. 

148  = 

0 

i. 

98  = 

98 

4- 

29  = 

Il6 

9- 

6  = 

54 

j 

'pa2  = 

53i 

m  =  398 

2/>a2 
n 

53i 
398 

=  i,32 

\  ■'  -P" 

2 

-4-1 

/i.^ 

ff  =  ±  1 

Diese  Standardabweichung  ist  nun  eine  nach  der  Klasseneinteilung 
benannte  Zahl.    Wenn  Gewichte  in  Gramm  verglichen  würden,  so  wäre 

0  in  Gramm  ausgedrückt.  Um  verschiedene  derartige  Kurven  nun  ver- 
gleichen zu  können,  kann  man  die  Standardabweichung  auch  in  Pro- 
zenten des  Durchschnitts  ausdrücken  und  erhielte  dann  den  Variations- 

1  rf  •  100  ff  .  „  „  100.1,15  ,  •  , 
koeffizient   v= das  wäre   m  unserem   Fall             '—^-=23.     (v  ist 

M  5 

allerdings  ein  Koeffizient,  dessen  Anwendung  sich  nicht  allgemeiner 
Wertschätzung  erfreut.)  Eine  für  weitere  Verwendung  genügende 
variationsstatistische  Angabe  hätte  also  im  mindesten  zu  bestehen  aus 
der  Variationsreihe  bzw.  Kurve,  dem  Mittelwert,  der  Standardab- 
weichung bzw.  dem  Variationskoeffizient.  Dazu  käme  noch  eine  An- 
gabe über  den  mittleren  Fehler,  der  einer  jeden  derartigen  Bestimmung 
anhaftet  und  der  eine  Bestimmung,  z.  B.  die  des  Mittelwerts,  innerhalb 
gewisser  Grenzen  schwanken  läßt.  Man  begegnet  daher  Angaben  wie: 
Mittelwert  M  =  52,09  ±  0,28,  wobei  letztere  Zahl  den  Mittelfehler  dar- 
stellt.    Seine  Berechnung  soll  aber  hier  nicht  erörtert  werden. 

Wir  sind  nunmehr  mit  den  elementarsten  Hilfsmitteln  ausgerüstet, 
um  an  die  Betrachtung  der  biologischen  Tatsachen  zu  gehen.  Es  sind 
allerdings  nur  die  elementarsten,  denn  es  läßt  sich  leicht  denken,  daß 
in  der  Natur  die  Verhältnisse  nicht  immer  so  einfach  liegen,  wie  an 
den  hier  ausgewählten  besonders  klaren  Beispielen.     Da  begegnet  man 


—     33     — 

Variationskurven,  die  zwar  symmetrisch,  aber  zu  hochgipfelig  oder  zu 
tiefgipfelig  sind,  oder  solchen,  die  unsymmetrisch,  schief  sind,  vielleicht 
sogar  nur  halb,  andere  erscheinen  gar  zwei-  oder  mehrgipfelig.  Der 
Betrachtung  solcher  Erscheinungen  wie  des  Vergleichs  verschiedener 
Kurven,  kurzum  der  mathematischen  Analyse  der  Variabilität,  hat  sich 
ein  besonderes  Grenzgebiet  zwischen  Biologie  und  Mathematik,  die 
Variationsstatistik,  gewidmet.  Durch  die  Bemühungen  von  Forschern 
wie  Pearson,  Davenport,  Weldon,  Ludwig,  Duncker,  Yule 
hat  sie  komplizierte  Methoden  zur  genauen  Betrachtung  des  gegebenen 
Materials  entwickelt.  Von  ihren  Resultaten  werden  wir  in  den  nächsten 
Vorlesungen  noch  manches  erfahren.  Da  aber  für  uns  die  Variationslehre 
nicht  Selbstzweck,  sondern  nur  den  exakten  Ausgangspunkt  für  das 
Vererbungsproblem  darstellt,  so  dürfte  diese  elementarste  Einführung 
genügen,  um  uns  alles  weitere  verstehen  zu  lassen. 


Dritte  Vorlesung. 

Die  Ursachen  der  Variabilität.     Lebenslagevariation,     Standorts- 
variation   und    ihre    experimentelle    Beeinflussung-.      Äußere    und 
innere   Ursachen  der   Variabilität. 

Die  Tatsache  der  Variabilität  und  die  Möglichkeit,  sie  exakt  zahlen- 
mäßig zu  betrachten,  ist  uns  nun  bekannt.  Bevor  wir  uns  nun  einmal 
daran  machen,  zu  sehen,  welche  Bedeutung  die  variationsstatistischen 
Methoden  für  die  Lösung  der  biologischen  Probleme  der  Erblichkeits- 
lehre besitzen,  bietet  sich  uns  eine  Vorfrage  dar,  nämlich  die  nach  den 
Ursachen  der  Variabilität  und  ihrer  so  charakteristischen  Form.  Für 
Darwin,  der  sich  allerdings  gerade  mit  dieser  Frage  weniger  intensiv 
befaßte,  stand  es  wohl  fest,  daß  die  Bedingungen  der  Umgebung,  in 
denen  der  Organismus  lebt,  es  sind,  die  die  Variationen  verursachen. 
In  der  nachdarwinschen  Zeit  wußte  sich  aber  mehr  und  mehr  eine 
Ansicht  Geltung  zu  verschaffen,  die  im  Rahmen  eines  komplizierten 
Theoriengebäudes  auch  die  Variabilität  von  anderer  Seite  betrachtet. 
Wenn  sie  nach  Weis  mann  in  letzter  Linie  auch  durch  die  äußeren  Be- 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  2 


—     34 


dingungen  verursacht  ist,  so  ist  das  entscheidende  doch  der  Zustand 
der  Vererbungssubstanz,  des  Keimplasmas,  dessen  Einzelteilchen  dauernd 
Schwankungen  unterworfen  sind,  die  sich  im  Laufe  der  Generationen 
summieren,  so  daß  schließlich  unter  dem  Einfluß  jener  Keimplasma- 
variationen sich  sichtbare  Variationen  auch  am  Körper  zeigen  können. 
Ein  innerer  Faktor  wäre  also  als  die  wesentliche  Ursache  der  Variabilität 

anzusehen.  Wenn  wir  uns  nun  in  dieser 
Frage  Auskunft  verschaffen  wollen,  so 
leitet  uns  schon  die  einfache  Betrachtung 
des  in  der  vorigen  Vorlesung  Vorge- 
brachten auf  den  richtigen  Weg.  Dabei 
muß  aber  gleich  eines  beachtet  werden: 
Wir  haben  schon  oben  angedeutet,  daß 
Variabilität  sich  als  ein  innerlich  vielge- 
staltiger Begriff  erwiesen  hat,  was  uns 
aber  erst  verständlich  werden  wird,  wenn 
wir  das  Erblichkeitsmoment  in  die  Be- 
trachtung einführen.  Während  wir  bis- 
her ruhig  alle  Arten  der  Variabilität 
promiscue  betrachten  konnten,  beschrän- 
ken wir  uns  aber  jetzt  bereits  auf  die 
echte  Variabilität  im  engeren  Sinn,  die 
jetzt  meist  auch  als  Modifikabilität  be- 
zeichnet wird,  ein  Begriff,  dessen  Abgren- 
zung uns  bald  klar  werden  wird.  Wir 
hatten  in  der  letzten  Vorlesung  gesehen, 
daß  die  Variabilität  der  einzeln  betrachteten  Merkmale  wohl  stets  dem 
Queteletschen  Gesetz  folgt.  Benutzen  wir  nun  einmal  aus  Gründen, 
die  sogleich  hervortreten  werden,  eine  etwas  andere  Darstellungsweise, 
auf  die  sich  nebenstehende  Figur  18  bezieht.  Es  handelt  sich  um  die 
Variabilität  in  der  Länge  von  Bohnensamen.  450  Samen  einer  Popula- 
tion wurden  gemessen  und  nach  ihrer  Länge  geordnet,  die  zwischen  8 
und  16  mm  schwankte.     Die  Variationsreihe  lautete : 


Fig.  iS. 

Anschauliche  Darstellung  der  Varia 

bilität  der  Größe  von  Bohnensamen 

Nach   de  Vries. 


Länge  in  mm:   S 

9 

10 

11    12 

13    H 

15 

16 

Anzahl  Bohnen:    i 

2 

23 

io8167 

106  33 

7 

1 

—     35     — 


Fig.  19  gibt  das  zugehörige  Variationspolygon,  bei  dem  für  jede 
Bohnensorte  ein  Beispiel  abgebildet  ist.  In  eine  Glaswanne,  die  in 
neun  Abteilungen  geteilt  ist,  die  den  neun  Größenklassen  der  Bohnen 
entsprechen,  werden  diese  nun  so  eingefüllt,  daß  jede  Abteilung  die 
zu  ihrer  Klasse  gehörige  Bohnenzahl  erhält.  Es  entsteht  dann  ein 
Bild,  wie  es  Fig.  18  zeigt,  wo- 
bei die  Bohnen  als  Treppen- 
kurve erscheinen.  (Von  dem 
kleinen  Fehler,  der  der  wirk- 
lichen Kurve  gegenüber  da- 
durch entsteht,  daß  die  kleinen 
Bohnen  weniger  Platz  ein- 
nehmen als  die  großen,  muß 
natürlich  abgesehen  werden.) 
Das  ist  nun  nichts  weiter  als 
eine  andere  Demonstration  des 
Oueteletschen  Gesetzes. 

IV 

Nun  nehmen  wir  einmal 
umstehend  abgebildeten  klei- 
nen Apparat  zur  Hand,  den 
Galton  angab  und  der  ganz 
ähnlich  aussieht,  wie  ein  Tivoli 
genanntes         Kinderspielzeug  Fig.  19. 

(Fig.  20).       Auf    einem    Brett    Varmtionspolygon  der  Größe   der  Jiohnensamen 
v      °  '  zu    rig.    Iö  mit    den    eingezeichneten    lypen    der 

finden    sich    in    gleichen    Zwi-    Größenklassen.       Bei      B     die      Häufigkeitsreihe. 

Nach  de  Vries. 
schenräumen  Reihen  von  senk- 
rechten Nadeln,  die  innerhalb  der  Reihen  alternieren.  Oben  ist  durch  Holz- 
backen eine  trichterförmige  Eingangspforte  hergestellt  und  unten  sind 
kleine  Abteüungen  abgegrenzt.  Wird  nun  das  Brett  schräggestellt  und 
durch  den  Trichter  eine  Anzahl  Schrotkugeln  eingeschüttet,  so  laufen  sie 
zwischen  den  Nadeln  hindurch  und  füllen  dann  die  Fächer  so  aus,  wie  es 
die  Abbildung  zeigt,  d.  h.  sie  bilden  hier  eine  ebensolche  Treppenkurve, 
wie  wir  sie  eben  von  den  Bohnen  sahen.  Hier  ist  nun  die  Ursache  klar. 
Jeder  Schrotkugel,  die  das  Bestreben  hat,  geradenwegs  in  das  Mittelfach 
hineinzurollen,  stellen  sich  in  den  Nadeln  Hindernisse  entgegen,  die  sie 


X,n 

.  * 

9 

w 

n 

12 

13 

/* 

'S 

M 

7 

2 

23 

ton 

/«"? 

106 

*3 

7 

36 


von  ihrem  Weg  ablenken.  Da  die  Hindernisse  nach  rechts  wie  links 
gleichmäßig  wirken,  werden  sie  sich  vielfach  gegenseitig  aufheben,  so  daß 
die  Mehrzahl  der  Kugeln  doch  richtig  ins  Mittelfach  gelangt.  Bei  anderen 
wird  sich  aber  eine  Ablenkung  aus  der  Bahn  ergeben,  die  die  Kugeln 

nach  rechts  oder  links 
führt,  und  zwar  ist  für 
jede  Seite  gleich  viel 
Wahrscheinlichkeit  vor- 
handen. Manche  Ku- 
geln werden  wenig  ab- 
gelenkt, indem  es  der 
Zufall  gibt,  daß  außer 
den  vielen  nach  rechts 
oder  links  ziehenden 
Hindernissen,  die  sich 
gegenseitig  ausgleichen, 
auch  einige  nur  ein- 
seitig wirken.  Es  ist 
klar,  daß  ein  immer 
größerer  und  daher  sel- 
tenerer Zufall  dazu  ge- 
hört, daß  sich  solche 
einseitig  wirkende  Hin- 
dernisse wiederholen, 
ein  Zufall,  dessen  Un- 
wahrscheinlichkeit  mit 
der  Zahl  der  einseitig 
wirkenden  Stöße  steigt, 
und  daher  werden  in 
die  äußersten  Abteilungen,  die  nur  den  Kugeln  zugänglich  sind, 
die  der  Zufall  immer  wieder  nach  der  gleichen  Richtung  ablenkt,  nur  die 
allerwenigsten  Kugeln  gelangen.  Das  entstandene  Bild  ist  also  ein  Ausdruck 
der  Wirkung  des  Zufalls,  und  wir  würden  es  bei  jeder  Versuchsanordnung 
erhalten,  die  zufällige  Abweichungen  von  einer  Norm  zum  Ausdruck 
bringt.     Die  Binomialkurve,  wie  wir  eine  derartige  symmetrische  Figur 


Fig.  20.     Galtons  Zufallsapparat. 


37     — 

als  Kurve  gezeichnet  nannten,  ist,  wie  uns  dieser  kleine  Versuch  an- 
schaulich macht,  also  ein  Ausdruck  des  Gauss  sehen  Fehlergesetzes, 
welches  ganz  allgemein  besagt,  daß  in  einer  Beobachtungsreihe  bei 
gleicher  Beobachtungsweise  die  Häufigkeit  eines  Beobachtungsfehlers 
eine  Funktion  seiner  Größe  ist.  Je  mehr  sich  ein  Fehler  von  dem  Mittel- 
maß entfernt,  um  so  seltener  ist  er  und  umgekehrt.  Und  jetzt  wird  uns 
klar,  was  dieses  berühmte  Gesetz,  von  dem  Galton  einmal  sagte,  daß 
es  die  alten  Griechen  als  Gottheit  verehrt  haben  würden,  wenn  sie  es 
gekannt  hätten,  auch  für  die  belebte  Welt  bedeutet.  Denn  wenn  wir 
nun  aus  dem  identischen  Ausfall  des  Bohnenversuchs  —  und  er  ist  ja 
der  Typus  für  die  normale  Art  der  Variabilität  —  und  des  Schrotkugel- 
spiels einen  Schluß  ziehen  dürfen,  so  muß  er  so  lauten :  Der  Bohnengröße 
oder  überhaupt  jedem  variierenden  Merkmal  kommt  eine  bestimmte 
Größe  oder  Wert  zu,  sein  Mittelwert.  Er  wird  aber  nicht  erreicht,  indem 
die  Natur  „Beobachtungsfehler"  macht,  die  um  so  seltener  werden,  je 
größer  sie  sind.  Die  Natur  macht  Beobachtungsfehler  heißt  aber  nichts 
anderes,  als  sie  wirkt  ebenso  auf  die  Merkmale,  wie  die  Stecknadeln  auf 
die  Schrotkugeln.  Dem  Organismas  stellen  sich  in  Gestalt  der  Gesamtheit 
der  äußeren  Lebensbedingungen  Hindernisse  in  den  Weg,  die  ihn  teils  nach 
dieser,  teils  nach  jener  Seite  ziehen  und  um  so  seltener  in  ihrer  Wirkung 
in  Erscheinung  treten,  je  größer  sie  sind.  Mit  anderen  Worten :  Wir  leiten  den 
Schluß  ab,  daß  die  charakteristischen  Erscheinungen  der  fluktuierenden 
Variabilität  nichts  anderes  sind  als  der  Effekt  der  äußeren  Bedingungen. 
Ist  das  nun  richtig,  so  muß  es  auf  viererlei  Weisen  bewiesen  werden. 
Zunächst  muß  sich  ganz  allgemein  für  das  Einzelindividuum  der  Nach- 
weis erbringen  lassen,  daß  den  Organismen  die  Fähigkeit  innewohnt, 
auf  Einwirkungen  der  Außenwelt  mit  Veränderungen  ihrer  Eigenschaften 
so  zu  reagieren,  daß  die  veränderte  zur  ursprünglichen  Eigenschaft  sich 
verhält  wie  eine  Variante  zur  anderen.  Anders  ausgedrückt  muß  be- 
wiesen werden,  daß  der  sichtbare  Zustand  einer  Eigenschaft  nichts 
Absolutes  ist,  sondern  etwas  Relatives,  nur  unter  den  betreffenden  äuße- 
ren Bedingungen  in  gleicher  Art  bestehendes.  Zweitens  muß  bei  der 
Betrachtung  einer  Population  gezeigt  werden,  daß  eine  Veränderung 
in  den  äußeren  Bedingungen  auch  mit  einer  Veränderung  in  ihrer  Varia- 
bilität verbunden  ist.     Es  muß  etwa  unter  dem  Einfluß  veränderten 


—     38     — 

Mediums  eine  Verschiebung  der  Variabilitätskurve  stattfinden.  Sodann 
muß  gezeigt  werden  können,  daß  in  einer  Gruppe  gleichartiger  Indivi- 
duen Eigenschaften  mit  geringer  Variabilität  durch  wechselvolleres 
Milieu  zu  stärkerem  Variieren  gebracht  werden  können.  Und  schließlich 
muß  sich  umgekehrt  zeigen  lassen,  daß  die  Variabilität  stark  variieren- 
der Formen  durch  Gleichartigkeit  der  Bedingungen  eingeschränkt,  ja 
vielleicht  sogar  ganz  aufgehoben  werden  kann.  Betrachten  wir  darauf- 
hin nun  einmal  die  Tatsachen. 


Fig.  21. 
Araschnia  levana    (links  oben)  und  prorsa  (rechts  unten)    verbunden  durch  im  Tempe- 
raturexperiment erzeugte   Übergangsformen. 

Zunächst  sehen  wir  also  einmal  ganz  von  der  bisher  geübten  kollekti- 
vistischen Betrachtungsweise,  also  der  Untersuchung  von  Individuen- 
reihen ab,  und  legen  uns  die  ganz  allgemeine  Vorfrage  vor,  wie  das  Einzel- 
individuum bzw.  seine  Eigenschaften  sich  dem  äußeren  Milieu  gegenüber 
verhält.  Die  Frage  könnte  fast  müßig  erscheinen,  so  selbstverständlich 
ist  ihre  Antwort.  Besteht  doch  der  ganze  Teil  der  Tier-  und  Pflanzen- 
zucht, der  als  Haltung  und  Wartung  zu  bezeichnen  ist,  in  nichts  anderem 
als  in  der  Hervorrufung  von  dem  Züchter  angenehmen  Varianten  der 
Eigenschaften  durch  zweckentsprechende  Wahl  des  Milieus.  Trotzdem 
muß  die  Frage  an  Hand  konkreter  Tatsachen  beantwortet  werden,  denn 
aus  ihnen  werden  wir  eine  grundlegende  Erkenntnis  über  das  Wesen 


—     39     — 

der  zu  betrachtenden  Eigenschaften  abzuleiten  haben.  Die  elementare 
Tatsache  selbst  erhellt  am  einfachsten  aus  den  zahllosen  Versuchen, 
die  Forschung  wie  Praxis  über  den  Einfluß  der  wichtigsten  Außenfakto- 
ren, Temperatur,  Feuchtigkeit,  Nahrung  auf  die  Eigenschaften  von 
Tieren  und  Pflanzen  angestellt  haben.  Das  Material  ist  ein  unendliches 
und  es  seien  nur  einige  Stichproben  aus  den  verschiedenen  Versuchs- 
gruppen gegeben. 

Da  ist  zunächst  die  Einwirkung  der  Temperatur,  für  die  besonders 
aus  dem  Tierreich  interessante  Versuche  vorliegen,  vor  allem  die  be- 
rühmten Temperaturexperimente  an  Schmetterlingen,  die  von  Dorf- 
meister  inauguriert  jetzt  wohl  den  am  besten  ausgearbeiteten  Teil 
dieses  Kapitels  der  tierischen  Biologie  darstellen.  Wenn  wir  hier  nur 
die  Hauptresultate  betrachten  —  weitere  werden  uns  auch  noch  in  ande- 
rem Zusammenhang  begegnen  -  -  so  gingen  die  Experimente  ja  davon 
aus,  den  Saisondimorphismus  zu  erklären,  die  Tatsache,  daß  in  zwei 
Generationen  fliegende  Schmetterlinge  typisch  verschiedene  Frühjahrs- 
und Sommerformen  (in  den  Tropen  Trocken-  und  Regenzeitformen) 
haben  können,  wofür  das  klassische  Beispiel  Arasch nia  levana  und 
prorsa  ist.  Da  der  Verdacht  nahe  lag,  daß  die  Differenzen  durch  ver- 
schiedene Temperaturen  bedingt  seien,  behandelte  Dorfmeister  die 
Puppen,  die  die  Sommerform  geben  sollten,  mit  Kälte  und  umgekehrt 
und  konnte  dadurch  auch  aus  ihnen  die  Frühjahrsform  und  umgekehrt 
erzielen.  Und  so  lassen  sich  durch  abgestufte  Temperatureinwirkung 
auch  alle  Zwischenformen  herstellen,  wie  vorstehende  Figur  21  demon- 
striert, in  der  einige  solche  experimentell  erzeugte  Typen  in  der  Reihen- 
folge von  levana  zu  prorsa  abgebildet  sind.  Die  zahlreichen  Unter- 
suchungen, die  auf  diesem  Gebiet  an  den  verschiedensten  Objekten  und 
von  den  verschiedensten  Forschern  ausgeführt  wurden,  haben  nun  alle  dazu 
geführt,  zu  zeigen,  daß  man  durch  geeignete  Temperatureinwirkung  auf 
Puppen  die  aus  der  Natur  bekannten  klimatischen  Varietäten  erzeugen 
kann.  Standfuss,  der  Meister  der  experimentellen  Schmetterlings- 
züchtung, der  (bis  zum  Jahre  1905)  48  500  Individuen  in  solchen  Ex- 
perimenten bearbeitete,  hält  folgende  Punkte  für  die  Hauptresultate: 
1.  Viele  Arten  leben  an  verschiedenen  Orten  ihres  Verbreitungsgebietes 
in  Form  von  Lokalrassen.    Sie  lassen  sich  experimentell  in  täuschender 


—     40     — 

Weise  erzielen  oder  doch  wenigstens  annähernd,  sowohl  was  Färbung 
wie  Gestalt  der  Flügel  betriftt.  So  kann  aus  Puppen  des  ge- 
wöhnlichen Schwalbenschwanzes  (Papilio  machaon),  wenn  sie  mit 
37 — $8°  C  behandelt  werden,  ein  Falter  schlüpfen,  der  durchaus  der 
palästinensischen  Sommerform  aus  Jerusalem  gleicht.  Oder  aus  den 
Puppen  des  gemeinen  kleinen  Fuchses,  Vanessa  urticae,  können  durch 
Wärme   Formen  erzogen  werden,   die   der  südlichen   Varietät   ichnusa 


Fig.  22.  Vanessa  io,  das  Tagpfauenauge,  mit  künstlich  erzeugten  Temperaturaberrationen. 


gleichen,  durch  Kälte  aber  solche,  die  den  nördlichen  Arten  milberti  und 
polaris  gleichen.  2.  In  der  Natur  kommen  oft  Aberrationen  vor,  die 
sich  in  ihrem  Kleid  beträchtlich  von  dem  Normaltypus  entfernen.  So 
hat  das  Tagpfauenauge,  Vanessa  io,  Aberrationen,  in  denen  die  Augen- 
flecke verschwinden.  Wir  werden  sie  später  noch  zu  erwähnen  haben. 
Durch  das  Temperaturexperiment  können  sie  aber  ebenfalls  hervor- 
gerufen werden  und  zwar  auch  in  allen  Abstufungen  von  der  Normalform 
zur  Aberration.  Obenstehende  Fig.  22  zeigt  uns  die  Stammform  nebst 
drei  Temperaturaberrationen  in  einer  Serie,  die  durch  viele  Zwischen- 


41 


formen  verbunden  zum  Verlust  der  Augenflecken  führt.  3.  Bei  Faltern, 
die  in  beiden  Geschlechtern  verschieden  gefärbt  sind,  kann  dieser  sexuelle 
Dimorphismus  aufgehoben  werden.     4.  Es  können  durch  Temperatur- 


7. 

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einwirkungen  Falter  unter  Umständen  in  ihrem  Farbenkleide  an  ganz 
andere  verwandte  Arten  angenähert  werden,  so  der  Schwalbenschwanz, 
Papilio  hospiton,  in  der  Richtung  auf  unsern  gewöhnlichen  machaon. 


—     42     — 

5.  Es  können  endlich  durch  Vertauschung  der  Lebensbedingungen  Ver- 
schiebungen der  Formen  anderer  Art  stattfinden.  So  wächst  die  große 
Pappelglucke,  Gastropacha  populifolia,  während  der  kühlen  Jahreszeit 
im  Herbst  und  Frühjahr  langsam  in  etwa  25  Wochen  zu  einem  großen 
Typus  heran.  Die  sehr  nahe  verwandte  kleine  Glucke  (Epicnaptera 
tremulifolia)  hingegen  wächst  als  Raupe  während  der  wärmsten  Jahres- 
zeit in  11  Wochen  heran  und  ergibt  eine  sehr  viel  kleinere  Form.  Wird 
die  Brut  der  großen  Glucke  in  die  Lebensbedingungen  der  kleinen  versetzt, 
so  ergibt  sie  Falter,  die  sich  der  kleinen  Art  nähern. 

Auch  im  Pflanzenreich  fehlt  es  nicht  an  solchen  Fällen,  wie  etwa  die 
in  normalen  Verhältnissen  rotblühende  Primula  sinensis,  deren  Blüten 
bei  Treibhaustemperatur  so  weiß  werden  wie  bei  einer  weißen  Rasse. 

Auch  ein  Beispiel  einer  Feuchtigkeitswirkung  sei  aus  dem  Tierreich 
gegeben,  Beebes  Versuche  mit  Tauben.  Die  nord-  und  mittelameri- 
kanische Taube,  Scardafella  inca,  zeigt  nur  geringe  geographische 
Variation  in  ihrem  Verbreitungsgebiet.  Dagegen  kommen  in  Honduras, 
ferner  Venezuela  und  Brasilien  je  eine  abweichende  Form  vor,  nämlich 
dialeucos,  ridgwayi  und  brazilensis,  die  sich  durch  reicheres  Pigment 
auf  den  Federn  auszeichnen.  Durch  Zucht  in  einer  besonders  feuchten 
Atmosphäre  vermochte  Beebe  nun  die  inca  so  zu  beeinflussen,  daß  sie 
mit  jeder  neuen  —  natürlichen  oder  künstlich  erzwungenen  —  Mauser 
immer  dunklere  Federn  bildete,  wobei  allmählich  auch  das  dunkelbraune 
Pigment  in  ein  glänzend  irisierendes  Bronze  oder  Grün  übergeht.  So 
enthält  der  wilde  Vogel  auf  einer  bestimmten  Feder  25,9%  pigmentierte 
Fläche,  der  im  Experiment  gehaltene  Vogel  vor  der  dritten  Mauser  38% 
und  nach  ihr  41,6%.  So  gelingt  es,  die  Form  inca  im  Versuch  allmählich 
das  Aussehen  der  drei  anderen  Formen  annehmen  zu  lassen,  bis  schließ- 
lich ein  Federkleid  erreicht  wird,  das  in  der  Natur  nirgends  verwirklicht 
ist.  Vorstehende  Fig.  23  gibt  die  Reihe  der  fünf  natürlichen  und 
experimentellen  Typen  wieder. 

Wohl  die  größte  Fülle  von  Tatsachen  liegt  aber  für  die  dritte  Ver- 
suchsart vor,  die  Einwirkung  veränderter  Ernährungsbedingungen,  für 
die  schon  durch  Darwin  manches  berühmt  gewordene  Beispiel  beige- 
bracht wurde.  So  wissen  die  Kanarienvögelzüchter,  daß  man  durch 
Hanffütterung  eine  dunkle  Färbung  des  Gefieders  erzielen  kann,  daß 


—     43     — 

man  durch  große  Dosen  von  Cayennepfeffer  die  Färbung  von  Kanarien, 
auch  Hühnern,  in  orange  verwandeln  kann.  Der  Schweinezüchter  kann 
durch  geeignete  Fütterung  aus  den  kurzköpfigen  hochgezüchteten  Kultur- 
rassen Tiere  heranziehen  mit  dem  langen  Schädel  und  sonstigen  Habitus 
des  Wildschweins,  wie  die  Fig.  24  so  schön  zeigt  (v.  Nathusius),  über- 
haupt kann  der  Züchter  vielfach  durch  Fütterung  das  Exterieur  der 
Haustiere  verändern.  Umstehende  Fig.  25  gibt  ein  instruktives  Bei- 
spiel, die  Veränderung  des  Brustkorbes  einer  Ziege  bei  Fütterung  von 


Fig.  24. 

Zwei  Wurfgeschwister  (Berkshire    c5)>  links  gehungert,  rechts  gemästet.     Nach 

v.  Nathusius  aus  Kronacher. 


Milch  oder  vegetabilischem  Futter.  Die  am  breitesten  angelegten 
Experimentalserien  auf  diesem  Gebiet  sind  aber  wohl  Pictets  Versuche 
an  Schmetterlingen,  der  zeigen  konnte,  daß  man  bei  zahlreichen  Schmet- 
terlingsarten wie  Lymantria  dispar  und  monacha,  Abraxas 
grossulariata,  Lasiocampa  quercus,  Biston  hirtarius  durch 
Fütterung  der  Raupen  mit  ungewöhntem  Futter  eine  große  Variabilität 
hervorrufen  kann.  Diese  betrifft  begreiflicherweise  einmal  die  Dimen- 
sionen der  Tiere,  da  schlecht  ernährte  Raupen  natürlich  kleinere  Falter 
geben,  sodann  aber  vor  allem  Färbung  und  Zeichnung.  Es  scheint 
insofern  eine  Regelmäßigkeit  der  Wirkung  zu  bestehen,  als  Ernährung 


—     44     — 

mit  wenig  ausgiebiger  Nahrung  die  Variabilität  nach  dem  Albinismus 
zu  richtet,  solche  mit  nahrhaften  Substanzen  aber  nach  dem  Melanismus 
hin.  Die  einzelnen  Nahrungssorten  scheinen  dabei  eine  ziemlich  spezi- 
fische Wirkung  auszuüben  und  sich  zu  addieren,  wenn  sie  gemischt  be- 
nutzt werden.  Besonders  bemerkenswert  ist  die  Einwirkung  auf  Formen 
mit  sexuellem  Dimorphismus  wie  Lymantria  dispar  oder  Lasio- 
campa  quercus.  Fig.  26  zeigt  in  2  das  Weibchen,  3  das  Männchen 
letzterer  Form,  das  sich  durch  die  scharfgerandete  dunkle  Tönung  der 
inneren   Flügelhälfte   vom   Weibchen   unterscheidet.     4   gibt   aber   ein 


B 


Fig.   25. 


Brustkorb  der  Ziege,  A  bei  Fütterung  mit  Milch,  B  bei  vegetabilischem  Futter.    Nach 

Ratzebu  ra:. 


Weibchen  wieder,  das  durch  Fütterung  mit  Esparsette  dem  männlichen 
Typus  genähert  wurde.  Das  Gesetz  scheint  das  zu  sein,  daß  minder- 
wertigere Nahrung  die  sekundären  Geschlechtscharaktere  des  Männ- 
chens, in  diesem  Fall  die  Verdunkelung  der  Flügel  hervorruft,  während 
reiche  Ernährung  umgekehrt  das  Männchen  den  weiblichen  Charakteren 
nähert.     Doch   damit  seien  genug  der  Beispiele  dieser  Art  genannt. 

In  den  betrachteten  Fällen  war  eine  tiefere  logische  Beziehung 
zwischen  dem  Außenfaktor  und  der  Art  der  Variation  wohl  nicht  vor- 
handen. Für  den  Einblick  in  das  Wesen  der  variierenden  Eigenschaften 
sind  aber  viel  bedeutungsvoller  jene  Reaktionen  des  Organismus,  die 
eine  deutliche  Beziehung  zur  Qualität  des  auslösenden  Milieureizes  zeigen 
und  dies  sind  im  weitesten  Sinn  jene  Variationen  der  Eigenschaften,  die 


45 


man  als  funktionelle  Anpassungen  bezeichnet,  also  zweckmäßige  Reak- 
tionen auf  den  bewirkenden  Milieureiz.  Auch  ihre  Zahl  ist  im  Pflanzen- 
wie  im  Tierreich  eine  ganz  außerordentliche :  ein  gebrochener  und  schief- 
verheilter Knochen  wandelt  seine 
Innenstruktur  so  um,  daß  sie 
für  den  Widerstand  gegen  die 
neuen  Belastungsverhältnisse  ge- 
eignet wird;  verändert  sich  das 
Hebelsystem  von  Gliedmaßen- 
knochen durch  Verkürzung  eines 
Hebelarmes,  so  wandelt  sich  die 
Struktur  des  zugehörigen  Mus- 
kels so  um,  daß  sie  den  neuen 
mechanischen  Bedingungen  ge- 
recht wird  (Marey).  Werden 
Fleischfresser  mit  Pflanzenkost 
gefüttert,  so  verlängert  sich  ihr 
Darm  und  umgekehrt  (Babak, 
Houssay,  S  c  he  pel  m  an  n). 
Aber  auch  Außeneigenschaften, 
die  sonst  für  die  betreffende  Art 
oder  Gruppe  charakteristisch  sind, 
können  sich  in  erstaunlicher 
Weise  durch  funktionelle  An- 
passung verändern.  Da  ließen 
sich  besonders  aus  dem  Pflan- 
zenreich   eine    unendliche    Fülle  F;o.   2Ö> 

VOn     Beispielen     nennen,     da    ge-    Verschiebung     der    sekundären    Geschlechts- 

.  Charaktere    von    Lasiocampa    quercus    durch 

lade    diese    experimentellen    Ver-    Fütterung.       2    normales   Q,    3    normales    3 

änderungen     der     Pflanze      und   4    ira    E*?e£Tnt    >?e?go-     3 -ähnliches 

0  Weibchen.     Nach   Pictet. 

ihrer   Teile    unter    dem    Einfluß 

äußerer  Faktoren  —  Biaiometamorphosen  nennt  sie  Lotsy  mit  einem 
monströsen  Ausdruck  —  einen  Hauptteil  der  experimentellen  Pflanzen- 
morphologie ausmachen.  Besonders  Göbel  hat  ja  dieses  Gebiet  durch 
bahnbrechende  Untersuchungen  bereichert.      Umstehende  Fig.  27  zeigt 


H 


—     46 


einen  besonders  instruktiven  Fall:  Im  Wasser  kultiviert  hat  die 
Landpflanze  Limnophila  heterophylla  (rechts  und  links  im  Bild)  Seiten- 
sprosse hervorgebracht,  die  ganz  andersartige,  zerteilte  Blätter,  die 
Wasserblätter,   besitzen. 

Auch  auf  tierischem  Gebiet  gibt  es  dazu  Parallelen,  die  sich  z.  B. 
aus  den  klassischen  Experimenten  Marie  von  Chauvins  am  mexika- 


Fig.  27. 
Limnophila  heterophylla,    in  der  Mitte  ein  Trieb  mit  Landblättern,   die  beiden  Seiten- 
triebe haben  bei  Wasserkultur  Wasserblätter  gebildet.     Nach  Göbel. 

nischen  Axolotl  ergeben,  auf  die  wir  noch  mehrfach  zurückkommen 
werden.  Bekanntlich  ist  dieser  eine  Wasserlarve  des  Landmolches 
Amblystoma,  die  in  der  Gefangenschaft  normalerweise  als  Wasserlarve 
geschlechtsreif  wird.  Fräulein  von  Chauvin  gelang  es  aber,  sie  zu 
zwingen,  ihre  Verwandlung  zum  Landmolch  auszuführen,  womit  ja 
große  äußere  und  innere  Veränderungen  verbunden  sind,  nämlich  Über- 
gang  von   der   Kiemen-   zur   Lungenatmung   und   entsprechende    Ein- 


—     47     — 

Schmelzung  der  Kiemen,  Verwandlung  des  flachen  Ruderschwanzes  in 
den   runden   Landschwanz,    Änderung   der   Haut    und   ihrer   Färbung. 
Es  wurde  nun  ein  15  Monate  alter  Axolotl  zur  Metamorphose  gezwungen 
und  in  12  Tagen  so  weit  gebracht,  daß  er  in  feuchtem  Moos  leben  konnte 
und  durch  Lungen  atmete.    Nur  der  völlige  Abschluß  der  Metamorphose 
durch  eine  entscheidende  Häutung  wurde  verhindert.    Es  trat  nun  eine 
Reduktion  des  Ruderschwanzes  auf  die  Hälfte  seiner  Breite  ein,  so  daß 
er  auch  nicht  mehr  zum  Schwimmen  benutzt  werden  konnte,  wenn  das 
Tier  ins  Wasser  kam;  die  Kiemenbüschel  aber  reduzierten  sich  bis  auf 
kurze  Stummel.    Nun  —  nach  einem  Landaufenthalt  von  15 1/<2  Monaten 
—  wurde  das  Tier  langsam  wieder  ans  Wasser  gewöhnt,  was  es  nur  sehr 
widerwillig  tat.    Trotzdem  begannen  schon  am  6.  Tag  die  Kiemenfäden 
wieder  zu  wachsen,  und  der  vorher  umgelegte  Rückenkamm  richtete 
sich  wieder  auf.     Nach  10  Tagen  wrar  der  kritische  Zustand  des  Tieres 
wieder  überwunden  und  schon  nach  einem  Monat  waren  alle  Charaktere 
des  Wassertieres  wieder  da.    Nach  3Y4  Monaten  wurde  aber  das  gleiche 
Tier  wieder  auf  das  Land  gebracht,  wo  es  in  einem  halben  Jahr  wieder 
alle  Veränderungen  zum  Landtier  durchmachte  und  auch  mit  der  letzten 
Häutung  begann,  während  deren  es  starb.    Wir  werden  in  einer  späteren 
Vorlesung  noch  einer  Reihe  analoger  Fälle  begegnen,  die  alle  die  gleiche 
Art  funktioneller  Anpassung  ülustrieren. 

Die  Art  der  Organismen,  durch  Einwirkung  von  Außenfaktoren  in  so 
charakteristischer  Weise  zu  variieren,  wie  es  besonders  die  letzten  Bei- 
spiele zeigten,  führt  uns  nun  zu  der  Frage,  was  eigentlich  die  Eigen- 
schaften sind,  deren  Variabilität  wir  hier  studieren.  Und  da  ergibt  sicli 
ohne  weiteres,  daß  sie  ebenso  zu  betrachten  sind,  wie  die  Messungen  eines 
Physikers,  denen  ein  bestimmter  Wert  nur  zukommt  unter  bestimmten 
äußeren  Bedingungen  wie  etwa  Temperatur  und  Luftdruck.  Auch  die 
Eigenschaften  haben  einen  bestimmten  Charakter  nur  unter  bestimmten 
Bedingungen :  Die  Brustfedern  jener  Taube  sind  nicht  weiß,  sondern  sind 
bei  einem  bestimmten  Feuchtigkeitsgrad  weiß,  bei  einem  anderen  aber 
gesprenkelt.  Die  Eigenschaft  ist  also  nicht  weiß  oder  mit  Kiemen  oder 
kurzer  Darm  oder  rotblühend,  sondern  die  Fähigkeit  auf  bestimmte 
äußere  Bedingungen  mit  bestimmter  Darmlänge,  Farbe,  Kiemenstruktur 
zu    reagieren:    also    eine    bestimmte  Reaktionsnorm  (Woltereck, 


—     48     — 

Baur,  Johannsen).  In  dem  Fall  der  Limnophila  bestand  die  Reaktions- 
norm in  der  Alternation  Land-  und  (mit)  Wasserblätter.  In  anderen  Fällen 
besteht  sie  in  der  Fähigkeit,  auf  abgestuften  Reiz  abgestuft,  also  fluktuie- 
rend zu  reagieren.  Im  Prinzip  ist  das  das  gleiche,  aber  nur  in  letzterem 
Fall  kommt  eine  fluktuierende  Variabilität  zustande,  die  kollektiv  be- 
trachtet werden  kann. 

Eigentlich  ist  mit  der  Lösung  dieser  Vorfrage  auch  schon  die  Lösung 
der  Hauptfrage  nach  der  Ursache  der  fluktuierenden  Variabilität  gegeben. 
Aber  wir  wollen  doch  noch  die  drei  Fragen  beantworten,  die  wir  oben 
in  bezug  auf  das  Verhalten  der  ganzen  Variationskurve  gegenüber  den 
Milieueinflüssen  gestellt  hatten. 

"Was  zunächst  den  ersten  Punkt  betrifft,  die  Veränderung  einer 
Variationsreihe  unter  dem  Einfluß  äußerer  Bedingungen,  so  ist  er  schon 
aus  der  reinen  Beobachtung  zu  erschließen.  Eine  Fülle  biologischer 
Tatsachen  —  von  denen  besonders  reiches  Material,  wie  überhaupt  für 
alle  diese  Fragen,  von  Darwin  beigebracht  ward  —  ist  bekannt,  die  alle 
zeigen,  daß  sich  Tiere  verändern,  wenn  sie  in  anderen  als  ihren  typischen 
Lebensbedingungen  sich  befinden.  Von  Bedingungen,  die  sich  analy- 
sieren lassen,  also  nicht  einfach  allgemein  als  „veränderte  Lebenslage" 
zu  bezeichnen  sind,  sei  nur  eine  als  Beispiel  angeführt,  der  Einfluß  des 
Salzgehalts  auf  Wassertiere.  Bateson  konnte  die  Herzmuscheln  (Car- 
dium  edule)  zentralasiatischer  Seen  untersuchen,  die  einen  langsamen 
Eintrocknungsprozeß  durchmachen,  so  daß  an  ihrem  Rand  sieben 
aufeinander  folgende  Terrassen  sich  finden,  die  verschiedenem  Salzgehalt 
entsprechen.  In  ihnen  nehmen  nun  die  Schalen  immer  mehr  an  Dicke 
ab,  so  daß  sie  in  der  untersten,  also  salzigsten  Zone  direkt  hornig  waren. 
Hand  in  Hand  damit  gingen  Veränderungen  der  Farbe,  Struktur  und 
Größe,  und  alle  diese  Eigenschaften  erwiesen  sich  bei  allen  Individuen 
eines  Horizonts  als  gleichförmig.  Und  Bateson  schließt  denn  auch, 
daß  die  Salzigkeit  bzw.  entsprechende  äußere  Bedingungen  die  Ursachen 
der  Variation  darstellen. 

Solche  Beobachtungen  kommen  aber  auch  immer  wieder  zum  Vor- 
schein, wenn  variationsstatistische  Untersuchungen  angestellt  werden. 
Bei  Anstellung  von  Kulturen  in  verschiedenen  Jahren,  ist  die  Gesamt- 
heit  der   äußeren  Bedingungen,   das  was  man  Lebenslage  nennt,  ja 


49 


immer  etwas  verschieden,  und  die  variationsstatistische  Untersuchung 
der  verschiedenen  Materialien  muß  dann  eine  eventuelle  Wirkung  solcher 
Differenzen  ja  hervortreten  lassen.  Sie  geht  denn  auch  klar  aus  folgender 
Tabelle  nach  Johanns en  hervor,  der  die  Samengewichte  von  Bohnen 
desselben  Stammes1  in  sechs  aufeinander  folgenden  Generationen  ver- 
gleicht : 


Jahrgang 

Zahl     der 
Bohnen 

Mittleres  Gewicht  der 
extremsten 

Minus-                 Plus- 

Mittleres 

Gewicht 

ca. 

abweicher 

abweicher 

1903 

252 

55 

80 

64 

1904 

7" 

50 

87 

73 

1905 

654 

43 

73 

55 

1906 

354 

46 

84 

(>3 

1907 

379 

56 

81 

74 

Man  ersieht  daraus,  daß  innerhalb  des  gleichen  Materials  unter 
dem  Einfluß  der  nicht  weiter  kontrollierten  Lebenslage  der  Mittelwert 
des  Bohnengewichts  z.  B.  im  Jahr  1905  etwa  55  betrug,  im  Jahr  1907 
aber  74.  Es  bestand  also  gewissermaßen  eine  Variabilität  der  Variation 
in  der  Zeit,  das  was  Johannsen  eine  kollektive  Variabilität  nennt.  Auch 
die  zoologischen  Studien  haben  das  gleiche  ergeben.  Ein  in  typischer 
Weise  der  fluktuierenden  Variabilität  unterworfenes  Merkmal  ist  die 
Kopfhöhe  oder  Helmhöhe  der  Süßwasser  bewohnenden  Daphnien,  auch 
die  Länge  ihres  Schwanzstachels  u.  a.  Diese  Formen  pflanzen  sich 
durch  Parthenogenese  fort,  sodaß  innerhalb  eines  Sommers  zahlreiche 
Generationen  nacheinander  auftreten.  Man  weiß  nun  schon  lange,  daß 
in  einem  und  demselben  See  die  verschiedenen  aufeinander  folgenden 
Generationen  einen  ganz  verschiedenen  Mittelwert  der  Kopfhöhe  haben, 
derart,  daß  die  Frühsommergenerationen  niedrige  Köpfe  haben,  die 
dann  in  weiteren  Generationen  höher  werden,  bei  der  Spätsommer- 
generation ihr  Maximum  erreichen  und  dann  wieder  zum  Herbst  und 
Winter  hin  in  den  letzten  Generationen  des  Jahres  abnehmen,  kurz  daß 


1  Es  handelt  sich  hier  um  Glieder  einer  reinen  Linie,  ein  Begriff,  der  uns  später 
beschäftigen  wird.  Hier  sei  nur  gesagt,  daß  die  an  reinen  Linien  gewonnenen  Resultate 
noch  wesentlich  beweisender  sind,  als  die  an  Populationen  erzielten. 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  4 


—     50     — 

in  der  Helmhöhe  das  stattfindet,  was  man  eine  Cyclomorphose  nennt. 
Nebenstehende  Figur  28  zeigt  es  in  einem  Schema  der  aufeinander 
folgenden  durchschnittlichen  Größen;  wir  werden  bald  nochmals  auf 
die  Erscheinung  zurückzukommen  haben.  Hier  sei  eben  nur  die  Tat- 
sache der  Verschiebung  des  Typus  eines  variabeln  Merkmals  im  Zu- 
sammenhang mit  der  Lebenslage,  in  diesem  Fall  ausgedrückt  durch 
die  Jahreszeit,  festgestellt. 


2  8  VI 


181 


30W 


Fig.  28. 


15JX 


Cyklomorphose    der  Helmhühe   und  Stachellänge   von  Hyalodaphnia    im  Anschluß   an 


Wesenberg- Lund  nach  Woltereck. 


Um  diese  Verschiebung  nun  exakt  zu  beschreiben,  müssen  wir  sie 
natürlich  auf  die  Variationskurve  oder  -Reihe  eines  Merkmals  beziehen. 
Besonders  schön  läßt  sich  das  auf  zoologischem  Gebiet  an  den  Zahlen- 
reihen demonstrieren,  die  Tower  für  den  Koloradokäfer  gegeben  hat. 
Hier  bezieht  sich  die  kollektive  Variabilität  oder  place  Variation  auf 
alle  die  Farben  und  Zeichnungen  des  Tieres,  von  denen  wir  ein  Beispiel, 
die  Zeichnung  des  Halsschildes,  oben  in  Fig.  12  abgebildet  haben.  Die 
folgende  Tabelle  bezieht  sich  auf  die  gleiche  Zeichnung  der  Art  Lepti- 
notarsa  decemlineata.  Die  erste  Kolumne  gibt  den  Jahrgang,  die 
zweite  die  Generation,  da  dieser  Käfer  zweimal  im  Jahr  brütet,  die 
folgenden    die    Zahlen    der    Individuen    in    Prozenten   ausgedrückt    (es 


51     — 

wurden   immer  mehrere  Tausend  gezählt),   die   sich   in   den  einzelnen 
Färbungsklassen,  von  denen  13  unterschieden  werden,  finden: 


Jahr 

Gene- 
ration 

Färbungsklasse 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

r3 

1895  j 

1 

2 

— 

— 

_ 

- — 

1 

5 
2 

2 

54 

14 

20 
24 

3 
41 

3 
9 

5 

3 

1896  j. 

1 

2 

1 
6 

3 
61 

16 
19 

18 

7 

51 

4 

7 
3 

4 

— ■ 

1S97  j 

1 

2 

— 

— 

— 

1 

3 

20 

2 

50 

22 

22 
59 

4 
14 

2 

1 





1898  { 

1 

0 



— 

1 

1 

1 

2 

2 
6 

19 
25 

49 
36 

17 

22 

7 
5 

3 
2 

1 

1 

1899  { 

1 

2 

1 
1 

3 
4 

20 

7 

47 

23 

26 
36 

2 
16 

1 

9 

4 

I90O  l 

1 

2 

1 

1 

1 

4 

1 1 
12 

34 
41 

20 
30 

15 
12 

8 

2 

2 

1 

2 
1 

1 
1 



1901  j 

1 
2 

1 

2 

3 

1 

4 
1 

7 
4 

19 
5 

40 

16 

15 
41 

6 
21 

2 
5 

1 
3 

2 

1 

1902  1 
1 

1 

2 

— 

1 

1 

2 
1 

5 
3 

11 

8 

44 
48 

18 
26 

10 

10 

4 
3 

2 
1 

1 

1 

Man  sieht  hier  auf  das  deutlichste,  wie  an  der  gleichen  Lokalität  die 
beiden  Generationen  von  1900  den  Mittelwert  (genauer  gesagt,  die  größte 
Variantenzahl)  bei  der  Färbungsklasse  6  aufweisen,  während  die  zweite 
Generation  z.  B.  von  1899  ihn  bei  Klasse  10  hat.  Man  erkennt  aber  auch, 
daß  verschiedentlich  die  Form  der  Kurve  (die  sich  auch  aus  der  Reihe 
gleich  an  der  Stellung  der  fettgedruckten  Mittelklasse  erkennen  läßt)  stark 
verändert  wird.  So  ist  sie  in  der  ersten  Generation  von  1895  sehr  schön 
symmetrisch,  in  der  zweiten  Generation  von  1896  aber  sehr  schief  nach 
links  verschoben. 

Läßt  nun  die  Lebenslagevariation  nur  den  Schluß  zu,  daß  die  Wirkun- 
gen des  Milieus  für  die  Erscheinungen  der  Variabilität  verantwortlich 
zu  machen  sind,  so  kommen  wir  zum  gleichen  Resultat  bei  Betrachtung 
einer  enge  damit  zusammenhängenden  Erscheinung,  der  geographischen 
oder  Standortsvariabilität.  In  der  Pflanzen-  und  Tiersystematik  spielt 
ja  die  Tatsache  eine  große  Rolle,  daß  dieselbe  Art  in  verschiedenen  Teilen 


—     52 


Fig.  29.     Geographische  Formenkette  der  Schalen 
von  Cerion  glans  von  in  westöstlicher  Richtung  fort- 
schreitenden Fundorten.     Nach  Plate. 


ihres  Verbreitungsgebietes  in 
kleinen  Eigenschaften  ver- 
schieden ist.  Viele  tiergeo- 
graphische Probleme  sucht 
man  sogar  vorwiegend  aus 
dem  Vergleich  der  verschie- 
denen Standortsformen  varia- 
bler Arten  zu  erklären;  be- 
sonders die  Schnecken  liefern 
ein  ausgezeichnetes  Material 
solcher  geographischer  For- 
menketten, wie  Gul  ickfür  die 
Achatinellen  von  Hawai,  Sa- 
rasin  für  die  celebensischen 
Landschnecken,  Plate  für  die 
Cerionformen  der  Bahamas 
ausführte.  Nebenstehende 
Fig.  29  zeigt  eine  solche 
Formenkette  von  Cerion 
glans,  wie  sie  dort  in  der 
Richtung  von  West  nach  Ost 
(I— IX)  auftritt.  (Nebenbei 
sei  bemerkt,  daß  Da venport 
versucht  hat,  diese  Formen- 
kette durch  Bastardierung 
zu  erklären;  der  Beweis  ist 
noch  nicht  gelungen.)  Aber 
man  braucht  gar  nicht  soweit 
zu  gehen.  Unsere  gewöhn- 
liche Helix  nemoralis, 
deren  Variabilität  uns  später 
beschäftigen  wird,  zeigt  sicht- 
lich die  gleiche  Erscheinung, 
indem  sie  nach  Leydig  von 
Mainz  rheinabwärts  von  hei- 


—     53     — 

lern  Gelb  bis  zu  schokoladenbraun  variiert.  Ein  entsprechendes  Beispiel 
aus  anderen  Tiergruppen  wäre  aus  den  interessanten  Befunden  Aliens 
an  nordamerikanischen  Vögeln  und  Säugetieren  zu  entnehmen.  So  stellt 
er  fest,  daß  im  Norden  und  Osten  von  Nordamerika  die  Variationen 
mehr  nach  Verdunkelung,  Melanismus  tendieren,  im  Süden  und  Südost 
mittlere  Färbungen  vorherrschen  und  im  äußersten  Süden  und  Süd- 
westen starke  Aufhellung,  Albinismus  sich  findet.  Hand  in  Hand  damit 
gehen  aber  auch  Größendifferenzen,  derart,  daß  im  allgemeinen  nörd- 
liche Formen  größer  erscheinen  als  südliche.  Die  folgende  Tabelle  gibt 
einige  Daten  für  Vögel  wieder,  indem  die  prozentuale  Größendifferenz 
nördlicher   gegenüber   südlichen  Tieren  verzeichnet  ist : 


Größendifferenz 

nördlicher  Exemplare  gegenüber 

Form 

südlichen  in  °/0 

Körperlänge 

Flügelspannung 

Schwanzlänge 

Pipilo    erythrophthalmus 

+  3,9 

+  14,6 

-    5,6 

Sturnella  ludoviciana 

+  6,3 

+    3,8 

+  10,9 

Cyanura  cristata 

+  6,6 

+  ii. 6 

—     2,2 

Ortyx  virginianus 

+  7,6 

+    9-Q 

+  n,9 

Quiscalus  purpureus 

+  3,6 

+    6,6 

+    i,5 

Besonders  klar  tritt  das  hervor,  wenn  wir  wieder  für  das  schon  so 
oft  betrachtete  Merkmal  des  Halsschildes  des  Koloradokäfers  eine  Tabelle 
nach  Towers  Angaben  ansehen,  weil  dabei  die  gesamte  fluktuierende 
Variabilität  berücksichtigt  ist.  Es  sind  im  ganzen  20  Färbungsklassen 
unterschieden,  von  denen  die  erste  völligen  Albinismus,  die  letzte  völligen 
Melanismus  bedeutet.  Die  Angaben  beziehen  sich  wieder  auf  Prozente 
des  Gesamtmaterials,  für  das  in  der  letzten  Spalte  die  Zahl  der  benutzten 
Generationen  angegeben  ist,  da  es  ja  nötig  ist,  mehrere  zu  benutzen, 
um  die  Wirkung  der  Lebenslage  Variation  auszuschalten.  Die  um- 
stehende Tabelle  bezieht  sich  auf  L.  decemlineata. 

Man  sieht  daraus,  in  wie  vielen  verschiedenen  Klassen  sich  der 
Mittelwert  finden  kann.  Es  ist  klar,  daß  die  so  festgestellte  Standorts- 
variabilität nichts  wesentlich  anderes  als  die  Lebenslage  Variabilität  ist, 
indem  man  annehmen  muß,  daß  in  klimatisch  verschiedenen  Gebieten 
der  allgemeine  klimatische  Charakter  stärkere  Wirkung  ausübt  als  die 
übrigen  Lebenslagefaktoren,  so  daß  diese  letzteren  daher  neben  ersteren 


54     — 


keine  entscheidende  Rolle  spielen.  Eine  genaue  Bestimmung,  um 
welche  klimatischen  Faktoren  es  sich  handelt,  ist  natürlich  schwer  zu 
geben.  Tower  weist  darauf  hin,  daß  diese  geographische  Farben - 
Variation  sichtlich  den  gleichen  Gesetzen  gehorcht,  wie  sie  Allen,  wie 
schon  erwähnt,  für  die  Säugetiere  und  Vögel  fand.  Dieser  Forscher  aber 
glaubt,  daß  die  Steigerung  der  Farbintensität  von  Norden  nach  Süden 
zu  Hand  in  Hand  geht  mit  der  Steigerung  der  Sonnenstrahlung  und  der 
Feuchtigkeit,  ebenso  die  gleiche  Erscheinung  in  der  Richtung  von 
Osten  nach  Westen,  da  die  Dunkelheit  der  Färbung  direkt  der  Nieder- 
schlagsmenge proportional  erscheint. 


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—     55 


Doch  damit  seien  es  genug  der  Beispiele  dieser  Art,  die  nur  einen 
indirekten  Schluß  auf  die  Ursachen  der  Variabilität  erlauben.  Eine 
direkte  Antwort  gibt  natürlich  nur  das  Experiment  und  es  sollen  uns 
daher  einige  Beispiele  zeigen,  wie  es  zum  gleichen  Resultat  führen  muß. 

Für  Pflanzen  läßt  es  sich  begreiflicherweise  besonders  leicht  zeigen, 
wie  man  durch  Veränderung  der  äußeren  Bedingungen  eine  Verschiebung 
der  Variationskurve  erreichen  kann.  Denn  hier  lassen  sich  bequem 
genau  meßbare  Änderungen  in  Belichtung,  Ernährung  usw.  ins  Experi- 
ment einführen.  So  konnte  de  Vries  die  Variationsreihe  für  die  Frucht- 
länge von  Oenothera  rubrinervis  so  verschieben,  wie  es  die  folgende 
Tabelle  zeigt: 


Fruchtlänge 
in  mm: 


24 


25 


26 


27 


28 


2Q 


3" 


3< 


10 


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15 


33 

34 

35 

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2 

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5 

2 

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37 
10 

38 
10 

39 
16 

40 

7 

41 
9 

42 
7 

43 
1 

44 
4 

Anzahl  Exem- 
plare der       2 

2.  Generation: 

Anzahl  Exem- 
plare der     — 

3.  Generation: 

De  Vries  zieht  schließlich  aus  seinen  Versuchen  ganz  direkt  den 
Schluß,  daß  die  fluktuierende  Variabilität  eine  Erscheinung  der 
Ernährungsphysiologie  ist. 

Aber  auch  für  die  beiden  von  uns  bei  der  Besprechung  der  biologi- 
schen Tatsachen  angezogenen  Tierformen,  die  Daphniden  und  Kolorado- 
käfer, läßt  sich  das  gleiche  zeigen.  Erinnern  wir  uns  wieder  an  die  mit 
der  Jahreszeit  wechselnden  Kopfhöhen  der  Daphnien.  Es  ist  nun  ver- 
sucht worden,  diese  Erscheinung  teleologisch  zu  verstehen.  Ostwald 
hat  darauf  hingewiesen,  daß  mit  steigender  Temperatur  die  innere  Rei- 
bung des  Wassers  herabgesetzt  wird  und  umgekehrt.  Da  die  Daphnien 
als  Planktonorganismen  im  Wasser  schweben,  so  bedürfen  sie,  wie  alle 
in  gleicher  Lage  befindlichen,  eines  größeren  Sinkwiderstandes,  um  sich 
bei  höherer  Temperatur  schwebend  zu  erhalten.  Diese  Vergrößerung 
des  Sinkwiderstandes  wird  nun  bei  allen  Planktonorganismen  durch 
Bildung  von  die  Körperoberfläche  vergrößernden  Stacheln  und  Fort- 
sätzen erreicht,  und  so  könnten  auch  die  wechselnden  Kopfhöhen  in 
diesem  Sinn  zu  deuten  sein.    Wenn  es  auch  möglich  ist,  daß  jener  Effekt 


56 


schließlich  erzielt  wird,  so  konnte  doch  Woltereck  zeigen,  daß  die 
innere  Reibung  des  Wassers  nicht  die  Ursache  jener  Variation  ist.  Ihre 
Erhöhung  durch  Zusatz  von  Quittenschleim  übte  keinerlei  Einfluß  aus. 
Aber  auch  die  Temperatur  selbst  hat  keinerlei  direkte  Wirkung,  sondern 
einzig  und  allein  die  Ernährung,  deren  Intensität,  die  Assimilations- 
intensität, ja  auch  indirekt  von  der  Temperatur  anhängig  ist.  Daher 
kann  man  bei  gleicher  Ernährung  mit  höherer  Temperatur  eine  Variations- 
verschiebung erzielen,  umgekehrt  aber  auch  bei  niederer  Temperatur 
durch  stärkere  Ernährung  den  gleichen  Effekt.    Ist  also  die  Temperatur 


§ 


I 


§ 


^  Kopf  höhe  in  %  der  '  SdurfenZänge. >- 

Fig.  30. 
Schematische  Kurven  der  Kopfhöhe  von  Hyalodaphnia  in  verschiedenen  Ernährungs- 
bedingungen nach  Woltereck. 

konstant,  so  ist  die  Helmhöhe  direkt  proportional  der  Ernährung.  Es 
bestätigt  sich  also  der  obige  Satz  von  de  Vries,  daß  die  Variabilität 
eine  Erscheinung  der  Ernährungsphysiologie  ist.  Die  Resultate  der 
Beeinflussung  der  Kopfhöhe  durch  verschiedene  Ernährungsbedingungen 
lassen  sich  gut  aus  obenstehender  schematischen  Kurve,  Fig.  30,  erkennen. 
Sie  zeigt  uns  drei  Kurven  für  die  Variabilität  der  Kopfhöhe  bei  schwacher, 
mittlerer  und  reicher  Ernährung  und  man  erkennt,  wie  die  Kurve  und 
somit  auch  ihre  Mittelwerte  m  durch  günstige  Ernährungsverhältnisse 
nach  der  Seite  der  größeren  Kopfhöhe  verschoben  werden.  Hier  zeigte 
sich  allerdings  eine  Einschränkung  der  Allgemeingültigkeit  des  Resultats, 
auf  die  wir  bald  zurückkommen  werden. 


—     57     — 

Besonders  klar  geht  nun  auch  in  diesem  Punkt  der  Erfolg  der  Ver- 
suche zur  Verschiebung  der  Variationsreihe  durch  die  Wirkung  äußerer 
Faktoren  aus  den  vielen  Versuchen  hervor,  die  Tower  an  den  Kolorado- 
käfern anstellte.  Schon  aus  folgendem  einfachen  Versuch  ist  die  Wirkung 
des  äußeren  Mediums  auf  die  Variabilität  kenntlich:  Käfer,  die  aus 

Temperaturdifferenzen  vom  Normalen  in  °C. 


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Fig.  31. 


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.Schematische  Darstellung  der  Verschiebung  des  Färbungsmittels  durch  hohe  und 
niedere  (gebrochene  Linie]  Temperaturen  in  7  Versuchen.  Die  Kurve  steigt  erst  zu 
Melanismus    und    fällt    bei    weiterer   Bewirkung    zum  Albinismus    ab.      Nach  Tower. 


verschiedenen  Gegenden  Amerikas  stammten  und  die  für  den  betreffen- 
den Standort  charakteristische  Variationsreihe  zeigten,  wurden  nach 
Chicago  gebracht  und  dort  vermehrt.  Schon  nach  nur  einer,  spätestens 
zwei  Generationen  zeigten  sie  genau  die  für  Chicago  charakteristische 
Variationsreihe.  Brachte  man  sie  dann  unter  Bedingungen  in  bezug 
auf  Temperatur  und  Feuchtigkeit,  die  denen  einer  anderen  Region  ent- 


—     58     — 

sprachen,  so  konnte  man  sie  sofort  wieder  zu  einem  anderen  Variations- 
typus bringen.  Um  nun  genau  die  Ursachen  für  diese  Verschiebung  der 
Variabilität  festzustellen,  wurden  systematische  Versuche  mit  Ein- 
wirkung von  Temperatur,  Feuchtigkeit,  Nahrung,  Licht,  Boden-  und 
Atmosphärebeschaffenheit  und  Luftdruck  vorgenommen.  Die  Tiere 
wurden  also  während  ihrer  Entwicklung  oder  dauernd  in  Temperaturen 
gezogen,  die  wenig  oder  viel  von  der  ihres  normalen  Aufenthaltsorts  ver- 
schieden waren.  Der  Effekt  war  der,  daß  bei  geringer  Tempe- 
raturdifferenz und  zwar  mit  gleicher  Wirkung  für  Abkühlung  und 
Erwärmung,  eine  Verschiebung  der  Kurve  nach  der  melanistischen 
Seite  erfolgte,  bei  größeren  Differenzen  aber  immer  mehr  nach  maxi- 
malem Albinismus  hin.  Umstehende  Fig.  31  gibt  ein  Diagramm  für 
den  Ausfall  von  sieben  solchen  Versuchen,  wobei  die  gebrochene  Linie 
sich  auf  Versuche  mit  niederer  Temperatur,  die  andere  auf  solche  mit 
höherer  als  der  normalen  beziehen;  die  Linie  selbst  gibt  hier  die  Lage 
des  Mittelwertes  der  (auf  diese  Weise  nicht  mit  dargestellten)  Variationsreihe 
an.  Die  folgende  Tabelle  gibt  die  exakten  Zahlen  für  den  7.  dieser  Ver- 
suche, wobei  die  Durchschnittstemperatur  — i,i°  betragen  hatte  im 
Gegensatz  zu  22,4  in  der  Natur.  Die  als  Kontrolle  bezeichneten  Indivi- 
duen sind  Geschwister  der  Versuchstiere,  die  normal  gehalten  wurden. 


Klasse 

2 

1 
0 

4 

5 

6 

7 

S 

9 

10 

11 

12 

13 

Elterntiere  O/o 

— 

— 

■ — 

1 

2 

5 

20 

42 

18 

9 

2 

1 

Kontrolltiere 

— 

— 

— 

1 

2 

6 

22 

28 

25 

9 

5 

2 

Versuchstiere 

1 

13 

43 

29 

13 

1 

Das  Resultat  spricht  für  sich  selbst.  Es  ist  dabei  noch  besonders 
darauf  hinzuweisen,  daß  man  sich  hier,  wo  nur  ein  einziger  veränderter 
Faktor  wirkte,  auch  etwas  nähere  Vorstellungen  darüber  bilden  kann, 
wie  die  veränderte  Variabilität  zustande  kommt.  Die  Färbung  dieser 
Tiere  beruht  ja  auf  der  Anwesenheit  von  Pigment,  und  dessen  Bildung 
geschieht  unter  dem  Einfluß  von  Enzymen.  Es  ist  aber  bekannt,  daß 
die  Wirkung  der  Enzyme  von  der  Temperatur  sehr  abhängig  ist,  und 
so  erweist  sich  die  veränderte  Variabilität  im  großen  Ganzen  als  eine 
Funktion  des  veränderten  Chemismus,  wenn  sie  sich  auch  nicht  in  allen 


—     59     — 

Einzelheiten  erklären  läßt.  Diese  Resultate  sind  genau  die  gleichen, 
wenn  anstatt  der  Temperatur  differente  Feuchtigkeitsgrade  benutzt 
wurden,  obige  Kurven  könnten  ebensogut  auch  für  ein  Feuchtigkeits- 
experiment gelten. 

Wir  können  diesen  Punkt  aber  nicht  verlassen,  ohne  darauf  hin- 
gewiesen zu  haben,  daß  die  Beziehungen  zwischen  äußeren  Faktoren  und 
Variabilität  sich  ebenso  wie  für  erwachsene  Individuen  auch  für  deren 
Entwicklungsstadien  haben  nachweisen  lassen.  Auch  hier  zeigt  bereits 
die  biologische  Erfahrung  ohne  experimentelle  Analyse,  daß  solche 
Abhängigkeiten  existieren.  So  macht  der  Wurm  Polygordius  in  der 
Nordsee  seine  Entwicklung  und  Metamorphose  in  einer  Weise  durch, 
die  derart  von  der  der  Mittelmeerform  abweicht,  daß  die  gesamten 
Entwicklungsvorgänge  kaum  unter  einen  Gesichtspunkt  zu  bringen  sind. 
Es  liegt  also  eine  extreme  Lebenslagevariation  in  der  Entwicklung  vor. 
Oder  gewisse  tropische  Formen  des  Amphioxus  erleiden  ihre  Meta- 
morphose in  einer  von  der  der  Mittelmeerform  so  abweichenden  Art, 
daß  man  ihre  Larven  unter  Verkennung  der  Lebenslagevariation  für 
besondere  Tierformen  halten  konnte.  Aber  auch  im  Experiment  mit 
variationsstatistischer  Analyse  haben  sich  vor  allem  durch  die  Studien 
von  Vernon  und  Peter  Resultate  ergeben,  die  den  am  ganzen  Organis- 
mus gewonnenen  durchaus  analog  sind.  So  züchtete  Vernon  Seeigeleier 
unter  verschiedenen  Temperaturen  und  fand  dann  entsprechend  ver- 
schiedene Größen  der  resultierenden  Larven,  wie  deren  Längenmaß  im 
Mittelwert  nach  der  folgenden  Tabelle  zeigt: 


Temperatur 


Str6ngylocentrotus 
Körperlänge        Armlänge 


Echinus 
Körperlänge        Armlänge 


11,4" 
15,9° 

20,4° 

23,7" 


IOO.O 

"3-5 
120,6 

122,5 


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143,4 
156,8 

H9,i 


100,0 
"3,4 
124,5 
123,9 


100,0 
116,3 
106,6 
"3,7 


Ganz  analog  sind  die  Ergebnisse  Peters,  die  sich  direkt  auf  die  Zahl 
der  Zellen  bestimmter  Organe  beziehen.  Er  konnte  eine  typische  Be- 
einflussung der  Variationsreihen  für  die  Zahl  der  Mesenchymzellen  der 
Seeigellarven  oder  der  Chordazellen  der  Ascidienlarve  durch  Wechsel 


—     60     — 

der  Temperatur  wie  der  chemischen  Zusammensetzung  des  Mediums 
erweisen.  Wir  werden  bald  auf  diese  Versuche  nochmals  zurück- 
kommen. 

Wir  können  es  also  nunmehr  als  experimentell  erwiesene  Tatsache 
betrachten,  daß  die  Variationskurven  durch  Veränderung  äußerer  Be- 
dingungen verschoben  werden  können.  Wir  dürfen  also  hieraus  ebenso 
wie  aus  den  vorher  mitgeteilten  Beobachtungen  über  Lebenslage-  und 
Standortsvariation,  wie  auch  aus  der  Betrachtung  der  binomialen  Form 
der  Variationskurve  und  den  Tatsachen,  die  die  variabeln  Eigenschaften 
als  Reaktionsnorm  definieren  ließen,  den  Schluß  ableiten,  daß  die  Varia- 
bilität durch  äußere  Ursachen  bedingt  ist.  Der  Schluß  wird  aber  erst 
richtig  bindend,  wenn  wir,  wie  schon  oben  besprochen,  auch  noch  nach- 
weisen können,  daß  durch  veränderte  Bedingungen  das  Maß  der  Varia- 
bilität erhöht,  oder  durch  konstante  Bedingungen  die  Variabilität  auf- 
gehoben werden  kann.  Und  auch  hierfür  liegen  experimentelle  Be- 
lege vor. 

Es  ist  klar,  daß  es  viel  schwieriger  ist,  diese  Punkte  für  tierische  Orga- 
nismen zu  erweisen  als  für  pflanzliche,  da  es  in  ersterem  Falle  sehr  schwer 
fällt,  die  Verschiedenartigkeit  oder  Konstanz  äußerer  Bedingungen  zu 
beherrschen,  während  man  Pflanzen  in  den  gleichen  Nährlösungen  usw. 
in  wirklich  kontrollierbaren  gleichen  oder  differenten  Bedingungen 
züchten  kann.  (Neuerdings  ist  es  allerdings  auch  gelungen,  Tiere,  näm- 
lich die  Fliege  Drosophila,  in  sterilen  Reinkulturen  zu  züchten  und  somit 
wirklich  die  Gesamtheit  der  äußeren  Bedingungen  zu  beherrschen 
[Delcourt  und  Guyenot].  Resultate  auf  Grund  dieser  Methode  liegen 
noch  nicht  vor.)  Immerhin  geht  die  postulierte  Tatsache  auch  auf 
tierischem  Gebiet  mit  genügender  Deutlichkeit  aus  den  folgenden  Be- 
obachtungen von  Jennings  hervor,  die  er  an  dem  Infusorium  Para- 
maecium  machte.  Auch  hier  läßt  sich  ein  deutlicher  Einfluß  der  äußeren 
Bedingungen  auf  die  Größenverhältnisse  der  Tiere  feststellen.  So 
schwankt  der  Mittelwert  für  die  Länge  in  manchen  Kulturen  zwischen 
J3  und  200  ju,  der  für  die  Breite  sogar  von  16 — 84  /*.  Aber  auch  das  Maß 
der  Variabilität  wird  durch  Wechsel  der  Bedingungen  gesteigert,  durch 
größere  Konstanz  aber  herabgesetzt.  So  konnte  man  in  der  gleichen 
Kultur  den  Variationskoeffizienten,  der  uns  ja  ein  Maß  für  die  Varia- 


—     61     — 

bilität  gibt,  für  die  Länge  von  6,821  bis  zu  13,262  steigen  oder  umgekehrt 
sinken  sehen,  für  die  Breite  von  8,896  bis  28,879.  Folgende  Tabelle,  die 
uns  einen  Teil  des  Protokolls  einer  solchen  Kultur  gibt,  zeigt  uns,  wie 
diese  Verschiebungen  im  Zusammenhang  mit  den  Änderungen  der  Be- 
dingungen verlaufen.     Wie  sich  die  gesamte  Variationskurve  dabei  ver- 


SU 

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200 


212 


224 


236 


Fig.  32. 
Veränderung    der    Variationskurve    von    Paramaeeium    unter    dem   Einfluß    äußerer    Be- 
dingungen.    Die  Nummern    der  Kurven  entsprechen    den    Bezeichnungen    umstehender 
Tabelle,  die  die  näheren  Angaben  enthält.     Nach  Jennings. 


ändert,  zeigt  Fig.  32,  in  der  die  zugehörigen  Kurven  zusammen  ein- 
gezeichnet sind.  Die  Nummern  der  Kurve  entsprechen  den  Nummern 
der  Tabelle  (Seite  62). 

Es  trat  übrigens  auch  in  den  schon  erwähnten  Versuchen  Peters 
eine  Verschiebung  der  Variationsbreite  embryonaler  Zellzahlen  im  Ge- 
folge wechselnder  Bedingungen  ein,  wie  es  leicht  aus  dem  Vergleich  der 
Variationskoeffizienten  von  normalen  Kulturen  und  solchen  mit  abnor- 


62     — 


Nr. 

Material 

1 

e 
v 

SS  — . 
'S     rt 

c 

Mittelwert 
der  Länge  // 

Variations- 
koeffizient 

Variations- 
breite fi 

Mittelwert 
der  Breite  /< 

Variations- 
koeffizient 

Variations- 
breite fi 

7 

24  Std.  in  frischer  Heu- 
infusion.     17.  Juli. 

200 

184,100 

8,S34 

140 — 216 

46,020 

11,421 

36—60 

8 

Eine  Woche  Hunger. 
24.  Juli. 

I50 

146,108 

7,003 

120 — 176 

31,180 

12,473 

20 — 40 

9 

24    Std.     frische     Heu- 
infusion.    25.  Juli. 

350 

163,932 

12,767 

120—220 

46,684 

28,879 

20 — 80 

IO 

Flüssigkeit   eine    Woche 
nicht  gewechselt.  31.  Juli. 

ISO 

174,400 

8,530 

132 — 212 

44,800 

17.397 

32-68 

ii 

48  Std.  in  frischer  Heu- 
infusion.   3.  August. 

I50 

191,360 

8,945 

136 — 240 

54,880 

14,255 

36-84 

X 

Kombination  von  3  dieser 
Proben. 

450 

180,624 

13,795 

120 — 240 

43,600 

27,184 

20 — 84 

men  Bedingungen  hervorgeht.  Die  folgende  Tabelle  nach  Peter  gibt 
diese  Koeffizienten  für  die  Variabilität  in  der  Zahl  der  Skelettbildungs- 
zellen in  den  Larven  von  Seeigeln. 


Variations- 

Variations- 

koeffizient 

koeffizient 

Objekt 

unter 

unter 

Bedingung 

normalen 

abnormen 

Bedingungen 

Bedingungen 

Echinus 

4,688 

5,685 

Wärme 

Strongylocentrotus 

4,970 

4.508 

Wärme 

» 

5,625 

8,093 

Wärme 

Sphaerechinus 

2,847 

6,180 

Kleine  Schale 

» 

5,oi9 

7,110 

Aquariumwasser 

» 

4,446 

io,S95 

Wärme 

» 

4,126 

6,953 

Kleine  Schalen 

» 

5,223 

5.883 

Natronlauge 

» 

3,865 

6,091 

Natronlauge 

» 

4,610 

3,625 

Kälte 

» 

4.387 

10,336 

Chloroform 

» 

4,321 

5.463 

Kälte 

» 

3,°°7 

8,634 

Wärme 

» 

9,850 

10,184 

Wärme 

» 

5,186 

9,020 

Wärme 

Es  ließen  sich  dem  noch  mancherlei  in  gleichem  Sinn  beweiskräftige 
Daten  zufügen,   die  auf  statistisch-biologischem  Weg  gewonnen  sind. 


—     63     — 

So  hat  bei  der  vor  nicht  langer  Zeit  aus  England  nach  Amerikas  Küsten 
eingeführten  Schnecke,  Littorina  littorea,  die  Variabilitätsbreite  so  zu- 
genommen, daß  der  Variationskoeffizient  für  das  Verhältnis  von  Breite 
zu  Höhe  der  Schale  von  2,3024 — 2,3775  auf  2,4849 — 3,0340  anstieg 
(ßumpus,  Duncker).  In  gleicher  Richtung  sind  die  Ergebnisse  von 
Montgomerys  Untersuchungen  zu  verwerten,  die  zeigen,  daß  Zug- 
vögel in  verschiedenen  meßbaren  Charakteren  eine  größere  Variabüität 
haben  als  seßhafte  und  unter  den  Zugvögeln  wieder  solche  hervorragen, 
die  die  weitesten  Wanderungen  ausführen. 

In  diesen  Fällen,  vor  allem  dem  Jenningsschen,  kann  man  auch 
einigermaßen  erkennen,  in  welcher  Weise  die  Bedingungen  auf  die  Varia- 
bilität verschiebend  einwirken.  In  einer  Hungerkultur  ist  die  erste 
Folge  reicher  Ernährung  die,  daß  viele  Individuen  zu  wachsen  beginnen, 
während  die  durch  den  Hunger  zu  sehr  affizierten  zunächst  keine  Nah- 
rung aufnehmen  und  sich  nicht  verändern.  So  wachsen  die  Variations- 
koeffizienten so  stark,  wie  es  No.  8  zu  9  in  der  obigen  Tabelle  zeigen. 
Bleiben  dann  die  Tiere  in  der  gleichen  Flüssigkeit,  so  nehmen  sie  all- 
mählich einen  Gleichgewichtszustand  an  und  der  Koeffizient  sinkt. 
Waren  die  Tiere  aber  in  einem  guten  Futterzustand,  bevor  die  neue 
Nahrung  zugefügt  wird,  so  folgt  dann  eine  starke  Vermehrung;  der 
Variationskoeffizient  steigt  jetzt  infolge  der  Anwesenheit  der  verschieden- 
artigen Altersklassen,  die  ja  eine  sehr  verschiedene  Länge  haben.  Hat 
die  gesteigerte  Vermehrung  aber  später  wieder  aufgehört,  so  fällt  der 
Koeffizient.  Dessen  Schwankungen  werden  also  erklärt  durch  den 
direkten  und  indirekten  Einfluß  äußerer  Bedingungen  auf  Wachstum  und 
Ernährung.  Was  aber  hier  für  das  einzellige  Tier  gesagt  ist,  gilt  natürlich 
mutatis  mutandis  auch   für   die  Summe   der  Zellen  eines  Vielzelligen. 

Wie  schon  oben  bemerkt,  eignen  sich  zu  derartigen  Experimenten 
Pflanzen  viel  besser  als  Tiere,  wie  ja  überhaupt  aus  diesem  und  anderen 
mehr  historischen  Gründen  in  der  Vererbungslehre  die  Botanik  meist 
der  Zoologie  vorausgegangen  ist.  Als  die  klarsten  Resultate,  die  von 
dieser  Seite  kommen,  wollen  wir  daher  noch  die  schönen  Versuche  an- 
führen, die  Klebs  an  Sedum-  und  Sempervivumarten  ausführte. 
Er  suchte  bei  Sedum  spectabile  die  Variabilität  variabler  wie  kon- 
stanter Organe  durch  Wechsel  äußerer  Bedingungen  zu  beeinflussen. 


—     64     — 


Typ! 


Tjp-2. 


Typ  3. 


10      92T4.        5        h        ;  11    11      10       3       8        1        6       5      10       9        ^        1       to        f       ff       I 


Fig-  33- 
Variationskurven    der   Staubblätterzahl    von    Sedum    in    6    verschiedenen    experimentell 

erzeugten  Typen.     Nach  Klebs. 


—     65     — 

Es  gelang  ihm  dabei  unter  verschiedenen  äußeren  Bedingungen,  wie 
Wechsel  von  Ernährung  und  Licht,  Einfluß  von  Chemikalien  die  Varia- 
bilitätskurven vollständig  zu  verschieben.  Betrachten  wir  einmal  die 
Resultate  für  die  Zahl  der  Staubblätter,  die  in  untenstehender  Tabelle 
vereinigt  sind.  Die  zu  den  sechs  zu  beschreibenden  Typen  gehörigen 
Variationskurven  I  —  VI  sind  in  Fig.  33  wiedergegeben.  Die 
Tabelle  gibt  für  jeden  Typus  außer  der  Individuenzahl,  die  gezählt 
wurden,  die  Variationsbreite,  Mittelwert  und  Standardabweichung  als 
Maß  der  Variabilität.  Normalerweise  variiert  die  Zahl  der  Staubblätter 
von  10 — 5  mit  dem  Maximum  (etwa  80%)  bei  10  (Typus  I  der  Tabelle). 


Typus 

Bedingungen 

Individuen- 
zahl 

Varianten 

M 

(7 

I. 

Gut   gedüngter,    relativ    trockener 
Boden,  helles  Licht 

4260 

10—5 

9,68 

o.75°5 

IL 

Lange  ungedüngter,  trockener  Bo- 
den, helles  Licht 

3000 

10 — 4 

8,45 

1,6472 

III. 

Feuchter,  gedüngter  Boden. 
Warmbeet,  abgeschwächtes  Licht 

4390 

10 — 4 

6-54 

1,6187 

IV. 

Rotes  Licht,  im  Gewächshaus 

4000 

10—3 

5,o5 

°,3537 

V. 

Kleine  Stecklinge   in  feuchtem 
Boden,  im  Spätsommer 

21 17 

16 — 4 

9,47 

1,0383 

VI. 

Auf  Lösungen  von  Substanzen,  wel- 
che Wurzelbildung    einschränken 

2570 

10  —  3 

7,33 

2,3092 

Die  Kurve  ist  eine  steil  abfallende  halbe  Kurve.  Unter  den  Bedin- 
gungen, die  die  Tabelle  bei  Typus  II  verzeichnet,  beträgt  die  Varia- 
tionsbreite bereits  10 — 4,  nur  etwa  40%  zeigen  10,  die  Kurve  fällt  also 
vom  Gipfel  aus  allmählich  ab.  Unter  Typus  III  finden  wir  bereits  bei 
einer  Variationsbreite  von  10 — 4  den  Kurvengipfel  bei  5,  also  jetzt  eine 
einigermaßen  normale  Kurve  mit  einem  Gipfel.  Der  folgende  Typus  IV 
zeigt  infolge  der  dort  angewandten  Bedingungen  eine  Variation  der 
Staubblattzahl  von  10 — 3  mit  einer  steilen  eingipfeligen  Kurve,  indem 
etwa  94%  der  Blüten  die  Zahl  5  aufweisen.  Bei  Typus  V  begegnen  wir 
nun  gar  einer  Schwankung  von  16 — 4,  mit  zwei  Kurvengipfeln,  nämlich 
einer  Frequenz  von  72%  bei  10  Staubblättern  und  16%  bei  8  Blättern. 
Endlich  bei  Typus  VI  eine  Variation  zwischen  10  und  3  mit  einer  zwei- 

Gol  dschm  idt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  - 


—     66     — 

gipfeligen  Kurve,  nämlich  38%  Frequenz  bei  10  und  40%  bei  5  Staub- 
blättern. 

Diese  Resultate  erwiesen  sich  als  im  wesentlichen  konstant,  indem 
sie  in  zwei  aufeinander  folgenden  Jahren  erhalten  wurden  und  in  gleicher 
Weise  bei  verschiedenen  Pflanzen  der  gleichen  Art,  wie  bei  Stecklingen 
des  gleichen  Individuums  erzielt  wurden.  Da  alle  Übergänge  zwischen 
diesen  Kurven  ebenfalls  erhalten  werden  konnten,  so  ergibt  sich:  „Die 
Variationen  in  der  Zahl  der  Staubblätter  von  Sedum  spectabile  erscheinen 
nicht  in  Form  einer  einzigen  für  alle  Fälle  charakteristischen  Kurve, 
vielmehr  in  zahlreichen  ganz  verschiedenartigen,  wenn  auch  durch 
Übergänge  verbundenen  Kurven.  Jede  von  ihnen  ist  bestimmt  durch 
gewisse    Kombinationen    äußerer   Bedingungen." 

Wir  hatten  nun  schon  oben  gesagt,  daß,  wenn  die  Variabilität  von 
äußeren  Bedingungen  abhängig  ist,  man  sie  einerseits  bei  konstanten  oder 
wenig  variablen  Eigenschaften  bedeutend  muß  steigern  können,  anderer- 
seits sie  durch  Uniformität  der  Bedingungen  muß  aufheben  können. 
Praktisch  wird  letzteres  wohl  kaum  vollständig  zu  erreichen  sein;  immer- 
hin gelang  es  Klebs  in  einem  Versuch,  die  Frequenz  der  Haupt  Variante  5 
auf  98,8%  zu  steigern  mit  einer  Streuung  o  =  0,11,  was  der  Variabilität 
O  wirklich  sehr  nahe  kommt.  Der  umgekehrte  Fall,  daß  alle  Variationen 
in  ungefähr  gleicher  Zahl  vorkommen,  wurde  zwar  nicht  erreicht,  immer- 
hin kam  man  ihm  recht  nahe.  Im  Idealfall  hätte  die  Streuung  ==  2 
sein  müssen  und  es  wurde  1,88  erreicht.  Das  entsprechende  Resultat 
wie  für  die  variabeln  Staubblattzahlen  wurde  aber  auch  für  die 
gewöhnlich  nicht  variierenden  Blumen-  und  Fruchtblattzahlen  erzielt. 
Natürlich  waren  da  stärkere  Veränderungen  nötig,  die  die  Normalzahl 
von  5  auf  2 — 14  veränderten.  Während  normalerweise  nur  sechs  Arten 
von  Blüten  vorkommen,  nämlich  mit  1 — 5  Staubblättern  und  5  Blumen- 
und  Fruchtblättern,  konnte  die  Zahl  der  Kombinationen  auf  96  ge- 
steigert werden:  also  auch  die  konstantesten  Merkmale  können  zu  hoch 
variabeln  werden. 

So  können  wir  denn  aus  all  den  angeführten  Beobachtungen  und 
Versuchen  —  und  es  wurden  ja  nur  einige  typische  Beispiele  vorgeführt  — 
entnehmen,  daß  die  Variabilität  als  solche,  ebenso  wie  ihre  Art,  die 
durch  die  Form  der  Variationskurve  ausgedrückt  wird,  von  den  äußeren 


—     67     — 

Faktoren,  die  auf  die  Spezies  wirken,  abhängig  ist.  Aber  es  handelt  sich 
dabei  natürlich,  wie  es  schon  Darwin  scharf  formulierte,  um  zwei  Kon- 
trahenten: um  die  äußeren  Bedingungen  und  den  Organismus.  Die 
innere  Beschaffenheit  des  letzteren  ist  dabei  durchaus  nicht  ganz  aus- 
zuschalten; denn  es  ist  ja  selbstverständlich,  daß  die  Variabilität  als 
Reaktion  auf  die  Bedingungen  der  Außenwelt  nur  denkbar  ist,  wenn 
dem  Organismus  die  Fähigkeit  zu  reagieren  zukommt.  Und  so  müssen 
wir  denn  zum  Schluß  dieser  Erörterungen  noch  etwas  Wasser  in  den 
Wein  gießen,  indem  wir  zusehen,  welche  Rolle  den  inneren  Faktoren  des 
Organismus  für  die  Erscheinung  der  fluktuierenden  Variabilität  zukommt. 

Auf  der  Grenze  zwischen  äußeren  und  inneren  Faktoren  steht  eine 
Möglichkeit,  die  besonders  in  Weismanns  Vererbungstheorie  eine  be- 
deutende Rolle  spielt.  Man  erinnere  sich  an  das  oben  gesagte  über  die 
Weismannschen  Anschauungen  von  den  Ursachen  der  Variabilität. 
Es  war  da  nur  von  den  Keimesvariationen  die  Rede,  die  innerhalb  des 
Keimplasmas,  der  Erbsubstanz,  entstehen.  (Es  ist,  nebenher  sei  dies 
bemerkt,  interessant,  daß  aus  dem  kürzlich  veröffentlichten  ersten 
Entwurf  zu  Darwins  Hauptwerk,  der  15  bzw.  17  Jahre  vor  dessen  Er- 
scheinen datiert,  hervorgeht,  daß  damals  Darwin  bereits  von  solchen 
Keimesvariationen  sprach  und  ihnen  auch  mehr  Wert  zuerkannte  als 
später.)  Jene  Annahme  nun  bildet  nur  einen  Teil  des  Gedankenganges 
von  Weis  mann;  für  ihn  ist  ein  zweiter  Faktor  noch  wesentlicher  als 
Ursache  der  Variabilität,  nämlich  die  Vermischung  der  Keimplasmen 
bei  zweigeschlechtiger  Fortpflanzung,  die  Amphimixis.  Es  fragt  sich  nun, 
ob  wirklich  Tatsachen  vorliegen,  die  zeigen,  daß  nach  der  Amphimixis 
die  Variabilität  eine  größere  ist  als  vorher.  Daß  es  unter  Umständen 
wirklich  Beziehungen,  allerdings  noch  recht  unklarer  Natur,  zwischen 
zweigeschlechtiger  Fortpflanzung  und  Variabilität  geben  kann,  lehren 
die  bald  zu  besprechenden  Beziehungen  zwischen  der  Cyclomorphose 
der  Planktonorganismen  und  ihrer  Sexualität.  Daß  dem  aber  ein  all- 
gemeines Gesetz  zugrunde  liegt,  wird  weder  durch  die  statistischen 
noch  durch  die  experimentellen  Studien  bestätigt,  die  übrigens  in  ihren 
Resultaten  recht  widerspruchsvoll  sind. 

Um  ein  einfaches  Beispiel  zu  wählen,  so  wurden  derartige  Unter- 
suchungen von  Pearl  an  Infusorien  angestellt.     Hier  besteht  bekannt- 


—     68     — 

lieh  der  geschlechtliehe  Akt  in  der  Konjugation.  Es  zeigt  sich  nun 
gerade  das  Gegenteil  von  dem,  was  jene  Theorie  erforderte:  Die  Varia- 
bilität nahm  nach  der  Amphimixis  eher  ab  als  zu.  Während  im  Lauf 
der  gewöhnlichen  ungeschlechtlichen  Vermehrung  die  Variabilität  eine 
sehr  große  und  von  den  äußeren  Faktoren  stark  beeinflußbare  ist,  sind 
konjugierende  Tiere,  die  Konjuganten,  immer  von  einem  bestimmten 
Typus,  der  unabhängig  ist  von  der  vorausgegangenen  Variabilität,  und 
nach  der  Konjugation  sinkt  die  Variabilität.  Folgende  Zahlen  beweisen 
das:  Mittelwert  der  Körperlänge  von  Nichtkonjuganten  203,177,  desgl. 
von  Konjuganten  172,408.  Variationskoeffizient  der  Nichtkonjuganten 
5,174,  der  Konjuganten  2.586.  Ferner  fanden  Pearson  und  Lee,  daß 
parthenogenetisch  erzeugte  Wespen  dieselbe  Variabilität  haben  wie 
die  aus  befruchteten  Eiern  hervorgegangenen,  ebenso  Castle  und 
seine  Mitarbeiter,  daß  durch  Inzucht  der  Fliege  Drosophila  in  sechs 
Generationen  die  Variabilität  nicht  verändert  wird.  Zum  entgegen- 
gesetzten Resultat  führten  allerdings  die  statistischen  Erhebungen 
Pearsons  für  den  Menschen,  dessen  Variabilität  mit  größerer  Ähnlich- 
keit seiner  Vorfahren  geringer  werden  soll,  ebenso  Pearl  und  Dunbars 
Inzuchtversuche  mit  Paramaecien,  die  ebenfalls  eine  Verringerung  der 
Variabilität  ergaben.  Doch  ist  es  schwer,  aus  solchen  Angaben  bindende 
Schlüsse  zu  ziehen,  die  nur  auf  der  Basis  absoluter  Konstanz  der  äußeren 
Bedingungen  möglich  sind. 

Dageg  en  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  für  die  Reaktions- 
fähigkeit auf  die  die  Variabilität  bedingenden  Außenfaktoren  die  Dispo- 
sition des  Organismus  eine  große  Rolle  spielt,  und  zwar  kann  diese  ver- 
schieden sein  nach  Art,  nach  Organ,  nach  Entwicklungsstufe,  nach 
Geschlecht. 

Für  die  systematische  Verschiedenheit  der  Disposition  zu  variieren, 
können  wir  auf  schon  früher  betrachtete  Beispiele  zurückgreifen.  So 
haben  wir  oben  S.  51  die  Towerschen  Tabellen  für  die  Lebenslage- 
variation von  Leptinotarsaarten  in  mehreren  aufeinanderfolgenden 
Jahren  gegeben.  Werden  aber  verschiedene  Arten  von  Koloradokäfern 
untersucht,  so  zeigt  sich,  daß  manche  Spezies  in  hohem  Maße  der  Lebens- 
lagevariation unterliegen,  andere  aber  ihr  gar  nicht  zugänglich  zu  sein 
scheinen.     Man  vergleiche,  um  sich  davon  zu  überzeugen,  die  folgende 


69     — 


Tabelle  Towers  für  Leptinotarsa  signaticollis  mit  der  früher  ge- 
gebenen : 


Gene- 

}ahr 

J             1  ration 

II 

Färbungsklasse 

I 

2 

3 

4 

5 

6 

I903              2 

1 

2 

8 

20 

5S 

11 

1904     ]          l 

i         2 

3 

3 
6 

8 
10 

17 
20 

56 

50 

13 

14 

„     |          I 
1905 

1           2 

2 

•5 

11 

9 

•7 
21 

57 

55 

12 

10 

Es  hatte  sich  aber  bei  den  anderen  Arten,  die  die  Erscheinung  der 
Lebenslagevariation  stark  aufweisen,  wahrscheinlich  machen  lassen,  daß 
sie  mit  Schwankungen  in  der  Niederschlagsmenge  zusammenhing. 
Dieselben  Schwankungen  wirkten  auch  auf  diese  Form  ein  und  trotz- 
dem reagierte  sie  nicht,  sie  ist  eben  eine  nicht  variable  Art.  Das  gleiche 
können  wir  für  die  Abhängigkeit  der  Größe  der  Seeigellarven  von  der 
Temperatur  feststellen,  für  die  wir  oben  S.  59  Vernons  Tabelle  repro- 
duziert haben.  Während  die  Variabilität  bei  Strongylocentrotus 
und  Echinus  für  die  Länge  des  Scheitelstabs  in  Abhängigkeit  von  der 
Temperatur  eine  sehr  große  war,  reagierten  Sphaerechinuslarven  gar  nicht 
auf  solche  Veränderungen.  Im  übrigen  bedarf  es  keiner  weiteren  Bei- 
spiele, da  die  verschiedene  Variabilität  nahe  verwandter  Formen  eine 
jedem  Systematiker  wohlbekannte  Erscheinung  darstellt. 

Ebenso  wie  nach  Arten  läßt  sich  auch  nach  Organen  innerhalb  einer 
Art  eine  verschiedene  Disposition  zum  Variieren  feststellen.  Um  wieder 
auf  das  gleiche  Material  von  Vernein  zurückzugreifen,  dessen  Befunde 
übrigens  auch  durch  andere  Autoren  wie  Peter  bestätigt  wurden,  so 
erwies  sich  die  Körperlänge  der  Sphaerechinuslarven  im  Gegensatz  zu 
der  anderer  Arten  als  nicht  variabel,  die  Armlänge  dagegen  in  höchstem 
Maß,  wie  die  folgende  Tabelle  zeigt : 


Temperatur 

Körperlänge 

Armlänge 

n,4° 

15,9° 
20.4° 

23,7° 

100,0 
109,4 
104,6 
100,6 

100,0 
2S7,o 
327,2 
386,7 

—     70     — 

Und  das  gleiche,  was  hier  für  embryonale  Organe  gezeigt  wurde  und 
an  vielen  weiteren  Beispielen  sich  aufweisen  ließe,  gilt  auch  für  Organe 
des  ausgewachsenen  Organismus.  Auch  hierfür  ist  einem  jeden  Syste- 
matiker bekannt,  daß  er  mit  konstanten  und  variabeln  Organen  zu  tun 
hat,  und  diese  Tatsache  ist  auch  vielfach  auf  dem  Weg  der  Variations- 
statistik festgestellt.  Man  hat  sogar  versucht,  allgemeine  Gesetzmäßig- 
keiten dafür  aufzufinden.  So  sollen  stärker  differenzierte  Organe  mehr 
variieren  als  primitivere,  innere  mehr  als  äußere,  Unterscheidungsmerk- 
male niederer  systematischer  Gruppen  mehr  als  die  höherer;  doch 
erscheint  solchen  Verallgemeinerungen  gegenüber  Vorsicht  geboten. 

Dagegen  scheint  das  Lebensalter,  der  Entwicklungszustand  eines 
Organismus  in  der  Tat  eine  gesetzmäßige  Beziehung  zu  seiner  Disposi- 
tion zum  Variieren  zu  haben.  Vernon,  der  darüber  ausgedehnte  experi- 
mentell-statistische Untersuchungen  an  Seeigelentwicklungsstadien  aus- 
führte, kommt  für  die  Größenvariation  direkt  zu  dem  Schluß,  daß  die 
Einwirkung  der  äußeren  Bedingungen  auf  einen  wachsenden  Organismus 
von  dem  Moment  der  Befruchtung  an  stetig  abnimmt.  Und  es  scheint 
in  der  Tat  hier  eine  Gesetzmäßigkeit  vorzuliegen,  die  den  inneren  Faktor 
der  Variabilität  zu  dem  individuellen  Entwicklungsstadium  in  Be- 
ziehung bringt.  Gerade  für  derartige  Größenverhältnisse  sind  mehrfach 
die  gleichen  Ergebnisse  zutage  getreten,  so  in  de  Vlies'  Untersuchungen 
für  die  Samengröße  der  Oenothera,  inWeldon  und  Bumpus  Studien 
über  Größenvariation  bei  Krabben  und  Schnecken,  ja  sogar  nach 
Pearsons  Berechnungen  für  den  Menschen;  allerdings  kann  bei  dem 
Vergleich  von  Säuglingen  und  Studenten  nicht  von  identischer  Lebenslage 
die  Rede  sein.  Auch  hier  können  wir  einem  früher  angeführten  Beispiel 
der  Abhängigkeit  der  Variabilität  von  äußeren  Faktoren  noch  die  Ein- 
schränkung des  inneren  Faktors  zufügen.  Die  Helmgröße  der  Daphnien, 
die  wir  im  Anschluß  an  Woltereck  von  der  Assimilationsintensität 
abhängig  fanden,  wird  außerdem  noch  durch  einen  inneren  Faktor  mit 
bedingt,  die  „Helmpotenz",  die  sich  nun  ebenfalls  im  Lauf  des  Lebens 
ändert;  allerdings  nicht  mit  dem  Lebensalter  des  Individuums,  sondern 
des  Entwicklungszyklus,  also  in  aufeinander  folgenden  Generationen 
eines  Cyklus. 

Endlich  muß  dieser  verschiedenen  Reaktionsfähigkeit  auf  Reize  der 


71     — 


250 


Außenwelt,  der  nach  Art,  Organ,  Entwicklungszustand  verschiedenen 
„Reaktionsnorm"  noch  die  Verschiedenheit  nach  Geschlechtern  zu- 
gefügt werden.  Ein  jeder  Systematiker  weiß,  daß  bei  manchen  Tier- 
arten die  beiden  Geschlechter  verschieden  variabel  sind.  Um  nur  ein 
Beispiel  zu  nennen,  so  ist  bei  der  schon  früher  erwähnten  Nonne,  Lym. 
monacha  var.  eremita  das  Weibchen  wesentlich  variabler  als  das 
Männchen.  Es  läßt  sich  zwar  bei  genügend  großem  Material  für  das 
Männchen  die  gleiche  Va- 
riationsreihe feststellen,  die 
wir  oben  in  Fig.  13  für  das 
Weibchen  abgebildet  haben. 
Aber  während  unter  der  in 
gleichen  äußeren  Bedin- 
gungen aufgezogenen  Nach- 
kommenschaft eines  Pär- 
chens die  weiblichen  Indi- 
viduen jene  Reihe  ergaben, 
mit  typisch  binomialer  Ver- 
teilung der  Varianten,  ge- 
hörten die  Männchen  aus- 
nahmslos der  dunkelsten 
Färbungsklasse  an  mit 
kaum  feststellbarer  Farb- 
variation. 

Die  inneren  Faktoren, 
die  wir  bisher  kennen  lern- 
ten, erwiesen  sich  sämtlich 

als  solche,  die  auf  das  Maß,  die  Quantität  der  Variabilität  von  Einfluß 
sind.  Es  ist  aber  auch  sehr  gut  möglich,  sich  innere  Faktoren  vor- 
zustellen, die  die  Qualität  der  Variation  bedingen.  Sie  könnten 
einmal  entscheidend  sein  für  die  räumliche  Verteilung  der  Varianten 
in  einer  Variationsreihe,  dann  aber  auch  für  die  gesamte  Richtung  der 
Variation.  Auf  Faktoren  der  ersten  Art  deuten  die  merkwürdigen  Be- 
funde, die  Ludwig  und  seine  Schüler  bei  der  Untersuchung  gewisser 
Variationsreihen  von  Pflanzenteilen  fanden.     Es  zeigte  sich  dabei,  daß 


Fig.  34- 
Variationskurve  der  Blumenblätterzahl  von  Primula 
ofhcinalis    mit  Kurvengipfeln    auf    den  Zahlen  der 
Fibonaccireihe. 


Nach  Ludwig  aus  Vernon. 


—     72     — 

die  Variationskurve  außer  dem  Hauptgipfel  noch  eine  Anzahl  von 
Nebengipfeln  aufwies.  Umstehende  Figur  34  gibt  eine  solche  Kurve 
für  die  Zahl  der  Blütenblätter  von  Primula  officinalis  wieder.  Das 
merkwürdige  daran  ist  nun,  daß  die  Gipfel  typischerweise  auf  Zahlen 
liegen,  die  der  sogenannten  Fibonaccireihe  entsprechen,  bei  der  die 
folgende  Zahl  immer  die  Summe  der  beiden  vorhergehenden  darstellt, 
also  1,  2,  3,  5,  8,  13,  21  usw.,  bzw.  auf  Multipeln  dieser  Reihe.  Im  Bei- 
spiel finden  sich  die  Gipfel  3,  5,  8,  10,  13.  Wenn  wir  von  der  später 
zu  besprechenden  Möglichkeit  absehen,  daß  eine  solche  diskontinuier- 
liche Kurve  auf  einer  Nichteinheitlichkeit  des  untersuchten  Materials 
beruht,  oder  auf  einer  diskontinuierlichen,  stoßweisen  Verschiedenheit 
der  Lebenslage,  wie  es  Hacker  für  ähnliche  diskontinuierliche  Variations- 
reihen von  Radiolarien  annimmt,  so  kommt  man  dazu,  in  ihr  den  Aus- 
druck eines  inneren  Faktors  zu  sehen,  der  die  Organe  zwingt,  anstatt  in 
der  typischen  Weise  auf  die  Wirkungen  der  Außenfaktoren  zu  reagieren, 
dies  stoßweise  zu  tun  und  zwar  in  Sprüngen,  die  einem  Zahlengesetz 
entspringen,  dessen  materielles  Substrat  man  sich  in  Form  bestimmt 
gearteter  Zellteilungen  vorstellen  kann.  In  der  Tat  vermochte  Mc.  Leod 
im  Experiment  eine  gewöhnliche  Variationskurve  in  eine  derartige  viel- 
gipflige  Kurve  überzuführen. 

Die  andere  Art  qualitativ  wirkender  innerer  Faktoren  ist  die,  die  der 
Variation  ihre  Richtung  weist.  Die  Beobachtung  und  der  Vergleich 
haben  schon  lange  gezeigt,  daß  die  Variabilität  der  verschiedenartigsten 
Organismen  eine  Neigung  hat,  in  bestimmten  Richtungen  zu  verlaufen, 
orthogenetisch  zu  sein,  und  besonders  das  Studium  der  Färbungs-  und 
Zeichnungsvariabilität  der  Tiere  führt  dazu,  feststehende  Richtungen 
für  die  Variationen  anzunehmen.  Das  heißt  also  nichts  anderes, 
als  daß  einer  jeden  Eigenschaft  eine  bestimmte  „Potenz",  wie 
Klebs  sagt,  zukommt,  auf  die  Bewirkungen  der  Außenwelt  nur 
in  einer  Richtung  zu  reagieren,  oder  in  Wolterecks  Terminologie 
eine  Reaktionsnorm.  Das  ist  natürlich  nichts  anderes  als  eine 
erbliche  Anlage,  so  daß  es  begreiflich  erscheint,  daß  in  den  Ver- 
suchen Towers  am  Koloradokäfer  ebenso  wie  in  den  Temperatur- 
experimenten an  Schmetterlingen  sich  zeigte,  daß  die  Reaktion  auf 
die    Wirkung    der    äußeren    Bedingungen    eine    nicht    spezifische    ist, 


—     73     — 

sondern  sämtliche  Reize  gleichgerichteten  Effekt  hervorrufen:  die 
Reaktion  kann  eben  nur  in  der  Richtung  der  ererbten  Potenz  ver- 
laufen. Und  da  wäre  nun  die  weitere  Frage  zu  stellen,  was  es  ver- 
ursacht, daß  gerade  eine  bestimmte  Richtung  nur  als  Potenz  vorhanden 
ist,  z.  B.  beim  Koloradokäfer  oder  der  Nonne  vom  Albinismus  zum 
Melanismus?  Die  Beantwortung  einer  solchen  Frage  würde  zweifel- 
los die  Grenze  überschreiten  müssen,  die  vor  der  Hand  der  Lösung 
durch  Beobachtung  und  Experiment  gesetzt  ist.  Sie  ist  ja  bekannt- 
lich in  Darwins  Zuchtwahllehre  und  ihrer  Erweiterung  in  Weis- 
manns Germinalselektion  gegeben;  wir  wollen  uns  aber  bemühen, 
hier  den  sicheren  Boden  der  Tatsachen  nicht  zu  verlassen  und  uns 
damit  begnügen,  die  Richtung  weiterer  Fragestellungen  erkannt  zu  haben. 

Die  letzten  Betrachtungen  haben  uns  nun  allerdings  wieder  an  den 
Ausgangspunkt  zurückgeführt,  das  Wesen  einer  variabeln  Eigenschaft, 
gleichzeitig  aber  auch  an  den  springenden  Punkt,  auf  dem  wir  später 
aufbauen  müssen,  die  Erblichkeitsfrage.  Oben  hatten  wir  gesagt,  daß 
eine  Eigenschaft  nicht  ein  starres  Ding  ist,  sondern  ein  labiles  Gebilde, 
dem  Konstanz  nur  unter  bestimmten  äußeren  Bedingungen  zukommt, 
mit  anderen  Worten  die  Reaktionsnorm  des  Organismus  in  einem 
bestimmten  Merkmal.  Hier  wiederum  sehen  wir,  daß  der  innere 
Faktor,  von  dem  die  Variabilität  mit  abhängt  eben  nichts  anderes 
ist  als  die  ererbte  Reaktionsnorm.  Die  größere  oder  geringere, 
bestimmt  oder  nicht  bestimmt  gerichtete  Fähigkeit  zu  kontinuier- 
licher oder  diskontinuierlicher  Variation  ist  also  nur  gegeben  durch 
die  erbliche  Konstitution  des  Organismus,  durch  die  ererbte  Reak- 
tionsnorm. Auf  diese  muß  sich  daher  unser  Hauptinteresse  konzen- 
trieren. 

Aber  auch  diese  ererbte  Reaktionsnorm  muß  noch  mit  Vorsicht  be- 
trachtet werden,  da  es  sichtlich  Erscheinungen  gibt,  die  mit  ihr  ver- 
wechselt werden  können,  den  inneren  Faktor  vortäuschen.  Es  hat  sich 
gezeigt,  daß  auf  die  Variabilität  einer  Eigenschaft  der  persönliche,  nicht 
erblich  gegebene,  Zustand  der  Eltern  einen  Einfluß  ausüben  kann.  De 
Vries  hat  dies  für  Pflanzen,  Peter  für  Seeigellarven,  Woltereck  für 
Daphnien  nachgewiesen.  Es  ist  klar,  daß  ein  solcher  Einfluß  die 
normale  Reaktionsnorm  verschieben  kann,  ja  sie  sogar  direkt  unsichtbar 


—     74     — 

machen,  so  daß  für  den  Zustand  einer  variabeln  Eigenschaft  nicht  nur 
die  ererbte  Reaktionsnorm  und  die  äußeren  Bedingungen  maßgebend 
sind,  sondern  auch  unter  Umständen  die  Bedingungen,  unter  denen 
bereits  die  Elternindividuen  standen.  (Das  gärtnerische  Prinzip  der 
Düngung  der  Mutterpflanze!)  Dies  ist  natürlich  von  großer  Bedeutung 
für  das  Verständnis  der  Variabilität  und  des  Wesens  der  Erbeigen- 
schaften, aber  auch  für  weitere  Fragen,  die  uns  später  beschäftigen 
werden,  vor  allem  das  Problem  der  Vererbung  erworbener  Eigenschaften. 
Wenn  man  die  Bewirkung  variabler  Eigenschaften  durch  Außenfaktoren 
als  Induktion  bezeichnet,  so  kann  man  ihre  Beeinflussung  durch  Ein- 
wirkung auf  Eltern  und  Großeltern  —  also  Verschiebung  der  Variations- 
kurve der  ungeborenen  Kinder  und  Enkel  —  mit  Woltereck,  der  es 
genauer  bei  Daphniden  analysierte,  als  Präinduktion  bezeichnen.  Die 
mehr  oder  minder  große,  vorhandene  oder  fehlende  Fähigkeit  zur  In- 
duktion und  zur  Präinduktion  gehört  somit  zur  ererbten  Reaktions- 
norm. 

Aber  noch  einen  kleinen  Ausblick  in  die  Zukunft  können  wir  uns  nicht 
versagen,  einen  Fingerzeig  in  die  Richtung,  aus  der  vielleicht  einmal 
eine  exakte  Analyse  der  Ursachen  möglich  sein  wird,  die  es  bedingen, 
daß  eine  Eigenschaft  imstande  ist,  gemäß  ihrer  ererbten  Reaktionsnorm, 
auf  Außeneinflüsse  durch  Entfaltung  in  vom  typischen  variierender 
Form    zu    reagieren. 

Es  ist  für  den  physiologisch  denkenden  Biologen  naheliegend,  daß 
diejenige  innere  Beschaffenheit  des  den  sichtbaren  Eigenschatten  zugrunde 
liegenden  Materials,  auf  die  ja  die  veränderten  äußeren  Bedingungen  ein- 
wirken, nicht  eine  mystische  Disposition,  sondern  die  chemische  Natur 
des  Materials  sein  wird.  Ließe  sich  das  nachweisen,  so  wäre  es  auch  klar, 
daß  die  Variabilität  direkt  aus  Veränderungen  der  chemischen  Grund- 
lage der  Eigenschaftsbestimmer,  Determinanten,  Gene  abzuleiten  wäre. 
Einen  ersten  Schritt  in  dieser  Richtung  können  wir  in  den  Analysen 
erblicken,  die  Klebs  von  der  Beschaffenheit  seiner  variierenden 
Pflanzen  unter  verschiedenen  Bedingungen  gibt.  Die  folgende  Tabelle 
zeigt  uns,  wie  verschieden  die  Werte  verschiedener  wichtiger  Sub- 
stanzen in  den  Blättern  von  Sedum  unter  verschiedenen  Bedin- 
gungen sind: 


—     75     — 


Prozente  der  Trockensubstanz  in 

Substanz 

weißem  Licht     rotem  Licht     blauem  Licht 

Lösliche  Asche 

II, 08 

15,2 

23,7 

Zucker 

10,2 

4,95 

3i°i 

Kalkmalat 

19,4 

17,3 

21,2 

Freie  Apfelsäure 

5,27 

5,4i 

4,44 

Lösliches  N 

0.44 

0,87 

1,78 

Stärke 

6,68 

3-5 

2,25 

Es  läßt  uns  dieser  Anfang  erhoffen,  daß  auch  die  Variationslehre 
einmal  auf  den  festen  Boden  der  chemischen  Physiologie  wird  gestellt 
werden  können,  und  zu  dieser  Hoffnung  haben  wir  um  so  mehr  Be- 
rechtigung, als  auch  bei  tierischen  Objekten,  ganz  von  ferne  allerdings 
noch,  dieses  erstrebte  Ziel  winkt.  Wir  haben  oben  schon  die  sogenannte 
Cyclomorphose  der  Daphnien  besprochen,  ihre  zyklischen  Veränderungen 
im  Laufe  eines  Jahres.  Solche  Cyclomorphosen,  um  deren  Erforschung 
sich  in  der  Neuzeit  besonders  Wesenberg-Lund  große  Verdienste  er- 
warb, sind  nun  bei  verschiedenen  Planktonorganismen,  auch  solchen 
pflanzlicher  Natur,  beobachtet  worden,  vielleicht  am  schönsten  und 
gründlichsten  für  das  Rädertier  Anuraea  cochlearis,  für  dessen  jähr- 
lichen Variationsgang  Lauterborn  jenen  Ausdruck  prägte.  Um- 
stehende Fig.  35  zeigt  uns  eine  solche  Variationsreihe  aus  einem  und 
demselben  Gewässer  in  verschiedenen  Jahreszeiten  (auch  Temporal- 
variation genannt).  Die  zu  erwartende  Abhängigkeit  dieser  Reihe  von 
der  Temperatur  hat  sich  aber  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  als  irrig 
erwiesen.  Es  stellte  sich  vielmehr  durch  das  Experiment  heraus,  daß 
keinerlei  äußere  Faktoren  für  diese  Cyclomorphose  maßgebend  sind, 
sondern  innere  Ursachen,  und  diese  hängen  zusammen  mit  der  Sexua- 
lität, der  Bildung  befruchteter  Wintereier.  Also  ein  innerer  Faktor, 
das  Stadium  der  Sexualität,  wirkt  auf  die  morphologischen  Außencharak- 
tere wie  ein  Milieufaktor.  Nun  kommt  ja  auch  bei  den  Daphniden  am 
Ende  einer  Cyclomorphose  die  Periode  der  Sexualität.  Wir  werden 
später  genau  erfahren,  daß  der  Eintritt  dieses  Zustandes  zum  Teil  von 
Außenfaktoren,  zum  Teil  von  der  ererbten  Reaktionsnorm  abhängig 
ist;  und  hier  hat  sich  nun  zeigen  lassen,  daß  die  erblich  festgelegte,  in 
bestimmtem  Moment  auftretende  Variation  in  der  Neigung  zur  Sexualität 


—     76 


Hand  in  Hand  geht  mit  sichtbaren  Verschiedenheiten  der  Eier,  nämlich 
verschiedener  Farbe  (Papanikolau).     Das  besagt  aber  nichts  anderes, 


Fig.  35- 
Cyclomorphose    von  Anuraea    cochlearis    (ausgewählte    Typen),    i    die    Ausgangsform 
macracantha,    von    der    4    verschiedenartige     Cyclomorphosereihen    ausgehen.     Nach 

Lauterborn  aus  Steuer. 

als  daß  die  Variation  einer  Erbeigenschaft,  der  Neigung  zur  Sexualität 
mit  sichtbaren  Veränderungen  im  Chemismus  der  Zelle  Hand  in  Hand 


—      77      — 


geht.    Es  ist  also  zu  hoffen,  daß  es  auch  einmal  gelingen  wird,  diese  Ver- 
änderungen als  bewirkende  Ursache  jener  Erscheinungen  zu  erkennen. 


Vierte  Vorlesung. 

Die  Bedeutung    der   statistischen  Methoden    für    die    Erforschung 

biologischer  Probleme:    Homogame  Vermehrung,   Correlation, 
Zuchtwahl.    Die  Grenze  der  Anwendbarkeit  der  Methode:   Defini- 
tion erblicher  Rassen   und   zweigipflige  Kurven. 

Wir  sind  nunmehr  über  das  Wesen  der  fluktuierenden  Variabilität 
unterrichtet  und  haben  auch  mancherlei  Vorstellungen  über  ihre  Be- 
ziehung zu  äußeren  und  inneren  Faktoren  gewonnen.  Es  zeigte  sich 
dabei  nun  stets,  daß  die  Befunde  dann  am  sichersten  feststanden,  wenn 
die  Variabilität  mit  der  exakten  Methode  der  Statistik  betrachtet  wurde. 
Zunächst  ist  es  klar,  daß  nur  durch  sie  ein  Material,  welches  zu  Ver- 
suchen über  Erblichkeitsfragen  verwandt  werden  soll,  wirklich  so  analy- 
siert werden  kann,  daß  die  Resultate  auf  festem  Boden  stehen.  So  er- 
scheint uns  die  Variationsstatistik  als  ein  Grundstein  der  ganzen  Ver- 
erbungslehre, und  wir  verstehen  es,  weshalb  z.  B.  Johannsen  in  seinem 
berühmten  Werk  den  größeren  Raum  der  Entwicklung  und  Anwen- 
dungsweise dieser  Methoden  widmet.  Ehe  wir  aber  ihre  Bedeutung  für 
die  eigentliche  Erblichkeitslehre  würdigen  lernen,  wollen  wir  einen  Blick 
auf  die  Forschungsmöglichkeiten  werfen,  die  durch  diese  Methode  eröffnet 
werden.  Es  werden  uns  dabei  von  selbst  auch  die  Grenzen  sichtbar  werden, 
die  einer  solchen  Behandlung  biologischer  Gegenstände   gesteckt  sind. 

Es  ist  klar,  daß  zunächst  alles,  was  rein  beschreibend  über  variable 
Eigenschaften  gesagt  werden  kann,  der  statistischen  Behandlung  zu- 
gängig ist.  Dafür  sind  ja  genug  Beispiele  schon  angeführt.  Es  können 
aber  auch  rein  biologische  Fragen  durch  diese  Methode  geklärt  werden. 
Einige  haben  wir  ja  bereits  kennen  gelernt,  wie  die  Fragen  der  geogra- 
phischen, klimatischen  und  Lebenslagevariation,  die  Bedeutung  der 
Amphimixis  für  die  Variabilität  und  überhaupt  die  Probleme  der  Varia- 
bilitätsursachen. Einige  weitere  Beispiele  wollen  wir  jetzt  kennen 
lernen,  die  uns  sowohl  den  positiven  als  auch  den  negativen  Wert  jener 
Betrachtungsweise  allmählich  werden  klar  werden  lassen. 


—     78     — 

Eine    derartige    Gruppe    biologischer    Erscheinungen    und    Frage- 
stellungen ist  die  geschlechtliche  Auswahl  bei  der  Fortpflanzung.     Für 
die  Darwinsche  Theorie  ist  es  von  größter  Bedeutung,  ob  eine  solche 
stattfindet,  denn  wenn  Variationen  den  Ausgangspunkt  für  die  Bildung 
neuer  Arten  liefern  sollen,  ist  es  auch  nötig,  daß  abweichende  Variationen 
miteinander  zur  Fortpflanzung  kommen  und  so  die  Grundlage  für  das 
geben,  was  man  als  Divergenz  bezeichnet,  das  Auseinanderstrahlen  der 
sich  bildenden  neuen  Formen  von  der  Form  der  Vorfahren.    Rom  an  es 
geht  so  weit,  in  bezug  auf  diesen  Punkt  zu  sagen,  daß,  wenn  wir  Varia- 
bilität und  Erblichkeit  als  gegeben  annehmen,  die  ganze  Abstammungs- 
lehre sich  auf  die  Frage  konzentriert,  ob  gleiche  Variationen  sich  mit 
gleichen  paaren,  ob  es  eine  „Homogamie"  gibt.     Denn  wenn  dies  sich 
nicht  erweisen  ließe,  so  müßte  die  beliebige  Vermehrung  zwischen  den 
Varietäten  immer  wieder  zur  Einförmigkeit  zurückführen.  (Was  übrigens, 
auch  wenn  nur  auf  erbliche  Varianten  bezogen,  nicht  ganz  richtig  ist, 
wie  uns  später  die  Betrachtung  des  Mendelismus  lehren  wird.)    Zur  Ent- 
scheidung einer  solchen  Frage  ist  die  Variationsstatistik  in  hohem  Grade 
befähigt.     Genaue  Messungen  natürlicher  Paarlinge  nach  ihren  Eigen- 
schaften muß  die  Antwort  ergeben.     Für  die  erwähnten   Paramaecien 
ließ  sich  in  der  Tat  auf  diese  Weise  feststellen,  daß  immer  annähernd 
gleiche    Tiere    konjugieren1,    wie    dies    instruktiv    aus    nebenstehender 
Fig.  36  hervorgeht.     Das  gleiche  gilt  auch  für  die  so  oft  angezogenen 
Koloradokäfer,  bei  denen  sich  immer  annähernd  gleich  große  Exemplare 
paaren.     In  der  folgenden  Tabelle  nach  Tower  sind  die  Tiere  in  zehn 
Größenklassen  geordnet  und  man  sieht,  daß  bei  den  meisten  Pärchen 
die   Mehrzahl  der  Tiere   in  beiden   Geschlechtern   der  gleichen   Klasse 
angehörten.     (Die  Tabelle,  auf  deren  Herstellung  wir  gleich  zu  sprechen 
kommen  werden,  ist  so  zu  lesen,  daß  z.  B.  die  erste  vertikale  Reihe 
bedeutet,  daß  von  100  Männchen  der  Längenklasse  1  volle  90  mit  Weib- 
chen der  Längenklasse  1  sich  paarten,  6  mit  Weibchen  der  Klasse  2  und 
nur  4  mit  Weibchen  der  Klasse  3  usw.)      Es   ist  bemerkenswert,  daß 
mit  den  gleichen  Methoden  auch  für  den  Menschen  durch  Pearson  eine 
solche  bewußte  oder  unbewußte  Neigung  zur  Heirat  zwischen  in  den 


1  Bei    anderen    Infusorien    wurde    allerdings    diese    Homogamie    nicht    festgestellt 

(Enriques). 


—     79     — 


verschiedensten  variabeln  Charakteren  ähnlichen  Paaren  festgestellt  ist, 
während  Galton,  wie  wir  sehen  werden,  nichts  derartiges  fand. 


Größenklasse 
der  £ 

Größenklasse  der  c5 
i        2        5        4        5        6        7        8        9       io 

i 

2 

3 
4 

5 
6 

7 
8 

9 

IO 

90 

6 
4 

IO 

70 

13 

7 

2 

6 

71 

12 

8 

1 

!3 

74 

12 

1 

1 

10 

76 

1 1 

2 

5 

10 

70 

13 

12 

5 
1 1 

82 

2 

1 

2 

S5 

2 

3 
6 

8S 

2 

1 

1 

6 
90 

Vielleicht  die  wichtigste  biologische  Erscheinung,  für  deren  Erfor- 
schung sich  die  Variationsstatistik  als  unentbehrliches  Hilfsmittel 
erwiesen  hat,  ist  die  Korrelation.  Als  solche  bezeichnet  man  bekannt- 
lich die   Wechselbeziehung  oder  Abhängigkeit  zwischen  verschiedenen 


Fig.  36- 
Ausgewählte  Konjugantenpaare  verschiedener  Größe  von  Paramecium  aurelia. 

Nach  Jennings. 

Eigenschaften  des  gleichen  Individuums.  Klassisch  sind  ja  die  Bei- 
spiele für  die  Korrelation,  die  Darwin  in  Fülle  verzeichnet  hat.  So 
sollen  Tauben  mit  weißem,  gelbem,  blauem  oder  silberfarbigem  Gefieder 
nackt  geboren  werden,  die  mit  anderen  Farben  aber  im  Daunenkleid. 
Katzen  mit  blauen  Augen  sind  taub,  haben  sie  nur  ein  blaues  Auge,  so 
sind  sie  auch  nur  auf  der  gleichen  Seite  taub,  Vogelarten  mit  Feder- 
büschen, wie  die  polnischen  Hühner,  haben  Gehirnhernien,  und  so  gibt 
es  eine  Fülle  von  Beispielen  biologischer  oder  anatomischer  Natur,  die 


—     80     — 

man  bei  Darwin  finden  kann.  Es  spielt  also  die  Korrelation  in  fast 
allen  Zweigen  der  biologischen  Wissenschaften  eine  ungeheure  Rolle,  vor 
allem  in  der  Physiologie.  Eine  Frage  der  Korrelation  ist  es  etwa,  in 
welcher  Weise  das  Gewicht  der  Knochen  oder  ihr  Kalkgehalt  von  der 
Muskelmasse  abhängig  ist,  oder  ob  ein  Zusammenhang  zwischen  dem 
Größenwachstum  einer  Frucht  und  ihrem  Gehalt  an  bestimmten  Sub- 
stanzen besteht.  Eine  Korrelat ionsf rage  ist  es  aber  auch,  welcher  Zu- 
sammenhang Alkoholismus  und  Verbrechen  verbindet  oder  Gehirn- 
gewicht und  geistige  Fähigkeiten  oder  zwei  verschiedene  psychische 
Funktionen  oder  Fähigkeiten,  etwa  die  Schnelligkeit  zu  addieren  und 
die,  Töne  zu  unterscheiden.  Kurzum,  überall  wo  zwei  Eigenschaften 
von  Organismen  verglichen  werden,  begegnet  uns  die  Frage  ob  Korre- 
lation oder  nicht.  So  ist  dieses  Problem  denn  auch  zu  einem  der  interes- 
santesten der  experimentellen  Biologie,  besonders  der  Pflanzen  (Göbel) 
geworden.  Wenn  man  nun  unter  Zugrundelegung  der  Variabilitätslehre 
vergleichen  will,  ob  eine  Korrelation  insofern  existiert,  als  zwei  variable 
Eigenschaften  in  Abhängigkeit  voneinander  variieren,  so  bedient  man 
sich  dabei  einer  Form,  die  unserer  Aufzählungsreihe  für  die  gewöhnliche 
Variabilität  entspricht.  Man  benutzt  nur  statt  einer  Reihe  ein  Quadrat 
oder  Rechteck.  Als  Beispiel  kann  die  auf  der  vorigen  Seite  wieder- 
gegebene Korrelationstabelle  für  die  Größe  der  paarenden  Koloradokäfer 
dienen.  Von  links  nach  rechts  trägt  man  die  Klassen  des  einen  der  zu 
betrachtenden  Merkmale  ein,  in  unserem  Fall  die  Größenklassen  für  die 
männlichen  Käfer.  Von  oben  nach  unten  finden  sich  die  Klassen  des 
anderen  mit  jenem  zu  vergleichenden  Merkmals,  hier  die  Größenklassen 
der  Weibchen.  Dann  muß  man  sein  Material  folgendermaßen  ordnen, 
indem  man  von  einem  der  Merkmale,  gleichgültig  welchem,  ausgeht: 
Man  ordnet  in  unserem  Fall  z.  B.  die  Paare,  die  man  kopulierend  findet, 
nach  der  Klasse  der  Männchen  und  erhält  somit  10  Portionen  von  Pär- 
chen entsprechend  ihrer  Größe.  Dann  führt  man  in  jeder  Portion  wieder 
eine  solche  Ordnung  durch,  daß  hier  die  in  bezug  auf  das  eine  Merkmal, 
in  unserem  Falle  Männchenlänge,  gleichartigen  Paare  nach  den  Klassen 
des  anderen  Merkmals,  also  Weibchenlänge,  geordnet  werden.  Man 
würde  also  die  Portion,  die  die  größten  Männchen  der  Klasse  10  enthielte, 
in  bezug  auf  ihre  Weibchen  einteilen  in  i  Zehnermännchen  mit  Weibchen 


—     81     — 

Klasse  7,  3  Zehnermännchen  mit  Weibchen  Klasse  8,  6  ebensolche  mit 
Weibchen  von  9  und  90  Zehnermännchen  mit  Zehnerweibchen.  Die  so 
gefundenen  Zahlen  werden  dann  in  die  Stellen  der  Tabelle  eingesetzt, 
die  den  betreffenden  Größen  für  beide  Merkmale  entsprechen.  Einer 
solchen  Tabelle  sieht  man  dann  sogleich  an,  ob  eine  richtige  Korrelation 
besteht.  Steigt  sie  in  so  regelmäßiger  Weise  von  links  nach  rechts  ab, 
so  besteht  auch  eine  schöne  Korrelation,  steigt  sie  ebenso  von  links  nach 
rechts  an,  so  haben  wir  auch  Korrelation,  aber  umgekehrt  gerichtete, 
negative,  indem  mit  dem  Steigen  des  einen  Merkmals  das  andere  fällt. 
Es  ist  klar,  daß  eine  völlig  ideale  vollständige  Korrelation  sich  in  folgen- 
der Weise  ausdrücken  würde: 


Klassen 


I 
2 

3 
4 

5 
6 

7 
8 

9 

10 

11 


10 


45 


10 


Bei  ganz  fehlender  Korrelation  käme  natürlich  im  Idealfall  das 
vollständig  symmetrische  Bild  der  folgenden  Tabelle  heraus,  wobei  die 
gleichen  1200  Individuen  betrachtet  sind: 


Klassen 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

1 

1 

2 

— 

— 

— 

1 

2 

4 

2 

1 

— 

— 

— 

0 

— 

— 

1 

5 

9 

15 

9 

5 

1 

— 

— 

4 

— 

1 

5 

12 

20 

44 

20 

12 

5 

1 

— 

5 

— 

2 

9 

20 

39 

70 

39 

20 

9 

2 

— 

6 

1 

4 

'S 

44 

70 

160 

70 

44 

15 

4 

1 

7 

— 

2 

9 

20 

39 

70 

39 

20 

9 

2 

8 

— 

1 

5 

12 

20 

44 

20 

12 

5 

1 

— 

9 

— 

— 

1 

5 

9 

15 

9 

5 

1 

— 

— 

10 

— 

— 

1 

2 

4 

2 

1 

— 

— 

— 

11 

■ 

1 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl. 


—     82     — 

Ebenso  wie  man  nun  für  die  Variabilität  in  dem  Variationskoeffi- 
zienten  ein  gutes  Maß  besitzt,  so  benutzt  man  auch,  um  einen  kurzen 
Ausdruck  für  die  Stärke  der  Korrelation  zu  haben,  einen  Koeffizienten. 
Dieser  Korrelationskoeffizient  r  wird,  wenn  wir  die  von  Johannsen 
benutzte    Darstellung    beibehalten,    nach    der    Bravaisschen    Formel 

berechnet,     welche    lautet :    r  =  -  — — -.      Das    bedeutet :     a    ist    die 

n-ox-oy 

Abweichung  vom  Mittel  der  Eigenschaft,  und  wenn  wir  die  eine  der  zu 
betrachtenden  Eigenschaften  als  Ar-Eigenschaft  oder  supponierte  Eigen- 
schaft bezeichnen,  die  andere  als  y-Eigenschaft  oder  relative  Eigenschaft, 
so  ist  ax  die  Abweichung  vom  Mittel  für  die  eine  und  ay  die  für  die 
andere  Eigenschaft,  n  bedeutet  wieder  die  Gesamtsumme  der  Individuen 
und  o  die  Standardabweichung,  deren  Berechnung  wir  schon  kennen 
gelernt  haben,  mit  dem  Index  x  bzw.  y  wieder  auf  die  beiden  Eigen- 
schaften bezogen.  Es  muß  also  für  jedes  Individuum  die  Abwei- 
chung der  einen  mit  der  der  anderen  Eigenschaft  multipliziert  und  diese 
sämtlichen  Produkte  addiert  (2  =  Summenzeichen)  werden  und  dann 
durch  das  Produkt  aus  der  Individuenzahl  mal  den  beiden  Standard- 
abweichungen dividiert  werden.  Bei  Anwendung  dieser  Formel  ■ —  ihre 
bequeme  Handhabung  erfordert  natürlich  die  Kenntnis  einiger  Verein- 
fachungsmethoden (s.  Harris,  Jennings,  Kapteyn)  —  kommt  für 
den  Korrelationskoeffizienten  r  immer  eine  Zahl  zwischen  — i  + 1 
heraus.  Ist  r=i,  so  bedeutet  das  völlige  Korrelation,  ist  es  =o,  so  besagt 
das  fehlende  Korrelation.  Ist  es  negativ,  so  besagt  das  negative  oder 
umgekehrte  Korrelation,  die  wir  oben  schon  kennen  lernten.  Wenn 
wir  demnach  in  einer  Untersuchung  die  Mitteilung  finden,  daß  r  =  0,98 
ist,  so  bedeutet  das  eine  denkbar  gute  Korrelation.  Es  ist  natürlich  klar, 
daß  auch  die  Korrelation  sich  graphisch  darstellen  läßt.  Galtons 
Methode  hierfür  wird  uns  später  begegnen. 

Und  nun  wollen  wir  einmal  einige  wirkliche  Beispiele  betrachten, 
die  uns  zeigen  sollen,  welcher  Art  die  Resultate  sind,  die  mit  statisti- 
scher Betrachtung  der  Korrelation  erzielt  werden  können.  Natürlich 
sehen  wir  von  soziologischen  Beispielen  ab,  wie  also  etwa  Korrelation 
von  Alkoholismus  und  Kriminalität,  von  phrenologischen,  wie  Be- 
ziehungen   zwischen    Schädelform    und    Talent    zur    Mathematik,    von 


—     83     — 

rein  physiologischen,  wie  Beziehung  zwischen  Volum  eines  Organs  und 
Leistungsfähigkeit  oder  gar  rein  psychologischen,  wie  Beziehung  von  Ge- 
dächtnis und  Merkfähigkeit,  und  beschränken  uns  auf  rein  biologische  Fälle. 
Einen  solchen,  die  homogame  Auswahl  der  Geschlechter,  haben  wir  ja  so- 
gar zum  Ausgangspunkt  dieser  Betrachtungen  genommen ;  er  zeigte  uns 
die  Anwendbarkeit  der  Methode  auf  darwinistisch-biologische  Probleme. 

Ein  weiteres  Beispiel  soll  sich  auf  einen  entwicklungsphysiologischen 
Fall  beziehen.  Ein  viel  erörtertes  Problem  der  Entwicklungsmechanik 
ist  die  Frage  der  bilateralen  Symmetrie  zahlreicher  Tiere.  Bei  den 
meisten  Tieren  sind  ja  rechte  und  linke  Hälfte  spiegelbildlich  gleich. 
Es  hat  sich  nun  durch  die  Studien  der  experimentellen  Entwicklungs- 
geschichte gezeigt,  daß  sehr  häufig  bereits  durch  die  erste  Teilung  der 
Eizelle  das  Material  für  die  symmetrischen  Körperhälften  gesondert 
wird,  die  sich  nun  in  gewissem  Maße  unabhängig  voneinander  ent- 
wickeln. Die  homologen  Organe  der  beiden  Körperhälften  sind  natür- 
lich den  allgemeinen  Variabilitätsgesetzen  unterworfen  und  zeigen  die 
typische  individuelle  Variation.  Ist  jene  Unabhängigkeit  aber  vor- 
handen, so  wird  es  natürlich  nur  zufällig  der  Fall  sein,  daß  büateral- 
homologe  Merkmale,  z.  B.  die  rechte  und  linke  Hand,  der  gleichen 
Variationsklasse  angehören,  wenn  auch  die  gesamte  Variabilität  im  großen 
Ganzen  auf  beiden  Seiten  die  gleiche  ist,  da  ja  beide  Körperhälften  im 
allgemeinen  der  Wirkung  der  gleichen  äußeren  Bedingungen  aus- 
gesetzt sind.  Wenn  man  also  zahlreiche  Individuen  vergleicht,  so  wird 
sich  eine  Korrelation  der  Variabilität  in  beiden  Körperhälften  ergeben, 
d.  h.  wenn  auch  die  Symmetrie  für  die  einzelnen  Individuen  keine  voll- 
ständige ist,  so  ist  es  doch  für  eine  Masse  von  ihnen  eine  ,,  Kollektiv- 
symmetrie" (Duncker).  Folgende  Korrelationstabelle  (Seite  84)  zeigt  im 
Anschluß  an  Duncker  die  Richtigkeit  dieses  Gedankengangs  an  einem 
Beispiel,  der  Messung  der  Länge  der  proximalen  Glieder  des  Zeigefingers 
der  beiden  Hände  bei  551  englischen  Frauen,  die  Pearson  und  White- 
ley  ausführten: 

(In  der  Tabelle  sind  die  Zahlen  mit  4  multipliziert,  um  Brüche  zu 
vermeiden,  so  daß  es  den  Anschein  hat,  als  ob  2204  Individuen  unter- 
sucht wären.  Die  Klassenspielräume  betragen  1,27  mm,  womit  die 
Längenzahlen  der  Tabelle  zu  multiplizieren  sind,  um  die  absoluten  Zahlen 

6* 


—     84 


Länge 
rechts 

38,5    39,5    40,5 

Länge  links 
4i,5    42,5    43,5    44,5    45,5    46,5 

47,5    48,5    49,5 

5°,° 

51,5 

39,5 
40,5 

4i,5 
42,5 
43,5 
44,5 
45,5 
46,5 
47,5 
48,5 
49,5 
5o,5 
5i,5 

4 
4 
4 

4 
8 

6 
3° 

52 
16 

4 

6 
10 

48 
68 

14 

4 

14 

84 
128 

28 
4 

iS 

»55 
142 

39 
6 

6 
29 
181 
181 
21 
2 

4 
33 
146 
114 

9 

— 

28 

165 

98 

'3 

4 

22 

7i 

54 

1 

14 

48 
26 
2 

4 
11 

7 
2 

4 

2 

2 

zu  erhalten.    Der  Grund  zu  einer  derartigen  Anordnung  ist  ein  praktisch- 
methodologischer. ) 

Schließlich  sei  noch  ein  Beispiel  aus  der  züchterischen  Praxis  an- 
geführt. Für  die  Zuckerrübenzucht  ist  natürlich  das  Ideal  die  Erzielung 
eines  möglichst  hohen  Zuckergehalts.  Bei  einer  bestimmten  Rüben- 
sorte zeigte  sich  nun,  daß  Zuckerreichtum  mit  starker  Verzweigung  der 
Wurzeln  Hand  in  Hand  ging,  welch  letzteres  dem  Praktiker  nicht  er- 
strebenswert ist.  Daran  anschließend  faßte  —  wenn  wir  Johannsens 
Darstellung  folgen  —  die  Ansicht  bei  den  Züchtern  Fuß,  der  Zucker- 
gehalt stehe  in  fester  Korrelation  zur  Zweigbildung.  Johannsen  hat 
nun  die  Daten,  die  der  Züchter  Hei  weg  zum  Beweis  dieser  Ansichten 
vorgebracht  hat,  im  Sinne  der  korrelativen  Variabilität  betrachtet  und 
daraus  folgende  Tabelle  gewonnen: 


Prozente  ver- 
zweigter Rüben 

Prozentiger  Gehalt  an 
Trockensubstanz 

7,5     8     8,5     9     9,5     10     10,5 

0 
2 

4 

6 

8 

10 

12 

14 
16 

— 

1 

2 
2 

3 

7 

7 

2 

4 

9 

7 
6 

3 
1 

1 

5 
1 1 

5 
3 

1 

6 
6 
2 
1 



2 
1 

2 

— 

—     85 

Die  Zahlenverteilung  zeigt  schon  auf  den  ersten  Blick,  daß  die  suppo- 
nierte  Korrelation  zwischen  Verzweigung  und  Zuckergehalt  nicht  besteht. 
Berechnet  man  den  Korrelationskoeffizienten,  so  ergibt  sich  r  —  — 0,174, 
also,  da  r  negativ  ist,  eher  eine  umgekehrte  Korrelation,  bei  seiner  Nähe 
zu  o  aber  auch  diese  nahezu  nicht.  Die  vorgeführten  Beispiele  genügen 
wohl,  um  die  Anwendung  der  Variationsstatistik  auf  die  Korrelations- 
lehre  zu  belegen.  Sie  wird  uns  ohnedies  bald  wieder  begegnen,  denn 
es  ist  klar,  daß  auch  die  Vererbung  selbst  als  Korrelation  dargestellt 
werden  kann,  nämlich  zwischen  Eltern  und  Nachkommen.  Galton 
ist  sogar  auf  diese  Weise  zu  seinem  berühmten  Gesetz  gekommen,  wie 
sich  bald  zeigen  wird.  Und  damit  können  wir  uns  immer  mehr  dem 
Zentrum,  dem  wir  zustreben  nähern,  der  Anwendung  der  statistischen 
Betrachtungsweise  auf  die  Erblichkeitslehre. 

Ein  Beispiel  für  die  statistische  Behandlung  biologischer  Probleme, 
die  aufs  engste  mit  der  Genetik  verknüpft  sind,  möge  uns  unserem  Ziele 
einen  weiteren  Schritt  noch  näher  bringen.  Es  diene  gleichzeitig  als 
Folie  für  eine  Untersuchungsweise  des  gleichen  Problems,  die  uns  in 
einer  der  nächsten  Vorlesungen  mit  einer  der  wichtigsten  Erkenntnisse 
der  modernen  Erblichkeitslehre  bekannt  machen  wird.  Wir  sprechen 
von  der  Untersuchung  des  eigentlichen  Zentralproblems  des  Darwinis- 
mus, der  Zuchtwahllehre,  den  Versuchen,  die  gemacht  wurden,  die 
artverändernde  Wirkung  der  Selektion  zahlenmäßig  zu  beweisen.  Eine 
Untersuchungsserie,  die  hier  eine  gewisse  Berühmtheit  erlangt  hat,  die 
von  Weldon  an  Krabben,  wollen  wir  als  Beispiel  wählen.  Zuerst 
Thompson,  dann  Weldon  stellten  an  Krabben  im  Sund  von  Ply- 
mouth  fest,  daß  in  einer  Reihe  von  Jahren  die  durchschnittliche  Frontal- 
breite des  Panzers,  bezogen  auf  Tiere  gleicher  Länge,  sichtlich  abnahm. 
So  war  die  prozentuale  Breite  im  Jahr  1893  76,3,  1895  75,4  1898  74,4. 
Weldon  glaubte,  daß  dies  darauf  beruhe,  daß  durch  einen  aktuellen 
Zuchtwahlprozeß  die  Tiere  mit  breiterem  Panzer  zugrunde  gingen; 
die  bessere  Anpassung  der  Überlebenden  sollte  auf  folgendem  beruhen: 
Durch  den  Bau  eines  Wellenbrechers  waren  die  physikalischen  Ver- 
hältnisse der  Bucht  völlig  verändert  worden,  vor  allem  wurden  größere 
Tonmengen  durch  einen  Fluß  eingeführt  und  die  Sandmenge  durch  die 
Vergrößerung  der  Stadt  und  der  Docks  vermehrt,  so  daß  in  der  Tat  sich 


—     86     — 

nachweisen  ließ,  daß  manche  Tierarten  die  Bucht  verließen.  (Daß 
tatsächlich  solche  Faktoren  die  Fauna  sehr  beeinflussen,  zeigte  sich  ja 
auch  an  der  Fauna  der  Neapler  Bucht  nach  dem  Aschenregen  des  letzten 
Vesuvausbruchs.)  Da  der  gezähnte  Rand  des  Carapax  als  Atemfilter 
dient,  so  ist  es  denkbar,  daß  die  schmaleren  Tiere  wirklich  vor  einer 
Verschlammung  der  Kiemen  besser  geschützt  waren.  Da  es  nun  nicht 
möglich  war,  die  Exemplare  zu  untersuchen,  von  denen  angenommen 
wurde,  daß  sie  getötet  seien,  so  imitierte  Weldon  künstlich  die  gleiche 
Situation,  indem  er  die  Krabben  in  Gefäßen  hielt,  in  denen  dauernd 
feiner  Ton   aufgewirbelt  wurde.     Nach  einiger  Zeit   wurden  dann   die 


+  20 


+  30 


+  40 


Fig-  37- 

Kurve    für  Weldons    Selektionsversuch    an    Krabben.      Punktiert    die    Kurve    der    Über- 
lebenden.    Nach  Weldon. 


toten  Individuen  gemessen  und  mit  den  lebenden  verglichen.  Neben- 
stehende Figur  37  gibt  die  Kurve  der  Frontalbreite  bei  248  Versuchs- 
tieren wieder,  wobei  die  punktierte  Kurve  sich  auf  die  94  Überlebenden 
bezieht.  Die  Senkrechte  bei  o  entspricht  nun  dem  Mittelwert  der  Aus- 
gangstiere, die  Linie  D  dem  der  Gestorbenen,  die  Linie  S  dem  der  Über- 
lebenden, woraus  hervorgeht,  daß  es  die  breitesten  waren,  die  zuerst 
starben.  Damit  sollte  aber  bewiesen  sein,  daß  die  Zuchtwahl  allmählich 
eine  schmälere  Rasse  bilde. 

Man  —  besonders  Cunningham  und  Przibram  —  hat  gegen 
diese  Versuche  zahlreiche  Einwände  erhoben,  die  sich  alle  dahin  zu- 
sammenfassen lassen,  daß  bei  der  Statistik  ganz  vergessen  wurde,  das 
Material  biologisch  zu  analysieren.  Um  einen  derartigen  Schluß  auf 
solche  Weise  begründen  zu  können,  müßte  aber  erst  die  individuelle 


—     87     — 

Variabilität  des  Merkmals  unter  dem  Einfluß  der  Temperatur,  Nahrung, 
Sauerstoffgehalt,  kurzum  der  Lebenslage  analysiert  sein,  es  muß  die 
Lebensdauer  und  die  Generationenzahl  im  Experiment  feststehen,  es 
mnß  die  Schwankung  oder  Konstanz  des  Merkmals  beim  individuellen 
Wachstum  feststehen  (tatsächlich  vermindert  sich  die  Frontalbreite 
nach  Przibram  mit  der  Häutung),  kurzum,  die  biologische  Analyse 
kann  leicht  die  statistischen  Resultate  zu  nichte  machen.  Hier  er- 
kennen wir  gut,  wie  weit  man  statistisch  kommen  kann  und  wo  die 
Methode  an  ihre  natürliche  Grenze  gelangt.  Wären  aber  alle  Fehler- 
quellen auch  ausgeschaltet  gewesen,  so  hätte  alles  doch  an  der  Frage 
gelegen:  Ist  mit  der  Verschiebung  des  Mittelwerts  eine  erbliche  Ver- 
änderung verbunden?  Wir  sehen  uns  also  wieder  an  der  Grenze  der 
Erblichkeitsprobleme  und  vor  die  Frage  gestellt,  ob  sie  auf  statistischem 
Wege  gelöst  werden  können. 

Wo  hier  die  Berührungspunkte  liegen  und  andererseits  bis  zu  welchem 
Punkt  die  biologische  Forschung  mittels  jener  Methode  gelangen  kann, 
bis  sie  auf  ihre  unüberbrückbare  Grenzlinie  kommt,  können  wir  nicht 
besser  uns  klar  machen,  als  indem  wir  einen  konkreten  Fall  betrachten, 
in  dem  die  Analyse  in  besonders  ausgezeichneter  Weise  bis  zu  jenem 
Punkt  durchgeführt  wurde.  Wir  betrachten  die  Heinckeschen  Studien 
über  die  Naturgeschichte  des  Herings,  die  ursprünglich  aus  rein  prak- 
tischen Gesichtspunkten  heraus  unternommen  waren,  um  folgende 
Fragen  zu  lösen:  Bilden  die  Heringe  der  europäischen  Meere  einen 
einzigen  Stamm,  dessen  Glieder,  die  Heringsschwärme,  weite  regellose 
Wanderungen  unternehmen,  oder  zerfällt  die  Spezies  Hering  in  unter- 
scheidbare Lokalrassen  mit  festbestimmtem  Wohngebiet,  in  dem  sie 
regelmäßige  jährliche  Wanderungen  ausführen?  Erstrecken  sich  die 
Wanderzüge  über  große  oder  kleine  Strecken?  Sind  die  zoologischen 
Unterschiede  der  Lokalformen  erblich?  Die  Beantwortung  aller  dieser 
Fragen  muß  es  dann  ermöglichen,  durch  Identifizierung  der  einzelnen 
Schwärme  auf  ihren  Wanderungen  deren  Weg  festzulegen,  was  für  die 
Fischereipraxis  von  größter  Bedeutung  ist.  Für  die  uns  hier  beschäf- 
tigenden Probleme  stehen  natürlich  die  Rasserifragen  im  Vordergrund. 
Durch  die  allgemeinen  biologischen  Verhältnisse  der  Lebens-  und  Fort- 
pflanzungsweise  des  Herings  ist   nun   sein   Auftreten   in  geschlossenen 


—     88     — 

Rassenverbänden  gegeben.     Der  Hering  lebt  nämlich  von  Geburt  an 
als  geselliges  Herdentier  in  Schwärmen,  deren  Richtung  von  der  Menge 
der  als  Nahrung  dienenden  Planktontiere  abhängt.     Zum  Zwecke  des 
Laichens  sammelt  er  sich  in  dichteren  Schwärmen,  die  typische  Laich- 
plätze von  besonderem  Charakter  aufsuchen,  um  dort  ihre  Eier  an  die 
Unterlage    anzukleben.      Diese    Laichschwärme    sind    innerhalb    eines 
bestimmten  Wohngebietes  völlig  konstant,   während  im  Gesamtwohn- 
gebiet der  Art  die  größten  Verschiedenheiten  herrschen  können.     Also 
ein  Hering  der  westlichen  Ostsee  hat  Jahr  für  Jahr  seine  festbestimmten 
Laichplätze  mit   bestimmter  Wasserbeschaffenheit   und   die   Schwärme 
werden  in  bestimmten  Monaten  mit  Sicherheit  an  bestimmten  Stellen 
getroffen.    An  den  Laichplätzen  wird  dann  nur  einmal  im  Jahr  abgelaicht. 
Da  sich  aus  der  Brut  eines  solchen  Laichplatzes  immer  wieder  die  neuen 
Schwärme  bilden,  so  sind  die  Glieder  eines  Schwarmes  wie  der  Schwärme 
eines    engbegrenzten   Gebietes    alle    blutsverwandt;    wenn  also  Rassen 
existieren,   sind  sie  in  den  Laichschwärmen  verschiedener  Gebiete  zu 
suchen.    Um  nun  die  Existenz  der  Rassen  feststellen  zu  können  —  denn 
mit   den   üblichen   Unterscheidungsmerkmalen   der  Systematik  kommt 
man  nicht  weiter  —  gibt  es  nur  eine  Methode,  nämlich  die  variations- 
statistische   Untersuchung   der   variierenden    Einzelmerkmale,    welchen 
Weg   Heincke   in    ausgedehntestem   Maße    (über    ioo  ooo    Messungen 
und  Zählungen)  beschritt.     Wie  zu  erwarten,  ergab  sich,  daß  die  ein- 
zelnen meß-  und  zählbaren  Eigenschaften,  im  ganzen  über  60,  die  be- 
rücksichtigt wurden,  wie  Wirbelzahl,  Kielschuppenzahl,  Zahl  der  pylo- 
rischen  Darmanhänge,  relative  Schädelbreite,  sich  bei  einer  großen  Zahl 
von   Individuen   des  gleichen   Schwanns   nach   dem   Fehlergesetz   ver- 
hielten, eine  typische  Binomialkurve  gaben.    Verglich  man  nun  aber  die 
Kurven  bei  verschiedenen  Heringsformen,   den  erwarteten  Rassen,  so 
zeigte  sich,   daß  jeder  Rasse   für  jedes  Merkmal  ein  typischer  Mittel- 
wert   zukam.      Es   läßt    sich    also    durch    die    sämtlichen    Mittelwerte 
der     verschiedenen    Eigenschaften    jede    Rasse    charakterisieren    und 
zwar    sind    die    Unterschiede    um    so    größer,    je    weiter    die    Rassen 
geographisch,    d.    h.    in    der     Verschiedenheit     äußerer    Bedingungen 
voneinander   getrennt  sind.     Die   folgende   Tabelle   illustriert   dies  Er- 
gebnis : 


89     — 


Mittel  der  Eigenschaften 

Rasse 

Nummer  des  Wirbels 

Längen- 

Kiel- 

Wirbelzahl 

mit  1.  geschlossenem 

breitenindex 

schuppen- 

Hämalbogen 

des  Schädels 

zahl 

Norwegischer  Frühjahrs- 
hering 

57-6 

27.0 

30,1 

14.0 

Frühjahrshering  des  großen 
Beltes 

55,8 

24.5 

3<>,S 

14,4 

Frühjahrshering  der  Schley 

55,5 

24.3 

30,8 

13,7 

Frühjahrshering  von  Rügen 

56,° 

25.0 

3°.4 

13.9 

Frühjahrsströmling  von 
Stockholm 

55,2 

24,8 

29,2 

13.4 

Hering  des  weißen  Meeres 

53,6 

25o 

3°,6 

12,4 

Frühjahrshering  des  Zuider- 
sees 

55-3 

24,1 

3M 

14,3 

Herbsthering  der  Ostküste 
Schottlands 

56,5 

24,6 

— 

14,8 

Herbsthering  der  südöst- 
lichen Nordsee 

56.4 

24,9 

— 

15,0 

Herbsthering  der  Jütland- 
bank 

56,6 

— 

31,0 

14.5 

Herbsthering  der  westlichen 
Ostsee 

55-7 

25-5 

3i,o 

14,5 

Da  nun  diese  verschiedenen  Rassencharaktere  in  verschiedenen 
Jahren  an  den  gleichen  Stellen  die  gleichen  sind,  so  ist  anzunehmen, 
daß  sie  erblich  sind. 

Nun  aber  ist  mit  Hilfe  dieser  Erkenntnisse  die  Frage  der  Wande- 
rungen zu  lösen  und  da  ist  es  klar,  daß  es  möglich  sein  muß,  deren  WTeg 
zu  bestimmen,  wenn  man  an  den  verschiedensten  Stellen  und  zu  den 
verschiedensten  Zeiten  Heringe  als  Stichproben  fängt  und  deren  Rassen- 
zugehörigkeit bestimmt.  Der  Erfolg  hängt  also  davon  ab,  daß  es  gelingt, 
für  jedes  einzelne  Individuum  die  Rasse  festzustellen.  Das  ist  ohne 
weiteres  in  Anbetracht  der  Variabilität  der  Merkmale  nicht  möglich. 
Ein  Hering  z.  B.  bei  dem  man  56  Wirbel  und  14  Kielschuppen  findet, 
kann  so  ziemlich  allen  Rassen  angehören.  Auf  Grund  der  Wahrschein- 
lichkeitsrechnung ließ  sich  nun  doch  eine  Methode  finden,  die  Schwierig- 
keiten zu  umgehen.  Wenn  man  möglichst  viele  Merkmale  ins  Auge  faßt, 
so  hat  jedes  einzelne  seine  Variabilitätsreihe  nach  den  Gesetzen  des 
Zufalls.  Es  kann  also  ein  zufällig  herausgegriffenes  Individuum  in  be- 
zug  auf  eine  Eigenschaft  dem  Mittelwert  entsprechen,  aber  auch  ein  mehr 
oder  minder  entfernter  Minus-  bzw.   Plusabweicher  sein.     Es  besteht 


—     90     — 

nun  eine  gewisse  Unabhängigkeit  in  der  Variabilität  der  einzelnen  Eigen- 
schaften, so  daß  dasselbe  Tier  in  der  einen  ein  Plus-,  in  der  anderen  ein 
Minusabweicher  sein  kann.  Werden  nun  möglichst  verschiedene  Eigen- 
schaften eines  Individuums  in  bezug  auf  ihre  Abweichung  vom  Mittel- 
wert der  Rasse  betrachtet,  so  zeigt  sich,  daß  diese  Abweichungen  sich 
auch  nach  den  Gesetzen  des  Zufalls  gruppieren  (wenn  man  sie  in  einer 
bestimmten,  durch  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  festgelegten  Ein- 
heit betrachtet),  daß  also  die  geringeren  am  häufigsten,  die  größten 
am  seltensten  auftreten.  Oder  mit  anderen  Worten :  Bei  der  zufälligen 
Kombination  einer  sehr  großen  Anzahl  von  Eigenschaften  im 
Individuum,  sind  die  Abweichungen  in  den  einzelnen  Eigenschaften  (in 
der  gleichen  Einheit,  ihrem  wahrscheinlichen  Fehler  ausgedrückt)  im 
Prinzip  genau  die  gleichen  Zahlen  wie  die  Abweichungen  einer  Eigen- 
schaft bei  zahlreichen  Individuen,  oder,  auf  die  gleiche  Einheit  bezogen 
ist  die  Variationsreihe  einer  Eigenschaft  für  viele  Individuen  die 
gleiche  wie  die  vieler  Eigenschaften  für  ein  Individuum. 

Nun  ist  es  eine  charakteristische  Eigenschaft  einer  jeden  normalen 
Variationsreihe,  daß  die  Summe  der  Quadrate  der  Abweichungen  vom 
Mittel  ein  Minimum  ist:  berechnet  man  aus  irgendeiner  der  im  2.  Vor- 
trag aufgeführten  Reihen  diese  Summe,  so  ist  sie  immer  kleiner  als 
irgendeine  Summe,  die  auf  die  Abweichungen  von  irgendeinem  anderen 
als  dem  Mittelwert  berechnet  werden  kann,  sie  ist  ein  Minimum.  Nehmen 
wir  z.  B.  die  Zahlen  21,  22,  25  und  28,  so  ist  das  Mittel  24,  die  Abwei- 
chungen von  ihm  sind  —3,  —2,  +1,  +4,  und  deren  Quadrate  9,  4, 
1,  16,  die  Ouadratsumme  also  30.  Berechnet  man  diese  Summe  nun 
auf  irgendeine  andere  Zahl  als  den  Mittelwert,  z.  B.  23,  dann  muß  sie 
größer  sein.  Die  Abweichungen  sind  dann  — 2,  — 1,  +2,  +5  und  die 
Quadrate  4,  1,  4,  25,  die  Quadratsumme  also  34,  d.  h.  sie  ist  größer  als 
jene.  Das  würde  für  jeden  anderen  Wert  ebenso  stimmen,  d.  h.  also, 
die  Quadratsumme  der  Abweichungen  vom  Mittelwert  ist  ein  Minimum. 
Aus  dieser  Tatsache,  im  Zusammenhang  mit  dem  Vorhergehenden, 
ergibt  sich  somit  die  Möglichkeit,  die  Zugehörigkeit  eines  jeden  Indi- 
viduums zu  einer  Rasse  zu  bestimmen :  es  gehört  der  Rasse  an,  auf  deren 
Mittelwerte  bezogen  die  Quadratsumme  aller  Abweichungen  aller  Eigen- 
schaften ein  Minimum  ist.    Es  wird  also  z.  B.  ein  Hering  im  Weißen  Meer 


—     91     — 

gefunden,  der  nach  seiner  Wirbelzahl  58  ein  norwegischer  Frühjahrs- 
hering, ein  Herbsthering  der  Jütlandbank  oder  ein  Weißmeerhering 
sein  kann.  Berechnet  man  nun  für  eine  Menge  von  Eigenschaften  dieses 
Tieres  die  Ouadratsumme  der  Abweichungen  von  den  Mitteln  jener 
drei  Formen,  so  erhält  man  —  so  ist  es  in  einem  von  Heincke  berech- 
neten Fall  —  bei  der  Berechnung  auf  Mittel  der  Rasse  von 
Weißem  Meer  3,213 

Norwegischem  Frühjahrshering        3,696 
Jütlandbank  6,317. 

Es  ergibt   sich   also   ein    Minimum    für   den    Weißenmeerhering,   dieser 
Rasse  gehört  also  das  Individuum  an  1. 

Wenn  wir  von  den  rein  praktischen  Ergebnissen  absehen  —  und  es 
sei  bemerkt,  daß  Duncker  die  gesamten  Resultate  bei  einer  anderen 
Fischgruppe,  den  Syngnathiden  bestätigen  konnte  —  so  ist  es  klar,  daß 
durch  derartige  mustergültige  Untersuchungen  die  zuverlässigsten 
Grundlagen  für  die  Vererbungslehre  geschaffen  werden,  die  allergenauste 
Kenntnis  der  Elemente,  mit  denen  sie  arbeitet,  der  elementaren  Ein- 
heiten der  Organismen  weit.  Wir  sind  imstande,  bei  einem  Hering 
seine  Familienzugehörigkeit  auf  das  genauste  zu  bestimmen  und  er- 
sehen daraus  die  Existenz  typisch  verschiedener  Rassen,  die  als  nichts 
anderes  vorzustellen  sind,  als  etwa  die  Rassen  der  Haustiere.  Bei  einer 
Bulldogge  ist  es  nun  selbstverständlich,  daß  ihre  Nachkommen  auch 
Bulldoggen  sind,  die  Rasseneigentümlichkeiten  sind  also  erblich.  Sollen 
solche  Rassen,  wie  beim  Hering  oder  der  Seenadel,  aber  wirklich  Etappen 
in  der  Bildung  neuer  Arten  sein,  so  müssen  ihre  Charaktere  erblich  sein. 
Andernfalls  sind  sie  nichts  anderes  als  jene  oben  besprochenen  Lebens- 
lagevariationen, etwa  wie  beim  Koloradokäfer,  die  sofort  mit  dem  Wechsel 
der  Lebenslage  in  andere  übergeführt  werden  konnten.  Solche  Rassen 
hätten  aber  mangels  Erblichkeit  keine  Bedeutung  für  die  Artbildung, 
sie  wären  nur  der  wechselnde  Ausdruck  wechselnder  äußerer  Bedingun- 
gen. Kann  nun  mit  jenen  statistischen  Untersuchungsmethoden  diese 
elementare  Frage,  erbliche,  für  die  Artbildung  wesentliche  Rasse  oder 


1  Die  hier  gegebenen  Zahlen  stellen  nicht  direkt  die  Quadratsumme  der  Ab- 
weichungen, sondern  diese  dividiert  durch  die  Eigenschaftenzahl  dar.  Es  ist  dies  aus 
gewissen  Gründen  praktischer,   ergibt  aber  natürlich  prinzipiell  das  gleiche. 


—     92     — 


nichterbliche  Lebenslage  Variation,  gelöst  werden?    Wenn,  wie  wir  gleich 
sehen  wollen,  diese  Frage  verneint  werden  muß,  so  sind  wir  damit   an 


Norw  Fr.-  Hering  u.Weifs.  Meer- Hering  gemischt  58  *  50  Jnd. 

0/ 

26 
2  4 
22 
20 
16 
16 
14 
12 
10 
6 
6 
4 
2 
0 

1 

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1 

1 

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1       < 

1 

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L 

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I 

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" 

5 

fr6 

"■-- 

Wirbel:       Sl 

52                53               51                5b                56                57                58                59               CO                61 

Fig.  38- 
Die  zweigipflige  Kurve  für  die  Wirbelzahl  eines  Gemisches  von   58  norwegischen  und 
50    Weißmeerheringen     (punktiert),    verglichen    mit    einer    idealen    eingipfligen    Kurve. 

Nach  Heinck  e. 

der  Grenze  der  mit  der  statistischen  Methode  für  die  Genetik  zu  er- 
langenden Ergebnisse  angelangt.  Sie  kann  zu  so  glänzenden  und  prin- 
zipiell bedeutungsvollen  Ergebnissen  führen,  wie  die  bisher  vorgetrage- 
nen :  am  Punkte  der  Erb- 
lichkeitsfrage muß,  —  und 
wir  sind  jetzt  von  den  ver- 
schiedensten Seiten  her  zu 
dem  gleichen  Schluß  ge- 
kommen —  eine  neue  Me- 
thode einsetzen,  das  Ver- 
erbungsexperiment. 

Da,  wo  rein  statistische 
Untersuchungen  vorliegen, 
wird  der  Schluß  auf  die  Anwesenheit  verschiedener  Rassen  in  einem  Indi- 
viduengemenge auf  das  Auftreten  zwei-  oder  mehrgipfeliger  Variations- 


10      12 


Fig.  39- 
Kurve    der    Strahlenblütenzahl    einer    Population    von 
Chrysanthemum    segetum   mit    beigesetzten    Frequenz- 
zahlen.    Nach  de  Vries. 


—     93     — 

kurven  gestützt.  Der  Schluß  kann  auch  richtig  sein,  er  muß  es  aber  nicht 
sein.  In  dem  Werk  über  den  Hering  findet  sich  eine  derartige  Kurve,  so 
wie  sie  aussehen  würde,  wenn  man  sie  für  die  Variabilität  der  Wirbelzahl 
bei  einem  Gemisch  von  norwegischen  und  Weißenmeerheringen  konstruierte 
(Fig.  38).  Aus  der  Zweigipfligkeit  würde  man  auf  die  Anwesenheit  ver- 
schiedener Rassen  schließen.  Wenn  in  dem  vorliegenden  Fall  auch  noch 
zahlreiche  andere  Eigenschaften  berücksichtigt  wurden,  so  liegt  doch  im 
Prinzip  das  gleiche  vor,  wie  wenn  nur  diese  Kurve  betrachtet  würde :  Die 


Fig 


40. 


Die    Auflösung    der    Kurve    von  Fig.  39  in    zwei  eingipf lige  Kurven  entsprechend  den 

Rassen  A  und  B.     Nach  de  Vries. 


Rassen  werden  aus  der  Differenz  der  Mittelwerte,  die  sich  bei  genügender 
Größe  als  Zweigipfeligkeit  ausdrückt,  erkannt.  Es  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen,  daß  eine  solche  Diagnose  das  richtige  treffen  kann ;  den  Beweis 
dafür  aber  bringt,  wie  de  Vries  und  vor  allem  Johannsen  scharf 
hervorheben,  nur  das  Vererbungsexperiment.  Ein  Beispiel,  in  dem  die 
Voraussetzung  in  der  Tat  bestätigt  wurde,  ist  der  bekannte  Fall  des 
Chrysanthemum  segetum  nach  de  Vries.  Dieser  Forscher  erzog 
die  gelbe  Kornblume  aus  einem  Samengemisch,  das  aus  botanischen 
Gärten  stammte  und  erhielt,  wenn  er  die  Zahl  der  Strahlenblüten  be- 
trachtete, die  nebenstehend  wiedergegebene  zweigipfelige  Kurve  (Fig.  39) 
mit  je  einem  Gipfel  bei  13  und  21  Blüten.     Um  nun  zu  beweisen,  daß 


—     94     — 

es  sich  hier  um  ein  Gemenge  von  2  erblichen  Rassen  handelt,  wurden 
einmal  sämtliche  nicht  13  strahlige  Köpfchen  vor  ihrer  Befruchtungs- 
fähigkeit entfernt,  das  andere  Mal  sämtliche  nicht  21  strahlige  und  dann 
die  Samen  dieser  Kurvengipfelindividuen  geerntet  und  getrennt  aus- 
gesät. Jede  Saat  ergab  dann  eine  eingipfelige  Kurve  mit  dem  Gipfel 
bei  13  bzw.  21  (Fig.  40)  und  diese  Kurve  blieb  auch  in  weiteren 
Generationen  konstant,  d.  h.  die  Existenz  zweier  verschiedener 
Rassen  im  Gemenge,  die  die  Zweigipfligkeit  bewirkt  hatten,  war  er- 
wiesen. 

Um  auch  noch  ein  zoologisches  Beispiel  anzuführen,  so  ergab  sich 
ein  entsprechendes  Resultat  aus  den  Untersuchungen  von  Jennings 
für  Paramaecium.  Nimmt  man  eine  beliebige  Kultur  dieser  Infusorien 
und  mißt  die  Variabilität  für  Länge  oder  Breite,  so  kann  man  eine  zwei- 
gipflige Kurve  erhalten,  wie  sie  nebenstehend  für  die  Breite  abgebildet 
ist  (Fig.  41).  Sie  zeigt  einen  Gipfel  bei  32  //  (genauer  Mittelwert  33,4) 
und  einen  anderen  bei  48^  (genauer  ^1=48,9).  Züchtet  man  nun  die 
Glieder  der  beiden  Kurvenbezirke  getrennt,  so  erhält  man  eine  Kultur 
mit  kleinen  Tieren  und  eine  mit  großen,  die  im  Rahmen  einer  normalen 
fluktuierenden  Variabilität  konstant  bleiben.  In  diesem  Fall  handelt 
es  sich  also  auch  um  ein  Gemisch  von  zwei  erblichen  Rassen,  bei  denen 
man  übrigens  die  kleinere,  die  aurelia-Form,  auch  an  dem  Besitz  von 
zwei  Nebenkernen,  die  große,  die  caudatum-Form  durch  einen  Neben- 
kern unterscheiden  kann.  Diese  beiden  doppelgipfligen  Kurven  sind  nun 
auch  geeignet,  uns  eine  bisher  noch  nicht  besprochene  Erscheinung  zu 
illustrieren,  nämlich  die  transgressive  Variabilität.  Zwei  einander  nahe- 
stehende Formen,  Rassen,  können  sich  in  ihren  Variationskurven  über- 
schneiden. Wenn  man  Exemplare  der  Paramaecien  auswählte,  die  dem 
Tal  zwischen  den  beiden  Kurvengipfeln  angehören,  so  könnten  sie 
ebensogut  dem  einen  wie  dem  anderen  Typus,  aurelia  wie  caudatum 
zuzuzählen  sein.  Denn  das  Variationsgebiet  der  beiden  Typen  über- 
schneidet sich,  ist  transgressiv.  Die  Entscheidung,  was  vorliegt,  kann 
nur  erbracht  werden,  wenn  das  betreffende  Stück  isoliert  fortgepflanzt 
wird.  Also  auch  diese  Erscheinung  der  Transgression  deutet  darauf  hin, 
daß  die  wirkliche  Analyse  einer  solchen  Kurve  nur  durch  das  Vererbungs- 
experiment erbracht  werden  kann. 


—     95     — 

Immerhin  hatte  sich  in  diesen  beiden  Fällen  der  Schluß  auf  Rassen- 
verschiedenheit, der  durch  bloße  Betrachtung  der  zweigipfligen  Kurve 
gezogen  worden  war,  als  richtig  erwiesen.  Wie  sehr  ein  solcher  Schluß 
aber  irreführen  könnte,  wird  sofort  klar  werden,  wenn  wir  einige  andere 
Beispiele  solcher  Kurven  ins  Auge  fassen. 


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5 

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1 

20        24        28         32        36         40         44        48 


b-' 


56      60      64       6S      72      76       80 


Fig.  41. 

Zweigipflige    Variationskurve     für    die    Körperbreite    einer    Paramaecienpopulation,    die 
Gipfel  a  und  A    den  Formen    aurelia  und  caudatum  entsprechend.     Nach  Jennings. 

Umstehende  Fig.  42  gibt  uns  eine  Variationskurve,  die  erhalten 
wurde  durch  Messung  einer  Kollektion  weiblicher  Nonnen,  Lymantria 
monacha,  in  bezug  auf  die  Länge  ihrer  Vorderflügel.  Das  Bild  zeigt 
eine  typisch  zweigipflige  Kurve.  Es  wäre  aber  ganz  irrtümlich,  daraus 
auf  ein  Gemenge  von  zwei  Rassen  oder  in  Bildung  begriffenen  Elementar- 
arten zu  schließen.  Ordnet  man  nämlich  das  untersuchte  Material 
nach  seiner  Zugehörigkeit  zu  den  beiden  Gipfelbezirken  und  betrachtet 
dann  seine  Herkunft,  so  zeigt  sich  in  diesem  konkreten  Fall,  daß  die 
Individuen  um  den  kleinen  Kurvengipfel  vom  Mittelwert  23  mm  alle 
aus  Puppen  gezogen  waren,  die  im  Freien  gesammelt  worden  waren 
und  zwar  in  einer  Gegend,  in  der  der  Nonnenfraß  im  Abklingen  war. 


—     96     — 

Letzteres  bedeutet  aber,  daß  die  Bedingungen  für  die  Entwicklung  der 
Schmetterlinge  keine  günstigen  sind.  Die  großflügligen  Individuen 
des  zweiten  Kurvengipfels  mit  28  mm  Gipfelgröße  aber  stammten  sämt- 
liche aus  Puppen,  die  von  den  Eiern  eines  in  guter  Kultur  gezüchteten 
Weibchens  ebenfalls  unter  den  günstigen  Bedingungen  einer  gutgepfleg- 
ten Zucht  sich  entwickelt  hatten.  Die  typische  Größendilferenz  und  die 
zweigipflige  Kurve  hat  also  ihre  Ursache  darin,  daß  ein  Gemenge  von 


\ 

\ 

/ 

\ 

19  20         21  22  23         24         25  26         27  28         2<? 


30 


Fig.  42. 

Zweigipflige    Variationskurve    für    die    Flügellänge    einer    Population    von   Lymantria 

monacha    Q . 


Individuen  aus  verschiedenen  Lebenslagen  untersucht  wurde,  sie  ist 
ein  Ausdruck  der  Lebenslagevariation,  was  nur  durch  die  biologische 
Kenntnis  des  Materials  und  nie  durch  mathematische  Analyse  der  Kurve 
erkannt  werden  kann. 

In  genau  der  gleichen  Weise  hat  sich  ein  anderer  Fall  aufgeklärt,  der 
in  der  Geschichte  der  Variationsstatistik  eine  gewisse  Rolle  spielte, 
Weldons  Entdeckung  von  zwei  vermeintlichen,  variationsstatistisch 
zu  unterscheidenden  Rassen  des  Taschenkrebses  Carcinus  maenas. 
Er  fand  nämlich  für  die  Stirnbreite  dieser  Krabben  in  Neapel,  aus- 


—     97 

gedrückt  in  Tausendsteln  der  Panzerlänge,  eine  ganz  unsymmetrische 
Kurve,  die  sich  nach  Pearsons  Berechnung  als  aus  zwei  eingipfligen 
Kurven  zusammengesetzt  erwies.  Der  eine  Mittelwert,  um  den  sich 
die  Individuen  gruppierten,  lag  bei  630  (Tausendsteln),  der  andere 
bei  654.  Die  biologische  Betrachtung  dieses  Materials  zeigte  aber 
Giard,  daß  es  sich  durchaus  nicht  um  den  Dimorphismus  zweier  Rassen 
handelte.  Er  fand  vielmehr,  daß  die  dem  niederen  Kurvengipfel  an- 
gehörigen  schmalstirnigen  Individuen  sämtlich  mit  dem  parasitischen 
Cirriped  Sacculina  oder  der  entoparasitischen  Assel  Portunion  be- 
haftet waren.  Die  Doppelkurve  war  also  der  Ausdruck  einer  verschiede- 
nen Lebenslage,  indem  die  mit  dem  Parasiten  behafteten  Individuen  sich 
in  schlechterer  Verfassung  befanden.  Giard  bemerkt  dazu  ganz  richtig, 
daß  die  statistische  Betrachtung  nicht  das  Recht  hat,  das  biologisch- 
analytische Studium  der  registrierten  Tatsachen  zu  vernachlässigen. 
Gerade  bei  Fällen  der  Behaftung  mit  Parasiten,  speziell  der  Kastration 
durch  Parasiten,  hat  man  einen  Dimorphismus  feststellen  können,  der 
sogar  mit  dem  Geschlechtsdimorphismus  zusammenhängt,  eine  Frage, 
die  in  neuerer  Zeit  genaue  Untersuchungen  erfahren  hat.  Zu  welchen 
Willkürlichkeiten  auf  solcher  Basis  ausgeführte  Analysen  führen,  geht 
vielleicht  am  besten  aus  den  Versuchen  von  Davenport,  Blankinship, 
Vernon  hervor,  die  systematische  Einheit  durch  die  Form  der  Variations- 
kurve festzulegen.  Liegt  eine  Kurve  wie  die  eben  genannte  Weldon- 
sche  vor,  die  scheinbar  eingipflig  ist,  aber  in  zwei  aufgelöst  werden  kann, 
so  haben  wir  den  Beginn  einer  Artbildung  vor  uns.  Sind  zwei  Gipfel 
vorhanden,  das  Tal  zwischen  ihnen  aber  unter  50%  groß  (oder  nach 
Vernon  85%,  der  sogenannte  Isolationsindex),  dann  liegen  zwei  distinkte 
Variationen  vor,  über  50  bzw.  85%  sind  es  aber  Spezies.  Bei  vielen 
Gipfeln  schließlich  ist  die  Art  im  Zerfall  in  viele  Elementararten  be- 
griffen. Die  Kritik  solcher  Ausführungen  ist  durch  das  vorhergehende 
und  folgende  von  selbst  gegeben. 

Die  Bemerkung  über  die  Beziehung  der  parasitären  Kastration  zum 
Geschlechtsdimorphismus  führt  dazu,  darauf  hinzuweisen,  daß  eine 
doppelgipflige  Variationskurve  auch  durch  Vernachlässigung  eines  ge- 
schlechtlichen Dimorphismus  erhalten  werden  kann.  In  umstehen- 
der   Figur  43    ist    die    Variationskurve    wiedergegeben,    die    aus    der 

G  old  sc  h  mid  t,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  7 


—     98 

Messung  der  Vorderflügellänge  bei  Nonnen  erhalten  wird,  die  sämtlich 
die  Nachkommen  eines  Elternpaares  sind.  Die  Kurve  hat  einen  Gipfel 
bei  21  und  einen  anderen  bei  28  mm.  Die  Betrachtung  des  Materials 
zeigt  sofort,  daß  dem  ersteren  die  kleineren  Männchen,  dem  zweiten  die 
größeren  Weibchen  entsprechen.  Im  allgemeinen  wird  allerdings  ein 
falscher  Schluß  aus  einer  solchen  Kurve  nicht  vorkommen,  da  ein  Ge- 
schlechtsdimorphismus von  vornherein  in  bestimmter  Weise  in  Rechnung 
gesetzt  wird,  wie  wir  im  nächsten  Vortrag  hören  werden. 


s 

4 
3 
2 
1 

A 

\ 

/ 

\ 

\ 

\ 

/ 

18         tq         10  11  22  23  24  2  5         26  27         28  29  30 


Fig.  43- 
Zweigipflige  Variationskurve  für  die  Flügellänge  einer  Familie  von  Lymantria  monacha 

(5    und  Q. 


Eine  andere  Möglichkeit,  die  aber,  besonders  in  noch  nicht  studierten 
Fällen,  zu  Irrtümern  Anlaß  geben  könnte  und  auch  gegeben  hat,  ist  das 
Vorhandensein  eines  festen  Dimorphismus.  Ein  und  dieselbe  Tierart 
oder  Pflanze  erscheint  in  zwei  typisch  verschiedenen  Formen.  Läßt 
sich  diese  Verschiedenheit  in  Zahlen  ausdrücken,  so  muß  natürlich  bei 
statistischer  Behandlung  häufig  eine  zweigipflige  Kurve  entstehen  und 
daraus  könnte  dann  auf  verschiedene  Rassen  geschlossen  werden.  Die 
Systematik,  die  ja  bewußt  oder  unbewußt  auch  statistisch  arbeitet,  hat  in 
der  Tat  diesen  Fehler  oft  begangen.    Ein  bekanntes  Beispiel  bieten  ge- 


99 


wisse  tropische  Papilioniden,  bei  welchen  prächtigen  Schmetterlingen  in 
einer  und  derselben  Art  mehrere  verschiedene  Sorten  von  Weibchen 
vorkommen,  wie  übrigens  auch  bei  einigen  wenigen  einheimischen  Formen. 


FiS-  44- 
Dipsaeus  süvestris,  normal  und  zwangsgedreht.     Nach  Baur. 


Die  Systematik  hat  denn  auch  diese  Formen  sogar  als  verschiedene  Spezies 
beschrieben,  wie  im  Fall  des  Papilio  memnon  die  Formen  Achates, 
Agenor,  und  Laomedon.  Erst  das  Zuchtexperiment  zeigte,  daß  aus 
den  Eiern  einer  Form  auch  alle  anderen  in  bestimmter  Weise  entstehen 
können  und  daß  die  Tatsachen  nur  auf  Grund  der  Mendelschen  Ver- 


100     — 

erbungsgesetze  verständlich  sind,  wie  wir  später  sehen  werden.  Auch 
für  das  Pflanzenreich  gibt  es  ganz  entsprechende  Verhältnisse  und  zwar 
besonders  in  bezug  auf  gewisse  anormale  Zustände  wie  Fasciation  (Band- 
form der  Stengel)  und  Torsion  oder  Zwangsdrehung  bei  den  sogenannten 
ständig  umschlagenden  Sippen  (Fig.  44).  De  Vries  konnte  durch  aus- 
gedehnte Versuche  zeigen,  daß  das  Auftreten  dieser  Abnormitäten 
erblich  ist.  Es  besteht  also  bei  den  betreffenden  Pflanzen,  z.  B.  Dipsa- 
cus  silvestris,  ein  fester  Dimorphismus,  derart,  daß  ein  Teil  der  Indi- 
viduen normal,  ein  anderer  Teil  tordiert  ist.  Da  das  Auftreten  der  beiden 
Typen  aber  durchaus  von  der  Lebenslage  abhängt,  so  besteht  mit  anderen 
Worten  die  Reaktionsnorm  darin,  in  bestimmten  Bedingungen  ohne 
Übergang  den  tordierten  Zustand  durch  einen  unvermittelten  Umschlag 
hervorzubringen.  Hier  würde  man  zwar  eine  zweigipflige  Kurve  nicht 
erhalten,  weil  die  Reaktion  streng  alternativ  ist.  Gäbe  es  aber  zwischen 
beiden  Zuständen  Übergangsvarianten,  wie  dies  bei  quantitativen  Merk- 
malen möglich  ist,  so  erschiene  eine  doppelgipflige  Kurve  als  Ausdruck 
einer  erblichen  dimorphen  Reaktionsnorm  in  einer  ganz  einheitlichen 
Rasse. 

Schließlich  wäre  noch  ein  Fall  zu  erwähnen,  der  bei  nicht  genügen- 
der biologischer  Kontrolle  des  Materials  zu  irrtümlich  interpretierten 
doppelgipflige n  Kurven  führen  könnte,  nämlich  der,  daß  das  unter- 
suchte Material  verschiedene  Altersklassen  enthielte.  Im  allgemeinen 
wird  ein  solcher  Fehler  natürlich  nicht  begangen  werden,  aber  gerade 
bei  Formen,  bei  denen  die  Altersbestimmung  erschwert  ist,  könnten 
leicht  solche  Irrtümer  entstehen,  wenn  es  sich  um  Eigenschaften  handelt, 
die  zwar  in  verschiedenem  Alter  typisch  verschiedene  Mittelwerte  haben, 
die  aber  nicht  weit  genug  auseinander  liegen,  um  bei  Inspektion  auf- 
zufallen. Nebenstehende  Kurve  Fig.  45  diene  als  Beispiel  eines  konstruier- 
ten Falles.  Sie  wurde  so  erhalten,  daß  die  Nasen-Steißlänge  bei  200 
jungen  Fröschen  gemessen  wurde.  Dies  Material  bestand  aber  aus  je 
100  Individuen,  die  in  den  Monaten  Juni  bis  August  gefangen  waren, 
somit  seit  der  Metamorphose  12 — 14  Monate  alt  waren,  und  je  100,  die, 
im  März  bis  Mai  gesammelt,  22 — 24  Monate  zählten.  Die  Kurvengipfel 
liegen  in  dem  Fall  nur  um  4  mm  auseinander.  Wenn  auch  beim  Frosch 
niemand  auf  die  Idee  käme,  hieraus  zwei  Rassen  zu  konstruieren,  so 


101     — 


weiß  jeder  Systematiker,  daß  das  bei  weniger  bekannten  Organismen 
schon  oft  genug  vorkam. 

Die  erwähnten  Beispiele  genügen  wohl,  um  zu  zeigen,  wie  in  Erb- 
lichkeitsfragen die  Betrachtung  der  Variationskurven  allein  nicht  ge- 
nügen kann.  Und  nun  erinnere  man  sich  an  die  obigen  Mitteilungen 
über   die    Kl ebs sehen   Studien    an    Sedum,    wo   unter   verschiedenen 

50 


HS 

40 

35 
30 

2? 
20 
15 
10 


19  20  21  22  23  24  25  26  17         28         29  30         31 

Fig-  45- 
Zweigipflige  Variationskurve  für  die  Xasensteißlänge  von  200  jungen  Fröschen. 


äußeren  Bedingungen  bei  einem  und  demselben  Objekt  die  allerver- 
schiedensten  Variationskurven,  von  halben  bis  zweigipfligen  entsprechend 
der  für  die  Art  typischen  Reaktionsnorm,  vorkommen,  ohne  daß  ein 
Rassengemenge  vorliegt.  Mit  all  dem  vorausgegangenen  und  leicht  zu 
vermehrenden  Material  zusammen  besagt  das,  daß  die  Überlegungen, 
von  denen  wir  bei  Betrachtung  der  zweigipfligen  Kurven  ausgingen, 
richtig  waren :  die  Variationsstatistik  muß  trotz  all  der  wichtigen  Resul- 
tate, die  sie  zeitigt,  und  trotz  all  der  großen  Bedeutung,  die  ihr  für  die 


—     102     — 

Analyse  des  Materials  zukommt,  an  einem  Punkt  versagen,  bei  der  Erb- 
lichkeitsfrage:  hier  können  nur  die  eigentlichen  Methoden  der  Wissen- 
schaft vom  Leben  weiterführen,  die  biologische  Beobachtung  und  das 
biologische  Experiment. 


Fünfte  Vorlesung. 

Galtons  Gesetz  vom  Rückschlag  und  Ahnenerbe. 

Wenn  wir  im  vorhergehenden  einerseits  die  große  Bedeutung  der 
statistischen  Methoden  für  eine  exakte  Analyse  des  den  Vererbungs- 
erscheinungen zugrunde  liegenden  Materials  kennen  gelernt  haben,  an- 
dererseits aber  uns  jenen  hervorragenden  Biologen  anschließen  mußten, 
die  dieser  Methode  die  Fähigkeit  absprechen,  ein  rein  biologisches  Problem, 
wie  es  das  Vererbungsproblem  selbst  ist,  zu  lösen,  so  dürfen  wir  es  doch 
nicht  unterlassen,  den  Versuch  kennen  zu  lernen,  der  gemacht  wurde, 
um  auf  rein  statistischem  Wege  zur  Erkenntnis  von  Vererbungsgesetzen 
zu  gelangen.  Denn  dieser  Versuch  Francis  Galtons  ist  nicht  nur 
durch  die  Genialität  seiner  Konzeption  bedeutungsvoll,  sondern  ist  auch 
der  Ausgangspunkt  für  eine  ganze  wissenschaftliche  Disziplin,  die  Bio- 
metrik, geworden,  die,  auch  wenn  sie  sich  wohl  in  ihrem  Ausgangspunkt 
als  irrig  erweist,  stets  ihre  wichtige  Stellung  in  der  Geschichte  der  mo- 
dernen Biologie  einnehmen  wird.  Galton  ging  von  der  Überzeugung 
aus,  daß  das  Studium  der  Erblichkeit  sich  auf  die  Analyse  einer  Vielheit 
von  Individuen  gleichen  Schlages,  auf  eine  Population  gründen  müsse. 
Um  eine  solche  als  eine  Einheit  zu  behandeln,  gibt  aber  die  Variations- 
statistik das  nötige  Instrument  an  die  Hand.  Denn  sie  läßt  einerseits 
die  Gesamtheit  der  Individuen  gemeinsam  betrachten,  während  sie  gleich- 
zeitig die  Stellung  eines  jeden  einzelnen  Individuums  in  bezug  auf  seine 
Eigenschaften  innerhalb  der  Gesamtheit  berücksichtigt.  Dieses  Vor- 
gehen erweist  sich  deshalb  als  nötig,  weil  die  Kinder  eines  Elternpaares, 
obwohl  sie  doch  das  gleiche  an  Erbmitgift  erhalten  haben,  meist  so  sehr 
voneinander  verschieden  sind,  daß  nur  die  Betrachtung  einer  großen 
Anzahl  von  Nachkommen  gleichartiger  Eltern  einen  Einblick  in  eine 


—     103     — 

etwaige  Gesetzmäßigkeit  im  Verhalten  von  Eltern  zu  Kindern  gewähren 
kann.  Es  handelt  sich  also  darum,  auf  statistischem  Wege  eine  Eltern- 
und  eine  Nachkommengeneration  in  ihren  Eigenschaften  zu  vergleichen 
um  dadurch  zu  erkennen,  in  welcher  Weise  die  Qualitäten  vererbt  werden. 
Um  das  Problem  in  Angriff  nehmen  zu  können,  mußte  nun  zunächst 
eine  Vorfrage  gelöst  werden.  Jedes  Tochterindividuum  entsteht  bei 
zweigeschlechtiger  Fortpflanzung  mit  geschlechtlich  getrennten  Indivi- 
duen bzw.  nicht  selbstbefruchtenden  Zwittern  aus  der  Vereinigung  der 
Eigenschaften  zweier  Eltern.  Sollen  also  Qualitäten  des  Tochterindi- 
viduums mit  solchen  der  Eltern  verglichen  werden,  so  müssen  sie  auf 
die  beiden  Eltern  bezogen  werden.  Es  wäre  aber  verfehlt,  dann  als 
Vergleichsobjekt  den  Durchschnittswert  der  Eigenschaften  der  beiden 
Eltern  zu  benutzen.  Denn  die  beiden  Geschlechter  sind  ja  typisch 
voneinander  verschieden,  indem  etwa  der  Mann  stärker,  größer,  weniger 
erregbar  ist,  Verschiedenheiten,  die  auch  bei  den  Nachkommen  je  nach 
dem  Geschlecht  wieder  auftreten.  Um  daher  stets  vergleichbare  Werte 
zu  bekommen,  muß  man  sie  alle  auf  ein  Geschlecht  beziehen,  also  z.  B. 
vorher  sämtliche  weiblichen  Werte  in  männliche  umrechnen.  Wenn 
sich  etwa  für  die  Größe  des  Menschen  auf  statistischem  Wege  fest- 
stellen läßt,  daß  im  Durchschnitt  (in  England)  die  Männer  1,08  mal  so 
groß  sind  als  die  Frauen,  so  muß  also,  um  einwandfreie  Zahlen  zu  er- 
halten, jeder  weibliche  Größenwert  für  die  beabsichtigte  Untersuchung 
durch  Multiplikation  mit  1,08  in  einen  männlichen  verwandelt  werden. 
Um  die  Erblichkeit  der  Größe  von  Eltern  auf  Kinder  zu  bestimmen, 
muß  daher  das  Maß  der  Kinder  bezogen  werden  auf  das  Elternmittel 
d.  h.  auf  Größe  des  Vaters  +i,o8mal  die  Größe  der  Mutter,  die  Summe 
dividiert  durch  2. 

Um  nun  mittels  dieser  Methode  zu  Resultaten  zu  gelangen,  mußte 
ein  Material  gewählt  werden,  das  leicht  eine  genügende  Zahl  von  Einzel- 
daten ergibt,  das  in  normaler  Lebenslage  aufgewachsen  war,  dessen 
Charaktere  möglichst  unabhängig  von  der  natürlichen  Zuchtwahl  und 
gut  meßbar  sind,  sowie  konstant  bei  dem  einzelnen  Individuum.  Diese 
Bedingungen  schienen  Galton  bei  zwei  Untersuchungsreihen  erfüllt, 
die  er  ausführte;  sie  beziehen  sich  auf  die  Samengröße  der  spanischen 
Wicke  (sweet  pea),  Lathyrus  odoratus,  wie  auf  verschiedene  Eigen- 


—     104     — 

Schäften  des  Menschen.  Betrachten  wir  zunächst  letzteren  Fall  und 
zwar  nur  eine  der  von  Galton  gemessenen  Eigenschaften,  die  Körper- 
größe. Sein  Material  erhielt  der  englische  Forscher  durch  Aussetzung 
eines  Preises  für  die  besten  Familienakte,  in  denen  die  gewünschten 
Daten  für  möglichst  viel  Generationen  und  Individuen  enthalten  sein 
mußten.  So  konnte  er  150  Famüienakte  sammeln,  deren  jeder  natürlich 
über  eine  große  Zahl  von  Personen  Auskunft  gab.  Für  die  zu  besprechende 
Reihe  der  Körpergröße  wurden  205  Elternpaare  mit  930  zugehörigen 
erwachsenen  Kindern  beider  Geschlechter  benutzt. 

Die  Körpergröße  schien  Galton  aus  den  verschiedensten  Gründen 
ein  besonders  geeignetes  Material.  Sie  ist  in  mittlerem  Lebensalter  kon- 
stant, sie  übt  keinen  bemerkenswerten  Einfluß  auf  die  Sterblichkeit, 
sie  ist  durch  die  Kombination  von  mehr  als  100  selbständig  variabeln 
Teüen,  Knochen,  Bändern,  Muskeln  usw.  bedingt.  Da  diese  für  das 
Gesamtresultat  etwa  dieselbe  Bedeutung  haben,  wie  eine  entsprechende 
Zahl  von  Nägeln  in  dem  früher  geschilderten  Zufallsapparat,  so  ist  ihre 
große  Zahl  die  Hauptursache  für  die  große  Regelmäßigkeit  der  Varia- 
tionskurve der  Körpergröße.  Sodann  spielt  die  Auswahl  nach  der 
Körpergröße  bei  der  Heirat  keine  merkliche  Rolle,  wie  sich  aus  den 
Zahlen  berechnen  ließ,  und  allein  schon  daraus  hervorgeht,  daß  auf 
27  Paare  gleicher  Größe  32  ungleicher  kamen.  Nun  ist  für  die  weitere 
Betrachtung  noch  eine  Vorfrage  zu  lösen :  sie  kann  nur  einwandfrei  sein, 
wenn  für  die  Größe  der  Nachkommenschaft  das  Elternmittel  maß- 
gebend ist  und  nicht  etwa  die  absolute  Größe  der  Eltern.  Ist  das  richtig, 
so  müssen  die  Durchschnittszahlen  für  die  Größe  aller  Kinder  von 
Eltern  gleichen  Mittels  dieselben  sein,  ob  jetzt  die  Eltern  ungleich 
oder  gleich  groß  seien.  Die  Berechnung  ergab,  daß  dies  in  der  Tat 
gleichgültig  ist  bei  Zugrundelegung  der  Zahlen  von  525  Kindern, 
so  daß  also  alle  Nachkommenzahlen  auf  das  Elternmittel  bezogen  werden 
können. 

Die  Zahlen  nun,  die  aus  928  Nachkommen  von  205  Elternmitteln 
erhalten  wurden,  sind  in  der  folgenden  Tabelle  wiedergegeben,  in  der 
die  Elternmittel  nach  Gruppen  zwischen  64,5  und  72,5  Zoll  mit  1  Zoll 
Klassenspielraum  eingeteilt  sind,  und  auf  jedes  Elternmittel  die  Zahl 
der  Kinder,  eingeteüt  nach  ihrer  Größe,  in  horizontalen  Reihen  bezogen  ist : 


105 


Eltern- 
mittel in 
Zoll 

unter 

Ö2,2|62,2 

63.2  64,2  65,2 

Gröl] 
66,2 

e  der  Kinder 
07.2  68,2  69,2 

70,2 

über 

71,2  72,2^3,2  73.2 

4) 

s 

M 

über  72,5      — 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

3 

— 

4 

— 

72,5 

—     — 

1 

2 

1 

2 

7 

2 

4 

19 

72,2 

7i,S 

— 

— 

— 

1 

3 

4 

3 

5      10 

4 

9 

2 

2 

43 

69.9 

70.5 

I 

— 

1      — 

1 

1 

3 

12 

iS     14 

7 

4 

3 

3 

68 

69,5 

69,5 

— 

— 

1 

16 

4      17 

27 

20 

33    ;    25 

20 

1 1 

4 

5 

183 

68,9 

68,5 
67.5 

1 

3 

7 
5 

1 1 
14 

16     25 
15     36 

3i 

38 

34 

2S 

49  ,  21 
38     19 

18 
1 1 

4 

4 

3 

' 

219 
211 

68,2 
67,6 

66,5 

— 

3 

3       5 

2       17 

17 

14 

13      4 

— 

— 

— 

— 

7S 

67,2 

65,5 

I 

— 

9       5 

7      " 

11      7 

7 

2 

1 

— 

— 

66 

66,7 

64,5 

1 

1 

4      4i5 

5 

— 

2 

23 

65,8 

unter   64,5 

I 

— 

2      4 

1       2       2 

I 

1 

H 

— 

Summe 

5 

7 

32 

59 

48    117 

13S  120  167 

99 

|  64 

41 

17 

14 

928 

— 

M   [  —     —   66.3  67,S  67,9|67,7  67,9  68,3  69,569,0  69,070,0]  —  |  —  ,  —  |  — 


Ziehen  wir  aber  aus  dieser  Tabelle  das  Gesamtresultat  über  die 
Größenbeziehung  der  Elternmittel  zu  den  zugeordneten  Kindermitteln 
(letzte  Spalte),  so  ergibt  sich  die  Reihe: 

Elternmittel:  64,5  65,5  66,5  67,5  68,5  69,5  70,5  71,5  72,5 

Nachkommengröße:  65,8  66,7  67,2  67,6  68,2  68,9  69,5  69,9  72,2 
Eine  nähere  Betrachtung  dieser  Zahlen  zeigt  nun  schon  auf  den 
ersten  Blick,  daß  die  Mittel  der  Nachkommenschaft  mehr  nach  dem 
Mittelwert  der  ganzen  Population,  der  bei  68,5  liegt,  verschoben  er- 
scheinen oder  mit  anderen  Worten,  daß  Nachkommen  von  Eltern,  die 
starke  Minus-  oder  Plusabweicher  sind,  wieder  mehr  zum  Mittel  der 
Population  zurückkehren.  Wenn  dieser  Rückschlag  ein  typischer  ist, 
so  muß  aus  der  Feststellung  seines  Maßes  hervorgehen,  wieviel  die 
Kinder  von  der  Abweichung  der  Eltern  vom  Mittelwert,  also  einer  ihrer 
charakteristischen  Eigenschaften,  nicht  geerbt  haben,  damit  aber  auch, 
wieviel  sie  geerbt  haben.  Es  wäre  also  die  Erblichkeit  einer  Eigenschaft 
zahlenmäßig  festgestellt.  Die  Berechnung  führt  Galton  in  folgender 
Weise  graphisch  aus:  In  umstehender  Figur  46  sind  genau  wie  in 
obiger  Tabelle  in  der  vertikalen  Kolumne  die  Elternmittel  abgetragen, 
und  durch  die  punktierten  horizontalen  Linien  wiedergegeben.  Hori- 
zontal finden  sich  dann  die  Mittel  der  Kinder,  und  zwar  ist  auf  jeder 
Elternmittellinie  die  Lage  des  zugeordneten  Kindermittels  durch  einen 


106 


dicken  Punkt  angegeben.  Der  oberste  Punkt  besagt  also,  daß  zu  dem 
Elternmittel  72,5  das  Kindermittel  72,2  gehört.  Man  sieht  also,  daß 
das  Verhältnis  von  Eltern  zu  Kindern  als  Korrelation  behandelt  wird 
und  wir  lernen  hier  somit  zugleich  einen  graphischen  Ausdruck  für  die 
Korrelation  kennen.  Die  Linie  CD  verbindet  nun  diese  Punkte,  so 
gut  es  möglich  ist.  Zieht  man  nun  die  Diagonale  AB,  so  ist  das  die 
Linie,  die  alle  Punkte  verbindet,  in  denen  sich  die  Lote  schneiden,  die 
auf  gleichen  horizontalen  und  vertikalen  Zahlen  z.  B.68  errichtet  werden. 
Würden  also  die  Kinder  genau  dieselben  Mittel  zeigen,  wie  die  zugehöri- 
gen Elternmittel,  dann  wäre  ihr 
Verhalten  graphisch  durch  die  Linie 
AB  ausgedrückt.  Ihr  abweichen- 
des Verhalten  wird  also  durch  den 
Verlauf  der  Linie  CD  wiederge- 
geben. Diese  Linie  schneidet  aber 
die  andere  ungefähr  bei  68  Zoll,  also 
etwa  in  der  Gegend  des  Mittels  der 
Population  (68,5)  was  somit  besagt, 
daß  nur  die  Nachkommen  mittel- 
mäßiger Eltern  diesen  gleichen. 
Fio.     6>  Das  Verhältnis  der  Abweichungen 

Die  graphische  Berechnung  des  Rückschlags     der  Eltern  vom  Mittel  ZU  denen  der 
nach   Galton.  .  _  ... 

Kinder  ist  nun  in  dieser  Darstellung 
gegeben  durch  das  Verhältnis  EA  zu  EC.  Dies  Verhältnis  ist  aber  genau 
das  gleiche  für  jede  mögliche  Elterngröße,  da  ja  nach  einem  Satz  der  ele- 
mentaren Geometrie  alle  Parallelen  zu  ECA  in  gleicher  Proportion  durch 
FE,  CD  und  AB  zerschnitten  werden.  Diese  Proportion  EC:  EA  ist  nun 
2:3.  Das  heißt  aber,  jeder  Sohn  ist  im  Durchschnitt  nur  2/3  so  ab- 
weichend vom  Mittelwert  als  seine  Eltern,  oder  mit  anderen  Worten, 
er  erbt  von  seinen  Eltern  2/3  vom  Wert  der  betreffenden  Eigenschaft, 
der  Körpergröße,  um  y3  aber  findet  ein  Rückschlag  zum  Mittel  der 
Population  statt.  Die  gleiche  Zahl  findet  man  natürlich  durch  direkte 
Berechnung,  wenn  man  das  Verhältnis  jeder  Nachkommenabweichung 
vom  Mittelwert  zu  der  Elternabweichung  feststellt  und  von  sämtlichen 
das  Mittel  nimmt,  die  Erblichkeitsziffer  2/3. 


—     107     — 

Der  zweite  Versuch,  bei  einem  anderen  Objekt  eine  ähnliche  Gesetz- 
mäßigkeit festzustellen,  bezog  sich  auf  die  Samengröße  von  Lathyrus. 
Es  wurden  7  Gruppen  von  je  10  Samen  genau  des  gleichen  Gewichts 
hergestellt,  die  Gruppen  von  verschiedener  Schwere.  (Samengröße  und 
Gewicht  fanden  sich  völlig  proportional.)  Die  7  Sätze  wurden  dicht 
nebeneinander  auf  einzelnen  Beeten  unter  gleichgünstigen  Bedingungen 
ausgesät  und  der  Versuch  gleichzeitig  an  mehreren  Lokalitäten  in  gleicher 
Weise  ausgeführt.  Die  Samen  all  dieser  Mutterpflanzen  wurden  wieder 
gemessen  und  konnten  dann  auf  die  betreffenden  Eltern  bezogen  werden. 
Die  folgende  Tabelle  gibt  das  Resultat,  die  Maße  in  Hundertstel  Zoll, 
die  Individuenzahlen  in  Prozenten: 


Durchmesser 
der 

Muttersamen 

unter 

x5 

Durchmesser  de 

15    |    16    |    17 

r  Tochtersamen 
18        19       20 

über 
21 

M  der 
Tochtersamen 

21 

22 

8 

10 

IS 

21 

13 

6 

2 

»7,5 

20 

23 

10 

12 

17 

20 

13 

3 

2 

17-3 

19 

35 

16 

12 

13 

1  i 

10 

2 

I 

16,0 

IS 

34 

12 

13 

17 

16 

6 

2 



16,3 

17 

37 

16 

13 

16 

13 

4 

1 

— 

15,6 

16 

34 

15 

18 

16 

13 

3 

1 



16,0 

'5 

46 

14 

9 

1 1 

14 

4 

2 



'5,3 

Daraus  erhalten  wir  wieder  das  Endresultat: 
Größe  der  Muttersamen:  15      16      17      18      19      20      20 

Mittlere  Größe  der  Nachkommen:     15.3  16,0  15,6  16,3  16,0  17,3  17,5. 

Daraus  läßt  sich  die  Erblichkeitsziffer  wieder  berechnen,  die  in 
diesem  Falle  kleiner  ist,  nur  y3  beträgt,  während  2/3  Rückschlag  statt- 
findet. Galton,  Pearson,  Johannsen  haben  diesen  Rückschlag 
für  verschiedene  andere  Fälle  berechnet  und  kommen  zu  ähnlichen 
Zahlen,  wenn  sich  auch  Galtons  Erwartung,  daß  die  Erbziffer  für 
viele  Fälle  eine  Konstante  sein  möchte,  nicht  erfüllte.  Zunächst  muß 
nun  gefragt  werden,  wodurch  die  Erscheinung  des  Rückschlags  bedingt 
wird,  und  darauf  gibt  Galton  eine  sehr  einfache  Antwort.  Es  ist  ja 
Tatsache,  daß  die  Mehrzahl  der  Eltern  dem  Mittelmaß  angehören,  die 
extremen  Abweicher  aber  selten  sind,  und  daher  hat  ein  besonders  ab- 
weichendes Kind  am  wahrscheinlichsten  weniger  abweichende  Eltern 
gehabt.    Nun  ist  ein  Individuum  nicht  nur  das  Produkt  seiner  Eltern, 


—     108     - 

sondern  auch  seiner  sämtlichen  Ahnen,  und  schon  in  der  10.  Generation 
hat  es  ja  1024  Ureltern.  Es  ist  nun  kein  Grund  vorhanden,  anderes 
anzunehmen,  als  daß  eine  solche  Zahl  von  Ahnen  sich  auch  zu  der  typi- 
schen Variationsreihe  der  Art  gruppieren,  also  insgesamt  den  typischen 
Mittelwert  der  Population  darstellen.  Diese  Last  des  Ahnenmittels  ist 
es  also,  die  den  Typus  von  dem  direkten  Erbe  der  Eltern  zurückzieht, 
sich  ihm  als  Rückschlag  anhängt.  Das  Mittelmaß  der  Ahnen  hindert 
auf  der  einen  Seite  die  Nachkommen  besonderer  Menschen,  sich  auch 
soweit  vom  Durchschnitt  zu  entfernen,  läßt  auf  der  anderen  Seite  die 
Nachkommen  degenerierter  Eltern  „dem  Los  entgehen,  die  ganze  Bürde 
des  väterlichen  Übels  tragen  zu  müssen"  (Pearson). 

Diese  Betrachtung  führt  aber  dazu,  festzustellen,  welches  das  Ahnen- 
erbe ist,  das  jeder  der  Vorfahren  dem  Individuum  überliefert.  Wir 
haben  gesehen,  daß  in  dem  Fall  der  Größe  des  Menschen  2/3  der  Ab- 
weichung des  Elternmittels  vom  Mittel  der  Population  auf  die  Nach- 
kommen vererbt  werden.  Nennen  wir  jene  Abweichung  D,  so  ist  die 
Abweichung  der  Nachkommen  2/3  D.  Nach  der  gleichen  Voraussetzung 
muß  aber  das  Großelternmittel  wieder  um  1/s  größer  gewesen  sein  als 
D,  das  Urgroßelternmittel  wieder  um  y3,  also  Y9  D  größer  als  jenes 
und  so  fort.  Die  Gesamtheit  der  für  das  Individuum  in  Betracht  kom- 
menden Vorfahrenabweichungen   ist  also  D  (i-t-  Y3+  1/9+  ■  .)=Ds/2- 

Nun  ist  die  tatsächliche  Abweichung  des  Individuums  2/3  D,  der 
gesamte  Erbbeitrag  seiner  Ahnen  beläuft  sich  auf  3/2  D,  es  kann 
also  jeder  Ahne  nicht  seine  ganze  Besonderheit  beigetragen  haben.  Wird 
angenommen,  daß  der  Anteil  einer  jeden  Vorfahrengeneration  um  den 
gleichen  Teil  verkürzt  wurde,  so  muß  dies  geschehen  sein  um  2/3  :  3/2  = 
4/9.  Für  den  gleichen  Wert  läßt  sich  durch  eine  andere  Überlegung 
die  Zahl  6/1]L  finden  und  das  Mittel  aus  diesen  beiden  Berechnungen 
beträgt  genau  y2.  Es  ist  also  anzunehmen,  daß  zu  der  Gesamtab- 
weichung des  Individuums  vom  Rassenmittel,  seinem  Ahnenerbe,  das 
Elternmittel  die  Hälfte  beiträgt,  die  andere  Hälfte  von  allen  übrigen 
Ahnen  geliefert  wird,  also  y4  vom  Großelternmittel,  y8  von  den  Ur- 
großeltern usw.,  von  jedem  der  einzelnen  Eltern  und  Vorfahren  natür- 
lich die  Hälfte  dieser  Werte.  Dieses  Galtonsche  Gesetz  des  Ahnen- 
erbes läßt  sich  am  einfachsten  in  nebenstehend  abgebildeter  graphischer 


109     — 

Darstellung  fassen  (Fig.  47).  Die  Fläche  des  Quadrats  stellt  die  Ge- 
samterbschaft dar,  die  einem  Individuum  von  seinen  Vorfahren  in  bezug 
auf  eine  bestimmte  Eigenschaft  überliefert  wird.  Die  Größe  der  kleinen 
Quadrate,  in  die  das  große  Quadrat  geteilt  ist,  gibt  das  Maß  des  Erb- 
anteils wieder,  den  die  verschiedenen  Ahnen  beitragen.    Jede  senkrechte 


2     | 

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Fig-  47- 
Graphische    Darstellung    des    Gesetzes    vom    Ahnenerbe.      Erklärung    im    Text.      Nach 

Galton  aus  Thomson. 


Reihe  von  Quadraten,  an  deren  Spitze  die  Quadratzahlen  von  2  stehen 
(2,  4,  8,  16  usw.)  entspricht  einer  Ahnengeneration,  also  die  erste  Reihe 
den  Eltern,  die  zweite  den  Großeltern  usw.  Die  Zahl  der  betreffenden 
Vorfahren  ist  dann  natürlich  durch  die  Zahl  der  vertikalen  Ouadrate 
gegeben,  also  2  Eltern,  4  Großeltern,  8  Urgroßeltern.  Indem  das  Indi- 
viduum, dessen  Ahnenerbe  dargestellt  ist,  mit  1  bezeichnet  wird  und 


—     110 

alle  Quadrate  fortlaufend  numeriert  sind,  trägt  jeder  männliche  Vorfahre 
eine  gerade,  jeder  weibliche  eine  ungerade  Zahl.  Es  hat  somit  für  jedes 
beliebige  Individuum  des  Stammes  mit  der  Nummer  n  der  Vater  die 
Nummer  2»,  die  Mutter  die  Nummer  2  n  +  1.  Die  Ahnenquadrate  sind 
nur  für  4  Generationen  eingetragen,  alle  vorhergehenden  tragen  sichtlich 
das  weißgebliebene  Sechzehntel  bei. 

Dieses  auf  mehr  theoretischem  Wege  erschlossene  Gesetz  suchte  nun 
Galt 011  auch  durch  kontrollierbare  Tatsachen  zu  beweisen  und  benutzte 
die  dazu  von  einem  Züchterklub  geführten  Stammbäume  einer  Dachs- 
hundzucht.    Diese  werden  in  zwei  Rassen  gezogen,  von  denen  die  eine 


weiß  und  gelbbraun  gefleckt  ist,  wozu  bei  der  anderen  noch  schwarz 
hinzukommt.  Er  konnte  dann  aus  den  Stammbäumen  entnehmen,  ob 
und  wie  viele  Vorfahren  in  4  Generationen  für  ein  jedes  Individuum 
zwei-  oder  dreifarbig  waren.  Unter  Zugrundelegung  der  Annahme, 
daß  auch  für  diesen  Fall  die  gleichen  Zahlengesetze  für  das  Ahnenerbe 
gelten,  und  unter  Einführung  der  aus  den  Zuchtzahlen  sich  ergebenden 
notwendigen  Korrekturen  wurden  dann  aus  dem  bekannten  Verhalten 
der  Vorfahren  in  bezug  auf  Farbe  berechnet,  wie  groß  die  Zahl  ihrer 
Nachkommen  mit  Zwei-  bzw.  Dreifarbigkeit  theoretisch  sein  müsse. 
Die  errechnete  Zahl  für  Dreifarbigkeit  war  dann  im  ganzen  571  Nach- 
kommen, die  wirkliche  Zahl  568,  also  eine  ganz  genaue  Übereinstimmung ; 
Galton  betrachtet  somit  sein  Gesetz  auch  für  im  konkreten  Fall  be- 
wiesen. 

Die  nun  besprochenen  Entdeckungen  Galtons  sind  zum  Ausgangs- 
punkt einer  ganzen  Richtung  der  Biologie  geworden,  die  von  der  Über- 
zeugung ausgeht,  daß  diese  Wissenschaft  erst  dann  ein  den  exakten 
Naturwissenschaften  ebenbürtiges  Niveau  einnehmen  wird,  wenn  sie 
ebenso  mit  meßbaren  Größen  arbeitet,  deren  Verwertung  für  biologische 
Probleme  auf  dem  Wege  der  Statistik  geschehen  muß.  Speziell  in  bezug 
auf  das  Gesetz  vom  Rückschlag  und  vom  Ahnenerbe,  sagt  Pearson 
direkt:  „Es  ist  höchstwahrscheinlich,  daß  es  das  einfache  deskriptive 
Gesetz  ist,  durch  das  all  die  zerstreuten  Strahlen  des  Erbeinflusses  in 
einem  Brennpunkt  vereinigt  werden.  Wenn  Entwicklung  in  Darwin- 
schem Sinn  durch  natürliche  Zuchtwahl  und  Vererbung  bedingt  ist, 
dann  muß  das  einfache  Gesetz,  das  das  ganze  Gebiet  der  Erblichkeit 


—    111    — 

umfaßt,  sich  für  den  Biologen  als  ebenso  epochemachend  erweisen,  als 
das  Gravitationsgesetz  für  den  Astronomen."  Galtons  Nachfolger, 
an  ihrer  Spitze  Pearson,  haben  dann  auch  eine  Fülle  von  Arbeit  darauf 
verwandt,  jene  Gesetze  mathematisch  auszubauen  und  statistisches 
Material  zu  ihrer  weiteren  Begründung  beizubringen,  zu  dessen  exakter 
Betrachtung  besondere  Methoden  entwickelt  wurden.  Speziell  in 
England  und  Amerika  war  die  biometrische  Schule  zu  hoher  Blüte 
gelangt  und  es  schien  schon,  daß  von  hier  aus  eine  Reformation  unserer 
Wissenschaft  beginnen  sollte.  Von  welcher  Tragweite  die  so  gewonnenen 
Resultate  sein  könnten,  wenn  sie  richtig  sind,  geht  vielleicht  am  klarsten 
aus  ihrer  Anwendung  auf  die  menschliche  Gesellschaft  hervor.  Galton, 
der  ja  auch  als  der  Vater  der  modernen  Rassenhygiene  zu  betrachten 
ist,  wies  schon  darauf  hin,  wie  aus  dem  Rückschlagsgesetz  folgt,  daß 
einereits  ganz  hervorragende  Menschen  keine  Aussicht  haben,  ebenso 
hervorragende  Nachkommenschaft  zu  erzeugen,  andererseits  auch  die 
Degeneriertesten  keine  gleich  schlechten  Kinder  haben  werden.  Anderer- 
seits aber,  folgert  Pearson,  können  hervorragende  Familien  durch 
sorgfältige  Heiratsauswahl  schon  in  wenigen  Generationen  einen  her- 
vorragenden Stamm  bilden,  so  daß  Vermählungsauswahl  geradezu  zu 
einer  moralischen  Pflicht  für  die  hochstehenden  Menschen  wird.  Auf 
der  anderen  Seite  können  aber  auch  die  minderwertigsten  Elemente, 
die  der  Schlamm  der  Großstadt  birgt,  einen  festen  Stamm  bilden,  der 
durch  keinen  Wechsel  der  Umgebung  gebessert  werden  kann,  nur  durch 
Mischung  mit  besserem  Blut.  Das  ist  aber  nicht  erstrebenswert,  vielmehr 
sollten  jene  Elemente  möglichst  an  der  Fortpflanzung  gehindert  werden. 
Das  sind  aber  die  Grundideen  der  so  viel  besprochenen  Rassenbiologie, 
die  sich  aus  Galtons  Gesetzen  herleiten,  Gesetze,  die  wie  gesagt,  auf 
weite  Gebiete  der  Forschung  die  größte  Wirkung  zu  üben  begonnen 
hatten.  Da  trat  vor  wenigen  Jahren  der  entscheidende  Umschwung 
ein.  Die  hohe  Wertschätzung,  die  sich  das  biologische  Experiment 
auch  für  die  Abstammungsfragen  zu  erringen  begann,  und  vor  allem  die 
Wiederentdeckung  der  Men  de  Ischen  Bastardierungsregeln  war  es,  die 
zu  einer  kritischen  Betrachtung  der  statistischen  Gesetze  führte.  Und 
da  waren  es  gerade  Forscher,  die  von  der  biometrischen  Schule  aus- 
gegangen  waren,   wie   Bateson,    Johannsen,   Davenport,    Pearl, 


—     112     — 

Darbishire,  die  nun  zu  der  Überzeugung  kamen,  daß  jener  Weg  ein 
prinzipiell  falscher  ist,  indem  er  nur  zur  Entdeckung  statistischer  Gesetz- 
mäßigkeiten führt,  die  mit  den  biologischen  Gesetzen  nichts  zu  tun 
haben.  Und  so  sehen  wir,  daß  heute  gerade  die  Biologen,  die  die  moderne 
Genetik  am  weitesten  gefördert  haben,  in  bewußtem  Gegensatz  zur 
Biometrik  stehen,  ein  Kampf,  von  dem  wir  allerdings  in  Deutschland, 
wo  die  Biometrik  nur  ganz  vereinzelt  Fuß  gefaßt  hat,  weniger  merken. 
Bateson  und  Johannsen,  die  Führer  dieser  biologischen  Bewegung 
auf  zoologischem  und  botanischem  Gebiet,  haben  dieser  ihrer  Über- 
zeugung in  recht  scharfen  Worten  folgendermaßen  Ausdruck  gegeben: 
„Wir  Biologen  fühlen  nur  zu  oft  unsere  Schwäche,  wenn  es  darauf  an- 
kommt, die  Zahlengesetze  auszufinden,  welche  hinter  der  bunten  Mannig- 
faltigkeit der  Variationsreihen  liegen,  und  dies  nicht  weniger,  wenn  wir 
die  modernen  physikalisch-chemischen  Theorien  und  Formeln  auf  das 
oft  so  fein  regulierte  Spiel  des  Stoffwechsels  und  der  Wachstumsvorgänge 
anwenden  sollen.  In  aller  Schwäche  ist  es  aber  unsere  Stärke,  daß  wir 
klar  erkennen,  wie  ungeheuer  kompliziert  die  lebenden  Objekte  sind, 
deren  Tätigkeiten  und  Verhalten  wir  studieren.  Wir  verlaufen  uns  nicht, 
wenn  wir  unterlassen,  die  scharf  geschliffene  mathematische  Logik  an 
ein  Beobachtungsmaterial  anzuwenden,  welches  noch  nicht  genügend  bio- 
logisch gesichtet  und  sondiert  ist,  um  einer  solchen  strengen  Behandlung 
unterworfen  zu  werden.  Die  Biologie  hat  in  vielen  Punkten  mehr  als 
genug  zu  tun  mit  der  Herbeischaffung  guter,  ich  möchte  sagen  „reiner" 
Prämissen,  sicherer  Tatsachen  klarer  Art,  für  mathematische  Be- 
handlung geeignet.  Und  hier  haben  wir  wohl  den  schärfsten  Blick,  nicht 
die  Mathematiker.  Ohne  die  Hilfe  der  Mathematik  werden  wir  aber 
keinen  Überblick  gewinnen  können;  wir  haben  den  Mathematikern  hier 
sehr  viel  zu  verdanken. 

Doch  weder  kann  noch  will  ich  solchen  Mathematikern  Folge  leisten, 
die  auf  der  Basis  eines  Materials,  welches  biologisch  gesehen  nicht  als 
einheitlich  aufzufassen  ist,  Formeln  entwickeln,  deren  Tragweite  sehr 
umfassend  scheint,  deren  biologischer  Wert  aber  Null  oder  gar  negativ 
sein  kann . . .  Kurz  gesagt  ist  meine  Meinung  die :  Wir  müssen  die 
Erblichkeitslehre  mit  Mathematik,  nicht  aber  als  Mathematik  treiben" 
(Johannsen). 


—     113     — 

Bateson  aber  drückt  das  gleiche  noch  viel  schärfer  aus,  natürlich 
mit  alleinigem  Bezug  auf  die  Galton  -  Pearsonsche  ausschließlich 
statistische  Methode  des  Erblichkeitsstudiums:  „Von  den  sogenannten 
Erblichkeitsstudien,  wie  sie  im  weiteren  Verfolg  von  Galtons  nicht- 
analytischer Methode  und  unter  Führung  Pearsons  und  der  englischen 
biometrischen  Schule  ausgeführt  wurden,  zu  sprechen,  ist  jetzt  kaum 
mehr  nötig.  Daß  derartige  Studien  schließlich  zum  weiteren  Ausbau 
der  statistischen  Theorie  ganz  gut  dienen  mögen,  kann  nicht  geleugnet 
werden.  Aber  in  ihrer  Anwendung  auf  die  Probleme  der  Erblichkeit 
lief  die  ganze  Arbeit  schließlich  nur  auf  eine  Verschleierung  der  Dinge, 
die  sie  offensichtlich  enthüllen  sollte,  hinaus.  Nur  eine  oberflächliche 
Kenntnis  der  Naturgeschichte  der  Erblichkeit  und  Variation  mußte 
schon  genügen,  um  Zweifel  an  der  Grundlage  dieser  fleißigen  Unter- 
suchungen entstehen  zu  lassen.  Denen,  die  in  späterer  Zeit  einmal 
sich  mit  dem  Studium  dieser  Episode  in  der  Geschichte  der  biologischen 
Wissenschaften  beschäftigen  werden,  wird  es  unbegreiflich  erscheinen, 
daß  ein  auf  so  ungesunder  Grundlage  aufgebautes  Werk  so  respektvoll 
von  der  gelehrten  Welt  aufgenommen  wurde."  Ein  hartes  Urteil,  das 
aber,  durch  den  Hinweis  auf  die  große  Bedeutung  der  statistischen 
Methode  für  die  Analyse  des  Materials  gemildert,  dem  Biologen  berechtigt 
erscheinen  muß.  Zum  Teil  wird  uns  das  erst  klar  werden  können,  wenn 
wir  die  Erscheinungen  der  Mendelschen  Vererbung  kennen  gelernt 
haben  werden.  Aber  auch  ohnedies  erscheint  dem  Biologen  ein  Grund- 
gesetz der  Biologie  schwer  begreiflich,  das  in  keiner  Weise  sich  physio- 
logisch fassen  läßt;  und  so  kann  man  Darbishire  nicht  böse  sein,  wenn 
er  die  grundsätzliche  Differenz  zwischen  einem  statistischen  und  einem 
biologischen  Gesetz  in  folgender  Weise  klarlegt :  Es  gibt  einen  alten 
Familienscherz,  der  lautet:  „Warum  fressen  weiße  Schafe  mehr  als 
schwarze?"  mit  der  Antwort:  „Weil  es  ihrer  mehr  gibt."  Wer  einem 
anderen  den  Scherz  aufgibt,  sagt  nicht  dazu,  daß  er  die  einzelnen  weißen 
und  schwarzen  Schafe  im  Auge  hat,  der  Gefragte  ist  aber  stets  davon 
überzeugt.  Ist  er  ein  Biologe,  dann  sucht  er  wohl  nach  einer  physiolo- 
gischen Erklärung,  muß  dann  aber  aus  der  Antwort  erfahren,  daß  von 
dem  Futter  die  Rede  ist,  das  die  Gesamtsumme  aller  weißen  bzw.  schwar- 
zen Schafe  verzehrt.    Wäre  der  Unterschied  zwischen  einer  Massenregel 

Goldschmidt,  Vererbungswissenscliaft.     2.  Aufl.  8 


—     114     - 

und  einer  Einzelregel,  der  die  Pointe  des  Scherzes  bildet,  allgemeiner 
bekannt,  dann  könnte  keine  solche  Verwirrung  unter  den  Biologen 
herrschen,  die  sie  den  Unterschied  zwischen  einem  physiologischen,  auf 
Individuen  bezüglichen  Gesetz,  wie  etwa  die  Men  de  Ischen  Regeln, 
und  einem  Massengesetz,  wie  es  das  vom  Ahnenerbe  ist,  nicht  erkennen 
läßt.  „Man  sollte  allen,  die  sich  mit  Erblichkeitsfragen  befassen  wollen, 
den  Scherz  aufgeben;  und  wenn  sie  nicht  die  darin  verborgene  Falle 
bemerken,  sollte  man  sie  für  ihr  Vorhaben  untauglich  erklären." 

Es  hat  in  neuerer  Zeit  allerdings  auch  nicht  an  Versuchen  gefehlt, 
Galtons  Gesetz  mit  den  modernen  mendelistischen  Resultaten  in  Über- 
einstimmung zu  bringen.  Yule,  Thomson,  Lock,  Correns,  Przi- 
bram,  Weinberg,  Pearl  haben  sich  auf  den  Standpunkt  gestellt, 
daß  dies  möglich  ist.  Allerdings  verschwindet  auch  dann  für  das  Gesetz 
des  Ahnenerbes  die  Bedeutung  eines  biologischen  Gesetzes.  Das  einzige, 
was  sich  zeigen  läßt,  ist,  daß  es  als  statistische  Konsequenz  Mendel- 
scher  Zahlenverhältnisse  aufgefaßt  werden  kann,  wenn  in  einer  gemisch- 
ten Population,  die  durcheinander  sich  vermehrt,  Durchschnittswerte 
betrachtet  werden.  Eine  solche  statistische  Konsequenz  wirklicher 
Gesetze,  wie  der  Mendelschen,  hat  dann  natürlich  keine  weitere  bio- 
logische Bedeutung. 

Wie  gesagt  hat  all  diese  scharfe  Kritik  erst  mit  dem  Neuerwachen 
des  Mendelismus  eingesetzt.  Aber  auch  ohne  seine  Kenntnis  läßt  sich 
eine  kritische  Betrachtung  jener  Gesetzmäßigkeiten  durchführen,  wenn 
wir  ihre  wichtigste  Folgerung,  ihre  Anwendung  auf  die  Zuchtwahl,  ins 
Auge  fassen.  Wir  werden  dabei  eines  der  interessantesten  Resultate 
der  neueren  Vererbungswissenschaft  kennen  lernen. 


Sechste  Vorlesung. 

Statistische    und    biologische    Gesetze.      Johannsens    Prinzip    der 

reinen  Linien.     Die  Selektion. 

Es  ist  klar,  daß  den  von  Galton  beschriebenen  Gesetzmäßigkeiten 
die  größte  Bedeutung  zukommen  muß;  denn  falls  sie  wirklich  solche 
sind,  wäre  damit  die  Frage  der  Erblichkeit  auf  die  denkbar  beste  Grund- 


—      115 

läge  gestellt,  auf  die  sichere  Basis  eines  Zahlengesetzes.     Die  Genetik 
wäre,  wie   Pearson  sagt,   zu  einer  exakten  Wissenschaft  aufgerückt. 
Und  andererseits  wäre  damit  auch  die  neuschaffende  Wirkung  der  Zucht- 
wahl im  Darwinschen  Sinne  erwiesen.     Die  Ausgangsgeneration  zeigte 
ja  ihre  typische  Variationskurve,  d.  h.  die  ideale  Form  der  betreffenden 
Organismen  in  der  betrachteten  Eigenschaft,  z.  B.   Körperlänge,  war, 
wie  immer,  nicht  rein  verwirklicht,  sondern  es  gruppierten  sich  um  den 
idealen  Typus,  d.  h.  den  Mittelwert,  die  mehr  oder  minder  zahlreichen 
Abweichungen  in  binomialer  Verteilung.     Wenn  nun  bei  Auswahl  eines 
Plus-  oder  Minusabweichers  dessen  vom  Typus  abweichender  Charakter 
vererbt  wird  (oder  zum  Teil  nach  Maßgabe  der  Erbzahl  vererbt  wird), 
so  wird  damit  der  Typus  nach  der  betreffenden  Seite  der  Kurve  ver- 
schoben.    Gleiche  äußere  Bedingungen   vorausgesetzt,   muß   nun  auch 
in  dieser  Nachkommenserie  die  gleiche  Variabilität  auftreten  d.  h.  um 
den  neuen  durch  Selektion  erhaltenen  Typus  werden  sich  die  Abweichun- 
gen wiederum  binomial  gruppieren.     Pearson  berechnet  statistisch  in 
der  Tat  nur  eine  maximal  sehr  geringe  Verminderung  der  Variabilität. 
Auf  die  Kurve  bezogen  besagt  das,  daß  durch  einen  solchen  erfolgreichen 
Selektionsschritt  die  ganze  Kurve  nach  der  Seite  der  Auswahl,  also  z.  B. 
nach    der    Plusseite   verschoben   wird.      Ein   weiterer   Selektionsschritt 
würde  natürlich  den  gleichen  Erfolg  haben,  und  so  könnte  es  durch  in 
mehreren  Generationen  fortgesetzte  Selektion  geschehen,  daß  der  Typus 
über  die  Grenze  der  Variabilität  der  Ausgangsgeneration  hinausgeschoben 
wird  oder  mit  anderen  Worten,  daß  die  Zuchtwahl  einen  neuen  Typus 
geschaffen  hat.     Umstehendes   Schema,   Fig.  48,   veranschaulicht   uns, 
im  Anschluß  an  Lang,  wie  in  einem  solchen  Fall  die  Selektion  kurven- 
verschiebend  wirken  würde.     Die   Kurve  der  Ausgangsgeneration  hat 
den  Typus  A  ;  es  wird  ein  Plusabweicher  an  der  mit  *  bezeichneten  Stelle 
der  Variationsreihe  ausgewählt  und  dadurch  in  der  nächsten  Generation 
unter  y3  Rückschlag  in  der  Richtung  des  Pfeiles  der  Typus  nach  A1 
verschoben.    In  der  Population  dieser  Generation  wird  die  gleiche  Aus- 
wahl getroffen  und  die  Verschiebung  geht  nach  A  2 ;  noch  ist  diese  Kurve 
mit  der  der  Ausgangsgeneration  so  transgressiv,  daß  ihr  Typus  noch 
im  Bereich   von   deren  extremen    Plusab weichern  liegt.     Aber  bereits 
beim  3.  Selektionsschritt  ist  der  Typus  A3  über  die  Variabilitätsgrenze 


—     116     — 

von  A  hinausgeschoben.  Und  Pearson  berechnet  für  einen  konkreten 
Fall,  daß  durch  intensive  Zuchtwahl  in  nur  6  Generationen  Engländer 
von  6  Fuß  erblicher  Größe  gezüchtet  werden  könnten.  Die  Zuchtwahl 
vermöchte  so  in  der  Tat  zu  erreichen,  was  Darwin  von  ihr  verlangt, 
eine  allmähliche  Überführung  einer  Form  in  eine  andere. 

Es  wurde  nun  soeben  bemerkt,  daß  die  Voraussetzung  dafür,  daß 
die  Nachkommenkurve  der  Kurve  der  Eltern  analog  ist,  die  Konstanz 
der  äußeren  Bedingungen  ist,  deren  Einwirkung  auf  die  Variabilität  uns 


AI 


A2 


A3 


Fig.  4S. 
Schematische    Darstellung    der    typenverschiebenden    Wirkung    dreier   Selektionsschritte 
unter  Berücksichtigung  von  Galtons  Rückschlag.  *  die  Stellen  der  Kurven  A,  Ay,  A», 

an  denen  die  Auswahl  erfolgte. 


ja  bereits  bekannt  ist.  Schon  eine  Betrachtung  dieser  Tatsache  läßt  uns 
einem  auf  rein  statistischem  Wege  gefundenen  Gesetz  gegenüber  etwas 
vorsichtig  erscheinen.  Denn  wie  will  die  statistische  Betrachtung  diese 
Voraussetzung  berücksichtigen  und  wie  will  sie  die  durch  ihr  Nicht  - 
zutreffen  bedingten  Korrekturen  anbringen?  Galton  selbst  hat  denn 
auch  diese  Schwierigkeit  erfahren  müssen,  als  er  den  Versuch  machte, 
sein  Gesetz  auch  auf  experimentellem  Wege  zu  beweisen.  Er  wollte 
mit  Hilfe  verschiedener  Entomologen  Schmetterlinge  züchten  und  durch 
Messung  ihrer  Flügellänge  Daten  für  Erblichkeitsfragen  erhalten.  Seine 
Versuche  scheiterten  aber  „teüs  durch  die  störenden  Einflüsse  der  Ver- 
schiedenheit in  Nahrung  und  Lebenslage  auf  verschiedene  Zuchten,  an 


—     117 

verschiedenen  Orten  und  Jahren.  Es  konnten  so  daraus  keinerlei  stati- 
stische Resultate  von  einiger  Klarheit  und  Bedeutung  ermittelt  werden." 
(Man  vergleiche  dazu  unsere  oben  gegebenen  Daten  für  die  Flügellänge 
der  Nonne.) 

Die  Bedeutung  solcher  Skepsis  wird  uns  nun  sogleich  klar  werden, 
wenn  wir  betrachten,  wie  die  Wirkung  der  Selektion  durch  die  Wirkung 
von  die  Variabilität  beeinflussenden  Lebenslagefaktoren  beeinflußt  wird. 
De  Vries  hat  an  verschiedenartigen  Pflanzen  den  Einfluß  eines  Zu- 
sammenwirkens zwischen  Selektion  und  die  Variabilität  beeinflussenden 
Lebenslagefaktoren  wie  besonders  guter  Ernährung  untersucht.  Es 
hat  sich  dabei  gezeigt,  daß  reiche  Ernährung  einen  viel  bedeutenderen 
Einfluß  ausübt  als  die  Zuchtwahl.  Wurde  gute  Ernährung  verbunden 
mit  Selektion  der  Minusabweicher,  so  wurde  trotzdem  eine  starke  Kurven- 
verschiebung nach  der  Plusseite  erzielt.  Wurden  Plusabweicher  aus- 
gewählt und  mit  reicher  Ernährung  kultiviert,  so  war  die  Verschiebung 
nach  der  Plusseite  kaum  größer.  Die  allergrößte  Verschiebung  aber 
konnte  rein  durch  Ernährung  ohne  Zuchtwahl  erzielt  werden.  Um- 
stehende Fig.  49  gibt  die  graphische  Darstellung  eines  solchen  Versuchs, 
und  zwar  stellt  A  die  Ausgangskurve  dar,  B  die  Kurve,  die  bei  Minus- 
selektion mit  reicher  Ernährung  resultierte,  C  das  gleiche  bei  Plus- 
selektion und  starker  Ernährung  und  D  die  Variationskurve  bei  alleiniger 
Wirkung  sehr  reicher  Ernährung.  Die  Kurven  beziehen  sich  auf  die 
Variabilität  der  Fruchtlänge  von  Oenothera.  Sie  zeigen  im  Zusam- 
menhang mit  den  Angaben  des  berühmten  Botanikers,  daß  reiche 
Lebenslage  in  gleichem  Sinne  wirkt  wie  Plus-Selektion,  und  daß,  bei 
Konkurrenz  beider,  erstere  einmal  einwirkend1  einen  größeren  Erfolg 
erzielen  kann  als  dreimalige  Auslese  extremer  Plusvarianten.  Nicht 
immer  muß  allerdings  die  Ernährungswirkung  der  der  Auslese  über- 
legen sein,  es  kann  auch  der  umgekehrte  Erfolg  eintreten,  und  zwar  ist 
das  Resultat  nach  Einzelversuchen  und  Pflanzenarten  wechselnd. 


1  Es  sei  hier  nebenher  bemerkt,  daß  de  Vries  die  größte  Verschiebung  der 
Variabilität  bei  Einwirkung  reicher  Lebenslage  erhielt,  wenn  er  nicht  die  Tochter- 
pflanzen reich  düngte,  sondern  bereits  die  Mutterpflanzen,  ein  für  die  Züchtung  sehr 
wichtiges  Prinzip.  Seine  theoretische  Bedeutung  erhellt  aus  den  Ausführungen  über 
Praeinduktion  in  der  3.  Vorlesung. 


—     118     — 

Berücksichtigt  man  nun  diese  Tatsache,  so  ergibt  sich  daraus,  daß 
man  den  Resultaten  von  Selektionsexperimenten  auf  dem  Papier,  wie 
es  derartige  statistische  Betrachtungen,  von  denen  wir  ausgingen,  sind, 
sehr  vorsichtig  gegenübertreten  muß.  Denn  wenn  etwa  die  Lebenslage 
des  für  die  Statistik  verwandten  Individuengemenges  nicht  näher  be- 
kannt ist,  so  kann  in  einem  solchen  biologisch  unanalysierten  Material 
ein  ganz  verkehrtes  Resultat  zum  Vorschein  kommen;  es  kann  z.  B.  eine 


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215       235 


HS  5        27.5 


23.5 


37.: 


35.5         37  5       39.5        fi  5      t3.. 


Fig.  49. 
Kurven    der   Variabilität    der    Fruchtlänge    von    Oenothera    bei    Kombination    von    Er- 
nährung und  Zuchtwahl.     A  Ausgangskurve,   B  Versuch  mit  Minusselektion  und  reicher 
Ernährung,     C  Flusselektion    und    reiche    Ernährung,    D  nur    starke  Ernährung.      Nach 

de  Vries. 


Wirkung  reicher  Lebenslage  der  Selektion  gutgeschrieben  werden,  um- 
gekehrt aber  auch  ein  Fehlen  einer  Selektionswirkung  gefunden  werden, 
wo  sie  nur  durch  entgegengesetzt  wirkende  Lebenslagefaktoren  kompensiert 
wird.  Der  Ausgleich,  den  die  statistische  Betrachtung  bei  großen  Zahlen 
dadurch  erhalten  kann,  daß  alle  Lebenslagen  nach  Wahrscheinlichkeits- 
gesetzen vorliegen  müssen,  ist  selbst  bei  vorsichtigster  Statistik  wohl 
nicht  genügend,  jene  Fehlerquellen  auszuschalten. 

Sehen  wir  aber  von  diesen  Schwierigkeiten  ab,  so  steckt  in  der  Methode 
Galtons  und  seiner  Nachfolger  trotz  der  Genialität  ihrer  Begründung 


—     119 

und  Durchführung  ein  prinzipieller  Fehler.  Der  Scharfsinn  des  däni- 
schen Botanikers  Johannsen  hat  ihn  ans  Licht  gezogen  und  in  treff- 
lichen Gedanken-  wie  biologischen  Experimenten  erwiesen.  Vertrauen 
wir  uns  im  folgenden  seiner  geistreichen  Führung  an. 

Wir  haben  oben  an  Hand  jener  schematischen  Kurve,  Fig.  48,  ge- 
sehen, daß  eine  erfolgreiche  Selektion  darin  besteht,  daß  die  Variations- 
kurve als  Ganzes  nach  der  einen  Seite  verschoben  wird.  Der  Typus 
der  gewählten  Eigenschaft  des  betreffenden  Organismus,  ausgedrückt 
durch  den  Mittelwert  bei  guter  binomialer  Verteilung,  wird  an  eine 
andere  Stelle  verrückt.  Es  wird  dabei  als  ganz  selbstverständlich  an- 
genommen, daß  das  untersuchte  Material  von  einheitlichem  Typus  ist, 
denn  die  binomiale  Verteilung  der  Variabilität  tritt  ja  bei  ganz  einheit- 
lichem Material,  z.  B.  den  Nachkommen  eines  Elternpaares  gleicher  Art 
oder  Rasse  auf.  Was  heißt  das  nun,  der  Typus  ist  einheitlich?  Wenn 
wir  von  der  ungeschlechtlichen  Vermehrung  absehen,  so  entsteht  ein 
jeder  Organismus  aus  den  Geschlechtszellen.  In  diesen  muß  natürlich 
die  Fähigkeit  vorhanden  sein,  alle  die  Eigenschaften,  aus  denen  ein 
Körper  zusammengesetzt  ist,  wie  Haarfarbe,  Längenmaße,  psychische 
Fähigkeiten  zu  reproduzieren.  Wir  haben  schon  oben  gesehen,  daß 
man  diese  Eigenschaftsträger  vielfach  in  den  Chromosomen  des  Zell- 
kerns erblickt.  Sehen  wir  von  dieser  speziellen  Vorstellungsweise,  die 
uns  hier  nur  den  abstrakten  Begriff  etwas  näher  führen  soll,  ab  und  sagen 
wir  uns,  daß  wir  über  das  Wesen  und  die  Beschaffenheit,  ja  sogar  über 
die  materielle  Natur  jener  Eigenschaftsträger  uns  nicht  die  geringste 
konkrete  Vorstellung  bilden  wollen,  so  können  wir  sie  mit  Darwin 
Pangene,  mit  Weis  mann  Determinanten  oder  losgelöst  auch  von  den 
Gebäuden  der  Vererbungstheorien  mit  Johannsen  als  Gene  bezeich- 
nen. In  einem  jeden  Individuum  sind  also  die  Eigenschaften  vorhanden, 
für  welche  die  Geschlechtszellen  seiner  Erzeuger  die  Gene  enthielten. 
Es  ist  klar,  daß  dann  für  die  Erblichkeitslehre  alle  die  Individuen 
identisch  sind,  welche  dieselben  Gene  mitbekommen  haben.  Ob  sie  dabei 
auch  äußerlich  gleich  sind,  ist  gleichgültig.  In  der  Regel  werden  sie  es 
natürlich  nicht  sein,  da  sie  ja  unter  dem  Einfluß  der  Außenfaktoren  der 
fluktuierenden  Variabüität  und  funktionellen  Anpassung,  kurz  allen 
Modifikationen   unterworfen   sind,   die   die   ererbte   Reaktionsnorm  ge- 


—     120     — 

stattet.  Der  Typus  einer  Individuengruppe  im  Sinne  der  Vererbungs- 
lehre ist  also  dann  ein  einheitlicher,  wenn  er  trotz  aller  äußeren  Ver- 
schiedenheiten auch  in  seinen  sämtlichen  Abweichern  auf  der  gleichen 
Unterlage  identischer  Gene  beruht.  Johannsen  nennt  ihn  dann 
Genotypus  und  seine  sämtlichen  Glieder  sind  genotypisch  ein- 
heitlich, sie  haben  in  der  betreffenden  Eigenschaft  identische  Erb- 
träger und  können  selbst  somit  auch  nur  identische  Eigenschaften 
weiter  vererben.  Es  ist  klar,  daß  der  Genotypus  in  diesem  Sinne  auch 
nichts  anderes  ist  als  die  ererbte  Reaktionsnorm  der  sämtlichen  betrach- 
teten Eigenschaften. 

Die  zu  entscheidende  Frage  ist  nun:  Stellen  die  Individuen  einer 
einheitlich  erscheinenden  Art  oder  Rasse,  in  ihrer  Gesamtheit  eine 
Population  genannt,  auch  einen  genotypisch  einheitlichen  Bestand 
dar,  oder,  wie  man  eine  Gruppe  genotypisch  identischer  Individuen  auch 
nennt,  einen  Biotypus?  Ist  das  der  Fall,  so  könnte  auch  auf  sta- 
tistischem Wege,  bei  Einhaltung  aller  nötigen  Vorsicht,  z.  B.  Beachtung 
der  Lebenslage,  über  den  Erfolg  einer  Selektion  entschieden  werden. 
Wie  aber,  wenn  das,  was  uns  als  einheitlicher  Typus  erscheint,  gar  nicht 
ein  solcher  ist,  wenn  er  nur  ein  Scheintypus,  ein  Phänotypus  ist, 
hinter  dem  sich  ein  Gemenge  unbekannter  und  untereinander  geno- 
typisch differenter  Biotypen  verbergen  kann?  Ist  das  der  Fall,  dann 
besagt  das  Ergebnis  einer  Statistik,  ja  sogar,  wie  sich  zeigen  wird,  eines 
Experiments,  nichts  über  eine  stattgehabte  Typenverschiebung,  denn 
was  mit  der  Reihe  der  unbekannten,  hinter  dem  Phänotypus  mög- 
licherweise verborgenen  Biotypen  geschehen  ist,  wissen  wir  ja  nicht. 
Die  Vorbedingung  eines  Vererbungsversuches  ist  also  zu  wissen,  ob  die 
benutzte  Population  genotypisch  einheitlich  ist,  oder  ob  sie  ein  Typen- 
gemenge darstellt. 

In  jenen  statistischen  Gedankenexperimenten  war  nun  von  einer 
Population  ausgegangen  worden,  die  einen  Typus  mit  schöner  binomialer 
Verteilung  der  Varianten  erkennen  ließ.  Es  ist  nun  die  Frage,  ob 
eine  Berechtigung  vorliegt,  aus  der  Regelmäßigkeit  der  Variationskurve 
auf  Einheitlichkeit  des  Typus  zu  schließen.  Es  ist  ein  Vergnügen,  zu 
verfolgen,  wie  Johannsen  an  Galtons  eigenen  Zahlen  den  Beweis 
des  Gegenteils  erbringt.     Galton  hatte,  wie  wir  gesehen  haben,  sein 


—     121     — 

Regressionsgesetz  u.  a.  aus  einem  Vergleich  der  Körperlänge  der  Kinder 
einer  Menschenpopulation  mit  der  mittleren  Größe  der  Eltern  berechnet. 
Johannsen  teilt  nun  einmal  in  Galtons  Material  die  Eltern  in  drei 
Gruppen,  in  mittelgroße  zwischen  67  und  70  Zoll,  in  kleine  unter  67  und 
in  große  über  70  Zoll  und  stellt  dann  die  Nachkommen  dieser  Eltern  in 
Variationsreihen  zusammen.  Es  ergibt  sich  dabei  für  die  Nachkommen 
der  mittelgroßen  Eltern  folgende  Reihe: 

Klassengrenzen:    59,7        61,7        63,7        65,7        67,7        69.7        71,7       73,7       75,7 
Anzahl  Individuen:  1  16  76  174         201  114  26  5 

Die  Nachkommen  der  kleinen  Eltern  ergeben: 

Klassengrenzen:    59.7  61,7  63.7  65,7  67,7         69,7  71,7         73,7 

Anzahl  Individuen:  3  22  29  70  45  11  I 

Und  schließlich  die  Nachkommen  der  großen  Eltern: 

Klassengrenzen:    60,7  62,7  64,7  66,7  68.7  70,7  72,7  74,7 

Anzahl  Individuen:  1  1  6  23  50  34  19 

Nun  ergeben  diese  Reihen  folgende  Mittelwerte: 

Nach  Plusabweichern  =  70,15 
Nach  Mittelmaßeltern  =  68,06 
Nach  Minusabweichern=  66,57 

Setzt  man  dies  Resultat  nun  in  Beziehung  zur  Selektion,  so  bedeutet 
das,  daß  aus  den  größten  Eltern  durch  Zuchtwahl  ein  Nachkommen- 
typus von  besonderer  Größe,  aus  kleinsten  ein  solcher  von  besonderer 
Kleinheit  gezüchtet  wurde,  während  die  Nachkommen  der  Mittelmaß- 
eltern auch  auf  mittlerer  Größe  blieben.  Die  Zuchtwahl  hätte  also 
drei  differente  Typen  geschaffen,  den  Typus  in  der  Selektionsrichtung 
verschoben.  Nun  vereinigen  wir  aber  einmal  durch  Addition  die  Zahlen 
für  die  drei  Typen,  so  erhalten  wir  für  das  Gesamtmaterial  der  Nach- 
kommen die  Reihe: 

Klassengrenzen:    59,7        61,7        63,7        65,7        67,7        69,7        71,7        73,7        75,7 
Individuenzahl:  5  39  107  255  287  163  58  14 

Das  ist  nun  wieder  eine  binomiale  Reihe,  ebenso  wie  bei  den  einzelnen 
Typen,  ihr  Mittelwert  ist  68,09  ur,d  wir  würden,  wenn  wir  sie  allein 
vor  uns  hätten,  sagen,  daß  diese  Population  einen  Typus  der  Länge 
von  68,09  repräsentiert.     Und  doch  wissen  wir,  daß  in  der  Reihe  jene 


—     122     — 

drei  Typen  enthalten  sind  und  daraus  folgt,  daß  man  der  Reihe  eben 
von  außen  nichts  darüber  ansehen  kann,  ob  sie  einheitlich  ist  oder  nicht. 
Was  für  diese  Reihe  gilt,  gilt  natürlich  ebenso  auch  für  die  Ausgangs- 
reihe der  Selektionsstatistik,  ebenso  wie  für  jede  der  drei  willkürlich 
gebildeten  Selektionsreihen.  Es  ist  uns  unbekannt,  ob  sie  genotypisch 
einheitlich  war,  oder  ob  sie  einen  Phänotypus  repräsentierte,  innerhalb 
dessen  ein  Gemenge  einer  unbekannten  Zahl  von  Biotypen  enthalten 
war.  Der  statistische  Versuch,  Erblichkeitsgesetze  zu  finden,  arbeitet 
also  mit  nicht  analysierten  Phänotypen.  Ehe  seine  Resultate  als  er- 
folgreich hingenommen  werden  können,  müssen  die  gleichen  Versuche 
der  Selektion  zuerst  an  genotypisch  einheitlichen  Beständen  durch- 
geführt werden.  Dies  aber  ist  der  prinzipielle  Fehler,  den  Johannsen 
der  statistischen  Erforschung  der  Erblichkeitsgesetze  nachwies.  Und 
nun  tat  er  auch  den  folgenden  Schritt :  die  Analyse  der  Population  durch 
das  Vererbungsexperiment  und  die  Anwendung  der  Selektion  auf  das 
analysierte  Material.  Seine  im  Jahre  1903  erschienenen  Untersuchungen 
über  die  Erblichkeit  in  Populationen  und  in  reinen  Linien  bedeuten 
einen  der  großen  Marksteine  der  Erblichkeitsforschung. 

Johannsen  ging  bei  seinen  an  Bohnen,  Erbsen  und  Gerste  aus- 
geführten Versuchen  von  der  Voraussetzung  der  Richtigkeit  der  Galton- 
schen  Gesetze  aus.  Die  betrachteten  Eigenschaften  waren  die  Länge 
der  Bohnen,  ihre  Form,  ausgedrückt  im  Verhältnis  von  Länge  zu  Breite, 
und  die  Schartigkeit  der  Gerste,  eine  Abnormität,  bei  der  in  der  Reihe 
der  Fruchtknoten  Lücken  sind.  So  säte  er  Bohnen  von  bekannter  Größe 
aus  und  ordnete  sie  nach  Gewichtsklassen  von  10  Zentigramm  mit  einem 
Spielraum  von  25 — 85  Zentigramm.  Sodann  wurden  die  Nachkommen 
dieser  Mutterbohnen  gewogen  und  ihr  Gewicht  in  Beziehung  gesetzt 
zu  dem  jener.     Es  ergab  sich  dabei: 

Gewicht  der  Mutterbohnen:     30  40  50  60  70  80 

Mittleres  Gewicht  der  Nachkommen:    37,1  38,8         40,0  43,4         44,6  45,7 

Daraus  berechnet  sich  nach  Art  des  oben  durchgeführten  Galton- 
schen  Beispiels  eine  Erblichkeitszahl  von  y4.  Es  war  also  eine  Re- 
gression im  Galtonschen  Sinn  um  3/4  eingetreten.  Es  war  aber  bei 
diesem  Versuch  das  Material  der  sämtlichen  Pflanzen  einzeln  behandelt 
worden  und  dabei  fiel  auf,  daß  aus  gleich  großen  Mutterbohnen  Nach- 


—     123     — 

kommen  der  verschiedensten  Größe  hervorgingen.  Betrachtete  man 
z.  B.  die  Nachkommen  aus  den  größten,  80  Zentigramm  schweren  Mutter- 
bohnen, so  schwankten  sie  zwischen  35  und  60  Zentigramm.  Das  Ge- 
samtmaterial aus  den  Nachkommen  aller  dieser  schweren  Bohnen  ergab 
die  folgende  Variationsreihe: 

Klassen  in  Ztgr.:  20   25   30   35   40   45   50   55   60   65   70   75   80 
Anzahl  Bohnen:    5   iS   46   144  127  70   70   63   2S   15       4 

Die  Reihe  ist  nun  auffallend  unsymmetrisch,  was  in  Johannsen 
den  Verdacht  erweckte,  das  ihr  zugrunde  liegende  Material  möchte 
nicht  einheitlich  sein.  Und  das  führte  dazu,  als  Ausgangsmaterial  geno- 
typisch einheitliche  Bestände  zu  benutzen,  um  zu  prüfen,  ob  in  ihnen 
die  Selektion  den  gleichen  Erfolg  habe.  Ein  solches  Material  ist  aber 
in  dem  gegeben,  was  Johannsen  reine  Linien  nennt.  Schon  der 
berühmte  Rübenzüchter  Vilmorin  hatte  in  vordarwinscher  Zeit  ge- 
funden, daß  Zuckerrüben  von  gleichem  Zuckergehalt  verschieden- 
wertige  Nachkommen  ergeben,  daß  also  äußere  Gleichheit  nicht  auch 
Gleichheit  der  Erblichkeit,  genotypische  Gleichheit  bedeutet.  Er  be- 
urteilte deshalb  die  Nachkommenschaft  jeder  Pflanze  einzeln  und  konnte 
so  wirklich  gutes  Material  zur  Nachzucht  sich  aufziehen.  Dieses  Prinzip 
der  individuellen  Nachkommenbeurteilung,  wie  es  Johannsen  treffend 
bezeichnet,  wandte  er  nun  auch  für  seine  Objekte  an.  Die  benutzten 
Pflanzen  waren  ausschließlich  Selbstbefruchter,  und  das  gab  natürlich 
die  Möglichkeit,  von  einem  ideal  einheitlichen  Material  auszugehen,  das 
durch  Kreuzbefruchtung  ja  gemischt  werden  könnte.  Er  nennt  nun 
den  Inbegriff  aller  Individuen,  welche  von  einem  einzigen 
absolut  selbstbefruchtenden  Individuum  abstammen,  eine 
reine  Linie,  im  Gegensatz  zu  der  Population,  die  ein  Gemenge  von 
Individuen  ohne  feststehende  genotypische  Gleichheit  darstellt.  Eine 
solche  reine  Linie  ist  natürlich  genotypisch  einheitlich,  und  auf  sie 
müssen  die  Selektionsversuche  angewandt  werden.  Aus  dem  Bohnen- 
material konnten  nun  durch  getrennten  Anbau  nach  dem  Samengewicht 
betrachtet  19  reine  Linien  isoliert  werden,  von  denen  also  eine  jede  sich 
typisch  durch  ihr  mittleres  Gewicht  von  der  anderen  unterschied  und 
diesen  Unterschied  in  allen  Generationen  beibehielt.  Wurde  nun  aber 
innerhalb  einer  reinen  Linie  Selektion  geübt,  indem  —  die  reine  Linie 


—     124     — 

hat  natürlich  ebenso  ihre  Variationsreihe  wie  die  Population  —  die 
extremen  Plus-  oder  Minusabweicher  zur  Nachzucht  ausgewählt  wurden, 
so  war  das  völlig  erfolglos:  in  der  folgenden  Generation  war  wieder  der 
Mittelwert  der  vorhergehenden  vorhanden,  gleichgültig  von  welchem 
Punkt  der  Variationsreihe  die  Ausgewählten  stammten.  Mit  den  Aus- 
drücken Galt on s  war  also  die  Erblichkeitszahl  =  o,  der  Rückschlag, 
die  Regression  =  i,  d.  h.  vollständig,  die  Selektion  blieb  ohnmächtig. 
Die  folgende  Tabelle  Johannsens  illustriert  dies  Resultat.     Sie  gibt 


Linie 


20 


Gewicht  der  Mutterbohnen 
30  40  50 


60 


70 


I 

63,1 

64,9 

II 

57,2 

54,9 

56,5 

55,5 

III 

56,4 

56,6 

54,4 

IV 

54,2 

53,6 

56,6 

v 

52,S 

49,2 

50.2 

VI 

53,5 

5o,8 

52,5 

VII 

45.9 

49,5 

48,2 

VIII 

49,o 

49,i 

47,5 

IX 

48,5 

47,9 

X 

42,1 

46,7 

46,9 

XI 

45,2 

45,4 

46,2 

XII 

49,6 

45, 1 

44.° 

XIII 

47,5 

45,o 

45,i 

45,8 

XIV 

a  r*    a 

y- 

42,8 

45,4 

4°, 9 

XV 

46,9 

44,6 

45,o 

XVI 

45,9 

44,i 

41,0 

XVII 

44,0 

42,4 

XVIII 

41,0 

40,7 

40,8 

XIX 

35,8 

34,8 

für  jede  der  19  Linien  die  mittleren  Gewichte  der  Nachkommen  an,  die 
bei  Auswahl  von  Mutterbohnen  der  verschiedensten  Gewichte  zwischen 
20  und  70  Zentigramm  erzielt  wurden.  Betrachten  wir  darin  z.  B.  die 
Linie  XIII,  so  ergeben  die  ausgewählten  Muttersamen  von  30  Zentigramm 
Nachkommen  von  47,5  im  Mittel,  die  Muttersamen  von  40  Zentigramm 
solche  von  45,0,  Muttersamen  von  50  solche  von  45,1  und  Muttersamen 
von  60  solche  von  45,8,  d.  h.  der  Typus  der  reinen  Linie  blieb  konstant, 
ja  eher  wurde  noch  gerade  das  Gegenteil  einer  Selektion  erzielt,  indem 
die  Ideinsten  Mutterbohnen  die  größten  Nachkommen  gaben. 


—     125     — 

Die  besprochenen  Resultate  beziehen  sich  nun  zunächst  nur  auf 
den  einmaligen  Versuch;  völlig  beweisend  können  sie  erst  dann  sein, 
wenn  sie  sich  auch  bei  in  mehreren  Generationen  fortgesetzter  Selektion 
bewähren.  Und  das  ist  in  der  Tat  der  Fall.  Johannsen  führte  die  Ver- 
suche so  aus,  daß  er  innerhalb  einer  reinen  Linie  wieder  aus  den  Nach- 
kommen der  kleinsten  Mutterbohnen  die  kleinsten  und  aus  denen  der 
größten  Mutterbohnen  die  größten,  also  die  extremen  Minus-  und  Plus- 
abweicher  auswählte  und  anbaute.  In  der  Linie  XVIII  wurden  also 
z.  B.  aus  den  Nachkommen  der  kleinsten  Mutterbohnen  vom  Gewicht  20, 
die  ein  mittleres  Gewicht  von  41,0  zeigten,  wieder  die  kleinsten  der 
Variationsreihe  ausgewählt,  die  nur  zwischen  10  und  20  Zentigramm 
wogen,  und  diese  ergaben  die  Minusreihe.  Aus  den  Nachkommen  der 
größten  Mutterbohnen  von  40  g  mit  dem  Mittelwert  40,8  wurden  dagegen 
die  größten  Individuen  der  Variationsreihe,  nämlich  zwischen  60  und 
70  g,  genommen  und  als  die  Plusselektionsreihe  angebaut.  In  allen 
folgenden  Jahren  wurden  dann  immer  wieder  die  kleinsten  der  Minus- 
reihe und  die  größten  der  Plusreihe  ausgewählt.  Das  Resultat  für  die 
Linie  I  zeigt  die  folgende  Tabelle: 


Mittleres  Gewicht  der 

Mittleres  Gewicht  der 

Ernte- 

Muttersamen der  Selek- 

Nachkommensamen der 

3  —  (c 

jahr 

tionsreihe 

b  — a 

Selektionsreihe 

±m 

a  Minus 

b  Plus 

(c  Minus          ß  Plus 

1902 

60 

70 

10 

63,15 

64,85 

+  1,70+  1,27 

1903 

55 

So 

25 

75,19 

7°,S8 

-4.31  d=  1.35 

1904 

5° 

S7 

37 

54.59 

56,68 

+  2,09  +  0,57 

1905 

43 

73 

40 

63.55 

63.64 

+  0,09  ±0,69 

1906 

46 

84 

33 

74,33 

73,00 

—  1,38  ±  1,08 

1907 

56 

Si 

25 

69,07 

67,66 

—  1,41  ±  1,09 

Daß  auch  hier  fortgesetzte  Selektion  keinen  Erfolg  erzielt  hatte,  daß 
die  Regression  immer  eine  vollständige  war,  geht  besonders  klar  aus  der 
Betrachtung  der  Differenzzahlen  hervor.  1905  z.  B.  war  die  Differenz 
der  Minus-  und  Plusreihe  bei  den  Mutterbohnen  40,  bei  der  Nachkom- 
menschaft aber  +0,09  ±  0,69*,  d.  h.  nahezu  gleich  Null,  ja  im  Falle  von 


0,69  ist  hier  der  mittlere  Fehler  der  Berechnungen,  der  in  dieser  Tabelle  der 


Exaktheit  halber  mit  aufgeführt  sei. 


126 


1903  sogar  —  4,31,  d.  h.  die  Se- 
lektion hatte  eher  den  entgegen- 
gesetzten Erfolg  erzielt. 

Bei  Betrachtung  dieser  Zahlen 
fällt   nun   auf,   daß  in  den  ein- 
zelnen Jahren  des  Versuchs  der 
Mittelwert   ziemlichen  Schwan- 
kungen  unterworfen  ist.     Ihre 
Ursache  ist  nach  dem,  was  wir 
früher  gehört  haben,  ohne  wei- 
teres klar,  es  ist  der  Einfluß  der 
in  verschiedenen  Jahren  wech- 
selnden Lebenslage,  der  natür- 
lich auf  reine  Linien  ebenso  ein- 
wirkt, wie  auf  andere  Variations- 
reihen.    Man  könnte  nun  viel- 
leicht auf  die  Idee  kommen,  daß 
diese    verschiedene    Lebenslage 
für  das  Resultat   der  Versuche 
eine   Bedeutung    haben   könne, 
denn  wir  haben  ja  oben  gehört, 
daß  in  Populationen  die  Lebens- 
lagewirkung  die    der  Selektion 
übertreffen  kann .  Daß  ein  solcher 
Einwand  aber  unberechtigt  ist 
geht    daraus    hervor,    daß    das 
Resultat  sowohl  bei  Minus-  und 
Plusabweichern  als  auch  in  sämt- 
lichen 19  Linien  das  gleiche  war. 
Es  blieb  auch   das  gleiche  bei 
Berücksichtigung  anderer  Eigen- 
schaften  und  anderer  Objekte, 
und   das  Resultat  ist  als  fest- 
ig- 5°-  stehend  zu  erachten,  daß  inner- 
Illustration des  Verhältnisses  der  reinen  Linien  .  .  .    .         . 
zur  Population.     Erklärung    im  Text.     Nach   halb  einer  remen  Linie  die   be- 
Tohannsen. 


—     127     — 

lektion  wirkungslos  ist,  daß  sie  nicht  imstande  ist,  eine  genotypische 
Änderung  hervorzubringen. 

In  instruktiver  Weise  geht  das  vorerkannte  Verhältnis  der  reinen 
Linien  zu  einer  aus  vielen  Linien  zusammengesetzten  Population  aus 
nebenstehender  Fig.  50  hervor,  in  der  die  gleiche  anschauliche  Form  der 
Variabilitätsdarstellung  gewählt  ist  wie  oben  in  Fig.  18,  also  durch 
Einfüllung  der  Größenklassen  der  Bohnen  in  nebeneinandergestellte 
Röhrchen  (Treppenkurve).  Es  ist  so  die  Variabilität  von  fünf  reinen 
Linien  A — E  dargestellt,  wobei  die  Klassen  gleicher  Größe  senkrecht 
untereinander  stehen.  Unten  aber  (A — E)  ist  die  Kurve  wiedergegeben, 
die  erhalten  würde,  wenn  man  die  sämtlichen  Linien  zu  einer  Population 
zusammenschüttete.  Dieser  kann  man  nun  auf  keine  andere  Weise  als  im 
Vererbungsexperiment  nachweisen,  daß  sie  genotypisch  nicht  einheitlich  ist. 

Wie  erklären  sich  nun  auf  Grund  dieser  Forschungen  die  Resultate 
Galtons,  wie  erklärt  es  sich,  daß  die  Züchter  von  jeher  durch  Selektion 
die  gewünschten  Veränderungen  an  Tieren  und  Pflanzen  zu  erreichen 
suchen  und  oft  auch  tatsächlich  erreichen?  Es  geht  eigentlich  schon 
ohne  weiteres  aus  dem  Verständnis  des  Gesagten  hervor.  Es  wird  uns 
noch  leichter  klar  werden,  wenn  wir  einen  Blick  auf  das  instruktive 
Schema  werfen,  an  dem  Lang  das  Verhältnis  von  Phänotypus  zu 
Genotypus  erläutert  (Fig.  51),  richtiger  gesagt  von  Population  zu  Bio- 
typus. Die  große  Kurve  stellt  die  Variationskurve  dar,  die  eine  Popu- 
lation ergibt,  es  ist  die  Kurve  des  Phänotypus.  In  der  Population  sind 
nun  zahlreiche  Biotypen  enthalten,  die  hier  in  der  Zahl  der  Buchstaben 
des  Alphabets  angenommen  sind  und  mit  A — Z  bezeichnet  wurden. 
Ein  jeder  Biotypus  hat  seine  eigene  Variationskurve,  die  hier  als  viel 
kleiner  als  die  der  Population  angenommen  ist.  (Weü  nur  ein  Bruchteil 
der  in  der  Population  vereinigten  Typen  hier  vorliegt.  Daß  sie  zum 
Teil  umgekehrt  stehen,  ist  natürlich  nur  im  Interesse  der  Zeichnung  ge- 
schehen.) Es  finden  sich  also  Biotypen  vor  auf  der  Minusseite  der 
Population  (hell),  mittlere,  wie  solche  auf  der  Plusseite  (dunkel).  Die 
Population  erscheint  uns  aber  als  eine  Einheit,  weil  die  einzelnen  Kurven 
der  Biotypen  übereinandergreifen,  transgressiv  sind,  und  so  scheinbar 
in  eins  zusammenfließen.  Würde  man  nun  in  einer  solchen  Population, 
die  trotz  einheitlichem  Phänotypus   genotypisch   nicht    einheitlich  ist, 


—     128     — 

zu  einem  Selektionsversuch  Plusabweicher  der  Maßeinheit  90  auswählen, 
so  hätten  wir  Individuen  gefaßt,  die  den  Linien  W,  X,  Y,  Z  angehören. 
Die  Nachkommenschaft  kann  sich  also,  gleiche  Lebenslage  vorausgesetzt, 
nur  an  dem  Kurvenbezirk  befinden,  in  dem  diese  vier  Linien  liegen. 
Würden  sie  mit  ihrer  Minusseite  mehr  nach  links  reichen,  als  es  in  dem 
Schema  der  Fall  ist,  so  würde  sich  aus  dem  dann  mehr  nach  links  liegen- 
den Mittel  der  fünf  Linien  eine  Galtonsche  Regression  ergeben.  Es 
bestände  also  in  diesem  Falle  die  erfolgreiche  Selektion  darin,  daß  eine 
Reihe  von  Bio  typen  der  Plusseite  der  Population  ausgewählt  wurde. 


m 


Fig.  51. 
Schematische  Darstellung  des  Verhältnisses  von   Phänotypus  zu  Genotypus,  von  Popu- 
lation zu  Biotypen  bzw.  reiner  Linie.     Nach  Lang. 


Es  läßt  sich  nun  sehr  gut  denken,  daß  bei  weiteren  Selektionsschritten 
in  diesem  Material  schließlich  die  Linie  Z  allein  ausgewählt  wird,  und 
dann  würde  man  sagen,  die  Zuchtwahl  hat  den  Typus  nach  der  äußersten 
Plusseite  verschoben.  In  Wirklichkeit  hat  sie  aber  nur  den  äußersten 
konstanten  Typus  dieser  Seite  isoliert.  Von  jetzt  ab  wäre  aber  jede 
Selektion  unmöglich,  denn  es  liegt  ein  genotypisch  einheitlicher  Bio- 
typus vor,  in  dem  sie  wirkungslos  ist. 

Die  bedeutungsvollen  Untersuchungen  Johannsens  ergeben  also, 
mit  seinen  eigenen  Worten,  ,,zu  gleicher  Zeit  eine  volle  Bestätigung 
und    eine    gänzliche    Auflösung    des    bekannten    Rückschlagsgesetzes 


-     129     - 

Galtons,  was  das  Verhältnis  zwischen  Eltern  und  Nachkommen  be- 
trifft .  .  .  Eine  Selektion  in  der  Population  bewirkt  also  größere  oder 
kleinere  Verschiebung  —  in  der  Richtung  der  Selektion  —  desjenigen 
durchschnittlichen  Charakters,  um  welchen  die  betreffenden  Individuen 
fluktuierend  variieren.  Indem  ich  aber  nicht  dabei  stehen  blieb,  die 
Populationen  als  Einheiten  zu  betrachten,  sondern  mein  Material  in 
seine  reinen  Linien  auflösen  konnte,  hat  es  sich  in  allen  Fällen  gezeigt, 
daß  innerhalb  der  reinen  Linien  der  Rückschlag  sozusagen  vollkommen 
gewesen  ist :  die  Selektion  innerhalb  der  reinen  Linien  hat  keine  Typen- 
verschiebung hervorgerufen  .  .  .  Bei  der  gewöhnlichen  Selektion  in 
Populationen  wird  unrein  gearbeitet;  das  Resultat  beruht  auf  unvoll- 
ständiger Isolation  derjenigen  Linien,  deren  Typen  in  der  betreffenden 
Richtung  vom  Durchschnittscharakter    der   Populationen  abweichen." 

Im  Interesse  der  Klarheit  sei  an  dieser  Stelle  nochmals  eine  kurze 
Definition  der  benutzten  Termini  gegeben,  deren  scharfe  Unterscheidung 
Vorbedingung  einer  klaren  Erkenntnis  ist.  Es  stehen  sich  einmal 
gegenüber  Phänotypus  und  Genotypus.  Phänotypus  ist  Konstitution 
eines  Organismus,  so  wie  sie  sich  äußerlich,  d.  h,  ohne  Berücksichtigung 
der  Erbgrundlage- darstellt.  Genotypus  ist  die  innere  Konstitution  des 
Organismus,  seine  erblich  gegebene  Genkombination  oder  auch  Reak- 
tionsnorm. Population  ist  ein  unanalysiertes  Gemenge  von  Individuen. 
Da  im  Begriff  der  Population  allerdings  nicht  mit  enthalten  ist,  daß 
die  Individuen  scheinbar  der  gleichen  systematischen  Einheit  angehören, 
wie  es  beim  Gebrauch  dieses  Wortes  hier  vorausgesetzt  wurde  (Population 
von  Bohnen,  Menschen),  so  sollte  für  eine  phänotypisch  einheitliche 
Population  ein  besonderer  Terminus  benutzt  werden,  etwa  Idotypus 
oder  Homoeotypus.  Dem  steht  dann  der  Biotypus  gegenüber  als  eine 
Gruppe  von  Individuen  genotypisch  gleicher  Beschaffenheit.  Eine 
reine  Linie  ist  schließlich  der  Inbegriff  aller  ausschließlich  durch  Selbst- 
befruchtung aus  einem  Ausgangsindividuum  entstandenen  Organismen. 

Es  erhebt  sich  nun  zunächst  die  Frage,  wieweit  diese  bahnbrechen- 
den Ergebnisse  sich  durch  anderweitige  Erfahrungen  bestätigen  lassen. 
Und  da  zeigt  sich,  wenn  wir  der  Darstellung  von  de  Vries  folgen,  daß 
die  landwirtschaftliche  Praxis  eigentlich  schon  lange  vorher  prinzipiell 
das  gleiche  gefunden  hatte.    Der  englische  Getreidezüchter  Le  Couteur 

Goldschmidt,  Yererbungswisesnschaft.    2.  Aufl.  n 


V 


—     130    — 

hatte  schon  im  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  auf  ähnliche  Weise 
besondere  Getreidesorten  erhalten.  Von  einem  Besucher  auf  die  Ver- 
schiedenartigkeit seiner  Ähren  aufmerksam  gemacht,  hatte  er  einzelne 
ausgesucht  und  getrennt  angebaut  und  erhielt  dann  völlig  gleichmäßige 
Nachkommenschaft;  er  hatte  also  reine  Linien  isoliert.  Zu  einem  ent- 
sprechenden Resultate  war  auch  der  schottische  Züchter  Patrick  Shireff 
gekommen,  der  seine  neuen  Rassen  so  erhielt,  daß  er  eine  einzelne  be- 
sonders wertvolle  Ähre,  wie  er  sie  ganz  selten  auffand,  isoliert  vermehrte. 
Und  auch  in  neuerer  Zeit  ist  Hays  in  Amerika  wieder  zu  genau  der 
gleichen  Methode  gelangt.  Eine  wirkliche  praktische  Bedeutung  so- 
wie auch  wissenschaftliche  Begründung  erhielt  das  Prinzip  ferner  in 
größerem  Maßstabe  durch  die  Svalöf  er -Züchtungsmethoden,  die  eine 
Verwertung  des  Prinzips  der  reinen  Linien  schon  vor  Johann sen  be- 
deuten, wenn  auch  ohne  derartig  planmäßige  wissenschaftliche  Begrün- 
dung und  Verarbeitung. 

Man  pflegte  früher  sehr  oft  die  für  den  landwirtschaftlichen  Anbau 
bestimmten  Nutzpflanzen  in  der  Weise  zu  verbessern,  daß  man  aus  den 
Beständen  die  Individuen  auswählte,  die  die  gewünschten  Eigenschaften 
am  stärksten  zeigten  und  sie  zur  Nachzucht  benutzte.  Man  nahm  also 
eine  ganze  Anzahl  von  Individuen,  ein  Gemisch  in  bezug  auf  die  gewünsch- 
ten Eigenschaften,  wodurch  man  erreichen  wollte,  daß  auch  die  anderen, 
nicht  mit  berücksichtigten  Eigenschaften  auf  mittlerer  Höhe  erhalten 
blieben.  So  wurde  dann  in  jeder  weiteren  Generation  verfahren.  Dabei 
zeigte  es  sich  nun  meistens,  daß  in  der  Weise  eine  beabsichtigte  Aus- 
geglichenheit der  Züchtung  nicht  zu  erreichen  war.  Die  Erklärung 
dieses  Verhältnisses  wurde  nun  schon  durch  die  Untersuchung  in  Svalöf 
in  den  neunziger  Jahren,  von  N.  Hj.  Nilsson  für  Weizen  und  Hafer, 
Tedin  für  Hülsenfrüchte  und  Bolin  für  Gerste,  gegeben.  Es  wurden 
aus  allerlei  verschiedenen  alten  Getreidesorten  nach  bestimmten  Merk- 
malen, wie  Beschaffenheit  der  Ähren  und  Körner,  möglichst  viele  Typen 
ausgesucht,  und  alle  gleichartigen  Individuen  wurden  auf  je  einem  beson- 
deren kleinen  Feldchen  angebaut.  Im  folgenden  Jahre  waren  aber  auf  den 
einzelnen  Feldchen  wieder  ungleichmäßige  Bestände  vorhanden.  Nur 
einige  wenige  machten  eine  Ausnahme ;  sie  trugen  ganz  gleichförmige  Saat. 
Es  zeigte  sich  nun,  daß  man  zur  Aussaat  auf  diesen  Feldchen  nur  die 


—     131     — 

Körner  einer  einzigen  Ähre  benutzt  hatte,  weil  zufällig  der  Typus  nur 
in  einer  Ähre  vorgelegen  hatte,  während  sonst  immer  mehrere,  gleich- 
artig aussehende  Ähren  angebaut  waren.  Nun  wurde  im  nächsten  Jahre 
eine  noch  größere  Anzahl  einzelner  Pflanzen  ausgewählt  und  isoliert 
angebaut  und  sie  ergaben  in  der  Regel  einförmige  Nachkommenschaft, 
und  diese  blieb  auch  in  weiteren  Generationen  auffallend  konstant  und 
gleichförmig  in  Vergleich  mit  den  aus  mehreren  Ursprungspflanzen 
stammenden  Nachkommenschaften,  wenn  auch  diese  Konstanz  in 
Svalöf  lange  als  eine  nur  relative  aufgefaßt  wurde,  in  dem  weitere  Fixie- 
rung und  Verbesserung  der  Pedigrees  durch  fortgesetzte  Auslese  ange- 
strebt wurde.  Das  ist  das  Svalöf  er  Pedigree  verfahren.  Umstehende 
Fig.  52  —  55  zeigt  vier  Svalöfer  reine  Linien  von  Hafer,  die  jedoch  verschiede- 
nen alten  Sorten  entstammen,  die  in  ihrer  Hauptmasse  den  betreffenden 
Rispentypus  als  charakteristisches  Merkmal  besitzen.  Es  ist  selbst- 
verständlich, daß  diese  Ausgeglichenheit  einer  Linie  schon  nach  nur 
einmal  wiederholter  Auslese  nur  bei  Pflanzenarten  zum  Ausdruck 
kommt,  wo  Selbstbestäubung  normal  ist  oder  überwiegt,  wie  bei  Weizen, 
Hafer,  Gerste  usw.  und  wo  die  Linien  deshalb  überwiegend  homozygo- 
tische  Kombinationen  bezeichnen  (vgl.  unten). 

Diesen  bedeutsamen  Erfolgen  der  Botaniker  —  und  die  Ergebnisse 
Johannsens  sind  seitdem  auch  an  anderen  Objekten  bestätigt  worden 
(East,  Fruwirth  u.  a.)  —  stehen  nun  auf  zoologischem  Gebiet  noch 
nicht  gleichwertige  Resultate  gegenüber.  Immerhin  läßt  sich  bereits 
erkennen,  daß  die  gleichen  Gesetzmäßigkeiten  jedenfalls  auch  für  das 
Tierreich  Geltung  haben1.  Ob  sie  sich  an  einem  so  einwandfreien  Ma- 
terial, wie  es  Johannsen  s  reine  Linien  sind,  jemals  im  Tierreich  werden 
bestätigen  lassen,  ist  allerdings  fraglich.  Denn  reine  Selbstbefruchter 
sind  äußerst  selten  oder,  da  wo  sie  vorhanden  sind,  z.  B.  bei  den  Band- 
würmern, dem  Experiment  nicht  zugänglich.  (Neuerlich  ist  auch  im 
Tierreich  ein  solches  Objekt  erschlossen  worden.)  Einen  Ersatz  dafür 
könnten  Formen  mit  ausschließlich  parthenogenetischer  Fortpflanzung 


1  Es  ist  von  besonderem  Interesse,  daß  die  praktische  Tierzucht  schon  lange  im 
Prinzip  das  gleiche  kennt,  wie  die  Svalöfer  einmalige  Auswahl,  natürlich  kompliziert 
durch  die  zweigeschlechtige  Fortpflanzung.  Wir  werden  davon  später  bei  der  Be- 
trachtung des  Begriffes  der  Individualpotenz  näheres  hören. 


9* 


132 


Fig.  52 — 55.     Vier  reine  Linien  vom  Hafer  aus   Svalöf.      Nach  de  "\  rieb. 


—     133     — 

liefern,  oder,  wenn  man  auch  die  ungeschlechtliche  Fortpflanzungsweise 
benutzen  will,  was  nicht  absolut  einwandfrei  ist,  auch  Formen,  die  sich 
ausschließlich  ihrer  bedienen.  Die  Objekte  nun,  bei  denen  man  bisher 
entsprechend  erfolgreiche  Studien  anstellen  konnte,  fallen,  wenn  man 
den  exaktesten  Maßstab  anlegt,  nicht  völlig  unter  den  Begriff  der  reinen 
Linien.  Es  sind  Tiere,  wie  die  Daphniden,  bei  denen  eine  Zeitlang  rein 
parthenogenetische  Fortpflanzung  vorherrscht,  um  in  einem  bestimmten 
Moment  mit  einer  zweigeschlechtigen  Generation  abzuwechsein. 
Wenn  man  also  von  einem  einzigen  befruchteten  Y\  eibchen  ausgeht  und 
seine  sämtlichen  zunächst  parthenogenetischen  Generationen  betrachtet, 
so  hat  man  ja  etwas  ähnliches  wie  eine  reine  Linie,  aber  nicht  genau 
das  gleiche,  da  der  Vater  der  Ausgangsgeneration  ja  nicht  notwendig 
des  gleichen  Stammes  wie  die  Mutter  sein  muß,  wie  es  bei  einem  typi- 
schen Selbstbefruchter  der  Fall  ist.  (Er  könnte  nämlich,  was  uns  später 
verständlich  werden  wird,  ein  Mutant  sein.)  Und  auch  die  Mutter 
selbst  könnte  genotypisch  nicht  einheitlich  sein  (nämlich  heterozygot, 
was  wir  erst  später  verstehen  werden).  Wir  werden  sogleich  sehen,  daß 
wahrscheinlich  trotz  dieses  Mangels  nichts  anderes  vorliegt  als  in  den 
reinen  Linien,  aber  selbstverständlich  ist  es  nicht.  Das  andere  Objekt 
sind  Tiere,  die  Infusorien,  die  sich  dauernd,  viele  Generationen  hindurch, 
durch  Zweiteilung,  also  ungeschlechtlich  fortpflanzen,  bis  dann  einmal 
ein  Geschlechtsakt  eintritt.  (Analog  wäre  im  Pflanzenreich  eine  Fort- 
pflanzung durch  Stecklinge  oder  Knollen  usw.)  Die  aus  einem  Aus- 
gangsindividuum gezüchtete  Nachkommenschaft  stellt  also  eine  Art 
reine  Linie  dar,  aber  nur  mit  der  gleichen  Reservation  wie  im  vorigen 
Fall1.  Shull  hat  deshalb  auch  für  solche  nicht  ganz  richtige  reinen 
Linien  den  besonderen  Namen  Klone  vorgeschlagen.  Die  an  solchen 
Objekten  gewonnenen  Erfahrungen  stehen  daher  für  den  besonders 
vorsichtigen  Forscher  hinter  jenen  botanischen  an  Beweiskraft  ein 
wenig  zurück. 

Was  nun  die  sogenannten  reinen  Linien  der  Daphniden  betrifft,  so 
sollen  sie  sich  also  auch  durch  kleine,  aber  erblich  konstante  Eigen- 


1  Die  für  das  Prinzip  der  reinen  Linien  angewandten  Studien  H  an  eis  an  Hydren 
können  nach  der  Nachuntersuchung  durch  Haase  zunächst  nicht  mehr  als  beweis- 
kräftig betrachtet  werden. 


—     134     — 

Schäften  unterscheiden  und  Woltereck,  der  sie  experimentell  studierte, 
gibt  an,  daß  innerhalb  der  Linien  Selektion  sich  als  wirkungslos  erwies. 


Fig.  56. 
Konjuganten  von  Paramaecium  aus  5  verschiedenen    reinen  Linien.     Nach  Jennings 

und  Hargitt. 

Da  aber  noch  keine  näheren  Mitteilungen  vorliegen,  besonders  keine 
genauen  Zahlen,  so  wollen  wir  uns  auch  bei  diesem  Fall  nicht  weiter 
aufhalten,  sondern  uns  gleich  den  Jenningsschen  Versuchen  mit  dem 


Fig.  57- 

Extrem   große  (a)  und  extrem  kleine  (b)  Variante  aus  einer  großen  und  einer    kleinen 

Linie  von  Paramaecium.     Nach  Jennings. 

Infusor  Paramaecium  zuwenden.  Von  den  Variabilitätsverhältnissen 
dieser  Tiere  haben  wir  ja  schon  mehrfach  gehört  und  sind  daher  mit 
dem  Versuchsmaterial  bereits  bekannt.    Es  wurden  also  aus  einer  Popu- 


—     135     — 

lation  einzelne  in  ihrer  Länge  verschiedene  Individuen  herausgegriffen 
und  von  jedem  die  Nachkommenschaft  isoliert  gezüchtet.  Dabei  konnten 
eine  Reihe  von  Kulturen  erzielt  werden,  in  denen  der  Mittelwert  typisch 
verschieden  blieb  im  Lauf  zahlreicher  Generationen,  so  daß  im  ganzen 
acht  derartige  reine  Linien  gezüchtet  wurden.  Wurden  sie  alle  unter 
annähernd  den  gleichen  Bedingungen  gezüchtet,  so  blieb  auch  bei  allen 
der  Mittelwert  konstant.  Wurden  die  Kulturen  reiner  Linien  geteilt, 
so  blieben  die  verschiedenen  Tochterkulturen  identisch.  Traten  in 
verschiedenen  Linien  ähnliche  Veränderungen  der  äußeren  Lebensbe- 
dingungen ein,  so  waren  auch  die  Reaktionen  in  den  verschiedenen 
Linien  korrespondierende,  so  daß  also  nicht  etwa  die  Wirkung  differenter 
äußerer  Faktoren  die  Linien  vortäuscht.  Fig.  56  gibt  einen  guten  Be- 
griff solcher  Konstanz,  indem  sie  die  typisch  verschiedene  Größe  konju- 
gierender Individuen  aus  fünf  reinen  Linien  zeigt.  Innerhalb  der  ein- 
zelnen Linien  war  natürlich  die  übliche  fluktuierende  Variabilität 
vorhanden,  deren  Ursachen  wir  ja  schon  oben  betrachtet  haben.  Waren 
auch  die  Mittelwerte  der  Linien  nicht  so  sehr  verschieden,  so  wurden 
die  Differenzen  durch  die  extremen  Ausschläge  der  fluktuierenden  Varia- 
bilität sehr  große.  Nebenstehende  Fig.  57  gibt  eine  große  Variante 
einer  großen  Linie  (a)  neben  einer  kleinen  Variante  einer  kleinen  Linie 
(b)  wieder.  Das  Gesamtresultat  geht  am  klarsten  aus  umstehendem 
Tableau  (Fig.  58)  hervor,  das  die  Variationsreihen  der  acht  isolierten 
Linien  nach  ihrer  Größe  untereinandergesetzt  darstellt.  Man  sieht  die 
Population  schwanken  zwischen  310  und  45  //  Länge,  von  den  reinen 
Linien  die  erste  von  310  bis  105  jli.  Die  senkrechte  Linie  gibt  den  Mittel- 
wert der  Population  mit  155  jli  an,  die  Kreuze  die  Mittel  der  einzelnen 
Linien.  In  diesen  Linien  wurde  nun  Selektion  ausgeübt.  Und  dabei 
zeigte  sich  wiederum,  daß  sie  gänzlich  erfolglos  blieb.  Wurden  die  Nach- 
kommen unter  identischen  Bedingungen  gehalten,  so  erhielten  sie  nach 
Plus-  wie  Minusabweichern  dieselbe  Größe,  z.  B.  in  einem  bestimmten 
Versuch : 

Mittlere  Größe   der  Nachkommen  von   Plusabweichern :   114,7:33,9^ 
»  »         »  »  »    Minusabweichern:  1169:36,1/« 

In  allen  Versuchen  wurden  Johannsens  Ergebnisse  auf  das  schönste 
bestätigt  gefunden. 


136 


Wir  hatten  oben  schon  gesagt,  daß  in  diesen  Versuchen  zwar  der 
Begriff  der  reinen  Linie  nicht  so  vollständig  genau  angewandt  war,  daß 
aber  trotzdem  re  vera  etwas  den  reinen  Linien  Analoges  vorlag.  Und  das 
hat  wohl  noch  einen  viel  weiteren  Geltungsbereich.    Es  ist  bekannt,  daß 


00009(500««« 


Fig.  58. 
Acht  reine  Linien  von  Paramaecium  in  ihren  Variationsreihen.     X  X  gibt   den  Mittel- 
wert   der  Population,    -f-    die  Mittel    der  einzelnen  Linien.     Die  Zahlen    bedeuten  die 

Größe  in  ;j..     Nach  Jennings. 

die  Systematiker  als  niederste  Kategorie  spezifisch  verschiedener  For- 
men die  Varietäten  und  Rassen  betrachten,  von  denen  sich  innerhalb 
einer  guten  Spezies  eine  sehr  große  Zahl  finden  können.  Es  gibt  übrigens 
keine  allgemein  akzeptierte  Bezeichnung  der  niedersten  systematischen 


137     — 

Kategorien,  und  es  wird  auch  schwer  sein,  eine  einheitliche  Bezeichnung 
da  durchzuführen.  Sowohl  der  Begriff  der  Varietät,  wie  der  der  Rasse 
und  Elementarart  ist  schwankend.  Für  Vererbungsfragen  ist  natürlich 
die  niederste  Kategorie  die,  deren  Individuen  sich  von  anderen  nur 
durch  eine  Elementareigenschaft  unterscheiden.  Eine  solche  Abgren- 
zung ist  aber  nur  ganz  relativ  und  vom  augenblicklichen  Forschungs- 
stand abhängig.  Wenn  wir  zwei  Hühnerrasen  haben,  die  sich  nur  durch 
den  Besitz  eines  Erbfaktors  für  Gefiederfärbung  unterscheiden,  so  sind 
das  zunächst  solche  Kategorien.  Nun  zeigt  sich  aber,  daß  in  jeder  Rasse 
wieder  erbliche  Differenzen  in  bezug  auf  die  Eigenschaft  Fruchtbarkeit 
vorkommen,  so  daß  da  wieder  Unterkategorien  zu  schaffen  wären.  So 
wird  man  wohl  solche  letzten  systematischen  Kategorien,  die  man 
vielleicht  am  besten  als  Elementarrassen  kennzeichnet,  nur  festlegen 
können,  wenn  man  die  Abgrenzung  nur  auf  eine  einzige  betrachtete  Eigen- 
schaft, z.  B.  Fruchtbarkeit  bei  einem  Huhn,  oder  Fettgehalt  im  Samen 
beim  Mais,  oder  Reaktionsnorm  gegenüber  bestimmten  Ernährungsarten 
bei  einer  Daphnie,  bezieht.  Diese  Elementarrassen  treten  nun  sehr  oft, 
wenn  auch  nicht  immer,  an  verschiedenen  Lokalitäten  auf  und  sind 
dann  als  Lokalrassen  zu  bezeichnen,  wohl  zu  unterscheiden  von  den 
Standortsvarietäten  (Lebenslagevariationen).  Letztere  können,  wie  wir 
ja  oben  für  die  Koloradokäfer  zeigten,  durch  identische  äußere  Bedin- 
gungen ineinander  übergeführt  werden,  erstere  aber  sind  erblich  kon- 
stant. Natürlich  läßt  es  sich  von  vornherein  nicht  sagen,  ob  die  vom 
Systematiker  unterschiedenen  Elementarrassen  oder  Varietäten  ersterer 
oder  letzterer  Kategorie  angehören.  Das  kann  nur  das  Vererbungs- 
experiment entscheiden.  Wenn  der  moderne  Säugetier-  und  Vogel- 
systematiker  für  jedes  Flußgebiet  eine  eigene  wohlcharakterisierte 
Lokalform  einer  Art  feststellt  (Matschie),  wenn  in  einem  jeden  unserer 
Alpenseen  die  Felchen  eine  typische  Verschiedenheit  zeigen  (Hof er), 
wenn  etwa  das  gleiche  für  die  Daphniden  in  verschiedenartigen  Teichen 
und  Seen  gilt  (Wesenberg-Lund)  oder  für  die  einzelnen  Laichschwärme 
des  Herings  (Heincke),  so  kann  es  sich  dabei  um  ebensoviele  Elementar- 
rassen handeln,  wie  um  Lebenslagevariationen.  In  manchen  Fällen  hat 
das  Experiment  das  letztere  erwiesen,  wie  aus  unseren  obigen  Erörte- 
rungen über  den  Koloradokäfer  hervorgeht,  in  anderen  aber  auch  ersteres. 


—     138     — 

So  sind  nach  Woltereck  die  Standortsvarietäten  der  Daphnien, 
wenigstens  zum  Teil,  erbliche  Lokalrassen  oder  Elementarrassen, 
und  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  sich  viele  der  vom 
Systematiker  unterschiedenen  Varietäten  auch  im  Experiment  als 
echte  Elementarrassen  erweisen  werden,  wie  das  für  das  Pflanzen- 
reich ja  auch  bereits  in  ganz  anderem  Maße  als  fürs  Tierreich  ge- 
schehen ist. 

Es  ist  nun  klar,  daß  sich  Elementarrassen  in  ihren  Erblichkeitsver- 
hältnissen im  großen  Ganzen  wohl  ähnlich  verhalten  werden,  wie  reine 
Linien.  Da  wo  sie  wirklich  Lokalrassen  darstellen,  ist  anzunehmen, 
daß  ihre  Individuen  vielfach  genotypisch  identisch  sind.  Wo  die  Ele- 
mentarrassen allerdings  örtlich  gemischt  leben,  muß  das  nicht  zutreffen, 
wird  es  aber  trotzdem  vielfach  tun.  Denn  das  was  die  Einheit  stören 
könnte,  die  Kreuzung,  ist,  wie  es  scheint,  oft  auszuschließen,  da  sie  durch 
die  ausgesprochene  Homogamie  verhindert  wird,  wie  ja  schon  für  den 
Koloradokäfer  und  die  reinen  Linien  der  Paramaecien  gezeigt  wurde. 
Und  so  werden  wir  in  den  Fällen,  wo  sich  die  Elementarrassen  durch 
qualitative,  leicht  zu  definierende  Merkmale,  wie  Farbe  oder  Zeichnung 
unterscheiden,  ohne  Schwierigkeit  mit  genotypisch  einheitlichen  Be- 
ständen arbeiten  können,  ohne  daß  Selbstbefruchtung  vorliegt.  Natür- 
lich muß  dann  eine  besonders  eingehende  Analyse  des  Materials  voran- 
gehen, die  jede  einzelne  Variante  auf  ihre  Erblichkeit  zu  prüfen  hat. 
Bei  quantitativen  Merkmalen,  die  die  Elementarrassen  unterscheiden, 
ist  die  Schwierigkeit  in  Anbetracht  der  transgressiven  Variabilität  eine 
viel  größere.  Wie  sie  unter  Umständen  durch  gründliche  Analyse  über- 
wunden werden  kann,  haben  wir  oben  bei  Heinckes  Heringsunter- 
suchungen gesehen;  dort  war  ja  für  jedes  Individuum  die  Möglichkeit 
eröffnet  worden,  seine  Zugehörigkeit  zu  einer  bestimmten  Elementar- 
rasse (oder  Standortsvarietät?)  zu  erkennen.  Und  später  werden 
wir  in  Pearls  Analyse  der  Vererbung  der  Fruchtbarkeit  noch  einen 
eklatanteren  Fall  kennen  lernen.  Und  so  werden  wir  also,  ohne  über 
echte  reine  Linien  zu  verfügen,  doch  mit  prinzipiell  identischem 
Material,  genotypisch  einheitlichen  Elementararten,  vielfach  arbeiten 
können. 

Wie   wirkt    nun   die   Selektion   innerhalb   eines   solchen   Materials? 


—     139     — 

Schon  de  Vries1  hatte  an  ihrer  Wirksamkeit  gezweifelt  und  besonders 
Heincke  im  Anschluß  an  seine  Heringsstudien  den  Schluß  gezogen, 
daß  innerhalb  einer  Elementarrasse  —  und  als  solche  betrachtete  er  ja 
seine  Heringsrassen  —  eine  Selektion  unwirksam  sein  müsse.  Setzen 
wir  Elementarrasse  prinzipiell  gleich  Biotypus  (natürlich  nur  in  bezug 
auf  die  Resultate  der  Erblichkeitsforschung,  denn  der  Begriff  Biotypus 
sagt  nur  etwas  über  die  genotypische  Beschaffenheit  seiner  Angehörigen 
aus,  also  die  genotypisch  identischen  Glieder  einer  Elementarrasse  stellen 
einen  Biotypus  dar,  ein  Biotypus  ist  aber  keine  Elementarrasse),  so  hatte 
Heincke  im  wesentlichen  bereits  Johannsens  Resultat  vorweg- 
genommen; aber  er  hatte  es  nur  erschlossen,  nicht  bewiesen,  da  ja  die 
Heringsrassen  dem  Experiment  nicht  zugänglich  sind,  eine  Lücke,  die 
er  selbst  klar  hervorhob.  Es  liegen  aber  jetzt  auch  Versuche  vor,  die 
für  ein  derartiges  Material  Johannsens  Schlüsse  vollinhaltlich  be- 
stätigen. 

Ein  solcher  Fall  liegt  in  den  Experimenten  Towers  am  Kolorado- 
käfer vor,  von  denen  wir  schon  so  oft  gehört  haben.  Was  zunächst 
den  scheinbaren  Selektionserfolg  in  einer  Population  durch  Auswahl 
von  auf  der  Plus-  oder  Minusseite  liegenden  Elementarrassen  betrifft, 
so  trat  er  hier  genau  so  in  Erscheinung,  wie  bei  den  anderen  Beispielen. 
Wurden  z.  B.  bei  Leptinotarsa  decemlineata  möglichst  helle  und 
möglichst  dunkle  Paare  ausgesucht  und  gelang  es  dabei,  Elementarrassen 
in  die  Hand  zu  bekommen2,  so  ergaben  sie  in  der  nächsten  Generation 
eine  kleine  Variationskurve  an  der  Grenze  derer  der  Population,  ebenso 
wie  wenn  wir  oben  in  dem  Langschen  Schema  die  Linien  A  oder  Z 
ausgewählt  hätten.  Sie  blieben  dann  auch  acht  Generationen  hindurch 
konstant.  Umstehende  Fig.  59  zeigt  den  Ausfall  des  Versuchs  an 
den    Variationskurven    jeder    Generation.      In    der    ersten    Generation 


1  Wir  reden  hier  natürlich  nicht  von  allgemeiner,  besonders  philosophischer 
Kritik  der  Selektionslehre,  die  für  unsere  biologische  Darstellung  eigentlich  wertlos  ist. 

2  Diese  Elementarrassen  sind  hier  äußerlich  nicht  von  gewissen  fluktuierenden 
Varietäten  einer  anderen  Elementarrasse  zu  unterscheiden.  Die  Bedeutung  dieses 
Punktes  wird  erst  in  einer  der  letzten  Vorlesungen  klar  werden,  ebenso  ob  die  in 
den  nächsten  Zeilen  gegebene  Interpretation  der  Tower  sehen  Befunde  die  richtige 
ist.  Die  später  zu  gebende  etwas  abweichende  Interpretation  ändert  aber  nichts  an 
der  Bedeutung  der  Tatsachen. 


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Normale  Variationsbi 


Mode. 


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II 


111    — 


sehen  wir  die   Kurv<    d<      I       ation; 
bedeuten  die  Stellen  d<  wobei 

links  die  albinistischei  \ 
J >i    Kurven  der  fol 

sind   dann    die  Ele- 

ntarrassen.   S  ,  daßlie  S  lek- 

ti  n  maximal  eine  Ven  zur 

äuß  ( .  Varia- 

bilil  P  wi 

das  Prinzip  I 

:     U:.i. 

tidn     i  l 

könnt 

Fig.  60  gibt 

für  einen  inn<  rhalb  elf  G 

Selek  -  i 

immi  ■  !  ählt  wa 

di     b  i  1  1 !  mittleren  1  i  I 

schild«  s   (s.  oben  Fi  ver- 

schmolzen   wartp..      M  im 

Rahmen  [  .  durch  dii  -läge 

bedingter  Schwanku 

gi  bnislos    Mi 
-     ließlich    sei  nui  ein 

V<  rsuch  1  t.    der   sich 

TV  .Bei 

ihnen  I  I' 

Fruchtbarkeit, den P(  ars<  ische 

Untersuchungen  schon  als  1  n  Fak- 

tor erwiesen  hatten,  in   1  ;f  sein 

V  rhalten    bei    Selektion.  wählte 

12    Jahre    hindurch    die    N        immen 
von   Hennen  aus,   dir  im  Jahre 

160  und  mehr   1  n   (das 

Mittel  ist  125)  und  gepaart  wen  mit 


die  großen  schwarzen   Punkte 
h  rechts  die  melanistischen, 


Fig.  60.    Selektii  ch  in  12  Ge- 

nerationen mit  nicht  erblichen  Vari- 
anten heim  Koloradokäfer.  I  >ie  Kurven 
kehr>  zum  Mittel  der  Population 

zurück.     Nach   Tower. 


—     142     — 

Hähnen,  deren  Mütter  über  200  legten.  Trotzdem  wurde  eine  Steige- 
rung der  Fruchtbarkeit  nicht  erzielt,  auch  keine  Abnahme  der  Variabili- 
tät. Wurden  einzelne  200-Eier-Leger  in  bezug  auf  ihre  Nachkommen 
geprüft,  so  zeigte  sich,  daß  sie  ebenfalls  diese  Fähigkeit  nicht  vererben. 
Also  auch  hier  für  die  Zuchtwahl  ein  negativer  Erfolg1. 

Es  bestätigen  also  auch  die  an  reinrassigem  Material  gewonnenen 
Resultate  die  Ergebnisse  die  für  die  Selektion  in  reinen  Linien  gefunden 
wurden.  Es  könnte  somit  scheinen,  daß  erwiesen  ist,  daß  die  Zucht- 
wahl nicht  imstande  ist  Neues  zu  schaffen  und  daß  damit  der  Darwin- 
schen Lehre  definitiv  der  Boden  entzogen  ist,  ein  Schluß,  der  in  der  Tat 
vielfach  gezogen  ist.  Seine  Berechtigung  werden  wir  später  zu  prüfen 
haben.  Nehmen  wir  ihn  als  richtig  an,  so  folgt  aber  daraus,  daß  eine 
allmähliche  Umwandlung  der  Formen  in  andere  eine  Unmöglichkeit 
ist:  Galtons  Vererbungsgesetz,  das  die  exakte  Basis  solcher  Umwand- 
lung liefern  sollte,  hat  sich  als  unzutreffend  erwiesen.  Sollen  wir  uns 
nun  mit  dieser  destruktiven  Kritik  begnügen,  oder  gibt  es  auch  Positives, 
das  an  seine  Stelle  zu  setzen  ist?  Die  folgenden  Vorlesungen  sollen  die 
Antwort  darauf  geben. 


Siebente  Vorlesung, 

Das  Mendelsche  Gesetz  und  seine  Begründung.   Die  daraus  folgen- 
den Zahlenkonsequenzen. 

Wir  sind  nunmehr  mit  den  genügenden  Kenntnissen  der  Eigen- 
schaften der  Organismen,  die  für  die  Erblichkeitsprobleme  in  Betracht 
kommen,  ausgestattet,  um  der  wichtigen  Frage  nahe  treten  zu  können, 
wie  diese  Eigenschaften  auf  die  Nachkommen  vererbt  werden,  ihr  erb- 
liches Verhalten  zu  analysieren.  Wenn  der  physiologische  Chemiker  — 
man  denke  an  Ehrlichs  berühmte  Studien  —  die  Wirkung  einer  Mo- 
lekülgruppe auf  physiologische  Vorgänge  studieren  will,  so  wird  er  sie 
mit  allen  möglichen  Grundsubstanzen  verbinden,  um  aus  der  Über- 
einstimmung  bzw.    Verschiedenheit   in    der   Wirkung   aller   jener  Ver- 

1  Wieweit  diese  Resultate  durch  neuere  Ergebnisse  Pearls  in  der  Richtung  be- 
einflußt wurden,  daß  sie  gar  nicht  in  dieses  Kapitel  gehören,  ist  noch  nicht  klar. 


—     143     — 

bindungen  seine  Schlüsse  ziehen  zu  können.  Eine  ganz  entsprechende 
Methode  bietet  sich  nun  für  das  Studium  des  Verhaltens  der  Erbein- 
heiten dar:  man  wird  sie  mit  möglichst  verschiedenen  anderen  Grund- 
körpern in  Verbindung  bringen  und  die  neuen  Kombinationen  in  ihrem 
Verhalten  studieren.  Die  Kombination  von  Erbeinheiten  ist  aber  nur 
aul  einem  Weg  möglich,  auf  dem  Weg  der  Bastardierung.  Sie  muß 
also  als  das  wichtigste  Mittel  angesehen  werden,  einmal  das  Verhalten 
der  Gene  bei  der  Vererbung  festzustellen,  sodann  die  genotypische 
Zusammensetzung  eines  Organismus  zu  analysieren.  Unter  Bastar- 
dierung ist  daher  in  diesem  Zusammenhang  die  Fortpflanzung  zwischen 
zwei  genotypisch  irgendwie  verschiedenen  Individuen  zu  bezeichnen : 
ein  Bastard  kann  ebensowohl  aus  der  Kreuzung  von  Individuen  zweier 
reiner  Linien,  als  zweier  systematischer  Varietäten,  Arten  oder  Gat- 
tungen hervorgehen. 

Die  Bastardierungslehre  ist  nun  in  der  Neuzeit  zu  ganz  besonders 
glänzenden  Resultaten  gelangt,  die  in  ihrer  großen  Bedeutung  das 
Zentrum  der  neueren  Erblichkeitsforschung  darstellen.  Nicht  etwa, 
daß  man  früher  nicht  bastardiert  hätte ;  aber  die  ältere  Bastardforschung 
hatte  es  nicht  erreichen  können,  in  ihre  zahlreichen  Einzelbefunde  die 
Ordnung  einer  Gesetzmäßigkeit  zu  bringen.  Ja,  es  ist  noch  nicht  so 
lange  her,  daß  man  überzeugt  war,  daß  die  Mannigfaltigkeit  der  Er- 
scheinungen sich  überhaupt  keinem  Gesetz  fügen  könne.  Und  doch 
ist  jetzt  das  Unmögliche  gelungen,  ein  Fortschritt,  der,  wie  allgemein 
bekannt,  erst  der  Genialität  Gregor  Mendels  gelang.  Seine  und 
seiner  Nachfolger  Untersuchungen  haben  mit  einem  Schlag  Ordnung 
in  das  Chaos  widerspruchsvoller  Resultate  gebracht.  Das  werden  wir 
besonders  klar  erkennen,  wenn  wir  einen  kurzen  Blick  auf  die  Ergeb- 
nisse der  älteren  Bastardforschung  werfen.  Sie  ist  in  der  Hauptsache 
das  Werk  der  Botaniker,  von  denen  sich  hervorragende  Forscher  wie 
Kölreuter,  Knight,  Gärtner,  Focke,  Naudin,  Wichura  jenen 
Fragen  widmeten,  während  im  Tierreich  die  Fälle  von  Bastardierungen, 
die  an  Haustieren  vorgenommen  wurden,  meist  der  Wissenschaft  ver- 
loren gingen.  Im  wesentlichen  hat  nur  Darwin  in  großem  Maßstabe 
das  ihm  zugängliche  Material  gesammelt  und  durch  seine  eigenen  be- 
rühmten   Untersuchungen   bereichert.      Nach    ihm   kann    für   die   Zeit 


—     144     — 

vor  der  Wiederentdeckung  der  Mend eischen  Gesetze  nur  noch  Stand- 
fuss  genannt  werden,  dessen  Schmetterlingskreuzungen  klassisch  zu 
nennen  sind. 

Wenn  man  die  Erfahrungen  der  älteren  Bastardforschung  über- 
blickt, bemerkt  man  immer  wieder  mit  Staunen,  wie  nahe  sie  oft  der 
Entdeckung  der  Gesetzmäßigkeit  gewesen  ist.  Es  war  ihr  bekannt, 
daß  das  Verhalten  der  ersten  Bastardgeneration  ein  ganz  verschiedenes 
sein  kann.  Die  Bastarde  zeigten  manchmal  eine  vollständige  Ver- 
mischung der  Charaktere  der  Elternindividuen  oder  sie  zeigten  in  ge- 
wissen Teilen  väterliche,  in  anderen  mütterliche  Eigenschaften.  Es 
war  aber  auch  bekannt,  daß  oft  die  Eigenschaften  des  einen  der  Eltern 
über  die  des  anderen  überwogen,  präpotent  waren,  oder,  wie  der  Tier- 
züchter sagt,  eine  höhere  Durchschlagskraft  besaßen;  man  nannte 
solche  Bastarde  wohl  auch  goneokline  und  zwar  patrokline,  wenn  sie 
mehr  nach  dem  Vater,  matrokline,  wenn  sie  mehr  nach  der  Mutter 
schlugen.  Oft  fand  man  aber  auch  ein  völliges  Überwiegen  des  einen 
der  Eltern,  so  daß  die  Nachkommenschaft  nur  den  einen  Charakter 
zeigte.  Um  aus  den  vielen  Beispielen,  die  Darwin  anführte,  nur  einige 
zu  nennen  —  und  es  ließen  sich  leicht  entsprechende  aus  dem  Pflanzen- 
reich zufügen  — ■  so  sei  an  den  von  Godin  berichteten  Fall  einer  ziegen- 
ähnlichen Schafrasse  vom  Kap  erinnert,  deren  Widder  bei  Kreuzung 
mit  12  verschiedenartigen  Mutterschafen  immer  nur  Nachkommen- 
schaft seiner  Rasse  produzierte.  Oder  wird  das  Seidenhuhn  mit  einem 
Bantamhuhn  gekreuzt,  so  zeigt  die  Nachkommenschaft  nicht  eine  Spur 
der  seidigen  Federn.  Es  war  aber  auch  bekannt,  daß  es  Eigenschaften 
gibt,  die  bei  Bastardierung  nie  verschmelzen,  und  zwar  stellte  Darwin 
fest,  daß  dies  vor  allem  solche  sind,  die  vorwiegend  bei  domestizierten 
Tieren  und  Pflanzen  als  Sports  auftreten,  wie  distinkte  Farben,  Nackt- 
heit der  Haut,  Glätte  der  Blätter,  Fehlen  von  Hörnern  oder  Schwanz, 
überzählige  Zehen,  Zwergwuchs  und  viele  andere  Abnormitäten.  Ent- 
weder schlagen  die  Nachkommen  typisch  nach  einem  der  Eltern :  Kreu- 
zung von  grauen  und  weißen  Mäusen  liefert  graue;  oder  aber  in  der. 
Nachkommenschaft  treten  die  beiden  Elterntypen  rein  auf,  wie  etwa 
wenn  hörn-  oder  schwanzlose  Rassen  mit  normalen  gekreuzt  werden. 
Ja,  es  können  sogar  die  beiden  elterlichen  Typen  an  einem  Individuum 


—     145     — 

getrennt  auftreten :  Bei  Kreuzung  fünfzehiger  Dörkinghühner  mit  vier- 
zehigen  Rassen  können  Nachkommen  entstehen,  die  an  einem  Fuß  4 
am  anderen  5  Zehen  haben;  bei  Kreuzung  von  Einhuferschweinen  mit 
normalen  können  Junge  entstehen,  die  zwei  normale  und  zwei  einhufige 
Füße  haben.  Die  wenigen  Beispiele  mögen  genügen,  um  die  beobach- 
teten Verschiedenheiten  der  Kreuzungsresultate  zu  zeigen. 

Diesem  verschiedenen  Ausfall  der  ersten  Bastardgeneration  ent- 
spricht nun  auch  die  Mannigfaltigkeit  im  Verhalten  weiterer  Gene- 
rationen. Da  sind  zunächst  die  Bastarde  mit  Vermischung  der  elter- 
lichen Eigenschaften,  die  diesen  Zustand  rein  weitervererben,  wie  vor 
allem  bei  Pflanzenbastarden,  z.  B.  dem  später  noch  zu  besprechenden 
Aegilops-Bastard  beobachtet  wurde,  oder  vielleicht  richtiger  gesagt, 
beobachtet  sein  sollte.  Bei  anderen  zeigten  sich  aber  die  elterlichen 
Eigenschaften  in  der  späteren  Nachkommenschaft  in  der  allerverschie- 
densten  'Weise  gemischt.  Besonderes  Interesse  fanden  solche  Fälle 
natürlich  wegen  ihrer  praktischen  Bedeutung.  Denn  wenn  in  der  Nach- 
kommenschaft der  Bastarde  eine  solche  „Variabilität"  auftrat,  so  konnte 
dies  entweder  im  Interesse  der  Hervorbringung  neuer  Handelssorten  sehr 
begrüßt  werden,  oder  bei  der  Sorge  um  Erzielung  „reinblütiger"  Formen 
die  Bastardierung  verabscheuen  lassen.  Für  unseren  jetzigen  Stand- 
punkt sind  derartige  Beobachtungen  natürlich  besonders  interessant. 
So  lesen  wir  bei  Darwin :  „Wenn  zwei  distinkte  Rassen  gekreuzt  werden, 
so  sind  die  Nachkommen  der  ersten  Generation  allgemein  nahezu  gleich- 
förmig im  Charakter  .  .  .  Aber  um  von  ihnen  weiter  zu  züchten,  sind 
sie,  wie  man  gefunden  hat,  völlig  nutzlos;  denn  wenn  sie  auch  selbst 
im  Charakter  gleichförmig  sein  mögen,  so  ergeben  sie  doch,  wenn  sie 
gepaart  werden,  viele  Generationen  hindurch  erstaunlich  verschieden- 
artige Nachkommen.  Der  Züchter  wird  zur  Verzweiflung  getrieben 
und  kommt  zu  dem  Schluß,  daß  er  nie  imstande  sein  werde,  eine  inter- 
mediäre Rasse  zu  bilden."  Da  haben  wir  den  Beobachtungskern  der 
Mendel  sehen  Entdeckungen  bereits  niedergelegt!  Ja  auf  botanischer 
Seite  wußte  man  sogar,  daß  in  den  späteren  Bastardgenerationen  nicht 
nur  eine  „Variabilität"  zu  konstatieren  ist,  sondern  daß  die  Charaktere 
der  Eltern  wieder  rein  erscheinen  können,  und  Naudin  fand  1862  da- 
für eine  Erklärung,  die  sich  kaum  von  der  Mendelschen  unterscheidet. 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  IO 


—     146     — 

Bei  dieser  Verschiedenartigkeit  der  späteren  Bastardgenerationen 
fiel  nun  vor  allem  auch  eins  auf,  daß  oft  Charaktere  auftraten,  die  die 
Eltern  nicht  besessen  hatten.  Ihre  nähere  Betrachtung  führte  zu  der 
Auffassung,  daß  es  Charaktere  der  Ahnenformen  seien,  Atavismen, 
die  durch  die  Kreuzung  zum  Vorschein  gebracht  wurden.  So  kam  bei 
Kreuzung  von  Hühnerrassen  in  der  Nachkommenschaft  plötzlich  die 
Farbe  des  wilden  Bankivahuhnes,  des  vermutlichen  Vorfahren  der 
domestizierten  Hühner  zum  Vorschein;  und  besonders  berühmt  wurden 
ja  Darwins  Taubenkreuzungen,  die  zeigten,  daß  in  der  Bastardnach- 
kommenschaft verschiedenartiger  Taubenrassen  die  Farbe  und  Zeich- 
nung der  wilden  Felstaube  auftritt.  Ein  Zusammenhang  dieser  Er- 
scheinung mit  den  anderen  ebenso  zusammenhangslosen  Erfahrungen 
der  Bastardforschung  konnte  aber  nicht  eruiert  werden.  Und  den 
schon  erwähnten  lassen  sich  so  noch  manche  isoliert  stehende  Befunde 
anschließen.  So  war  bekannt,  daß  durch  Bastardierung  einzelne  Eigen- 
schaften von  einer  Rasse  gesondert  abgespalten  und  mit  einer  anderen 
verbunden  werden  können,  eine  Methode,  die  besonders  in  der  gärt- 
nerischen Praxis  eine  große  Rolle  spielte  und  spielt.  Der  Erfolg  konnte 
aber  immer  nur  durch  sorgfältige  Auswahl  in  einer  Reihe  von  Gene- 
rationen erzielt  werden.  So  berichtet  Darwin,  daß  Lord  Orford 
seine  berühmte  Meute  von  Windspielen  einmal  mit  einer  Bulldogge 
kreuzte,  „welche  Rasse  deshalb  gewählt  wurde,  weil  ihr  das  Vermögen 
des  Spürens  abgeht,  und  weil  sie  das  besitzt,  was  gewünscht  wurde, 
Mut  und  Ausdauer.  In  dem  Verlauf  von  sechs  oder  sieben  Generationen 
waren  alle  Spuren  der  äußeren  Form  der  Bulldogge  eliminiert,  aber 
der  Mut  und  die  Ausdauer  blieben". 

Diese  wenigen  Beispiele  aus  den  Resultaten  der  älteren  Bastard- 
forschung mögen  genügen.  Sie  zeigen  ausreichend,  warum  die  An- 
schauung herrschen  konnte,  daß  in  dies  Chaos  keine  Gesetzmäßigkeit 
gebracht  werden  könne.  Und  wie  verständlich  erscheinen  uns  jetzt 
die  Mehrzahl  der  Erscheinungen,  seit  der  geniale  Scharfblick  Mendels 
die  in  ihrer  Grundlage  so  einfache  Gesetzmäßigkeit  fand,  die  all  dem 
zugrunde  liegt.  Mendels  klassische  Schrift  erschien  im  Jahre  1865, 
um  35  Jahre  hindurch  unbekannt  zu  bleiben.  Und  doch  hätte  ihr 
Bekanntwerden   die   größten    Perspektiven   eröffnen   müssen.      Welche 


—     147     — 

Entwicklung  die  Biologie  genommen  haben  würde,  wenn  Darwin  sie 
gekannt  hätte,  bemerkt  einmal  Bateson,  ist  kaum  auszudenken. 
Merkwürdigerweise  aber  hatten  Größen  seines  Faches,  wie  Nägeli, 
nicht  den  Weitblick,  die  Bedeutung  dieser  Forschungen  zu  erkennen. 
Andere,  die  vielleicht  dazu  befähigt  gewesen  wären,  bekamen  die  an 
verborgenem  Ort  publizierte  Schrift  nicht  zu  sehen,  und  da  Mendel 
selbst  nicht  mehr  darauf  zurückkam,  blieb  sie  verschollen,  bis  im  Jahre 
1900  gleichzeitig  de  Vries,  Correns  und  Tscher mak  sie  ans  Licht 
zogen.  Welchen  Einfluß  diese  kurze  Publikation  seitdem  auf  die  ge- 
samte Biologie  gewonnen  hat,  ist  heute  jedermann  bekannt;  das  äußere 
Symbol  dafür  ist  die  Bezeichnung  Mendelismus  für  die  ganze  moderne 
Bastardlehre.  Die  klassische  Schrift  des  Augustinerpaters  vom  Königs- 
kloster in  Brunn  ist  in  ihrer  Kürze  und  wundervollen  Klarheit  noch 
heute,  wo  so  viel  Material  gleicher  Art  vorliegt,  die  beste  Lektüre  zur 
Einführung  in  die  moderne  Bastardlehre,  so  daß  wir  sie  auch  hier  zum 
Ausgangspunkt  nehmen  wollen.  Wer  Mendels  Methode,  Resultate 
und  Schlüsse  verstanden  hat,  ist  für  das  Verständnis  aller  weiteren 
Befunde  ausgerüstet. 

Mendels  Erfolg  in  dem  Bestreben,  ein  Gesetz  der  Bastardierung 
zu  finden,  basiert  auf  der  klaren  Erkenntnis  der  Notwendigkeit,  daß 
einmal  die  Versuche  in  solchem  Maßstab  ausgeführt  werden  müssen, 
daß  man  die  Zahl  der  verschiedenartigen  Bastardnachkommen  genau 
feststellen  kann,  daß  man  ferner  die  Formen  den  richtigen  Generationen 
zuordnen  und  so  ihre  Zahlenbeziehungen  vergleichen  kann.  In  acht- 
jähriger Arbeit  führte  er  seine  Versuche  an  Erbsen  aus,  die  ihm  aus 
verschiedenen  Gründen  das  geeignete  Material  schienen.  Sie  besitzen 
eine  Anzahl  gut  unterscheidbarer  konstanter  Rassen,  sie  haben  Selbst- 
befruchtung, die  stattfindet,  bevor  sich  die  Blüte  öffnet,  so  daß  Fremd- 
bestäubung leicht  ausgeschlossen  werden  kann,  und  die  Bastarde  zeigen 
normale  Fruchtbarkeit.  Für  den  Versuch  wurden  nun  verschiedene 
Rassen  gewählt,  nachdem  im  Vorversuch  festgestellt  war,  daß  sie  reine 
Nachkommen  gaben.  Um  zu  verfolgen,  wie  sich  die  Charaktere  der 
Pflanzen  in  der  Nachkommenschaft  verhalten,  wurde  —  und  das  ist 
wieder  einer  der  scheinbar  so  einfachen  Grundgedanken  —  jedes  Paar 
von  Charakteren,  durch  das  sich  zwei  Rassen  unterscheiden,  getrennt 


—     148     — 

betrachtet,  also  ebensoviel  Einzelexperimente  ausgeführt,  als  Unter- 
scheidungsmerkmale vorhanden  waren.  Als  zur  Verfolgung  geeignet 
wurden  sieben  Merkmalspaare  gewählt,  nämlich : 

i.  Die  Samen  sind  entweder  rund  oder  kantig. 

2.  Die  Cotyledonen  im  Samen,  die  durch  die  Schale  durchschimmern, 
sind  entweder  hellgelb  oder  orange  bzw.  grün. 

3.  Die  Samenschale  ist  entweder  weiß  oder  gefärbt  (grau,  grau- 
braun, lederbraun,  violett  gefleckt).  In  ersterem  Fall  sind 
auch  die  Blüten  weiß,  in  letzterem  farbig  (Purpur,  violett 
und  rot.) 

4.  Die  reifen  Hülsen  sind  entweder  einfach  aufgeblasen  oder  zwi- 
schen den  Samen  tief  eingeschnitten. 

5.  Die  unreifen  Hülsen  sind  grün  oder  gelb. 

6.  Die  Blüten  sind  entweder  achsenständig  oder  endständig. 

7.  Die    Stammachse    ist    entweder    sehr    lang    oder    kurz    (etwa 

5:i). 
Pflanzen  mit  diesen  Eigenschaften  wurden  also  paarweise  gekreuzt, 
und  zwar  nach  beiden  Richtungen,  was  sich  für  den  Erfolg  als  gleich- 
gültig erwies.  Die  erste  Bastardgeneration,  die  wir  gleich  hier  mit  der 
jetzt  allgemein  üblichen  Punnettschen  Bezeichnung  als  die  Fx  (1.  Fi- 
lial)-Generation  bezeichnen  wollen,  zeigte  nun  in  allen  Kulturen  eine 
völlige  Gleichheit,  sie  folgte  nämlich  in  ihrem  Aussehen  ausschließlich 
dem  einen  der  Eltern.  Also  im  ersten  Fall  waren  sämtliche  Samen 
rund,  die  Eigenschaft  kantig  schien  verschwunden.  Mendel  bezeichnet 
nun  die  ausschließlich  sichtbare  Eigenschaft  als  die  dominante,  die 
nicht  sichtbare,  aber,  wie  sich  gleich  zeigen  wird,  doch  noch  vorhandene, 
als  die  rezessive,  und  in  der  obigen  Aufzählung  sind  die  Charaktere, 
die  sich  als  dominant  erwiesen,  gesperrt  gedruckt.  Diese  Fi-Pflanzen 
wurden  nun  durch  Selbstbefruchtung  vermehrt  und  so  die  folgende, 
die  F2-Generation  erhalten.  Und  in  ihr  traten  nun  wieder  die  reinen 
Charaktere  der  beiden  Elternpflanzen  auf,  und  zwar  waren  es  typisch  in 
sämtlichen  Kulturen  auf  je  3  dominante  1  rezessiver;  Zwischenformen 
aber  fanden  sich  nie.  Die  genauen  Zahlen  für  die  7  Versuchsreihen  gibt 
die  folgende  Tabelle: 


1  19 


Xr. 

Charakter 

Gesamt- 
zahl in  F2 

Davon 

Dominante   Rezessive 
D                 R 

D:R 

Gezählt 
wurden: 

i 

Samengestalt.    .    . 

7324 

5474 

1850 

2,96  : 

1 

die  Samen 

2 

Farbe   der  Cotyle- 

8023 

6022 

2001 

3.01  : 

1 

die  Samen 

3 

Farbe   der  Samen- 

schalen xx.  Blüten 

929 

705 

224 

3-J5  : 

1 

Ganze  Pflanzen 

4 

Form  der  Hülsen. 

11S1 

882 

299 

2.95  : 

1 

&             » 

5 

Farbe  der  Hülsen 

580 

428 

152 

2,S2  : 

1 

»              » 

6 

Blütenstellung   .    . 

858 

65i 

207 

3.i4  : 

1 

» 

7 

Achsenlänge  .    .    . 

1064 

7S7 

277 

2.S4: 

1 

» 

19959 


14949 


5010 


2,9s  :  1 


Es  sei  hier  gleich  hinzugefügt,  daß  Mendels  Experimente  von  einer 
großen  Zahl  von  Forschern  wiederholt  und  bestätigt  wurden.  Die 
folgende  Tabelle,  die  Johannsen  zusammenstellte,  gibt  die  Gesamt- 
resultate aller  dieser  Versuche,  die  wie  ersichtlich,  mit  größter  Genauig- 
keit das  Verhältnis  3  :  1  ergeben,  da  die  geringe  Abweichung  innerhalb 
der  berechneten  Fehlergrenze  liegt: 


Forscher 

D 
Gelbe 
Samen 

R 
Grüne 
Samen 

Gesamt- 
zahl 

D:  R 

Mittlere 
Fehler 

Mendel   1865   .    .    . 

6022 

2001 

8023 

3.0024  :  0,9976 

±0,0193 

Correns  1900  .    .    . 

1394 

453 

1847 

3.0189  :  0,9811 

±  0,0403 

Tschermak  1900.    . 

358o 

1 190 

4770 

3.0021  :  0,9979 

±  0,0251 

Hurst   1904  .... 

1310 

445 

1755 

2.9S58  :  1,0142 

±0,0413 

Bateson  u.  A.  1905  . 

11 903 

3903 

15806 

3.0123  :  0.9877 

±  0,013s 

Lock   1905  .... 

I43S 

514 

1952 

2,9467  :  1,0533 

±  0,0392 

Sämtliche       25647 


8506 


3415: 


3,0038  :  0.9962 


0,0094 


Die  weitere  Frage  ist  nun  die,  was  aus  den  3  Dominanten  und  1  Re- 
zessiven in  der  folgenden  Generation  F3  wird,  die  wieder  durch  Selbst- 
befruchtung mit  Registrierung  jeder  einzelnen  Pflanze  erhalten  wurde. 
Dabei  zeigte  sich,  daß  die  Rezessiven  ausschließlich  Nachkommen  ihrer 
eigenen  Art  gaben.  Die  Dominanten  erwiesen  sich  aber  als  von  zweierlei 
Art.      Ein    Drittel    von    ihnen    gab    ebenfalls    nur    Nachkommenschaft 


—    150     — 

gleicher  Art,  zwei  Drittel  aber  verhielten  sich  ebenso  wie  die  Bastarde  in 
F1}  d.  h.  ihre  Nachkommenschaft  war  wieder  im  Verhältnis  von  3  Domi- 
nanten zu  1  Rezessiven  gespalten.  Um  eine  wirklich  beobachtete  Zahl  zu 
nennen,  so  gaben  von  565  Pflanzen,  die  aus  runden  (dominanten)  Samen 
von  F2  gezogen  waren,  193  nur  runde  Samen,  372  aber  runde  und  kantige 
im  Verhältnis  von  3:1.  Da  sämtliche  Versuche  die  gleichen  Zahlen- 
verhältnisse ergaben,  so  folgt  daraus,  daß  die  Pflanzen  in  F2  aus  drei 
Gruppen  bestehen,  V4,  welche  nur  den  dominanten  Charakter  be- 
sitzen, y2,  welche  nur  den  rezessiven  haben,  sowie  2/4,  welche  ebenso 
zusammengesetzt  sind,  wie  die  Bastarde  von  F1?  also  beide  Charaktere 
vereinigen. 

Die  Zucht  in  weiteren  6  Generationen  zeigte  nun,  daß  stets  das 
gleiche  stattfindet,  daß  nämlich  die  Viertel  reiner  Dominanten  und 
reiner  Rezessiven  immer  nur  reine  Nachkommen  ergaben,  die  2/4  Bastarde 
aber  immer  wieder  im  Verhältnis  von  1  Dominante  :  2  Bastarden : 
1  Rezessiven  spalten.  Wenn  A  der  dominante,  a  der  rezessive  Charakter 
ist,  so  erfolgt  stets  die  Spaltung  der  Bastarde  in 

A  +  2A11  +  a. 

Es  folgt  daraus,  daß  in  jeder  Generation  immer  wieder  die  Charak- 
tere der  Bastardeltern  rein  abgespalten  werden,  so  daß  bei  Fortpflanzung 
in  Inzucht  und  bei  gleichmäßiger  Fruchtbarkeit  der  Bastarde  immer 
zahlreicher  die  Stammformen  auftreten,  ohne  daß  die  Bastardformen 
völlig  verschwänden.  Wenn  angenommen  wird,  daß  jede  Pflanze  nur 
4  Samen  reife,  so  ergäben  sich  in  weiteren  Generationen  die  Zahlen: 

Generation  A 

1  1 

2  6 

3  28 

4  120 

5  496 

11 

Und  nun  ging  Mendel  dazu  über,  Bastarde  zu  untersuchen,  deren 
Eltern  sich  in  2  oder  mehr  Paaren  von  Charakteren  unterscheiden 
(Dihybriden,  Trihybriden  usw.),  also  z.  B.  wenn  die  Mutterpflanze 
runde  gelbe  Samen,  die  Vaterpflanze  kantige  grüne  besitzt.  Es  zeigte 
sich  dabei,  daß  in  Fx  ausschließlich  die  dominanten  Merkmale  sieht- 


Aa 

a 

A 

:  Aa 

a 

2 

I 

1 

:  2 

1 

4 

6 

n 

:  2 

3 

8 

28 

7 

:  2 

7 

16 

120 

15 

:  2 

15 

32 

496 

31 

:  2 

3i 

2"  

1  :  2 

2n  _ 

-  I 

—     151     — 

bar  waren,  gleichgültig  ob  sie  sich  auf  einer  der  Elternpflanzen  allein 
befunden  hatten,  oder  teils  auf  einer,  teils  auf  der  anderen.  In 
dem  Beispiel  also  hatten  alle  Fx-Pflanzen  runde  und  gelbe  Samen. 
In  F2  aber  trat  wieder  eine  Spaltung  ein  und  zwar  erschienen  alle 
4  möglichen  Kombinationen,  nämlich 

I.  315  runde  gelbe, 
II.  101  kantige  gelbe, 

III.  108  runde  grüne, 

IV.  32  kantige  grüne. 

Es  sollen  nun  wieder  die  Buchstaben  A  rund,  a  kantig,  B  gelb, 
b  grün  bedeuten,  also  die  dominanten  mit  großen,  die  rezessiven  mit 
kleinen  Symbolen  benannt  sein.  Wenn  dann  aus  diesen  Samen  die 
Pflanzen  gezogen  und  gereift  wurden,  so  mußten  deren  Samen  zeigen, 
ob  die  betreffenden  Pflanzen  in  ihren  Charakteren  rein  oder  Bastarde 
waren.    Es  zeigte  sich  dann,  daß  von  Gruppe  I  hervorbrachten 

38  Pflanzen  runde  gelbe  Samen,  also  beschaffen  waren  A  B 
65  »  »  »       oder  grüne,  also   beschaffen  waren  ABb 

60  »  «•       11.  kantige  gelbe,  also  beschatten  waren  A  a  B 

13S  »  11.  grüne,  sowie  kantige  gelbe  und  grüne, 

also   beschaffen  waren  A  a  B  b. 

Es  waren  also  in  dieser  Gruppe  sämtliche  Kombinationen  vorhanden, 
die  möglich  sind,  wenn  immer  die  beiden  Dominanten  mit  auftreten. 
Die  IL  Gruppe  ergab 

28  Pflanzen  mit  kantigen   gelben  Samen,  Beschaffenheit  also  a  B 

68  »  »  »         u.  grünen  Samen,  Beschaffenheit  also  a  B  b. 

Es  fanden  sich  also  die  beiden  Kombinationen,  die  mit  der  einen  Domi- 
nante B  möglich  sind.     Gruppe  III  ergab  sodann: 

35   Pflanzen  mit  runden    grünen  Samen,    Beschaffenheit  demnach  A  b 
67  »  »  »         u.  kantigen   grünen,         »  »  A  a  b, 

das  heißt  also  die  beiden  möglichen  Kombinationen  mit  der  anderen 
Dominanten  A.  Endlich  die  Pflanzen  aus  Gruppe  IV  gaben  sämtlich 
Samen  von  gleichem  Charakter: 

30  Pflanzen  mit  kantigen  grünen  Samen,  beschaffen  also  a  b. 
Sie  enthielten  also  nur  die  beiden  reinen  Rezessive. 


—     152 


Diese  sämtlichen  Pflanzen  lassen  sich  nun  nach  diesen  Ergebnissen 
in  3  Gruppen  ordnen,     i.  AB,  aB,  Ab,  ab,  die  alle  durchschnittlich 

33  mal  auftraten  und  jeden 
Charakter  nur  rein  besitzen, 
entweder  dominant  oder 
rezessiv.  In  der  Tat  ist 
ihre  Nachkommenschaft  in 
der  nächsten  Generation 
ebenso  beschaffen.  2.  ABb, 
aBb,  AaB,  Aäb,  die  im 
Durchschnitt  je  65  mal  ka- 
men und  in  je  einem  Cha- 
rakter Bastarde  sind,  d.  h. 
das  dominante  und  rezessive 
Merkmal  tragen,  im  an- 
deren aber  rein  sind.  In 
der  nächsten  Generation 
bleibt  dementsprechend  das 
eine  Merkmal  rein,  das  an- 
dere variiert  wieder.  3.  Die 
Form  AaBb,  die  138  mal  auf- 
trat und  in  beiden  Eigen- 
schaften Bastard  ist,  daher 
in  der  nächsten  Generation 

Fig.  61.  genau    das    gleiche    ergab 

Umriß  einer  von  Darbishire  gezüchteten  Fo  Erbsen-    _•      r?      „,,_,    -n-         n.,,    \ra,- 
n  j     t-  11         j      ..      c  wie   r2  aus  r  i .    jjas    vei- 

pflanze    aus    der  Kreuzung   gelbe    und   grüne  harnen  *  ± 

mit  Spaltung  in  3  gelbe  (schwarz),    1   grünen  (weiß)    hältnis     dieser     3    Gruppen 

nach  Darbishire. 

zeigt    sich    aber     auf     das 

Beste   wie   1:2:4.      Ordnet  man   daher   die    Individuen   von  F2  an- 
steigend nach  ihrem  Bastardcharakter  an,  so  ergibt  sich  die  Reihe: 
AB  +  Ab  +  aB  +  ab  +  2  ABb  +  2  aBb  +  2  AaB  +  2  Aab  +  4  AaBb. 
Diese  aber  ist,  wie  Mendel  erkannte,  die  Kombinationsreihe,  die  aus 
der  Kombination  der  beiden  Ausdrücke  entsteht: 

A  +  2  Aa  +  a 

B  +  2  Bb  +  b. 


—     153     — 

Daraus  folgt  aber,  daß  bei  der  Bastardierung  mit  mehreren  Merkmals- 
paaren ein  jedes  sich  völlig  unabhängig  vom  anderen  verhält  und  sie 
sich  in  allen  Arten  kombinieren  können,  die  sich  aus  der  Spaltung  der 
Einzelcharaktere  entwickeln  lassen.  Oder  anders  ausgedrückt,  und  das 
ist  vielleicht  das  wichtigste  allgemeine  Resultat,  der  Organismus  be- 
steht aus  einheitlichen  Erbeigenschaften,  die  unabhängig  voneinander 
vererbt  werden.  Der  endgültige  Beweis  dafür  ist  darin  gegeben,  daß 
wenn  alle  7  Charaktere  berücksichtigt  werden,  durch  Bastardierung 
27  =  128  verschieden  kombinierte,  aber  konstante  Formen  entstehen 
können  (bei  2  Eigenschaften  waren  es  ja  22  =  4),  die  im  Experiment 
auch  alle  gezüchtet  wurden. 

Und  nun  kommen  wir  zu  der  scharfsinnigen  Überlegung,  die  Mendel 
anstellte,  um  alle  diese  Tatsachen  zu  erklären,  und  die  das  nicht  nur 
tut,  sondern  auch  in  den  Stand  setzt,  alle  seither  untersuchten  Bastard- 
fälle zu  erklären,  ja  sogar  das  Resultat  voraus  zu  berechnen.  Mendel 
schließt:  In  der  Nachkommenschaft  der  Bastarde  erscheinen  so  viele 
konstante  Formen,  als  Kombinationen  zwischen  den  Eigenschaften 
denkbar  sind.  Erfahrungsgemäß  sind  die  Formen  konstant,  die,  wie 
bei  jeder  gewöhnlichen  Befruchtung,  aus  der  Vereinigung  gleichartiger 
Geschlechtszellen,  Gameten,  hervorgehen.  Da  aber  alle  die  verschie- 
denen konstanten  Formen  aus  einer  Bastardpflanze  gebildet  werden, 
so  müssen  in  ihren  Geschlechtsorganen  so  viele  Arten  von  Geschlechts- 
zellen mit  den  entsprechenden  Eigenschaften  gebildet  werden,  als  es 
konstante  Kombinationen  gibt.  Die  Bastarde  müssen  also  —  und  zwar 
in  gleicher  Zahl  —  reine  Gameten  bilden  mit  den  möglichen  Kom- 
binationen der  reinen  Eigenschaften.  Der  Bastard  ABab  bildet  dem- 
nach Gameten  AB,  Ab,  aB,  ab.  Unter  dieser  Annahme,  der  berühmten 
Reinheit  der  Gameten,  werden  aber  alle  beobachteten  Tatsachen  er- 
klärt. Ist  sie  richtig,  so  muß  sich  für  jede  Kreuzung  das  Resultat  voraus- 
sagen lassen.  Zur  Probe  wurde  dann  unter  anderem  die  schon  oft 
angeführte  Dihybride  aus  den  Elternpflanzen  AB  und  ab  (d.  h.  rund 
gelb  und  kantig  grün)  bestäubt  mit  Pollen  der  einen  Elternpflanze  ab. 
Die  Dihybride  ABab  muß  also  Eier  bilden  AB,  Ab,  aB,  ab,  so  daß  diese 
bestäubt  mit  Pollen  von  ab  nur  geben  können: 

ABab     Abab     a  Bab     abab, 


—     154     — 

das  heißt  die  Nachkommenschaft  muß  in  gleicher  Zahl  rund  gelb,  rund 
grün,  kantig  gelb  und  kantig  grün  sein.  Das  Resultat  aber  war  31  runde 
gelbe,  26  runde  grüne,  27  kantige  gelbe  und  26  kantige  grüne.  Und 
genau  so  gut  stimmten  sämtliche  anderen  Kontrollen,  so  daß  in  der 
Tat  bewiesen  war,  daß  die  Bastarde  reine  Gameten  aller  Kombinationen 
bilden. 

Unter  diesen  Umständen  läßt  sich  natürlich  leicht  bestimmen,  was 
aus  jeder  Bastardierung  in  F2  und  weiterhin  entstehen  muß.  Handelt 
es  sich  um  ein  Eigenschaftspaar  A  +  a,  so  heißt  der  Bastard  Aa,  und 
wenn  er  reine  Gameten  bildet,  sind  diese  entweder  A  oder  a.  Bei  Selbst- 
befruchtung bzw.  Inzucht  in  F1  können  A  und  a  vom  Vater  wie  der 
Mutter  so  zusammenkommen,  wie  es  der  Zufall  gibt.  Es  werden  also 
zu  gleichen  Teilen  entstehen  nach  folgendem  Schema 

Pollen       A       A       a       a 

\/  I 

v         >^\         v 
Eier       A       A       a       a 

also     AA  -f-  Aa  -f-  aA  -f-  aa. 

Das  ist  aber  genau  das  Verhältnis,  das  wir  oben  verwirklicht  gesehen 
haben, 

AA       -\-       Aa       -f-       aA       -f-       aa 

t.  Dominante  :         1    Rezessive 


3 


1   rein  Dominant  :  2  Dominantrezessive 

y  V  _v 

muß  rein  bleiben  muß  weiterspalten  in  muß  rein  bleiben 

AA  -f-  Aa  -\-  a  A  -f-  aa  usw. 
Ebenso  muß  sich  dann  aber  auch  das  Verhältnis  für  2  Eigenschafts- 
paare berechnen  lassen.  Wenn  der  Bastard  ABab  alle  Kombinationen 
reiner  Gameten  liefert,  so  sind  diese  AB,  Ab,  aB,  ab.  Es  kann  sich  also 
bei  der  Befruchtung  jeder  dieser  Gameten  des  einen  Elters  mit  jedem 
des  anderen  verbinden,  also 


B 

mit  AB 

Ab  mit  AB 

aB 

mit  AB 

ab 

mit  AB 

» 

*     Ab 

»       »Ab 

» 

»     Ab 

» 

»     Ab 

» 

*     aB 

»       »     a  B 

» 

»     aB 

» 

»     aB 

» 

»     a  b 

»        »     a  b 

» 

»     a  b 

» 

»     ab. 

Es  gibt  also  16  Kombinationen.  Man  führt  jetzt  allgemein  diese 
Kombination  mittels  des  von  Punnett  eingeführten  Kombinations- 
schemas aus,  das  auf  den  ersten  Blick  auch  in  schwierigeren  Fällen  das 


—     155 


Resultat  erkennen  läßt.  Ein  Quadrat  wird  in  so  viele  kleine  Quadrate 
eingeteilt  als  Kombinationen  möglich  sind,  bei  2  Eigenschaftspaaren 
also  16.  Es  werden  dann  die  Gametenarten  horizontal  und  vertikal 
daneben  geschrieben  und  dann  in  allen  senkrecht  von  ihnen  ausgehen- 
den Rubriken  wiederholt.     Für  obigen  Fall  lautet  dann  das  Schema: 


Gameten : 


AB 


Ab 


a  B 


a  b 


AB 

Ab 

a  B 

a  b 

AB 

AB 

AB 

AB 

AB 

rund  gelb  1 

I 

rund   gelb   2 
V 

rund  gelb   3 
VI 

rund  gelb  4 
IX 

AB 

Ab 

a  B 

a  b 

Ab 

Ab 

Ab 

Ab 

Ab 

rund  gelb  5 
V 

rundgrün  1 

II 

rund  gelb  6 

rund  grün   2 
VII 

AB 

Ab 

a  B 

a  b 

aB 

aB 

rund  gelb   7 

VI 

a  B 

rund  gelb  8 

X 

aß 

kantig  gelb  1 

III 

aß 

kantig  gelb   2 

VIII 

AB 

Ab 

,7  B 

a  b 

ab 

ab 

a  b 

ab 

ab 

rund  gelb  9 
IX 

rund  grün  3 
VII 

kantig  gelb  3 
VIII 

kantig  grün  1 

IV 

Aus  dem  Schema  ersieht  man  sofort  folgendes:  1.  Das  Gesamt- 
resultat bei  der  Spaltung  von  2  Eigenschaftspaaren  ist  in  F2  ein  Auf- 
spalten im  Verhältnis  von  9:3:3:1;  und  zwar  zeigen  je  9  Individuen 
von  16  die  beiden  dominanten  Eigenschaften  (A,  B),  je  3  die  eine  Domi- 
nante mit  der  anderen  Rezessiven  (A,  b),  je  3  die  andere  Dominante 
mit  der  einen  Rezessiven  (a,  B),  und  je  1  unter  16  nur  die  beiden  rezes- 
siven Eigenschaften  (a,  b).  Oben  S.  151  wurde  das  wirkliche  Resultat 
Mendels  aus  dieser  Spaltung  angegeben  und  man  sieht,  daß  in  der 
Tat  das  beobachtete  Verhältnis  von  315  :  101  :  108  :  32  gut  mit  dem 
erwarteten,  nämlich   313,8  :  104,4  :  I04>4  :  34>8  übereinstimmt. 

2.  Man  erkennt,  daß  unter  16  Individuen  nur  4  vorhanden  sind, 
deren   Bezeichnung  fett   gedruckt   ist,   die   nicht   Bastardnatur  haben, 


—     156     — 

da  sie  von  jedem  Eigenschaftspaar  nur  eine  Eigenschaft  (also  entweder 
große  oder  kleine  Buchstaben  einer  Art)  rein  besitzen.  Von  diesen 
4  Individuen  gehört  jedes  einer  der  4  Gruppen  von  Formen,  die  resul- 
tieren, an.  Eines  ist  also  rein  in  bezug  auf  die  beiden  dominanten  Eigen- 
schaften (AABB),  also  als  einziges  unter  9  dieser  Gruppe,  je  eines  ist 
rein  in  bezug  auf  eine  dominante  und  die  andere  rezessive  Eigenschaft 
(AAbb  oder  aaBB),  also  nur  eines  unter  3  dieser  Gruppe,  und  eines  ist 
endlich  rein  in  bezug  auf  die  beiden  Rezessiven  (aabb).  Da  die  letzte 
Gruppe  nur  1  von  16  enthält,  sind  also  Individuen  mit  beiden  rezessiven 
Eigenschaften  immer  rein.  Es  würden  also  nur  diese  4  von  16  Indi- 
viduen bei  Selbstbefruchtung  rein  weiter  züchten  (natürlich  ebenso  bei 
Paarung  mit  einem  anderen  Individuum  gleicher  Konstitution),  alle 
anderen  müssen  nach  Maßgabe  ihrer  Zusammensetzung  weiterspalten. 

3.  Es  werden  unter  den  16  Formen  im  ganzen  nach  ihrer  Zusammen- 
setzung 9  Genotypen  vertreten  sein,  die  im  Schema  mit  I — IX  be- 
zeichnet sind,  obwohl  äußerlich  sichtbar  nur  die  genannten  4  Typen, 
also  Phänotypen,  auftreten.  I — IV  sind  die  4  reinen  Formen,  die  eben 
benannt  wurden  und  die  je  1  mal  vorkommen.  V  und  VI,  die  je  2  mal 
sich  finden,  enthalten  außer  den  beiden  dominanten  Eigenschaften 
noch  eine  bzw.  die  andere  Rezessive.  VII  und  VIII,  die  sich  ebenfalls 
zweimal  finden,  enthalten  eine  bzw.  die  andere  Dominante  und  zwei 
Rezessive  und  endlich  IX,  der  viermal  vertreten  ist,  wird  durch  den 
Besitz  aller  4  Eigenschaften  charakterisiert.  Es  werden  also  aus  dem 
Schema  die  9  Formen  abgelesen,  die  Mendel,  wie  wir  gesehen  haben, 
gefunden  und  zur  Kombinationsreihe  zusammengestellt  hatte. 

Führen  wir,  um  diese  so  instruktive  Methode  sicher  zu  beherrschen, 
nun  auch  noch  eine  Kombination  von  3  Eigenschaftspaaren  durch, 
wobei  wir  den  von  Mendel  wirklich  durchgeführten  Fall  betrachten, 
daß  gekreuzt  werden  2   Pflanzen  von  der  Beschaffenheit : 

A  runde  Samen,  a  kantige  Samen, 

B  gelbe  Cotyledonen,  b  grüne  Cotyledonen, 

C  graubraune  Samenschale,  c  weiße  Samenschale. 

Der  Bastard  heißt  also  ABCabc  und  erscheint  rund,  gelb,  graubraun. 
Wenn  er  reine  Gameten  bildet,  so  können  diese  von  8  verschiedenen 


157     — 


Zusammensetzungen  sein,  entsprechend  den  8  möglichen  Kombinationen 
der  3  Buchstabenpaare.     Die  Gameten  lauten  also: 

ABC      ABc      AbC      aBC      Abc      aBc      abC      abc 

Ihre  Kombination  ergibt  also  8  x  8  =  64  Möglichkeiten : 


ABC      ABc       AbC      aBC      Abc        aBc        ab  C 


a  b  c 


ABC 

ABc 

AbC 

(7ÄC 

Abc 

<7    £^ 

a£  C 

abc 

ABC 

ABC 

A  B  C 

ABC 

ABC 

A  B  C 

,4^  C 

ABC 

ABC 

!  1 

!  2 

!3 

U 

!S 

!  6 

'•7 

18 

AB  C 

ABc 

^^  C 

aBC 

^6" 

aBc 

ß  £  C 

abc 

ABc 

ABc 

ABc 

^  /?<■ 

A  Bc 

ABc 

ABc 

ABc 

ABc 

!9 

?  1 

!  10 

!  11 

?  2 

?3 

!  12 

U 

ABC 

ABc 

Ab  C 

aBC 

^<$c 

aBc 

aK 

abc 

A  b  C 

Ab  C 

Ab  C 

A  b  C ' 

AbC 

/2<$  C 

AbC 

y4<5C 

AbC 

!i3 

!i4 

;i 

li5 

;  2 

!  16 

;  3 

;  4 

ABC 

ABc 

AbC 

ß^C 

/*£* 

aBc 

ö  3  c 

(7  5  C 

aBC 

aBC 

aBC 

aB  C 

aBC 

a/>  c 

aBC 

a  />  C 

aBC 

!i7 

!  18 

I19 

:  1 

!  20 

:  2 

:  3 

■  4 

ABC 

ABc 

^^  C 

a  5  C 

^0* 

aBc 

«0  c 

abc 

Abc 

Abc 

Abc 

,4ac 

^£<r 

,4<5<: 

Abc 

Abc 

Abc 

!  21 

?5 

;s 

!  22 

-1 

?6 

;6 

—  2 

ABC 

ABc 

^43  c 

aBC 

^3<r 

aBc 

a  £  6" 

(7  />  £ 

aBc 

aBc 

aBc 

aBc 

aBc 

aBc 

aBc 

aBc 

a#* 

!  23 

?7 

!24 

■  5 

?8 

+  1 

:  6 

+  2 

ABC 

ABc 

/*aC 

«.5  C 

<4<&<: 

aBc 

a  b  C 

a  3  c 

ab  C 

ab  C 

ab  C 

a<$  c 

«*  C 

ab  C 

a  b  C 

abC 

ab  C 

!25 

!  26 

;  7 

:  7 

;8 

:  8 

Xl 

X2 

ABC 

ABc 

^  c 

ö^C 

^j* 

0^ 

ab  C 

abc 

abc 

abc 

a  b  c 

abc 

abc 

abc 

abc 

abc 

a  b  c 

!  27 

■'9 

;  9 

■  9 

-3 

+  3 

X3 

1 

Dies  Schema  zeigt  nun,  daß  im  ganzen  8  verschiedene  Samenarten 
auftreten.  1.  runde,  gelbe,  graubraune  ABC,  2.  runde,  gelbe,  weiße 
ABc,  3.  runde,  grüne,  graubraune  AbC,  4.  kantige,  gelbe,  graubraune 
aBC,  5.  runde,  grüne,  weiße  Abc,  6.  kantige,  gelbe,  weiße  aBc,  7.  kan- 
tige, grüne,  graubraune  abC  und  8.  kantige,  grüne,  weiße  abc  .    Die  erste 


—     158     — 

Gruppe  mit  allen  3  dominanten  Eigenschaften  ABC  ist  mit  !  gekenn- 
zeichnet und  umfaßt  27  von  64  Individuen.  Unter  diesen  ist  wieder 
nur  eines,  das  mit  der  fetten  Zahl  1,  rein.  Die  2. — 4.  Gruppe,  die  je  2 
dominante  und  1  rezessive  Eigenschaft  zeigen,  also  ABc,  AbC,  aBC 
ist  in  je  9  Exemplaren  vorhanden,  bezeichnet  mit  ?  ;  :  .  Auch  hier  ist 
immer  nur  je  1  Exemplar  (mit  der  fetten  Zahl)  rein.  Die  5. — 7.  Gruppe 
besitzt  eine  dominante  und  2  rezessive  Eigenschaften,  also  Abc,  aBc, 
abC,  und  kommt  in  je  3  Exemplaren  vor,  bezeichnet  durch  ■ — ■  +  x 
und  auch  hier  wieder  nur  je  ein  reines  Individuum.  Endlich  enthält 
die  8.  Gruppe  mit  allen  3  rezessiven  Eigenschaften  abc  nur  ein  reines 
Individuum. 

Es  erscheinen  also  sichtlich  8  verschiedene  Typen  und  zwar  sind 
das,  um  uns  nun  wieder  der  alten  Ausdrucksweise  zu  bedienen,  Phäno- 
typen. Denn  nach  der  Gametenzusammensetzung  sind  27  verschiedene 
Typen,  Genotypen,  zu  unterscheiden  (bei  2  Eigenschaften  waren  es  9). 
Würden  wir  sie  im  Schema  auszählen,  so  fänden  wir  8  reine  Typen  je 
1  mal,  12  Typen  mit  je  2  Eigenschaften  rein  und  der  3.  unrein  je  2  mal, 
6  Typen  mit  je  einer  Eigenschaft  rein  und  zweien  unrein  je  4  mal  und 
einen  Typus  mit  allen  3  Eigenschaften  unrein  (also  ABCabc)  in  8  Exem- 
plaren.    Es  lautet  also  die  Phänotypenverteilung : 

27  ABC  :  9  AbC  :  9  ABc  :  9  aBC  :  3  Abc  :  3  aBc  :  3  abC  :  1  abc 

Die  genotypische  Verteilung  dagegen: 

1ABC  :  \ABc  :  \AbC:  laBC  :  \Abc  :  \aBc  :  \abC  :  \abc  :  zABCc  :  zAbCc: 
zaBCc  :  zabCc  :  zABbC  :  zABbc  :  laBbC:  laBbc  :  zAaBC  :  2AaBc  :  2Aal>C  : 
zAabc  :  \ABbCc  :  ^aBbCc  :  \AaBCc  :  \AabCc  :  \AaBbC:  \AaBbc  :  SAaBbCc 

In  dem  wirklichen  Versuch  Mendels  waren  die  Zahlen  der  Pflanzen, 
die  sich  als  zu  diesen  27  Genotypen  zugehörig  erwiesen : 

S  4-  14  +  9  +  11  +  8  +  10  +  10  +  7    4-  22  4-  17  4-  25  4-  20  4-  15  4-  18  +  19 
4- 24  4- 14  4- 18  4- 20  +  16     4-454-364-384-404-494-48    4-78 

also  in  guter  Übereinstimmung  mit  dem  erwarteten  Verhältnis: 
1:1:1:1:1:1:1:1:2:2:2:2:2:2:2:2:2:2:2:2:4:4:4:4:4:4:8. 

Wir  sehen  somit,  wie  auch  für  3  Eigenschaften  aus  dem  Kombi- 
nationsschema alle  Erwartungen  des  Versuchs  herausgelesen  werden 
können.    Da  also  die  Erwartungen  sich  alle  bei  der  Annahme  der  Rein- 


—     159 

heit  der  Gameten  aus  der  Kombinationsrechnung  ergeben,  so  lassen 
sich  natürlich  alle  Zahlenmöglichkeiten  auf  einfache  Weise  berechnen. 
Wir  haben  gesehen,  daß  bei  einem  Paar  von  Eigenschaften  oder  Allelo- 
morphen  die  Spaltung  in  F2  im  Verhältnis  von  3  :  1  eintritt,  also  in 

—  4 —  Individuen.  Da  sich  das  Verhalten  bei  mehreren  Eigenschaften 
4      4 

nun  aus  dem  der  einzelnen  Eigenschaften  kombiniert,  so  muß  für  2  Eigen- 
schaften das  Resultat  sein 


(3  +  l\/3  +  i)        9  + 

U       4M  4       4'        16 

und  für  3  Eigenschaften 


1  ! 

—  4 

16^  16 


T         l\3        27  Q  T.  I 

-  4-  -    =  —  4-  *  •  —  4-  3  •  —  H 

4^4/        64  ^°    64  ^°    64^64 


also  das,  was  wir  soeben  im  Kombinationsschema  gesehen  haben.     All- 
gemein also  für  n  Eigenschaften  =  (     +     I 

Es  beträgt  somit  die  Anzahl  der  in  F2  auftretenden  Phänotypen  2W, 
also  bei  3  Eigenschaften  8.  Unter  diesen  sind,  wie  wir  gesehen  haben, 
ebenfalls  2n  rein,  und  ebenso  groß  ist  ja  die  Zahl  der  möglichen  Ga- 
metenarten  des  Bastards.  Von  diesen  2n  Phänotypen  zeigt  einer  die 
Charaktere  sämtlicher  n  (im  Beispiel  3)  dominanten  Eigenschaften,  je 
einer  den  Charakter  von  n  — - 1  Dominanten  und  1  Rezessiven  (im  Bei- 
spiel 2  Dom.  und  1  Rez.),  je  einer  den  von  n  —  2  dominanten  und  2 
rezessiven  (im  Beispiel  1  Dom.  und  2  Rez.)  usw.  und  schließlich  einer  den 
Charakter  sämtlicher,  also  n  rezessiven  Eigenschaften.  Die  Zahlen- 
verhältnisse dieser  2"  Phänotypen  sind  die,  daß  unter  22"  Individuen 
(im  Beispiel  22x3  —  64)  3"  (also  33  =  27)  sämtliche  n  Dominanten 
haben,  je  3" — -1  n  —  1  Dominanten  und  1  Rezessiv  (33—  l  =  9),  je 
3n  —  2  n  — ■  2  Dominanten  und  2  Rezessive  (3  3 — 2  =  3)  und  so  weiter 
bis  30  =  1  sämtliche  Rezessive. 

Wir  können  an  dieser  Stelle  uns  gleich  auch  mit  der  jetzt  allgemein 
üblichen  Nomenklatur  vertraut  machen.  Das  was  wir  hier  reine  Typen 
nannten,  wird  als  homozygot  bezeichnet  und  unreine  als  hetero- 
zygot. Also  eine  Form  ist  in  bezug  auf  eine  betrachtete  Eigenschaft 
homozygot,  wenn  sie  ihren  Erbfaktor  in  gleicher  Weise  von  beiden  Eltern 
erhielt,  in  zwei  Portionen  besitzt,  in  der  Buchstabenformel  für  die  be- 


—     160     — 

treffende  Eigenschaft  nur  große  oder  nur  kleine  Buchstaben  vorkommen; 
sie  ist  darin  heterozygot,  wenn  sie  von  beiden  Eltern  verschiedene 
Eigenschaften  erhielt,  jede  nur  in  einer  Portion,  in  der  Formel  also  ein 
großer  und  ein  kleiner  Buchstabe  steht.  In  bezug  auf  eine  homozygote 
Eigenschaft  wird  nur  eine  Sorte  Gameten  gebildet,  in  bezug  auf  eine 
heterozygote  zwei  Sorten  und  bei  Heterozygotie  in  mehreren  Eigen- 
schaften soviele  als  Kombinationsmöglichkeiten  vorhanden.  Das  ist 
also  nur  eine  etwas  anders  geartete  Ausdrucksweise. 

Es  ist  wohl  aus  der  Darstellung  der  wichtigsten  Resultate  Mendels 
und  ihrer  Konsequenzen  nicht  nur  der  geniale  Scharfblick  dieses  For- 
schers sichtbar  geworden,  sondern  auch  die  Tatsache  verständlich,  wieso 
diese  Untersuchungen  bei  ihrem  wirklichen  Bekanntwerden  eine  so 
gewaltige  Wirkung  auf  die  gesamte  Biologie  ausübten.  Konnte  man 
sich  doch  nichts  Befriedigenderes  vorstellen  als  den  Gedanken,  die 
ganzen  Erblichkeitserscheinungen  in  ein  einfaches  Gesetz  fassen  zu 
können.  Die  außerordentliche  Fülle  von  Tatsachenmaterial,  die  seit- 
dem bekannt  geworden  ist  und  die  in  ihrer  durch  Mendels  Arbeits- 
methode gekennzeichneten  Gesamtheit  den  „Mendelismus"  zu  einem 
besonderen  Wissenszweig  der  Biologie  erhoben  hat,  hat  so  weittragende 
Bestätigungen  des  Grundgedankens  der  Mendelschen  Gesetze  ge- 
bracht, daß  es  heute  nicht  wenige  Forscher  gibt  —  und  es  sind  gerade 
die  erfahrensten,  —  die  überzeugt  sind,  daß  es  überhaupt  nur  eine  Art 
von  Vererbung,  die  Mendelsche,  gebe.  Wir  wollen  deshalb  in  den 
folgenden  Vorlesungen  die  wichtigsten  Tatsachen  des  Mendelismus  an 
Hand  ausgewählter  Beispiele  kennen  lernen. 


Achte  Vorlesung, 

Die    Dominanzregel.      Reine f    unvollständige,   fluktuierende   und 
wechselnde  Dominanz.   Intermediäre  und  Mosaikbastarde.  Die  Ur- 
sachen der  verschiedenen  Dominanzerscheinungen,  ihre  Erforschung 
im  biologischen  und  entwicklungsmechanischen  Experiment. 

Die  Hauptgesetze,  die  aus  Mendels  Untersuchungen  folgen,  sind 
i.  die  Dominanzregel,  2.  das  Gesetz  der  Spaltung  der  Eigenschaften 
nach  berechenbaren  Verhältnissen,   3.   die  Reinheit  der  Gameten,  aus 


—     161     — 

der  die  Spaltungsgesetze  gefolgert  werden,  4.  die  Zusammensetzung 
der  Organismen  aus  Erbeinheiten.  Es  wird  also  unsere  erste  Aufgabe 
sein,  zu  verfolgen,  wie  weit  die  neu  gefundenen  Tatsachen  diese  Gesetz- 
mäßigkeiten stützen  und  ausführen,  und  so  wollen  wir  jetzt  beginnen, 
der  Erscheinung  der  Dominanz  unsere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden. 
Wir  werden  dabei  bald  erfahren,  daß  sie  nicht  ein  eigentliches  Gesetz 
darstellt,  sondern  eine  Regel,  die  allerdings  in  sehr  vielen  Fällen  zu- 
trifft. Schon  die  alte  Bastardlehre  wußte  ja,  wie  geschildert  wurde, 
daß  oft  der  Bastard  ausschließlich  die  Charaktere  eines  der  Eltern 
zeigt,  und  wir  sahen,  daß  schon  Darwin  versuchte,  für  solche  Fälle 
eine  Regel  zu  finden.  Die  neueren  Bastardierungsstudien  haben  nun 
eine  Fülle  von  Fällen  echter  Dominanz  entdeckt,  die  sich  auf  alle  er- 
denklichen Arten  von  Eigenschaften  im  Tier-  und  Pflanzenreich  be- 
ziehen. Bateson,  der  Führer  des  modernen  Mendelismus,  füllt  allein 
mit  der  Aufzählung  der  Fälle  viele  Seiten  seines  berühmten  Buches. 
Um  nur  einige  Beispiele  zu  nennen,  so  kann  es  sich  handeln  um  quan- 
titative Charaktere:  Wir  sahen  bereits  in  Mendels  Versuchen 
hohen  Wuchs  über  niederen  bei  Erbsen  dominieren;  umgekehrt  domi- 
niert das  kurze  Haar  der  gewöhnlichen  Nagetiere  (Kaninchen)  über  das 
lange  Angorahaar.  Oder  es  betrifft  Formcharaktere:  Wir  sahen 
bei  Mendels  Erbsen  runde  Samen  über  kantige  dominieren;  bei  Hüh- 
nern dominieren  die  verschiedenartigen  Kammformen  wie  Rosen-  oder 
Erbsenkamm  über  den  gewöhnlichen  Lappenkamm;  die  gewöhnlichen 
Federn  dominieren  über  die  seidigen  der  Seidenhühner;  der  Kurzsteiß 
mancher  Hühnerrassen  ebenso  über  seine  normale  Beschaffenheit. 
Oder  es  betrifft  Farben,  das  am  meisten  bearbeitete  Gebiet:  Wir  sahen 
bei  Mendel  gefärbte  Erbsenblüten  über  weiße  dominieren;  bei  den 
Nagetieren  dominieren  die  verschiedenen  Färbungen  über  das  albinotische 
Weiß;  rote  Schneckenschalen  dominieren  über  gelbe;  der  rote  Flügel- 
staub der  mitteleuropäischen  Callimorpha  über  den  gelben  der  süd- 
europäischen. Auch  Zeichnungscharaktere  kommen  in  Betracht:  So 
dominieren  ungebänderte  Schnecken  über  gebänderte,  die  Scheckung  ge- 
wisser Nagetierrassen  über  die  Ganzfarbigkeit.  Auch  von  physio- 
logischen Charakteren  ist  entsprechendes  bekannt:  Rostempfäng- 
lichkeit beim  Getreide  dominiert  über  relative  Unempfänglich keit,  das 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  II 


—     162     — 

Traben  der  Pferde  über  den  Paßgang.  Pathologische  Charak- 
tere sind  sehr  oft  dominant  über  normale:  So  die  Brachydaktylie  oder 
die  Sechsfingrigkeit  beim  Menschen  über  die  normale  Beschaffenheit, 
die  Kurzschwänzigkeit  der  Manxkatzen  über  das  normale  Verhalten, 
dagegen  der  normale  Zustand  des  Labyrinths  der  Mäuse  über  die  patho- 
logische Veränderung,  die  das  Tanzen  bedingt.  Und  endlich  sind  auch 
die  Instinkte  nicht  zu  vergessen:  So  dominiert  der  Brutinstinkt 
der  Hühner  über  sein  Fehlen  bei  manchen  Rassen,  das  absonderliche 
Schreien  ägyptischer  Hühner  über  die  gewöhnliche  Lautgebung. 

Diese  wenigen  Beispiele  mögen  genügen,  wir  werden  ja  auch  ohne- 
hin noch  andere  kennen  lernen.     Es  handelt  sich  nun  zunächst  darum, 
für  die  Fälle  wirklicher  Dominanz  zu  untersuchen,  ob  sich  irgendeine 
Gesetzmäßigkeit    dafür   feststellen   läßt,    welche    Art    von    Eigenschaft 
über  eine   andere   dominiert.     Versuche  in   dieser  Richtung  sind  denn 
auch  mehrfach   unternommen  worden,  ohne  daß  sie  zu  einem  festen 
Resultat  geführt  hätten.     So  glaubte  man  annehmen  zu  dürfen,  daß 
das  phylogenetisch   ältere   Merkmal  über   das  jüngere   dominiere.      In 
den   meisten   Fällen   dürfte   es  allerdings  schwer  zu  entscheiden   sein, 
was  phylogenetisch  älter  ist.     Da  aber,  wo  es  sich  feststellen  läßt,  wie 
bei  den  Haustierrassen  oder  den  Schmetterlingsaberrationen,  trifft  die 
Annahme  bald  zu,  bald  nicht.    Das  kurze  Haarkleid  des  wilden  Kanin- 
chens dominiert  in  der  Tat  über  das  Angorafell,  das  ein  Produkt  der 
Domestikation   ist,    aber   umgekehrt   dominiert    auch   die   gewiß   nicht 
phylogenetisch  ältere  Schwanzlosigkeit  der  Katzen  über  den  normalen 
Zustand,  oder  die  melanistischen  Aberrationen  mancher  Schmetterlinge 
über  die  Normalform.  Die  Verallgemeinerung  ist  also  sicher  undurchführ- 
bar.   Etwas  besser  steht  es  mit  einem  anderen  Versuch,  der  aus  einer  jetzt 
allgemein    üblichen    Betrachtungsweise    der    Allelomorphe    oder    Merk- 
malspaare, hervorgegangen  ist.     Bateson  hat  vorgeschlagen,  die  Merk- 
malspaare unter  dem  Gesichtspunkt  der  presence  und  absence  zu  grup- 
pieren, das  heißt  also  die  Annahme  zu  machen,  daß  immer  das  Vor- 
handensein einer  Eigenschaft  deren  Fehlen  gegenüberstehe.    Die  Allelo- 
morphe für  die  Mendelsche  Erbsenfarbe  hießen  also  gelb  —  kein  gelb 
( =  grün),  für  die  Fellfarbe  der  Nagetiere  Farbe  —  keine  Farbe  ( =  Al- 
bino), Scheckung  —  keine  Scheckung  ( =  ganzfarbig),  für  den  Kurzsteiß 


—     163     — 

mancher  Hühnerrassen  Verhinderungsfaktor  der  Steißentwicklung  — 
kein  solcher  Faktor  (=  normaler  Schwanz).  Es  unterliegt  auch  keinem 
Zweifel,  daß  diese  Art  der  Darstellung  die  rationellste,  vor  allem  die 
praktischste  ist.  Wenn  sie  nun  außerdem  auch  auf  einer  realen  Grund- 
lage beruht,  so  ist  es  klar,  daß  das  dominante  Merkmal  immer  das  an- 
wesende sein  muß.  In  vielen  Fällen  mag  in  der  Tat  diese  Anschauung 
auch  richtig  sein,  wie  in  den  angeführten  Beispielen,  und  je  weiter  wir 
in  den  mendelistischen  Studien  kommen,  um  so  größer  wird  die  Wahr- 
scheinlichkeit der  Annahme,  die  schon  in  vielen  schwierigen  Fällen 
ihre  Erklärungskraft  bewährt  hat.  Wie  weit  sie  allerdings  wörtlich 
richtig  ist,  ist  eine  andere  Frage,  die  zunächst  noch  nicht  entschieden 
werden  kann.  Wenn  etwa  bei  Helix  die  ungebänderte  Schale  über  die 
gebänderte  dominiert,  so  ist  das  nur  durch  ad  hoc  gemachte  Begriffs- 
bestimmungen jener  Annahme  einzugliedern,  ebenso  wie  bei  den  kurz- 
steißigen  Hühnern.  Eine  genauere  Kenntnis  des  Wesens  der  Erbfak- 
toren, die  ja  früher  oder  später  errungen  werden  wird,  kann  in  diesem 
Punkt  erst  Sicherheit  schaffen.  Man  wird  also  gut  tun,  jene  An-  und 
Abwesenheitshypothese  als  vortreffliche  Begriffsbestimmung  zu  be- 
nutzen, der  wahrscheinlich  auch  irgendeine  innere  Wahrheit  zugrunde 
liegt,  so  daß  sie  wohl  einmal  sich  über  den  Rang  einer  heuristischen 
Hypothese  erheben  wird  und  wir  werden,  wie  alle  Mendelianer,  im 
folgenden  auch  stets  mit  ihr  arbeiten.  Daß  sie  eine  materielle  Gesetz- 
mäßigkeit für  die  Dominanzerscheinung  aufstelle,  kann  man  aber  vor- 
sichtigerweise noch  nicht  als  sichergestellt  betrachten. 

Wie  schwer,  wenn  nicht  überhaupt  unmöglich  es  sein  muß,  die  Er- 
scheinung einem  bestimmten  Gesetz  unterzuordnen,  geht  vor  allem 
aus  den  Erscheinungen  hervor,  die  man  mit  Kellogg,  der  den  Aus- 
druck von  dem  großen  Pflanzenzüchter  Luther  Burbank  übernahm, 
als  Idiosyncrasien  bezeichnet.  Eine  und  dieselbe  Außeneigenschaft,  also 
etwa  die  Kokonfarbe  des  Seidenspinners,  kann  sich  bei  verschiedenartigen 
Kreuzungen  als  Dominante  oder  Rezessive  verhalten.  So  ergibt  die 
Kreuzung  einer  Istrianer  Rasse  mit  goldgelbem  Kokon  mit  einer  chine- 
sischen mit  reinweißem  Kokon  in  Fx  reine  Dominanz  der  goldgelben. 
Wurden  aber  die  gleichen  Istrianer  mit  der  Bagdadrasse  gekreuzt,  die 
ebenfalls  reinweiße  Kokons  bildet,  so  war  in  Fx  weiß  dominant.     Das 

ii* 


—     164     — 

nennt  Kellogg  —  und  Toyama  und  Coutagne  haben  das  gleiche 
festgestellt  —  Rassenidiosyncrasien.  Es  zeigt  das  eben,  daß  die  Do- 
minanz nicht  eine  absolute  Eigenschaft  eines  Charakters  ist  oder  sein 
muß,  daß  sie  auch  relativ  sein  kann.  Entsprechende  Beispiele  gibt  es 
aber  auch  aus  anderen  Tiergruppen.  So  beschreibt  Bateson  neben 
weißdominanten  Hühnerrassen  auch  weißrezessive,  aber  auch  einzelne 
rezessive  Stücke  in  sonst  weißdominanten  Rassen,  Miß  Durham 
findet  bei  Mäusen  einen  dominanten  neben  einem  rezessiven  Scheckungs- 
faktor, dieselbe  Blütenfarbe  kann  dominant  oder  rezessiv  sein,  je  nach- 
dem sie  eine  Chromatophorenfarbe  oder  Zellsaftfarbe  ist.  Mit  der  An- 
nahme, daß  es  sich  in  solchen  Fällen  um  ganz  verschiedene  Faktoren 
handle,  deren  Produkt  nur  gleich  aussieht  (man  hat  für  weiß  dominante 
Eigenschaften  weiße  Melaninpigmente  herangezogen)  läßt  sich  aller- 
dings eine  Eingliederung  in  die  Presence-Absencetheorie  vornehmen; 
eine  wirkliche  Lösung  ist  aber  wohl  nur  auf  physiologisch-chemischem 
Weg  denkbar. 

Nun  wurde  es  bisher  von  uns  als  selbstverständlich  angenommen, 
daß  da,  wo  Dominanz  vorliegt,  wirklich  nur  der  dominante  Charakter 
sichtbar  ist.  Das  bedeutet  also,  daß  der  Bastard,  der  das  dominante 
und  das  rezessive  Merkmal  zugleich  enthält  oder  die  Heterozygote, 
wie  wir  von  jetzt  ab  mit  dem  bereits  in  der  letzten  Vorlesung  einge- 
führten Terminus  sagen  wollen,  von  der  reinen  dominanten  Stamm- 
form oder  Homozygote  nicht  äußerlich  zu  unterscheiden  ist.  (Der 
Begriff  Homozygote  bedeutet  natürlich,  daß  ein  Merkmal  nur  rein 
vorhanden  ist,  bezieht  sich  also  sowohl  auf  dominante  wie  rezessive 
Eigenschaften.  AA,  aa,  AAbb,  aabb,  AABB  sind  alle  homozygot;  Aa 
dagegen  ist  heterozygot,  AABb  ist  in  der  Eigenschaft  A  homozygot, 
in  der  Eigenschaft  B  heterozygot.)  Es  unterliegt  auch  keinem  Zweifel, 
daß  das  in  einer  genügenden  Anzahl  von  Fällen  zutrifft.  Aber  schon 
bei  Fällen  scheinbar  reiner  Dominanz  kann  bisweilen  der  geschärfte 
Blick  des  Züchters  die  Heterozygote  von  der  Homozygote  unterscheiden 
wie  ein  jeder  erfährt,  der  mit  diesen  Dingen  arbeitet,  und  Mendel 
selbst  war  sich  über  die  Unvollkommenheit  der  Dominanz  schon  im 
klaren.  Und  daran  schließen  sich  dann  solche  Fälle  an,  bei  denen  zwar 
äußerlich  ein  Unterschied  nicht  wahrzunehmen  ist,  die  mikroskopische 


—     165     — 

Untersuchung  aber  Hetero-  und  Homozygoten  unterscheiden  läßt. 
Von  besonderem  Interesse  erscheinen  hierfür  die  Befunde  von  Dar- 
bishire,  weil  sie  sich  auf  Mendels  klassischen  Fall  der  Dominanz 
der  runden  Erbsen  über  kantige  beziehen.  Die  Untersuchung  der 
Stärkekörner  der  rein  dominantmerkmaligen  Heterozygoten-Samen 
zeigte  nämlich,  daß  sie  deutlich  eine  gemischte  Beschaffenheit  aus  den 
charakteristisch  differenten  Größen,  Formen  und  Strukturen  der 
Stärkekörner  der  Elternpflanzen  aufwiesen,  so  daß  mit  Hilfe  des  Mi- 
kroskops sich  Homozygoten  und  Heterozygoten  ohne  weiteres  unter- 
scheiden lassen.  Wir  werden  dieses  Ergebnis  in  der  nächsten  Vor- 
lesung nochmals  zu  besprechen  haben. 

In  nicht  wenigen  Fällen  aber  lassen  sich  die  reinen  Dominanten  und 
die  Dominantrezessiven  auch  schon  äußerlich  unterscheiden,  indem 
letztere  etwa  den  dominanten  Charakter  abgeschwächt  zeigen.  Be- 
sonders Correns,  Davenport,  Bateson  haben  uns  mit  vielen  solchen 
Fällen  bekannt  gemacht.  Bateson  drückt  dies  auf  Grund  seiner  An- 
und  Abwesenheitslehre  so  aus,  daß  in  diesen  Fällen  zwei  Portionen 
des  dominanten  Charakters  nötig  sind,  um  ihn  voll  zur  Ausbildung  zu 
bringen,  eine  Annahme,  die  jedenfalls  eine  treffende  Beschreibung  der 
Tatsache  bedeutet.  So  findet  etwa  Correns  bei  Kreuzung  gelb-  und 
grünblättriger  Wunderblumen,  daß  das  dominante  Grün  in  Fx  heller 
erscheint.  Werden  weiß  dominante  Hühnerrassen  mit  braunen  ge- 
kreuzt, so  ist  F1  weiß,  die  Tiere  können  aber  im  Gefieder  braune  Flecken 
aufweisen,  die  Dominanz  ist  also  unrein.  Und  gerade  aus  dem  Gebiete 
der  Hühnerkreuzungen  sind  besonders  durch  Davenport  eine  ganze 
Anzahl  solcher  Fälle  bekannt  geworden.  So  ist  die  gewöhnliche  Kopf- 
form gegenüber  dem  Vorhandensein  eines  Federbuschs  rezessiv,  trotz- 
dem zeigte  sich  aber  in  Fx  der  Federbusch  reduziert,  wie  umstehende 
Figg.  62 — 64  zeigen.  Das  Fehlen  der  Federhose  an  den  Schenkeln 
dominiert  über  ihr  Vorhandensein,  aber  einige  Federn  finden  sich  doch 
in  Fx.  Ebenso  dominiert  das  Vorhandensein  einer  5.  Extrazehe  bei 
vierzehigen  Hühnerrassen  über  ihr  Fehlen,  aber  in  Fj  findet  man  auch 
Individuen  mit  schlecht  ausgebildeter  5.  Zehe,  mit  einer  solchen  nur 
an  einem  Fuß  oder  gar  überhaupt  ganz  vierzehige  Tiere,  die  natürlich 
deshalb  trotzdem  sich  als  echte  Heterozygote  erweisen.    Um  aber  auch 


166 


eine  andere  Tiergruppe  heranzuziehen,  so  stellte  Standfuss  bei  seinen 
später  noch  zu  besprechenden  Kreuzungen  des  Schmetterlings  Aglia 
tau  mit  seinen  melanistischen  Aberrationen  fest,  daß  sich  bei  letzteren, 
welche  dominant  sind,  aufs  deutlichste  homozygote  und  heterozygote 
Individuen    unterscheiden    lassen.      Nebenstehende    Fig.  65    zeigt    die 


Fig.  64. 
62  Kopf  des  Minorcahuhns,  63  des  polnischen  Huhns,  64  des  Bastards  a  X  b.    Nach 

Davenport  aus  Godlewski. 


Aglia  tau  ab.  ferenigra  in  heterozygotem  und  homozygotem  Zustand, 
wobei  das  düsterere  Aussehen  der  letzteren  zu  erkennen  ist1.  Diese 
Beispiele  ließen  sich  leicht  aus  allen  Gruppen  von  Tier-  und  Pflanzen- 
eigenschaften vermehren. 


1  Plate  hat  für   diesen  Fall  eine  andere  Interpretation  versucht,  ohne  sie  bisher 
beweisen  zu  können. 


—     167 


Von  diesen  Fällen  unvollständiger  Dominanz  sind  dann  solche  nicht 
zu  trennen,  zum  Teil  auch  schon  mit  besprochen,  bei  denen  eine  Fluk- 
tuation in  der  Erscheinung  des  dominierenden  Merkmals  zu  erkennen 
ist.  Für  die  Extrazehe  der  Hühner  wurde  das  schon  Darwin  bekannte 
Verhalten  erwähnt.  Als  Analogon  kann  noch  die  von  Gates  berichtete 
Kreuzung  zwischen  einer  stummelschwänzigen  Schäferhündin  und 
einem  schottischen  Collie  erwähnt  werden,  wobei  in  Fx  Junge  mit 
Schwänzen  verschiedener  Länge  auftraten.  Ganz  ähnlich  liegt  es  auch 
bei  Kreuzung  kurzsteißiger  Hühner  mit  normalen,  oder  schwanzloser 
Manxkatzen.    Wir  werden  allerdings  später  bei  Besprechung  des  Falles 


Fig.  65. 
Aglia   tau  v.  ferenigra.    a  heterozygot,    b  homozygot.    Photo,    nach    S tan dfuss scheu 

Originalen. 


der  Vererbung  der  Ohrenlänge  beim  Kaninchen  erfahren,  daß  der- 
artige Resultate  bei  quantitativen  Merkmalen  auch  anders  erklärt 
werden  können. 

Die  unvollständige  und  fluktuierende  Dominanz  kann  aber  schließ- 
lich auch  in  der  denkbar  extremsten  Form  auftreten,  nämlich  als  Do- 
minanzwechsel, der  bald  regellos,  bald  aber  auch  mit  bestimmter  Rege- 
lung erscheint.  Als  regelloser  Dominanzwechsel  muß  das  bezeichnet 
werden,  was  Kellogg  nach  seinen  Seidenraupenkreuzungen  als  indi- 
viduelle Idiosyncrasie  im  Gegensatz  zu  der  schon  erwähnten  Rassen- 
idiosyncrasie  bezeichnet.  Ein  Beispiel  aus  seinen  Zuchtlisten  erläutere 
dies.  Bei  einer  Kreuzung  von  einem  Männchen  der  reinen  Bagdad- 
rasse mit  weißem  Kokon  mit  einem  Italienerweibchen  mit  salmfarbigem 
Kokon  hatte  Yx  lauter  salmfarbige  Kokons.     Bei  einer  anderen  Kreu- 


—     168     — 

zung  zwischen  einem  Italienermännchen  (salmfarbig)  und  Bagdadweib- 
chen (weiß)  hatte  F1  lauter  weiße  Kokons.  Bei  einem  anderen  Versuch 
von  genau  der  gleichen  Beschaffenheit  wie  der  erstere  hatten  aber  alle 
Fx  auch  weiße  Kokons.  Es  ist  also  eine  bestimmte  Regel  nicht  er- 
sichtlich, wann  weiß  oder  salmfarbig  dominiert.  Als  unregelmäßiger 
Dominanzwechsel  muß  es  aber  auch  bezeichnet  werden,  wenn  in  Fx 
ein  Teil  der  Individuen  die  rezessive  Eigenschaft  zeigen.  Kellogg 
findet  solche  Fälle  bei  seinen  Seidenraupen,  ebenso  Davenport  bei 
den  verschiedenartigsten  Hühnermerkmalen,  so  ist  der  Besitz  eines 
Kammes  dominant  über  sein  Fehlen,  aber  in  5 — 10%  der  F^Tiere 
kann  er  ganz  fehlen.  Bei  anderen  Charakteren,  wie  Extrazehe,  kann 
der  Prozentsatz  der  auftretenden  Rezessiven  auf  20%  steigen,  ja  sogar 
auf  50%,  wie  in  Kelloggs  Fällen  oder  dem  Vorhandensein  eines  Nasen- 
lappens bei  Hühnern.  Es  ist  das  aber  nicht  etwa,  wie  man  glauben 
könnte,  eine  Spaltung  in  Fj_,  denn  die  rezessivmerkmaligen  Individuen 
erweisen  sich  bei  Weiterzucht  in  F2  trotzdem  als  echte  Heterozygoten. 
Es  ist  bisher  noch  nicht  gelungen,  in  diese  Erscheinungen  eine  Gesetz- 
mäßigkeit zu  bringen,  die  zweifellos  dahinter  stecken  muß  und  alle 
Tatsachen  erklärt.  Ein  Teil  von  ihnen  dürfte  sich  allerdings,  wie  To- 
yama  zeigte,  dadurch  auflösen  lassen,  daß  die  benutzten  weißen  Rassen 
manchmal  heterozygot  waren  aus  dominantem  und  rezessivem  Weiß, 
so  daß  die  scheinbar  einheitliche  Rasse  WW,  Ww  oder  ww  sein  konnte, 
was  natürlich  dann  ganz  verschiedene  Kreuzungsresultate  liefern  mußte. 
Eine  Regelmäßigkeit  scheint  dagegen  in  solchen  Fällen  vorzuliegen, 
wo  entweder  die  Dominanz  während  des  individuellen  Lebens  wechselt, 
oder  wo  sie  je  nach  der  Richtung  der  Kreuzung  wechselt.  Wenn  Lang 
zum  Beispiel  berichtet,  daß  bei  Kreuzung  roter  und  gelber  Schnecken 
in  den  ersten  Schalenumgängen  der  jungen  Tiere  gelb  dominiert,  um 
dann  später  durch  rote  Windungen  abgelöst  zu  werden  (ein  Fall,  den 
Lang  selbst  allerdings  jetzt  anders  zu  erklären  geneigt  ist),  oder  wenn 
Giard  berichtet,  daß  bei  Vogelkreuzungen  oft  das  junge  Tier  sich  mehr 
dem  einen,  das  erwachsene  dem  anderen  der  Eltern  nähert,  so  sind  das 
in  der  Tat  Illustrationen  dieser  Erscheinung.  Ebenso  tritt  sie  in  einigen 
der  mehrfach  erwähnten  Davenport  sehen  Hühnerkreuzungen  hervor. 
Das  Weiß  der  Leghornrasse  ist  dominant  über  Schwarz,  aber  das  Ge- 


—     169     — 

fieder  junger  Hühner  kann  aus  beiden  Farben  gemischt  sein  und  geht 
erst  bei  den  Mauserungen  in  Weiß  über.  Schließlich  sei  noch  ein  instink- 
tives Beispiel  gegeben,  bei  dem  gleichzeitig  die  unvollkommene,  die 
fluktuierende,  die  nach  der  Richtung  der  Kreuzung  wechselnde  und  die 
im  Laufe  der  individuellen  Entwicklung  sich  verschiebende  Dominanz 
zu  erkennen  ist.  Es  handelt  sich  um  einen  bestimmten  Zeichnungs- 
charakter der  Raupen  von  Lymantria  dispar  und  ihrer  Varietät  japonica. 
In  den  folgenden  Kurven  Fig.  66  (S.  170)  ist  die  Variationskurve  des 
Merkmals  für  die  beiden  Ausgangsrassen  und  ihre  Bastarde  gegeben, 
oben  nach  der  1.  unten  nach  der  5.  Häutung.  Man  sieht  daran,  daß 
die  Bastarde  zuerst  eine  unvollkommene  und  fluktuierende  Dominanz 
zeigen,  die  nach  der  Kreuzungsrichtung  verschieden  ist  und  zwar  domi- 
niert die  mütterliche  Rasse;  später  (untere  Kurven)  tritt  aber  eine 
Dominanzverschiebung  und  Dominanzwechsel  zu  reiner  oder  fast  reiner 
Dominanz  des  ^'s/>ar-Charakters  auf. 

Diesen  Fällen  von  reiner,  unvollständiger,  fluktuierender  oder  wech- 
selnder Dominanz  stehen  nun  solche  gegenüber,  bei  denen  von  Domi- 
nanz überhaupt  nicht  die  Rede  sein  kann,  sondern  typischerweise  in 
Fx  eine  Vermischung  der  beiden  elterlichen  Charaktere  stattfindet,  so 
daß  eine  Zwischenform,  ein  intermediärer  Bastard  entsteht.  Es  gibt 
auch  für  diese  Form  des  Verhaltens  genügend  Beispiele  aus  beiden  Orga- 
nismenreichen;  man  nennt  oft  auch  einen  Mendelfall  mit  intermediärer 
Fx  den  Zea-Typus.  Als  besonders  instruktiv  ist  ja  der  von  Correns 
berichtete  Fall  bekannt,  daß  bei  Kreuzung  der  weißblühenden  Wunder- 
blume Mirabilis  Jalapa  mit  einer  rotblühenden  die  Fi-Generation  hell- 
rot blüht.  Ganz  das  entsprechende  stellt  sich  dar,  wenn  Hühner,  die  weiße 
Eier  legen,  gekreuzt  werden  mit  solchen,  die  braune  legen;  der  Bastard 
legt  nach  Batesons  Studien  intermediäre.  Ganz  besonders  häufig 
findet  sich  dies  rein  intermediäre  Verhalten  aber  bei  meristischen  Merk- 
malen, also  solchen,  die  Größenverhältnisse  betreffen.  Hohes  und  nie- 
deres Nasenloch  bei  Hühnern  gibt  in  Fx  ein  mittleres,  hoch-  und  nieder- 
stengliger  Mais  mittlere  Pflanzen,  einfache  und  zusammengesetzte 
Stärkekörner,  wie  wir  schon  für  die  Erbsen  sahen,  schwach  zusammen- 
gesetzte, lang-  und  kurzohrige  Kaninchen  solche  mit  mittleren  Ohren. 
Wie  wenig  sich  dabei  sagen  läßt,  wann  in  Fx  Dominanz  und  wann  ein 


—     170     — 

intermediäres  Verhalten  zu  erwarten  ist,  geht    besonders   aus   einigen 
tierischen   Beispielen  hervor.     Wenn   Tower  seine   so   oft   erwähnten 


100 

90 

80 

70 

60 
50 
W 
3o 
20 

10 


1                      1 

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j  u  p  o  vi  i  c  A 


Fig.    66. 

Variationskurven  eines  Raupenmerkmals  von  L.  dispar,  japonica  und  ihre  reziproken 
Bastarde.    Auf  der  Abszisse  die  Klassen  des  Merkmals.    Oben  nach  der  i.,  unten  nach 

der  5.  Häutung. 

Mutanten  der  Leptinotarsa  mit  der  Stammform  kreuzte,  so  trat, 
wenn  diese  decemlineata  war,  Dominanz  von  deren  Charakteren 
gegenüber  denen  der  Mutante  ein.    Wurde  aber  die  Stammform  multi- 


—     171     — 

taeniata  mit  ihrer  Aberration  rubicunda  gekreuzt,  so  war  Fx  rein 
intermediär.  Lang  fand  sogar  bei  ein  und  derselben  Kreuzung  zwischen 
Helix  hortensis  und  nemoralis,  daß  einige  Charaktere  reine  Domi- 
nanz zeigten,  oder  wie  man  sich  auch  ausdrückt,  sich  alternativ  ver- 
erbten, andere  aber  intermediär  erschienen.  Dieser  Fall  wird  uns  aber 
noch  im  anderen  Zusammenhang  begegnen.  Eine  entsprechende 
Differenz  kann  sogar  in  einem  Zusammenhang  mit  dem  Geschlecht 
stehen.  Kreuzten  Pearl  und  Surface  die  zwei  Hühnerrassen  Cornish 
Indian  Game  x  Barred  Plymouth  Rock,  so  trat  in  bezug  auf  die  Kör- 
pergröße bei  den  Männchen  reine  Dominanz  nach  ersterem  der  Eltern 
ein,  bei  den  Weibchen  ein  intermediäres  Verhalten.  Wir  sehen  hier, 
wie  schon  einmal,  Beziehungen  zwischen  Geschlecht  und  Vererbung, 
die  uns  später  noch  ausführlich  beschäftigen  werden. 

Als  besonders  merkwürdige  Fälle  einer  echt  intermediären  Ver- 
erbung müssen  schließlich  die  sonderbaren  Mosaikbastarde  erwähnt 
werden,  bei  denen  sicli  die  beiden  elterlichen  Charaktere  nicht  mischen, 
sondern  nebeneinander  auftreten.  Solche  Mosaikbastarde  kommen  ge- 
legentlich bei  Bastardierungen  mit  echter  Dominanz  in  einigen  Exem- 
plaren vor.  Werden  etwa  schwarze  und  weiße  Nonnen,  von  denen 
auch  schon  öfters  die  Rede  war,  gekreuzt,  so  erscheinen  unter  anderem 
Mosaikbastarde  mit  schachbrettartigen  weißen  Zeichnungen  auf  dem 
schwarzen  Flügel  in  verschiedener  Ausdehnung.  Ein  solcher  mit  nur 
wenigen  weißen  Stellen  ist  in  Fig.  67  reproduziert.  Außer  diesen  ab- 
normen Mosaikbastarden  gibt  es  aber  auch  Fälle,  in  denen  Ft  typisch 
den  Charakter  eines  Mosaiks  in  mehr  oder  minder  großem  Prozentsatz 
zeigt.  So  ergaben  Kreuzungen  von  weißen  und  schwarzen  Leghorn- 
hühnern entweder  weiße  mit  schwarzen  Flecken,  oder  schwarz  und  weiß 
gefütterte,  oder  solche,  deren  Sprenkelung  so  fein  ist,  daß  ein  gleich- 
mäßiges Blau  erscheint.  Fig.  68  zeigt  einen  derartigen  gesprenkelten 
Bastard,  dessen  Eltern  in  Fig.  69,  70  ebenfalls  dargestellt  sind.  End- 
lich gibt  es  noch  Fälle,  in  denen  Fx  typisch  nur  einen  Mosaikcharakter 
zeigt.  Der  bekannteste  ist  der  der  blauen  Andalusierhühner,  deren  blaue 
Farbe  auf  einem  äußerst  feinen  Mosaik  von  schwarz  und  weiß  beruht. 
Es  ist  nun  bekannt,  daß  diese  Hühner  nicht  als  reine  Rasse  Bestand 
haben,  und  das  hat  sich  so  erklärt,  daß  sie  Mosaikbastarde  zwischen 


172     — 


schwarzen  und  weißen  Rassen  darstellen.    Auch  für  die  Mosaikbastarde 
kennt  man  bei  Hühnern  Fälle,  die  schon  Darwin  berichtete,  daß  die 

Mosaikbildung  auf  ein  Geschlecht  be- 
grenzt ist.  Wir  werden  ihnen  später 
wieder  begegnen.  Wir  müssen  üb- 
rigens zu  dem  ganzen  Kapitel  der 
Mosaikbastarde  bemerken,  daß  es  in 
keiner  Weise  geklärt  ist.  In  manchen 
p.     6  Fällen     mag      der     Mosaikcharakter 

Mosaikbastard  zwischen  schwarzer  und   wirklich    eine    absonderliche    Domi- 


weißer  Nonne  mit  wenigen  weißen  Mo- 
saikflecken. 


nanzform  darstellen ;  in  anderen  wird 
ihm  aber  wohl  etwas  Komplizierteres 
zugrunde  liegen,  nämlich  eine'  durch  die  Bastardierung  geschaffene  neue 
Faktorenkombination.     Wir  werden  das  bald  verstehen  lernen. 


Fig.  68. 
Gesprenkelter  Mosaikbastard  zwischen   den   Eltern  Fig.  69  u.  70.     Nach   Davenport 

aus   Godlewski. 


—     173     — 


Fig.  69. 
Weißer   Hahn.     Vater   des    Mosaikbastards    Fig.  68.     Nach   Davenport    aus    God' 

1  e  w  s  k  i. 


Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  ob  sich  für  all  diese  Verschiedenheiten 
der  Dominanzerscheinungen  eine  Erklärung  finden  läßt.  Ein  Weg  dazu 
wäre  der,  eine  Vorstellung 
aus  den  allgemeinen  men- 
delistischen  Anschauungen 
über  die  Allelomorphe  ab- 
zuleiten. Wir  haben  bereits 
gesehen,  daß  Bateson  in 
seiner  presence-  und  absence- 
Theorie  ihn  zu  gehen  sucht. 
Ist  es  richtig,  daß  immer  nur 
die  Anwesenheit  eines  Merk- 
mals über  sein  Fehlen  domi- 
niert, dann  ergibt  sich  fol- 
gende Erklärung :  Ist  der  betreffende  Charakter  derartig,  daß  er  auch  in 
der  Hälfte  der  Masse,  die  die  reine,  homozygote  Form  besitzt,  schon  ge- 


Fig.  70. 

Schwarze  Henne.  Mutter  des  Mosaikbastards  Fig.  6S. 

Nach  Davenport  aus  G o d  1  e w s k i. 


—     174     — 

nügend  zur  Wirkung  kommt,  dann  liegt  reine  Dominanz  vor.  Oder  er  ist 
nicht  so  stark,  hat  nicht  solche  „Durchschlagskraft",  dann  erscheint  er  in 
der  Heterozygote  mit  nur  halber  Dosis  abgeschwächt,  die  Dominanz 
ist  unrein.  Oder  aber  seine  Durchschlagskraft  oder  Potenz,  wie  Daven  - 
port  sagt,  ist  individueller  Variation  unterworfen,  dann  erscheint 
eine  fluktuierende  Dominanz,  und  wenn  sie  gelegentlich  ganz  versagt, 
so  spricht  man  von  Wechsel  der  Dominanz,  obwohl  es  sich  nur  um 
fehlende  Sichtbarkeit  des  positiven  Faktors  handelt:  etwas  nicht  vor- 
handenes, wie  es  die  rezessive  Eigenschaft  unter  diesem  Gesichtswinkel 
ist,  kann  ja  nicht  dominant  d.  h.  anwesend  sein.  Wie  unter  dieser  Auf- 
fassungsweise ein  absonderlicher  Fall  sich  ausnimmt,  mag  folgender 
Versuch  Davenports  illustrieren:  Er  kaufte  2  schwanzlose  Hähne, 
A  und  B,  von  denen  es  hieß,  daß  B  der  Sohn  von  A  sei.  A  wurde  mit 
geschwänzten  Hennen  gepaart  und  die  Nachkommenschaft  war  ge- 
schwänzt. Im  nächsten  Jahr  wurden  die  Bastarde  untereinander  und 
die  Weibchen  mit  ihrem  Vater  gekreuzt.  Wenn  die  Schwanzlosigkeit 
rezessiv  wäre,  müßten  V4  der  Nachkommenschaft  ersterer  Kreuzung 
und  V2  der  zweiten  schwanzlos  sein.  In  Wirklichkeit  waren  alle  ge- 
schwänzt. Wurde  nun  aber  der  2.  schwanzlose  Hahn  mit  den  Bastarden 
gekreuzt,  so  war  die  Hälfte  der  Nachkommenschaft  schwanzlos.  Die 
Erklärung  findet  nun  Davenport  unter  obigem  Gesichtswinkel  fol- 
gendermaßen: Der  Verhinderungsfaktor  für  Schwanzwachstum  ist 
dominant  über  sein  Fehlen.  Beim  Hahn  A  war  er  aber. so  impotent, 
daß  er  weder  bei  der  heterozygoten  noch  der  homozygoten  Nachkom- 
menschaft sich  durchsetzen  konnte,  während  er  bei  B  genügend  potent 
war.  Man  bemerkt  die  Ähnlichkeit  dieser  Erklärung  mit  einem  Teil 
der  alten,  so  viel  bekämpften  Individualpotenz  der  Tierzüchter.  Daß 
die  ganze  Betrachtungsweise  aber  sehr  befriedige,  kann  man  wohl 
nicht  sagen. 

Aus  dieser  kurzen  Auswahl  des  auf  die  Dominanzerscheinungen  be- 
züglichen Materials  geht  wohl  zur  Genüge  hervor,  daß  bei  aller  Be- 
deutung, die  ihnen  zukommt,  von  einer  Gesetzmäßigkeit  wohl  nicht 
die  Rede  sein  kann.  Offensichtlich  handelt  es  sich  da  um  eine  Er- 
scheinung, die  in  hohem  Grade  labil  ist  und  deren  Zustandekommen 
in   dieser   oder  jener  typischen   oder   atypischen   Form   von   Faktoren 


—     175     — 

unbekannter  Natur  bedingt  ist.  Natürlich  ist  es  durchaus  verfehlt, 
die  Dominanz  als  i.  Mendelsches  Gesetz  dem  Spaltungsgesetz  als  2. 
gegenüber  zu  stellen  oder  gar  einen  Fall  ohne  Dominanz  als  nicht  echten 
Mendelfall  zu  betrachten.  Die  Dominanz  kann  bei  Bastardierung 
vorhanden  sein,  muß  es  aber  nicht,  ja  es  ist  sogar  nicht  unwahrschein- 
lich, daß  eine  vollkommene  Dominanz  bei  genauster  Betrachtung  äußerst 
selten  ist.  Die  Hauptsache  bleibt  immer  die  Spaltung.  Trotzdem  stellt 
aber  das  Wesen  der  Dominanz  ein  wichtiges  Problem  dar;  es  zu  lösen 
ist  eine  Aufgabe  weiterer  experimenteller  Forschung.  Die  ersten  Schritte, 
die  im  biologischen  Experiment  in  dieser  Richtung  durch  Tower  ge- 
macht wurden,  haben  denn  auch  bereits  zu  höchst  bedeutsamen  Re- 
sultaten geführt,  falls  sie  sich  bestätigen.  Tower  führte  Kreuzungen 
zwischen  verschiedenen  Arten  des  Koloradokäfers  durch  und  kom- 
binierte nun  diese  Bastardierungen  mit  experimenteller  Beeinflussung 
durch  äußere  Faktoren  wie  Temperatur  und  Feuchtigkeit,  die  während 
der  Befruchtungsvorgänge  einwirkten.  Es  gelang  ihm  dabei,  bei  ein 
und  derselben  Art  von  Kreuzung  zwischen  genotypisch  durchaus  iden- 
tischen Tieren  das  verschiedenartigste  Verhalten  zu  erzielen.  Wurde 
Leptinotarsa  undecimlineata  $  x  L.  signaticollis  <§  gekreuzt  und  zwar 
bei  570  Fahrenheit  und  8o — go%  Feuchtigkeit,  so  war  Fx  rein  inter- 
mediär. Die  gleiche  Kreuzung  bei  89 — 950  und  84 — 100%  Feuchtig- 
keit ergab  in  F1  Dominanz  des  reinen  mütterlichen  Typus.  Dieselbe 
Kreuzung  bei  80 — 1050  und  70 — 85%  Feuchtigkeit  ergab  aber  in  Fx 
die  sämtlichen  Übergänge  zwischen  väterlichem  und  mütterlichem  Typus. 
Bei  einem  anderen  Versuch  mit  75,6°  Durchschnittstemperatur  und 
77,11%  durchschnittlicher  Feuchtigkeit  hatte  in  Ft  die  Hälfte  der  Indivi- 
duen genau  den  mütterlichen  Typus,  die  andere  Hälfte  aber  war  inter- 
mediär. Endlich,  das  merkwürdigste  Resultat  von  allen :  bei  einer  Kreu- 
zung, die  bei  einer  zwischen  59  und  98 °  schwankenden  Temperatur  und 
einer  Feuchtigkeit  zwischen  40  und  95%  vorgenommen  wurde,  erschien  in 
F1  der  väterliche,  der  mütterliche  und  ein  intermediärer  Typus.  Es  war 
also  gelungen,  bei  ein  und  derselben  Kreuzung  — ■  zum  Teil  wurden  so- 
gar die  gleichen  Eltern  zu  verschiedenen  Experimenten  mit  typischem 
Erfolg  benutzt  —  durch  wechselnde  äußere  Bedingungen,  intermediäre 
Vererbung,  reine  und  fluktuierende  Dominanz,  Dominanzwechsel  und 


176 


Kombinationen  der  verschiedenen  Formen  hervorzurufen.  Hand  in 
Hand  mit  diesen  Resultaten  gingen  auch  noch  Besonderheiten  der 
Spaltungserscheinungen,  die  wir  später  kennen  lernen  werden.  Zweifel- 
los sind  diese  Versuche  ein  sehr  vielversprechender  Anfang,  auf  exaktem 

Weg  in  die  Ursachen  der  Gestaltung  der 
F1  Generation  einzudringen.  In  größerem 
Maßstabe  sind  Versuche  zur  Klärung  der 
Dominanzfrage  aber  bisher  nur  auf  an- 
derem Wege  angestellt  worden,  nämlich 
im  entwicklungsphysiologischen  Experi- 
ment.     Allen    diesen    Versuchen    haften 


a 


Fig.  71. 
Pluteuslarve  von  Echinus  microtuber- 
culatus  von  vorn  mit  typischem  Ske- 
lett.  Nach  Boveri  aus  Godlewski. 


Fig.  72. 

Pluteus  von  Sphaerechinus  granularis  von 

vorn.     Nach  Boveri  aus  Godlewski. 


allerdings  von  vornherein  zwei  Schwierigkeiten  an :  Während  die  Mendel  - 
experimente  fast  ausschließlich  sich  auf  sehr  naheverwandte  Tierrassen 
beziehen,  arbeiten  jene  Versuche  mit  Vertretern  oft  recht  weit  aus- 
einanderstehender   Arten,    ja    Gattungen,    Familien    und    Ordnungen. 


177 


Die  Resultate  sind  also  nicht  ohne  weiteres  zu  vergleichen.  Sodann 
beziehen  sich  die  Ergebnisse  nicht  auf  ausgewachsene  Tiere,  sondern 
Larvenstadien,  die  ja  spezifische  Anpassungsformen  an  die  Lebens- 
weise darstellen.  Da  derartige  embryonale  Charaktere  aber  in  sehr 
verschiedenartigen  Beziehungen  vor  allem  zu  dem  gegebenen  stofflichen 
Substrat  der  Entwicklung  stehen,  ist  es  sehr  gefährlich,  das  hier  ge- 
fundene ohne  weiteres  auf  die  Dominanzerscheinungen  in  Mendel - 
fällen  zu  beziehen.  Trotzdem  sind  die  Ver- 
suche von  größtem  Interesse  und  versprechen 
zweifellos  noch  mancherlei  Aufklärung,  aller- 
dings vielleicht  auf  ganz  anderen  Gebieten. 
Wir  werden  später,  wenn  wir  auf  die  Chro- 
mosomenlehre zurückkommen,  wieder  an 
diese  Versuche  anzuknüpfen  haben  und 
sehen,  wie  sich  die  Resultate  auf  zellulärer 
Basis  erklären.  Hier  seien  sie  also  nur 
unter  dem  Vorbehalt  angeführt,  daß  sie 
trotz  äußerer  Ähnlichkeit  innerlich  nichts 
mit  der  Dominanzfrage  zu  tun  haben. 

Die  wesentlichen  dieser  Experimente 
benutzen  als  Material  ausschließlich  die 
Larven  der  Echinodermen,  vor  allem  der 
verschiedenen  Seeigelarten,  des  klassischen 
Objekts  der  Entwicklungsphysiologie.    Sie 

basieren    alle    einmal    auf    den    Bastard- 

,r,,  i  r\         j  r>   rr  X  Sphaerechinus  Cj  von  der  Seite. 

befruchtungsversuchenvonO.undR.Hert-   NachFBoveri  aus  Godlewski. 

wig,  sodann  auf  Boveris  berühmten  Ex- 
perimenten über  die  Bastardbefruchtung  kernloser  Eifragmente.  Das 
Hauptmerkmal,  nach  dem  das  Resultat  bemessen  wird,  ist  der  Bau  des 
Skeletts  der  Pluteuslarve,  welcher  für  die  einzelnen  Formen  typisch 
different  ist,  und  es  handelt  sich  nun  um  die  Frage,  wie  das  Skelett  der 
Bastardlarven  im  Verhältnis  zu  dem  der  Eltern  normalerweise  gebaut 
ist  und  wie  weit  sich  der  Bastardcharakter  experimentell  beeinflussen 
läßt.  Die  Art  der  verwendeten  Charaktere  sei  durch  die  nebenstehenden 
Figg.  71 — 75  klargelegt,  die  die  Elternlarven  und  die  möglichen  Haupt- 


Fig.  73- 
Intermediärer  Bastard  Echinus  (J 


Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl. 


12 


—    178    — 

typen  des  Bastards  bei  dem  wichtigsten  Objekt,  der  Echinus — Sphaer- 
e  c  hi  n us  Kreuzung  zeigen.  Fig.  71  zeigt  das  charakteristische  Echinus-Ske- 
lett  von  vorne,  ausgezeichnet  durch  die  einfache  Gestaltung  des  Scheitel- 
stabs 5  und  des  Analstabs  a.  Fig.  72  zeigt  die  aus  mehreren  gegitterten 
Längsstäben  zusammengesetzten  Analstäbe  von  Sphaer echinus  und 
die  hirschgeweihförmigen  Scheitelstäbe.  Fig.  73  gibt,  diesmal  von  der 
Seite  gesehen,  einen  richtig  intermediären  Bastard  zwischen  beiden 
wieder,  Fig.  74  einen  matroklinen  Bastard  von  nahezu  Sphaerechinus- 


Fig.  74.  Fig.  75. 

Matrokliner  Bastard  der  Kreuzung  wie  in     Patrokline  Bastardlarve    der  Kreuzung  wie  in 
Fig.  73.  NachHerbstaus  Godlewski.     Fig.    73.      Nach   Herbst    aus    Godlewski. 


typus  und  Fig.  75  einen  patroklinen,  nahezu  Echinustypus  zeigenden 
aus  der  gleichen  Kreuzung.  Wenn  wir  nun  die  vorliegenden  Tatsachen 
betrachten,  so  zeigt  es  sich,  daß  zwei  völlig  verschiedene  Typen  des 
Verhaltens  der  Charaktere  im  Bastard  bei  verschiedenartigen  Kreu- 
zungen zu  unterscheiden  sind.  Bei  dem  einen  Typus  ist  der  Bastard 
intermediär  und  zwar  mit  allen  Übergängen  von  dem  reinen  väterlichen 
bis  zum  reinen  mütterlichen  Charakter.  Bei  dem  anderen  Typus  besitzt 
der  Bastard  aber  ausschließlich  mütterliche  Charaktere.  Letzteren 
Fall  nun  können  wir  sogleich   als  für  unser   Problem  irrelevant   aus- 


—    179    — 

scheiden.  Es  hat  sich  nämlich,  vor  allem  durch  die  Untersuchungen 
von  Kupelwieser,  Baltzer,  Godlewski  gezeigt,  daß  in  den  meisten 
Fällen  es  sich  hier  gar  nicht  um  eine  alternative  Vererbung  mit  mütter- 
licher Dominanz  handelt,  sondern  um  etwas,  was  viel  mehr  einer  Par- 
thenogenese als  einer  Bastardierung  gleicht.  Je  nach  der  Art  der  aus- 
geführten Kreuzung  nimmt  nämlich  die  Substanz  des  Spermakerns 
von  Anfang  an  gar  nicht  an  der  Entwicklung  teil,  oder  es  nimmt  nur 
ein  Teil  seiner  Chromosomen  daran  teil,  oder  sie  nimmt  eine  Zeitlang 
daran  teil,  um  später  eliminiert  zu  werden,  wie  Baltzer  zeigte.  Da 
wir  nun  in  den  Chromosomen  die  Träger  der  Vererbung  sehen,  wie  in 
der  ersten  Vorlesung  besprochen  wurde,  eine  Annahme,  deren  Be- 
gründung wohl  noch  immer  auf  den  sichersten  Füßen  steht,  so  ist  eine 
Entwicklung  ohne  väterliche  Chromosomen  keine  Bastardentwicklung, 
sondern  eine  Art  Parthenogenese.  Könnte  man  von  einem  solchen 
Bastard  F2  ziehen,  so  könnte  er  natürlich  nicht  spalten.  Es  bleiben 
also  für  den  Vergleich  mit  der  Mendehchen  Dominanz  zunächst  nur 
jene  Seeigelbastardierungen,  bei  denen  nachgewiesenermaßen  eine 
richtige  Befruchtung  und  normales  Verhalten  der  väterlichen  Elemente 
statthat,  wofür  die  typische  Kreuzung  die  oben  abgebildete  Sphaer- 
echinus  $  x  Echinus  <$  darstellt.  Merkwürdigerweise  gehört  die  rezi- 
proke Kreuzung  dem  anderen  Typus  an,  indem  nach  Elimination  der 
meisten  väterlichen  Chromosomen  der  rein  mütterliche  Typus  erscheint. 
Es  ist  also  eine  Tatsache,  daß  bei  der  Kreuzung  Sphaerechinus  $ 
x  Echinus  <$  wie  anderer  analoger  Fälle  die  Bastardlarve,  wie  Boveri 
zuerst  feststellte,  meist  gemischte  Charaktere  aufweist,  daneben  aber 
matrokline  und  patrokline  Formen  auftreten,  und  wie  Seeliger  und 
Stein  rück  zeigten,  auch  Larven  von  rein  väterlichem  Typus.  Es 
fragt  sich  nun,  ob  dieser  Ausfall  experimentell  zu  beeinflussen  ist,  so- 
mit eine  Verschiebung  der  Vererbungsrichtung  bzw.  ein  Übergang 
von  intermediärer  zu  alternativer  Vererbung  sich  erzwingen  läßt.  Daß 
das  der  Fall  ist,  kann  denn  auch  in  keiner  Weise  bezweifelt  werden, 
wenn  auch  die  Ursachen  durchaus  noch  nicht  als  geklärt  betrachtet 
werden  können.  Zunächst  könnten  äußere  Ursachen  dafür  verant- 
wortlich zu  machen  sein.  Vernon,  der  die  ersten  planmäßigen  Ver- 
suche ausführte,  fand,  daß  in  den  Sommermonaten  die  Bastarde  mehr 

12* 


—     180    — 

nach  der  Mutter,  im  Herbst  und  Winter  mehr  nach  dem  Vater  schlugen. 
Der  Verdacht,  daß  es  sich  dabei  um  Temperaturunterschiede  handelt, 
wurde  von  Doncaster  bestätigt,  der  durch  Temperaturversuche  den 
entsprechenden  Effekt  erzielen  konnte.  Von  anderer  Seite  wird  aller- 
dings dann  Temperatur  und  Jahreszeit  nur  als  Begleiterscheinung  der 
eigentlich  maßgebenden  Faktoren  chemischer  Natur  betrachtet.  Ten- 
nent  gibt  nämlich  an,  daß  bei  Kreuzung  von  Hipponoe  x  Toxo- 
pneustes  die  Alkalinität  des  Wassers  für  den  Erfolg  entscheidend  sei, 
indem  eine  höhere  Konzentration  der  OH-Jonen  Dominanz  von  Hip- 
ponoe, eine  niedere  aber  die  von  Toxopneustes  bedingt. 

Nach  den  auf  breiter  Basis  durchgeführten  Experimenten  Herbsts 
scheint  es  aber,  daß  der  Einfluß  der  äußeren  Faktoren  nur  ein  sehr 
geringer  ist,  vielmehr  innere  Faktoren  die  Hauptrolle  spielen.  Als 
solche  betrachtet  Herbst  quantitative  Verhältnisse  zwischen  der  Menge 
der  Kernsubstanz  des  mütterlichen  und  väterlichen  Kerns.  Tatsäch- 
lich gelang  es  ihm,  eine  Verschiebung  der  Vererbungsrichtung  zu  den 
normalerweise  selten  auftretenden  rein  mütterlichen  Larven  dadurch 
zu  erzielen,  daß  er  den  Eiern  vor  der  Bastardbefruchtung  einen  Anstoß 
zur  künstlichen  Parthenogenese  gab,  wobei  solche  quantitative  Ver- 
schiebungen statthaben.  Wenn  auch  das  tatsächliche  Ergebnis, 
die  Möglichkeit  der  Verschiebung  der  Vererbungsrichtung,  feststeht, 
so  ist  die  Erklärung  aus  kernquantitativen  Verhältnissen  doch  nicht 
unangefochten.  Zudem  stellt  sich  in  den  neusten  Versuchen  von  Herbst 
heraus,  daß  auch  in  diesen  Fällen  ein  abnormes  Verhalten  der  Chromo- 
somen eine  Rolle  spielt,  so  daß  wahrscheinlich  auch  hier  zwar  im  Ex- 
periment die  Vererbungsrichtung  verschoben  wurde,  die  Dominanz 
aber  überhaupt  nicht  in  Betracht  kommt.  Es  müssen  also  diese  Ver- 
suche, wie  andere,  später  zu  besprechende,  so  wichtig  sie  für  andere 
Fragen  sind,  für  unser  Thema  zunächst  ausscheiden.  Aber  vielleicht 
zeigen  sie  einen  Weg,  auf  dem  wohl  auch  die  biologischen  Erscheinungen 
der  Mendelschen  Dominanz  weiter  analysiert  werden  können.  Denn  daß 
die  Dominanz  eine  fließende  und  verschiebbare  Erscheinung  ist,  kann  nach 
allem  Vorausgegangenen  keinem  Zweifel  unterliegen.  Sie  völlig  in  die  Hand 
des  Experimentators  zu  bekommen,  ist  das  in  weiter  Ferne  winkende  Ziel. 


—    181    — 

Neunte  Vorlesung» 

Das  Spaltungsgesetz.     Einfache  Fälle  von  Mono- 
und  Dihybridismus» 

Wenn  sich  nach  dem,  was  wir  in  der  letzten  Vorlesung  erfahren 
haben,  die  Dominanz-  oder  Prävalenzregel  zwar  als  eine  sehr  bedeutungs- 
volle Erscheinung  erwies,  nicht  aber  als  eine  Gesetzmäßigkeit  von 
ausschließendem  Charakter,  so  kommen  wir  nunmehr  zu  der  eigent- 
lichen Haupterscheinung  des  Mendelismus,  dem  Spaltungsgesetz,  das 
sich  in  der  Tat  als  ein  Gesetz  von  ganz  überraschender  Gültigkeits- 
breite erwies.  Nichts  kann  so  sehr  seine  hohe  Bedeutung  illustrieren 
wie  die  Tatsache,  daß  sich  nach  Mendelscher  Analyse  eines  Vererbungs- 
falles mit  absoluter  Genauigkeit  das  Resultat  irgendeiner  Kreuzung 
innerhalb  der  gleichen  Merkmalsserie  voraussagen  läßt  und  zwar,  wie 
wir  sehen  werden,  Resultate,  die  sich  sonst  in  keiner  Weise  erwarten 
ließen.  Seit  der  Wiederentdeckung  Mendels  ist  denn  auch  gerade  in 
diesem  Punkt  eine  ganz  außerordentliche  Fülle  von  Tatsachenmaterial 
zutage  gefördert  worden,  so  reich,  daß  es  bereits  ein  besonderes,  um- 
fangreiches Wissensgebiet  darstellt.  Wenn  wir  uns  nun  einen  Über- 
blick über  dieses  Material  verschaffen  wollen,  so  geschieht  dies  am 
besten  wohl  in  der  Weise,  daß  wir  an  Hand  einzelner  ausgewählter 
Beispiele  uns  die  verschiedenen  Arten  der  Spaltung  vom  einfachen 
zum  komplizierteren  fortschreitend  vor  Augen  führen  und  dabei,  ohne 
in  Betrachtung  aller  Spezialfälle  und  noch  ungeklärter  Einzelheiten 
einzutreten,  uns  gewissermaßen  das  Gerippe  des  Mendelismus  oder 
richtiger  seines  Kardinalpunktes,  des  Spaltungsgesetzes,  herausarbeiten. 

Wenn  man  mit  Hilfe  der  Bastardierung  die  Eigenschaften  eines 
Organismus  und  ihr  erbliches  Verhalten  analysiert,  so  muß  man  sich 
von  vornherein  darüber  klar  sein,  daß  eine  solche  Analyse  nur  eine 
relative  sein  kann.  Ein  direkt  an  Mendel  anknüpfendes  Beispiel 
vermag  das  am  besten  zu  illustrieren.  Mendel  untersuchte,  wie  wir 
sahen,  das  erbliche  Verhalten  eines  Einheitscharakters  seiner  Erbsen, 
die  runde  oder  kantige  Form.  Darbishire  konnte  nun  zeigen,  daß 
dieser  Charakter  mit  der  Anwesenheit  einer  ganzen  Reihe  selbständiger 


—    182    — 

Erbfaktoren  verknüpft  ist.  Einmal  spielt,  wie  auch  äußerlich  sichtbar, 
die  Samenschale  eine  Rolle.  Sodann  sind  aber  auch  die  Stärkekörner 
typisch  verschieden  und  zwar  in  zwei  verschiedenen  Beziehungen,  die 
wohl  selbständig  vererbt  werden.  Bei  der  runden  Erbse  sind  sie  näm- 
lich groß,  kartoffelförmig  und  einfach,  bei  der  kantigen  klein,  rund 
und  zusammengesetzt.  Der  Bastard  F1  enthält  aber  große,  runde, 
einfache  und  zusammengesetzte.  Außerdem  haben  die  runden  Samen 
eine  geringere  Absorptionsfähigkeit  für  Wasser  als  die  kantigen  und 
auch  hierin  ist  Fx  intermediär.  Es  besteht  also  möglicherweise  der 
eine  sichtbare  Charakter  aus  5  differenten,  die  in  ihrem  gesamten  Ver- 
halten sich  nicht  von  dem  einer  einzelnen  Erbeinheit  unterscheiden. 
Die  Analyse  der  Erbeinheiten  ist  also  jeweilig  eine  relative;  wir  werden 
das  später  noch  öfters  erfahren.  Aber  auch  solche  Relativität  ist  an 
sich  eine  für  den  Mendelismus  bedeutungsvolle  Tatsache.  Wenn,  wie 
wir  schon  sahen,  eine  jede  Eigenschaft  sich  selbständig  und  stets  nach 
dem  gleichen  Gesetz  vererbt,  so  muß  die  Summe  einer  Anzahl  von 
Eigenschaften,  die  als  solche  unanalysiert  eine  Einheit  höherer  Ord- 
nung bilden,  sich  ja  ebenso  verhalten,  wie  die  letzte  isolierbare  Einzel- 
eigenschaft. Da  eine  Grenze  der  Analyse  einer  scheinbaren  Einheits- 
eigenschaft nicht  denkbar  ist,  so  bleibt  solchen  Studien  wohl  dauernd 
der  Charakter  der  Relativität  erhalten. 

Wenn  wir  uns  also  nunmehr  der  Betrachtung  der  Mendelspaltung 
zuwenden,  so  wird  es  wohl  nicht  nötig  sein  für  jeden  Einzelfall  aus- 
zuführen, durch  welche  verschiedenartigen  Kreuzungen  und  Rück- 
kreuzungen die  betreffenden  Forscher  die  Richtigkeit  ihrer  Resultate 
und  Interpretationen  feststellten,  die  ja  nur  dann  erwiesen  ist,  wenn  das 
Resultat  einer  jeden  mit  dem  betreffenden  Material  ausgeführten  Paarung 
die  vorausberechenbaren  Werte  zeigt.  Die  Methode,  wie  das  zu  ge- 
schehen hat,  geht  ja  ganz  selbstverständlich  aus  Mendels  eigenen  Ver- 
suchen hervor,  die  wir  deshalb  so  ausführlich  besprochen  haben.  Uns 
mag  daher  in  den  meisten  Fällen  die  Feststellung  des  Endresultats 
genügen.  An  der  Spitze  unserer  Betrachtung  müssen  natürlich  zunächst 
die  einfachen  Mendel  fälle  stehen,  die  sich  ohne  weiteres  aus  Mendels 
eigenen  Ergebnissen  erklären  und  die  uns  nur  ein  paar  mögliche  Varian- 
ten nebst  den  praktischen  Zahlenkonsequenzen  vor  Augen  führen  sollen. 


—    183    — 

Wir  werden  so  vom  Elementaren  ausgehend  allmählich  zum  Schwie- 
rigeren gelangen.  Stellen  wir  zunächst  dem  einfachen  Mendelschen 
Monolrybridenfall  auch  ein  Beispiel  aus  dem  Tierreich  zur  Seite,  Längs 
Kreuzungen  von  Varietäten  der  Helix  hortensis. 

Bei  dieser  in  der  Zeichnung  ihrer  Schale  stark  variierenden  Schnecke 
gibt  es  unter  anderem  als  erbliche  Rassen  gelbe  ungebänderte  Formen 
und  gelbe  mit  5  schwarzen  Bändern.     Diese  wurden  dann  miteinander 
bastardiert.     Die  Versuche  sind  dadurch  besonders  schwierig,  daß  die 
Schnecken  Zwitter  sind.     Nun  kommt,  was  zuerst  festgestellt  werden 
mußte,  Selbstbefruchtung  zwar  in  der  Regel  nicht  vor,  wenn  sie  auch 
ausnahmsweise  stattfindet.      (Bei   anderen  Schnecken    ist  sie  dagegen 
häufig.)     Aber  nach   der  Befruchtung  wird  das  Sperma  jahrelang  im 
Receptaculum  seminis  aufbewahrt,   so   daß   nur  mit   isoliert   aus   dem 
Ei  gezogenen  Individuen  gearbeitet  werden  kann.     Diese  erlangen  aber 
erst  nach  2  bis  4  Jahren  die  Geschlechtsreife.     Die   Kreuzung  ergab 
nun  in  Fx  Dominanz  der  ungebänderten  Individuen  (Fig.  76).    In  einem 
Versuch  z.  B.  bestand  Fx  aus  107  ausschließlich  ungebänderten  Tieren. 
F2  aber  spaltete  nach  Inzucht  erwartungsgemäß  in   3/4  ungebänderte 
und  y4  gebänderte:  Die  wirklichen  Zahlen  eines  Versuchs  sind  31  un- 
gebänderte :  10  gebänderten.      Nach  dem  oben  Entwickelten  muß   für 
diese  F2-Formen  nun  die  Formel  gelten  AA  :  Aa  :  aA  :  aa.    Die  gebän- 
derten sind  natürlich  die  rezessiven  aa,  die  rein  weiterzüchten  müssen. 
Die  3/4  dominantmerkmaligen  müssen  aber  aus  l/3  reinen  Dominanten 
und  2/3  Dominantrezessiven  bestehen,  die  hier  bei  völliger  Dominanz 
äußerlich  nicht  unterscheidbar  sind.     Bei  selbstbefruchtenden  Pflanzen 
trennt  nun  selbstverständlich  die  isolierte  Weiterzucht  in  F3  die  reinen 
Dominanten  und  die  weiter  spaltenden  Dominantrezessiven  leicht  von- 
einander.    Bei  Tieren  mit  Wechselbefruchtung  ist  die  Analyse  schwie- 
riger.    Werden  die  dominantmerkmaligen  Individuen  miteinander  ge- 
paart, so  sind  natürlich  folgende  Möglichkeiten  gegeben:    1.  Man  hat 
zufällig  2  reine   Dominanten  AA    herausgegriffen,    dann    bleibt    eben 
auch  die  Nachkommenschaft  rein.     2.  Man  hat,  was  viel  häufiger  statt- 
finden wird,  zwei  Heterozygoten,  die  Dominantrezessiven  Aa  oder  aA 
verwendet,    dann    muß    die  Nachkommenschaft    wieder    im    Verhält- 
nis von  3  :  1  spalten,  denn  es  liegt  ja  alles  genau  ebenso,  wie  bei  der 


184    — 


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züchtet  rein 


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3:1 


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o    züchtet  rein 

< 


spadet 


3:1 


Spallel  3:1 


< 


5    zuchlet  rein 


^   züchtet  rein 


pt-, 


p— 


Fig.   76. 

Schematische    Darstellung    der   Ergebnisse    von  Längs   Kreuzung   ungebänderter    und 

gebänderter  Varietäten  von  Helix  hortensis. 


—    185    — 

Fortpflanzung  der  Bastarde  von  Fx.  3.  Man  wählte  zufällig  eine 
reine  Dominante  AA  und  eine  Heterozygote  Aa.  Es  muß  dann  genau 
das  gleiche  sich  ereignen,  als  wenn  der  Bastard  von  Fx  Aa  mit  seinem 
dominanten  Elter  AA  gekreuzt  würde,  also  das  gleiche  wie  bei  einer 
Rückkreuzung.  Deren  Resultat  ergibt  sich  ohne  weiteres,,  wenn  wir 
uns  die  Gameten  wieder  klar  machen:  AA  bildet  nur  Gameten  A,  Aa 
bildet  Gameten  A  und  a.  Es  sind  also  die  Gametenvereinigungen 
möglich 

AA  Aa  .1.1  Aa 
Das  heißt,  die  Hälfte  der  Nachkommen  muß  sein  AA,  also  rein  un- 
gebändert,  die  andere  Hälfte  Aa,  also  heterozygot,  aber  auch  unge- 
bändert  aussehend.  Die  Nachkommen  der  3.  Möglichkeit  wären  also 
alle  ungebändert,  wie  die  der  ersten,  aber  die  Hälfte  von  ihnen  wären 
heterozygot,  wie  die  nächste  Generation  nun  wieder  erweisen  würde. 
Lang  erzielte  nun  in  der  Tat  bei  seinen  Versuchen  diese  erwarteten 
Resultate  in  annähernd  den  richtigen  Zahlenverhältnissen. 

Wir  haben  in  der  vorigen  Vorlesung  erfahren,  daß  in  sehr  vielen 
Fällen  der  Bastard  in  Fx  einen  intermediären  Charakter  zeigt  (Zea- 
typus).  Wenn  das  der  Fall  ist,  muß  natürlich  bei  der  Spaltung  in  F2 
der  Unterschied  zwischen  den  reinen  Dominanten  und  den  Hetero- 
zygoten deutlich  in  Erscheinung  treten,  die  Spaltung  muß  stattfinden 
in  y4  dominantmerkmalige,  2/4  intermediäre  und  y4  rezessive.  Nur 
die  intermediären  würden  dann  in  F3  weiterspalten.  Als  besonders 
instruktive  Illustration  möge  umstehende  Fig.  yy  dienen,  die  Lock 
im  Anschluß  an  Punett  publizierte.  Sie  zeigt  in  der  ersten  Reihe  die 
Blüten  der  beiden  Primeln  Primula  sinensis  und  stellata,  in  der  zweiten 
Reihe  den  intermediären  Bastard,  auch  P.  pyramidalis  genannt.  Die 
dritte  Reihe  gibt  die  Spaltung  in  F2  wieder  in  y4  sinensis,  2/4  pyrami- 
dalis, y4  stellata.  Ein  ebenso  charakteristischer  zoologischer  Fall  wurde 
auch  bereits  erwähnt,  der  Fall  der  Farbe  der  Andalusier-  und  Breda- 
hühner. Diese  von  den  Züchtern  blau  genannten  Formen  sind  nie  in 
Reinzucht  zu  halten;  und  das  kommt  daher,  daß  sie  intermediäre  Ba- 
starde zwischen  einer  schwarzen  und  einer  schmutzig-weißen  Rasse 
darstellen.  Danach  müssen  sie,  wenn  miteinander  gepaart,  spalten 
in    y4  schwarze,    2/4  blaue,    x/4  schmutzigweiße.     Das  ist  in  der  Tat 


—    186    - 

der  Fall:  Bateson  und  seine  Mitarbeiter  fanden  als  Resultat  41  schwarze: 
78  blaue  :  3g  weiße.  Wir  werden  übrigens  später  auf  mögliche  Kom- 
plikationen dieses  Falls  zurückkommen. 

Schließen  wir  nun  an  diese  Fälle  Mendel  scher  Monohybriden  einen 
solchen  eines  Dihybridismus  an.  Für  Pflanzen  haben  wir  ja  schon  ein 
Beispiel  in  Mendels  eigenen  Studien  kennen  gelernt.  Als  einen  be- 
sonders instruktiven  Fall  aus  dem  Tierreich,  wertvoll  besonders  auch 


&0  Ott 


Fig.   77. 

Kreuzung    von   Primula   sinensis   X    stellata    (1.    Reihe).      In    der    2.  Reihe    der   inter- 
mediäre Fj-Bastard  P.  pyramidalis.     In  der  3.  Reihe  die  Spaltung  in  F2  in   1  sinensis: 

2  pyramidalis  :  1   stellata.     Aus  Lock. 


wegen  seiner  großen  Zahlen,  wollen  wir  eine  der  zahlreichen  Kreuzungen 
betrachten,  die  von  Toyama,  Coutagne,  Kellogg  beim  Seiden- 
spinner Bombyx   mori  angestellt  wurden. 

Toyama  kreuzte  zwei  Rassen,  die  sich  in  folgenden  2  Merkmalen 
unterschieden:  die  eine  produziert  ungezeichnete  Raupen,  die  sich  in 
gelbe  Kokons  einspinnen,  die  andere  gestreifte  Raupen,  die  weiße  Ko- 
kons spinnen.  Vom  Aussehen  der  beiden  Raupenarten  gibt  neben- 
stehende Fig.  78  ein  gutes  Bild.  Da  alle  Nachkommen  in  Fx  gestreift 
waren  und  gelbe  Kokons  anfertigten,  erwiesen  sich  diese  Eigenschaften 
als  dominant;  es  besaß  also  jeder  der  Eltern  ein  dominantes  und  ein 


-    187 


' 


Fig.   78. 
Zuchtkörbe  mit  weißen  und  gestreiften  Seidenraupen.     Nach  Toyama 


—    188 


rezessives  Merkmal.  Bezeichnen  wir  die  Eigenschaft  gestreift  (striatus) 
mit  S,  nicht  gestreift  mit  s,  gelb  (flavus)  mit  F  und  nichtgelb  =  weiß 
mit  /,  so  heißen  die  beiden  Eltern 

Sf  x  sF, 
der  Bastard  somit    SfFs,  also  Gestreift-Gelb.     Nach  dem  früher  mit- 
geteilten muß  er  4  Arten  von  Gameten  bilden,  nämlich  SF,  Sf,  sF,  sf; 
diese  ergeben  dann  in  F2  16  Kombinationen,  nämlich 


SF 

Sf 

sF 

'/ 

SF 

SF 

SF 

SF 

gestreift 

gestreift 

gestreift 

gestreift 

gelb 

gelb 

gelb 

gelb 

SF 

Sf 

sF 

'/ 

s/ 

Sf 

Sf 

Sf 

gestreift 

gestreift 

gestreift 

gestreift 

gelb 

weiß 

gelb 

weiß 

SF 

Sf 

sF 

'/ 

s  F 

sF 

sF 

sF 

gestreift 

gestreift 

ungezeicbnet 

ungezeichnet 

gelb 

gelb 

gelb 

gelb 

SF 

Sf 

sF 

*/ 

sf 

sf 

sf 

*/ 

gestreift 

gestreift 

ungezeichnet 

ungezeichnet 

gelb 

weiß 

gelb 

weiß 

Es  müssen  also  gebildet  werden  9  gestreift -gelbe  :  3  gestreift-weiße  : 
3  ungestreift-gelbe  :  1  ungestreift-weiße.  Die  wirklichen  Zahlen  To- 
yamas  stimmen  damit  in  wundervoller  Weise  überein,  nämlich: 

1.  Gestreift-gelbe    SF  6385  Indiv.  =  56,38%  =  etwa  9 

2.  Gestreift -weiße    Sf  2147       „       =  18,96%  =  etwa  3 

3.  Ungezeichnet-gelbe  sF     2099       ,,       =  18,53%  —  etwa  3 

4.  Ungezeichnet  weiße  sf       691       ,,       =    6,1  %  =  I. 
Wurde  aus  diesen  4  Gruppen  nun  F3  gezogen,  so  mußte  folgendes 

eintreten,  wie  aus  der  Zusammensetzung  der  Formen  im  Kombinations- 
schema sich  ablesen  läßt: 

A.  In  der  1.  Gruppe,  die  beide  Dominanten  zeigte,  waren  im  gleichen 
Phänotypus  nach  ihrer  genotypischen  Zusammensetzung  verschieden- 


—    189    — 

artige  Individuen  enthalten:  i.  solche  vom  Charakter  SF  SF,  die 
also  in  beiden  dominanten  Charakteren  rein  waren,  welche  zu  Y9  vor- 
handen sein  mußten;  2.  solche  vom  Charakter  SFsf,  die  also  in  beiden 
Charakteren  heterozygot  waren  und  sich,  wie  leicht  am  Kombfnations- 
schema  nachzuzählen,  in  4/9  der  Exemplare  fanden;  3.  solche  vom 
Charakter  SSFf,  also  homozygot  im  Charakter  S,  aber  heterozygot 
im  Charakter  F,  und  diese  finden  sich  zu  2/9.  Endlich  4.  solche  vom 
Charakter  SsFF,  also  im  anderen  Charakter  heterozygot,  im  anderen 
homozygot,  ebenfalls  zu  2/9.  Da  nun  die  verschiedenen  Genotypen  äußer- 
lich nicht  zu  unterscheiden  sind,  so  kann  der  Zufall  bei  der  Paarung  dieser 
F2-formen  folgende  Partner  zusammenbringen:  1.  Den  ersten  Typus  mit 
sich  selbst  oder  jedem  anderen,  dann  muß  die  Nachkommenschaft  immer 
nach  SF  aussehen,  da  stets  beide  Dominanten  vorhanden  sind.  2.  Der 
2.  Typus  mit  sich  selbst;  dann  liegt  das  gleiche  vor,  wie  wenn  Fx  in 
Inzucht  weiter  gezüchtet  wurde,  nämlich  SFsf  x  SFsf,  also  muß 
Spaltung  in  die  4  Typen  im  bekannten  Verhältnis  eintreten.  3.  Der 
2.  Typus  mit  dem  3.,  also  SFsf  x  SSFf.  Ersterer  hat  die  Gameten 
SF,  Sf,  sF,  sf,  letzterer  nur  SF  und  Sf,  es  sind  also  8  Kombinationen 
möglich,  von  denen  6  SF  enthalten,  2  Sf;  es  ist  also  eine  Spaltung  in 
SF  und  Sf  zu  erwarten  im  Verhältnis  3:1.  4.  Typus  2  kommt  mit 
Typus  4  zusammen.  Typus  2  hat  wieder  die  Gameten  SF,  Sf,  sF,  sf, 
Typus  4  aber  nur  SF,  sF.  Von  den  8  möglichen  Kombinationen  ent- 
halten also  6  wieder  SF,  2  aber  nur  sF,  also  ist  Spaltung  zu  erwarten 
in  die  Phänotypen    SF  :  sF  =  3 •  :  I.     5.  Der  3.  Typus  kann  mit  dem 

2.  zusammenkommen,  das  ist  natürlich  das  gleiche  wie  der  umgekehrte 
Fall  3.  6.  Der  3.  Typus  kann  mit  seinesgleichen  zusammenkommen. 
Da  er  nur  in  bezug  auf  die  Eigenschaft  Ff  heterozygot  ist,  so  muß  also 
das  gleiche  eintreten,  wie  wenn  zwei  Monohybriden  sich  paaren,  also 
eine  Spaltung  in   SF  :  5/  =  3  :  1,  also  ebenso  wie  im  3.  Fall.     7.  Der 

3.  Typus  kann  mit  dem  4.  zusammenkommen;  ihre  Gameten  sind  SF, 
Sf  und  SF,  sF;  ihre  Kombination  wird  immer  SF  enthalten,  das  Aus- 
sehen also  einheitlich  dominant  sein,  wie  im  1.  Fall.  8.  Der  4.  Typus 
kann  mit  dem  2.  zusammenkommen,  das  ist  das  gleiche  wie  der  um- 
gekehrte Fall  4.  9.  Der  4.  Typus  kann  mit  dem  3.  zusammentreffen, 
das  ist  das  gleiche  wie  der  umgekehrte  Fall  7;  endlich  10.  kann  der 


—    190    — 

4.  Typus  mit  seinesgleichen  sich  begatten;  da  er  nur  in  der  Eigenschaft  5s 
heterozygot  ist,  haben  wir  wieder  das  entsprechende,  wie  im  Fall  6, 
also  eine  monohybride  Spaltung  in  SF  :  sF  =  3  :  1.  Das  aber  ist  das 
gleiche  wie  im  Fall  4.  Man  sieht  somit,  daß  die  9/16  dominantmerk- 
maligen  F2-Individuen,  wenn  nur  unter  sich  gepaart,  in  F3  4  verschie- 
dene Arten  von  Nachkommenschaft  ergeben  werden,  wie  sie  die  Fälle 
1 — 4  repräsentieren.  Das  wirkliche  Resultat  ist  aber  genau  das  er- 
wartete.    Es  ergaben  nämlich  von  21   Paarungen: 

8  Paarungen  nur  gestreift  gelbe  Nachkommen,  wie  es  Fall  1 
verlangt, 

3  Paarungen  gestreift  gelbe  und  gestreift  weiße  und  zwar  677  :  240 
Individuen  gleich  73,82%  :  26,17%  =3:1,  wie  es  Fall  3 
verlangt, 

8  Paarungen  gaben  gestreift  gelbe  und  ungezeichnet  gelbe  und  zwar 
1475  :  513  =  74,2%  :  25,8%  =3:1,  wie  es  Fall  4  verlangt, 

2  Paarungen  endlich  gaben  alle  4  Typen,  nämlich 

Gestreift  gelbe  326  =  55,72%  =  etwa  9, 

Gestreift  weiße  90  =  15,36%  =  etwa  3, 

Ungezeichnet  gelbe  126  =  21,53%  =  etwa  3, 
Ungezeichnet  weiße    43  =    7,34%  =  1, 

wie  es  der  Fall  2  verlangt.  Dies  also  die  Nachkommenschaft  der  Ge- 
streift gelben  von  F2. 

B.  Unter  den  3/16  gestreiftweißen  von  F2  finden  sich,  wie  das  Kom- 
binationsschema zeigt,  yi6,  die  nur  5  und /enthalten,  und  2/16,  die  außer- 
dem noch  s  besitzen.  Es  ist  also  1.  möglich,  daß  die  ersteren  unter  sich 
paaren,  und  dann  müssen  sie  als  Homozygote  die  gleiche  Nachkommen- 
schaft ergeben.  2.  können  die  letzteren  unter  sich  paaren.  Da  sie  nur 
in  einem  Eigenschaftspaar  5s  heterozygot  sind,  so  muß  eine  einfache 
Mendelspaltung  im  Verhältnis  3  Sf  :  1  sf  eintreten.  3.  können  letztere 
mit  ersteren  zusammenkommen;  da  dann  in  jedem  Fall  5  in  die  Kom- 
bination eingeführt  wird,  so  muß  das  Resultat  wie  bei  1  lauter  Formen 
Sf  sein.  Der  Versuch  ergab  in  der  Tat  dann  in  F3  aus  den  Nachkommen 
der  3/16  gestreift  weißen  in  16  Paarungen: 


—    191    — 

7  Paare  gaben  ausschließlich  gestreift  weiße,  wie  Fall  i  und  3  ver- 
langen, 

9  Paare  gaben  gestreiftweiße  und  ungestreiftweiße,  und  zwar  1698: 
504  =  77,11%  :  22,88%  =  etwa  3  :  1. 

C.  Bei  den  3/1G  ungezeichnet  gelben  vonF2  muß  in  F3  natürlich  das 
gleiche  eintreten,  nur  daß  hier,  wie  das  Kombinationsschema  zeigt, 
die  andere  Dominante  und  die  andere  Rezessive  in  Betracht  kommen. 
Das  Ergebnis  ist  in  der  Tat,  daß  aus  15  Paarungen  in  F3  entstanden: 

8  Paare  gaben  ausschließlich  ungezeichnet  gelbe, 

7  Paare  gaben  ungezeichnet  gelbe  und  ungezeichnet  weiße  und  zwar 
1507  •"  457  =  76,73%  :  23,26%  =  etwa  3  :  1. 

D.  Endlich  bleiben  noch  die  yi6  ungezeichnet  weiße  übrig,  die  ja 
reine  rezessive  sein  müssen,  somit  rein  weiter  züchten,  und  in  der  Tat 
blieb  F3  ebenso. 

Wir  sehen  somit  hier  einen  höchst  typischen  Fall  von  Mendelschem 
Dihybridismus.  Er  zeigt  uns  aber  noch  etwas  Weiteres.  Die  Ausgangs- 
tiere waren  gestreift  weiß  x  ungezeichnet  gelb.  In  der  Nachkommen- 
schaft fanden  sich  bereits  in  F2  die  neuen  Kombinationen  gestreift 
gelb  und  ungezeichnet  weiß.  Da,  wie  das  Kombinationsschema  zeigt, 
diese  in  je  1/lß  der  Exemplare  homozygot  auftreten  müssen  —  im 
Schema  liegen  die  Homozygoten  ja  immer  in  der  Diagonale  von  links 
oben  nach  rechts  unten  —  so  muß  es  durch  fortgesetzte  richtige  Aus- 
wahl schließlich  gelingen,  diese  Homozygoten  zu  isolieren  und  damit 
zwei  rein  züchtende  neue  Kombinationen  zu  schaffen,  und  sie  wurden 
in  der  Tat  auch  isoliert.  Es  können  also  auf  dem  Wege  der  Bastar- 
dierung neue  Rassen  geschaffen  werden,  die  alle  denkbaren  Neukom- 
binationen der  bei  den  Eltern  vorhandenen  Charaktere  zeigen.  Es 
ist  dies  natürlich  für  die  praktische  Anwendung  des  Mendelismus  in 
Tier-  und  Pflanzenzucht  höchst  wichtig,  denn  das  Erzielen  neuer  brauch- 
barer Zuchtrassen  besteht  meistens  in  der  richtigen  Neukombination 
vorhandener  Charaktere.  Sind  einmal  aber  die  mendelnden  Erbfaktoren 
bekannt,  so  ist  stets  theoretisch  vorauszusagen,  wie  eine  gemischte  Kom- 
bination herzustellen  ist,  natürlich  vorausgesetzt,  daß  sie  nicht  eine 
physiologische  Unmöglichkeit  ist.  Als  Beispiel,  wie  auf  diese  Art  das  Un- 
erwartetste erreicht  werden  kann,  möge  die  folgende  von  Lang  ausge- 


—    192    — 

führte  Kombination  dienen.  Bei  den  erwähnten  5-bändrigen  Schnecken 
kommen  Varietäten  vor,  bei  denen  sich  die  Bänder  in  einzelne  Tüpfel 
auflösen  (var.  punctata)  und  solche,  bei  denen  die  Bänder  in  der  Höhe 
der  Schale  miteinander  verschmelzen  (var.  coalita).  Beides  -beruht 
auf  der  Anwesenheit  eines  entsprechenden  Erbfaktors.  Es  stehen  also 
die  Eigenschaften  Ganzbändrigkeit,  Tüpfelbändrigkeit  und  Verschmol- 
zenbändrigkeit  zur  Verfügung.  Könnte  man  nun  durch  Bastardkom- 
bination Tüpfelbändrigkeit  mit  Verschmolzenbändrigkeit  kombinieren, 
so  müßten  die  Tüpfel  in  der  Höhe  der  Schale  zusammenfließen  und  es 
entstände  eine  quergebänderte  Schnecke;  und  das  wurde  tatsächlich 
erreicht,  wie  Fig.  79  zeigt.  Analoge  Beispiele  gibt  es  in  Hülle  und 
Fülle,  vor  allem  aus  der  praktischen  Pflanzenzucht,  die  bewußt  oder 
unbewußt  so  ihre  Haupterfolge  erzielt. 


1234 

Fig.  79- 

Helix  (Tachea)  nemoralis.    I.  tüpfelbändrig,  3  u.  4  verschmolzenbändrig,  2.  quer- 

gebändert  als  Bastardkombination  aus  beiden.     Nach  Lang. 


Bei  einem  solchen  Fall  von  Mendelschem  Dihybridismus  kann  es 
nun  natürlich  auch  vorkommen,  daß  entweder  eine  oder  auch  beide 
Eigenschaften  nicht  die  Dominanzerscheinung  zeigen,  sondern  sich  inter- 
mediär verhalten.  Die  Zahlenkonsequenzen  der  Spaltung  lassen  sich 
dann  leicht  aus  dem  oben  ausgeführten  ableiten.  Da  sie  für  den  typi- 
schen Mendelfall  durch  die  Formel  (3  +  1)"  gegeben  waren,  werden 
sie  bei  zwei  intermediär  sich  verhaltenden  Eigenschaften  natürlich 
durch  die  Formel  (1  +  2  +  i)2  erhalten,  da  ja  in  diesem  Fall  für  jede 
Eigenschaft  die  Spaltung  die  3  Typen  1  DD  +  2  DR  +  1  RR  ergibt. 
Wenn  also  ein  Eigenschaftspaar  Dominanz,  das  andere  intermediäres 
Verhalten  zeigt,  so  ist  die  Konsequenz  für  F2  (3  +  1)  (1  +  2  +  1)  = 
[3  +  6]  +  3  +  [1  +  2]  +  1,  was  natürlich  entsprechend  zusammen- 
genommen  (die  Klammern)  das  klassische  Verhältnis  von  9:3:3:1 


—    193     — 

darstellt.  Wie  sich  auf  diese  Zahlenreihe  die  einzelnen  Typen  verteilen, 
illustriert  wunderschön  ein  Beispiel  Biffens,  zu  dem  Bateson  die 
nebenstehend  reproduzierte  höchst  lehrreiche  Abbildung  gegeben  hat 
(Fig.  So).  Es  handelt  sich  um  Weizenkreuzungen,  wobei  die  ersten  beiden 
Allelomorphe  das  Fehlen  der  Grannen  bei  der  Ähre  und  ihr  Vorhanden- 
sein (der  Bart)  sind.  Erstere  Eigenschaft  ist  dominant.  Das  andere 
Paar  ist  die  dichte  Stellung  der  Körner,  die  eine  kurze  kompakte  Ähre 


Ratio 


Fig.  80. 

Kreuzung    dichter    bartiger    mit    lockeren    grannenlosen    Ähren   mit    Spaltung    in    F9  in 

6  Typen.     Aus  Bateson. 


bedingt,  und  eine  lockere  Stellung,  die  eine  lange,  schlanke  Ähre  hervor- 
ruft. Diese  beiden  Eigenschaften  vererben  intermediär.  Die  Allelo- 
morphe sind  also  D  (densus)  dicht,  d  nicht  dicht  =  locker,  B  (barba) 
Faktor,  der  die  Bartbildung  verhindert,  b  sein  Fehlen,  der  Bart  vorhan- 
den. Werden  also  eine  dichte-bartige  Form  Db  und  eine  lockere-grannen- 
lose  dB  gekreuzt  (P  =  parentes,  Eltern),  so  ist  F1}  wie  das  Bild  zeigt 
intermediär-grannenlos.     In  F2  muß  dann  die  Spaltung  so  eintreten, 


Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl. 


13 


-     194 


daß  sie  sich  aus  ,  dem  Verhältnis  3  B  :  1  b  und  DD  :  2  Dd  :  dd 
kombiniert.  Das  gibt,  wie  die  einfache  Multiplikation  zeigt  und  das 
Bild    bestätigt,     die     Phänotypen    3  BD    grannenlos-dicht  :  6  BDd  — 

grannenlos-intei mediär  :  3  Bd  =  grannenlos- 
lang  :  1  bD  =  bärtig-dicht  :  2  bDd  =  bärtig- 
intermediär :  1  bd  =  bärtig-lang. 

Wir  können  diese  Besprechung  der  ein- 
fachen Mendelfälle  nicht  abschließen,  ohne 
kurz  einen  Fall  erwähnt  zu  haben,  der  zu- 
nächst etwas  unklar  erscheint,  sich  dann 
aber  auf  das  einfachste  auflöst.  Einer  der 
schönsten  Fälle  von  Mendelschem  Dihybri- 
dismus  ist  die  Correnssche  Kreuzung  des 
Mais,  Zea  mays  alba  x  Zea  mays  coeruleo- 
dulcis.  Ersterer  hat  weiße  glatte  Körner, 
letzterer  blaue  gerunzelte.  In  Fx  ist  der 
Bastard  stets  blau  und  glatt  und  in  F2  tritt 
eine  Spaltung  ein  im  Verhältnis  von  9  blauen 
glatten  :  3  weißen  glatten  :  3  blauen  runz- 
ligen :  1  weißen  runzligen,  wie  nebenstehend 
abgebildeter  von  Correns  gezüchteter  Kol- 
ben beweist  (Fig.  81).  Das  ist  zunächst 
nicht  weiter  merkwürdig.  Nun  beruht  aber 
die  blaue  bzw.  weiße  Farbe  auf  dem  durch 
die  durchsichtige  Schale  durchscheinenden 
Nährgewebe  des  Embryo,  dem  Endosperm. 
Dieses  ist  aber  gar  kein  Teil  des  Embryo, 
sondern  gehört  zum  mütterlichen  Organismus. 
Maiskolben   von  F2  mit   blau-  Der  Bastardembryo  Fj  hat  also,  wenn  der 

glatten,  weiß-glatten,  blaurunze-    TT    ,  -,         -,    •■    . 

ligen  und  weißrunzeligen  Kör-  Vater  coeruleo-dulcis  war,  das  Endosperm 
nern.  Photo,  nach  einem  Cor-  mit   der  Farbe  dieses  Vaters,  obwohl  es  ein 

rensschen  Originalstück. 

Teil  der  weißen  Bastardmutter  (P)  selbst 
ist.  Dieses  Übertragen  einer  Eigenschaft  des  befruchtenden  Vaters 
auf  Körpergewebe  der  Mutter  nennt  man  eine  Xenie.  Die  Er- 
klärung hat  sich  nun  durch  Nawaschin  und  Guignard  so  ergeben, 


Fig.   81. 


—    195    — 

daß  bei  der  Befruchtung  2  Samenkerne  in  den  Embryosack  eindringen, 
von  denen  der  eine  das  Ei  befruchtet,  der  andere  die  Zelle,  aus  der  sich 
jenes  Nährgewebe  entwickelt.  Der  nach  dem  Schema  des  Dihybridis- 
mus  spaltende  Bastard  stellt  also  gewissermaßen  eine  Verwachsung 
aus  einem  Bastardembryo  und  einem  Bastardendosperm  dar.  Letzteres 
mendelt  aber  infolge  seiner  Entstehung  genau  so  wie  ein  anderer  Bastard. 
Diese  Beispiele  werden  wohl  genügen;  sie  setzen  uns  leicht  in  den 
Stand,  mit  allen  einfachen  Mendelfällen  und  ihren  Konsequenzen 
fertig  zu  werden.  So  wollen  wir  diese  Erfahrungen  denn  noch  benutzen, 
um  zu  sehen,  wie  sie  auf  die  Analyse  von  Naturformen  angewandt 
werden  können  und  wie  sie  gestatten,  Kreuzungsergebnisse  voraus- 
zusagen, die  ohne  den  Mendelismus  vollkommen  regellos  erscheinen 
möchten.  Wir  wählen  dazu  die  schönen  Experimente,  die  Standfuss 
an  einem  bekannten  Schmetterling,  dem  Nagelfleck  Aglia  tau  und 
seinen  in  der  Natur  fliegenden  Aberrationen  ferenigra  und  melaina 
ausführte.  Wie  Fig.  82  zeigt,  unterscheiden  sich  die  letzteren  von  der 
Stammart  dadurch,  daß  bei  ferenigra  die  Flügel  vom  Rand  her  ver- 
düstert werden  und  bei  melaina  völlig  verdüstert  sind.  Diese  Aber- 
rationen kommen  in  der  Natur  ziemlich  selten  vor,  so  daß  es,  wie  Stand- 
fuss annimmt,  wahrscheinlich  ist,  daß  sie  meist  mit  der  Stammart 
sich  paaren  und  Bastarde  erzeugen.  Da  nun  die  melaina-  bzw.  fere- 
nigra-Eigenschaft  dominant  ist,  so  sehen  diese  Bastarde  wie  die  Aber- 
ration selbst  aus.  Es  ist  somit  eine  große  Wahrscheinlichkeit  vorhanden, 
daß  aus  der  Natur  stammende  Aberrationen  Bastarde,  Heterozygoten 
sind.  In  der  Tat  erwiesen  sich  alle  aus  der  Natur  kommenden  ferenigra 
oder  melaina  als  heterozygot  mit  der  Stammart  tau1.  Melaina  aus  der 
Natur  hat  also,  wenn  wir  uns  der  Schreibweise  der  Presence-  und  Ab- 
sencetheorie  bedienen,  die  Zusammensetzung  Mm 

M  =  Melainafaktor,  der  die  Flügel  der  Stammform  verdüstert, 
111  =  kein  Melainafaktor,  also  tau. 

Ebenso  heißt  ferenigra  aus  der  Natur  Ff.  Da  wir  nun  oben  gehört 
haben,  daß  die  Heterozygote  mit  dem  rezessiven  Elter  zurückgekreuzt 
eine  Spaltung  im  Verhältnis  1  :  1  ergeben  muß,  so  ist  zu  erwarten,  daß 


1  Auf  diese  Interpretation  werden   wir  nochmals  zurückkommen. 


13* 


196    - 


a 


V 


o 


■ 

o 


Fig.  82. 
a  Aglia   tau,    b  Aberration   A.  ferenigra,    c  Ab.  melaina.      Photo,    nach    Standfuss- 

schen  Originalstücken. 


—    197    — 

jede  der  Aberrationen,  mit  der  Stammart  tau  gekreuzt,  x/2  ferenigra 
bzw.  melaina  :  V2  tau  ergibt;  denn 

\  Ff  x     ff  =  Ff         +Ff       +//+//         i  _.  i 

'         "         '  =  -Ferenigra  +  _  tau. 

(Ferenigra  x  tau  =  Feren.  +  Feren.  +  tau  +  tau      2  2 

Und  ebenso  verläuft  die  Kreuzung  mit  melaina.  Das  wirkliche  Resultat 
der  Kreuzung  ferenigra  aus  der  Natur  x  tau  war  in  der  Tat  83  fere- 
nigra +  80  tau.  Ebenso  ist  ohne  weiteres  zu  erwarten,  daß  die  Aber- 
rationen mit  ihresgleichen  gepaart  im  Mendelschen  Verhältnis  3  :  1 
spalten  müssen,  denn 

Ff  x  Ff  =  FF  +  Ff  +  fF  +  ff  =  3  Ferenigra  :  1  tau. 

Das  wirkliche  Resultat  war  bei  einer  Kreuzung  46  ferenigra  :  14  tau. 
Werden  nun  die  beiden  Aberrationen  ferenigra  und  melaina  gekreuzt, 
so  ergibt  sich  folgendes: 

Ff         x  Mm 

Fi  1  FM  +  1  Fm  +  1  fM  +  1  fm. 
Die  zweite  Form  ist  wieder  ferenigra,  die  dritte  melaina  und  die  vierte 
tau,  aber  die  ers'e,  die  die  beiden  Dominanten  enthält,  ist  neu.  Es 
besteht  für  sie  entweder  die  Möglichkeit,  daß  die  eine  Dominante  die 
andere  zudeckt,  oder  daß  beide  sich  addieren.  Letzteres  ist  in  der  Tat 
der  Fall  und  es  wird  eine  noch  dunklere  Form  FM  gebildet,  die  St  and - 
fuss  weismanni  nennt.  Das  wirkliche  Resultat  der  Kreuzung  war 
11  weismanni,  11  melaina,  15  ferenigra,  10  tau.  Wird  nun  die  neue 
Form  weismanni  mit   tau  lückgekreuzt,  so  muß  natürlich  entstehen 

1  1 

FM  x  fm  —  1  Ff  +  1  Fm  +  1  Mf  +  1  Mm  =  —ferenigra  +     melaina. 

Das  wirkliche  Resultat  ist  in  der  Tat  30  ferenigra  +  32  melaina.  Wird 
nun  weismanni  mit  ihresgleichen  gepaart,  so  ergibt  sich 

FM  x  MF  =  iFM  +  iFF  +  1  MM  +  1  MF 

1  2  J       1  • 

=  —  ferenigra  +   —  weismanni  +      melaina. 

4  4  4 

Das  Resultat  war  18  ferenigra  :  31  weismanni  :  17  melaina.  Hier  ist 
nun  bemerkenswert,  daß  zum  erstenmal  homozygote  ferenigra  und 
melaina  zum  Vorschein  kamen,  die  sich  deutlich  durch  größere  Inten- 
sität   ihres    Charakters    von    den    Heterozygoten    unterschieden.      Die 


—    198    — 

Homozygoten  miteinander  gepaart  müssen  natürlich  alle  Weismanni 
ergeben.  Alle  diese  Resultate  sind  also  ohne  weiteres  klar.  Auf  eine 
kleine  Schwierigkeit  muß  allerdings  hingewiesen  werden.  Wir  hatten 
die  Form  weismanni  als  FM  bezeichnet.  Nach  der  bisher  ja  stets  be- 
nutzten Schreibweise  der  Presence-Absencetheorie  wäre  somit  diese 
Form  homozygot,  da  sie  nur  große  Buchstaben  enthält.  Sie  erweist 
sich  aber  als  Heterozygote,  die  immer  spalten  muß,  etwa  wie  die  An- 
dalusierhühner.  Wäre  die  Untersuchung  anstatt  von  heterozygoten 
Individuen  von  homozygoten  ausgegangen  und  das  Verhältnis  der 
Aberrationen  zur  Stammform  tau  gar  nicht  berücksichtigt  worden, 
so  würde  man  jedenfalls  geschrieben  haben  M  =  melaina,  m  =  nicht 
melaina  oder  ferenigra,  weismanni  wäre  dann  Mm  und  alles  weitere 
verliefe  in  üblicher  Weise.  Es  folgt  daraus  also,  daß  entweder  die 
Schreibweise  der  Presence-Absencetheorie  nicht  so  aufzufassen  ist, 
daß  der  kleine  Buchstabe  nun  auch  wirklich  das  Fehlen  eines  Merk- 
mals bedingt,  sondern  einfach  die  betrachtete  Relation  ausdrückt :  Mit 
tau  in  Vergleich  gesetzt  ist  ferenigra  F,  mit  melaina  in  Beziehung  ge- 
setzt ist  es  aber  m:  die  Symbole  sind  relativer,  nicht  absoluter  Natui. 
Oder  aber  es  liegen  wirklich  zwei  dominante  positive  Merkmale  vor, 
die  sich  aber  zueinander  verhalten  wie  ein  Merkmalspaar,  bestehend 
aus  einem  positiven  und  einem  negativen  Faktor.  Wir  werden  dieser 
Erscheinung  bald  wieder  begegnen.  Ungezwungener  erscheint  aber 
sicher  die  erstere  Interpretation,  die  die  presence-absence  nicht  als 
absoluten  Begriff  nimmt.  Vielleicht  ist  aber  auch  der  ganze  Fall  noch 
verwickelter  und  erfordert  zur  Erklärung  noch  einen  Faktor,  wie  Plate 
meint. 

Die  interessantesten  Kombinationen  durch  Bastardierung  wurden 
aber  nun  mit  Hilfe  einer  weiteren  Eigenschaft  erzielt.  Es  kommt  ge- 
legentlich vor,  daß  bei  einer  der  Formen  der  helle  Nagelfleck  auf  den 
Flügeln  verdüstert  ist,  was  als  Subcoecatypus  bezeichnet  wird,  und 
dieser  ist  auch  eine  erbliche  Eigenschaft.  Von  einer  solchen  Form  aus 
gelingt  es  dann  durch  Bastardierung,  ihn  auch  mit  den  anderen  zu 
kombinieren.  Genaue  Angaben  liegen  darüber  allerdings  nicht  vor. 
Eines  ist  aber  sicher,  daß  so  unter  anderem  auch  eine  Form  erhalten 
wurde,  die  als  weismanni  subcoeca  zu  bezeichnen  ist.     Diese  stellt  nun 


—    199    — 

einen  vollständigen  Melanismus  dar,  der  aber  nicht,  wie  bei  vielen 
anderen  Schmetterlingen,  eine  Einheit  ist,  sondern  eine  Kombination 
von  ferenigra,  melaina  und  subcoeca  darstellt.  Ein  schöner  Fall, 
wie  durch  Bastardierung  nicht  nur  Analyse  der  Charaktere,  sondern 
auch  Synthese  ausgeführt  werden  kann,  ganz  analog  dem  obigen  Fall 
der  quergestreiften  Helix. 


Zehnte  Vorlesung. 


Das    Auftreten    von    Neuheiten    bei    Bastardierung    und    die    ver- 
schiedenen  Möglichkeiten  der  Erscheinung. 

Die  bisher  vorgeführten  Mendelfälle  illustrierten  uns  das  einfachste 
Verhalten  unter  Auftreten  der  klassischen  Zahlenverhältnisse,  Fälle, 
die  sich  natürlich  beliebig  vermehren  ließen,  auch  durch  Anziehung 
des  Trihybridismus  und  noch  mehr  Eigenschaftskombinationen.  Sie 
würden  uns  alle  immer  wieder  die  Übereinstimmung  zwischen  der  aus 
der  Kombination  abzuleitenden  Wahrscheinlichkeit  und  der  Wirklich- 
keit demonstrieren.  Es  zeigte  sich  nun  aber  bald  nach  dem  Wieder- 
erwecken der  Mendelschen  Lehre,  daß  es  viele  Fälle  gibt,  in  denen 
andere  Zahlenverhältnisse  auftreten,  als  erwartet  werden  sollten  und 
auch  die  Spaltung  der  Eigenschaften  zu  ganz  absonderlichen  Dingen 
führte.  Allen  diesen  Fällen,  deren  bekannteste  Typen  wir  uns  jetzt 
vorführen  wollen,  ist  eines  gemeinsam,  nämlich  daß  in  den  Bastard- 
generationen „Neuheiten"  auftreten,  Eigenschaften,  von  deren  Vor- 
handensein bei  den  Bastardeltern  nichts  zu  merken  war,  also  etwa  das 
Auftreten  von  Farbe  bei  Kreuzung  weißer  Rassen.  Die  zuerst  von 
Tschermak  studierte  Erscheinung,  die  dann  vor  allem  durch  Bateson 
und  seine  Mitarbeiter,  wie  durch  Correns,  Cuenot,  Shull  geklärt 
wurde,  hat  als  Ganzes  oder  in  ihren  Teilen  die  verschiedenartigsten  Be- 
zeichnungen erhalten,  wie  Latenz,  Hybridatavismus,  Kryptomerie,  Re- 
version (Rückschlag),  die  schwer  voneinander  abzugrenzen  sind.  Es 
läßt  sich  aber  auch  ganz  gut  ohne  sie  auskommen.  Die  beiden  ersteren 
und  die  letzte  Bezeichnungen  sind  allerdings  solche,  die  in  der  Erb- 
lichkeitslehre schon  lange  eine  große  Rolle  spielen.     Es  war  immer  be- 


—    200    — 

kannt,  daß  ein  Organismus  Eigenschaften  enthalten  kann,  die  nicht 
sichtbar  in  Erscheinung  treten,  die  er  latent  besitzt  und  die  aus  irgend- 
einem Grund  gelegentlich  zum  Vorschein  kommen  können.  Es  ist 
ferner  bekannt,  daß  Organismen  plötzlich  oder  nach  Bastardierung 
Eigenschaften  zeigen,  die  vermutlich  denen  ihrer  Ahnen  entsprechen, 
Atavismen  sind.  Bekanntlich  haben  gerade  diese  Atavismen  im  Ge- 
folge von  Kreuzung  eine  große  historische  Rolle  in  der  Biologie  gespielt, 
indem  Darwin  wichtige  Schlüsse  auf  der  Tatsache  aufbaute,  daß  nach 
Kreuzung  von  domestizierten  Taubenrassen  in  der  Nachkommenschaft 
das  Gefieder  der  wilden  Felstaube,  der  mutmaßlichen  Stammform, 
auftrat. 

Das  mendelistische  Studium  dieser  Erscheinungen  hat  nun  dazu 
geführt,  auch  das  Auftreten  von  Neuheiten  nach  Bastardierung  auf 
Grund  der  Beschaffenheit  der  Gameten  zu  erklären  und  damit  die  zu 
erwartenden  Zahlenverhältnisse  zu  bestimmen.  In  zahlreichen  ge- 
nauer analysierten  Fällen  haben  solche  Bestimmungen  bereits  ihre 
Feuerprobe  bestanden.  "Wenn  wir  die  wichtigsten  Formen  der  Er- 
scheinung von  Neuheiten  nun  betrachten  wollen,  so  können  wir  von 
vornherein  zwei  Hauptgruppen  unterscheiden:  Im  einen  Fall  liegt  eine 
wirkliche  Latenz  vor,  d.  h.  die  Eigenschaft,  die  später  als  Novum  auf- 
tritt, ist  bei  den  Bastardeltern  schon  als  solche  vorhanden,  sie  kann 
aber  aus  irgendeinem  Grund  nicht  in  Erscheinung  treten;  erst  die  mit 
der  Bastardierung  bzw.  Spaltung  verbundenen  neuen  Gametenkom- 
binationen  schaffen  das  Hindernis  beiseite,  so  daß  dann  die  latente 
Eigenschaft  sichtbar,  patent,  wird.  In  der  anderen  Gruppe  von  Fällen 
aber  ist  die  Eigenschaft  eine  derartige,  daß  sie  durch  die  Anwesenheit 
mehrerer  Faktoren  bedingt  wird,  die  Bastardeltern  aber  nur  einen 
bzw.  einen  Teil  besitzen.  Erst  wenn  die  Bastardierung  die  richtigen 
Faktoren  kombiniert,  lassen  sie  die  gemeinsam  bedingte  Eigenschaft 
sichtbar  werden.  In  diesen  Fällen  ist  also  nicht  die  Eigenschaft  latent, 
sondern  eine  unvollständige  Serie  ihrer  Bestimmungsfaktoren. 

Ein  prinzipieller  Unterschied  besteht  allerdings  nicht  zwischen 
diesen  beiden  Gruppen;  denn  man  kann  ja  auch  sagen,  und  viele  Autoren 
tun  es,  daß  eine  Eigenschaft  als  solche  überhaupt  nicht  latent  sein  kann, 
da  sie  erst  bei  Anwesenheit  aller  dazu  notwendigen  Faktoren  entsteht. 


—    201    — 

Bei  dieser  Betrachtungsweise  wäre  dann  die  erste  Gruppe  eine  solche, 
bei  der  ein  Grundfaktor  vorhanden  ist,  aber  die  Erscheinung  der  Eigen- 
schaft erst  durch  einen  anderen  Faktor  realisiert  werden  muß,  während 
bei  der  zweiten  Gruppe  eine  Reihe  gleichwertiger  Bedingungsfaktoren 
die  Eigenschaft  hervorrufen. 

Zu  der  crsteren  Gruppe  der  eigentlichen  Latenz  führt  uns  gut  der 
in  der  letzten  Vorlesung  besprochene  Fall  der  Aglia  tau  über.  Auch 
dort  war  ja,  wenn  ohne  Kenntnis  der  Gametenbeschaffenheit  betrachtet, 


Flg.  S3. 
Kammformen    der   Hühner.      A  einfacher    Kamm,    B  C  Erbsenkamm,    D  Rosenkamm, 

E  Walnußkamm.     Nach  Bateson. 


etwas  Neues  aufgetreten:  die  natürlichen  Formen  melaina  und  fere- 
nigra  gekreuzt  gaben  schon  in  Fx  Spaltung,  wobei  unter  anderem  die 
Stammform  der  Aberrationen  tau  auftrat.  In  diesem  Fall  enthielten 
auch  die  Bastardeltern  den  tau-Charakter  gewissermaßen  latent,  aber 
nicht  dadurch,  daß  er  ein  echtes  Glied  der  Erbmasse  war,  sondern  da- 
durch, daß  die  Eltern  selbst  Bastarde,  Heterozygoten,  waren.  Wie 
wir  später  sehen  werden,  steht  dieser  Fall  aber  in  engstem  Zusammen- 
hang mit  solchen,  deren  berühmtestes  Beispiel  wir  jetzt  kennen  lernen 
wollen,  Kreuzungen  von  homozygoten  Individuen,  bei  denen  trotzdem 


—    202    — 

in  F2  eine  latente  Eigenschaft  sichtbar  wird,  die  bei  den  Eltern  sich 
durch  die  Art  ihrer  Verbindung  mit  anderen  Eigenschaften  nicht  zeigen 
konnte.  Das  klassische  Beispiel  dieser  Erscheinung  ist  das  Verhalten 
der  Hühnerkämme  bei  Kreuzung  verschiedener  Rassen,  das  schon 
Darwin  beschäftigte  und  durch  Bateson  und  Punnett  vor  allem 
seine  Klärung  erfuhr.  Viele  Hühnerrassen  haben  die  Kammform  des 
wilden  Ahnen,  den  sogenannten  einfachen  Kamm  (Fig.  83/I).  Als 
besondere  erbliche  Kammformen  treten  nun  einmal  der  sogenannte 
Erbsenkamm  (Fig.  83 C)  und  dann  der  Rosenkamm  (Fig.  83 D)  auf. 
Die  letzteren  beiden  reinzüchtenden  Kammformen  erweisen  sich  nun 
bei  Kreuzung  mit  dem  einfachen  Kamm  als  dominant  und  geben  dann 
in  F2  eine  einfache  Spaltung  im  Verhältnis  3:1.  Im  wirklichen  Ex- 
periment kamen  z.  B.  zum  Vorschein  695  Rosenkämme  :  235  einfachen 
Kämmen.  Wurde  nun  Erbsenkamm  mit  Rosenkamm  gekreuzt,  so 
hatte  Fx  eine  neue  Kammform,  die  in  der  Natur  bei  den  malayischen 
Hühnern  vorkommt  und  wegen  ihres  Aussehens  als  Walnußkamm  be- 
zeichnet wird  (Fig.  83E).  Nach  dem  was  wir  oben  bei  Aglia  tau  er- 
fuhren, ist  das  nicht  so  merkwürdig.  Dort  addierten  sich  die  beiden 
dominanten  Faktoren,  der  melaina-  und  der  f erenigra -Faktor  zu 
der  Additionsform  weismanni;  hier  geschieht  das  gleiche,  Erbsen- 
und  Rosenkammfaktor  geben  das  merkwürdige  Additionsprodukt 
Walnußkamm.  In  F2  treten  aber  nun  typischerweise  4  Kammformen 
auf,  nämlich  Walnußkamm,  Erbsenkamm,  Rosenkamm  und  ein- 
facher Kamm.  Letzterer  trat  also  als  Neuheit  auf.  Die  Gesamt- 
zahlen der  Versuche  der  englischen  Forscher  waren 

279  Walnußkämme, 
132  Erbsenkämme, 

99  Rosenkämme, 

45  einfache  Kämme. 

Da  das  Auftreten  von  4  Phänotypen  auf  die  Anwesenheit  von  2  Merk- 
malspaaren schließen  läßt,  ist  ein  Verhältnis  von  9:3:3:1  zu  er- 
warten, dem  die  Zahlen  auch  einigermaßen  entsprechen.  Um  ihr 
Zustandekommen  zu  erklären,  wurden  die  notwendigen  Versuche  ge- 
macht,   die   unter   Heranziehung   von   über   12  000   Individuen   zu   fol- 


—    203    — 

gender  einfachen  Klärung  des  Falls  führten:  Der  Erbsenkamm  beruht 
auf  der  Anwesenheit  eines  Faktors  P  (=  Pisum),  der  den  einfachen 
Kamm  in  den  Erbsenkamm  verwandelt.  Ebenso  beruht  der  Rosen- 
kamm auf  dem  Faktor  R  (Rosa),  der  einfachen  Kamm  in  Rosenkamm 
verwandelt.  Nach  der  Presence-  und  Absencetheorie  steht  nun  jedem 
dieser  dominanten  Merkmale  sein  Fehlen  als  Rezessiv  gegenüber.  Es 
heißt  somit  das  Rosenkammhuhn  RRpp.  nämlich  Rosenkamm  und 
kein  Erbsenkamm,  das  Erbsenkammhuhn  aber  PPrr,  nämlich  Erbsen- 
kamm und  kein  Rosenkamm.  RRpp  x  PPrr  =  RPrp,  das  ist  Walnuß- 
kamm heterozygot.  In  F2  muß  dies  nun,  wie  wir  wissen,  so  spalten, 
daß  4  Phänotypen  entstehen,  von  denen  9/16  beide  Dominanten  ent- 
halten, RP  also  Walnußkamm  zeigen,  je  3/16  eine  Dominante,  also 
Rp  oder  Pr,  was  Rosen-  bzw.  Erbsenkamm  gibt,  und  1/16  keine  Domi- 
nante, also  rp :  kein  Rosenkamm  und  kein  Erbsenkamm  ist  aber  der 
einfache  Kamm.  Man  wird  sich  bei  dieser  Erklärung  vielleicht  daran 
stoßen,  daß  r  und  p  doch  eigentlich  das  gleiche  sind;  wir  werden  gleich 
die  einfache  Erklärung  dafür  finden.  Tatsächlich  läßt  diese  Inter- 
pretation jede  weitere  Kreuzungsmöglichkeit  vorausberechnen;  um 
nur  zwei  Kontrollversuche  zu  nennen,  so  sei  die  Kreuzung  erwähnt 
zwischen  dem  Walnußkamm  von  Fx  und  einem  einfachen  Kamm,  also 
RPrp  x  rrpp.  Ersteres  hat  dann  wieder  die  4  Gametenarten  RP, 
Rp,  rP,  rp,  letzteres  nur  rp.  Es  sind  somit  nur  4  Kombinationen  mög- 
lich, und  zwar  in  gleicher  Zahl  RPrp,  Rprp,  rPrp,  rprp.  In  der  Tat 
ergab  die  Gesamtheit  der  Kreuzungen  644  Walnußkämme,  705  Rosen- 
kämme, 664  Erbsenkämme.  716  einfache  Kämme.  Eine  zweite  Kontrolle 
könnte  in  folgendem  bestehen:  Unter  den  9/16  Walnußkämmen  in  F2 
muß  je  yi6  Homozygote  sein,  die  also  rein  züchten.  In  der  Tat  gab 
ihre  Zucht  ausschließlich  Walnußkämme,  nämlich  216  Individuen. 
Ebenso  muß  das  yi6  mit  einfachem  Kamm  stets  rein  homozygot  sein; 
auch  es  erfüllte  diese  Erwartung  in  1937  Fällen. 

Vielleicht  noch  schlagender  ist  aber  die  Kontrolle  für  die  Richtig- 
keit der  Interpretation,  die  durch  eine  ebenfalls  von  Bateson  aus- 
geführte Kreuzung  mit  einem  ganz  anderen  Hühnerschlag  gegeben 
wird.  Das  Bredahuhn  besitzt  an  Stelle  des  Kammes  zwei  Höcker. 
Es  zeigte  sich  nun  durch   Kreuzung  mit  einfachem  Kamm,   daß  dies 


—    204    — 

auf  dem  Fehlen  des  Kammfaktors,  aber  auf  der  Anwesenheit  eines 
dominanten  Verdoppelungsfaktors  beruht.  Wenn  dieses  Bredahuhn 
nun  mit  einem  Rosenkammhuhn  gekreuzt  wurde,  so  handelte  es  sich 
um  3  Faktoren,  nämlich  R  Rosenkamm,  r  sein  Fehlen,  der  Verdoppe- 
lungsfaktor (duplicitas)  D,  d  sein  Fehlen,  der  Kammfaktor  C  (crista), 
sein  Fehlen  c.  Fx  hieß  also  RDCrdc,  muß  also  doppelten  Rosenkamm 
haben.  In  F2  ist  dann  die  Spaltung  in  8  Phänotypen  zu  erwarten, 
unter  welchen,  wie  ja  leicht  zu  kombinieren  ist,  als  Neuheiten  auftreten 
müssen  die  Zusammensetzungen  DCr,  also  verdoppelter  Einfachkamm 
und  Cdr,  also  gewöhnlicher  Einfachkamm.  Beide  Neuheiten  erschienen 
auch.  Bateson  bemerkt  dazu  mit  Recht,  daß  ohne  Kenntnis  der 
Mendel  sehen  Gesetze  ein  solcher  Fall  einfach  unerklärlich  erscheinen 
müßte. 

In  diesen  interessanten  Fällen  war  also  das  Auftreten  der  Neuheit 
in  F2,  ■ —  wenn  wir  den  Walnußkamm  ebenso  wie  die  Aglia  tau  weis- 
manni  nicht  auch  als  Neuheit  infolge  Addition  zweier  Dominanten  be- 
zeichnen wollen,  wozu  ja  Berechtigung  vorliegt,  da  wenigstens  erstere 
auch  homozygot  gezüchtet  werden  können  —  so  zustande  gekommen, 
daß  durch  die  Kombination  der  Gameten  ein  in  den  Eltern  schon  vor- 
handener rezessiver  Faktor  aus  der  Verbindung  mit  den  ihn  unsichtbar 
machenden  Dominanten  befreit  wurde.  Aber  es  ist  auch  noch  ein 
weiterer  Fall  echter  Latenz  denkbar.  Es  ist  klar,  daß  eine  einheitlich 
erscheinende  Eigenschaft  oft  in  Wirklichkeit  komplex  ist,  aus  mehreren 
Faktoren  zusammengesetzt.  Wenn  dies  dann  mehrere  dominante 
Eigenschaften  sind,  so  kann  ihre  Kombination  sich  in  verschieden- 
artiger Weise  äußern.  Sie  können,  wie  wir  schon  sahen,  sich  in  ihrer 
Wirkung  addieren  zu  einer  besonderen  Form,  sie  können  sich  aber  auch 
gegenseitig  zudecken;  es  käme  dann  ein  Verhalten  zustande,  das  in 
seinem  Effekt  der  Dominanz  gleicht,  aber  doch  etwas  davon  ganz  Ver- 
schiedenes ist.  Bateson  hat  deshalb  für  die  Verdeckung  eines  domi- 
nanten Faktors  durch  einen  anderen  dominanten  die  Bezeichnung 
Epistasis  eingeführt.  Der  verdeckende  Charakter  ist  epistatisch, 
der  verdeckte  hypostatisch.  Es  ist  klar,  daß  im  Fall  solcher  Epistasis 
eine  Eigenschaft  unsichtbar,  nämlich  hypostatisch  sein  kann  und  doch 
vorhanden,  also  latent.     Auch  dann  kann  es  bei  einer  Bastardierung 


-     205    — 

dazu  kommen,  daß  der  hypostatische  Faktor  von  seinem  epistatischen 
befreit  wird  und  dann  in  F2  die  durch  ihn  bedingte  Eigenschaft  als 
Neuheit  zum  Vorschein  kommt.  Wenden  wir  diesen  Gedankengang 
auf  den  eben  besprochenen  Fall  der  Hühnerkämme  an,  so  kommen  wir 
sogar  zu  einer  Interpretation,  die  viel  weniger  Schwierigkeiten  bietet. 
Wir  nehmen  an,  daß  sowohl  Erbsen-  wie  Rosenkammhühner  den  posi- 
tiven Faktor  für  den  gewöhnlichen  Kamm  C  besitzen,  daß  sie  aber 
außerdem  noch  den  epistatischen  Faktor  R  bzw.  P  haben,  dessen  An- 
wesenheit bedingt,  daß  dieser  Kamm  in  einen  Rosen-  bzw.  Erbsen- 
kamm modifiert  wird.  Dann  bieße  das  Rosenkammhuhn  RRCCpp 
und  das  Erbsenkammhuhn  rrCCPP.  Es  läge  also  auch  doppelte  He- 
terozygotie  vor  und  es  wäre  daher  in  obiger  Ableitung  jeder  Formel 
noch  CC  zuzufügen.  Da  aber  in  allen  Kombinationen  bis  auf  die  letzte 
R  oder  P  vorkommt,  die  ja  über  C  epistatisch  sind,  so  wird  nichts  ver- 
ändert, und  nur  die  letzte  Kombination  heißt  rrCCpp,  muß  also  den 
einfachen  Kamm  sichtbar  zeigen.  Diese  Erklärung  ist  natürlich  nur 
eine  verständlichere  Form,  das   Prinzip  ist   das  gleiche. 

Eine  bessere  Illustration  für  das  Erscheinen  von  Neuheiten  im  Zu- 
sammenhang mit  der  Epistase  läßt  sich  aus  den  Kreuzungen  der  Mäuse- 
rassen entnehmen,  auf  die  wir  noch  öfters  zurückkommen  werden. 
Wenn  wildfarbige  graue  Mäuse  mit  schokoladebraunen  gekieuzt  wer- 
den, so  ist  ¥1  wildfarbig  grau,  und  in  F2  treten  außer  den  beiden  Eltern- 
typen noch  schwarze  als  Neuheit  auf.  Das  Schwarz  war  hier,  wie  die 
genaue  Durchführung  der  Kontrollkreuzungen  zeigte,  als  latenter 
Faktor  bei  den  grauen  enthalten.  Aber  Grau  ist  epistatisch  über  Schwarz 
und  läßt  es  somit  nicht  sichtbar  werden.  Die  Kreuzung  ist  also  die 
folgende :  Die  wildgraue  Maus  enthält  —  neben  anderen  Faktoren 
der  Fellfarbe,  die  wir  später  kennen  lernen  werden  —  den  Faktor  G 
(griseus)  (genauer  gesagt  ist  das  ein  Faktor,  der  eine  Anordnung  des 
Haarpigments  in  schwarzen,  braunen  und  gelben  Ringeln  bewirkt 
und  auch  den  Sättigungsgrad  des  Pigments  beeinflußt;  diese  Anord- 
nung ergibt  den  Eindruck  der  Wildfarbe,  wenn  sämtliche  anderen  Farb- 
faktoren anwesend  sind)  und  die  ihm  hypostatische  Schwarzdominante  N 
(niger).  Die  schokoladefarbige  Maus  hat  aber  weder  das  eine  noch  das 
andere,  ist  also  beschaffen  gn.     Fx  ist  somit  GNgn,  also  wieder  Grau. 


—    206    — 

In  F2  müssen  nun  9/16  £  uncl  N  enthalten,  sie  sind  grau;  3/16  ent- 
halten G  aber  n,  sie  sind  also  wieder  grau;  3/16  besitzen  g  aber  N,  sie 
müssen  als  Neuheit  Schwarz  zeigen,  und  yi6  ist  gn,  also  wieder  schoko- 
ladefarbig. An  dieser  Stelle  müssen  wir  nun  eine  kleine  Erörterung 
einschalten,  die  nötig  ist,  um  das  Verhältnis  der  Epistase  richtig  zu  be- 
urteilen, wenn  es  sich  um  ein  ganzes  System  voneinander  epistatischer 
Faktoren  handelt.  Es  liegt  da  etwas  äußerlich  Analoges  vor,  wie  bei 
der  gewöhnlichen  Dominanz;  dort  sahen  wir,  daß  homozygote  und 
heterozygote  sich  voneinander  doch  unterscheiden  lassen  (s.  Aglia  tau 
ferenigra).  Auch  hier  läßt  sich  das  epistatische  Grau  also  GN,  von 
dem  Grau,  dem  N  fehlt,  also  Gn  unterscheiden:  während  die  9/16  GN 
eine  Farbe  zeigen,  die  man  wildfarbig  (agouti)  nennt,  erscheinen  die 
3/i6  Gn  zimtfarbig  (cinnamon  agouti).  Addiert  man  die  Resultate,  die 
Miß  Durham  und  Cuenot  bei  diesem  Versuch  erhielten,  so  waren  es 

63  wildfarbene  | 

■  64  graue, 
21  zimtfarbene  J 

20  schwarze, 
8  schokoladene, 
also  äußerst  genau  das  berechnete  Resultat.  Betrachten  wir  aber  diese 
Tatsache  noch  etwas  weiter.  Wenn  es  für  die  Wirkung  des  Faktors  G 
nicht  gleichgültig  ist,  ob  sein  hypostatischer  Faktor  N  vorhanden  ist 
oder  fehlt,  so  ist  zu  erwarten,  daß  es  auch  einen  Einfluß  ausübt,  ob 
einer  der  sonst  noch  vorkommenden  Faktoren  vorliegt  oder  fehlt.  Es 
gibt  z.  B.  einen  Faktor,  der  so  wirkt,  daß  immer,  wo  er  fehlt,  eine  Art 
von  Gelb  in  Erscheinung  tritt  (Hagedoorns  Faktor  B).  Fehlt  also 
dieser  Faktor,  so  verursacht  G  nicht  die  gleiche  Wildfarbe,  sondern 
eine  gelbliche  Wildfarbe  (yellow-agouti)  und  entsprechendes  gilt  natür- 
lich für  andere  Faktoren.  Wo  also  ein  epistatisches  Verhältnis  mehrerer 
Bedingungsfaktoren  für  eine  Eigenschaftsart  wie  Fellfarbe  vorliegt, 
ruft  nicht  ein  Faktor  eine  bestimmte  Eigenschaft  hervor,  sondern  die 
Kombination  eines  Faktors  mit  soundso  vielen  anderen.  Dies  ist  auch 
der  Grund,  weshalb  manche  Autoren  nach  dem  Vorgang  Baurs  es 
ablehnen,  für  die  Faktoren  Bezeichnungen  zu  benutzen,  die  an  die  koordi- 
nierte Eigenschaft  erinnern,  sondern  für  jede  Analyse  die  nichtssagenden 
Anfangsbuchstaben  des  Alphabetes  vorziehen. 


—    207    — 

Die  beiden  besprochenen  Fälle  zeigten  uns  also  das  Neuauftreten 
wirklich  latenter  Eigenschaften  durch  die  Neukombination  bei  der 
Bastardierung,  die  den  verdeckenden  dominanten  bzw.  epistatischen 
Faktor  aus  bestimmten  Kombinationen  ausschloß.  Neuheiten  bei  der 
Bastardierung  können  aber  auch  auf  anderem  Wege  gebildet  werden, 
insofern  als  durch  die  Gametenkombination  Eigenschaften  zustande 
gebracht  werden,  die  als  solche  gar  nicht  bei  den  Eltern  vorhanden 
sind.  Das  ist  natürlich  nur  denkbar,  wenn  eine  Eigenschaft  durch 
mehrere  selbständig  spaltende  Faktoren  bedingt  wird  und  die  Eltern 
diese  Faktoren  nur  teilweise  besitzen.  Im  einzelnen  sind  die  Möglich- 
keiten, die  so  geschaffen  werden,  sehr  mannigfacher  Natur.  Der  ein- 
fachste Fall  ist  wohl  der,  daß  einer  der  Bastardeltern  den  einen  Teil- 
faktor nicht  besitzt,  wohl  aber  den  anderen,  während  der  andere  Bastard- 
elter  über  den  betreffenden  Komplementärfaktor  verfügt.  Wenn  es 
sich  dabei  um  Farben  handelt,  kann  man  sich  vorstellen,  daß  die  Farbe 
nur  durch  das  Zusammentreffen  von  zwei  chemischen  Bestandteilen,  einer 
Farbbase  oder  Chromogen  und  einem  Farbferment  gebildet  werden 
kann,  wie  dies  Cuenot  zuerst  erkannte,  was  ja  in  der  Tat  für  pflanz- 
liche wie  tierische  Farbstoffe  sich  auch  erweisen  ließ,  und  zwar  gerade 
für  solche,  die  die  jetzt  zu  besprechenden  Spaltungen  zeigen.  So  bildet 
sich  das  pflanzliche  Anthocyan  aus  einem  Glukosid  unter  der  fermen- 
tativen  Wirkung  einer  Oxydase,  ebenso  tierisches  Melanin  aus  Tyrosin 
unter  Einwirkung  der  Tyrosinase.  Ohne  spezielle  Beziehung  zu  den 
Farbstoffen  ließe  sich  das  Verhältnis  auch  mit  der  Terminologie  der 
Immunochemie  so  ausdrücken,  daß  zu  dem  als  „Amboceptor"  fun- 
gierenden Teil  das  zugehörige  „Komplement"  nötig  ist,  um  die  Eigen- 
schaft hervorzurufen. 

Auch  für  diese  Erscheinungen  bieten  uns  die  Kreuzungen  der  Mäuse- 
rassen, die  zu  den  bestanalysierten  Objekten  des  Tierreichs  gehören, 
besonders  instruktive  Beispiele.  Bei  den  Mäusen  gibt  es  bekanntlich, 
wie  auch  bei  anderen  Tieren,  weiße  Formen  mit  roten  Augen,  denen 
somit  das  Pigment  fehlt.  Diese  Albinos  züchten  rein.  Mit  einer  reinen 
farbigen  Maus  gekreuzt  dominiert  die  Farbe  über  den  Albinismus,  d.  h. 
ihr  Fehlen,  und  F2  spaltet  in  3  Farbige:  1  Albino.  Das  ist  aber  durch- 
aus nicht  immer  der  Fall,  bei  vielen  solchen  Kreuzungen  trat  vielmehr 


—    21 


In   F2  müssen  nun   9/16  G  und  N 
halten   G  aber  n,  sie  sind  also  wied< 
müssen  als  Neuheit  Schwarz  zeigen, 
ladefarbig.     An   dieser  Stelle  müss 
einschalten,  die  nötig  ist,  um  das  V 
urteilen,  wenn  es  sich  um  ein  ganz 
Faktoren  handelt.     Es  liegt  da  etv 
der  gewöhnlichen  Dominanz;    dort 
heterozygote  sich  voneinander  doch] 
ferenigra).     Auch   hier   läßt    sich   d 
dem  Grau,  dem  A'  fehlt,  also   Gn  uie 
eine  Farbe  zeigen,   die   man   wildfa 
3/i6  Gm  zimtfarbig  (cinnamon   agou  . 
AI i ß  Durham  und  Cuenot  bei  di( 

63  wildfarben 
21  z  im  t  farber 
20  schwarze, 
8  schokolad 
also  äußerst  genau  das  berechnete  1 
Tatsache  noch  etwas  weiter.     Wem 
nicht  gleichgültig  ist,  ob  sein  hyp<  ath 
oder  fehlt,  so  ist  zu  erwarten,   dal 
einer  der  sonst  noch  vorkommende  Fal 
gibt  z.  B.  einen  Faktor,  der  so  wirk  dal 
von  Gelb  in  Erscheinung  tritt   (H; 
dieser  Faktor,   so  verursacht    G  ni  t 
eine  gelbliche  ^'ildfarbe  (yellow-agoti)  1 
lieh  für  andere  Faktoren.    "Wo  also  e 
Bedingungsfaktoren    für    eine 
ruft  nicht  ein  Faktor  eine  besj 
Kombination  eines  Faktors 
der   Grund,   weshalb   im 
ablehnen,  für  die  Fakt 
nierte  Eigenschaft 
Anfangsbuchstabe 


I 

Ba^  -  :% 

insofern   als   durch   die  Gamet* 
.  die  a'.- 
Das 
mel 

en  nur  l 
kei'  so  g< 

fac:         I  all 
lak- 
tltcr   i. 

dabei  un    I 
nur  diu  -  / 

I 
kann,  w  i<    d» 
liehe  \vi<  I 

iür  solche,  die  die  y 
sich  das  pfla 
tativen  Wirkui 
unter  Einwirkung  d 
Farbstoffen  ließe  sich 
Immunochemie   so 
gierenden  Teil  das  zu 
schaft  hervorzurufi 

Auch  für  di< 
rassen,   die   . 
besoii' 
wie  auc1 
somit 
farl 


Ntcg 

NTCG 

XTCG 

grau 

grau 

7 

S 

cG 

Ntcg 

Xj 

Nl 

grau 

schwarz 

I  2 

4 

'g 

NTcG 

rail 

Albino 

Albino 

16 

i 

4 

A7 

Nt 

A7i 

Nu 

Nt  (  G 

t^check 

•  1  rauscheck 

( 'irauscheck 

2 

l 

3 

4 

A7i 

— 

Ntcg 

-v: 

n: 

NTcg 

schwarz 

Albino 

Albino 

6 

7 

8 

Ntt 

A7<rG 

Ntcg 

Nt 

A7 

NtCg 

Schwarzscheck 

« Irauscheck 

Schwarzscheck 

i 

6 

A7.-C 

2 

NtCg 

Ntcg 

Nt 

A"/ 

XtcG 

Grauscheck 

All' 

Albino 

s 

I  I 

12 

Nt 

NtcG 

Nt 

^ 

Nt 

Xtcg 

kurzscheck 

.  Albino 

Albino 

■L 

»5 

l6 

—    210    — 

beruht  auf  einer  selbständigen  Erbeinheit.  Bei  Ratten  gibt  es  nun  einen 
besonders  charakteristischen  Scheckungstypus,  bei  dem  Kopf  und  Hals 
gefärbt  sind,  der  weiße  Körper  aber  nur  einen  farbigen  Längsstreifen 
am  Rücken,  die  Fahne,  besitzt  (s.  Fig.  99,  100,  S.  262,  263).  Die  Albinos 
der  Ratte  können  nun  wieder  wie  bei  den  Mäusen  die  Anlage  einer  be- 
stimmten Farbe  tragen,  und  so  auch,  wie  ebenfalls  bei  den  Mäusen, 
den  Scheckungsfaktor,  der  in  so  viel  verschiedenen  Typen  vorliegen 
kann,  als  es  Farben  gibt.  Kreuzt  man  also  einen  Albino,  der  von  schwarz- 
gescheckten Vorfahren  stammt,  mit  einer  grauen  Ratte,  so  haben  wir 
folgende  Erbformeln:  Der  Albino  enthält  den  Schwarzfaktor  N,  der 
wie  bei  den  Mäusen  wieder  gegen  grau  hypostatisch  ist,  ferner  den 
Scheckungsfaktor  t,  der  gegenüber  der  Ganzfarbigkeit  T  (totaliter) 
sich  rezessiv  verhält,  aber  es  fehlt  ihm  das  Komplement.  Die  graue 
Ratte  besitzt  das  Komplement  C,  ferner  den  Graufaktor  G,  den  hypo- 
statischen Schwarzfaktor  N  und  den  Faktor  für  Ganzfarbigkeit  T. 
Der  Albino  heißt  also  Ntcg,  die  Wildratte  NTCG.  Fx  muß  deshalb 
wieder  ebenso  aussehen,  wie  die  wildfarbige  Ratte.  In  F2  muß  dann 
die  Spaltung  nach  dem  Schema  für  3  Eigenschaftspaare  vor  sich  gehen, 
da  ja  N  beiden  Eltern  zukommt.     Die  Gameten  sind  danach: 

NTCG,    NTCg,    NTcG,    NtCG,    NTcg,    NtCg,    NtcG,    Ntcg. 

Ihre  Kombination  muß  folgende  Tabelle  (siehe  Seite  211)  ergeben. 

Da  alle  Formen  mit  sämtlichen  Dominanten  grau  sind,  alle  die  c 
tragen,  Albinos  sind,  alle  die  T  tragen,  ganzfarbig  und  die,  die  nur  t 
haben,  Schecken,  N  schließlich  immer  von  G  verdeckt  wird,  so  daß 
nur  die  Formen  mit  g  schwarz  sein  können,  ergibt  sich  das  Verhältnis 
von  27  Grauen  :  9  Grauschecken  :  9  Schwarzen  :  3  Schwarzschecken  : 
16  Albinos. 

In  den  angeführten  Fällen  trat  die  Neuheit  erst  in  F2  auf.  Es 
lassen  sich  natürlich  unter  den  gleichen  Voraussetzungen,  also  der, 
daß  einem  der  Eltern  ein  Faktor  zu  einer  durch  das  Zusammenwirken 
von  zwei  Faktoren  bedingten  Eigenschaft  fehlt,  auch  Kreuzungen 
ausführen,  bei  denen  die  Neuheit  schon  in  Fx  auftritt.  AYird  eine  scho- 
koladefarbige Maus  mit  einem  Albino  gekreuzt,  der  von  schwarzer 
Herkunft   ist,   so  ist  F±  abweichend  von  den  beiden  Eltern  schwarz, 


211    — 


NTCG 
NTCG 

NTCg 
NTCG 

NTcG 

NTCG 

NtCG 
NTCG 

NTcg 

NTCG 

NtCg 

NTCG 

NtcG 

NTCG 

Ntcg 
NTCG 

grau 

i 

grau 
2 

grau 

3 

grau 
4 

grau 

5 

grau 
6 

grau 

7 

grau 
8 

NTCG 

NTCg 

grau 

NTCg 
NTCg 
schwarz 

N  Tc  G 

NTCg 

grau 

NtCG 

NTCg 
grau 

NTcg 

NTCg 
schwarz 

NtCg 

NTCg 
schwarz 

NtcG 

NTCg 

grau 

Nt  cg 

NTCg 

schwarz 

9 

1 

10 

1 1 

2 

3 

12 

4 

NTCG 

NTcG 

grau 

NTCg 

NTcG 
grau 

NTcG 

N  Tc  G 
Albino 

NtCG 

NTcG 
grau 

NTcg 
NTcG 
Albino 

Nt  Cg 

NTcG 
grau 

NtcG 

NTcG 
Albino 

Ntcg 

NTcG 
Albino 

13 

14 

1 

!5 

2 

16 

0 

3 

4 

N  TC  G 

NtCG 

grau 

NTCg 

NtCG 
grau 

NTcG 

NtCG 
grau 

N/CG 

NtCG 

Grauscheck 

NTcg 

NtCG 
grau 

NtCg 

NtCG 

Grauscheck 

NtcG 

Nt  C  G 

Grauscheck 

Ntcg 

Nt  (  G 

Grauscheck 

17 

18 

19 

1 

20 

2 

1 

3 

4 

NT  CG 

NTcg 

grau 

21 

NTCg 

NTcg 
schwarz 

5 

NTcG 
NTcg 
Albino 

5 

NtCG 

NTcg 

grau 

22 

NTcg 

NTcg 

Albino 

6 

NtCg 

NTcg 

schwarz 

6 

NtcG 
NTcg 

Albino 
7 

Ntcg 

NTcg 

Albino 

8 

NTCG 

NtCg 

grau 

NTCg 

NtCg 
schwarz 

NTcG 
NtCg 

grau 

NtCG 

NtCg 

Grauscheck 

NTcg 

NtCg 
schwarz 

Nt  Cg 

Nt  Cg 

Schwarzscheck 

NtcG 

NtCg 

Grauscheck 

Ntcg 

NtCg 

Schwarzscheck 

23 

8 

24 

5 

7 

1 

6 

2 

NTCG 

NtcG 

grau 

NTCg 

NtcG 

grau 

N  Tc  G 
NtcG 
Albino 

NtCG 

NtcG 
Grauscheck 

NTcg 

NtcG 
Albino 

N/Cg 

NtcG 

Grauscheck 

Ntc  G 

NtcG 
Albino 

Ntcg 
NtcG 
Albino 

25 

26 

9 

7 

10 

8 

1 1 

12 

NTCG 

Ntcg 

grau 

NTCg 

Ntcg 

schwarz 

NTcG 

Ntcg 
Albino 

NtCG 

Ntcg 
Grauscheck 

NTcg 

Ntcg 
Albino 

NtCg 

Ntcg 

Schwarzscheck 

NtcG 
Ntcg 
Albino 

Ntcg 
Ntcg 
Albino 

27 

9 

13 

9 

H 

0 

15 

16 

r4 


—    212    — 

da  ja  der  Schwarzfaktor  des  Albinos  mit  dem  Komplement  zusammen- 
trifft und  schwarz  (N)  ein  gleichzeitig  vorhandenes  braun  (n)  zudeckt. 
Analoge  Beispiele  kommen  jetzt    bei  fast  jeder  Untersuchung  zutage. 
In  den  letzten  Beispielen  kam  die  Neuheit  in  Fx  oder  F2  dadurch 
zustande,  daß  bei  der  Gametenkombination  der  von  dem  einen  Elter 
eingeführte  unsichtbare  Farbfaktor  mit  dem  zugehörigen  Komplement 
zusammentraf.    Es  wäre  nun  aber  auch  ganz  gut  denkbar,  daß  es  einen 
Albino  geben  könnte,  der  anstatt  des  Komplementes  den  Farbfaktor 
verloren  hat,  so  daß  man  nun  Albinos  unterscheiden  könnte,  die  Farbe 
ohne  Komplement  und  solche,  die  Komplement  ohne  Farbe  besitzen. 
Würde   man    sie   kreuzen,    so    käme    in    Fx    Farbe    und    Komplement 
zusammen    und   man    stände    vor   der   absonderlichen    Tatsache,    daß 
zwei  ungefärbte  Eltern  farbige  Nachkommenschaft  hätten.     Und  von 
solchen   Fällen    sind   in    der  Tat   auch    bereits    eine   Anzahl    bekannt. 
Das  schönste  Beispiel  aus  dem  Tierreich  ist  das  von  Bateson  für  die 
Kreuzung    von    zwei   weißen    Hühnerrassen    ermittelte,    die    allerdings 
keine  Albinos  sind,  da  ihnen  das  Pigment  nicht  vollständig  fehlt,  viel- 
mehr auch   im  Gefieder  in   Form  minutiöser  grauer  Flecken   auftritt. 
Die  beiden  hier  in  Betracht  kommenden  Rassen,  das  weiße  Seidenhuhn 
und  ein  weißer  Stamm  eigener  Zucht  Batesons  haben  ein  rezessives 
Weiß,  während  es  bei  anderen  Rassen  auch  Weiß  gibt,  das  über  Farbe 
dominiert.     Die  Kreuzung  dieser  beiden  Rassen  ergab  nun  in  Fx  aus- 
schließlich  farbige   Individuen   (113   Stück),   etwa   von   der  Farbe   des 
wilden  Ahnen  der  Haushühner  Gallus   bankiva.     Die  Erklärung  ist 
nach  den}  oben  Gesagten  die,  daß  die  eine  Rasse  den  Farbfaktor  ohne 
Komplement  und  die  andere  das  umgekehrte  enthielt.    Wenn  der  Faktor 
für  die  braune  Wildfarbe  B  (brunus)  ist  und  für  das  Komplement  wieder 
C,  hieß  der  eine  Elter  Bc,  der  andere  bC,  der  Bastard  also  BCbc.     In 
F2  ist  demnach  eine  Spaltung  im  Verhältnis  9:3:3:1  zu  erwarten. 
Von  diesen  haben  aber  nur  9/16  beide  Dominanten,  die  anderen  ja  nur 
eine  oder  keine.     Es  können  also  nur  jene   9/16  gefärbt  sein,  das  Re- 
sultat muß  sein  9  gefärbte :  7  weiße  und  das  war  auch  der  Fall.     Es 
ist  klar,  daß  von  diesen  7/16  weißen  nur  yi6  rein  ist,  so  daß  aus  den 
übrigen   durch   geeignete  Kreuzungen   wieder   farbige  erhalten  werden 
können.    Ehe  die  richtige  Erklärung  bekannt  war,  konnte  man  glauben, 


—    213    — 

hier  einen  Beweis  gegen  die  Reinheit  der  Gameten  zu  haben:  die  sog. 
ausgewählten  weißen  von  F2  enthielten  sichtlich  noch  Farbcharakter 
(in  kryptomerem  Zustand,  wie  es  Tschermak  nennt).  Die  gegebene 
Erklärung  zeigt,  daß  es  in  der  Tat  bei  6/16  so  sein  muß. 

Für  die  Spaltung  in  F2  bei  diesem  Beispiel  liegen  noch  keine  ge- 
nauen Zahlen  vor,  wohl  ist  das  aber  bei  den  pflanzlichen  Objekten  der 
Fall,  die  die  gleiche  Erscheinung  zeigen.  So  entstanden  bei  Kreuzung 
von  zwei  weißblühenden  Rassen  der  spanischen  Wicke  Lathyrus  odo- 
ratus  in  Fx  nur  purpurne  Blüten,  wie  sie  die  wilde  Stammform  besitzt 
und  in  F2  trat  Spaltung  in  9  gefärbte  :  7  weißen  ein.  Als  wirkliche 
Zahlen  geben  Bateson,  Miß  Saunders  und  P unnett  382  gefärbte  : 
269  weiße  an. 

Und  nun  wenden  wir  uns  einer  dritten  Möglichkeit  zu,  die  das  Er- 
scheinen von  Neuheiten  bei  Bastardierung  erklärt  und  sich  enge  an 
die  oben  besprochene  Erscheinung  der  echten  Latenz  durch  Epistase 
anschließt.  Wir  haben  gesehen,  daß  zwei  dominante  Faktoren  sich 
entweder  zu  einer  gemeinsamen  Neuschöpfung  vereinigen  können 
(Walnußkamm) x  oder  aber,  daß  der  eine  den  anderen  zudeckt,  epi- 
statisch ist  (graue  Mäuse  mit  hypostatischem  schwarz),  und  nun  be- 
gegnen wir  einem  Fall,  der  einigermaßen  in  der  Mitte  steht,  nämlich 
daß  ein  dominanter  Faktor  den  andern  epistatisch  verändert.  Bei 
genauer  Betrachtung  bemerken  wir  allerdings,  daß  diese  Erscheinung  uns 
bereits  bekannt  ist:  Der  Wildgraufaktor  der  Maus  war  ja  auch  ein  solcher, 
der  das  durch  andere  Faktoren  bewirkte  Pigment  in  besonderer  Weise 
anordnete  und  wie  wir  hier  zufügen  können,  auch  in  hellerer  Tönung 
erscheinen  ließ.  Es  hat  sich  nun  aber  ferner  gezeigt,  daß  gewisse  ein- 
ander nahestehende  Farben  so  zusammenhängen,  daß  die  eine  einen 
Sättigungsgrad  der  anderen  darstellt  bzw.  umgekehrt  betrachtet,  die 
eine  einen  Verdünnungsgrad  der  anderen.  Und  zwar  ist  das  nicht  etwa 
eine  Fiktion,  sondern  eine  Tatsache,  die  auf  der  Pigmentverteilung 
beruht.  Wenn  z.  B.  bei  Mäusen  das  schwarze  Haarpigment  dicht 
angeordnet  ist,  so  erscheint  das  satte  Schwarz,  ist  es  locker  geordnet, 


1  Vorausgesetzt,   daß  sich  nicht  zeigt,  daß  hier  noch  ein  besonderer  unbekannter 
Faktor  im  Spiel  ist,  was  gar  nicht  so  unwahrscheinlich  ist. 


—    214    — 

so  erscheint  ein  Blauschwarz  und  diese  Differenzen  beruhen  auf  der 
An-  bzw.  Abwesenheit  eines  die  Pigmentverteilung  regulierenden  domi- 
nanten Faktors,  des  Sättigungsfaktors  S  (saturator).  Ist  er  also  mit  dem 
Schwarzfaktor  N  verbunden,  so  verwandelt  er  dies  Schwarz  durch 
epistatische  Mitbewirkung  in  tiefschwarz;  kommt  er  zu  einer  braunen 
Farbe  hinzu,  von  der  wir  schon  früher  erfuhren,  daß  sie  gleich  dem 
Fehlen  von  schwarz  n  ist,  so  sättigt  er  sie  zu  schokoladenbraun,  fehlt 
er,  so  verdünnt  er  sie  zu  hellbraun,  auch  silberfalb  genannt.  Daraus 
ergibt  sich  nun  natürlich,  daß  in  der  allerverschiedensten  Weise  Neuheiten 
auftreten  können,  wenn  eines  der  Eltern  den  5-Faktor  hat  und  er  dem 
anderen  fehlt  oder  wenn  gar  dieser  Faktor  mit  Fehlen  der  Farbe  beim 
Albino  verbunden  ist.  Ein  Beispiel  illustriere  das  Resultat:  Miß 
Durham  kreuzte  schwarze  Mäuse  mit  Silberfalben.  Die  Schwarzen 
enthalten,  wie  wir  hörten,  den  Schwarzfaktor  N  und  den  Sättigungs- 
faktor S,  die  Silberfalben  den  Schokoladefaktor  (gleich  kein  schwarz)  n 
und  den  Verdünnungsfaktor  s.  F1  ist  also  schwarz  N  Sns.  F2  muß 
aber  Spaltung  nach  dem  Schema  des  Dihybridismus  geben  in  die  4  Phäno- 
typen N  S,  Ns,  11 S,  ns  im  Verhältnis  9:3:3:1.  Tiere,  die  NS  ent- 
halten, sind  wieder  schwarz,  solche  mit  Ns  haben  verdünntes  schwarz 
oder  blau,  nS  sind  sattes  braun  oder  Schokolade  und  ns  bedeutet  ver- 
dünntes braun  oder  silberfalb.  Es  müssen  also  in  F2  blaue  und  schoko- 
ladefarbige neu  auftreten.     Das  wirkliche  Resultat  aber  war: 

67  schwarze  :  21  blaue  :  20  schokoladefarbige  :  5  silberfalbe. 

Es  ist  klar,  das  genau  das  gleiche  Resultat  entstehen  muß,  wenn  eine 
blaue  mit  einer  schokoladefarbigen  Maus  gekreuzt  wird,  da  hier  die 
schokoladefarbige  den  Sättigungsfaktor  und  die  blaue  den  Schwarz- 
faktor mitbringt.     In  der  Tat  gab  diese  Kreuzung: 

44  schwarze  :  17  blaue  :  17  schokoladefarbige  :  8  silberfalbe. 

Natürlich  muß,  wie  gesagt,  das  Auftreten  der  Neuheit  noch  kompli- 
zierter sein,  wenn  einer  der  Eltern  ein  Albino  ist.  So  kreuzte  Miß 
Durham  eine  blaue  Maus  mit  einem  Albino  schokoladefarbiger  Her- 
kunft. Erstere  enthält  wie  gesagt  den  Schwarzfaktor  N  mit  dem  Ver- 
dünnungsfaktor s,  wozu  bei  Betrachtung  gegenüber  dem  Albino  noch 
das  Farbkomplement    C  gezählt  werden  muß,  das  dem  Albino  fehlt. 


—    215    — 

Dieser  hat  demnach  n  die  Schokoladefarbe,  5  den  Sättigungsfaktor 
und  c  kein  Komplement.  F1  lautet  also  NCSncs,  ist  also  schwarz, 
zeigt  mithin  bereits  eine  Neuheit.  In  F2  muß  dann  eine  Spaltung  nach 
dem  Schema  des  Trihybridismus  eintreten,  wobei  bekanntlich  8  Phäno- 
typen auftreten,  die  unter  64  Individuen  den  Charakter  zeigen: 

27  NC S  :  9  NCs  :  9  NcS  :  9  nC S  :  3  Ncs  :  3  nCs  :  3  ncS  :  1  ncs 

27  NCS  bedeutet  aber  schwarz  gefärbt  gesättigt  =  schwarz, 

9  NCs  bedeutet  schwarz  gefärbt  verdünnt  —  blau, 

9  NcS  bedeutet  schwarz  farblos  gesättigt  =  Albino  (mit  unsicht- 
barem schwarz), 

9  uC S  bedeutet  braun,  farbig  gesättigt  =  Schokolade, 

3  Ncs  bedeutet  schwarz   ungefärbt  verdünnt    =   Albino   (mit  un- 
sichtbarem blau), 

3  nCs  bedeutet  braun  farbig  verdünnt   =  Silberfalb, 

3  ncS  bedeutet  braun  ungefärbt  gesättigt  —  Albino  (mit  unsicht- 
barem Schokolade), 

1   ncs  bedeutet  braun  ungefärbt  verdünnt   =  Albino  (mit  unsicht- 
barem silberfalb). 

Es  müssen  also  gebildet  werden : 
27  schwarze  :  9  blaue  :  9  schokoladefarbige  13  Silberfalbe  :  16  Albinos. 

Es  erschienen  in  Wirklichkeit : 
33  schwarze  :  10  blaue  :  8  schokoladefarbige  :  2  Silberfalbe  :  12  Albinos. 

Wir  können  diese  Erscheinungsgruppe  nicht  verlassen,  ohne  wenig- 
stens noch  kurz  den  bekanntesten  Fall  gleicher  Art  aus  dem  Pflanzen- 
reich namhaft  gemacht  zu  haben,  der  deshalb  besonders  interessant  ist, 
weil  er  diese  Erscheinung  des  Sättigungsfaktors  mit  der  vorher  be- 
sprochenen Gruppe  der  ,, Reversion"  oder  Rückschlag  vereinigt,  wie 
man  das  Auftreten  der  braunen  Hühner  in  F±  nach  Kreuzung  zweier 
weißen  auch  nennt.  Wir  erwähnten  oben  schon  bei  jener  Reversions- 
erscheinung, also  der  Verteilung  zweier  komplementärer  Faktoren  auf 
beide  Eltern,  derart,  daß  jeder  einen  besitzt  und  einen  nicht,  die  Kreu- 


—    216    — 

zung  weißblühender  Lathyrusrassen,  die  in  Fx  purpur  ergeben,  in  F2 
aber  in  9  farbige  :  7  weißen  spalten.  Die  9  farbigen  waren  aber  in 
diesem  Fall  nicht  einheitlich,  sondern  bestanden  teils  aus  purpurnen, 
teils  aus  roten.  Die  Erklärung  erscheint  nunmehr  sehr  einfach,  daß  es 
naheliegt,  in  dem  purpur  ein  gesättigtes  rot  zu  sehen.  Der  eine  der 
Eltern  enthielte  dann,  entsprechend  wie  bei  jenen  weißen  Hühnern, 
den  Rotfaktor  R  (ruber)  aber  kein  Komplement  c  und  den  Sättigungs- 
faktor S,  der  andere  aber  keinen  Rotfaktor  r,  dafür  das  Komplement  C 
und  keinen  Sättigungsfaktor  s.  Fx  mit  den  drei  Dominanten  ist  also 
purpur.  In  F2  erscheinen  nach  dem  Schema  des  Trihybridismus  wieder 
8  Phänotypen  von  dem  Aussehen : 

27  RC  S  :  9  RCs  :  9  RcS  :  grC  S  13  Res  :  $rC  s  :  3  rc  S  :  1  res. 

Die  27  RCS  sind  wieder  purpurn,  die  9  RCs  sind  rot,  da  sie  Farbe 
mit  Komplement,  aber  die  Verdünnung  haben ;  alle  anderen  aber  haben 
entweder  Farbe  oder  Komplement,  nie  beides,  sind  also  weiß.  Das 
Verhältnis  ist  somit  27  purpurne  :  9  roten  :  28  weißen.  Tatsächlich 
erhielten  Bateson  und  Miß  Saunders  in  einem  Versuch 

315  purpurne  :  112  roten  :  346  weißen. 

Endlich  sei  noch  ein  sehr  merkwürdiger  Fall  des  Auftretens  von 
Neuheiten  nach  Bastardierung  genannt,  der  bei  Bohnenkreuzungen 
übereinstimmend  von  Tschermak  und  Shull  gefunden  und  durch 
Shull  aufgeklärt  wurde,  zu  dem  bisher  aber  ein  Analogon  aus  dem 
Tierreich  fehlt.  Es  handelt  sich  darum,  daß  bei  Kreuzung  schwarzer 
mit  weißen  Bohnenrassen  Fx  gesprenkelt  war  und  in  F2  neben  schwarzen 
und  weißen  noch  braune,  schwarzgesprenkelte  und  braungesprenkelte 
auftraten.  Die  Erklärung  ist  eine  sehr  merkwürdige:  Es  gibt  einen 
Sprenkelungsfaktor  M  (maculosus),  der  nur  dann  wirken  kann,  wenn 
er  sich  heterozygot  findet,  also  Mm,  so  daß  alle  in  diesem  Faktor  hetero- 
zygoten Individuen  gesprenkelt  sind.  Die  anderen  Farben  sind  nach 
der  uns  bekannten  Art  so  zu  erklären,  daß  ein  Farbfaktor  für  braunes 
Pigment  P  vorliegt  und  ein  Sättigungsfaktor  5,  der  das  braun  zu  schwarz 
vertieft.  Die  Eltern  sind  also  P SM  x  psm,  Vx  PpSsMm  also  schwarz- 
gesprenkelt.    Die  Gameten  davon  lauten: 

PSM,  PSm,  PsM,  pSM,  Psm,  pSm,  psM,  psm. 


—    217    — 


PSM 

PSm 

PsM 

pSM 

Psm 

pS  m 

psM 

psm 

PSM 

PSM 

PSM 

PSM 

PSM 

PSM 

PSM 

PSM 

schwarz 

schwarzgespr. 

schwarz 

schwarz 

schwarzgespr. 

schwarzgespr. 

schwarz 

schwarzgespr. 

I 

I 

2 

0 

2 

<•> 
0 

4 

4 

PSM 

PSm 

PsM 

pSM 

Psm 

p  S  m 

psM 

psm 

PSm 

PSm 

PSm 

PSm 

PSm 

PSm 

PSm 

PSm 

schwarzgespr. 

schwarz 

schwarzgespr. 

schwarzgespr. 

schwarz 

schwarz 

schwarzgespr. 

schwarz 

5 

5 

6 

7 

6 

7 

8 

8 

PSM 

PSm 

PsM 

pSM 

Psm 

pSm 

psM 

psm 

PsM 

PsM 

PsM 

PsM 

PsM 

J'sM 

PsM 

PsM 

schwarz 

schwarzgespr. 

braun 

schwarz 

braungespr. 

schwarzgespr. 

braun 

braungespr. 

9 

9 

I 

IO 

I 

IO 

2 

2 

PSM 

PSm 

PsM 

pSM 

Psm 

pSm 

psM 

psm 

pSM 

pSM 

pSM 

pSM 

pSM 

pSM 

pSM 

pSM 

schwarz 

schwarzgespr. 

schwarz 

weiß 

schwarzgespr. 

weiß 

weiß 

weiß 

I  I 

II 

12 

I 

12 

2 

3 

4 

PSM 

PSm 

Ps  M 

pSM 

Psm 

pS  m 

psM 

psm 

Psfll 

Psm 

Psm 

Psm 

Psm 

Psm 

Psm 

Ps  vi 

schwarzgespr. 

schwarz 

braungespr. 

schwarzgespr. 

braun 

schwarz 

braungespr. 

braun 

l3 

'3 

3 

H 

3 

iS 

4 

4 

PSM 

[PSm 

PsM 

pSM 

Ps  m 

pSm 

psM 

psm 

p  S  m 

p  Sm 

pS  m 

p  Sm 

pSm 

pSm 

pS  m 

p  S  m 

schwarzgespr. 

schwarz 

schwarzgespr. 

weiß 

schwarz 

weiß 

weiß 

weiß 

15 

i5 

16 

5 

16 

6 

7 

8 

PSM 

PSm 

PsM 

pSM 

Psm 

pSm 

psM 

psm 

psM 

psM 

psM 

ps  M 

ps  M 

psM 

psM 

psM 

schwarz 

schwarzgespr. 

braun 

weiß 

braungespr. 

weiß 

weiß 

weiß 

17 

17 

5 

9 

5 

IO 

I  I 

12 

PSM 

PSm 

PsM 

pSM 

Ps  m 

p  Sm 

psM 

p  s  m 

psm 

psm 

psm 

psm 

psm 

tsm 

psm 

psm 

schwarzgespr. 

schwarz 

braungespr. 

weiß 

braun 

weiß 

weiß 

weiß 

i8 

iS 

6 

'3 

6 

14 

i5 

16 

Da  in  der  Kombination  nur  die  Formen,  die  Mm  enthalten,  ge- 
sprenkelt sind,  alle  die  PS  enthalten  schwarz,  und  Ps  braun,  die  mit 
nur  -p  weiß  sind,  so  ergibt  sich  das  Verhältnis  von  18  schwarzen  :  18 
schwarzgesprenkelten  :  6    braunen  :  6    biaungesprenkelten  :  16    weißen. 


—    218    — 

Die  wirklichen  Zahlen  Shulls  sind  273  schwarze,  287  schwarzgesprenkelte 
109  braune,  79  braungesprenkelte,  265  weiße.  Betrachtet  man  diesen 
Fall  übrigens  genauer,  so  ist  er  gar  nicht  so  kompliziert.  Wir  wissen 
von  früher  her,  daß  die  blaue  Farbe  des  Andalusierhuhns  nur  hetero- 
zygot besteht,  und  auch  sie  beruht  ja  auf  einer  äußerst  feinen  Spren» 
kelung.  Es  liegt  also  vielleicht  eine  Kombination  dieser  Erscheinung 
mit  einem  Trihybridismus  vor,  die  man  durch  geeignete  Bastardkom- 
bination der  Eltern  der  Andalusierhühner  mit  anderen  Rassen  vielleicht 
imitieren  könnte. 

Wir  haben  nunmehr  die  verschiedensten  Modi  des  Auftretens  von 
Neuheiten  im  Bastard  und  zwar  sowohl  in  Fx  wie  in  F2  kennen  gelernt. 
Sie  konnten  zustande  kommen  1.  durch  echte  Latenz,  indem  vorhan- 
dene Merkmale  durch  Dominanz  oder  Epistasis  verdeckt  waren  und  erst 
bei  der  geeigneten  Kombination  durch  Spaltung  frei  wurden.  2.  Durch 
das  Bedingtsein  einer  Eigenschaft  von  zwei  Faktoren,  von  denen  ent- 
weder der  eine  einem  der  Eltern  fehlte  und  dann  bei  Bastardierung 
vom  anderen  Elter  hinzugefügt  wurde,  oder  aber,  von  denen  jeder  der 
Eltern  nur  den  einen  oder  den  anderen  besaß;  oder  aber  es  war  bei  einem 
der  Eltern  ein  Faktor  vorhanden,  der  imstande  ist,  einen  anderen  Faktor 
abzuändern  und  endlich  die  zwei  Faktoren  sind  ein  Eigenschaftspaar, 
das  nur  in  heterozygotem  Zustand  wirkt.  Es  ist  klar,  daß  durch  das 
Zusammenwirken  derartiger  verschiedener  Eigenschaftsverursacher 
schließlich  das  Gesamtbild  der  Erbeigenschaften  einer  Rasse  zustande 
kommen  muß  und  daß  es  daher  auch  eine  Aufgabe  der  weiteren  For- 
schung sein  muß,  die  einzelnen  Tier-  und  Pflanzenformen  so  zu  ana- 
lysieren, daß  man  für  ihre  Zusammensetzung  aus  mendelnden  Eigen- 
schaften Erbformeln  aufstellen  kann,  aus  denen  dann  ohne  weiteres 
das  zu  erwartende  Resultat  irgendeiner  Bastardierung  abzulesen  ist. 
Auf  diesem  Weg  ist  man  für  manche  Tier-  und  Pflanzenformen  schon 
ziemlich  weit  gekommen.  Ehe  wir  aber  davon  ein  Weniges  kennen 
lernen,  wollen  wir  das  Bild  der  Spaltungsgesetze  noch  durch  das  Stu- 
dium einiger  interessanter  Besonderheiten  abrunden. 


219 


Elfte  Vorlesung. 

Die  Verursachung  einer  Eigenschaft  durch  mehrere  selbständige 
Faktoren.  Gametenkoppelung,  falscher  Allelomorphismus  und 
geschlechtsbegrenzte   Vererbung.     Die  Analyse    der    Erbeinheiten 

und   die  Erbformeln. 

Die  interessanten  Mendelfälle,  die  in  der  letzten  Vorlesung  besprochen 
wurden,  hatten  alle  das  Gemeinsame,  daß  nach  Bastardierung  Charaktere 
zutage  traten,  deren  Vorhandensein  sonst  nicht  zu  bemerken  war. 
Hand  in  Hand  damit  ging  es,  daß  bei  der  Spaltung  Zahlenverhältnisse 
auftraten,  die  von  den  klassischen  Zahlen  irgendwie  abwichen,  wie 
9  :  3  :  4,  9  :  7  statt  9:3:3:1  oder  27  :  9  :  28  statt  27  :  9  :  9  :  9  :  3  : 
3:3:1.  Diese  Vorlesung  soll  sich  nun  zunächst  mit  weiteren  Fällen 
beschäftigen,  in  denen  von  der  Norm  abweichende  Zahlenverhältnisse 
auftreten,  ohne  daß  sie  durch  unsichtbare  Eigenschaften  ihre  Erklärung 
finden.  Es  sind  relativ  wenige  Fälle  solcher  Art,  die  bisher  bereits 
eine  befriedigende  Lösung  erfahren  haben,  andererseits  zeigen  sich 
aber  doch  schon  einige  Gesetzmäßigkeiten  von  weiterem  Geltungs- 
bereich. Es  kann  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  gerade  hier 
noch  mancherlei  Entdeckungen  zu  erwarten  sind. 

An  die  Spitze  dieses  Tatsachenkomplexes  können  wir  nun  eine 
Erscheinung  stellen,  die  sich  in  einem  Punkt  eng  an  die  Tatsachen 
anschließt,  die  wir  in  der  letzten  Vorlesung  kennen  lernten.  Wir  sahen, 
daß  eine  und  dieselbe  Eigenschaft  von  mehreren  Faktoren  bedingt 
sein  konnte,  so  die  Farbe  von  der  gleichzeitigen  Anwesenheit  eines 
Farbfaktors  und  eines  Komplements.  Nilsson-Ehle  hat  nun  die 
Entdeckung  gemacht,  daß  es  solche  Eigenschaften  gibt,  die  von  meh- 
reren Erbeinheiten  bedingt  werden,  von  denen  aber  jede  einzelne  für 
sich  allein  auch  die  betreffende  Eigenschaft  verursachen  kann.  Bei 
der  Kreuzung  von  Haferrassen  mit  schwarzen  Spelzen  mit  solchen  mit 
weißen  (richtiger  grauweißen,  da  es  sich  um  diese  zwei  Farben  handelt ; 
hier  wird  das  grau  nicht  mit  berücksichtigt)  erwies  sich  schwarz  als 
dominant  und  F2  spaltete  typisch  im  Verhältnis  3  :  1.  Bei  gewissen 
Rassen  nun  war  das  aber  nicht  der  Fall;  bei  der  Spaltung  traten  viel- 
mehr viel  zu  viele  schwarze  Individuen  auf,  nämlich  bei  einem  Versuch 


L'l'O 


630  schwarze  :  40  weiße.  Das  ist  ein  Verhältnis  von  15,8  schwarz  : 
1  weiß.  Dies  führte  auf  die  Idee,  daß  es  sich  um  das  Verhalten  15  :  1 
handeln  könne,  also  einen  absonderlichen  Fall  dihybrider  Kreuzung. 
Das  Verhältnis  wäre  sofort  erklärt,  wenn  man  annimmt,  daß  die  schwarze 
Spelzenfarbe  von  zwei  Schwarzfaktoren  bedingt  ist,  von  denen  jeder 
einzelne  ebenso  wie  beide  zusammen  schwarz  ergeben.  Der  schwarze 
Hafer  enthielte  dann  N  (niger)  und  M  (melas),  die  beiden  Schwarz- 
faktoren (neben  dem  hier  zu  vernachlässigenden  grau),  der  weiße  Hafer 
n  und  m.    F1  wäre  schwarz  NM  um  und  F2  würde  spalten  in: 


NM 

NM 

1 

Nm 

ATM 
2 

nM 

NM 
3 

;/  m 

A'M 

4 

NM 

A'  111 

5 

Nm 

Nm 

6 

n  M 
Nm 

7 

;;  m 

A'm 

8 

NM 

n  M 
9 

Nm 

nM 

10 

nM 

n  M 

11 

;/  in 

n  M 

12 

NM 

11  in 

•3 

Nm 

n  in 

14 

11 M 
n  111 

15 

//  in 

n  111 

weiß 

16 

Da  15  von  16  Kombinationen  einen  der  dominanten  Schwarzfaktoren 
enthalten,  nur  1  ausschließlich  kleine  Buchstaben  aufweist,  erklärt  sich 
ohne  weiteres  das  Verhältnis  von  15  schwarz  :  1  weiß.  Der  Beweis 
für  die  Richtigkeit  der  Interpretation  wird  natürlich  aus  dem  Ver- 
halten von  F3  und  F4  zu  erkennen  sein.  Wenn  schwarze  F2- Pflanzen 
durch  Selbstbefruchtung  in  isolierter  Parzellenkultur  weiter  gezüchtet 
werden,  so  muß  es  natürlich  verschiedene  Möglichkeiten  geben.  In 
den  Kombinationen,  die  mindestens  3  große  Buchstaben  besitzen  (1,  2, 
3,  5,  9)  muß  ein  jeder  Gamet  auch  mindestens  einen  großen  Buchstaben, 
also  Schwarzfaktor  mitbekommen,  d.  h.  da  sämtliche  Gameten  schwarz 
tragen,  muß  die  Nachkommenschaft  ausschließlich  schwarz  sein;  das 


091      

gleiche  muß  bei  den  Kombinationen  6  und  n  der  Fall  sein,  da  sie  ja 
homozygot  sind,  mithin  rein  weiterzüchten.  Von  7/16  der  F2- Pflanzen 
muß  somit  bei  Selbstbefruchtung  rein  schwarze  Nachkommenschaft 
erhalten  werden.  In  der  Tat  ergaben  bei  isoliertem  Anbau  der  ein- 
zelnen F2- Pflanzen  auf  getrennten  Parzellen  17  von  43,  also  recht 
genau  7/i6'  rem  schwarze  Nachkommenschaft.  Weiter  ist  zu  erwarten, 
daß  sämtliche  Kombinationen,  in  denen  nur  ein  großer  Buchstabe 
vorkommt,  also  die  Rubriken  8,  12,  14,  15  des  Kombinationsschemas, 
in  F3  in  3  schwarze  :  1  weiße  spalten,  denn  sie  sind  ja  nur  in  einer  Eigen- 
schaft heterozygot,  müssen  also  eine  einfache  monohybride  Spaltung 
zeigen.  In  der  Tat  ergaben  11  von  den  43  Pflanzen,  mithin  genau  4/i6' 
diese  Spaltung,  nämlich  428  schwarz  :  120  weiß.  Sodann  ist  zu  er- 
warten, daß  alle  Kombinationen,  welche  die  4  Buchstaben  NMnm  ent- 
halten, also  4,  7,  10,  13,  im  Verhältnis  15  :  1  spalten,  denn  sie  haben 
ja  die  gleiche  zweifach  heterozygote  Zusammensetzung  wie  der  Ba- 
stard Fj_.  In  der  Tat  ergaben  11  der  43  Parzellen,  also  wieder  genau 
4/i6  diese  Spaltung,  nämlich  715  schwarz  :  39  weiß.  Endlich  müssen 
die  Nachkommen  der  weißen  F2-  Pflanzen  rein  weiterzüchten,  was  sie 
auch  auf  ihren  4  Parzellen  taten.  Die  Interpretation  des  Resultats 
erwies  sich  somit  als  richtig.  Und  das  gleiche  war  auch  in  anderen 
analogen  Fällen  beim  gleichen  Objekt  festzustellen,  vor  allen  Dingen 
bei  einer  Kreuzung  mit  rotkörnigem  Weizen,  dessen  Farbe  durch  3  selb- 
ständige Einheiten  bedingt  ist,  die  die  gleiche  Eigentümlichkeit  zeigen, 
so  daß  in  F2  unter  64  Individuen  sich  63  rote  :  I  weißen  finden. 
Hier  interessiert  uns  dies  Resultat  nur  wegen  des  abnormen  Zahlen- 
verhältnisses und  seiner  Erklärung;  wir  werden  später  weitere  bedeut- 
same Tatsachen  erfahren,  die  die  gleichen  Experimente  ergaben  und 
sehen,  welche  prinzipielle  und  weittragende  Bedeutung  ihnen  zukommt. 
Ein  weiterer  Fall  des  Auftretens  abnormer  Zahlenverhältnisse  läßt 
sich  zwar  auch  unter  gewissen  Suppositionen  verstehen;  diese  sind 
aber  nicht  einfach  mendelistischer  und  damit  leicht  kontrollierbarer 
Natur,  w7ie  in  Nilsson-Ehles  Fall.  Die  ganze  Erscheinung  war  bis 
vor  kurzem  noch  recht  rätselhaft,  scheint  aber  jetzt  wenigstens  im 
Prinzip  gelöst.  Wir  reden  von  dem,  was  man  mit  ihrem  Entdecker 
Bateson  als  Faktorenkoppelung  bezeichnet,  und  ferner  von   der 


—    222    — 

ursprünglich  für  eine  ganz  andersartige  Erscheinung  gehaltenen  Fak- 
torenabstoßung,  Erscheinungen,  die,  wie  man  jetzt  weiß,  im  engsten 
Zusammenhang  miteinander  stehen. 

Wir  haben  bereits  in  der  letzten  Vorlesung  die  interessante  Kreuzung 
zwischen  zwei  weiß  blühenden  Lathyrus  odoratus  kennen  gelernt, 
die  in  Fx  purpur  ergeben  und  in  F2  in  27  purpur  ;  9  rot  :  28  weiß  spal- 
teten, eine  Erscheinung,  die  durch  3  Merkmalspaare  ja  auf  das  ein- 
fachste geklärt  wurde,  Es  differierten  nun  die  betreffenden  Eltern- 
pflanzen noch  in  einem  Merkmalspaar:  die  eine  hatte  längliche,  die 
andere  runde  Pollenkörner.  Erstere  erwiesen  sich  als  dominant  und 
traten  in  Fx  auf,  in  F2  hatten  3/4  der  Pflanzen  lange,  y4  runde  Körner. 
Diese  verteilten  sich  aber  auf  die  drei  Gruppen  von  F2-  Pflanzen  in 
ganz  verschiedener  Weise.  Während  bei  den  weißen  Pflanzen  das 
Verhältnis  das  normale  war,  hatten  die  purpurnen  viel  zu  viele  lange 
Körner,  nämlich  12  :  1,  während  die  roten  Pflanzen  zu  viel  runden 
Pollen  besaßen,  nämlich  3,2  mal  so  viel  als  langen.  Wir  erinnern  uns 
nun,  daß  der  Unterschied  zwischen  purpurnen  und  roten  Blüten  durch 
die  Anwesenheit  des  Sättigungsfaktors  5  bzw.  seine  Abwesenheit  s 
hervorgerufen  war.  Da  sich  nun  zeigte,  daß  die  unregelmäßige  Ver- 
teilung der  Pollenkörner  nur  statt  hatte,  wenn  die  Pflanzen  in  diesem 
Faktor  S  heterozygot  waren,  so  muß  irgendeine  feste  Beziehung  zwischen 
diesem  und  dem  Pollenfaktor  bestehen.  Bateson  stellt  sie  sich  so  vor, 
daß  eine  „Koppelung"  besteht  zwischen  dem  Sättigungsfaktor  und 
der  langen  Pollenform,  also  den  beiden  Dominanten,  und  ebenso  zwi- 
schen Verdünnung  und  rundem  Pollen,  den  beiden  Rezessiven,  d.  h. 
bei  der  Gametenbildung  kommen  jene  beiden  Faktoren  besonders 
gern  zusammen.  Wenn  er  annimmt,  daß  sie  7 mal  sooft  sich  zusammen- 
paaren, als  normalerweise  geschehen  sollte,  werden  seine  wirklichen 
Zahlenresultate  erklärt,  In  den  Symbolen  ausgedrückt  bilden  die 
heterozygoten  Pflanzen  SsLl  (L  =  langer  Pollen)  nicht  die  Gameten 
1  SL  :  1  Sl  :  1  sL  :  1  sl,  sondern  die  Gameten  7  SL  :  1  Sl  :  1  sL  :  7  sl. 
In  einem  anderen  studierten  Fall  erklärten  die  Zahlen  15  :  1  :  1  :  15  das 
Resultat .  Natürlich  läßt  sich  auch  eine  vollständige  Koppelung  vorstellen, 
bei  der  dann  die  Gameten  Sl  und  sL  überhaupt  nicht  zur  Ausbildung 
kämen.   Wir  werden  gleich  weiteres  von  diesen  Zahlen  Verhältnissen  hören. 


—    223    — 

Es  könnte  nun  zunächst  scheinen,  daß  diese  Koppelung  nichts 
anderes  ist  als  eine  Korrelationserscheinung.  Wir  haben  früher  schon 
kurz  die  Tasacthe  der  festen  Korrelation  von  Eigenschaften,  wie  blaue 
Augen  und  Taubheit,  gestreift,  und  wenn  wir  ihr  Wesen  betrachten, 
so  kann  es  uns  nicht  wundern,  daß  feste  Korrelationen  auch  bei  der 
Bastardierung  eine  Rolle  spielen  müssen.  Wenn  die  Korrelation  der 
Eigenschaften  eine  so  feste  ist,  daß  eine  Trennung  in  keiner  Weise 
möglich  erscheint,  dann  ist  ihre  Betrachtung  für  die  Bastardierungs- 
lehre eine  sehr  einfache :  Die  Eigenschaften  verhalten  sich  dann  so, 
wie  wenn  sie  durch  ein  einziges  Gen  bedingt  wären.  Das  ist  etwa  der 
Fall  bei  Mendels  berühmten  Beispiel  der  gefärbten  Samenschale  und 
farbiger  Blüte  der  Erbsen,  bei  der  von  de  Vries  mitgeteilten  festen 
Verknüpfung  von  roter  Blattnervatur  mit  haariger  Beschaffenheit 
bei  seiner  Oenothera  rubrinervis,  der  festen  Verknüpfung  geschlitzter 
(laciniater)  Laubblätter  mit  ebensolchen  Blütenblättern  bei  Rubus, 
oder  bei  dem  am  Schluß  dieser  Vorlesung  zu  erwähnenden  Fall  des 
Gelbfaktors  F  der  Mäuse,  der  das  Pigment  in  den  Haarspitzen  ansammelt 
und  gleichzeitig  schwarze  Augen  bedingt,  oder  der  von  Bateson  stu- 
dierten festen  Korrelation  zwischen  Hühnerkämmen  und  den  Fleisch- 
lappen des  Kopfes.  (Unter  Umständen  läßt  sich  übrigens  eine  schein- 
bar feste  Korrelation  durch  Bastardierung  brechen.)  In  dem  obigen 
Fall  kam  aber  die  Korrelation  durch  ein  besonderes  Verhalten  der 
Faktoren  in  den  Gameten  des  Bastards  zustande,  die  als  Koppelung 
bezeichnet  wurde.  Es  gibt  nun  aber  auch  eine  Erscheinung,  die  gerade 
das  Gegenteil  der  Koppelung  darstellt,  was  wieder  Bateson  als  fal- 
schen Allelomorphismus  bezeichnet  hat,  kürzer  auch  Faktoren- 
abstoßung  benannt.  Man  nennt  so  die  Erscheinung,  daß  sich  zwei 
selbständige  Dominanten  bei  der  Spaltung  so  verhalten  als  ob  sie  ein 
Merkmalspaar  wären.  Wenn  im  Bastard  die  Dominanten  A,  B,  neben 
ihren  Rezessiven  a,  b  vorhanden  sind,  so  verhält  sich  A  zu  B  wie  das 
dominante  zu  dem  rezessiven  Merkmal,  d.  h,  sie  werden  bei  der  Gameten- 
bildung  stets  voneinander  getrennt.  Anders  ausgedrückt  besteht  die 
Faktorenabstoßung  darin,  daß  zwischen  zwei  Dominanten  bei  der  Ga- 
metenbildung  eine  Repulsion  stattfindet,  also  das  Gegenteil  einer  Kop- 
pelung, so  daß  sie  nie  gleichzeitig  in  eine  Gamete  gelangen,  falls  die 


—    224    — 


Repulsion  eine  vollständige  ist,  bzw.  zu  wenig  solche  Gameten  gebildet 
werden,  falls  sie  eine  unvollständige  ist.  Die  Kreuzung,  bei  der  Bateson, 
Miß  Saunders  und   Punnett    dies  Verhalten  zuerst  fanden,  wurde 


—  mPUftFUR  — 


Fig.  84. 
Die    in  Fo  auftretenden    5  Blutenformen    (der    Charakter  der  Ein-   und   Zweifarbigkeit 
bleibt   unberücksichtigt)    bei  Kreuzung   weißer   umgekrempelter   mit  weißen  aufrechten 

Lathyrus  odoratus.     Nach  Bateson. 

wieder  an  den  gleichen  Lathyrus  odoratus  angestellt,  bei  denen 
nach  Kreuzung  zweier  weißer  Rassen  in  Fx  purpur  entstand  und  in 
F2  Spaltung  in  27  purpur  :  9  rot  :  28  weiß.  Es  wurde  nunmehr  ein  wei- 
teres Merkmal  berücksichtigt,  nämlich  der  umgekrempelte  Charakter 
der  Blütenfahne,  den  der  eine  weiße  Elter  zeigte.     F1  war  dann  purpur 


OOK 

iiiiO       — 

und  hatte  normale  Fahne.  (Es  kann  dabei  hier  außer  Betracht  gelassen 
werden,  daß  bei  normaler  Fahne  diese  einen  anderen  Farbton  hat  als 
die  übrige  Blume,  während  die  Blüte  mit  umgekrempelter  Fahne  ein- 
farbig ist.)  In  F2  mußten  nun  die  drei  entstehenden  Farbtypen  ja 
eigentlich  mit  normaler  und  umgekrempelter  Fahne  erscheinen.  Für 
die  purpurnen  und  weißen  trifft  das  in  der  Tat  zu.  So  waren  unter 
315  purpurnen  F2-Pflanzen  232  normal  und  83  umgekrempelt,  also 
das  erwartete  Verhältnis  2:1.  Die  roten  aber  hatten  alle  ausnahmslos 
normale  Fahnen.  (Nebenstehende  Skizze  zeigt  das  Verhalten  für  die 
roten  und  purpurnen  F2-Blüten,  für  die  weißen  trifft  das  gleiche  zu, 
Fig.  84.)  Die  Erklärung  dafür  ergibt  sich  unter  der  Annahme  der 
Faktorenabstoßung  zwischen  dem  Sättigungsfaktor  S,  der  rot  zu  purpur 
macht  und  dem  Faktor  E  (erectus),  der  die  normale  aufrechte  Fahne 
bedingt.  Die  Gameten  können  danach  nur  einen  oder  den  anderen 
der  beiden  Faktoren  tragen.  Rote  Blüten  entstehen  aber,  wie  wir  schon 
wissen,  wenn  die  Gameten  nur  s  enthielten.  Ist  eine  vollständige  Re- 
pulsion zwischen  5  und  E  vorhanden,  so  haben  diese  Gameten  somit 
stets  E.  Es  ist  nun  keine  Kombination  eines  solchen  Gameten,  der 
also  RCsE  heißt,  mit  einem  anderen  möglich,  der,  wenn  rot  entsteht, 
umgekrempelte  Fahne  ergäbe,  da  ja  das  E  immer  über  e,  das  Symbol  für 
Umkrempelung,  dominiert.  Es  müssen  somit  die  9/64  rote  Blüten 
normale  aufrechte  Fahnen  haben.  Für  purpur  aber  sowohl  wie  weiß 
sind  beide  Kombinationen  möglich.  Es  ergibt  z.  B.  RC  Se  x  rcsE 
purpurn-aufrecht,  aber  RC  Se  x  RC  Se  purpurn-umgekrempelt.  Der 
Charakter  Ee  wird  also  in  F2  im  Verhältnis  von  3  :  1  gespalten,  aber 
nur  innerhalb  der  purpurnen  und  weißen  Pflanzen  tritt  die  Spaltung 
ein,  bei  ersteren  im  Verhältnis  2  :  1,  letzteren  3  :  1,  wie  sich  aus  einem 
Kombinationsschema  ableiten  läßt.  Das  wirkliche  Resultat  stimmt 
in  der  Tat  genau  mit  solcher  Erklärung: 

Purpur  aufrecht    :    Purpur  umgekrempelt    :    Rot  aufrecht    :    Weiß  (beides)1: 
232 : 83  112  346 

315  :  112  :  346 

„ ' 

427  :  346 


1  Bei    den    weißen    sind   nicht    alle  Zahlen    für    aufrechte    und  umgekrempelte  ge- 
trennt gezählt. 

Goldschm  i  dt ,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl.  *5 


—    226    — 

Das  entspricht   ziemlich   genau  folgenden   theoretischen  Erwartungen: 


7f = 36 

108 

27 


36 
36 


36 

9 


84  :  21 

1 12 

28 

28 

7 


Die  letzte  Zeit  hat  nun  gerade  in  diese  Erscheinung  durch  die  Unter- 
suchungen von  Emerson,  Bateson  und  Punnett,  Gregory,  Baur 
etwas  Licht  gebracht.  Es  steht  sicher  fest,  daß  Koppelung  und  Ab- 
stoßung zusammengehörige  Erscheinungen  sind  und  zwar  hängt  ihr 
Auftreten,  da  wo  sie  statthat,  von  der  Faktorenzusammensetzung  der 
Elternpflanzen  ab:  Es  werden  diejenigen  Gametenkombinationen,  die 
der  Zusammensetzung  der  Eltern  gleichen,  häufiger  gebildet.  Wird 
AB  mit  ab  gekreuzt,  so  tritt  bei  der  Gametenbildung  des  Fi-Bastards 
die  Koppelung  ein,  d.  h.  es  werden  die  4  Gametensorten  AB  :  Ab  : 
aB  :  ab  nicht  im  normalen  Verhältnis  von  1:1:1:1  gebildet,  sondern 
im  Verhältnis  n  :  I  :  I  :  n,  wobei  n^>  1  ist.  Wird  umgekehrt  Ab  x  aB 
gekreuzt,  so  tritt  die  „Abstoßung"  zwischen  A  und  B  auf,  es  werden 
wieder  vorzugsweise  die  elterlichen  Kombinationen  gebildet,  also  jetzt 
AB  :  Ab  :  aB  :  ab  im  Verhältnis  I  :  n  :  n  :  1.  Diese  Erkenntnis  —  sie 
ist  an  Kreuzungen  von  Mais,  Spanischen  Wicken,  Primeln,  Löwen- 
maul, also  nur  Pflanzen  gewonnen  —  bedeutet  in  der  Tat  eine  große 
Vereinfachung  des  Ganzen.  Trotzdem  sind  immer  noch  allerlei  zweifel- 
hafte Punkte  vorhanden.  Was  zunächst  die  Zahl  n  betrifft,  so  glauben 
Bateson  und  Punnett,  daß  sie  immer  auf  der  Reihe  3,  7,  15,  31,  63 
also  2n — 1  liege.  Ihre  Versuche  geben  in  der  Tat  Anhaltepunkte  dafür, 
Baur  findet  aber  auch  andere  Zahlen  wie  6  und  4.  Sodann  erhebt 
sich  die  Frage,  ob  bei  Kreuzungen,  die  in  einer  Richtung  Koppelung 
ergeben,  in  der  anderen  Richtung  nun  auch  Abstoßung  erfolgen  muß. 
Das  kann  in  der  Tat  der  Fall  sein,  aber  es  muß  es  nicht,  wie  Baur  zeigte. 
Sodann  fragt  sich  ob  die  Zahl  n  für  einen  bestimmten  Versuch  kon- 
stant ist.  Das  scheint  nicht  der  Fall  zu  sein,  vielmehr  wechselt  bei 
Wiederholung  des  gleichen  Versuchs  der  Wert  dieser  Zahl.  Endlich 
fragt  es  sich,  ob  die  beiden  n  bei  4  Kombinationen  immer  gleich  sind. 
Auch  da  zeigt  sich,  daß  sie  es  können,  aber  nicht  müssen.     Alle  diese 


997      

Umstände  lassen  eine  einfache  Erklärung  der  Erscheinung  nicht  leicht 
erscheinen.  Bateson  und  Punnett  haben  eine  Vorstellung  entwickelt, 
nach  der  die  Anlagenspaltung  schon  in  der  Embryonalentwicklung 
des  Bastards  stattfinden  muß  und  dann  durch  bestimmte  Systeme 
aufeinander  folgender  Zellteilungen  die  erwähnten  Zahlenverhältnisse 
zustande  kommen,  die  sie  als  „reduplication  series"  bezeichnen.  Wir 
werden  später  sehen,  daß  sich  aus  gewissen  verwandten  Erscheinungen 
bei  der  Geschlechtsvererbung,  die  Morgan  analysierte,  eine  einfache 
und  allen  Tatsachen  gerecht  werdende  Erklärung  ableiten  läßt,  die 
die  Ursache  der  ganzen  Erscheinung  in  die  Chromosomen  verlegt.  In 
der  folgenden  Tabelle  seien  nur  noch  im  Anschluß  an  Bateson  und  Pun  - 
nett  die  Zahlenverhältnisse  zusammengestellt,  die  sich  für  die  Gameten 
und  für  die  F2-Spaltung  ergeben,  wenn  n  auf  der  Reihe  2" — 1  liegt: 


Fi  bildet  Gameten 
in  den  Verhältnissen: 


AB 


Ab 

3 
7 

15 
3i 


aB 

3 
7 

i5 
3i 


1.  Abstoßung. 

Eltern  AbXaB. 


ab 
1 
1 
1 
1 
1 


Die    vier  Phänotypen   in  Ft.  zeigen   an 
Stelle   von    9:3:3:1   das  Verhältnis: 


AB 

33 
129 

513 

2049 
2 n  2  -j-  1 


Ab 

15 

63 

255 
1023 

,2  — 


aB 

15 

63 

255 
1023 

11-    —    l 


ab 
1 
1 
1 
1 
1 


Fi  bildet  Gameten 
in  den  Verhältnissen: 


AB 

3 

7 
15 

3i 

[n—D 


Ab 

1 
1 
1 
1 

1 


aB 
1 

I 
1 
1 
1 


2.  Koppelung. 

Eltern  AB  X  ab. 


ab 

3 
7 

15 
3i 

[n—  1) 


Uie    vier  Phänotypen    in  F2  zeigen    an 
Stelle  von   9:3:3:  i   das  Verhältnis: 


AB 

4i 
177 

737 
3009 

lifi—yiu- 


Ab 
7 
15 


63 


aB 
7 

15 
^1 


ab 
9 

49 
225 
961 


211  ■ 


in  —  I    ii-— (27!  —  I 


Nur  kurz  sei  zum  Schluß  noch  angedeutet,  daß  durch  die  Annahme 
einer  Koppelung  noch  manche  merkwürdige  Fälle  zu  klären  sind,  vor 
allen  Dingen  solche,  wo  eine  Spaltung  3  :  1  eintritt,  anstatt  einer  er- 
warteten in   9:3:3:1.    Dann  können  Spaltungsverhältnisse  zustande 

15* 


—    228    — 

kommen,  wie  sie  Correns  für  Silene  Almeria  und  Baur  für  Aquilegia 
beschrieben  haben,  die  vielleicht  einmal  später  noch  auf  manche  unklare 
Dinge  Licht  werfen  werden. 

Wir  haben  zum  Schluß  der  vorigen  Vorlesung  bereits  betont,  daß 
die  Analyse  der  Erbeinheiten  dazu  führen  muß,  für  jede  Organismen- 
art ihren  gesamten  erblichen  Schatz  an  trennbaren  Eigenschaften, 
ihre  Erbformeln,  zu  ermitteln  und  dabei  auch  auf  die  Relativität  einer 
solchen  Analyse  hingewiesen,  da  nur  solche  Faktoren  als  anwesend 
erkannt  werden  können,  die  heterozygot  erhalten  werden  können,  die 
also  wenigstens  bei  einem  Individuum  einmal  fehlen.  Am  Schluß 
unseres  gedrängten  Überblicks  über  die  wichtigsten  Spaltungserschei- 
nungen angelangt,  wollen  wir  uns  nun  an  zwei  Beispielen  noch  den 
Gesamterfolg  einer  solchen  Bastardanalyse  vorführen.  Am  weitesten 
ist  man  in  dieser  Beziehung  natürlich  bisher  bei  solchen  Organismen 
gekommen,  die  aus  irgendeinem  Grund  ein  besonders  beliebtes  Ver- 
suchsmaterial darstellen,  wie  im  Tierreich  Mäuse,  Ratten,  Meerschwein- 
chen, Kaninchen,  Hühner  und  im  Pflanzenreich  Erbsen,  Bohnen,  Ge- 
treide, Löwenmaul.  Es  ist  klar,  daß  die  durch  solche  Analyse  aufge- 
stellten Erbformeln  allerdings  immer  etwas  Relatives  an  sich  haben, 
indem  weitere  Forschung  imstande  ist,  scheinbar  einheitliche  Eigen- 
schaften wieder  zu  zerlegen.  Aus  dem,  was  wir  bereits  über  die  Farb- 
rassen der  Mäuse  erfahren  haben,  geht  das  recht  deutlich  hervor.  Erst 
stand  die  Farbe  als  Einheit  dem  Albinismus  gegenüber.  Dann  löste 
sich  erstere  in  eine  Reihe  von  sich  verdeckenden  Farben  auf,  diese 
wieder  erwiesen  sich  als  durch  den  Sättigungsfaktor  beeinilußbar  und 
durch  zwei  getrennte  Faktoren  bedingt,  endlich  zeigten  sich  die  Albinos 
als  unmerkliche  Träger  aller  möglichen  Farbeigenschaften.  Und  dabei 
sind  uns  durchaus  noch  nicht  alle  Möglichkeiten  begegnet.  Augen- 
blicklich ist  der  Stand  der  Analyse  der  Farbe  der  Mäuserassen  —  ein 
Stand,  der  sich  aber  mit  jeder  neuen  Untersuchung  weiter  kompliziert 
und  das  diene  uns  als  Beispiel  einer  weitgehenden  Erbanalyse  —  der, 
daß  mindestens  n  Paare  von  Allelomorphen  isoliert  sind,  deren  ver- 
schiedenartige Kombination  2048  reinzüchtende  Rassen  ergeben  könnte. 
Von  diesen  Allelomorphen  sind  uns  4  Paare  schon  begegnet,  nämlich 
der  Graufaktor  G  (richtiger  der  Faktor  für  die  Anordnung  der  Haar- 


—    229    — 

pigmente  in  Ringeln),  der  Schwarzfaktor  JV,  der  Sättigungsfaktor  S 
und  das  Farbenkomplement  C.  Dazu  kommt  nun  noch  ein  Braun- 
faktor B  (brunus),  bei  dessen  Fehlen  allen  Farben  etwas  gelb  beige- 
mischt erscheint,  also  gelbwildfarbig  statt  wildfarben,  schildpattfarben 
statt  schwarz,  orange  statt  schokoladefarbig.  Sodann  ein  Faktor,  der  ähn- 
lich wie  der  Sättigungsfaktor  nötig  ist,  damit  die  Farben  voll  erscheinen, 
bei  dessen  Fehlen  die  Farben  abgeschwächt  werden,  nämlich  schwarz 
zu  „lilac",  Schokolade  zu  champagnerfarbig,  und  gleichzeitig  die  Augen 
rot  werden,  der  Faktor  R  (ruber).  Sodann  ein  Faktor  gleicher  Natur, 
der  Faktor  F  (fulgens),  bei  dessen  Fehlen  die  Farben  matt  erscheinen. 
Endlich  der  merkwürdige  Gelbfaktor  L  (luteus),  der  wie  wir  später 
erfahren  werden,  nur  heterozygot  existenzfähig  ist.  Dazu  kommen  nun 
noch  die  Faktoren  für  die  Flächenverteilung  der  Farben,  T  (totaliter), 
bei  dessen  Fehlen  anstatt  Ganzfarbigkeit  rezessive  Scheckung  auftritt, 
M  (maculatus)  ein  dominanter  Scheckungsfaktor  und  A  (argentus), 
ein  Faktor,  dessen  Fehlen  weiße  Haare  zwischen  den  gefärbten  stehen 
läßt  und  so  silberige  Töne  hervorruft.  Wenn  wir  von  dem  Gelbfaktor  L 
und  dem  dominanten  Scheckungsfaktor  M  absehen,  deren  Verhältnis 
zu  den  anderen  Faktoren  noch  nicht  ganz  klar  ist,  so  sind  zunächst 
folgende  Sorten  von  Farbverteilung  möglich,  von  denen  jede  einzelne 
in  sämtlichen  Farbtönen  wieder  vorkommen  kann: 


.        \  A     Ganzfarbi 
I  a     Ganzfarbi; 

c{     :  .        ,      ' 


gsilbern 


|  A     gescheckt 

\  a 

gleichen  vier 


geschecktsilbern 
Albinos  mit  den 


Typen  latent. 


Jeder  von  diesen  8  Typen  kann  dann  nach  Anwesenheit  oder  Fehlen 
von  R  schwarzäugig  oder  rotäugig  sein,  wobei  auch  noch  die  Farbe 
beeinflußt  wird,  was  wir  unberücksichtigt  lassen  wollen.  Bei  jedem 
einzelnen  dieser  Typen  können  nun  die  sämtlichen  folgenden  Farben- 
kombinationen vertreten  sein: 


—    230    — 


(N 


{N 


Z< 


B 


lB 


<*    \F wildfarbig  (agouti) 

\f mattagouti 


B 


U 


B 


F verdünnt  (blau)   agouti 

f mattblauagouti 


\'r 


c   \F gelbwildfarbig 

\f mattgelbwildfarbig 

\F verdünntgelbwildfarbig 

\f mattverdünntgelbwildfarbig 

\F zimtfarbig 

\f mattzimtfarbig 

jF verdünntzimtfarbig 

\f verdünntmattzimtfarbig 

\F hellorange 

1/ matthellorange 

\F creme 

\f mattcreme 

\F schwarz 

\f mattschwarz 

\F blau 

\f mattblau 

\F schildj>attfarbig 

\f mattschildpatt 

jF Verdünntschildpatt 

\f verdünntmattschildpatt 

\F  .     .    .    .     .  Schokolade 

\f mattschokolade 

IF silberfalb 

1/ mattsilb  erfalb 

c   [F orange 

\f mattorange 

iF verdünntorange 

I  / verdünntmattorange 


S 


'S 


IS 


S 


S 


Das  ergibt  also  16  .  32  oder  29  Typen,  wenn  die  beiden  vorher  ge- 
nannten Faktoren  weggelassen  werden.  Natürlich  lassen  sich  die  aufge- 
zählten Farbtypen  nicht  alle  ohne  weiteres  unterscheiden;  bei  manchen 
geht  es  leicht,  bei  anderen  gehört  lange  Übung  dazu,  bei  wieder  anderen 
ist  die  Unterscheidung  nur  durch  das  Resultat  weiterer  Kreuzung  möglich. 
Es  steht  aber  fest,  daß  die  zahllosen  Kreuzungen,  die  von  Castle, 
Darbishire,  Guaita,  Haacke,  Morgan,  Cuenot,  Miß  Durham, 
Plate,  Hagedoorn  ausgeführt  sind,  stets  das  erwartete  Resultat 
gaben.  Als  Beweis  diene  die  folgende  Tabelle,  die  nach  den  Versuchen 
Hagedoorns  zusammengestellt  ist  und  für  jeden  Faktor  nur  die  Kreu- 


—    231 


zung  zwischen  rezessiven  Homo-  und  Heterozygoten  ( Xx  x  xx)  enthält, 
die  also  Spaltung  im  Verhältnis  i  :  i  ergeben  muß : 

Homo -heterozygoten -Rückkreuzung    bei    Betrachtung    nur    eines 
Faktors  (in  Klammer  Hagedoorns  Bezeichnung1). 


Faktor: 

Spaltung  in: 

Zahl: 

C      .1, 

gefärbte  :  Albino 

34°: 364 

B     [B] 

nicht  gelblich  :   gelblich 

1 16  :  107 

N     [Q 

Xu      :     im 

29S : 281 

S     (D) 

vollgefärbt  :   verdünnt 

172: 194 

R     (E) 

schwarzäugig  :   rotäugig 

133  *•  154 

A     [F) 

ganzfarbig  :   silbern 

18  :    13 

G    (G) 

Gg     •■     gg 

212  :  197 

b    (//; 

vollgefärbt  :  matt 

5i:    5S 

T      I. 

ganzfarbig  :  gescheckt 

116:  131 

-1    erhalten 

1456   : 1499 

2'  erwartet 

1477.5:  1477-5 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  daß  es  der  genaueren  Analyse  all- 
mählich gelingen  wird,  die  mendelnden  Erbeinheiten  so  festzustellen, 
daß  eine  Tier-  und  Pflanzenrasse  ähnlich  wie  ein  chemischer  Körper 
durch  eine  Formel  ausgedrückt  werden  kann,  ja  man  hat  sogar  bereits 
die  Schreibweise  chemischer  Formeln  einzuführen  versucht  (Castle). 
Das  Mäusebeispiel  —  und  es  sind  die  meisten  dieser  Faktoren  und  noch 
einige  andere  auch  für  Kaninchen,  Meerschweinchen,  Ratten  festge- 
stellt —  zeigte  uns  einen  Anfang  in  dieser  Richtung,  dem  wir  zum  Schluß 
noch  den  Fall  aus  dem  Pflanzenreich  gegenüberstellen  wollen,  der  als 
der  bestanalysierte  aller  Mendelfälle  gelten  darf,  die  Erblichkeitsver- 
hältnisse der  Gartenvarietäten  des  Löwenmauls,  Antirrhinum 
majus.  Diese  den  Gärtnern  in  Hunderten  von  Varietäten  bekannte 
Form  wurde  von  Miß  Wheldale  und  Baur  einer  bewundernswerten 
Analyse  unterzogen,  die  Baur  bereits  mit  über  20  selbständig  men- 
delnden  Merkmalen   bekannt   machte,   über   deren   13   schon   genauere 


1)  Die  verschiedenen  Autoren  benutzen  für  die  gleichen  Faktoren  verschiedenartige 
Symbole;  wir  haben  hier  stets  die  Anfangsbuchstaben  der  lateinischen  Worte  ge- 
nommen, die  die  Wirkung  der  betreffenden  Faktoren  charakterisieren;  Ffagedoorn  be- 
nutzt wie  Baur  die  Anfangsbuchstaben  des  Alphabets. 


—    232    — 

Mitteilungen  vorliegen.  Die  Erbformel  jeder  Pflanze  würde  also  in 
bezug  auf  diese  bekannten  Faktoren  mindestens  13  Buchstaben  ent- 
halten, bzw.  wenn  homozygote  Charaktere  auch  doppelt  geschrieben 
werden,  stets  26  Buchstaben.  Diese  13  Faktoren  A — R  sind  im  wesent- 
lichen der  gleichen  Natur,  wie  wir  sie  bereits  bei  anderen  Objekten  ken- 
nen gelernt  haben.  Da  ist  ein  Faktor,  der  dem  Komplement  unserer 
früheren  Beispiele  gleicht,  dessen  Anwesenheit  die  Färbung  ermöglicht, 
dessen  Abwesenheit  stets  weiße  Blüten  bewirkt.  Da  ist  ein  Faktor, 
der  dem  Scheckungsfaktor  entspricht,  nur  daß  die  Ganzfarbigkeit 
dominant,  Scheckung  rezessiv  ist.  (Bei  Mäusen  gibt  es,  wie  wir  er- 
wähnten, ja  sowohl  dominante  wie  rezessive  Scheckung.)  Die  „Schek- 
kung"  besteht  hier  darin,  daß  die  Blütenröhre  bei  sonst  bunter  Blüte 
elfenbeinfarbig  ist  (Delilaform).  Da  sind  Faktoren,  die  vorhandene 
Farben  verändern,  zu  vergleichen  dem  Sättigungsfaktor  der  Mäuse, 
verschiedenartige  Farbfaktoren,  deren  jeweilige  Kombination  be- 
stimmte Farben  ergibt,  Faktoren  für  besondere  Blütenform,  solche 
für  grüne,  gelbe  oder  blasse  Blattfarbe,  kurzum  eine  Menge  Erbein- 
heiten, deren  Zusammenspiel  uns  ohne  weiteres  verständlich  sein  muß, 
wenn  wir  alles  bisher  Besprochene  kennen.  Bei  den  wirklichen  Kreu- 
zungen wurden  denn  auch  stets  die  Erwartungen  erfüllt.  Um  dies 
nur  an  einem  wirklichen  Zahlenbeispiel  zu  demonstrieren,  so  wurde 
einmal  eine  Pflanze  mit  elfenbeinfarbiger  normaler  Blüte  mit  einer 
roten1  pelorischen  gekreuzt.  Fj^  war  rot  normal.  In  F2  trat  die  er- 
wartete Spaltung  im  Verhältnis  von  9:3:3:1  ein  in 

rot  normal  133 

rot  pelorisch  43 

elfenbein  normal  45 

elfenbein  pelorisch  13. 

Die  Eltern  waren  also  in  2  Eigenschaften  verschieden,  ihre  Erb- 
formeln waren: 

ABCDEFghlMNPR    x   ABcDeFghlMNPR, 

wobei  C  der  Elfenbeinfaktor  ist,  E  der  für  normale  Blüten.     Alle  an- 
deren sind  in  beiden  Pflanzen  identisch,  darunter  ist  das  unumgängliche 


1  Das  Rot  war  das  vonBaur  rot  auf  elfenbein  genannte. 


—    233    — 

Farbkomplement  B  und  der  Faktor  für  Ganzfarbigkeit  D;  die  nur 
rezessiven  Faktoren  g  und  /  sind  solche,  die  die  Färbung  verändern 
würden  usw. 

Es  ist  klar,  daß  auf  diesem  Wege  die  Erblichkeitsanalyse  sehr  weit 
getrieben  werden  kann:  Baur  glaubt  mit  einigen  20  Faktoren  die  ganze 
Formenmannigfaltigkeit  des  Antirrhinum  majus  erklären  zu  können: 
es  sind  ja  auch  mit  20  Faktoren  über  eine  Million  (220)  konstante  Kom- 
binationen möglich,  wobei  ein  eventueller  Unterschied  zwischen  Homo- 
und  Heterozygoten  noch  gar  nicht  berücksichtigt  ist.  Damit  ist  aber, 
wie  er  weiterhin  ausführt,  über  die  wirkliche  Zahl  der  Einheiten  nichts 
ausgesagt.  Denn  es  können  ja  nur  solche  Einheiten  festgestellt  werden, 
die  als  Heterozygote  erhalten  werden  können  und  somit  spalten.  Man 
wird  also  nach  anderen  Wegen  suchen  müssen,  auch  solche  Einheiten 
zu  isolieren,  die  nur  homozygot  sich  zeigen  können.  Dann  aber  kommt 
die  wichtige  Frage:  Wie  haben  die  verschiedenen  Rassen  ihre  typischen 
Erbformeln  erlangt,  wie  ist  der  Zusammenhang  mit  der  Stammart, 
welches  Licht  wirft  die  Analyse  der  Erbfaktoren  auf  die  zentrale  Frage 
der  Artbildung?  Die  Antwort  auf  solche  Fragen  steht  bis  jetzt  noch 
aus,  oder  ist  wenigstens  erst  in  den  bescheidensten  Anfängen  gegeben. 


Zwölfte  Vorlesung. 

Die   Reinheit    der  Gameten.      Konstante    Bastardformen   und    die 
Möglichkeit  ihres  Nachweises.  Mendelsche  Interpretation  scheinbar 
konstanter  Bastarde.     Polymerie.     Das  Spalten   quantitativ- 
fluktuierender Eigenschaften. 

Wir  haben  nunmehr  die  wichtigsten  Formen  Mendelscher  Spaltung 
kennen  gelernt  und  müssen  angesichts  des  überwältigenden  Tatsachen- 
materials, aus  dem  wir  uns  ja  nur  eine  bescheidene  Auswahl  vorführen 
konnten,  sagen,  daß  die  Mendelschen  Erwartungen  in  ganz  staunen- 
erregender Weise  mit  den  wirklichen  Resultaten  übereinstimmen.  Es 
soll  damit  allerdings  nicht  gesagt  sein,  daß  es  nicht  auch  Fälle  gibt, 
die  gewisse  Abweichungen  zeigen.  Vor  allem  ist  häufig  beobachtet,  daß 
die  eine  oder  andere  Kombination  häufiger  oder  seltener  als  erwartet 


—    234     — 

eintritt.  So  findet  Bateson  bei  seinen  Rosenkamm-Erbsenkamm- 
kreuzungen  in  F2  manchmal  zu  wenig  Walnußkämme.  Darin  ist  aber 
in  keiner  Weise  eine  Durchbrechung  der  Regel  zu  sehen.  Die  Erwartung 
kommt  ja  immer  unter  der  Voraussetzung  zustande,  daß  alle  Gameten- 
kombinationen  sich  in  gleicher  Zahl  bilden.  Die  Gametenbildung  ist 
aber  ein  Prozeß,  der  ebensogut  einer  natürlichen  Fluktuation  unter- 
worfen ist,  wie  irgendein  anderer  Vorgang.  Es  ist  ja  auch  eine  sehr 
häufige  Erscheinung,  daß  in  den  Geschlechtsdrüsen  Zellen  in  Mengen 
zugrunde  gehen.  Der  Zufall,  der  gerade  die  Zellen  eines  bestimmten 
Typus  in  größerer  Zahl  degenerieren  läßt,  kann  natürlich  auf  solche 
Weise  eine  bedeutende  Verschiebung  Mendelscher  Proportionen  be- 
wirken. Es  ist  daher  auf  sie  kein  großer  Wert  zu  legen,  wenn  es  sich  um 
kleine  Zahlen  und  nicht  typische  Differenzen  handelt. 

Mit  dem  Studium  der  Spaltung  haben  wir  dann  auch  die  dritte  Vor- 
aussetzung der  Mendelschen  Erklärung,  die  Reinheit  der  Gameten, 
als  zu  Recht  bestehend  erwiesen.  Denn  es  ist  uns  kein  Fall  begegnet, 
der  nach  einer  anderen  Richtung  hindeutete.  Im  Anfang  des  mende- 
listischen  Studiums  glaubte  man  mehrmals  solche  Fälle  aufgedeckt  zu 
haben,  in  denen  die  reinen  Rezessive  später  doch  noch  den  dominanten 
Charakter  abspalteten,  sich  also  als  nicht  rein  erwiesen.  Die  betreffenden 
Fälle  haben  sich  aber  dann  auf  das  einfachste  aufgeklärt,  als  man  die 
Bedingtheit  einer  Eigenschaft  durch  mehrere  Faktoren  keimen  lernte. 
Heute  kann  man  wohl  sagen,  daß  ein  sicherer  Fall  von  Gametenunrein- 
heit  kaum  existiert.  Am  bemerkenswertesten  und  noch  am  wenigsten 
geklärt  ist  vielleicht  das  Verhalten  der  Rezessiven  bei  Hackers  Axolotl- 
kreuzungen.  Werden  rein  schwarze  mit  rein  weißen  Axolotln  gekreuzt, 
so  ist  Fx  schwarz  und  F2  spaltet  typisch  in  3  schwarze  :  1  weiß.  In  einer 
wirklichen  Zucht  waren  es  573  :  191  Individuen.  Die  weißen  in  F2,  die 
nach  dem  Mendelschen  Schema  also  homozygote  reine  Rezessive  sein 
müssen,  nehmen  aber  als  erwachsene  Tiere  teils  eine  leichte  Pigmen- 
tierung an,  teils  wurden  sie  stark  schwarz  gescheckt  in  metamerer  An- 
ordnung (Fig.  85).  Sie  zeigten  also  einen  Teil  des  Schwarzcharakters, 
der  ihnen  fehlen  sollte.  Wurden  sie  aber  mit  rein  weißen  gepaart  oder 
mit  schwarzen  Heterozygoten  rückgekreuzt,  so  verhielten  sie  sich  genau 
wie  reine  Rezessive.     Die  weiteren  Zuchten  mit  diesen  Tieren  haben 


—    235    — 

immer  noch  keine  bindende  Erklärung  gebracht,  aber  die  Annahme  der 
Gametenunreinheit  ist  noch  weniger  wahrscheinlich  geworden,  da  es 
sich  zeigte,  daß  die  Albinos  gar  keine  solchen  sind,  sondern  akromela- 
nistische  Formen,  d.  h.  albinoartige  mit  Pigmentansammlungen  an  den 
Körperenden.  Die  Schecken  brauchten  also  bloß  extreme  Plusabweicher 
dieses  Typus  zu  sein  und  da  es  eine  merkwürdige  Tatsache  ist,  daß  in 


Fig.  85.      Metamerscheck  vom  Axolotl  nach  Hacker. 


manchen  Tiergruppen  melanistische  Individuen  besonders  kräftig  sind, 
so  wäre  auch  ihr  relativ  häufiges  Auftreten  bei  den  sehr  kleinen  Zahlen 
verständlich. 

Es  sei  an  dieser  Stelle  nur  kurz  erwähnt,  daß  man  geglaubt  hat, 
die  Annahme  der  Gametenreinheit  überhaupt  entbehren  zu  können. 
Es  ist  ja  nicht  zu  leugnen,  daß  die  Vorstellung  der  Segregation,  der 
Anlagenspaltung,  in  manchen  Punkten,  besonders  von  physiologischem 
Gesichtswinkel    aus    betrachtet,    schematischer    gedacht    erscheint,    als 


—    236    — 

latürliche  Vorgänge  verlaufen  dürften.  Man  hat  deshalb  eine  Inter- 
pretation der  Spaltungsphänomene  durchzuführen  versucht,  bei  der 
alle  Gameten  alle  Anlagen  erhalten  und  nur  abwechselnd  von  jedem 
Merkmalspaar  der  eine  oder  andere  Partner  dominiert  (Morgan).  Man 
kann  allerdings  nicht  behaupten,  daß  eine  solche  Annahme  der  Vor- 
stellung weniger  Schwierigkeiten  bereitet,  und  vor  allem  ist  sie  ja  solange 
überflüssig,  als  die  Vorstellung  der  Segregation  die  Tatsachen  vollständig 
erklärt.  Erst  der  wirkliche  Nachweis  einer  Gametenunreinheit  könnte 
solche  Hilfshypothesen  wünschenswert  erscheinen  lassen,  und  er  ist, 
wie  gesagt,  noch  nie  erbracht  worden. 

Die  Mendelschen  Gesetze  dürften  also  wohl  imstande  sein,  die 
Anforderungen  zu  erfüllen,  die  an  ein  Naturgesetz  gestellt  werden  können. 
Wir  haben  bisher  nun  gar  keine  Rücksicht  darauf  genommen,  wie  die 
Bastardeltern  sich  in  ihren  systematischen  Beziehungen  verhielten,  ob 
sie  sich  sehr  nahe  standen  oder  mehr  oder  minder  weit  voneinander 
entfernten.  Nach  der  Anschauung  der  führenden  Mendelianer  muß 
das  nun  gänzlich  gleichgültig  sein :  es  gibt  nur  eine  Vererbung  und  das 
ist  die  Mendelsche.  Betrachten  wir  nun  die  Fälle,  an  denen  wir  bisher 
die  Mendelschen  Regeln  illustrierten,  so  fällt  auf,  daß  stets  Angehörige 
der  gleichen  Art,  nur  verschiedener  Rasse,  Varietät,  Elementarart 
bastardiert  wurden.  Und  es  drängt  sich  die  Frage  auf,  ob  dann  Art- 
oder gar  Gattungsbastarde  sich  ebenso  verhalten  oder  ob  es  nicht  viel- 
leicht auch  einen  anderen  Typus  der  Vererbung  gibt.  Und  da  ist  es  in 
der  Tat  eine  weit  verbreitete  Anschauung,  daß  Artbastarde  nicht  men- 
deln.  Das  Charakteristische  für  die  Mendelsche  Vererbung  ist  aber 
die  Spaltung  der  Eigenschaften  in  der  Bastardnachkommenschaft.  Die 
Vererbung  bei  Artbastarden  soll  aber  die  sein,  daß  die  Mischung  der 
Elterneigenschaften  im  Bastard  auch  in  weiteren  Generationen  konstant 
bleibt.  Man  stellt  vielfach  diesen  Vererbungstypus  als  intermediären  dem 
alternativen  Mendelschen  gegenüber.  Die  Bezeichnung  ist  aber  irrefüh- 
rend. Denn  wir  wissen  ja,  daß  in  vielen  echten  Mendelfällen  die  Hetero- 
zygoten intermediär  erscheinen  —  lange  und  kurze  Ähren  gaben  mittel- 
lange —  und  trotzdem  weiterhin  spalten.  Wie  also  intermediäres  Ver- 
halten die  weitere  Spaltung  nicht  ausschließt,  so  darf  man  andererseits 
auch  nicht  glauben,  daß  das  Eintreten  von  Dominanz  eine  spätere  Spal- 


—    237    — 

tung  erfordert.  Wenn  es  ein  konstantes  Weiterzüchten  von  Bastard- 
charakteren gibt,  so  muß  dies  ebensogut  in  der  Form  des  intermediären 
wie  auch  der  des  dominanten  oder  epistatischen  als  auch  mehr  oder 
minder  unvollkommenen  dominierenden  Merkmals,  also  alternativ 
möglich  sein.  Die  Frage  lautet  also  richtig:  Spalten  auch  die  Art- 
bastarde oder  züchten  sie  konstant?  Gibt  es  nur  Mendelsche  Vererbung 
oder  auch  eine  solche  mit  Vermischung? 

Wollte  man  die  Frage  für  gelöst  halten,  wenn  mendelnde  Bastarde 
zwischen  Li  nn  eschen  Arten  gefunden  sind,  so  wäre  sie  bereits 
zugunsten  des  Mendelismus  entschieden.  Denn  daß  es  solche  gibt, 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen.  Correns,  East  u.  a.  haben  solche 
aus  dem  Pflanzenreich  beschrieben.  Die  ausführlichsten  Mitteilungen 
in  dieser  Richtung  verdanken  wir  Baur,  der  zeigen  konnte,  daß  bei 
Artbastarden  von  Antirrhinum  in  F2  eine  Spaltung  in  eine  unüberseh- 
bare Fülle  von  von  Fx  verschiedenen  Typen  eintritt,  so  daß  hier  die  Arten 
sich  sicher  nur  quantitativ,  also  in  der  Zahl  der  Differenzfaktoren  von 
den  Rassen  unterscheiden.  Baur  glaubt  daher  auch,  daß  dies  für  alle 
Arten  gilt  und  daß  die  hohe  Variabilität  gewisser  Formen,  insbesondere 
Gartenformen,  nur  durch  vorausgegangene  Artkreuzungen  und  daraus- 
folgender unendlicher  Kombinationsmöglichkeit  zu  erklären  ist.  Wir 
müssen  die  große  Wahrscheinlichkeit  dieser  Annahme  zugeben  und 
finden  auch  in  der  Haustierzucht  dafür  eine  Bestätigung.  Wenn  man  diese 
zurückverfolgt,  so  stößt  man  immer  wieder  darauf,  daß  mit  aus- 
ländischen Arten  bastardiert  wurde.  So  dürfte  die  Mannigfaltigkeit 
der  Schweinerassen  auf  das  komplizierte  Mendeln  von  Artbastarden 
zwischen  unserem  \\  lldschwein  und  einer  asiatischen  Art  zurückzuführen 
sein,  nicht  anders  die  Geflügel-,  Hunde-,  Pferde-,  Rinderrassen.  Je  tiefer 
man  in  diese  Dinge  eindringt,  um  so  mehr  zeigt  sich,  wie  unendlich  wenig 
Neues  in  all  den  Rassen  steckt,  sondern  wie  die  überwiegende  Zahl  der 
Eigenschaften  nur  in  komplizierter  Weise  zusammenkombiniert  sind: 
Die  Erfolge  der  Tierzucht  erweisen  sich,  so  ungern  das  der  Züchter  auch 
hört,  als  ein  Resultat  dauernden  unbewußten  Mendelns.  Wir  werden 
darauf  nochmals  ausführlich  zu  sprechen  kommen.  Aber  —  wenn 
wir  ganz  von  der  vielfachen  Willkürlichkeit  des  Artbegriffs  absehen  — 
es  handelt  sich  nicht  darum  zu  beweisen,  daß  gerade  Artbastarde  nicht 


—    238    — 

mendeln,  sondern  daß  es  überhaupt  nicht  spaltende  Bastarde  gibt.  Und 
das  erscheint  jetzt  sehr  zweifelhaft.  Die  exakte  Untersuchung  solcher 
Fälle  ist  ja  recht  schwierig,  weil  die  Artbastarde  sich  bekanntlich  meist 
durch  verminderte  oder  fehlende  Fruchtbarkeit  auszeichnen.  Schlüsse 
aber,  die  aus  der  ersten  Bastardgeneration  gezogen  sind,  können  nach 
obigem  keine  Geltung  beanspruchen.  Wenn  wir  das  Material  betrachten, 
auf  das  sich  die  Annahme  konstanter  Bastarde  gründet,  so  ist  es  ein 
recht  verschiedenartiges.    Sehr  häufig  wird  nur  darauf  hingewiesen,  daß 


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2Ja. 


Fig.  86. 

Oben  die   Bastardeltern  Biston  pomonarius   Q><B.  hirtarius    <5,   unten  die  intermediären 
Bastarde  beider  Geschlechter.     Nach  Oberthür. 

Fj  dieser  Bastarde  meist  intermediär  ist.  Da  wo  solche  Bastarde  genau 
analysiert  wurden,  zeigte  es  sich  nun  allerdings,  wie  bei  Längs  Kreu- 
zungen zwischen  Helix  hortensis  und  nemoralis,  daß  die  einen 
Charaktere  Dominanz  zeigten,  andere  sich  indermediär  verhielten.  So 
schlugen  in  diesen  Bastarden  die  Farbe  und  Bänderung  des  Gehäuses, 
Form  und  Pigmentierung  der  Mündung  nach  einem  Elter,  während  die 
Größe  des  Gehäuses,  Länge  des  Liebespfeils  und  andere  quantitative 
Charaktere  intermediär  waren.  Da  aber  keine  2.  Generation  erzielt 
werden  konnte,  so  wissen  wir  nicht,  ob  nicht  alle  diese  Charaktere  kon- 


239 


3 


stant  bleiben  würden.  Es  ist  aber  immerhin  bemerkenswert,  daß  bei 
den  meisten  Artbastarden  sich  intermediäre  Charaktere  in  Eigenschaften 
finden,  die  bei  Rassenkreuzungen  sich  oft  alternativ  verhalten.  Die 
schönsten  Fälle  intermediären  Verhaltens  wird  man  am  leichtesten  bei 
Artbastarden  finden.  Um  nur  einige  Beispiele  zu  zeigen:  Nebenstehende 
Fig.  86  zeigt  das  £  von  Biston  hirtarius,  einer  in  beiden  Geschlechtern 
geflügelten  Biston-Art  und 
das  5  von  B.  pomonarius, 
welches  flügellos  ist.  Das 
Bastardweibchen,  Fig.  86 
unten,  hat  halblange  Flügel, 
ebenso  das  <$.  Fig.  87  zeigt 
nach  Lang  den  Liebespfeil 
von  Helix  hortensis  und  ne- 
moralis  in  der  Gesamtansicht 
und  darunter  im  Querschnitt; 
dazwischen  steht  der  schön 
intermediäre  Pfeil  des  Ba- 
stards. Fig.  88  bezieht  sich 
sogar  auf  die  Kreuzung  zweier 
Gattungen,  des  Königsfasan 
einerseits  mit  Sömmering- 
fasan  und  Goldfasan  anderer- 
seits. Das  Bild  zeigt  beson- 
ders in  den  Schwanzfedern 
klar  die  intermediären  Ba- 
starde,     Soweit      man      ohne    Liebespfeil  in  toto  (A)    und    im  Durchschnitt    [B) 

Zerieffunff    eines     Organs     in    von  1,  Helk  hortensis,  3.  H.  nemoralis  und  2.  dem 

Z,eiiebung     eines     UlganS     m  Bastard  beider.    Nach  Lang. 

seine  sämtlichen  Eigenschaf- 
ten von  intermediär  sprechen  kann.  Es  demonstriert  aber  auch  gleich- 
zeitig, wie  oft  gerade  in  dieser  Frage  nicht  sehr  exakt  vorgegangen  wird, 
indem  man  so  nach  dem  allgemeinen  Augenschein  von  intermediär 
spricht.  Wurde  man  aber  den  Habitus  in  seine  sämtlichen  Elemente 
zerlegen,  so  würde  sicher  gar  manches  auch  richtige  Dominanz  zeigen. 
Hier   sei   übrigens  auch   eine   intermediäre   Rassenkreuzung   eingefügt, 


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Fig.  87. 


—    240    — 


um  die  Identität  des  Ver- 
haltens zu  zeigen.  Fig.  8g 
gibt  die  Kreuzung  zwi- 
schen Fettsteißschaf  und 
Fettschwanzschaf  wieder. 
Der  intermediäre  weibliche 
Bastard  ist  nach  Sette- 
gasts  Gewährsmann  zeu- 
gungsunfähig, da  er  infolge 
der  Beschaffenheit  des 
Schwanzes  nicht  besprun- 
gen  werden  kann.  Endlich 
sei  noch  in  Fig.  90  der 
intermediäre  Bastard  zwi- 
schen Ratte  und  Maus 
wiedergegeben,  der  von 
Ivan  off  durch  künstliche 
Befruchtung  erzielt  wurde. 
Wie  gesagt  handelte  es 
sich  in  diesen  ja  leicht  zu 
vermehrenden  Fällen  um 
Artkreuzungen,  deren  wei- 
teres Verhalten  nicht  fest- 
zustellen war.  Sie  sollten 
uns  zunächst  nur  die  Nei- 
gung der  Artbastarde  zu 
intermediärem  Verhalten 
demonstrieren.  Hand  in 
Hand  damit  geht  aber 
eine  weitere  Eigenheit,  die 

solche  Bastarde   ebenfalls 
d  e 

Fig.  88.  von  mendelnden  Hebriden 

a  Königsfasan  £,  c  Sömmeringfasan  £,    b  Bastard  $    zu  unterscheiden  Scheinen 

Königsfasan    und    Sömmeringfasan,    e    Goldfasan    ß, 

d    Bastard     c5     Königsfasan    und    Goldfasan.       Nach    und    daher    auch    benutzt 

werden,um  für  Artbastarde 


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Fig.  89. 


Links  Fettschwanzschaf,  rechts  Fettsteifsschaf,  dazwischen  der  Bastard.   Nach  Settegast. 


einen    anderen    Vererbungsmodus    zu 


fordern.  Ein  Grundcharakter 
mendelnder  Formen  ist  es  ja,  daß  die  reziproken  Kreuzungen  das 
gleiche  Resultat  geben,  eine  Regel,  die  ohne  weiteres  aus  den  Men- 
de Ischen  Annahmen 
folgt  und  sich  mit  ge- 
ringen Ausnahmen 
(Dominanzwechsel  bei 
reziproken  Kreuzun- 
gen) stets  bewahr- 
heitet. Bei  den  Art- 
bastarden wird  hin- 
gegen sehr  häufig 
beobachtet,  daß  das 
Kreuzungsprodukt  ein 
verschiedenes  ist,  je 
nachdem  welche  Art 
Bastardvater  bzw. 
-mutter  war.  Das  klas- 
sische Beispiel  dafür 
stellt  ja  die  Pferde- 
Eselkreuzung  dar,  die  Fig.  90. 

in  beiden  Richtungen    4  Tage  alte  Junge  von  der  Ratte  (links),  der  Maus  (rechts) 

und  dem  Rattenmausbastard  in  der  Mitte.    Nach  Ivanoff. 

G  oldschmi  dt,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl.  I° 


9i0      

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ganz     verschieden      ausfallen     soll.       Pferdestute    x    Eselhengst    er- 
gibt   das    im   Habitus    mehr    pferdeähnliche,    in    einigen    Charakteren 


Fig.  91.     Maultier.     Nach  Settegast. 

mehr  nach  dem  Esel  schlagende  Maultier  (Fig.  91),  die  reziproke 
Kreuzung  ergibt  den  mehr  eselähnlichen,  aber  in  jenen  Charak- 
teren    (Schweif)     pferdeartigen     Maulesel     (Fig.    92) *.       Genau     den 


Fig.  92.     Maulesel.     Nach  Settegast. 


*)  Dieser  so  oft  zitierte  Fall  ist  übrigens  doch  nicht  so  ganz  klar,  von  Nathu- 
sius  zeigte  mir  einmal  im  Hallenser  Haustiergarten  Maultiere  und  Maulesel,  die  ab- 
solut nicht  zu  unterscheiden  waren,  (abgebildet  in  Plate,  Vererbungslehre  1 913)  und 
zeigte  sich  diesem  Fall  gegenüber  sehr  skeptisch.  Vielleicht  ist  die  Sache  so,"ÄdaC> 
die  Differenzen  nur  bei  Kreuzung  mit  bestimmten  Pferderassen  sichtbar  werden. 


—     243      — 

gleichen  Wechsel  im  Resultat  je  nach  der  Richtung  der  Kreuzung  fand 
auch  Ewart  bei  seinen  Pferd-Zebrakreuzungen.  In  sehr  zahlreichen 
Fällen  ist  die  gleiche  Erscheinung  vor  allem  bei  den  Artkreuzungen 
der  Schmetterlinge  beobachtet.  Als  Beispiel  diene  umstehende 
Fig.  93,  die  das  Verhalten  in  einem  typischen  Fall  erkennen  läßt,  so- 
weit es  bei  einem  nichtfarbigen  Bild  möglich  ist.  A  ist  der  eine  der 
Bastardeltern  Deilephila  euphorbiae,  B  der  andere  D.  vespertilio.  C  ist 
der  Bastard  D.  epilobii,  gewonnen  aus  euphorbiae  $  x  vespertilio  £> 
D  aber  ist  der  reziproke  Bastard  D.  densoi,  gewonnen  aus  vespertilio 
q  x  euphorbiae  $.  Während  bei  beiden  Bastarden  im  großen  ganzen 
die  Charaktere  von  euphorbiae  überwiegen,  besitzt  der  Bastard  densoi 
mit  vespertilio  als  Vater  eine  ganze  Anzahl  patrokline  Charaktere,  die 
dem  reziproken  Bastard  fehlen.  Sie  bestehen  vor  allem  darin,  daß  sich  an 
vielen  Punkten  die  grauen  und  rosa  Farbtöne  der  vespertilio-Zeichnung 
bemerkbar  machen,  wo  bei  dem  reziproken  Bastard  sich  das  Grün  von 
euphorbiae  zeigt.  In  der  ungefärbten  Abbildung  tritt  es  am  ehesten  in 
Fig.  D  in  dem  helleren  Ton  der  mittleren  Binde  des  Hinterflügels  und 
dem  gleichmäßigeren  Ton  der  hellen  Partie  des  Vorderflügels  (grau  statt 
grün  und  grau)  gegenüber  C  hervor. 

So  interessant  und  aufklärungsbedürftig  solche  Tatsachen  an  sich 
sind,  so  kann  man  ihnen  doch  keinen  sehr  großen  Wert  für  unsere  Frage 
zuerkennen:  allein  das  Verhalten  weiterer  Generationen  entscheidet. 
Die  Schwierigkeit  des  Beweises  liegt  aber  in  der  häufigen  Unfruchtbar- 
keit der  Artbastarde;  dennoch  hat  man  versucht,  ihn  in  anderer  Weise 
zu  erbringen.  Da  wo  die  Bastarde  unter  sich  nicht  fortgepflanzt  werden 
können,  gelingt  es  trotzdem  häufig,  sie  mit  einer  der  Elternformen  rück- 
zukreuzen.  Läge  nun  ein  noch  so  komplizierter  und  verschleierter  Mendel- 
fall  vor,  so  müßte  trotzdem  bei  dieser  Paarung  die  Bastardform  und  der 
Elter,  wenigstens  in  den  Charakteren,  die  beim  benutzten  Elter  rezessiv 
sind,  rein  erscheinen.  Tatsächlich  ist  das  bei  den  zahlreichen  bekannten 
Rückkreuzungen  von  Artbastarden  nicht  in  klarer  Weise  der  Fall,  vielmehr 
erscheint  jetzt  eine  Mischung  zwischen  dem  Bastard-  und  dem  Eltern- 
charakter, aus  dem  y2-Blut  wird  ein  3/4-Blut.  Diese  Erfahrung  hat  man 
etwa  ebenso  bei  den  bekannt  gewordenen  Fällen  fruchtbarer  Maultiere, 
wie  überhaupt  in  der  ganzen  landwirtschaftlichen  Tierzucht,  gemacht, 

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244     — 


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wie  bei  den  zahlreichen  Rückkreuzungen  von  Schmetterlingen.  So  erhält 
man  durch  Kreuzung  des  Wolfsmilchschwärmers  (Deilephila  euphor- 
biae)  mit  dem  Fledermausschwärmer  (Deilephila  vespertilio) 
einen  Bastard,  der  die  Elterncharaktere  patroklin  gemischt  zeigt,  D. 
epilobii  genannt  (Fig.  93  C).  Dieser  mit  euphorbiae  zurückgekreuzt 
(D.  pernoldiana),  zeigt  ein  Gemisch  dieser  beiden  Typen,  also  Drei- 
viertelblut1. Genau  das  gleiche  bedeutet  es  aber,  wenn  man  Artbastarde 
wieder  mit  anderen  Arten  kreuzt  und  so  Dreifachbastarde  erhält  (etwa 
Ewarts  Pferd-Esel-Zebra).  In  diesen  mischen  sich  dann  die  drei 
Gruppen  von  Charakteren  durcheinander  und  scheinen  dann  konstant 
zu  bleiben.  Es  ist  aber  nicht  zu  vergessen,  daß  auch  hier  die  Bezeichnung 
3/4-Blut  usw.  nur  den  allgemeinen  Eindruck  wiedergibt,  der  bei  wechseln- 
den Kombinationen  von  nur  einigen  wenigen  mendelnden  Eigenschaften 
ein  ziemlich  gleichartiger  sein  kann,  auch  wenn  eine  oder  die  andere 
Eigenschaft  herausspaltet.  Genaue  Analyse  mit  großen  Zahlen  steht 
aber  in  all  diesen  Fällen  noch  aus1. 

Doch  das  sind  alles  nur  ziemlich  indirekte  und  darum  nicht  voll 
beweiskräftige  Antworten.  Am  wichtigsten  für  unsere  Frage  muß  natür- 
lich ihre  direkte  Beantwortung  sein :  gibt  es  wirklich  ohne  Spaltung  rein 
weiterzüchtende  Bastarde?  Für  das  Pflanzenreich  werden  eine  große 
Anzahl  solcher  angegeben.  Mendel  selbst  glaubte  in  den  Bastarden 
der  Hieraciumarten  solche  vor  sich  zu  haben.  Die  genaue  Untersuchung 
durch  Ostenfeld  und  Raunkiaer  ergab  aber,  daß  diese  Pflanzen  sich 
parthenogenetisch  (apogam)  vermehren  können,  so  daß  gar  keine  Ba- 
starde vorlagen.  Ganz  ähnliches  gilt  für  gewisse  de  Vriessche  Oeno- 
therabastarde,  wie  wir  später  sehen  werden.  Trotzdem  gibt  es  noch 
eine  ganze  Anzahl  analoger  Angaben.  Kerner  von  Marilaun  hat  für 
zahlreiche  wildwachsende  Formen,  die  als  völlig  samenbeständig  gelten, 
nachzuweisen  versucht,  daß  sie  konstante  Bastarde  zwischen  verwandten 
Arten  darstellen.  Als  Beispiel  gilt  Medicago  intermedia,  der  Bastard 
von  M.  falcata  und  sativa  oder  Rhododendron  intermedium  als 
Bastard  zwischen  R.  f  errugineum  und  hirsutum.    Besonders  günstige 

1  All  diesen  Fällen  gegenüber  ist  allerdings  grüßte  Vorsicht  geboten.  Dem  Züchter 
genügt  es  oft,  dem  Stückkreuzungsprodukt  einen  neuen  Sammlernamen  geben  zu  können 
und  das  auch,  wenn  keine  zwei  Stücke  sich  gleichen.  Die  herausspaltenden  Eltern- 
formen bleiben  aber  einfach  als   »Rückschläge«   unerwähnt. 


—     246     — 


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Fälle  solcher  konstanten  Bastardformen  scheinen  sich  bei  den  Beeren- 
sträuchern zu  finden.  Bekannt  sind  die  intermediären,  rein  züchtenden 
Johannisbeerenbastarde  Janczewskis,  deren  absolut  intermediäre 
Beschaffenheit  nebenstehend  wiedergegebene  Blüten-  und  Antheren- 
durchschnitte  gut  illustrieren  (Fig.  94).     Das  gleiche  stellen  Burbanks 

Himbeeren-Brombee- 
renbastarde dar  (Pri- 
mus-berry,  Phenome- 
'nalberry),  die  in  ver- 
besserter Form  die 
Eigenschaften  der  El- 
tern zeigen  und  konstant 
züchten  sollen.  De 
Vries,  der  in  seinem 
berühmten  Hauptwerk 
eine  große  Anzahl  sol- 
cher konstanter  Ba- 
starde zusammenge- 
stellt hat ,  betrachtet 
als  den  einwandfreie- 
sten  aller  den  „abge- 
leiteten" Bastard  zwi- 
schen dem  wildwachsen- 
den Gras  Aegilops 
o  v  a  t  aund  dem  Weizen. 

Sagittal durchschnitte    der    Blumen    und    Querschnitte    der    -p.  v      ,,         13      f       1 

Antheren    von   A   Ribes    rubrum,    B  Ribes    vulgare    und    Vei'     aueKte      rSastaid, 
C  dem  Bastard  R.  houghtonianum.     Nach  Janczewski    Aegilops  tl'iticoides 
aus  G  o  d  1  e  \v  s  k  i. 

ist  nicht  fruchtbar,  aber 

mit  dem  Weizen  rückgekreuzt,  gibt  er  eine  Dreiviertelblutform,  die 
absolut  konstant  weiterzüchtet.  Sie  ist  in  der  Natur  1838  gefunden 
worden  und  seitdem  in  zahllosen  Generationen  unvermindert  weiter- 
gezüchtet, ohne  daß  Rückschläge,  Polymorphie,  oder  eine  besondere 
Variabilität  auftreten  sollen.  Godron  hat  sie  aber  auch  experimentell 
erzeugt,  und  dieser  Bastard  wuchs  neben  dem  aus  der  Natur  stammenden, 
von  dem  er  nicht  zu  unterscheiden  war,  mit  der  gleichen  Konstanz.   Nun 


—     247     — 

versichert  aber  Baur  mit  Bestimmtheit,  daß  diese  Aegilopsbastarde 
doch  spalten  und  wenn  man  an  den  Nachweis  der  Konstanz  eines  Ba- 
stards einen  wirklich  exakten  Maßstab  legt,  so  muß  man  zugeben,  daß 
bisher  wohl  noch  nie  eine  solche  Konstanz  einwandfrei  nachgewiesen  ist. 
Dazu  kommt  noch,  daß  wir  nach  unseren  heutigen  zytologischen  Kennt- 
nissen verlangen  müssen,  daß  in  solchen  Fällen  auch  wirklich  der  Nach- 
weis erbracht  wird,  daß  es  sich  um  Bastarde  handelt.  Denn  es  könnten 
auch  sogenannte  falsche  Bastarde  vorliegen,  d.  h.  eine  Entwicklung  der 
Eier  durch  den  entwicklungserregenden  Reiz  des  Sperma,  ohne  daß 
dieses  selbst  an  der  Entwicklung  teilnimmt.  Es  wäre  das  dann  eine 
induzierte  Parthenogenese,  aus  der  natürlich  dann  kein  Bastard  entsteht. 
Verläuft  die  Entwicklung  nur  mit  dem  Samenkern  ohne  den  Eikern,  so 
wäre  es  eine  männliche  Parthenogenese.     Für  beides  gibt  es  Beispiele. 

Auch  aus  dem  Tierreich  werden  manche  Beispiele  konstanter  Bastarde 
angeführt.  Bei  Fasanenkreuzungen  will  man  konstante  Bastarde  in  vielen 
Generationen  gezüchtet  haben.  Ebenso  bei  den  berühmten,  oft  besproche- 
nen und  sogar  in  ihrer  Existenz  bezweifelten  Hasen-Kaninchenkreuzungen. 
Diese  Leporiden  zeigen  teils  alternative,  teils  intermediäre  Merkmale,  die 
aber  nicht  spalten  sollen.  Sieht  man  sich  allerdings  die  Angaben  von 
Gayot  näher  an,  so  zeigt  sich  genau  das  Gegenteil.  Es  erscheinen  näm- 
lich in  F2  Tiere  mit  Hasenhaar,  mit  Kaninchenhaar  und  mit  merk- 
würdigen Seidenhaaren,  also  eine  Neukombination.  Augen,  Kopf,  Gang- 
art sind  verschieden,  also  in  Wirklichkeit  die  schönste  Spaltung  der 
Merkmale!  Es  ist  also  nicht  zu  leugnen,  daß  es  bisher  auch  im  Tier- 
reich keinen  einwandfreien  Art-  oder  Gattungsbastard  gibt,  dessen 
völlige   Konstanz   über  allen  Zweifel  erwiesen  sei. 

Der  ganz  außerordentliche  Erklärungswert  nun,  der  den  Mendel - 
sehen  Vererbungsgesetzen  zukommt,  läßt  die  Frage  berechtigt  erscheinen, 
ob  das,  was  sich  als  konstanter  Bastard  darbietet,  nicht  doch  sich  viel- 
leicht als  ein  besonders  komplizierter  Mendelfall  erweist  und  in  der  Tat 
ist  es  die  Ansicht  aller  Mendelianer,  daß  dem  so  ist.  Es  ist  ja  auch  nicht 
schwer,  sich  das  so  vorzustellen.  Wenn  von  den  Eigenschaften  der 
Eltern  die  einen  sich  alternativ  vererben,  die  andern  in  heterozygotem 
Zustand  intermediär  sind,  von  ersteren  natürlich  die  Dominanten  teils 
bei  einem,  teils  bei  dem  anderen  Elter  sich  finden,  so  sind  gar  nicht 


—     248     — 

sehr  viele  Eigenschaftspaare  nötig,  um  im  F2-Bastard  ein  solches  Ge- 
misch der  Elterneigenschaften  hervorzurufen,  daß  er  praktisch  kaum 
von  dem  in  Fx  unterschieden  werden  kann.  Und  es  wird  bereits  in 
solchem  Fall  die  Spaltung  sich  nur  dann  klar  manifestieren,  wenn  die 
Gametenkombination  eintrifft,  die  eine  der  Elternformen  rein  abspaltet. 
Selbst  bei  nicht  geringer  Zahl  von  Nachkommen  wird  schon  bei  relativ 
wenigen  Eigenschaftspaaren  dies  nur  sehr  selten  vorkommen  können. 
Gibt  es  doch  bei  7  Eigenschaftspaaren  bereits  16348  Kombinationen. 
Wenn  nun  gar  bei  solchen  Artbastarden  unvollkommene  oder  gar  wech- 
selnde Dominanz  bei  einigen  Eigenschaften  vorliegt,  so  kann  jede  ein- 
zelne dieser  Kombinationen  ein  wenig  von  der  anderen  verschieden  sein, 
und  wenn  die  Schwankungen  bei  den  verschiedenen  Eigenschaften  nicht 
völlig  gleichgerichtet  sind,  so  wird  das  Gesamtbild  des  Bastards  in  vielen 
Exemplaren  den  Eindruck  eines  einheitlichen  Mischlings  mit  einer  ge- 
wissen Variabilität  der  Mischung  machen.  In  allen  solchen  Fällen  sollte 
man  aber  erwarten,  daß  bei  genügend  großen  Zahlen  der  Nachkommen- 
schaft hie  und  da  die  reinen  Elternformen  abgespalten  werden,  oder, 
nach  dem,  was  wir  früher  über  das  mendelnde  Auftreten  von  Neuheiten 
gehört  haben,  unerwartete  Ahnencharaktere  erscheinen.  Und  es  kann 
dann  auch  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  es  im  Tierreich  manches 
Beispiel  von  Artkreuzungen  gibt,  die  die  eine  oder  andere  Erscheinung 
zeigen.  Beide  nebeneinander  lassen  sich  an  den  Artkreuzungen  demon- 
strieren, die  Bonhote  an  Enten  ausführte.  Er  vermochte  dabei  Ba- 
starde zwischen  verschiedenen  Arten  zu  erhalten,  die  wieder  zu  trigenen 
und  tetragenen  Bastarden  kombiniert  werden  konnten,  die  dann  ein 
Gemisch  der  Charaktere  der  Stammarten  zeigten.  In  der  Nachkommen- 
schaft solcher  tetragener,  also  aus  4  Arten  zusammengesetzter  Bastarde 
spaltete  dann  einmal  die  eine  Stammart  Anas  boschas  rein  ab.  Der 
folgende  Stammbaum  erläutere  das  Resultat;  M  ist  Anas  boschas, 

Z  =  A.superciliosa,  S  =  A.poecilorhynchaundP  =  Dafilaacuta. 

M  x  s  py^M 

\  \ 

MS         X  PM 

PMS  X  Z 

\ 
PMSZX  PMSZ 

x  +  x  +  M 


—     249     — 

Aber  auch  das  Auftreten  von  Neuheiten  wurde  beobachtet,  die  einer 
anderen  bekannten  Form  gleichen,  wenn  auch  nicht  gesagt  ist,  daß  es 
eine  Ahnenform  ist.  Nebenstehende  Fig.  95  zeigt  dies  an  den  Flanken- 
federn solcher  Enten,  gleichzeitig  aber  auch,  wie  in  weiteren  Genera- 
tionen eines  trigenen  Bastards  Neukombinationen  eintreten,  die  nach 


Fig.  95- 
Flankenfedern   von  Enten.     9,   11,   12  in    drei    aufeinanderfolgenden  Generationen  des 
trigenen  Bastards  PMS  (s.  Text).      10  von  der  Speckente,   13  von  Dafila  acuta.    Nach 

Bonhote. 


einem  der  Elterntypen  hin  führen.  Die  Figuren  9,  11,  12  zeigen  Flanken- 
federn des  trigenen  Bastards  P  M  S  in  drei  aufeinanderfolgenden  Gene- 
rationen. Fig.  10  ist  eine  Feder  der  bei  der  Kreuzung  nicht  benutzten 
Speckente,  zu  deren  Charakter  eine  deutliche  „Reversion"  erfolgt. 
Fig.  13  gibt  eine  Feder  des  Bastardeiters  Dafila  acuta  wieder  und  die 


—     250     — 

Reihe  9,  11,  12  zeigt  deutlich  die  wachsende  Annäherung  an  diesen 
Typus.  Gerade  diese  Entenartbastarde  zeichnen  sich  durch  volle  Frucht- 
barkeit aus,  und  es  ist  schon  recht  bemerkenswert,  daß  gerade  sie  solche 
Andeutungen  an  Mendelsche  Vererbung  zeigen. 

Wir  haben  es  nun  bisher  als  selbstverständlich  betrachtet,  daß  für 
die  Frage  der  konstanten  Bastarde  nur  solche  zwischen  weit  auseinander- 
liegenden systematischen  Kategorien  wie  Arten  in  Betracht  kommen. 
Nun  gibt  es  aber  auch  Fälle,  in  denen  Varietätsmerkmale,  die  doch 
sonst  stets  mendeln,  sich  sichtlich  konstant  vererben.  Neben  solchen, 
die  wir  bald  in  anderem  Zusammenhang  kennen  lernen  wollen,  ist  da  der 
bekannteste  Fall  die  Erblichkeit  der  Ohrenlänge  beim  Kaninchen. 
Castle  hat  durch  ausgedehnte  Kreuzungsstudien  festgestellt,  daß  bei 
Kreuzung  langohriger  mit  kurzohrigen  Rassen  die  Nachkommenschaft 
intermediär  ist  und  dieser  Charakter  in  allen  folgenden  Generationen  kon- 
stant bleibt.  Ein  Blick  auf  nebenstehende  Figur  96,  die  die  Ausgangstiere 
eines  solchen  Versuchs  nebst  2  Generationen  von  Nachkommen  zeigt, 
läßt  dies  Verhalten  erkennen.  Bei  den  Elterntieren  unterliegt  natürlich 
die  Ohrenlänge  einer  gewissen  fluktuierenden  Variabilität,  deren  Umfang 
bei  den  langohrigen  Formen  20 — 30  mm  beträgt,  bei  den  kurzohrigen 
10  mm.  Die  Nachkommen  zeigen  gewöhnlich  eine  mittlere  Variabilität. 
Die  folgende  Tabelle  gibt  das  wirkliche  Resultat  einer  solchen  Kreuzung 
wieder,  wobei  die  eingeklammerte  Zahl  unter  den  Nachkommenzahlen 
das  Elternmittel  darstellt,  um  das  die  Nachkommen  variieren. 

P  Q   1 1 8  mm   X    (5    2 1  o  mm 

•^i  <3   156  mm  -+-    (5    166  mm  -f-    (5    170  mm  +   Q   170  mm  -f-   170  mm 

f  [164  mm]  f 

\  X  / 

F-2    (5  160  mm  +  (J  168  mm  +  $  170  mm  +  (J  172  mm  +  6  1^°  mm  +  2  1S5  mm 

[168  mm] 

Wurden   diese   so   erhaltenen   Halbbluttiere   mit   Langohren  wieder 

gekreuzt,  so  gab  es  wieder  in  der  Mitte  stehende  Dreiviertelbluttiere, 

wie  folgende   Kreuzung  zwischen  einem  Halbblutweibchen  und  einem 

langohrigen  Männchen  beweist : 

P  Cj   152  mm   X    <5   210  mm 

Fi  Q   170  mm  +    (5    170  mm  -+-  3   180  mm  +  5   i§3  mm  +    6    184  mm 

1181  mm] 

Es  zeigt  sich  also,  daß  die  Ohrenlänge  sich  konstant  intermediär  ver- 
erbt.    Dieser  Fall  hat  nun  eine  besondere  Bedeutung  dadurch  erlangt, 


251 


Fig.  96. 

2    und    3   die  Bastardeltern,    langohriges    Weibchen  und  kurzohriges   Angoramännchen. 

I    Fi   Bastard  mit  intermediärer  Ohrenlänge,  4  Fo  Bastard  desgl.     Nach  Castle. 


—     252     — 

daß  Lang  an  ihm  demonstrieren  konnte,  wie  schwierig  es  jetzt  ist, 
einen  wirklichen  Beweis  für  intermediäre  konstante  Vererbung  zu  er- 
bringen. Und  damit  kommen  wir  an  den  wichtigsten  Punkt,  an  dem 
die  Frage  der  konstanten  Bastardformen  jetzt  angelangt  ist.  Es  läßt 
sich  nämlich  zeigen,  daß  die  Resultate  ebenso  auf  Grund  mendelistischer 
Erwägungen  erklärt  werden  können,  und  zwar  wird  die  Erklärung  durch 
die  früher  besprochenen  Entdeckungen  Nilsson-Ehles  ermöglicht. 

Wie  wir  uns  nun  erinnern,  bestand  deren  Hauptresultat  darin,  daß 
ein  und  dieselbe  Eigenschaft  von  2  oder  3  Faktoren  bewirkt  werden  kann, 
die  selbständig  mendeln,  von  denen  aber  jeder  allein  für  sich  die  Eigen- 
schaft auch  hervorrufen  kann.  Bei  zwei  Faktoren  konnten  so  unter 
16  Nachkommen  15  phänotypisch  gleich  sein,  bei  3  Faktoren  unter  64 
nicht  weniger  als  63.  Hätten  wir  gar  6  Eigenschaftspaare,  so  enthielte 
unser  Kombinationsschema  4096  Rubriken,  und  4095  Individuen  wären 
unter  diesen  phänotypisch  gleich.  In  einem  solchen  Fall  würde  also, 
da  doch  nur  selten,  bei  Tieren  wohl  nie,  so  viele  Nachkommen  gezüchtet 
werden  können,  die  Nachkommenschaft  den  Eindruck  erwecken,  daß 
sie  konstant  züchte.  In  diesem  Fall  lag  nun  reine  Dominanz  vor;  wie 
ist  es  aber,  wenn  der  Bastard  sich  intermediär  verhält,  was,  wie  wir 
wissen,  für  so  viele  Mendelfälle  zutrifft?  Um  das  verstehen  zu  können, 
müssen  wir  zuerst  ein  anderes  Resultat  Nilsson-Ehles  kennen  lernen, 
das  wir  bisher  nicht  berücksichtigten.  Wir  nahmen  an,  daß  die  phäno- 
typisch gleichen  Individuen  in  F2,  also  63/64  bei  drei  Allelomorphen 
völlig  gleich  seien.  Es  zeigte  sich  nun  aber,  daß  das  insofern  nicht  der 
Fall  sein  muß,  als  bei  der  durch  3  Komponenten  bedingten  Rotfärbung  der 
Weizenkörner  die  Farbe  in  F2  doch  zwischen  hellerem  und  dunklerem 
Rot  variierte.  In  diesem  Fall  könnte  also  wohl  das  Verhältnis  der  drei 
Allelomorphe  nicht  das  sein,  daß  jedes  Gen  für  sich  das  gleiche  hervor- 
ruft wie  ihre  Gesamtheit,  sondern  man  müßte  annehmen,  daß  zwar  jedes 
Gen  rot  bedingt,  aber  daß  die  Wirkung  von  2  Genen  ein  doppeltes  Rot  er- 
gibt, die  von  3  Genen  ein  dreifaches,  kurz,  daß  die  einzelnen  Faktoren 
in  der  Kombination  ihre  Wirkung  addieren.  Derartiges  wundert  uns  nicht 
mehr,  da  es  uns  schon  öfters  begegnete,  z.  B.  beim  Verhältnis  von  Homo- 
und  Heterozygoten.  Ist  das  aber  der  Fall,  dann  können  wir  ja  berechnen, 
wie  oft  die  verschiedenen  Abstufungen  des  Rot  vorkommen  müssen, 


—     253     — 

indem  wir  im  Kombinationsschema  auszählen,  wie  oft  in  den  Kom- 
binationen i  Rotfaktor,  2  Rotfaktoren  usw.  vorkommen.  Wenn  wir 
das  nun  ausführen,  so  soll  in  folgendem  Schema  angenommen  sein,  daß 
das  Rot  von  den  3  Faktoren  A,  B,  C  bedingt  wird,  und  in  jeder  Rubrik 
ist  durch  eine  Zahl  angemerkt,  wie  oft  ein  Rotfaktor  vertreten  ist. 


A  B  C 

AB  c 

A  b  C 

a  B  C 

A  b  c 

aBc 

a  b  C 

(7  b  c 

A  B  C 

A  B  C 

A  B  C 

A  B  C 

A  B  C 

ABC 

ABC 

A  B  C 

6 

5 

5 

5 

4 

4 

4 

0 

0 

A  B  C 

AB  c 

A  b  C 

a  b  C 

A  b  c 

a  B  c 

a  b  C 

a  b  c 

AB  c 

AB  c 

AB  c 

.  l  B  c 

.  1  B  c 

ABc 

ABc 

A  B  c 

5 

4 

4 

4 

3 

3 

3 

2 

ABC 

A  B  c 

A  b  C 

a  B  C 

A  b  c 

aBc 

ab  C 

a  b  c 

Ab  C 

A  b  C 

A  b  C 

A  b  C 

A  b  C 

AbC 

AbC 

A  b  C 

5 

4 

4 

4 

3 

•> 

3 

2 

ABC 

A  B  c 

A  b  C 

a  B  C 

Abc 

aBc 

a  b  C 

a  b  c 

a  B  C 

aBC 

a  B  C 

aBC 

a  B  C 

a  B  C 

a  B  C 

a  B  C 

5 

4 

4 

4 

0 

3 

2 

ABC 

AB  c 

AbC 

a  B  C 

Abc 

aBc 

ab  C 

a  b  c 

Abc 

A  b  c 

Abc 

Abc 

A  b  c 

Abc 

Abc 

Abc 

4 

3 

3 

0 

2 

2 

2 

1 

ABC 

AB  c 

AbC 

aBC 

A  b  c 

a  B  c 

a  b  C 

a  b  c 

a  B  c 

a  B  c 

aBc 

a  B  c 

a  B  c 

aBc 

aBc 

aBc 

4 

, 
J 

0 

0 

3 

2 

2 

2 

1 

ABC 

AB  c 

A  b  C 

a  B  C 

Abc 

aBc 

a  b  C 

a  b  c 

a  b  C 

a  b  C 

abC 

abC 

a  b  C 

ab  C 

abC 

a  b  C 

4 

3 

0 

n 
J 

2 

2 

2 

1 

ABC 

AB  c 

AbC 

a  B  C 

A  b  c 

aBc 

abC 

a  b  c 

a  b  c 

a  b  c 

a  b  c 

a  b  c 

ab  c 

a  b  c 

a  b  c 

a  b  c 

3 

2 

2 

2 

1 

1 

I 

0 

Es  kommen  somit  vor: 

6  Rotfaktoren     1  mal 

5  „  6mal 

4  »  x5  mal 

3  „  20  mal 


—     254     - 

2  Rotfaktoren  15  mal 

1  „  6  mal 

0  ,.  1  mal 

Das  bedeutet  aber  etwas  sehr  Wichtiges.  Die  reinen  Eigenschaften  der 
beiden  Eltern  werden  sich  nur  in  je  1  Individuum  finden.  Innerhalb 
der  63  roten  Formen  werden  am  häufigsten  die  Mittelroten  (3  Rotfak- 
toren) sein,  am  seltensten  die  ganz  dunkel-  oder  hellroten  (6  bzw.  1  Fak- 
tor). Mit  anderen  Worten:  Das  Rot  in  F2  tritt  in  stufenweisen  Über- 
gängen auf,  die  in  der  Zahl,  in  der  sie  vorkommen,  genau  die  gleiche 
symmetrische  Verteilung  zeigen,  wie  die  Glieder  der  fluktuierenden 
Variabilität  einer  einheitlichen  Eigenschaft.  Würden  aber  nur  wenig 
Nachkommen  gezogen,  so  ist  es  klar,  daß  am  ehesten  die  mittleren 
gefunden  würden,  somit  eine  völlig  einheitliche  mittelrote  Nachkommen- 
schaft entstände.  In  diesem  Fall  nun  handelte  es  sich  um  die  Verhält- 
nisse bei  Dominanz.  Wenn  ein  intermediäres  Verhalten  der  Eigen- 
schaftspaare vorliegt,  so  erleidet  das  Bild  insofern  eine  Verschiebung, 
als  jeder  der  Kombinationen  noch  ein  entsprechendes  Quantum  der 
anderen  Eigenschaft,  in  diesem  Fall  wäre  es  weiß,  zugemischt  wäre. 
Im  großen  ganzen  würde  dadurch  nur  ein  einziger  Unterschied  hervor- 
gerufen, nämlich  der,  daß  das  gesamte  Schwanken  der  Typen  nicht  um 
mittelrot,  sondern  um  hellrot  stattfände. 

Wenden  wir  das  Prinzip  nun  im  Anschluß  an  Lang  auf  die  Ohren- 
länge der  Kaninchen  an,  so  können  wir  annehmen,  daß  lange  Ohren  durch 
3  Gene  bedingt  seien.  Angenommen  Ohren  von  100  mm  seien  kurze, 
so  macht  ein  Langohrengen  sie  um  40  mm  länger,  3  Gene  um  120  mm, 
also  zu  220  mm.  Werden  220  mm-Kaninchen  mit  100  mm-Tieren 
gekreuzt  und  Fx  ist  intermediär,  so  zeigt  es  160  mm-Ohren.  In  F2 
tritt  nun  die  Spaltung  so  ein,  daß  sich  die  Phänotypen  genau  so  verteilen 
müssen,  wie  es  oben  für  die  Wirkung  der  3  Rotfaktoren  abgeleitet  wurde. 
Da  aber  intermediäre  Vererbung  vorliegt,  so  verteilen  sich  die  Phäno- 
typen nicht  auf  der  dominanten  Seite,  sondern  über  die  ganze  Reihe  hin, 
und  da  die  40  mm  Wirkung  eines  jeden  Langohrenfaktors,  da  wo  er 
heterozygot  erscheint,  halbiert  wird,  erhält  man  die  auftretenden  Größen, 
wenn  man  die  Zahl  der  im  Kombinationsschema  anwesenden  Halbfak- 
toren (große  Buchstaben)  mit  20  multipliziert  zur  Länge  des  Kurzohrs 


—     255     — 

/  4<>  \ 

( ioo  mm)  addiert :  Denn  die  Form  A BCc  =  ioo  +40  +  40  +  — I  =  200 

ist  dort  geschrieben  AABBCc  =  100    +  (5  .  20)   =  200.     Unter  diesen 
Voraussetzungen  erhielten  wir  in  F2  die  Phänotypenverteilung : 

220  mm     1  Individuum 

200    „        6 

180    „     15 

160    „     20 

140    „     15 
120    „       6 

100    „       1 

Bei  Kreuzung  des  Kurz-  und  Langohrenkaninchens  brauchte  unter 
20  Nachkommen  nur  die  Mittelklasse  vertreten  zu  sein :  so  entsteht  der 
Eindruck  der  Konstanz  der  intermediären  160  mm-Bastarde  in  F2. 
Erst  unter  64  Nachkommen  ist  ja  ein  den  Eltern  gleiches  zu  erwarten. 
Je  größer  nun  die  Zahl  der  Merkmalspaare  ist,  um  so  größer  wird  natür- 
lich die  Mittelklasse.  Für  12  Merkmalspaare  berechnet  sich  so  die  Zahl 
der  Individuen  mit  Ohren  zwischen  140  und  180  mm  auf  etwa  15  Mill. 
unter  17  Millionen  (was  nach  den  in  der  11.  Vorlesung  gegebenen  Zahlen- 
ableitungen ja  leicht  zu  berechnen  ist),  und  unter  diesen  ist  nur  je  ein 
reines  Exemplar  vom  Charakter  der  Eltern.  Wenn  also  in  der  Tat  die 
Ohrenlänge  von  mehreren  Merkmalspaaren  bedingt  ist,  so  brauchen  es 
nur  sehr  wenige  Faktoren  zu  sein,  um  bereits  eine  konstant-intermediäre 
Vererbung  mit  einer  Variabilität  um  das  Mittel  vorzutäuschen. 

Wenn  die  Supposition  richtig  ist,  so  kann  sie  bei  Tieren,  die  nicht 
durch  Selbstbefruchtung  vermehrt  werden  können,  wobei  sich  ihre 
genotypische  Zusammensetzung  leicht  zeigen  würde,  nur  so  erwiesen 
werden,  daß  ausnahmsweise  unter  den  scheinbar  rein  intermediär  züch- 
tenden Bastarden  auch  Exemplare  vorkommen,  die  sich  ganz  oder  teil- 
weise dem  Elterntypus  nähern.  Die  Wahrscheinlichkeit,  sie  zu  finden, 
wächst  noch,  wenn  aus  den  extremen  Typen  von  F2  F3  gezüchtet  wird. 
Oder  aber  es  lassen  sich  erblich  konstante  Formen  isolieren,  die  mehr 
patro-  oder  matroklin  sind,  entsprechend  den  Größenklassen,  die  die 
Merkmale  bedingen,  in  unserem  Beispiel  also  100,  140,  180,  220  mm. 
Denn  wir  wissen  ja,  daß  bei  3  Eigenschaften  8  homozygote  Typen  exi- 


—     256     -- 

stieren,  die  im  Kombinationsschema  sich  immer  in  der  Diagonale  links 
oben  —  rechts  unten  finden  und  von  denen  bei  intermediärer  Vererbung, 
wie  das  Kombinationsschema  zeigt,  2x3  identisch  aussehen.  Und  wenn 
solche  isoliert  würden,  müßten  sie  rein  weiterzüchten.  Bei  pflanzlichen 
Objekten  mit  Selbstbefruchtung  ist  es  allerdings  ein  Leichtes,  diese 
Homozygoten  zu  isolieren.  Bei  Tieren  dürfte  es  aber  nicht  leicht  vor- 
kommen, daß  bei  den  begrenzten  Zahlen  der  Zuchten  zufällig  zwei  Homo- 
zygoten zusammenkommen,  von  denen  bei  Annahme  von  nur  10  Eigen- 
schaften bereits  nur  etwa  V1000  der  Gesamtindividuenzahl  existieren. 
Lang  weist  nun  darauf  hin,  daß  es  in  der  Tat  bei  Castle  Angaben  gibt, 
die  darauf  hindeuten,  daß  gelegentlich  Individuen  mit  stark  goneokliner 
Ohrenlänge  auftreten.  Die  Möglichkeit  ist  also  nicht  von  der  Hand  zu 
weisen,  daß  dieser  und  dann  auch  andere  ähnliche  Fälle,  nach  Nilsson- 
Ehles   Prinzip  als  Fälle  Mendelscher  Vererbung  zu  erklären  sind. 

Durch  neuere  Untersuchungen  ist  nun  diese  Möglichkeit  der  Erklärung 
scheinbar  konstanter  Bastarde  durch  dieHypothese  der  Polymerie,  wie 
Lang  die  vorgeführte  Interpretation  bezeichnet,  noch  beträchtlich  wahr- 
scheinlicher geworden.  Zunächst  seien  die  Untersuchungen  von  East,  der 
wohl  überhaupt  zuerst  die  Polymeriehypothese  aussprach,  über  quanti- 
tative Merkmale  beim  Mais  genannt.  Werden  solche  Merkmale  betrachtet, 
so  ist  es  klar,  daß  die  fluktuierende  Variabilität  zu  berücksichtigen  ist. 
Es  müssen  also  die  Variationskurven  des  betreffenden  Merkmals  für 
Bastardeltern,  Fx  undF2  verglichen  werden.  Für  F1  ist  dann  in  der  Regel 
eine  intermediäre  Kurve  zu  erwarten.  Wie  steht  es  aber  mit  F2?  Nach  den 
Ausführungen  der  vorhergehenden  Seiten  kann  eine  polymere  Spaltung  in 
F2  eine  einer  Variationsreihe  höchst  ähnliche  Phänotypenverteilung  er- 
geben. Handelt  es  sich  nun  um  ein  fluktuierendes  quantitatives  Merkmal, 
so  hat  jeder  dieser  Phänotypen  z.  B.  der  7  oben  aufgezählten,  seine  eigene 
kleine  Variationskurve,  die,  wenn  die  Typen  nahe  beisammen  liegen,  mit 
der  des  benachbarten  Typus  transgredierend  ist.  Die  Gesamtheit  dieser 
Einzelkurven  ergibt  aber  dann  wieder  eine  scheinbar  einheitliche  Phäno- 
typenkurve  für  die  ganze  F2-Generation.  Diese  Kurve  muß  aber  eine 
viel  höhere  Variationsbreite  haben  als  die  Fj^Kurve  und  bei  genügend 
großen  Zahlen  bis  zu  den  Extremen  der  Elternkurven  reichen.  Und  das 
ist  in  der  Tat  im  großen  ganzen  der  Fall.    Fig.  97,  S.  258 — 59,  gibt  einen 


—     257     — 

solchen  Versuch  von  E  as  t  wieder.  Das  betrachtete  quantitative  Merkmal 
ist  die  Länge  des  Maiskolbens.  Seite  258,  a,  b  finden  sich  die  beiden 
Elterntypen  mit  langen  und  kurzen  Kolben  in  ihren  Variationsreihen  dar- 
gestellt und  unter  jedem  Typus  steht  seine  Längenklasse  und  die  Zahl  der 
Varianten.  Fig.  c,  S.  259  zeigt  die  intermediäre  F^Generation  und  die 
viel  stärker  variable  F2,  die  hier  auch  nahezu  die  Elternextreme  erreicht. 
Als  Gegenstück  dazu  sei  in  Fig.  98,  S.  260  ein  ähnlicher  Fall  nur  in  seinen 
Variationskurven  dargestellt,  nämlich  das  Verhalten  der  Länge  des  Blumen- 
blattes bei  Kreuzung  von  gewöhnlichem  Lein  mit  Limim  angustifolium  nach 
Tine  Tarn  nies.  Auch  hier  zeigt  ein  Blick  auf  die  Kurven  das  gleiche 
Verhalten  der  Variationsbreite  bei  einem  Vergleich  zwischen  P,  Fx  undF2. 
Im  höchsten  Maß  bemerkenswert  erscheint,  daß  diese  Interpretation 
nun  auch  einen  Fall  klärt,  der  bisher  die  Hochburg  der  konstanten 
Bastardvererbung  darstellte,  den  Fall  des  Mulatten.  Bateson  be- 
zeichnet dieses  Kreuzungsprodukt  zwischen  Neger  und  Weißen  direkt 
als  den  einzigen  sicheren  Fall  einer  solchen  Vererbung.  Die  genaue 
Untersuchung  der  Hautfarbe  der  Nachkommenschaft  von  Mulatten- 
paaren durch  G.  und  C.  Davenport,  wobei  die  Farbanteile,  aus  denen 
sich  der  Hautton  zusammensetzt,  mittels  des  Farbkreisels  exakt  bestimmt 
wurden,  zeigt  aber,  daß  sie  eine  ganze  Variationsreihe  von  hell  zu  dunkel 
in  verschiedenem  Gemisch  bildeten.  So  hatten  7  Kinder  eines  solchen 
Paares  folgendes  Verhältnis  von  Schwarz  zu  Weiß  in  ihrer  Hautfarbe, 
bestimmt  nach  der  Skala  des  Farbenkreisels: 


Schwarz 

6 
60 

23 
25 

25 
25 

31 
24 

32 
17 

33 
33 

46 

Weiß 

7 

75  8 

Bei  einem  Neger  ist  das  Verhältnis      ,  bei  einem  \\  eißen  — .   Da  nun 

2  33 

außerdem  in  der  Nachkommenschaft  von  Mulatten  ganz  weiße  wie  fast 

ganz  schwarze   Individuen  auftreten  können,  so  kann  es  kaum  mehr 

einem  Zweifel  unterliegen,  daß  auch  dieser  Fall  sich  in  genau  der  gleichen 

Weise  wird  erklären  lassen,  wie  der  der  Kaninchenohrenlänge,  wie  das 

auch  Davenports  annehmen  und  Lang  genau  durchgeführt  hat.    Wenn 

es  bei  der  Unmöglichkeit  des  Experiments  wohl  auch  kaum  möglich  sein 

wird,  aus  noch  so  reichen  Statistiken  die  Zahl  der  dabei  mitspielenden 

Goldsc  hmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  *7 


258 


Nu  r.r. 


J 
11 


Fig.  97- 
Vererbung   der  Kolbenlänge   beim  Mais,     a  und  /'  Variationsreihen    der  beiden  Eltern 

(P-Generation). 


Faktoren  festzustellen,  so  genügt  doch  schon  die  Übereinstimmung 
mit  Nilsson-Ehles  roten  Weizenkörnern  im  Verhalten  von  F2,  um 
jene  Erklärung  als  im  höchsten  Maß  wahrscheinlich  erscheinen  zu  lassen. 


—     259     — 

Wenn  sich  die  Fälle  der  scheinbar  konstanten  intermediären  Ver- 
erbung nun  mittels  des  Nilsson -Ehleschen  Prinzips  als  echte  Mendel- 


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2 

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Fig.  97- 
c  Variationsreihe  von  F^  d  desgl.  von  Fo.     Nach  East. 


fälle  enthüllen  sollten,  was,  wie  gesagt,  jetzt  sehr  wahrscheinlich  er- 
scheint —  und  dem  Erklärungswert  dieses  Prinzips  gegenüber  muß 
in  der  Tat  alles  oben  für  die  konstante  Vererbung  angeführte  Material 


iT 


—     260     — 

zurücktreten  —  so  bleibt  wohl  nur  eine  Möglichkeit  übrig,  eine  nicht 
spaltende  Vererbung  einwandfrei  nachzuweisen.  Sie  wäre  bewiesen, 
wenn  es  gelänge,  intermediäre  oder  alternative  spaltende  Bastarde  ex- 
perimentell zu  zwingen,  das  Spalten  aufzugeben  und  alternativ-  bzw. 
intermediär-konstant  zu  bleiben.  So  sehr  diese  Möglichkeit  vielen 
Mendelschen  Anschauungen  widerstreitet,  so  kann  man  sie  doch  nicht 
ohne  weiteres  von  der  Hand  weisen.  Aber  gerade  in  diesem  Punkt  stehen 
wir  erst  am  bescheidensten  Anfang  der  Forschung.     Es  sind  eigentlich 


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7.  Ge  wöh  n  licn  er  L  ein  xLinum  angustifulium. 
L änge  c/es  Jjlu men  ola tles. 

Fig.  98. 

Variationspolygone  der  Blumenblattlänge  in  P,   Fj ,  F2  bei  Kreuzung  zweier  Leinformen. 

Nach  Tine  Tarn m es. 


nur  Towers  Studien  zu  nennen,  von  denen  wir  ja  schon  früher  hörten. 
Denn  ihm  gelang  es  experimentell,  konstante  Bastarde  bei  Formen  zu 
erzeugen,  die  sonst  typisch  mendelndes  Verhalten  zeigen,  und  zwar  waren 
dies  keine  intermediären,  sondern  alternative  Bastarde.  So  ergibt  die 
Kreuzung  zwischen  einem  $  von  Leptinotarsa  undecimlineata 
mit  dem  £  L.  signaticollis  unter  bestimmten  Bedingungen  in  F± 
intermediäre  Bastarde,  die  in  F2  typisch  im  Verhältnis  von  1:2:1 
spalten.  Wurden  die  gleichen  Tiere  bzw.  identische  bei  größerer 
Wärme  und  Feuchtigkeit  gepaart,  so  zeigte  Fx  den  rein  mütterlichen 


—     261     — 

Typ,  also  Dominanz  von  undecimlineata.  Dieser  Typus  spaltete  aber 
nicht  mehr,  sondern  blieb  in  den  6  gezüchteten  Generationen  konstant. 
Allerdings  fehlt  abgesehen  von  näheren  Angaben  auch  hier  noch  der 
Nachweis,  daß  es  sich  nicht  um  induzierte  Parthenogenese  handelt. 

Diese  Versuche  stehen  ja  erst  im  ersten  Anfang,  doch  deuten  sie 
vielleicht  darauf  hin,  daß  wirklich  aus  einer  spaltenden  eine  konstante 
Vererbung  hervorgehen  kann.  Das  bedeutete  aber  mit  anderen  Worten, 
daß  der  heterozygote  Zustand  bei  der  Gametenbildung  unter  Umständen 
in  einen  homozygoten  übergehen  kann:  der  Bastard  Aa,  der  bisher 
Gameten  A  und  Gameten  a  bildete,  produziert  jetzt  nur  noch  Gameten 
Aa  =  B.  Wenn  dies  möglich  sein  sollte,  und  es  liegt  kein  Grund  vor, 
die  Möglichkeit  zu  verneinen,  so  wirft  es  auch  Licht  auf  mancherlei 
weitere  Fragen.  Wir  werden  darauf  in  der  nächsten  Vorlesung  zurück- 
kommen. 


Dreizehnte  Vorlesung, 


Polymerie  und  verschiedene  Potenz  der  Erbfaktoren.  Natürliche 
Variation  durch  Bastardkombination.  Neukonstruktion  durch 
Faktoreninterferenz.  Unfruchtbarkeit  und  Luxurieren  der  Bastarde. 
Bastardkonstruktion  und  gekoppelte  Faktoren.    Mendelismus  und 

Tierzucht. 

In  Anbetracht  der  kurzen  Spanne  Zeit,  die  die  mendelistische  Er- 
forschung des  Vererbungsproblems  im  Gange  ist,  können  wir  auf  ihre 
Resultate  wohl  mit  Recht  stolz  sein.  Andererseits  wird  sich  aber  nie- 
mand wundern,  daß  es  noch  eine  ganze  Reihe  bisher  ungelöster  Fragen 
gibt,  wie  auch  mancherlei  Gedankengänge,  auf  deren  weiteren  Ausbau 
in  der  Zukunft  man  gespannt  sein  darf.  Gerade  die  Theorie  der  Poly- 
merie hatte  uns  bereits  an  einen  solchen  Punkt  geführt,  und  an  sie 
lassen  sich  nun  leicht  noch  andere  Punkte  anschließen,  in  denen  wir 
noch  nicht  völlig  klar  sehen.  Diese  im  Verein  mit  einigen  Ergänzungen 
zum  Gesamtbild  des  Mendelismus  sollen  den  Inhalt  dieser  Vorlesung 
bilden. 


—     262     — 

Die  Untersuchungen  über  eine  Reihe  mendelnder  Eigenschaften 
haben  uns  auch  mit  solchen  bekannt  gemacht,  die,  obwohl  sie  sich  als 
Ganzes  zu  ihren  Allelomorphen  wie  eine  Einheitseigenschaft  verhalten, 
doch  in  sich  selbst  nicht  einheitlich  sind.  Das  bekannteste  Beispiel 
dafür  ist  die  Scheckzeichnung  der  Nagetiere.  Wir  haben  schon  gehört, 
daß  sie  bei  Mäusen  auf  einem  dominanten  oder  rezessiven  Scheckungs- 
faktor beruht,  der  gegen  die  Ganzfarbigkeit  mendelt.  Die  Scheckung 
selbst  kann  nun  aber  graduell  außerordentlich  verschieden  sein  und 
schwanken  zwischen  nahezu  ganzfarbigen  Tieren  mit  kaum  weiß  durch 
alle  Übergänge  hindurch  bis  zu  nahezu  weißen  mit  kaum  Farbe.  Für 
die   Ratten   und  ihren   etwas  eigenartigen   Scheckungstypus   mit    dem 


-.2 


Fig.  99. 
Schematische  Darstellung  der  verschiedenartigen  Scheckung  bei  Ratten.      Nach  Castle- 

schwarzen  Rückenstreifen  (Fahne)  ist  dies  schematisch  in  Fig.  99  wieder- 
gegeben und  einige  Typen  zeigt  auch  die  Photographie  Fig.  100.  Analoge 
Fälle  sind  die  durch  eingestreute  weiße  Haare  hervorgerufene  Silberfarbe 
gewisser  Kaninchen,  bei  denen  dann  das  Maß  der  Silberung  schwankt, 
die  überzählige  Zehe  bei  Meerschweinchen,  die  von  einem  bescheidenen 
Stummel  an  einer  Extremität  bis  zu  voller  Ausbildung  an  allen  variiert 
oder  ein  ganz  ähnliches  Verhalten  überschüssiger  Zehen  bei  Hühnern. 
Besonders  Castle  hat  diesen  Erscheinungen  seine  Aufmerksamkeit  ge- 
widmet. Er  stellte  dabei  fest,  daß  diese  Eigenschaften  sich  durch  fort- 
gesetzte Selektion  der  extremen  Plus-  oder  Minusabweicher  weit  über 
das  Maß  der  Ausgangstiere  hinaus  steigern  lassen.  Es  ließe  sich  viel- 
leicht für  die  Erklärung  dieser  Fälle  die  Erscheinung  der   Polymerie 


—     2G3 


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Fig.  ioo. 
Gescheckte  Ratten   mit  verschieden    starker  Ausbildung    des    Rückenstreifens    (Fahne 

Nach  Mc.  Curdv  und  Castle. 


—     264     — 

heranziehen,  wie  es  Cuenot  und  Lang  für  die  Scheckung  der  Mäuse 
andeutungsweise  versucht  haben.  Es  könnte  ja  eine  Serie  von  Schek- 
kungsfaktoren  geben,  von  denen  jeder  schematisch  gedacht,  ein  weißes 
Areal  bestimmter  Ausdehnung  hervorruft,  so  daß  das  Maß  der  Scheckung 
von  der  Quantität  der  anwesenden  Teilfaktoren  abhängt.  Die  Selek- 
tionseffekte würden  dann  darauf  beruhen,  daß  Individuen  mit  möglichst 
vielen  oder  wenigen  Faktoren  ausgewählt  würden,  bei  deren  Weiter- 
bastardierung dann  die  Möglichkeit  weiterer  steigender  oder  fallender 
Kombinationen  gegeben  ist.  Bis  jetzt  ist  diese  Erklärung,  mangels 
überzeugenden  Beweismaterials,  aber  noch  nicht  sehr  befriedigend. 
Castle  selbst  bevorzugt  eine  andere  Erklärung,  die  uns  nicht  nur  für 
diesen  Fall,  sondern  prinzipiell  wichtig  erscheint.  Er  stellt  sich  vor,  daß 
ein  und  derselbe  Erbcharakter  verschiedene  Potenz  haben  kann,  ver- 
schiedene quantitative  Wirksamkeit.  Wenn  zwei  Erbfaktoren  zu- 
einander in  epistatischem  Verhältnis  stehen  (Castle  bezieht  den  Gedan- 
kengang auf  die  Dominanz,  die  man  aber  wohl  nicht  so  betrachten  sollte), 
so  besagt  das,  daß  der  eine  quantitativ  stärker  ist  als  der  andere.  Durch 
Schwankungen  in  der  Potenz  kann  aber  das  Verhältnis  ausgeglichen,  ja 
umgedreht  werden.  Die  verschiedenen  Grade  von  Scheckung  könnten 
also  auf  verschiedene  Potenz  des  Scheckungsfaktors  zurückgeführt  wer- 
den, und  wenn  eine  Selektion  mit  Erfolg  stattfindet,  so  besagt  das  eine 
Auswahl  der  hoch  potenzierten  Faktoren.  Allerdings  ist  auch  damit  der 
Fall  noch  nicht  völlig  geklärt.  Aber  der  Potenzbegriff  selbst  sollte  nicht 
aus  dem  Auge  gelassen  werden,  schon  deshalb,  weil  er  die  starren  Erb- 
faktoren in  physiologisch -labile  Begriffe  überzuführen  geeignet  ist. 
Denn  es  ist  dann  auch  vorstellbar,  daß  die  Potenz  eines  Erbfaktors  durch 
innere  wie  äußere  Faktoren  beeinflußbar  ist.  Das  ist  aber  für  die  prak- 
tische Zucht  von  großer  Bedeutung.  Kein  Züchter  wird  es  sich  nehmen 
lassen,  daß  eine  bestimmte  erbliche  Eigenschaft,  z.  B.  die  Neigung  zu 
Fettansatz  durch  sorgfältige  Zuchtwahl  hochgehalten  und  weiter  ge- 
steigert werden  kann;  nach  Aufhören  der  Selektion  tritt  aber  sehr  schnell 
ein  Rückschlag  ein.  Das  könnte  natürlich  die  Auswahl  geeigneter  poly- 
merer Kombinationen  bedeuten,  aber  auch  die  Auswahl  von  Individuen 
mit  hochpotenten  Erbfaktoren.  An  diesem  Punkte  sollten  neue,  sorg- 
sam ausgedachte  Experimente  einsetzen. 


—     265     — 

Die  Erscheinung  der  Polymerie  und  die  verwandten  Tatsachen  haben 
nun  schon  mehrfach  uns  wieder  von  einer  Variabilität  sprechen  lassen 
und  das  führt  uns  auf  Dinge  zurück,  von  denen  wir  früher  bei  Bespre- 
chung der  fluktuierenden  Variabilität  schon  gehandelt  haben.  Schon 
dort  erfuhren  wir,  daß  es  durch  bloße  Inspektion  einer  Variationsreihe 
oder  Kurve  unmöglich  ist,  zu  entscheiden,  ob  es  sich  um  die  Kurve  einer 
nichterblichen  Modifikation  in  einem  Biotypus  handelt  oder  um  eine 
Phänotypenkurve,  die  sich  in  Wirklichkeit  aus  zahlreichen  transgre- 
dierenden  Biotypenkurven  aufbaut.  Hier  haben  wir  nun  gesehen,  wie 
eine  Variabilität,  die  äußerlich  einer  gewöhnlichen  fluktuierenden  gleicht, 
dadurch  zustande  kommen  kann,  daß  eine  Reihe  von  Erbfaktoren  in 
verschiedener  Weise  kombiniert  werden.  So  könnte  man  ja  die  unend- 
liche Fülle  der  Farbvarietäten  der  Mäuse  in  eine  aufsteigende  Reihe  von 
den  hellsten  durch  alle  Übergänge  hindurch  bis  zu  dunkelsten  Tieren  an- 
ordnen. Oder  aber  die  Variationsreihe  kam  durch  die  Bastardkombination 
einer  polymer  repräsentierten  Eigenschaft  zustande :  Die  Variationsreihe 
des  Maises  inF2,  die  oben  abgebildet  wurde,  könnte  doch  gut  eine  gewöhn- 
liche Modifikationsreihe  sein.  Das  läßt  uns  nun  von  neuem  alle  Fälle 
ausgesprochener  Variabilität,  die  in  Abstammungsfragen  eine  Rolle  spielen, 
mit  kritischen  Augen  betrachten.  Und  da  ist  das  überraschende  Resultat, 
daß  je  tiefer  wir  in  den  Gegenstand  eindringen,  um  so  mehr  es  sich  zeigt, 
daß  vielgestaltige  Tier-  oder  Pflanzenformen  aus  Natur  oder  Kultur  nur  auf 
die  Bastardkombinationen  einer  oft  recht  geringen  Zahl  von  Erbfaktoren 
zurückzuführen  sind.  Je  größer  der  Polymorphismus,  um  so  größer 
auch  die  Zahl  der  kombinierten  Faktoren.  Aus  der  Fülle  der  im  Tier- 
und  Pflanzenreich  schon  vorliegenden  Beispiele  nur  eines:  Wir  haben 
uns  bereits  mit  der  Mendelschen  Vererbung  der  Zeichnung  der  Gehäuse 
von  Gartenschnecken  beschäftigt.  Diese  Zeichnung  ist  nun  ganz  außer- 
ordentlich variabel,  indem  alle  Übergänge  von  einfach  gelben  bis  zu 
fünfbändrigen  vorkommen,  was  mit  den  verschiedenen  möglichen  Bänder- 
kombinationen allein  89  Variationen  ergibt.  Diese  können  sich  dann 
noch  mit  mehreren  verschiedenen  Grundfarben  der  Schale  kombinieren, 
die  Bänder  können  als  Tüpfelbänder  erscheinen,  kurz  es  gibt  eine  unend- 
liche Mannigfaltigkeit.  Eine  solche  Variationsreihe  in  Form  eines  Kreises, 
der  mit  einer  ganz  hellen  Form  beginnt  und  einer  durch  Verschmelzung 


—     266     — 

der  Bänder  ganz  dunkeln  aufhört,  ist  in  nebenstehender  Fig.  101  wieder- 
gegeben. Lang  hat  es  nun  wahrscheinlich  gemacht,  daß  diese  ganze 
Variabilität  auf  der  Bastardkombination  einer  Reihe  von  mendelnden 
Merkmalen  beruht.  Ein  analoges  Beispiel  aus  dem  Tierreich  ist  in 
Fig.  102  abgebildet.  Auch  diese  noch  durch  viele  Zwischentypen  zu 
ergänzende  Variationsreihe  kommt  durch  eine  derartige  Kombination 
von  ganz  wenigen  Faktoren  zustande   (Goldschmidt). 


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Fig.  ioi. 
Variationsreihe  der  Schalenzeichnung  von  Helix  hortensis  in  Kreisform,  die  Übergänge 
zwischen  weißer  und  schwarzer  Schale  zeigend.    Die  beigesetzten  Zahlen  stellen  sym- 
bolische Bezeichnungen  der  einzelnen  Typen  dar.     Nach  Lang. 


Diese  Tatsachen  sind  natürlich  in  der  verschiedensten  Richtung  be- 
achtenswert. Wenn  etwa  Einzelexemplare  einer  solchen  Reihe  auf  ihre 
Erblichkeit  untersucht  werden,  so  kann  es  sich  zeigen,  daß  ihr  Charakter 
rein  vererbt  wird.  In  einem  anderen  Falle  ergibt  es  sich  aber,  daß  sich 
in  ihrer  Nachkommenschaft  wieder  eine  außerordentliche  Variabilität 
findet.  Man  kann  dann  versucht  sein  zu  sagen,  daß  ein  und  dieselbe 
Eigenschaft  als  erbliche  Eigenschaft  wie  als  nichterbliche  Modifikation 
auftreten  kann,  und  man  könnte  daraus  weitgehende  Schlüsse  auf  das 


—     267     — 


*-  *** 


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Fig.   102. 


Zehn  eine  Reihe  bildende  Variationstypen  der  Gesamtart  Lymantria  monacha. 


—     268     — 

gegenseitige  Verhältnis  dieser  Zustände  ziehen.  Ich  selbst  habe  diesen 
Fehler  in  der  ersten  Auflage  dieses  Buches  begangen.  Im  Lichte  der 
obigen  Erörterungen  ist  es  aber  klar,  daß  der  Unterschied  in  den  beiden 
Fällen  der  war,  daß  einmal  Homozygote  genommen  wurden,  die  also 
nicht  weiter  spalteten,  im  anderen  Falle  mehr  oder  minder  komplizierte 
Heterozygote,  die  weiterhin  spalten  mußten.  Auch  dies  mahnt  wieder 
zur  Vorsicht  bei  Schlußfolgerungen  aus  Material,  dessen  genotypische 
Einheitlichkeit  nicht  völlig  sichergestellt  ist. 

So  erscheint  nun  all  das  biologische  Material,  das  in  Artbildungsfragen 
eine  Rolle  spielt,  die  „Variabilität"  der  Kulturtiere  und  Pflanzen,  die 
Variabilität  vielgestaltiger  Naturformen  unter  einem  ganz  anderen 
Gesichtswinkel:  dem  der  komplizierten  Bastardkombination.  Aller- 
dings bringt  diese  nichts  Neues  hervor,  sondern  nur  neue  Zusammen- 
stellungen ,  die  nur  unter  Umständen  den  Eindruck  von  wirklich 
Neuem  erwecken  können;  man  denke  an  die  quergebänderte  Helix 
Längs.  Aber  es  scheint,  daß  man  jetzt  sogar  noch  einen  Schritt  weiter 
gehen  kann. 

Erinnern  wir  uns  an  den  Fall  der  Hühnerkämme.  Rosen  kämm  x 
Erbsenkamm  gab  Walnußkamm,  der  ja  auch  homozygot  rein  gezüchtet 
werden  konnte.  Zwei  durch  Bastardierung  zusammengebrachte  positive 
Faktoren  ergaben  durch  ihr  Zusammenwirken  eine  Neukonstruktion. 
Stehen  sich  nun  zwei  Formen  im  System  so  fern,  daß  man  ihre  Differenz 
als  Artdifferenz  bezeichnen  könnte,  so  werden  sich  bei  Kreuzung  viele 
Charaktere  als  einfache  mendelnde  Merkmalspaare  verhalten  und  somit 
die  Möglichkeit  von  unendlichen  Neukombinationen  ergeben.  Andere 
Merkmale  aber  könnten  derart  sein,  daß  sie  in  beiden  Formen  durch 
einander  entsprechende,  aber  nicht  identische  positive  Faktoren  bedingt 
sind,  die,  wenn  sie  bei  Bastardierung  zusammenkommen,  miteinander 
interferieren  und  dadurch  eine  gänzlich  neue  Wirkung  hervorrufen,  eine 
Neukonstruktion  durch  Faktoreninterferenz.  Nehmen  wir  ein 
Beispiel.  Bei  zahlreichen  gezüchteten  Tierformen  kommt  ein  sogenanntes 
Seidenhaar  vor,  das  gegen  das  normale  Haar  mendelt.  Die  nächstliegende 
und  wohl  auch  verbreitetste  Auffassung  ist  die,  daß  dieser  Haartypus 
als  Mutation  plötzlich  entstanden  ist.  Bei  seinen  Hasen-Kaninchenkreu- 
zungen fand  Gayot   (1872)  in   der  F2-Generation  solches  Seidenhaar 


—     269     — 

auftreten  und  ein  kürzlich  beschriebener  derartiger  Bastard  zeigte  es 
ebenfalls  (Rörig).  Es  waren  da  also  wohl  2  (oder  mehrere)  interferie- 
rende Faktoren  so  zusammengetroffen,  daß  sie  die  Neukonstruktion  be- 


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Fig.  103.     Burchells  Zebra  nach  Ewart. 


dingten.  Es  ist  dabei  sehr  gut  möglich,  daß  diese  neue  Eigenschaft  sich 
nachher  nicht  als  durch  mehrere  Faktoren  bedingt  erweist,  sondern 
durch  nur  einen,  da  es  ja  durchaus  denkbar  ist,  daß  in  einem  solchen 


A.'  *' '  /  ^^ 


Fig.  104.     Burchellzebra  —  Halbeselbastard  nach  Ewart. 


-    268     — 


gegenseitige  Verhältnis  dieser  i  stände  ziehen.  Ich  selbst  habe  diesen 
Fehler  in  der  ersten  Auflage  dses  Buches  begangen.  Im  Lichte  der 
obigen  Erörterungen  ist  es  abei  lar,  daß  der  Unterschied  in  den  beiden 
Fällen  der  war,  daß  einmal  H  nozygote  genommen  wurden,  die  also 
nicht  weiter  spalteten,  im  andt  n  Falle  mehr  oder  minder  komplizierte 
Heterozygote,  die  weiterhin  sp  en  mußten.  Auch  dies  mahnt  wieder 
zur  Vorsicht  bei  Schlußfolgernden  aus  Material,  dessen  genotypische 
Einheitlichkeit  nicht  völlig  sie  rgestellt  ist. 

So  erscheint  nun  all  das  biol-  ische  Material,  das  in  Artbildungsfra^« 
eine  Rolle  spielt,  die  „Variabi   it"  der  Kulturtiere  und  Pflanzen, 
Variabilität    vielgestaltiger    Nairformen    unter    einem    ganz    and 
Gesichtswinkel:    dem    der    kon  lizierten    Bastardkombination, 
dings  bringt  diese  nichts  Neue  hervor,  sondern  nur  nei 
Stellungen,    die    nur   unter    U ständen    den    Eindru< 
Neuem   erwecken  können;    ma    denke    an 
Längs.    Aber  es  scheint,  daß  n.n  jel 
gehen  kann. 

Erinnern  wir  uns  an  den 
Erbsenkamm  gab  Walnußka 
werden  konnte.    Zwei  dir 
Faktoren  ergaben   durch 
Stehen  sich  nun  zwei  Foi 
als  Artdifferenz  bezeichn 
Charaktere  als  einfache  i 
die  Möglichkeit  von  um 
Merkmale  aber  könnten 
einander  entsprechende,  a 
sind,  die,  wenn  sie  bei 
interferieren  und  dadurclJ 
Neukonstruktion  dur* 
Beispiel.   Bei  zahlreichen  . 
Seidenhaar  vor,  das  gegen  I 
und  wohl  auch  verbreite 
als  Mutation  plötzlich  ent 
zungen  fand  Gayot   (18 


—     269  — 

auftreten  und  ein  kürzlich  beschrieb«    r  derartiger  Bastard 
ebenfalls  (Rörig).     Es  waren  da  also  ohl  2  (oder  mehr« 
rende  Faktoren  so  zusammengetroffen  laß  sie  die  NeukonSÜ 


/ 


11 


der 

den 

keit 

züchten 

htbai  keil 

steige] 

hkommen 

»n  n  hmetter- 

h  weiter  ent- 

:lung  nicht  mehr 

-  d<  -  bekannten 

I     rfoi  inen 

I    5ch<  inungen 

auch  bei  Varietätskn  u- 
Ersi  heinung   zugn  unde 
tardformen  existenzfähig 
lomozygote   Kombina- 
zuerst  fand,  nur  in 
gepaart,  so  müßten  ja 
1  ■  ichtgelbe  entsteh 
ici)  im  Verhältnis  von 
V<  1  5U<  i"  ii    1511  :  767). 
,     Mi:  dem  Gelbfaktor 
ich  1-1 .    Ein  ganz  ana- 
Die  gelbblättrige 
rozygot  in  bezug  auf 
fortgepflanzt  entstanden 
-  3   homozygote   grüne. 
ml  zwar,  wie  sich  zeigte, 
iS 


—     272     — 

doppelte  Größe  gewöhnlicher  Walnußbäume  erreicht.  Interessant  ist  in 
diesem  Zusammenhang  die  Annahme  vonEast,  daß  die  guten  Kartoffel- 
sorten auch  luxurierenden  Bastarden  entstammen,  da  sie  in  vielen  Charak- 
teren sich  als  heterozygot  erweisen,  was,  da  sie  ja  nur  ungeschlechtlich 
fortgepflanzt  werden,  von  jeher  der  Fall  sein  muß.  Aus  dem  Tierreich  sei 
auf  die  außerordentliche  Leistungsfähigkeit  der  Maultiere  verwiesen  oder 
auf  einen  von  Kammerer  gezüchteten  Acerina-Perca-Bastard,  der 
sich  als  viel  schnellwüchsiger  und  zählebiger  erwies  als  seine  Eltern. 

Ich  selbst  habe  bei  meinen  Entenzuchten  beobachtet,  daß  bei  einer 
bestimmten  Kreuzung  (Wildente  x  Pekingente)  die  als  solche  nicht 
sehr  kräftigen  Bastarde  eine  ganz  ungeheuer  gesteigerte  Fruchtbarkeit, 
fast  die  doppelte  wie  die  besten  Legerassen,  besaßen.  In  jüngster  Zeit 
hat  nun  Pearl,  wie  wir  später  erfahren  werden,  gezeigt,  daß  die  mehr 
oder  minder  große  Fruchtbarkeit  von  Hühnerrassen  auf  dem  Zusammen- 
wirken von  zwei  charakteristischen  Erbfaktoren  beruht.  Der  Gedanke 
liegt  nahe,  daß  auch  dieses  Luxurieren  nichts  ist,  als  die  Additionswirkung 
zweier  derartiger  interferierender  Faktoren. 

Und  ganz  ähnliches  gilt  wohl  für  den  zweiten  Punkt,  die  häufige 
Unfruchtbarkeit  von  Bastarden.  Während  meist  Bastarde  zwischen 
nahestehenden  Rassen,  Varietäten,  Elementararten  unbegrenzt  fruchtbar 
sind,  nimmt  die  Fruchtbarkeit  mit  der  Entfernung  im  System  rapid  ab. 
Schon  von  Artbastarden  gilt  die  Tatsache,  daß  sie  in  überwiegender  Zahl 
unfruchtbar  sind.  Und  zwar  lassen  sich  dabei  alle  Übergänge  von  vöUiger 
Unfruchtbarkeit  über  geminderte  Fruchtbarkeit  zu  normaler  Fruchtbar- 
keit feststellen.  Bei  völlig  unfruchtbaren  Artbastarden  zeigt  sich  aller- 
dings bisweilen,  daß  nur  die  männlichen  Tiere  gänzlich  unfruchtbar 
sind,  die  weiblichen  aber  regelmäßig  oder  nur  gelegentlich  befruchtungs- 
fähige Eier  bilden,  aber  auch  das  umgekehrte,  so  daß  eine  Anpaarung 
mit  den  Elternformen  möglich  ist.  Über  die  Ursache  der  Unfruchtbar- 
keit ist  so  gut  wie  nichts  bekannt.  Man  hat  versucht,  sie  auf  zelluläre 
Ursachen  zurückzuführen,  ohne  daß  dies  trotz  zahlreicher  Einzelbefunde 
mit  einiger  Zuverlässigkeit  gelungen  wäre.  Denn  es  zeigte  sich,  daß  ent- 
weder überhaupt  keine  Geschlechtszellen  gebildet  werden  oder  daß  sie 
sich  ganz  normal  entwickeln  und  trotzdem  im  letzten  Moment  zugrunde 
gehen.     Während  man  so  die  verschiedenen  Stufen  des  Verhaltens  der 


—     273     — 

Geschlechtselemente  steriler  Bastarde  vor  allem  durch  die  Untersuchun- 
gen von  Poll  an  Tieren  und  Tischler  an  Pflanzen  sehr  gut  kennt,  weiß 
man  nichts  Positives  über  die  Ursachen  des  betreffenden  Verhaltens. 
Für  die  Frage  der  Artbildung  aus  konstant  züchtenden  Bastarden 
ist  dieser  Punkt  natürlich  von  besonderer  Wichtigkeit;  wie  vorsichtig 
man  da  aber  mit  negativen  Schlüssen  sein  muß,  geht  aus  der 
Tatsache  hervor,  daß  Wettstein  bei  sterilen  Sempervivumbastarden 
fand,  daß  bei  Erzeugung  neuer  Blüten  plötzlich  die  Fruchtbarkeit 
wieder  auf  50%  anstieg,  so  daß  er  eine  konstante  Bastardrasse  züchten 
konnte.  Vielleicht  ist  die  physiologische  Ursache  der  Unfruchtbarkeit 
in  den  gleichen  Faktoren  zu  suchen,  die  es  bedingen,  daß  mit  steigender 
Entfernung  der  Bastardeltern  im  System  auch  die  Bastardnachkommen 
immer  mehr  lebensunfähig  werden.  Gattungsbastarde  von  Schmetter- 
lingen sterben  vielfach  schon  auf  dem  Raupenstadium,  noch  weiter  ent- 
fernte Bastarde  vermögen  bereits  die  Embryonalentwicklung  nicht  mehr 
zu  vollenden  oder  sogar  nur  zu  beginnen.  Angesichts  des  bekannten 
biochemischen  Verhaltens  der  Körpersäfte  verschiedener  Tierformen 
(Präzipitation)  dürften  die  letzten  Ursachen  für  beide  Erscheinungen 
wohl  auf  biochemischem  Gebiet  zu  suchen  sein. 

Es  ist  übrigens  von  großem  Interesse,  daß  es  auch  bei  Varietätskreu- 
zungen Dinge  gibt,  denen  sichtlich  die  gleiche  Erscheinung  zugrunde 
liegt,  mit  dem  Unterschied  nur,  daß  die  Bastardformen  existenzfähig 
sind,  merkwürdigerweise  aber  nicht  bestimmte  homozygote  Kombina- 
tionen. So  sind  gewisse  gelbe  Mäuse,  wie  Cuenot  zuerst  fand,  nur  in 
heterozygotem  Zustand  lebensfähig.  Werden  sie  gepaart,  so  müßten  ja 
Y4  homozygot  gelbe,  2/4  heterozygotgelbe  und  y4  nichtgelbe  entstehen. 
Statt  dessen  gibt  es  aber  immer  gelbe  zu  nichtgelben  im  Verhältnis  von 
2:1  (in  Cuenots,  Castles  und  Durhams  Versuchen  1511  :  767). 
Die  homozygoten  gelben  sind  also  existenzunfähig.  Mit  dem  Gelbfaktor 
muß  etwas  verbunden  sein,  was  in  zwei  Dosen  tödlich  ist.  Ein  ganz  ana- 
loges Beispiel  hat  Baur  im  Pflanzenreich  gefunden.  Die  gelbblättrige 
(aurea)-Sippe  von  Antirrhinum  majus  ist  stets  heterozygot  in  bezug  auf 
grün  mit  Dominanz  von  gelb.  Mit  ihresgleichen  fortgepflanzt  entstanden 
y3  wieder  heterozygote  aurea -Formen  und  2/3  homozygote  grüne. 
Homozygote  gelbe  werden  aber  nie  gebildet,  und  zwar,  wie  sich  zeigte, 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl.  *" 


—     274     — 

bloß  deshalb,  weil  sie  nicht  lebensfähig  sind  und  schon  als  Keime  ab- 
sterben. Diese  Versuche  sind  übrigens  auch  in  anderer  Richtung  lehr- 
reich, indem  sie  zeigen,  daß  auch  den  theoretisch  möglichen  Faktoren- 
kombinationen unter  Umständen  eine  physiologische  Grenze  gesteckt  ist. 

Kehren  wir  nach  dieser  kleinen  Abschweifung  wieder  zur  Unfrucht- 
barkeit der  Bastarde  zurück. 

Vom  nicht -physiologischen,  rohmechanischen  Standpunkt  aus  be- 
trachtet dürfte  aber  auch  dieser  Fall  sich  auf  dem  Wege  der  interferieren- 
den Bastardkonstruktion  erklären  lassen.  Eine  Reihe  von  neueren 
botanischen  Untersuchungen  z.  B.  von  Baur  für  Bastarde  der  Antir- 
rhinumspezies  und  von  Rosen  für  die  der  Eropliila  umia-Kleinarten 
haben  ergeben,  daß  wenn  in  F1  die  Fruchtbarkeit  nur  so  vermindert 
war,  daß  gerade  noch  Nachkommenschaft  erhalten  werden  konnte,  ein  Teil 
der  F2Tndividuen  wieder  vollständig  fruchtbar  ist :  das  können  nur  die 
sein,  bei  denen  bei  der  Neukombination  die  interferierenden  Faktoren 
nicht  mehr  zusammenkamen. 

Schließlich  gehört  in  diesen  Zusammenhang  noch  eine  Erscheinung,, 
die  bisher  noch  nicht  genügend  geklärt  ist.  Erinnern  wir  uns  an  den 
Fall  der  Andalusierhühner.  Dort  entstanden  aus  der  Kreuzung  einer 
schwarzen  mit  einer  schmutzigweißen  Rasse  die  blauen  Fj-Tiere,  die 
immer  wieder  in  i  schwarzes  :  2  blaue  :  1  weißes  spalteten.  Blau  war 
also  der  heterozygote  Zustand.  Man  kann  nun  gewiß  nicht  sagen,  daß. 
dies  ohne  weiteres  verständlich  ist.  Denn  auf  Grund  der  Presence- 
Absence-Theorie  haben  die  Bastarde  einen  Schwarzfaktor  in  heterozy- 
gotem Zustand,  also  in  einer  Portion,  was  doch  nicht  blau  ist.  Es  muß. 
also  wohl  etwas  wie  eine  interferierende  Konstruktion  im  Spiel  sein.  Da 
die  Spaltung  in  diesem  Fall  mit  nur  einem  Eigenschaftspaar  verläuft,, 
so  können  die  interferierenden  Faktoren  nicht  selbständig  sein,  son- 
dern müssen  mit  dem  Schwarz-weiß-Allelomorphenpaar  fest  verkoppelt 
sein,  so  daß  sie  nur  im  Heterozygotenzustand  zusammenkommen  und 
eine  Reaktion  ergeben.  Die  richtige  Formulierung  des  Falles  müßte 
also  folgendermaßen  lauten:  Die  schwarze  und  die  weiße  Rasse  haben 
beide  Pigment,  denn  die  letztere  ist  nicht  rein  weiß,  jede  besitzt  den  Pig- 
mentfaktor P.  Die  weiße  Rasse  besitzt  aber  nur  minimal  wenig  Pigment,, 
ihr  fehlt  nur  ein   Entfaltungsfaktor,    der   die   reiche    Pigmentquantität. 


—     275     — 

bedingt  und  bei  der  schwarzen  vorhanden  ist,  sagen  wir  0.  Dagegen 
besitzt  die  weiße  Rasse  einen  Mosaikfaktor,  der  das  anwesende  Pie- 
ment  fein  verteilt,  M,  weshalb  sie  ja  auch  schmutzigweiß  ist.  Der 
schwarzen  fehlt  aber  dieser  Faktor.  Bei  beiden  Rassen  sind  abei 
diese  Faktoren  so  aneinander  gekoppelt,  daß  sie  nur  gemeinsam  ver- 
erbt werden  können,  was  durch  eine  Klammer  ausgedrückt  werden 
kann.     Es  heißen  somit  die  Eltern: 

schwarz:   (m  P Q)  =  A  weiß:  {MPq)  =  a 

und  Fx       (m  P  ())  {MPq)  =  A  a 

Es  trifft  somit  in  Fx  der  Mosaikfaktor  mit  dem  Ouantitätsfaktor  zusam- 
men und  bedingt  somit  die  feine  Verteilung  des  reichlichen  Pigments, 
die  als  blau  bezeichnet  wird.  Die  Spaltung  kann  aber  nur  monohybrid 
erfolgen,  da  alles  in  der  Klammer  so  gekoppelt  ist,  als  wenn  es  nur  ein 
Faktor  A  bzw.  a  wäre. 

Die  Möglichkeit  einer  solchen  Erklärung  ist  von  Correns  angeregt 
worden,  der  damit  einen  ganz  analogen  pflanzlichen  Fall  interpretiert. 
Er  kreuzte  eine  sehr  hell  rosa,  fast  weiße  Varietät  des  Leimkrauts  Silene 
Armeria  mit  einer  rosa  blühenden  und  erhielt  in  F1  stets  schön  purpurrot 
blühende,  also  eine  Neukonstruktion.  Nach  dem,  was  wir  früher  über 
die  purpurroten  spanischen  Wicken  hörten,  wäre  nun  anzunehmen,  daß 
die  eine  Rasse,  die  weiße,  einen  kryptomeren  Sättigungsfaktor  hätte, 
der  dann  in  Fr  in  Wirksamkeit  tritt  und  in  F2  wäre  dann  eine  Spaltung 
nach  dem  Schema  mit  zwei  Eigenschaften  zu  erwarten.  Statt  dessen  trat 
aber  wie  bei  den  Andalusiern  die  Spaltung  in  i  rosa  :  2  purpurn  :  1  weiß 
ein.  Die  Cofrenssche  Erklärung  ist  denn  auch  die,  die  wir  schon  vorweg 
für  die  Andalusier  benutzt  haben,  wobei  nur  an  Stelle  des  Mosaikfaktors 
der  Sättigungsfaktor   5  zu  setzen  wäre. 

Diese  Tatsachen  und  Überlegungen  haben  nun  aus  folgenden  Gründen 
ihre  Wichtigkeit.  In  den  meisten  Fällen,  in  denen  eine  solche  spaltende 
heterozygote  Konstruktion  vorkommt,  gibt  es  verwandte  Rassen,  die 
die  gleiche  Eigenschaft  in  nichtspaltender  konstanter  Form  besitzen. 
Correns  weist  darauf  hin,  daß  es  auch  eine  konstant  züchtende  purpur- 
rote Silene  Armeria  gibt.  Es  gibt  Fälle  von  Kreuzungen  dunkler  und 
heller  Bohnen,  bei  denen  der  Bastard  gesprenkelt  ist,  aber  es  gibt  auch 
reinzüchtende  gesprenkelte  Formen;  wir  haben  gehört,  daß  bei  Kreuzung 

18* 


—     276     — 

von  schwarzen  und  weißen  Hühnern  Fx  gegittert  sein  kann  (Mosaikver- 
erbung), aber  es  gibt  auch  Formen,  deren  Gitterung  auf  einem  einzigen 
konstanten  Erbfaktor  beruht.  Es  ist  daher  sehr  gut  denkbar,  daß  es 
vorkommt,  daß  solche  gekoppelte  Faktoren  ihre  feste  Verbindung  bei 
der  Bastardierung  oder  auch  vorher  aufgeben.  Ist  das  der  Fall,  dann 
kann  natürlich  eine  nicht  mehr  spaltende  Form  durch  Bastardierung 
kombiniert  werden,  also  rein  züchtende  blaue  Andalusier  von  der  Formel 
MMPP  Q  Q  anstatt  (;;;  P  Q)  (MPq)<  reinzüchtendes  purpurnes  Leinkraut, 
gesprenkelte  Bohnen  und  gesperberte  Hühner.  Der  Endeffekt  ist  dann 
der  gleiche  wie  bei  der  vorher  besprochenen  Konstruktion  durch  Inter- 
ferenz, wenn  auch  der  Weg  ein  anderer  ist. 

Damit  verlassen  wir  nun  aber  bereits  den  Boden  der  Tatsachen. 
Fügen  wir  daher  zum  Schluß  nur  noch  ein  Wort  über  die  praktische 
Seite  der  behandelten   Probleme  zu. 

Es  wird  wohl  heute  keinen  mit  den  Tatsachen  genügend  Vertrauten 
mehr  geben,  der  die  große  wissenschaftliche  Bedeutung  des  Mendelismus 
nicht  erkennte.  Aus  einer  richtigen  Würdigung  der  hier  vorgeführten 
Grundtatsachen  geht  aber  auch  ohne  weiteres  die  außerordentliche  prak- 
tische Bedeutung  hervor.  Die  Pflanzenzüchtung  hat  denn  auch  schon 
diese  Erkenntnis  gezogen  und  verwertet  sie,  besonders  bei  den  landwirt- 
schaftlichen Nutzpflanzen,  Getreide,  Mais,  Tabak,  Baumwolle,  bereits 
in  ausgedehntem  Maße.  Merkwürdigerweise  verhält  sich  aber  die  prak- 
tische Tierzucht  bisher  noch,  besonders  bei  uns,  völlig  ablehnend.  Es 
ist  dies  um  so  unbegreiflicher,  als  die  ganze  züchterische  Literatur,  richtig 
betrachtet,  eine  Sammlung  von  mendelistischen  Tatsachen  darstellt. 
Unglaublicherweise  ziehen  aber  auch  die  fortschrittlichsten  Züchter,  von 
verschiedenen  Ausnahmen  abgesehen,  die  alten  Züchterredensarten 
einer  wirklichen  Erkenntnis  vor.  So  kann  man  in  einem  vielbenutzten, 
neuen  Lehrbuch  der  Tierzucht  Sätze  lesen  wie :  „Neue  Rassen  werden 
in  bezug  auf  Vererbungsfähigkeit  als  unsicher  gelten  müssen,  wenn  sie 
unter  geschraubter  Haltung,  also  bei  Stallaufzucht  und  reichlicher  Er- 
nährung ohne  Abhärtung  entstanden  sind,  anderen  wiederum  wird  man 
mehr  Vertrauen  entgegen  bringen  können,  wenn  sie  sich  bei  Weidegang 
und  naturgemäßer  Jugendernährung  herangebildet  haben.  Mit  welcher 
Generation  bei  planmäßigen  Kreuzungen  die  Konstanz  eintritt,  ist  dem- 


277     — 

nach  von  den  oben  geschilderten  Außenverhältnissen  abhängig.  Als  rein- 
blutig  wird  zwar  schon  die  vierte  oder  fünfte  Generation  angesehen, 
immerhin  kann  es  aber  Tieren  solcher  Abkunft  im  einzelnen  Falle  noch 
an  Konstanz  mangeln."  Also,  wann  homozygote  Bastardkombinationen 
erhalten  werden,  hängt  vom  Weidegang  ab!  Die  Schuld  an  solchen  Vor- 
stellungen dürfte  wohl  zweierlei  tragen.  Einmal  das  gänzliche  Fehlen 
einer  Trennung  zwischen  nichterblichen  Modifikationen,  also  dem,  was 
durch  gute  oder  schlechte  Haltung,  passendes  Klima,  Boden,  kurz  die 
Außenwelt  bedingt  wird,  und  dem  erblich  festgelegten  Verhalten :  Ein 
Schwein  mit  Anlage  zur  Fettwüchsigkeit  wird,  wenn  es  hungert,  auch 
nicht  fett,  unter  richtigen  Bedingungen  aber  sehr  fett,  eines  ohne  diese 
Erbanlage  aber  auch  unter  den  besten  Bedingungen  nicht  über  ein  ge- 
wisses Maß  hinaus.  Sodann  trifft  die  Hauptschuld  die  Geheimnistuerei 
der  erfolgreichen  Züchter,  das  Vorherrschen  undefinierbarer  Redens- 
arten an  Stelle  klarer  Angaben  und  unklare  Vorstellungen  über  die 
eigene  Züchtertätigkeit.  Wie  schon  gesagt,  betrachtet  man  in  irgend- 
einem einigermaßen  geklärten  Fall  züchterische  Erfolge,  so  zeigt  sich 
stets,  daß  — ■  natürlich  abgesehen  von  geeigneter  Haltung,  also  Erziehung 
von  Plusabweichern  — •  nichts  anderes  vorlag  als  eine  mendelistische 
Faktorenkombination,  die  so  geschah,  daß  zwei  Formen  bastardiert 
wurden  und  dann  unter  den  zahllosen  Faktorenkombinationen  die- 
geeigneten  solange  ausgewählt  wurden,  bis  sie  mehr  oder  minder  homo- 
zygot waren.  Diese  einfachen  Tatsachen  werden  nur  hinter  Ausdrücken 
wie  Zuchtrichtung,  Hochzucht,  inzüchterische  Behandlung  und  derglei- 
chen verschleiert.  Zeigen  wir  dies  an  einem  Beispiel  noch  auf,  der  Ge- 
schichte der  Schweinezucht,  wie  sie  von  einem  so  vortrefflichen  Kenner 
wie  Hösch  geschildert  wird.  Man  möchte  da  zunächst  allerdings  an 
einer  Möglichkeit  der  wissenschaftlichen  Erkenntnis  verzweifeln,  wenn 
man  liest 1 :  ,, Unsere  Herden  sind  im  großen  und  ganzen  entweder  be- 
wußt veredelt  oder  aber  planlos  verzüchtet.  Von  einer  Urwüchsigkeit, 
die  hinter  den  Bergen  bestehen  blieb,  kann  abgesehen  von  Ausnahme- 
fällen, keine  Rede  mehr  sein.  Da  gibt  es  denn  nur  zwei  Wege.  Bei  wei- 
tem am  meisten  bevorzugt  ist  heute  derjenige  Weg,  welcher  einer  Zucht- 

1  Es  ist  von  der  Robustheit   urwüchsiger  Rassen    die  Rede  und  ihrem  Gegensatz 
zu  hochveredelten  Zuchten. 


—     278     — 

richtung  Raum  verschafft,  die  mit  dem  Typ  des  erstrebten  und  meist 
verwendeten  Nutztieres  zusammenfällt.  Auf  diesem  Wege  schreiten 
die  Zuchten  der  mittleren  Formen,  also  des  deutschen  veredelten  Land- 
schweines, zum  Teil  auch  diejenigen  des  deutschen  Edelschweines  vor. 
Ein  anderer  Weg,  der  sich  dem  Verfahren  früherer  Zeiten  anschließt, 
betreibt  getrennte  Produktion  von  Frühreife  und  Jugendmastfähig- 
keit einerseits  und  von  Robustheit  andererseits.  Aber  mit  dem  Unter- 
schied gegen  früher,  daß  man  die  Pflege  der  letztgenannten  Eigenschaften 
nicht  dem  Zufall  überläßt,  sondern  dieselbe  zielbewußt  und  geradezu  hoch  - 
züchterisch  in  die  Hand  nimmt.  Hier  arbeiten  die  äußerlich  so  getrennt 
gehenden  weißen  und  schwarzen  Edelschweinzuchten  in  gegenseitiger 
Unterstützung  mit  den  Zuchten  der  unveredelten  Landschweine,  zum  ge- 
ringen Teil  auch  mit  denjenigen  des  veredelten  Landschweins  zusammen." 
Betrachten  wir  nun  aber  einmal  einzelne  ausgewählte  Angaben,  aus 
denen  klar  hervorgeht,  was  Ausdrücke  wie  zielbewußt  und  hochzüchte- 
risch  bedeuten.  Da  heißt  es  vom  Beginn  der  englischen  Zuchterfolge: 
,, Hiermit  sind  wir  in  jene  Zeit  eingetreten,  wo  englische  Züchter  die 
Augen  des  Kontinents  auf  ihre  erstaunliche  Züchtung  neuer  Haustier- 
formen lenken .  B  a k e w e  1 1 ,  den  Albrecht  Th. aer  als  den  wunderbaren 
Künstler  bezeichnete,  welcher  Tierformen  praktisch  schaffe,  wie  er  die- 
selben sich  im  Ideal  des  Gedankens  vorgebildet  habe,  hatte  nach  vorher- 
gegangener Einmischung  von  neapolitanischem  und  chinesischem  Blut 
durch  fortgesetzte  inzüchterische  Behandlung  das  verbesserte  Leicester- 
Schwein  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  entstehen  lassen. 
Durch  regelmäßige  Bevorzugung  der  symmetrischen  und  feinknochigen, 
wenn  auch  kleineren  Tiere  vor  den  größeren  und  daher  weniger  leicht 
ernährbaren,  war  diese  Zucht  in  Formen  gebracht,  die  ganz  besonders 
gegenüber  den  bisher  in  England  und  im  kontinentalen  Europa  vertrete- 
nen großen,  hochgestellten,  gemeinen,  großohrigen  Hausschweinen  auf- 
fallen mußten."  Drücken  wir  dies  etwas  anders  aus,  so  hat  Bakewell 
das  einheimische  Schwein  mit  neapolitanischen  und  siamesischen  ge- 
kreuzt, also  einige  komplizierte  Bastardierungen  ausgeführt,  in  deren 
Folge  eine  Spaltung  mit  allen  möglichen  Kombinationen  der  zahlreichen 
involvierten  Erbfaktoren  auftrat.  Aus  diesen  suchte  er  die  ihm  geeignet 
erscheinenden  aus,  paarte  sie  untereinander  und  so  immer  fort,  bis  er 


—     279     — 

zu  einem  homozygoten  Zustand  der  betreffenden  Faktorenkombination 
in  möglichst  vielen  der  ihm  wünschenswert  erscheinenden  Faktoren  kam. 
Also  er  mendelte  unbewußt! 

Eine  andere  Stelle,  bei  Besprechung  der  Anpassung  an  bestimmte 
Marktbedürfnisse:  „Einer  derartigen  Marktlage  wurde  man  gerecht,  in- 
dem man  die  früh  verfettenden  englischen  Zuchten  aus  südostasiatischen 
und  romanischem  Blut  zu  Kreuzungen  heranzog  und  naturgemäß  auch  die 
Haltungsart  entsprechend  einem  solchen  Ziele  einrichtete."  Also  man 
kombinierte  im  unbewußten  Mendelexperiment  die  Erbeigenschaft  früh- 
zeitige Fettwüchsigkeit  mit  der  vorhandenen  Erbmasse  und  richtete 
dann  die  äußeren  Faktoren  auf  Erzielung  von  Plusabweichern  bei  der 
Xeukombination  ein.  Oder  bei  Besprechung  der  Berkshire-Sau :  „Die 
erste  Kunde  von  der  Erzüchtung  dieser  Zucht  kommt  aus  dem  Jahre 
1813  durch  eingehendere  Ausführungen  Manors.  Man  hatte  das  be- 
sonders große,  grobe,  starkknochige  und  starkborstige  Landschwein  der 
Grafschaft  Berkshire,  durch  lang  herabhängende  Ohren  besonders  charak- 
terisiert, mit  chinesischen  Schweinen,  die  in  diesem  Falle  als  Tongking- 
rasse  bezeichnet  waren,  gekreuzt.  Die  Entwicklung  der  Berkshirezucht 
ist  zunächst  von  Hermann  von  Xathusius  und  später  von  der  Mehr- 
zahl unserer  Tierzuchtlehrer  mit  Fug  und  Recht  als  ein  Lehrbeispiel  für 
die  Bedeutungslosigkeit  eines  Zuchtnamens  hinsichtlich  der  Zucht- 
eigenschaften benutzt  worden,  sobald  es  sich  um  lange  Zeitabschnitte 
handelt.  .  .  .  Zunächst  wurde  den  Berkshirezüchtern  auf  Grund  der  ge- 
machten Erfahrungen  anempfohlen,  alle  6 — 7  Generationen  aufs  neue 
chinesische  Hausschweine  einzukreuzen.  Dann  aber  hielten  es,  wie  be- 
richtet wird,  ,besonders  erfolgreiche  Züchter'  für  angezeigt,  halbwilde 
Eber,  zwecks  Rettung  der  Konstitution  zu  verwenden.  Eine  mittlere, 
feinere  Natur  behielt  aber  schließlich  die  Oberhand.  Nun  kam  in  den 
dreißiger  Jahren  des  vergangenen  Jahrhunderts  das  neapolitanische 
Schwein  in  England  zu  großem  x\nsehen  und  für  längere  Dauer,  das  aus 
diesem  hervorgegangene  Essexschwein.  Dessen  Einfluß  blieb,  wie  wir 
bereits  hörten,  ein  ausschlaggebender  auf  die  weitere  Gestaltung  der 
Berkshirezucht.  Die  gelbe  Hautfärbung  von  schwarzen  Flecken  durch- 
setzt, ging  in  einheitliches  Schwarz  über,  dem  im  weiteren  Verlauf  die 
weißen  Zuchtmerkmale  mit  leidlicher  Konstanz  angezüchtet  wurden." 


—     280     — 

Also  Faktorenkombination  und  wieder  Faktorenkombination!  Und 
schließlich  noch :  ,,Aber  das  eine  muß  bei  all  unseren  Erwägungen  Gel- 
tung behalten,  nämlich,  daß  aUe  unsere  neuzeitlichen  Kulturzuchten  .  .  . 
aus  Kreuzungen  hervorgegangen  sind,  daß  sie  streng  genommen  der 
Blutreine  entbehren  und  für  absehbare  Zeiten  in  einem  gewissen  Prozent- 
satz gegen  die  Vorschriften  der  Konstanz  verstoßen  werden."  Also  alle 
die  Zuchtrassen  sind  durch  Kombination  mendelnder  Faktoren  nach 
Kreuzung  wilder  Rassen  oder  Arten  erhalten,  sind  aber  bei  der  Vielheit 
der  in  Betracht  kommenden  Faktoren  noch  nicht  in  homozygoten  Kom- 
binationen ausgewählt  und  spalten  daher  noch  weiter! 

Dies  Beispiel  genüge.  Es  erscheint  daher  wohl  kaum  verständlich, 
daß  sich  die  Tierzucht  nicht  mit  Begeisterung  auf  die  Resultate  der 
Mendelforschung  wirft,  die  sie  so  einfach  all  das  verstehen  lehrt,  was 
bisher  unbewußt  geschah;  daß  sie  nicht  ferner  erkennt,  daß  eine  genaue 
Kenntnis  der  bisher  unbewußt  kombinierten  Faktoren  und  der  Art  ihrer 
Vererbung  im  Spezialfall  das  sichere  Mittel  in  die  Hand  gibt,  planmäßig 
nach  unverrückbaren  Gesetzen  das  zu  erzielen,  was  bisher  nur  planlos 
tastend  auf  vielen  Umwegen  erreicht  wird,  nämlich  mit  den  dem  Men- 
schen nutzbringenden  Erbfaktoren  der  Haustiere  mit  im  Voraus  berechen- 
barem Erfolg  genau  so  zu  hantieren,  wie  es  mit  den  Farben  der  Mäuse, 
dank  der  schon  durchgeführten  Analyse,  geht.  Erst  dann,  wenn  eine 
entsprechende  Analyse  vorliegt,  und  ihre  Resultate  sachverständig  ver- 
wendet werden,  kann  man,  natürlich  immer  unter  Beachtung  der  Gesetze 
der  Tierhaltung,  also  der  Erziehung  von  Plusmodifikationen,  von  einer 
rationellen  Tierzucht  reden. 


Vierzehnte  Vorlesung. 

Das  Problem  der  Geschlechtsbestimmung  und   der  Versuch  seiner 
mendelistischen    Lösung.      Die    geschlechtsbegrenzte    Vererbung. 
Tatsachenmaterial    des    Verhaltens    der    sekundären    Geschlechts- 
charaktere.    Gynandromorphismus  und  neue  Formulierung. 

Bei  unserer  bisherigen  Betrachtung  der  Haupttatsachen  des 
Mendelismus  haben  wir  absichtlich  vermieden,  irgendeine  der  mende- 
listischen  Tatsachen  zu  diskutieren,    die  im  Zusammenhang  mit  dem 


—     281     — 

Problem  der  Vererbung  und  Bestimmung  des  Geschlechts  stehen,  ob- 
wohl gerade  hier  eine  Reihe  der  interessantesten  Befunde  der  gesamten 
Vererbungswissenschaft  vorliegen.  Nunmehr  sind  wir  aber  darauf  vor- 
bereitet, uns  im  Zusammenhang  vorzuführen,  in  welcher  'Weise  der 
Mendelismus  im  Verein  mit  der  Zellforschung  das  Geschlechtsproblem 
in  einer  bis  vor  kurzem  noch  kaum  zu  ahnenden  Weise  aufgehellt  hat. 
Um  das  Problem  ganz  klar  zu  fassen,  müssen  wir  da  von  vornherein 
zwei  Dinge  voneinander  trennen,  nämlich  die  Frage  der  Vererbung  und 
die  der  Bestimmung  des  Geschlechts.  Die  erstere  Frage  lautet  so:  wie 
ist  der  Erbmechanismus  beschaffen,  der  es  bedingt,  daß  bei  der  einfachen 
und  normalen  zweigeschlechtigen  Fortpflanzung  männliche  und  weib- 
liche Individuen  immer  wieder  entstehen,  also  bei  doch  sonst  einheit- 
licher Nachkommenschaft  sie  in  bezug  auf  die  Eigenschaft  Geschlecht 
in  zwei  scharf  getrennte  Gruppen,  sagen  wir  ruhig,  spaltet?  Die  zweite 
Frage  aber  lautet:  wenn  dieser  Grundmechanismus  uns  bekannt  ist,  ist 
es  möglich,  in  ihn  irgendwie  verschiebend  einzugreifen,  und  wie  kommen 
die  in  der  Natur  bei  besonderen  Geschlechtsverhältnissen  wie  Generations- 
wechsel u.  dgl.  sicher  vorhandenen  bestimmenden  Einflüsse  auf  den 
Mechanismus  zustande?  Die  erste  Frage  können  wir  aber  auf  Grund 
der  bisher  gewonnenen  Erkenntnisse  auch  direkt  so  formulieren:  ist  es 
möglich,  die  Eigenschaft  Geschlechtigkeit  ebenso  zu  betrachten  wie 
andere  Erbeigenschaften,  mithin  auch  für  sie  eine  Vererbung  nach  Men- 
delschen  Gesetzen  nachzuweisen?  Ihrer  Beantwortung  wollen  wir  uns 
nun  zunächst  widmen. 

Schon  Mendel  selbst  hatte  vermutet,  daß  Männlichkeit  und  Weib- 
lichkeit als  selbständig  spaltende  Erbfaktoren  zu  betrachten  seien.  Nach 
der  YViederentdeckung  seiner  Gesetze  waren  es  vor  allem  Correns, 
Castle,  Bateson,  die  eine  mendelistische  Erklärung  des  Geschlechts 
versuchten.  Castle  nahm  an,  daß  beide  Geschlechter  in  bezug  auf 
Geschlechtlichkeit  heterozygot  seien,  also  daß  wenn  F  (femina)  =  weiblich 
ist,  M  (mas)  =  männlich,  das  weibliche  Geschlecht  laute  F(M),  das 
männliche  (F)M,  wobei  also  in  jedem  Geschlecht  sein  Charakter  do- 
miniert. Es  bildet  nun  jedes  Geschlecht  Gameten  F  und  M.  Es  muß 
also,  um  beide  Geschlechter  in  der  Nachkommenschaft  in  gleichen 
Zahlen  zu  erhalten,  angenommen  werden,  daß  eine  selektive  Befruch- 


—     282     — 

tung  eintritt,  daß  die  Gameten,  die  Weiblichkeit  tragen,  nur  von 
solchen  befruchtet  werden  können,  welche  Männlichkeit  enthalten  und 
umgekehrt.  Über  die  Dominanz  muß  aber  dann  der  Zufall  entscheiden, 
der  wohl  in  gleicher  Zahl  von  Fällen  F  und  M  dominieren  läßt.  Die 
Komplikation  dieser  Annahme  liegt  auf  der  Hand,  der  vor  allem  in 
der  selektiven  Befruchtung  eine  Schwierigkeit  entgegensteht,  die  keiner- 
lei Tatsachen  zu  ihrer  Überwindung  anführen  könnte.  Und  so  ist 
diese  Hypothese  wohl  heute  allgemein  aufgegeben  und  an  ihre  Stelle 
eine  ziemlich  einfache  Supposition  getreten.  Die  wesentliche  Erschei- 
nung der  Geschlechtsbildung  ist  ja  die,  daß  im  großen  ganzen  beide 
Geschlechter  in  gleicher  Zahl  aufzutreten  pflegen.  Nun  kennen  wir  ja 
einen  Mendelschen  Fall,  in  dem  typisch  das  Verhältnis  i  :  i  auftritt, 
das  ist  die  Rückkreuzung  eines  Heterozygoten  mit  einem  seiner  Eltern. 
Nehmen  wir  also  an,  daß  das  eine  Geschlecht,  etwa  das  weibliche,  hetero- 
zygot sei  in  bezug  auf  die  Geschlechtlichkeit,  das  männliche  homozygot, 
so  ergibt  sich  bei  jedem  Fortpflanzungsakt  ohne  weiteres  stets  das 
Verhältnis  i  :  i.  Das  Weibchen  hieße  dann  F(M),  das  Männchen  MM, 
ersteres  bildet  Gameten  F  und  M,  letzteres  nur  M,  was  bei  der  Befruch- 
tung i  F(M)  :  i  MM  ergibt.  Weiblichkeit  muß  dann  über  Männlich- 
keit natürlich  dominieren.  Es  käme  aber  auch  das  gleiche  Resultat  zu- 
stande, wenn  umgekehrt  das  männliche  Geschlecht  heterozygot,  das 
weibliche  homozygot  wäre,  wie  es  zuerst  von  G.  Smith  und  Correns 
postuliert  wurde,  während  die  erstere  Annahme  Bateson  und  Punnett 
zum  Urheber  hat.  Wenn  wir  auch  hier  wieder  die  Ausdrucksweise  der 
Presence-Absence-Theorie  benutzen,  so  müssen  wir  bei  weiblicher  Hetero- 
zygotie  schreiben  Ff  =  $,  //  =  $,  also  das  $  hat  etwas  in  heterozygotem 
Zustand,  was  dem  <§  fehlt,  umgekehrt  bei  männlicher  Heterozygotie 
Mm  =  <$,  mm  =  2. 

Die  Annahme  nun,  daß  auch  das  Geschlecht  durch  ein  mendelndes 
Merkmalspaar  bestimmt  werde,  stützt  sich  hauptsächlich  auf  4  Gruppen 
von  Tatsachen  und  ihre  gemeinsame  Betrachtung.  Die  erste  Gruppe 
ist  das  biologische  Verhalten  der  sekundären  Geschlechtscharaktere, 
ihre  experimentelle  Beeinflussung  und  die  Tatsachen,  die  über  ihre  Ver- 
erbung bekannt  geworden  sind.  Diese  Gruppe  muß  als  die  wichtigste 
gelten;  denn  die  sekundären  Geschlechtscharaktere  werden  normaler- 


283 


weise  immer  konform  mit  dem  Geschlecht  vererbt,  so  daß  es  wohl  selbst- 
verständlich ist,  daß  der  Vererbungsmechanismus  für  beides  der  gleiche 
ist.  Eine  zweite  Gruppe,  die,  wie  später  klar  werden  wird,  innerlich  mit 
der  ersten  identisch  ist,  stellt  die  Erfahrungen  über  geschlechtsbegrenzte 
Vererbung  dar,  deren  Wesen  sowie  ihre  mendelistische  Deutung  wir 
gelegentlich  kurz  erwähnten;  sodann  sind  jene  bisher  auf  das  Pflanzen- 
reich beschränkten  Versuche  zu  nennen,  direkt  mit  der  Eigenschaft  Männ- 
lichkeit und  Weiblichkeit  im  Bastardierungsexperiment  zu  arbeiten, 
und  endlich  kommt  die  Gruppe  der  zellulären  Befunde  hinzu,  die  in 
Verbindung  mit  den  experimentell  ermittelten  Tatsachen  nunmehr  die 
Lösung  des  Problems  der  Geschlechtsvererbung  gebracht  haben. 


Fig.    107. 
Abraxas    grossulariata    (links     und    seine    Aberration    lacticolor.       Nach    Doncaster 

und  Raynor. 


Um  uns  gleich  von  Anfang  an  darüber  klar  zu  werden,  in  welcher 
Weise  erschlossen  werden  kann,  daß  das  mendelistische  Heterozygotie- 
Homozygotie-Schema  die  Geschlechtsvererbung  erklärt,  wollen  wir 
zunächst  die  typischen  Beispiele  der  zweiten  Gruppe,  der  geschlechts- 
begrenzten Vererbung,  vorausnehmen,  deren  vollständige  Kenntnis  die 
Voraussetzung  für  alle  weiteren  Erörterungen  darstellt. 

Als  instruktivsten  Fall  wollen  wir  zunächst  den  von  Doncaster 
und  Raynor  entdeckten  des  Stachelbeerspanners  Abraxas  grossu- 
lariata betrachten. 

Von  diesem  Schmetterling  gibt  es  eine  selten  auftretende  helle  Va- 
rietät lacticolor,  die  eine  Art  Albino  darstellt  und  gewöhnlich  nur 
im  weiblichen  Geschlecht  gefunden  wird  (Fig.  107).  Wurde  also  lacti- 
color Q  mit  grossulariata  ^  gekreuzt,  so  waren  alle  Nachkommen  in 
Fx    grossulariata  und    zwar    beider  Geschlechter.      Der    Grossulariata- 


—     284     — 

faktor  dominiert  also  über  den  Lacticolorfaktor.  F2  gab  dann  beide 
Formen  im  Verhältnis  etwa  3  :  1,  nämlich  18  grossulariata  :  7  lacticolor. 
Während  erstere  aber  beide  Geschlechter  enthielten,  waren  letztere  bloß 
weiblich.  Wurden  aber  die  Fx  (heterozygoten)  grossulariäta-Männchen 
mit  lacticolor-Weibchen  rückgekreuzt,  so  gab  es,  wie  zu  erwarten,  zur 
Hälfte  grossulariata,  zur  Hälfte  lacticolor,  diese  waren  aber  in  gleicher 
Zahl  aus  beiden  Geschlechtern  zusammengesetzt,  nämlich  63  Gross.  $. 
62  Gross.  $,  65  Lactic.  $,  70  Lactic.  $.  In  dieser  Kreuzung  entstanden 
also  zum  erstenmal  Lacticolor  £.  Wurden  diese  nun  mit  heterozygoten 
grossulariata  $  von  ¥x  gepaart,  so  war  die  Nachkommenschaft  natür- 
lich zur  Hälfte  grossulariata,  nämlich  145  Stück,  und  zur  Hälfte  lacti- 
color, nämlich  130  Stück.  Erstere  aber  waren  ausschließlich  $, 
letztere  ausschließlich  Q.  Wurden  aber  dieselben  lacticolor  <$ 
mit  wilden,  aus  der  Natur  stammenden,  also  bei  der  Seltenheit  von 
lacticolor  sicher  reinen  grossulariata  $  gepaart,  so  war  das  Resultat 
das  gleiche.  Alle  grossulariata  (nämlich  19)  waren  <$,  alle  lacticolor 
(nämlich  52)  waren    $. 

Betrachtet  man  nun  diese  letztere  Kreuzung  zuerst,  so  ergibt  sich 
daraus  zunächst,  daß  die  grossulariata  der  Natur  in  bezug  auf  den 
lacticolor-Charakter  heterozygot  sein  müssen,  wobei  der  grossulariata- 
Faktor  G  über  den  lacticolor-Faktor  g  dominiert.  Wie  erklärt  sich  nun 
das  Verhalten  des  Geschlechts?  Bateson  und_Punnett  zeigten,  daß 
es  ohne  weiteres  klar  ist,  wenn  man  annimmt,  daß  die  Männlichkeit 
und  Weiblichkeit  mendelnde  Eigenschaften  sind  und  daß  die  Weibchen 
darin  stets  heterozygot,  die  Männchen  homozygot  sind,  wobei  Weib- 
lichkeit dominiert.  Wenn  F  (femina)  Weiblichkeit  bedeutet,  /  keine 
Weiblichkeit,  also  Männlichkeit,  besitzen  alle  Weibchen  Ff,  alle  Männ- 
chen //.  Wenn  nun  weiterhin  angenommen  wird,  daß  die  beiden  Domi- 
nanten sich  abstoßen  (falscher  Allelomorphismus  oder  Faktorenab- 
stoßung,  die  wir  ja  bereits  kennen  lernten),  dann  ist  das  Resultat  aller 
obigen  Kreuzungen  erklärt.  Der  letzte  Fall,  die  Kreuzung  wilder  grossu- 
lariata $  mit  lacticolor  <$,  ebenso  wie  der  identische  mit  Fx  grossu- 
lariata $  erklärt  sich  z.  B.  folgendermaßen:  Die  grossulariata  $  heißen 
GgFf,  die  lacticolor  <$  ggff.  Erstere  bilden  nun  bei  Repulsion  der  Domi- 
nanten nur  Gameten  Gf  und  gF,  letztere  nur  gf,  die  Nachkommen  sind  also 


—     285     — 

zur  Hälfte  Gfgf  oder  gFgf,  also  grossulariata  $,  lacticolor  $.  Oder 
kreuzen  wir  die,  natürlich  im  Faktor  G  heterozygoten  Fx  grossulariata  £ 
und  <$,  so  heißt  ersteres  GgFf,  letzteres  Ggf  f.  Die  Gameten  sind  also  bei 
ersterem  Gf  und  gF,  bei  letzterem  Gf  und  gf.  Die  Befruchtung  ergibt 
somit  in  gleicher  Zahl  die  Kombinationen 

GfGf    —   Grossulariata   q, 

Gfgf     =  Grossulariata   q, 

gF  Gf   =   Grossulariata    $, 

gFgf     =   Lacticolor    $. 
Würde  aber  ein  Lacticolor   £  ggFf  mit  einem  heterozygoten  Grossu- 
lariata  $  Ggff  gepaart,  so  wären  die  Gameten  gF,  gf  und   Gf,  gf.     Es 
entständen  also  in  gleicher  Zahl: 

gF  Gf   =   Grossulariata    $, 

gFgf      =  Lacticolor    $, 

g/G/     =    Grossulariata   $, 

gfgf  =  Lacticolor  $. 
Wir  sehen  also,  wie  die  Annahme  die  wirklichen  Resultate  vortreff- 
lich erklärt.  In  instruktiver  Weise  sind  die  ganzen  Resultate  nochmals 
in  nebenstehender  Fig.  108  wiedergegeben.  Nun  wollen  wir  noch  einen 
zweiten  Fall  anschließen,  der  deshalb  besonders  interessant  ist,  weil  er 
die  gleiche  Erscheinung,  nur  umgekehrt,  illustriert,  nämlich  die  ge- 
schlechtsbegrenzte Vererbung,  die  Morgan  bei  der  Taufliege  Droso- 
phila  fand.  Hier  trat  in  einer  normalen  rotäugigen  Kultur  ein  weiß- 
äugiger  männlicher  Mutant  auf.  Mit  seinen  normalen  Geschwistern  ge- 
kreuzt ergab  er  rotäugige  Fx.  F2  spaltete  dann  in  2459  rotäugige  Weib- 
chen, ion  rotäugige  Männchen,  782  weißäugige  Männchen.  Es  fehlten 
also  weißäugige  Weibchen.  Wir  sehen  also  genau  das  gleiche  wie  bei  der 
Abraxaskreuzung,  nur  daß  <§  und  $  vertauscht  sind.  Wurde  das  weiß- 
äugige $  mit  einem  rotäugigen  heterozygoten  F±  $  gepaart,  so  enthielt 
die  Nachkommenschaft  wie  bei  Abraxas  alle  vier  Möglichkeiten,  nämlich 
129  rotäugige  Weibchen,  132  rotäugige  Männchen,  88  weißäugige  Weib- 
chen, 86  weißäugige  Männchen.  Wurde  endlich  ein  aus  der  Natur 
stammendes  rotes  Männchen  mit  einem  weißen  Weibchen  gepaart,  so 
war  die  Nachkommenschaft  halb  weiße  Männchen,  halb  rote  Weibchen.  Die 
roten  Männchen  der  Natur  erwiesen  sich  demnach  für  weiß  heterozygot, 


—     286     — 


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287 


ebenso  wie  bei  Abraxas  die  Weibchen.  Also  in  der  Tat  genau  der  gleiche 
Fall,  aber  mit  Umkehr  der  Geschlechter.  Will  man  also  den  Fall  mit 
den  gleichen  Voraussetzungen  erklären,  so  muß  man  hier  annehmen, 
daß  das  Weibchen  so- 
wohl in  den  Eigen- 
schaften wie  dem  Ge- 
schlecht homozygot, 
das  Mannchen  aber  he- 
terozygot ist.  Es  muß 
zwar  dieses  Resultat  zu- 
nächst etwas  in  Er- 
staunen setzen,  indem 
es  doch  verwunderlich 
erscheint,  daß  bei  so 
nahe  verwandten  For- 
men die  Geschlechtsbe- 
stimmung umgekehrt 
verlaufen  soll.  Immer- 
hin haben  wir  schon 
mancherlei  erfahren, 
was  dafür  spricht,  daß 
beides  in  der  Natur 
vorkommen  kann,  so 
daß  dieser  Punkt  der 
Interpretation  keine 
Schwierigkeiten  berei- 
tet. 

Wir  sehen  also  jeden- 
falls die  Tatsache,  daß 
unter  Umständen  die 
Spaltung  nach  Kreu- 
zung in  Zusammenhang 

mit  dem  Geschlecht  erfolgt,  und  daß  eine  Erklärung  dafür  unter  der 

Annahme  der  mendelistischen  Bestimmung  des  Geschlechts  zu  finden  ist. 

Bei  der  großen  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  sei  aber  noch  ein  drittes 


Fig.    109. 

Gegitterte  Plymouth  Rock  Henne  und  schwarzer  Indian 

Game  Hahn.     Nach  Pearl  und  Surface. 


—     288     — 


in  gleichem  Sinn  zu  interpretierendes  Beispiel  aus  einer  anderen  Tier- 
gruppe   genannt,    die    geschlechtsbegrenzte    Vererbung    bei    mehreren 

Hühnerrassen.  Pearl 
nebst  Surface,  Goo- 
d  al e , S  pi  1 1 m  an , eben- 
so wie  auch  Bateson 
und  Haagedoorn  un- 
tersuchten derartige 
Fälle,  von  denen  be- 
sonders die  Vererbung 
des  Gittermusters  der 
Zeichnung  hervorzu- 
heben ist.  Es  handelt 
sich  um  die  Kreuzung 
einer  schwarzen  Indian 
Game  Rasse  und  eines 
gegitterten  Plymouth 
Rock  (Fig.  109).  Wird 
das  schwarze  Weibchen 
mit  dem  gegitterten 
Männchen  gepaart,  so 
ist  die  Nachkommen- 
schaft beider  Geschlech- 
ter gegittert ;  in  einem 
konkreten  Fall  waren 
es  70  gegitterte  Männ- 
chen und  68  ebensolche 
Weibchen.  Bei  der  um- 
gekehrten Kreuzung  ge- 
gittertes Weibchen  x 
schwarzes  Männchen 
sind  die  sämtlichen 
Männchen  der  Nach- 
kommenschaft, in  einem 
Versuch    95,    gegittert, 


Fig.    110. 
Fj-Bastarde  der  Eltern  von  Fig.  109:  schwarze  Henne  und 


gegitterter  Hahn. 


Nach  Pearl  und  Surface. 


—     289     — 

sämtliche  Weibchen,  nämlich  96,  schwarz  (Fig.  110).  Es  ist  klar,  daß  die 
Erklärung  genau  die  gleiche  ist,  wie  bei  Abraxas  gross ulari ata: 
Die  gegitterten  Weibchen  sind  in  dem  Gitterungsfaktor  wie  im  Geschlecht 
heterozygot,  die  Männchen  homozygot,  und  zwischen  beiden  Dominanten 
besteht  Repulsion.  Genau  das  gleiche  Resultat  erhielt  Haagedoorn 
wie  Goodale  bei  Bankivahühnern  gekreuzt  mit  braunroten  Game 
Bantams,  wobei  sich  erstere  im  weiblichen  Geschlecht  als  heterozygot 
erwiesen. 

Ziehen  wir  nun  nochmals  das  Resultat,  so  sprechen  die  Resultate 
der  genannten,  wie  aller  noch  zu  besprechenden  Versuche  dafür,  daß 
das  Geschlecht  in  der  Tat  wie  ein  mendelnder  Faktor  vererbt  wird; 
denn  es  erscheint  nur  so  begreiflich,  daß  eine  Außeneigenschaft, 
die  mendelistisch  vererbt  wird,  es  in  so  striktem  Konnex  mit 
dem  Geschlecht  tut.  Und  die  Vererbung  des  Geschlechts  muß  dann 
so  vor  sich  gehen,  daß  stets  ein  Geschlecht  —  je  nach  der  Tier-  oder 
Pflanzengruppe  das  männliche  oder  weibliche  —  im  Geschlechtsfaktor 
heterozygot  ist  und  somit  zweierlei  Gameten  bildet  (heterogametisch), 
das  andere  aber  homozygot  und  somit  homogametisch  ist.  Diese  Tat- 
sache müssen  wir  nunmehr  als  grundlegend  festhalten.  Eine  andere 
Frage  ist  nun  allerdings,  ob  die  gegebene  Formulierung  genügt,  um  das 
Gesamtproblem  zu  erklären.  Da  mag  zunächst  verwunderlich  erscheinen, 
daß  nur  das  eine  Geschlecht  einen  positiven  Geschlechtsfaktor  besitzt, 
das  andere  nicht.  Man  könnte  natürlich  dann  sagen,  etwa  bei  Ff  =  £- 
//  =  <$,  beide  Geschlechter  haben  einen  Geschlechtsfaktor,  der  für  sich 
allein  Männlichkeit  erzeugt,  die  aber  bei  Anwesenheit  von  F  in  Weib- 
lichkeit verwandelt  wird.  Jedenfalls  bleibt  aber  auch  bei  dieser  Aus- 
drucksweise eine  Konsequenz  bestehen,  nämlich  daß  das  homozygote 
Geschlecht  in  keiner  Weise  imstande  ist,  in  das  entgegengesetzte  über- 
zugehen. Und  diese  Folgerung  ist  es,  die  nicht  dem  Prinzip,  wohl  aber 
jener  Formulierung  Schwierigkeiten  bereitet.  Das  ergibt  sich  vor  allem 
bei  der  Betrachtung  des  Verhaltens  der  sekundären  Geschlechts- 
charaktere. Die  sie  betreffenden  Tatsachen  werden  uns  denn  auch 
zu  einer  besseren  Formulierung  führen. 

Die  Mehrzahl  der  Schlußfolgerungen  über  die  Vererbung  des  Ge- 
schlechts sind  immer  aus  dem  Verhalten  der  sekundären  Geschlechts- 

Goldschmidt,  Vererbungs Wissenschaft.    2.  Aufl.  J9 


—     290     — 

Charaktere  gezogen  worden,  die  ja  als  äußere  Marke  für  die  geschlecht- 
liche Stimmung  des  ganzen  Organismus  gelten  konnten.  Wenn  dabei  oft 
recht  widerspruchsvolle  Resultate  zum  Vorschein  kamen,  so  hat  das 
wohl  in  erster  Linie  darin  seinen  Grund,  daß  es  im  Tierreich  sichtlich 
zwei  prinzipiell  verschiedene  Typen  in  bezug  auf  das  Verhältnis  der  pri- 
mären und  sekundären  Geschlechtscharaktere  gibt.  Bei  dem  einen 
Typus  besteht  eine  vollständige  wechselseitige  Unabhängigkeit  in  bezug 
auf  die  Erscheinung  der  Charaktere.  Es  werden  also  die  sekundären 
Geschlechtscharaktere  normalerweise  zwar  konform  mit  dem  Geschlecht 
vererbt,  für  ihr  in  Erscheinungtreten  ist  aber  die  Geschlechtsdrüse  selbst 
vollständig  irrelevant.  Das  klassische  Objekt  für  diesen  Typus  sind 
die  Schmetterlinge,  wie  aus  den  in  ihren  Resultaten  völlig  überein- 
stimmenden Versuchen  von  Oudemans,  Kellogg,  Meisenheimer, 
Kopec  mit  Sicherheit  hervorgeht.  Meisenheimer,  der  die  von  Oude- 
mans mit  Erfolg  inaugurierten  Versuche  auf  breiter  Basis  weiterführte, 
arbeitete  mit  dem  Schwammspinner  Lymantria  dispar.  Bei  diesem 
Schmetterling,  wie  auch  bei  vielen  anderen  Insekten,  sind  die  Ge- 
schlechtsdrüsen schon  auf  frühem  Raupenstadium  völlig  differenziert, 
lange  ehe  die  erst  im  Schmetterling  auftretenden  äußeren  Geschlechts- 
differenzen sichtbar  werden.  Diese  bestehen  in  diesem  Fall  darin, 
daß  das  große  Weibchen  weiße  Flügel  mit  unscharfen  dunkeln  Binden 
besitzt,  während  das  kleine  Männchen  braun  gezeichnete  Flügel  auf- 
weist. Wurden  nun  den  Raupen  die  Geschlechtsdrüsen,  deren  Lage 
aus  nebenstehender  Figur  in  ersichtlich  ist,  zerstört,  so  übte  dies  auf 
das  Kleid  des  daraus  sich  entwickelnden  Falters  gar  keinen  Einfluß 
aus:  auch  die  Schmetterlinge  aus  kastrierten  Raupen,  die  demnach 
keine  Geschlechtsdrüsen  besaßen,  zeigten  ihre  typischen  sekun- 
dären Geschlechtscharaktere.  Nun  wurde  geprüft,  ob  vielleicht  die 
Anwesenheit  der  entgegengesetzten  Drüse  einen  Einfluß  ausüben 
könne.  Männliche  Raupen  wurden  also  ihres  Hodens  beraubt  und 
dafür  ihnen  der  Eierstock  einer  anderen  Raupe  eingesetzt,  und  ebenso 
umgekehrt.  Die  falschen  Geschlechtsdrüsen  entwickeln  sich  in  diesem 
Fall  ganz  normal  weiter.  Die  sekundären  Geschlechtscharaktere 
blieben  aber  gänzlich  unbeeinflußt;  es  kommen  z.  B.  typisch  männ- 
liche Falter  mit  all  ihren  Eigenheiten  zum  Vorschein,   die  dabei  den 


291 


ganzen  Leib  voller  reifer  Eier  haben.  Es  wäre  nun  noch  die  Mög- 
lichkeit vorhanden,  daß  die  Zerstörung  oder  Transplantation  der  Ge- 
schlechtsdrüse auf  einem  zu  späten  Stadium  vorgenommen  wurde,  so 
daß  ihr  Einfluß  auf  das  Soma  bereits  abgeschlossen  war.  Hegner 
konnte  diesem  Einwand  begegnen,  indem  er  die  Geschlechtsdrüse  bereits 
in  ihrer  Embryonalanlage  —  die  Insekten  haben  eine  typische  Keim- 
bahn —  zerstörte,  ohne  daß  dadurch  eine  Beeinflussung  der  sekundären 
Geschlechtscharaktere  eintrat. 
Meisenheimer  erreichte  die 
gleiche  Wirkung  auf  anderem 
Weg.  Er  stellte  das  frühe  em- 
bryonale Stadium  für  ein  in  Be- 
tracht kommendes  Organ,  die  Flü- 
gel, gewissermaßen  künstlich  her, 
indem  er  ihre  Anlagen,  die  Ima- 
ginalscheiben,  zerstörte  und  sie 
so  zur  Neuentwicklung  durch 
Regeneration  zwang.  Den  glei- 
chen Tiere  war  vorher  eine 
Geschlechtsdrüse  des  entgegen- 
gesetzten Geschlechts  nach  Ent- 
fernung der  eigenen  implantiert 
worden.    Der  regenerierte  Flügel 

Raupe  von  Lymantria  dispar,  ganz  und  im 
erwies  sich  dann  immer  als  der  für  Querschnitt  (6),  um  die  Lage  der  Geschlechts- 
j  ..       ,.   ,        ~        111.  driisen  g  zu  zeigen,    d  Darm,  /z  Herz,  b?  Bauch- 

das  ursprüngliche  Geschlecht  zu  *ark-   *Nach  Meisenheimen 

erwartende.    Diese  Versuche  zei- 
gen also  mit  Sicherheit,  daß  die  Geschlechtsdrüsen  und  bestimmte  für 
das  Geschlecht  charakteristische  somatische  Eigenschaften  voneinander 
völlig  unabhängig  sein  können. 

Diesem  Typus  steht  aber  ein  anderer  gegenüber,  bei  dem  umgekehrt 
eine  beträchtliche  Abhängigkeit  zwischen  Geschlecht  und  sekundären 
Geschlechtsmerkmalen  besteht,  indem  die  richtige  Ausbildung  dieser 
von  der  Anwesenheit  der  richtigen  Geschlechtsdrüse  abhängig  ist.  Wir 
werden  später  die  betreffenden  Tatsachen  nochmals  erörtern  müssen, 
hier  sei  auch  dafür  nur  ein  Beispiel  gegeben. 

19* 


Fij.  in. 


—     292     — 

Die  Krabben  werden  bekanntlich  häufig  von  einem  parasitischen 
Cirriped,  der  Sacculina,  befallen.  Giard  stellte  nun  fest,  daß  durch  die 
schädliche  Einwirkung  des  Parasiten  eine  Kastration  des  Wirtes  hervor- 
gerufen werden  kann.  Die  Wirkung  solcher  parasitärer  Kastration 
äußert  sich  nun,  wie  Smith  an  reichem  Material  genau  untersuchte, 
darin,  daß  bei  weiblichen  Individuen  die  sekundären  Geschlechtscharak- 
tere beeinträchtigt  werden,  bei  männlichen  aber  ihre  sekundären  Charak- 
tere verschwinden  und  dafür  die  weiblichen  sich  so  ausbilden,  daß  es 
manchmal  schwer  ist,  ein  solches  Männchen  von  einem  echten  Weibchen 


Fig.   112. 


i    (5   von  Inachus,  3  Q  desgl.,  2  Parasitär  kastriertes    $.     Nach  Smith. 


zu  unterscheiden.  Fig.  112  zeigt  das  Männchen  von  Inachus  mit  dem 
charakteristischen  schmalen  Abdomen  und  der  großen  Schere,  c  das 
Weibchen  mit  den  entgegengesetzten  Charakteren  und  b  das  vollständig 
dem  Weibchen  gleichende  kastrierte  Männchen. 

Es  geht  also  in  diesem  und  ähnlichen  Fällen  von  der  Geschlechtsdrüse 
eine  Wirkung  auf  die  Außeneigenschaften  aus,  die  für  das  Zustandekom- 
men normaler  sekundärer  Geschlechtscharaktere  nötig  ist  und  deren 
Fehlen  unter  Umständen  diese  Charaktere  in  ihr  Gegenteil  verkehrt. 
Vergleichen  wir  die  beiden  geschilderten  Typen  miteinander,  so  muß 
dei  Vererbungsgrundlage  ja  die  gleiche  sein,   die   es   bedingt,   daß   im 


—     293     — 

Normalfalle  jedes  Geschlecht  seine  richtigen  sekundären  Charaktere 
erhält.  Im  ersteren  Falle  aber  ist  mit  dem  Ablauf  des  Vererbungsmecha- 
nismus, also  mit  der  Befruchtung,  auch  das  Gesamtresultat  festgelegt. 
Im  zweiten  dagegen  ist  das  Resultat  noch  labil  und  wird  erst  durch  die 
Einwirkung  der  inneren  Sekretion  der  Geschlechtsdrüse  in  seine  Rich- 
tung gelenkt. 

Die  Frage  nun,  zu  deren  Beantwortung  wir  das  Verhalten  der  sekun- 
dären Geschlechtscharaktere  studieren,  lautete  ja:  Ist  ein  Geschlecht 
heterozygot  und  das  andere  homozygot  und  besagt  das,  daß  ein  Ge- 
schlecht die  Charaktere  des  anderen  mitenthält,  das  andere  dagegen 
nicht?  Es  ist  klar,  daß  eine  Antwort  besonders  leicht  aus  jenen  Tat- 
sachen des  2.  Typus  abgeleitet  werden  kann.  Denn  wenn  die  sekundären 
Charaktere  von  der  Anwesenheit  der  Geschlechtsdrüse  abhängig  sind, 
so  ist  damit  die  Methode  gegeben,  wie  festgestellt  werden  kann,  ob  ein 
Geschlecht  die  Charaktere  des  anderen  mit  enthält  oder  nicht.  Bei  dem 
Typus  der  völligen  gegenseitigen  Unabhängigkeit  ist  es  natürlich  viel 
schwerer,  einen  derartigen  Nachweis  zu  erbringen;  falls  er  aber  gelingt, 
muß  er  dann  um  so  größere  Beweiskraft  beanspruchen. 

Die  Betrachtung  des  Verhaltens  der  sekundären  Geschlechtscharak- 
tere bei  der  Vererbung  und  in  besonderen  physiologischen  Verhältnissen 
hatten  schon  Darwin  zu  dem  Schluß  geführt,  daß  jedes  Geschlecht 
die  Eigenschaften  des  anderen  latent  mit  enthalten  müsse.  Der  Hahn 
überträgt  die  Eigenschaft  guten  Eierlegens  auf  seine  Nachkommenschaft, 
der  Stier  eine  hohe  Milchleistung.  Tritt  aber  eine  Fasanenhenne  in  eine 
Kreuzung,  so  führt  sie  den  Schwanzschmuck  des  Männchens  in  diese 
ein.  Eine  alte  Ente  wird  hahnenfedrig,  sieht  wie  ein  Erpel  aus,  ein 
kastrierter  Erpel  kann  völlig  das  Kleid  der  Ente  tragen.  Gelegentlich 
kommen  in  der  Natur  Schwammspinnermännchen  vor,  die  ein  Gemisch 
von  beiderlei  Geschlechtscharakteren  zeigen,  gynandromorph  sind,  aber 
auch  Weibchen  kommen  vor,  für  die  das  gleiche  zutrifft.  Ganz  ent- 
sprechendes gilt  auch  für  das  Pflanzenreich:  Correns  zeigte,  daß  bei 
der  Lichtnelke  das  $  die  Pollenform  des  $  vererbt,  das  <$  Samenkapsel- 
charaktere des  $.  Das  sieht  nun  allerdings  aus,  als  ob  das  Hetero- 
Homozygotieschema  nicht  stimmen  könne,  daß  vielmehr  jedes  Ge- 
schlecht mit  dem  anderen  heterozygot  ist.    De  Meijere  hat  denn  auch 


—     294     — 

auf  Grund  von  später  zu  besprechenden  Versuchen  über  die  Vererbung 
des  Geschlechtspolymorphismus  diesen  Schluß  gezogen  und  spricht  von 
einer  getrennten  Vererbung  der  Geschlechter.  Wäre  derartiges  der  Fall, 
dann  könnte  man  wohl  kaum  die  strikte  mendelistische  Erklärung  der 
Geschlechtsvererbung  aufrecht  erhalten.  Ich  habe  aber  nun  zeigen 
können,  daß  man  trotzdem  das  mendelistische  Hetero-Homozygotieschema 
mit  den  Tatsachen  der  Vererbung  der  sekundären  Geschlechtscharaktere 
in  Harmonie  bringen  kann,  und  eine  befriedigende  mendelistische  Formu- 
lierung für  den  Vererbungs Vorgang  gefunden. 

Wenn  einerseits  jedes  Geschlecht  die  Charaktere  des  anderen  mit 
enthält,  aber  normalerweise  nicht  zeigt,  andererseits  der  typische  Ver- 
erbungsvorgang sich  so  leicht  erklären  läßt,  wenn  ein  Geschlecht  hetero-, 
das  andere  homogametisch  ist,  so  wird  dem  durch  folgende  Formulierung 
Rechnung  getragen:  Nennen  wir  den  Erbfaktor,  der  den  weiblichen 
sekundären  Geschlechtscharakteren  zugrunde  liegt,  G,  und  den  für  die 
männlichen  Charaktere  A,  so  müssen  beide  Geschlechter  beiderlei  Fakto- 
ren besitzen.  Da  aber  ein  Geschlecht  heterozygot  ist,  so  muß  dort  einer 
dieser  Faktoren  in  heterozygotem  Zustand  enthalten  sein.  Da  ferner 
normalerweise  jedes  Geschlecht  nur  seine  Charaktere  zeigt,  so  muß 
zwischen  den  Faktoren  ein  derartiges  epistatisches  Verhältnis  bestehen, 
daß  ein  Faktor  in  der  richtigen  Weise  den  anderen  unterdrückt,  etwa  in 
gleicher  Weise  wie  das  bei  den  verschiedenen  Farbfaktoren  der  Mäuse 
der  Fall  war.  Setzen  wir  den  Fall,  das  weibliche  Geschlecht  sei  das  hetero- 
zygote, wie  es  bei  den  Schmetterlingen  der  Fall  sein  muß,  so  heißen  die 
Formeln  für  die  sekundären  Geschlechtscharaktere  GGAa  =  $  und 
GGAA  =  <§.  Das  $  wäre  also  ebenso  wie  das  <$  in  den  weiblichen 
Charakteren  homozygot,  in  den  männlichen  aber  heterozygot,  das  Männ- 
chen aber  auch  in  diesen  homozygot.  Wir  müssen  uns  nun  das  epista- 
tische Verhältnis  so  vorstellen,  daß  A  über  G  epistatisch  ist,  dagegen 
zwei  G  ein  A  unterdrücken.  Man  könnte  vergleichsweise  annehmen, 
daß  diesen  Erbfaktoren  in  ihrer  Potenz,  ihrer  Durchschlagskraft  ein  be- 
stimmter meßbarer  WTert  zukommt.  In  der  Tat  kommt  die  mendelisti- 
sche Forschung  immer  mehr  dazu,  eine  solche  Annahme  zu  machen, 
von  der  wir  auch  schon  in  der  vorigen  Vorlesung  hörten  und  zwar  bei 
allen  möglichen  Faktoren.    Schon  die  Idee,  daß  eine  Portion  eines  Erb- 


—     295     — 

faktors  einen  anderen  Effekt  hervorrufen  kann  als  2  oder  gar  3  Portionen, 
arbeitet  mit  dieser  Grundvorstellung.     Auch  ihr  sind  wir  ja  schon  be- 


I 


d 

•.. .. 


T 


Fig.  113. 


Lymantria    dispar.      Oben   das    große  Weibchen   und    kleine  Männchen.     Unten    zwei 
Männchen,  mit  gynandromorphem  Mosaikkleid. 


gegnet  und  können  hier  zufügen,  daß  sie  zuerst  von  Correns  für  die 
Maisxenien  ausgesprochen  wurde,  wo  die  Möglichkeit  besteht,  einen 
Faktor  in  1,  2  und  3  Por- 
tionen zu  studieren.  Neh- 
men wir  nun  etwa  an,  A 
hätte  den  Wert  60  und  G 
=  40,  so  würde  bei  der 
männlichen  Formel  AA  GG 
AA  der  Wert  120  zukom- 
men und  damit  den  männ- 
lichen Faktoren  das  Über- 
gewicht über  die  weib- 
lichen, nämlich  G  G  =  80, 
verleihen;   bei    der   weib- 


Fig.  113  a. 


Gynandromorphes  Q.  von  Lymantria  dispar. 


—     296     — 

liehen  Formel  GGAa  bliebe  der  Wert  80  für  GG,  aber  Aa  hätte  ja  nur 
60,  so  daß  hier  A  unterdrückt  werden  kann. 

Die  Richtigkeit  dieser  Formulierung  ließ  sich  nun  durch  die  eigen- 
tümlichen Resultate  der  Kreuzung  des  Schwammspinners  Lymantria 
dispar  mit  seiner  japanischen  Varietät  japonica  beweisen.  Wir  haben 
ja  schon  oben  erfahren,  daß  diese  Art  einen  besonders  deutlichen 
sexuellen  Dimorphismus  zeigt  (Fig.  113).  Wird  diese  Kreuzung  so  aus- 
geführt, daß  japonica  $  x  dispar  g  gekreuzt  wird,  so  sind  die  Bastarde 
normal.  Bei  der  reziproken  Kreuzung  dispar  $  x  japonica  <$  sind  je- 
doch alle  5?  gynandromorph1  und  nur  die  $  normal.  Diese  gynandro- 
morphen  Weibchen  haben  äußerlich  teilweise  bis  ganz  das  Kleid  des 
Männchen  und  auch  in  dem  charakteristischen  Kopulationsapparat 
zeigt  sich  ein  männlicher  Einschlag,  so  daß  man  eine  vollständige  Reihe 
von  einem  weiblichen  bis  zu  einem  fast  männlichen  Apparat  finden  kann. 
Innerlich  aber  sind  es  echte  WTeibchen,  von  denen  man  gelegentlich  sogar 
Nachwuchs  erzielen  kann.  Umstehende  Fig.  113  und  113  a  zeigen  solche 
Weibchen  verglichen  mit  einem  normalen  Pärchen,  und  in  Fig.  114  ist  auch 
eine  Serie  derartiger  Kopulationsapparate  weiblicher  Gynandromorphen 
wiedergegeben.  Gewinnt  man  nun  aus  diesen  Bastarden  F2,  so  tritt 
eine  Spaltung  in  normale  und  gynandromorphe  $  ein.  Diese  Tatsachen 
lassen  sich  nun  auf  Grund  obiger  Erbformel  erklären,  wenn  man  nur 
annimmt,  daß  bei  den  beiden  gekreuzten  Rassen  die  betreffenden 
Erbfaktoren  verschiedene  Potenz  haben.  Wir  können  einmal  wie  oben 
annehmen,  daß  bei  L.  dispar  A  =  60,  G  =  40  wäre ;  bei  L.  japonica 
aber  könnte  .4  =  120,  G  =  80  sein.  Schreiben  wir  die  hochpotenzierten  Fak- 
toren fett,  so  ist  die  Formel  für  dispar  GGAa  =  $,  GGAA  =  $,  die  für 
japonica  aber  GGAa  =  $,  GGAA  =  g.  Wird  japonica  $  mit  dispar  g 
gekreuzt,  so  sind  die  F1  $  =  GGAa,  die  $  =  GGAA.  An  dem  epi- 
statischen Wertverhältnis  wird  dadurch  nichts  geändert.  WTird  dagegen 
dispar  $  x  japonica  $  gekreuzt,  so  heißen  in  Fx  die  $  GGAa  und  die 
<$  GGAA.  Jetzt  entstehen  $,  bei  denen  GG  nicht  mehr  über  A  über- 
wiegen, denn  GG  =  120  und  Aa  auch  =  120:  und  das  sind  eben  die 
gynandromorphen  $,  die  beiderlei  Charaktere  gemischt  zeigen.    Es  muß 


1  Unter  gewissen  Bedingungen;   das  Resultat  kann  auch  ein  anderes  sein,  wie  sich 
aus  der  Erklärung  ergibt  und  meine  neusten  Ergebnisse  beweisen. 


297     — 


OB. 


La  (Un) 


Sit 


O.B. 


Fig.  114.    Kopulationsapparate  von  Lymantria  dispar  1  Q,  4  r$,  2  und  3  schwach  und 

stark  gynandromorphe  Q.     Weibliche  Teile:  Ap  Apophysen,   La  laminae,i0.i>.   Ostium 

bursae.    Männliche  Teile :  P  Penis  mit  Penisscheide  PS,  L  Ring,  Sa  Saccus,   Un  Uncus, 

Va  Valven  mit  Fortsatz  F.     Nach  Poppelbaum. 


—     298     — 

dann  nur  noch  nachgewiesen  werden,  daß  ein  Grund  zu  der  Annahme 
solcher  Potenzdifferenzen  zwischen  den  beiden  Formen  besteht.  Der 
Nachweis  konnte  so  geführt  werden,  daß  es  durch  Inzucht  möglich  ist, 
die  Potenz  der  Faktoren  zu  schwächen  und  dann  entsprechend  andere 
Ergebnisse  zu  erzielen.  Ferner  war  mir  es  in  der  allerletzten  Zeit  möglich, 
auf  dem  Weg  der  theoretisch  vorauszusagenden  Faktorenkombination 
genau  in  dem  berechneten  Zahlenverhältnis  die  schon  aus  der  Natur 
bekannten  gynandromorphen  $  (sogen.  Farbenzwitter)  von  der  Formel 
GGAA  zu  erziehen,  wie  sie  in  Fig.  113  abgebildet  sind,  bei  denen  also 
GG  dem  AA  die  Wage  halten  muß.  Die  benutzten  Formeln  bestehen 
also  sichtlich  zu  Recht  und  zeigen,  daß  zwar  in  der  Tat  ein  Geschlecht 
in  bezug  auf  die  sekundären  Geschlechtscharaktere  heterozygot  ist, 
trotzdem  aber  jedes  auch  die   Charaktere  des  anderen  trägt. 

WTir  haben  nun  die  sekundären  Geschlechtscharaktere  ja  nur  als 
Marke  benutzen  wollen,  um  daraus  auf  die  Vererbung  des  Geschlechts 
selbst,  das  ja  konkordant  damit  vererbt  wird,  schließen  zu  können.  Ist 
jene  Formel  richtig,  so  folgt  daraus,  daß  auch  für  die  Geschlechtsver- 
erbung die  Formel  analog  lauten  muß,  d.  h.  für  Männlichkeit  wie  für 
Weiblichkeit  muß  es  besondere  Bestimmungsfaktoren  geben,  von  denen 
einer  in  einem  Geschlecht  heterozygot  ist,  und  das  ist  derjenige,  der  über 
den  anderen  epistatisch  ist.  Es  sei  F  der  Faktor  für  Weiblichkeit,  M  der 
für  Männlichkeit,  so  heißt  bei  weiblicher  Heterozygotie  (Abraxastypus) 
die  Formel:  FF  Mm  —  $,  FF  MM  =  $,  bei  männlicher  Heterozygotie 
(Drosophilatypus)  MMFf  =  $  und  MMFF  =  $.  Da  die  sekundären 
Geschlechtscharaktere  konform  mit  dem  Geschlecht  vererbt  werden,  so 
muß  die  Erbformel  für  beide  zusammen  lauten  (F G)(F G)(M A)(ma)  =  $, 
(F G)(F G){MA)(MA)  =  $  im  Falle  des  Abraxastypus.  Es  hat  sich  nun 
gezeigt,  daß  diese  Formulierung  nicht  nur  allen  bisher  besprochenen 
Tatsachen  gerecht  wird,  sondern  auch  eine  Reihe  weiterer  mit  dem  Ge- 
schlecht in  Zusammenhang  stehender  Vererbungsmodi  als  einfache 
Konsequenz  ableiten  läßt1.    Hier  sind  wir  nun  aber  an  einen  Punkt  ge- 


1  In  jüngster  Zeit  ist  mir  auch  hierfür  der  Beweis  geglückt,  indem  sich  für  die 
Geschlechtsfaktoren  das  gleiche  erzielen  ließ,  wie  für  die  der  sekundären  Charaktere, 
nämlich  unnormale  Potenzkombinationen  und  damit  Umwandlung  von  Q  in  Zwitter 
und  Männchen. 


—     299     — 

langt,  an  dem  wir  den  bisherigen  Gang  unserer  Darstellung  unterbrechen 
müssen,  um  einmal  wieder  zu  den  Tatsachen  der  Zellenlehre  zurück- 
zukehren. Es  hat  sich  nämlich  gezeigt,  daß  gerade  für  die  Lösung  des 
Problems  der  Geschlech tsvererb ung  die  zytologischen  Tatsachen  von 
größter  Bedeutung  sind  und  speziell  eine  so  genaue  Parallele  zu  den 
Ergebnissen  der  Mendelforschung  liefern,  daß  eine  erfolgreiche  Betrach- 
tung des  Geschlechtsproblems  gleichmäßig  mit  beiden  Forschungs- 
richtungen  arbeiten  muß.  Dazu  soll  uns  nun  die  folgende  Vorlesung 
instand  setzen. 


Fünfzehnte  Vorlesung. 

Die    zellulären   Grundlagen    der  Bastardlehre.      Mendelismus    und 
Chromosomentheorie.     Geschlechtschromosomen  und  Hetero- 

gametie. 

Die  Erfolge,  die  die  Anwendung  der  Zellenlehre  auf  das  Geschlechts- 
problem erzielte,  basieren  begreiflicherweise  auf  den  gesamten  Grund- 
vorstellungen über  die  zelluläre  Grundlage  der  Vererbung,  wie  wir  sie  in 
der  i.  Vorlesung  schon  kurz  entwickelten,  und  deshalb  müssen  wir  auch 
jetzt  auf  ihnen  aufbauen,  indem  wir  vor  allem  einmal  die  Beziehung  zu 
den  Ergebnissen  der  Mendelforschung  herstellen. 

Bei  der  Besprechung  der  Hauptergebnisse  der  Bastardlehre  sahen 
wir,  daß  die  Resultate  einer  jeden  Kreuzung  in  erster  Linie  bedingt 
sind  durch  die  ererbte  Konstitution  der  Gameten  oder  Geschlechts- 
zellen. Und  da  liegt  es  nahe,  sich  die  Frage  vorzulegen,  ob  es  nicht 
möglich  sein  sollte,  durch  das  Studium  jener  Zellen  und  das  Verhalten 
ihrer  Bestandteile  etwas  weiter  in  das  Wesen  der  Vererbungserschei- 
nungen einzudringen.  Nun  haben  die  außerordentlich  eingehenden 
morphologischen  wie  experimentellen  Studien  der  letzten  Jahrzehnte 
uns  gerade  mit  der  Lebensgeschichte  der  Geschlechtszellen  in  so  gründ- 
licher Weise  bekannt  gemacht,  daß  man  wohl  sagen  kann,  daß,  wenn 
überhaupt  in  dieser  Richtung  etwas  zu  erreichen  ist,  wenigstens  der 
Weg  schon  sichtbar  sein  muß.  Es  hat  sich  nun  in  der  Tat  ergeben, 
daß  man  imstande  ist,  eine  enge  Beziehung  zwischen  den  Erscheinungen 
der  Geschlechtszellengeschichte  und  der  experimentellen  Erblichkeits- 


—     300     — 

lehre  zu  statuieren.  Ihr  Wert  für  die  weiteren  Fortschritte  der  Erb- 
lichkeitslehre wird  allerdings  sehr  verschieden  eingeschätzt.  Es  ist 
bemerkenswert,  daß  gerade  manche  führenden  Geister  der  Vererbungs- 
wissenschaft sich  den  Ergebnissen  der  Zellforschung  gegenüber  ab- 
lehnend verhalten.  So  zitiert  Johannsen  gelegentlich  Galtons  Satz: 
„Die  Zellen  und  ihr  Inhalt  sind  für  die  mikroskopierenden  Biologen 
ungefähr  dasselbe  wie  die  Briefbündel  enthaltenden  Postsäcke  für  Neu- 
gierige am  Fenster  eines  Postamts.  Die  Leute  können  schon  gewisse 
Schlüsse  über  den  Postdienst  machen  —  aber  was  in  den  Briefen  steht, 
können  sie  gar  nicht  wissen."  Seine  eigene  Ansicht  harmoniert  recht 
wohl  mit  solchem  extremen  Skeptizismus:  ,,Es  will  mir  scheinen,  daß 
die  hohe  Entwicklung,  welche  die  Zytologie  in  der  neuesten  Zeit  erreicht 
hat,  für  die  eigentlichen  Erblichkeitsstudien  gar  nicht  fruchtbar  gewesen 
ist,  ....  Wer  weiß,  wir  erleben  vielleicht,  daß  die  berühmten  Chro- 
matingebilde  sich  als  für  Erblichkeit  irrelevant  zeigen,  während  nicht 
sichtbare  chemische  Konstellationen  als  Grundlage  der  in  Frage  kom- 
menden Einzeleigenschaften  angenommen  werden."  Man  muß  in  der 
Tat  zugeben,  daß  es  bisher  sich  empfahl,  in  diesen  Dingen  nicht  gar  zu 
optimistisch  zu  sein;  sicher  hatte  Tschermak  im  wesentlichen  recht, 
wenn  er  meinte,  daß  es  besser  sei,  wenn  die  zelluläre  und  biologische 
Erblichkeitsforschung  zunächst  rein  auseinander  gehalten  werden.  Ohne 
Zweifel  ist  die  Gefahr  von  Zirkelschlüssen  bei  unvorsichtiger  Vermengung 
der  Ergebnisse  der  beiden  Richtungen  gegeben.  Andererseits  darf  aber 
nicht  verkannt  werden,  daß  die  Studien  an  den  Geschlechtszellen  zu  so 
bemerkenswerten  Resultaten  geführt  haben,  daß  die  experimentell- 
biologische Arbeitsrichtung  sie  unmöglich  vernachlässigen  kann.  Auch 
die  Entwicklungsmechanik  hatte  sich  von  der  Zellenlehre  abgewandt, 
ja  ein  berühmter  Führer  jener  Disziplin  meinte  einmal,  die  Zelle  sei 
überhaupt  kein  selbständiges  Objekt  kausal-experimenteller  Forschung. 
Und  doch  ist  diese  Wissenschaft  jetzt  an  einem  Punkte  angelangt,  an 
dem  die  zellulären  Studien  beginnen  in  das  Zentrum  der  Fragestellung  zu 
rücken.  Wir  glauben  aber,  daß  die  Zeit  der  vorsichtigen  Zurückhaltung 
nunmehr  überwunden  ist.  Denn  es  zeigt  sich  mit  jedem  Tage  mehr,  wie 
gerade  in  den  verwickeltsten  Fällen  der  Erblichkeitslehre  sich  die  Zell- 
forschung als  Lichtspenderin  erweist.    Und  das  trifft  gerade  für  die  Be- 


—     301     — 

Ziehungen  zum  Geschlechtsproblem  zu,  von  denen  wir  ja  hier  ausgehen. 
Wir  können  jetzt  schon  sagen,  daß  gewisse  ungewöhnlich  verwickelte 
Vererbungsfälle  im  selben  Augenblick  einfach  und  durchsichtig  werden, 
in  dem  sie  auf  die  Zellenlehre  bezogen  werden.  Wir  werden  das  bald 
beweisen  können;  beginnen  wir  jetzt  mit  den  Grundtatsachen. 

Wir  wissen  aus  der  einleitenden  Vorlesung,  daß  in  dem  Zellkern  der 
Träger  der  Erblichkeit  zu  erblicken  ist.  Wir  wissen  weiterhin,  daß  mit 
aller  Wahrscheinlichkeit  innerhalb  des  Kerns  die  Chromosomen  das 
materielle  Substrat  darstellen,  an  das  die  Erblichkeitserscheinungen 
geknüpft  sind,  gleichgültig  ob  wir  sie  uns  als  auf  materielle  Partikelchen 
lokalisiert  vorstellen  oder  nicht.  Sodann  wissen  wir,  daß  die  Zahl 
dieser  Chromosomen  für  jede  Organismenart  konstant  ist,  daß  aber 
wahrscheinlich  die  einzelnen  Chromosomen  qualitativ  verschieden  sind. 
Endlich  wissen  wir,  daß  bei  der  normalen  Befruchtung  Ei  und  Samen- 
zelle die  gleiche  Zahl  und  die  gleichen  Qualitäten  von  Chromosomen 
im  Befruchtungskern  zur  Vereinigung  bringen.  Diese  Zahl  ist  aber 
die  Hälfte  der  Normalzahl,  so  daß  letztere  nach  der  Befruchtung  wieder 
hergestellt  ist.  Es  richtete  sich  nun  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher 
vor  allem  auf  die  Frage,  wie  diese  Zahlenhalbierung  vollzogen  wird,  und 
die  Forschungen  über  diesen  Punkt  sind  es,  von  denen  aus  die  Beziehun- 
gen zwischen  zellulären  Vorgängen  und  Bastardlehre  sich  feststellen 
ließen. 

Eine  jede  befruchtungsbedürftige  Geschlechtszelle,  Ei  oder  Samen- 
zelle tierischer  oder  pflanzlicher  Natur  (im  Pflanzenreich  sind  vielfach 
die  hier  behandelten  Prozesse  durch  den  eigenartigen  Generations- 
wechsel nicht  direkt  mit  der  Geschlechtszellenbildung  verknüpft,  was 
aber  keine  prinzipielle  Änderung  bedingt)  erfährt,  bevor  sie  befruch- 
tungsfähig wird,  eine  zweimalige  Teilung.  Diese  Reifeteilungen  sind 
es,  die  auf  das  engste  mit  der  Halbierung  der  Chromosomenzahl  zu- 
sammenhängen. Nun  zeigte  es  sich  aber,  daß  bereits  im  Beginn  dieser 
Teilungen  in  der  mitotischen  Figur  nur  die  Hälfte  der  der  Art  zukommen- 
den Chromatinelemente  sichtbar  ist;  die  Elemente  unterscheiden  sich 
allerdings  deutlich  von  gewöhnlichen  Chromosomen  durch  den  Aufbau 
aus  mehreren  Teilstücken ;  man  nennt  sie  wegen  einer  besonders  typisch 
auftretenden  Einteilung  Tetraden.     Ihre  Entstehung  muß  somit  zuerst 


—     302     — 

klar  sein,  ehe  ihre  Verteilung  bei  den  Reifeteilungen  verstanden  werden 
kann.  Wurde  nun  das  Verhalten  des  Kernchromatins  der  Geschlechts- 
zellen soweit  zurückverfolgt,  bis  man  an  den  Punkt  ankam,  an  dem  sie 
soeben  aus  der  letzten  Teilung  der  Urgeschlechtszellen  hervorgegangen 
waren,  —  es  folgt  also  bis  zur  Reifeteilung  keine  weitere  Teilung  mehr, 


Fig.  115- 

A    Acht    aufeinanderfolgende    Stadien    der 

synaptischen      Phänomene      im     Spermato- 

zytenkern    von    Fasciola    hepatica.       Nach 

Schellenberg. 

B    Bukettstadium     aus    einer     Spermatozyte 
von     Pamphagus     zur    Demonstration     der 


feineren  Chromosomenstruktur, 
nata. 


Nach  Gra- 


B 


die  Zwischenzeit  in  der  Entwicklung  wird  vielmehr  durch  das  Wachs- 
tumsstadium der  Geschlechtszellen  ausgefüllt  —  so  fand  man  stets,  daß 
im  Kern  eine  Reihe  absonderlicher  Veränderungen  des  Chromatins  vor- 
gingen. Sie  beginnen  mit  einer  dichten  Aufknäuelung  des  Chromatin- 
fadens,  die  man  Synapsis  nennt;  die  nun  folgenden  Umwandlungen 
erscheinen  besonders  markant  im  Bukettstadium,  in  dem  die  einzelnen 


—     303     — 

Schleifen,  in  die  sich  nach  der  Synapsis  der  Faden  auflöst,  sich  gegen 
einen  Kernpol  orientieren.  Und  als  Schluß  der  synaptischen  Phäno- 
mene, wie  man  auch  die  ganze  Periode  nennt,  aus  der  sich  einige  Stadien 
in  Fig.  115  reproduziert  finden,  erscheint  dann  zum  erstenmal  im  Kern 
die  halbe,  reduzierte  Zahl  der  Chromosomen  in  Tetradenform.  Kein 
Zweifel,  daß  hier  während  der  Synapsis  die  Halbierung  der  Chromo- 
somenzahl zur  Halbzahl  von  Tetraden  stattfinden  muß. 

Über  die  Art,  wie  dies  geschieht,  gehen  die  Meinungen  auseinander. 
Wenn  wir  uns  der  einfachsten  Auffassung  hier  der  leichteren  Darstell- 
barkeit halber  anschließen  —  wir  haben  ja  in  dieser  Vorlesung  darauf 
verzichtet,  strittige  Punkte  zu  erörtern,  werden  einer  anderen  Auffassung 
außerdem  noch  begegnen  —  so  ereignet  sich  der  Vorgang  der  Tetraden- 
bildung,  die  Pseudoreduktion,  in  der  Art,  wie  es  nebenstehendes  Schema, 


Fig.  116. 

Schema  der  Bildung  der  Doppelchromosomen  während  der  Synapsis.     a  die  4  Chromo- 
somenformen, /'  die  parallele  Konjugation,   die  in  c  vollendet  ist,  a — f  Verkürzung  zu 
den  2  Doppelchromosomen  (Tetraden).     Nach  Gregoire. 


Fig.  116,  wiedergibt.  Es  sind  4  verschiedene  Chromosomenschleifen 
angenommen,  die  durch  verschiedene  Schraffierung  unterschieden  sind. 
Diese  legen  sich,  wie  b  zeigt,  paarweise  parallel  aneinander,  konjugieren, 
so  daß  dann  die  im  Bukettstadium  vorhandenen  —  Fig.  115  —  verdop- 
pelten Chromosomenschleifen  aus  zwei  eng  miteinander  verbundenen 
Einzelchromosomen  bestehen,  wie  Fig.  c  zeigt.  Die  weiteren  Umwand- 
lungen d — /  bestehen  nur  in  charakteristischen  Verkürzungen,  die 
schließlich  zu  den  verschiedenartig  gestalteten  Tetraden  der  Reifeteilung 
führen.  Die  Pseudoreduktion  während  der  Synapsis  besteht  also  darin, 
daß  sich  je  zwei  Chromosomen  vereinigen;  jede  Tetrade,  die  in  die  Reife- 
teilung eintritt,  setzt  sich  also,  welches  auch  ihre  Form  sei,  aus  zwei 
ganzen  vereinigten  Chromosomen  zusammen.  Es  sind  also  im  Beginn 
der  Reifeteilung  noch  alle  Chromosomen  in  den  Geschlechtszellen  vorhan- 


—     304     — 

den,  aber  sie  sind  paarweise  zur  halben  Zahl  von  Chromatinelementen, 
den  Tetraden,  vereinigt.  Und  jetzt  sind  wir  vorbereitet  zu  erfahren, 
was  in  den  Reifeteilungen  geschieht :  Das  Wesen  der  Reifeteilungen 
besteht  darin,  daß  in  einer  von  beiden  die  paarweise  miteinander  ver- 
einigten ganzen  Chromosomen  voneinander  getrennt  werden,  so  daß 
jetzt  jede  Tochterzelle  nicht  nur  die  halbe  Zahl  von  Chromatinelementen, 
sondern  auch  die  halbe  Zahl  der  vorhandenen  Chromosomen  besitzt. 


Fig.  117, 

Schema   des  Verlaufes    der  Reduktionsteilung    bei  Annahme    von    drei  Tetraden.     Er- 
klärung im  Text.     Nach  Gregoire. 


Fig.  njA — E  und  118  A — C  geben  den  Verlauf  der  zwei  Reifeteilungen 
in  einem  Schema  wieder,  das  sich  ebensogut  auf  tierische  Samenzellen 
als  auf  pflanzliche  Pollenkörner  beziehen  kann.  Bei  den  Eizellen  ist 
die  Reifung  im  Prinzip  ebenso  und  nur  im  Detail  insofern  verschieden, 
als  von  den  4  entstehenden  Zellen  3  winzig  klein  und  als  sogenannte 
Richtungskörper  nicht  mehr  befruchtungsfällig  sind,  wie  aus  der  Fig.  2 
der  I.Vorlesung  zu  erkennen  ist.  Es  ist  in  nebenstehendem  Schema  an- 
genommen, daß  die  Normalzahl  der  Chromosomen  sechs  beträgt.  In 
der  reifefähigen  Geschlechtszelle  finden  sich  somit  3  Chromatinelemente, 


—     305     — 

von  denen  jedes  aus  zwei  Chromosomen,  einem  schwarzen  und  einem 
punktierten  zusammengesetzt  ist.  Es  ist  hier  nun  angenommen,  daß 
die  erste  der  beiden  Reifeteilungen  diejenige  ist,  in  der  die  ganzen  Chro- 
mosomen voneinander  entfernt  werden,  die  Reduktionsteilung.  In  B 
sieht  man  die  Chromatinelemente  in  der  Äquatorialplatte  der  (nur  an- 
gedeuteten) Teilungsfigur  eingestellt.  In  C  weichen  aber  zu  jedem  Tei- 
lungspol entweder  schwarze  oder  punktierte  Chromosomen  auseinander. 
Daß  hier  nun  ein  jedes  bereits  wieder  doppelt  erscheint,  ist  eine  unwesent- 
liche Besonderheit:  die  Teilung  der  Chromosome  für  die  zweite  Reife- 
teilung wird  so  früh  schon  angedeutet;  in  vielen  Fällen  geschieht  das 
sogar  schon  auf  dem  Stadium  A.     Die  beiden  aus  der  i.  Reifeteilung 


Fig.  nS. 


Schema  des  Verlaufes  der  Aquationsteilung,    an   Fig.    117    anschließend.     A  folgt  auf 
W}  E,  ist  nur  um  90"  gedreht.     Nach  Gr6goire. 


hervorgegangenen  Zellen  haben  somit  jede  (D)  die  Hälfte  der  (längs- 
gespalten erscheinenden)  Chromosomen,  jede  3  von  den  6  Chromosomen, 
die  den  Zellen  sonst  typisch  zukämen.  Fig.  118  A,  B,  C  zeigt  dann  den 
Verlauf  der  2.  Reifeteilung.  Sie  geht  wie  eine  gewöhnliche  Zellteilung 
vor  sich,  bei  der  die  einzelnen  Chromosomen  der  Länge  nach  halbiert 
werden,  was  ja  schon  vorher  in  der  Verdoppelung  in  Fig.  117  C  an- 
gedeutet war.  Diese  sogenannte  Aquationsteilung,  deren  Bedeutung 
übrigens  bei  dieser  Darstellungsweise  gänzlich  unklar  ist,  hat  für  die 
weiteren  Betrachtungen  zunächst  keine  Bedeutung.  Das  gesamte  In- 
teresse konzentriert  sich  auf  die  Reduktionsteilung,  bei  der  die  ganzen 
Chromosomen  auf  zwei  Zellen  verteilt  werden. 

Im  Schema  ist  es  nun  so  dargestellt  worden,  daß  die  eine  Zelle  alle 
schwarzen,  die  andere  alle  punktierten  Chromosomen  erhielt.     Und  das 


Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl. 


20 


—     306 


führt  zu  der  Frage,  ob  es  denn  gleichgültig  ist,  in  welcher  Weise  die  Ver- 
teilung erfolgt.  Die  Antwort  können  wir  bereits  auf  Grund  dessen  geben, 
was  wir  in  der  ersten  Vorlesung  erfuhren.  Wie  wir  dort  hörten,  gelang 
Boveri  der  Beweis,  daß  die  verschiedenen  Chromosomen  einer 
Zelle  verschiedene  Qualität  haben.  Wir  wissen  ferner,  daß  die  Samen- 
zelle mit  ihrer  Chromosomenhälfte  die  gleichen  Eigenschaften  zu  über- 
tragen imstande  ist,  wie  die  Eizelle  mit  der  ihrigen.  Denn  bei  der  Ba- 
stardierung ist  es  meist  gänzlich  gleichgültig,  welche  von  den  Elternformen 
der  Vater  bzw.  die  Mutter  ist.     Aber  auch  jede  reife  Geschlechtszelle 

muß  allein  in  ihrer  Chromosomenhälfte  sämt- 
liche Eigenschaften  vertreten  besitzen.  Denn 
aus  einem  Seeigelei  entsteht  bei  künstlicher 
Parthenogenese  der  gleiche  Seeigel  wie  aus 
dem  befruchteten  Ei,  und  ein  kernloses  See- 
igeleifragment,  das  befruchtet  wird,  also  nur 
den  Samenkern  enthält  (sozusagen  männliche 
Parthenogenese)  gibt  ebenfalls  eine  richtige 
Seeigellarve.    Es  muß  also  der  reife  Ei-  wie 

„.     _,  '     .,  Samenkern  sämtliche  Chromosomenarten,  eine 

Die  Chromosomengarnitur  einer 

Ureizelle  der  Wanze  Protenor  ganze  „Chromosomengarnitur"  (Heider)  be- 
belfragei  mit  14  Chromosomen,      .  .      . 

die   sich  in  7  unter  sich  ver-  sitzen.     Das  befruchtete  Ei  muß  somit  jede 

schiedene  Paare  ordnen  lassen.   Chromosomenart  zweimal  enthalten,  nämlich 
Aach  Wilson. 

einmal  mütterlicher,  einmal  väterlicher  Her- 
kunft. Wenn  sich  also  die  Geschlechtszellen  der  kommenden  Generation 
bilden,  müssen  sie  ebenfalls  zur  Hälfte  väterliche,  zur  Hälfte  mütterliche 
Chromosomen  enthalten,  die  ihnen  im  Laufe  der  Zellgenerationen  vom  Ei 
her  durch  die  ganze  Entwicklung  hindurch  —  die  Keimbahn!  — überliefert 
wurden.  In  der  Synapsis  vereinigen  sich  aber  die  Chromosomen  paar- 
weise; in  der  Reduktionsteilung  werden  die  Paare  auf  zwei  Zellen  ver- 
teilt; jede  der  Zellen  besitzt  wieder  alle  Chromosomenarten,  die  vor  der 
Reifung  doppelt  vorhanden  waren;  von  diesen  stammte  die  Hälfte  von 
dem  Vater,  die  Hälfte  von  der  Mutter :  Folglich  können  die  beiden  Chro- 
mosomen, die  sich  in  der  Synapsis  vereinigten,  nur  je  ein  väterliches  und 
je  ein  mütterliches  Chromosom  der  gleichen  Qualität  gewesen  sein! 
Nun  gibt  es  Objekte,  bei  denen  die  Verschiedenheit  der  Chromosomen 


—     307     — 

nicht  nur  in  mühsamem  Experiment  erschlossen  werden  kann,  wo  sie 
vielmehr  dem  Auge  sichtbar  ist.  Nebenstehende  Fig.  ng  gibt  den 
Chromosomenbestand  einer  Wanze  wieder,  der  deutlich  die  verschiedene 
Größe  und  Form  der  einzelnen  Chromosomen  zeigt.  Und  in  solchen 
Fällen  wurde  nun  des  öfteren  festgestellt,  daß  jede  Größenart  von  Chro- 
mosomen zweimal  vorhanden  ist.  In  der  Abbildung  sind  sie  durch 
gleiche  Nummern  gekennzeichnet.  Nach  der  Pseudoreduktion  in  der 
Synapsis  sind  aber,  wie  wir  wissen,  die  Chromosomen  paarweise  zu  Dop- 


2. 


A 


Aa 

Fig.   120. 
Schema  des  Verhaltens    der  Chromosomen    bei  der  Bastardbefruchtung   (in  Anlehnung 

an  Heide  r). 


pelelementen  vereinigt,  die  nun  wieder  alle  jene  Chromosomengrößen 
aufweisen.  Es  haben  sich  somit  je  zwei  gleichwertige  Chromosomen 
vereinigt.  Nach  dem  vorhin  Ausgeführten  können  dies  aber  nur  je 
ein  vom  Vater  und  ein  von  der  Mutter  stammendes  Element  gewesen  sein. 
Da  nun  in  der  Reduktionsteilung  die  Chromosomenpaare  voneinander 
getrennt  werden,  so  ist  damit  auch  gesagt,  daß  diese  Teilung  väter- 
liche und  mütterliche  Chromosomen  trennt. 

Und  nun  kehren  wir  zu  unserem  Ausgangspunkt  zurück.     Angenom- 


20' 


308 


men,  die  Chromosomen  sind  die  Träger  der  erblichen  Eigenschaften, 
und  angenommen,  ein  Chromosom  bedinge  eine  Einzeleigenschaft,  dann 
können  wir  uns  in  folgender  Weise  ableiten,  was  mit  den  betreffenden 
Chromosomen  bei  einer  Bastardierung  geschieht.     Setzen  wir  den  Fall, 


a. 


% 


•c. 


Fig.   121. 

Das  Verhalten  der  Chromosomen  bei  der  Reifung    der  Geschlechtszellen  des  Bastards 

Aa  von  Fig.    120,   schematisch  dargestellt. 

die  Normalzahl  beider  Bastardeltern  sei  8  Chromosomen,  so  haben  ihre 
Geschlechtszellen  als  reduzierte  Zahl  4.  Nehmen  wir  nun  an,  von  diesen 
vieren  bedinge  eines  bei  der  Bastardmutter  ein  schwarzes  Fell.  Wir 
können  dann  die  3  Chromosomen  der  reifen  Eizelle,  die  zu  den  anderen 
Eigenschaften  des  Tieres  gehören,  punktiert  wiedergeben  und  das 
Schwarzfellchromosom  schwarz.  Der  Bastardvater  unterscheide  sich 
von  der  Mutter  durch  ein  weißes  Fell  und  habe  dementsprechend  außer 
den  drei  punktierten  ein  weißes  Chromosom.  Die  Geschlechtszellen 
der  P-Generation  sehen  dann  so  aus,  wie  es  Fig.  120  1,  2  zeigt.     3  gibt 


309 


deren  Vereinigung  bei  der  Befruchtung  wieder  und  4  zeigt  den  Chromo- 
somenbestand des  Bastards  in  Fx.  Fig.  121  stellt  nun  dar,  wie  in  diesem 
Bastard  die  Reifung  der  Geschlechtszellen  verlaufen  muß.  In  der  Sy- 
napsis  vereinigen  sich  die  homologen  väterlichen  und  mütterlichen 
Chromosomen  paarweise.  Es  kommen  somit  3  punktierte  Paare  zu- 
sammen und  natürlich  auch  das  schwarze  Fellfarbechromosom  mit  dem 
weißen  Vertreter  der  entsprechenden  Eigenschaft  (a).  So  treten  nun 
die   Chromosomenpaare  in   die   Reduktionsteilung  ein   (b)  und  werden 


<fa+fA 


Fig.   122. 
Schema  der  4  Möglichkeiten  der  Befruchtung  zwischen  zwei  Gameten  des  Bastards  Aa, 
deren  Bildung  in  zwei  nach  den  Farbchromosomen  verschiedenen  Arten  Fig.  121   zeigte. 

NB.    In  2  fehlt  aus  Versehen  in  der  linken  Zelle  das  schwarze 

Chromosom. 


dort  auseinandergeteilt,  so  daß  jede  Tochterzelle  drei  punktierte  Chro- 
mosomen erhält,  die  eine  aber  dazu  ein  schwarzes,  die  andere  ein  weißes 
(c).  Da  aber  die  zweite  Reifeteilung,  die  eine  gewöhnliche  Zellteilung 
darstellt,  an  dieser  Verteilung  nichts  mehr  ändert,  so  ist  das  Endresultat, 
daß  zwei  Sorten  von  Geschlechtszellen  entstehen :  eine,  die  in  bezug  auf 
die  Fellfarbe  nur  das  schwarze  Chromosom,  eine  die  nur  das  weiße  ent- 
hält, d.  h.  mit  anderen  Worten,  nichts  anderes  als  in  bezug  auf  jene 
Eigenschaften  reine  Gameten  (d).  Es  werden  also  von  beiden  Geschlech- 
tern in  Fx  diese  zwei  Sorten  von  Gameten,   und  zwar  in  gleicher  Zahl, 


—     310     — 

gebildet.  Bei  der  Befruchtung  zwischen  zwei  solchen  Bastardindividuen 
können  sich  somit  die  Geschlechtszellen  auf  4  Arten  je  nach  Zufall 
zusammenfinden,  wie  es  Fig.  122  zeigt.  Entweder  kommen  zwei  Ga- 
meten mit  schwarzen  Chromosomen  zusammen,  oder  die  Samenzelle  hat 
das  schwarze,  die  Eizelle  das  weiße  Chromosom  oder  das  Umgekehrte  ist 


I  ct. 


7TA3 


/* 


J. 


ULa3 


TfAl 


yd 


Fig.   12' 


Die   zwei    möglichen  Arten    der  Verteilung    von  2  verschiedenen  Chromosomenpaaren 
bei  der  Reifeteilung  der  Geschlechtszellen  eines  Dihybriden.     Es  können  4  Arten  von 

Gameten  I — IV  gebildet  werden. 

der  Fall,  oder  endlich  beide  kopulierende  Gameten  haben  das  weiße.  Nen- 
nen wir  das  schwarze  Chromosom  aber  A ,  das  weiße  a,  so  haben  wir  hier 
ganz  klar  das  Mendelsche  Spaltungsverhältnis  für  F2  :  AA  :  Aa:  aA:  aa. 
Es  ist  klar,  daß  das,  was  jetzt  für  ein  Chromosom  ausgeführt  wurde, 
ebensogut  sich  für  mehrere  ausführen  läßt.  Die  folgenden  Figuren  123, 
124  stellen  das  gleiche  für  zwei  Eigenschaftsträgerpaare  dar,  um  zu  zeigen, 


311      — 


Fig.   124. 
Die  16  Möglichkeiten,  in  denen  sich  die  4  Gametenarten  des  Dihybriden  zur  Erzeugung 
von    Fo    kombinieren    können.      Die    Buchstabensymbole    ergeben    das    Kombinations- 
schema des  Dihybridismus. 


—     312     — 

daß  auch  das  völlig  unabhängige  Mendeln  einer  jeden  Einzeleigenschaft 
in  den  Chromosomenverhältnissen  eine  gute  Darstellung  findet.  Es  sind 
wieder  4  Chromosomenpaare  angenommen,  von  denen  zwei  in  Betracht 
gezogen  werden;  ein  großes  und  ein  kleines  schwarzes  im  einen  Elter, 
ein  großes  und  ein  kleines  weißes  im  anderen.  Wenn  diese  sich  in  der 
Synapsis  paarweise  vereinigen,  so  können  sie  so  in  die  erste  Reifeteilung 
eingehen,  wie  es  Fig.  123  a  zeigt;  es  werden  dann  die  Hälfte  der  Gameten 
nach  der  Teilung  die  beiden  schwarzen,  die  andere  Hälfte  die  beiden 
weißen  bekommen  (c).  Da  aber  die  Einstellung  der  Paare  in  der  Äqua- 
torialplatte der  Reifeteilung  doch  wohl  vom  Zufall  abhängt,  so  könnte 
sie  auch  so  sein,  wie  Fig.  123  b  zeigt ;  tritt  hier  die  Teilung  ein,  so  erhält 
jede  Zelle  ein  schwarzes  und  ein  weißes  (d).  Wir  sehen  somit,  daß  4  Arten 
von  Gameten  gebildet  werden  können,  die  die  4  möglichen  Kombina- 
tionen der  zwei  Chromosomenpaare  darstellen.  Heißen  die  schwarzen 
Chromosomen  A  und  B,  die  weißen  a  und  b,  so  werden  die  Gameten 
AB,  Ab,  aB,  ab  gebildet,  genau  wie  wir  es  für  den  mendelnden  F^Bastard 
bei  Dihybridismus  forderten.  Da  in  beiden  Geschlechtern  aber  das  gleiche 
der  Fall  ist,  so  können  sich  bei  der  Befruchtung  4  X4  =16  Kombinationen 
der  Gameten  ergeben,  wie  sie  in  Fig.  124  dargestellt  sind.  Also  auch 
für  den  Dihybridismus  und  selbstverständlich  auch  für  den  Polyhybri- 
dismus  läßt  sich  in  gleicher  Weise  die  Ableitung  aus  den  Chromosomen- 
verhältnissen gestalten. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  diese  von  Boveri  und 
Sutton  gegebene  Herleitung  der  Mendelschen  Zahlen  aus  dem  Ver- 
halten der  Chromosomen  im  höchsten  Maß  bestechend  ist  und,  falls 
sie  der  Kritik  standzuhalten  vermag,  der  Erklärung  der  Spaltungs- 
regeln eine  sichere  Basis  schafft.  Das  ist  denn  auch  der  Fall,  wenn 
auch  mit  dem  Angeführten  noch  nicht  alle  Schwierigkeiten  über- 
wunden sind.  Es  sind  ja  bereits  jetzt  eine  Anzahl  von  Mendel- 
f allen  analysiert,  bei  denen  mehr  Allelomorphe  bekannt  sind  als 
Chromosomen  existieren,  und  dabei  sind  doch  in  solchen  Fällen  nur 
ein  Teil  der  mendelnden  Merkmale  untersucht.  Die  Annahme,  daß 
die  Anlagen  in  großer  Zahl  innerhalb  eines  Chromosoms  sich  finden, 
läßt  allerdings  die  reine  Zahlenschwierigkeit  beseitigen,  aber  dann  ver- 
sagt scheinbar  die   Erklärung,   sobald  mehrere  selbständig  mendelnde 


—     313     — 

Merkmalspaare  betrachtet  werden.  Denn  bei  Lokalisierung  in  einem 
Chromosom  müßten  alle  in  einem  solchen  zusammengefaßten  Merkmale 
korrelativ  vererbt  werden :  es  könnten  unter  allen  Umständen  in  bezug 
auf  diese  Merkmale  nur  zwei  Gametenarten  gebildet  werden.  Der  der 
zytologischen  Betrachtung  der  Vererbungsgrundlagen  skeptisch  Gegen- 
überstehende könnte  daraus  den  Schluß  ziehen,  daß  man  daran  sieht, 
wie  wenig  auf  diesem  Wege  weiterzukommen  ist,  und  es  muß  zugegeben 
werden,  daß  dem  der  Zellforschung  Fernerstehenden  alle  diese  Betrach- 
tungen leicht  als  phantastische  Konstruktionen  erscheinen  können.  Wir 
sehen  in  der  Tat  in  der  Erblichkeitslehre  jetzt  eine  Richtung,  die  diesen 
Standpunkt  einnimmt  und  ihn  insofern  auch  mit  einem  gewissen  Recht 
einnimmt,  als  solche  Skepsis  eine  heilsame  Reaktion  gegenüber  dem 
allzu  großen  Optimismus  der  verflossenen  Zeit  darstellt.  Wer  aber  Ge- 
legenheit hatte,  die  minutiösen  Vorgänge  in  der  Reifungsgeschichte  der 
Geschlechtszellen  näher  zu  studieren  und  dabei  die  ganz  außerordent- 
liche Einförmigkeit  der  subtilsten  Erscheinungen  durch  die  ganze  belebte 
Organismenwelt  hindurch  zu  bewundern,  Erscheinungen,  die  so  ganz 
ausschließlich  auf  diese  Periode  der  Geschlechtszellen  beschränkt  sind, 
der  muß,  sofern  er  gewohnt  ist,  hinter  den  Dingen  einen  Sinn  zu 
suchen,  dazu  kommen,  Beziehungen  zwischen  den  sichtbaren  morpho- 
logischen Vorgängen  und  den  experimentell  ergründeten  biologischen 
Erscheinungen  anzunehmen.  Es  stehen  daher  derartige  Gedankengänge 
auf  keinem  weniger  wissenschaftlichen  Niveau  als  z.  B.  Überlegungen 
über  das  Wesen  der  Dominanz. 

Es  lassen  sich  nun  aber  die  gesamten  Schwierigkeiten  in  der  Tat 
einerseits  überbrücken,  anderseits  werden  wir  bald  sehen,  daß  die  Konse- 
quenz, daß  in  einem  Chromosom  lokalisierte  Eigenschaften  korrelativ 
vererbt  werden  müssen,  auch  den  Tatsachen  entspricht.  Was  nun 
zunächst  die  Möglichkeit  einer  größeren  Zahl  selbständig  mendelnder 
Eigenschaften  als  Chromosomen  betrifft,  so  läßt  sie  sich  auf  verschiedene 
Art  erklären.  Für  manche  Fälle  hat  es  sich  gezeigt,  daß  nach  der  Sy- 
napsis  die  paarweise  konjugierten  Chromosomen  völlig  untereinander 
verschmelzen.  Wenn  die  in  ihnen  enthaltenen  Erbanlagen  linear  hinter- 
einander angeordnet  sind,  so  werden  sie,  wenn  sich  dann  die  Chromosomen 
wieder  trennen,  wie  es  der  Zufall  will,  auf  beide  verteilt  werden.  Und  im 


314 


Durchschnitt  hat  dann  jede  Kombination  die  gleiche  Chance.  Der 
Effekt  für  viele  Faktoren  in  einem  Chromosom  ist  dann  der  gleiche  wie 
für  verschiedene  Faktoren  in  verschiedenen  Chromosomen. 

Man  kann  die  gleiche  Möglichkeit  auch  noch  auf  andere  Art  beweisen 
und  zeigen,  daß  sie  auch  unter  etwas  anderen  Voraussetzungen  gegeben 
ist.  Wir  haben  bereits  eingangs  erwähnt,  daß  viele  von  den  Tatsachen, 
an  die  sich  die  vorgetragenen  Gedankengänge  anknüpfen,  auch  in  anderer 
Weise  interpretiert  werden  können.  Wir  haben  gesehen,  daß  nach  der 
sogenannten  Synapsis  die  Chromosomen  im  Kern  eine  Doppelnatur 
zeigen  und  haben  diese  so  interpretiert,  daß  je  ein  väterliches  und  mütter- 


d 


Fia:.  12: 


Schematische  Vorstellung  der  paarweisen  Vereinigung  homologer  Chromosomen  (schwarz 
und  weiß)  mit  den  Enden  unter  gleichzeitigem  Auftreten  des  Längsspaltes  für  die 
Äquationsteilung.      a    Der  Zustand   nach    der    Synapsis,    d  die    für    die    Reifeteilungen 

fertige  Tetrade  nach  Gregoire. 


liches  Chromosom  sich  parallel  aneinander  lagern,  um  dann  in  der  Re- 
duktionsteilung später  getrennt  zu  werden.  Es  wird  nun  immer  wahr- 
scheinlicher, daß  in  vielen  Fällen  diese  Doppelnatur  der  Fäden  eine 
andere  Bedeutung  hat :  daß  sie  nämlich  eine  Anordnung  der  Bestandteile 
eines  Chromosoms  in  zwei  Längshälften  bedeutet,  also  die  Ausbildung 
von  längsgespaltenen  Chromosomen,  wie  sie  in  jeder  Teilung  auftreten. 
Dieser  Längsspalt,  also  die  Selbständigkeit  der  Spalthälften,  bleibt  dann 
weiterhin  bis  zu  den  Reifeteilungen  bestehen  und  ihm  entsprechend  wird 
dann  in  der  Äquationsteilung,  die  wir  ja  als  eine  gewöhnliche  Zellteilung 
bezeichneten  und  bisher  nicht  weiter  berücksichtigten,  die  Verteilung 
der  Spalthälften  besorgt.    Die  Verteilung  der  ganzen,  homologen  väter- 


—     315     — 

liehen  und  mütterlichen  Chromosomen  in  der  Reduktionsteilung  findet 
aber  außerdem  statt.  Sie  hatten  sich  nur  in  der  Synapsis  nicht  paarweise 
parallel  zusammengelegt,  sondern  waren  mit  ihren  Enden  zusammen- 
getreten, wie  es  nebenstehendes  Schema,  Fig.  125,  zeigt,  das  sich  direkt 
mit  Fig.  116  vergleichen  läßt.  Es  ist  nun  in  der  Tat  merkwürdig,  daß 
überall  wo  eine  Reduktionsteilung  stattfindet,  auch  eine  Äquations- 
teilung  sich  vollzieht,  und  daß  die  Vorbereitungen  zu  ihr  in  der  Synapsis 
mit  der  gleichen  Sorgfalt  vollzogen  werden,  wie  die  für  die  Reduktions- 
teilungen. Die  Reduktionsteilung  nun  wird  durch  die  Notwendigkeit, 
die  Chromosomenzahl  auf  die  Hälfte  zu  reduzieren,  erklärt,  für  die 
Äquationsteilung  aber  fehlt  jede  Erklärung  aus  zellulären  Ursachen. 
Sie  läßt  sich  aber  sofort  geben,  wenn  wir  auch  sie  mit  der  Verteilung 
der  Erbsubstanzen  in  Verbindung  bringen. 

Bei  der  Ausbildung  der  längsgespaltenen  Fäden  in  der  Synapsis 
legen  sich  zahlreiche  feinste  Partikelchen  hintereinander  und  sie  ent- 
sprechen sich  in  den  beiden  Spalthälften  in  weitgehendem  Maße,  wie 
deutlich  Fig.  115  zeigt,  eine  Erscheinung,  auf  deren  Bedeutung  für 
die  uns  hier  beschäftigenden  Fragen  am  meisten  durch  Groß  hingewiesen 
wurde.  Nehmen  wir  nun  einmal  an,  diese  vielen  Partikelchen  wären 
die  materiellen  Grundlagen  der  Erbfaktoren,  so  bedeutet  die  Ausbildung 
der  Spalthälften,  daß  jedes  Partikelchen  sich  verdoppelt  hat  und  sich 
für  jedes  Chromosom  zwei  identische  Ketten  von  Erbfaktoren  zusammen- 
finden. Benutzen  wir  nun  wieder  das  obige  Beispiel  der  Fellfarbe  und 
machen  die  Annahme,  in  einem  Chromosom  seien  u.  a.  alle  Faktoren  für 
Fellfarbe  vereinigt  und  stellen  uns  nunmehr  auf  den  Standpunkt  der 
Presence-Absence-Theorie,  der  erfordert,  daß  ein  Allelomorphenpaar  aus 
einem  vorhandenen  Faktor  und  seinem  Fehlen  bestehe.  Das  Fellchromosom 
enthielte  also  bei  beiden  Tieren  etwa  die  Faktoren  ABC;  das  schwarze 
verfügt  dann  außerdem  noch  über  den  Schwarzfaktor  N.  Das  väterliche 
und  das  mütterliche  Chromosom,  die  in  der  Synapsis  des  Bastards  mit 
ihren  Enden  zusammentreten,  heißen  also 

N 

BX  B 
C         C 


—     316     — 

Nun  besteht  die  Chromosomenbildung  aber  doch  darin,  daß  sich  die 
vorher  im  Kern  zerstreuten  einzelnen  Partikelchen  aus  unerklärten 
Ursachen  zu  ihrem  typischen  Chromosom  zusammenfinden,  und  zwar 
wie  die  Zahlen-  und  Formkonstanz  lehrt,  immer  wieder  die  gleichen 
bzw.  analogen  und  gleichzeitig  die  ganze  Serie  zu  dem  synaptischen 
Spiremfaden,  der  später  in  die  Chromosomen  zerfällt.  Hat  die  erwähnte 
Längsspaltung,  also  Verdoppelung  der  Körnchen-Erbfaktoren,  statt- 
gefunden, so  sind  jetzt  viermal  ABC  vorhanden  und  zweimal  N,  die 
zir  vier  Halbchromosomen  zusammentreten.  Da  selbstverständlich  an- 
zunehmen ist,  daß  die  sämtlichen  ABC  identisch  sind,  so  finden  sie 
sich  eben  unter  allen  Umständen  richtig  vereinigt.  Die  beiden  N  können 
aber  nur  zu  zwei  ABC-Ketten,  von  den  4  vorhandenen,  hinzutreten, 
die,  wenn  sie  alle  untereinander  identisch  sind,  sie  alle  4  in  gleicher 
Weise  anzuziehen  vermögen.  Es  können  daher  die  längsgespaltenen, 
und  mit  den  Enden  vereinigten  Chromosomenpaare,  die  aus  der  Synapsis 
hervorgehen,  die  Tetraden,  wie  sie  Fig.  125  c  zeigt,  ■ — ■  jetzt  wird  dieser 
Ausdruck  verständlich  —  zweierlei  Zusammensetzung  haben,    nämlich 


N 

Ar 

A 

A 

B 

B 

C 

C 

A 

A 

B 

B 

C 

C 

oder 


N 

A 

-1 

B 

B 

C 

C 

N 

A 

A 

B 

B 

C 

C 

Da  aber  die  Reduktionsteilung  die  ganzen  Chromosomen,  also  in  der 
horizontalen  Linie,  trennt,  die  Äquationsteilung  die  Spalthälften,  also 
in  der  vertikalen  Linie,  so  muß  unter  allen  Umständen  eine  von  beiden 
Teilungen,  im  ersteren  Fall  die  Reduktionsteilung,  im  zweiten  die  Äqua- 
tionsteilung, das  Merkmalspaar  verteilen.  Die  Äquationsteilung  ist 
also  für  die  Spaltung  ebenso  nötig,  als  die  Reduktionsteilung,  die  nur 
außerdem  noch  die  Herabsetzung  der  Chromosomenzahl  bewirkt.  Es 
ist  klar,  daß  bei  dieser  Interpretation  der  Tatsachen  die  Schwierigkeit  der 
Zahl  der  selbständig  mendelnden  Einheiten  beseitigt  ist.  Denn  ebenso 
wie  der  Faktor  N  kann  sich  jeder  andere  verhalten,  und  wie  leicht  zu 


—     317     — 

kombinieren  ist,  ergibt  das  gleichzeitige  Vorhandensein  mehrerer  Merk- 
malspaare ebensoviel  Gametenkombinationen  als  die  Mend eischen 
Gesetze  verlangen,  da  die  Merkmale,  auch  wenn  sie  in  großer  Zahl  sich 
in  einem  Chromosomen  finden,  stets  durch  die  gemeinsame  spaltende 
Wirkung  der  beiden  Reifeteilungen  getrennt  werden.  Da  die  Faktoren- 
zahl, die  man  sich  in  dieser  Weise  in  der  Gesamtheit  der  Chromosomen 
vorhanden  denken  kann,  eine  ganz  außerordentlich  große  ist,  so  lassen 
sich  in  der  Tat  auch  bei  dieser  Interpretation  der  Reduktionsteilungen 
die  Spaltungsgesetze  in  Anlehnung  an  die  zytologischen  Tatsachen  auf 
die  Chromosomenverhältnisse  zurückführen. 

Und  nun  können  wir  wieder  zum  Geschlechtsproblem  zurückkehren, 
um  zu  sehen,  in  welcher  Weise  hier  die  Chromosomenlehre  klärend  ein- 
zugreifen imstande  war. 

Die  Verbindung  zwischen  Zellenlehre  und  Geschlechtsbestimmung 
wird  durch  die  bedeutungsvollen  Entdeckungen  über  das  akzessorische 
Chromosom  oder  X-Chromosom  hergestellt.  Die  ersten  entscheidenden 
Beobachtungen  auf  diesem  Gebiet  hatte  Henking  gemacht,  ihre  Be- 
deutung für  unser  Problem  wurde  aber  erst  von  McClung  richtig  er- 
kannt. Aber  auch  seine  Interpretation  hat  sich  weiterhin  als  unrichtig 
erwiesen,  und  es  ist  das  Verdienst  von  Miß  Stevens  und  vor  allen 
Dingen  E.  B.  Wilson,  die  Tatsachen  geklärt  und  in  ihrer  Bedeutung 
gewürdigt  zu  haben.  Nach  allem,  was  wir  jetzt  über  die  Chromosomen 
und  ihre  Geschichte  gehört  haben,  ist  es  selbstverständlich,  daß  sie  stets 
nur  in  gerader  Zahl  gefunden  werden,  denn  die  Halbierung  der  Zahl  in 
der  Reduktionsteilung,  die  paarweise  Vereinigung  in  der  Synapsis  er- 
fordert ja  eine  gerade  Zahl.  Die  Tatsachen,  die  wir  jetzt  kennen  lernen 
wollen,  fußen  aber  alle  auf  dem  zunächst  höchst  erstaunlichen  Befund, 
daß  in  den  Zellen  mancher  Insekten  eine  ungerade  Zahl  sich  findet. 
Nach  mancherlei  Irrwegen  der  Forschungen  kann  es  jetzt  als  feststehend 
gelten,  daß  da,  wo  dies  der  Fall  ist,  es  meist  das  männliche  Geschlecht 
ist,  dem  die  ungerade  Zahl  zukommt,  und  zwar  besitzt  es  immer  dann 
ein  Chromosom  weniger  als  das  weibliche,  z.  B.  letzteres  22,  ersteres  21 
Elemente.  Da  wir  schon  wissen,  daß  im  allgemeinen  die  Chromosomen 
als  Elemente  väterlicher  und  mütterlicher  Herkunft  paarweise  zusam- 
mengehören, so  muß  bei  dem  Männchen  einem  Chromosom,  dem  X-Chro- 


—     318     — 

mosom,  sein  Partner  fehlen,  der  aber  beim  \\  eibchen  mit  seiner  geraden 
Zahl  vorhanden  ist,  so  daß  dieses  außer  allen  anderen  Chromosomen 


a 


f  (fIMiil  # 
f  MttiM  f 


/ 


c    » 


^55%  !€•••••••••  / 


«MM 

$ 

9 


h 


Fig.   126. 

Chromosomenverhältnisse  von  Anasa  tristis.  a  Die  Chromosomengarnitur  der  Ur- 
samenzellen.  b  Die  gleichen  Chromosomen  paarweise  geordnet,  c  Die  Garnitur  einer 
Ureizelle.  d  Die  gleichen  paarweise  geordnet,  e  Metaphase  der  1.  Spermatozyten- 
teilung.  /  Die  2.  Reifeteilung,  g,  h  Die  beiden  Tochtergruppen  einer  Teilungsfigur 
vom  Pol    gesehen.     //  besitzt    allein    das    unpaare  Chromosom  //.     Nach  Wilson  aus 

Hacker. 


zwei   X-Chromosomen  besitzt.     Fig.  126  a  stellt  die  Chromosomen  aus 
einer  Teilungsfigur  der  Wanze  Anasa  tristis  im  männlichen  Geschlecht 


—     319     — 

dar.  In  b  sind  sie  einzeln  herausgezeichnet,  und  da  erkennt  man  deutlich 
21  Chromosomen,  von  denen  20  paarweise  zusammengehören,  während  das 
21.,  das  keinen  Partner  hat,  das  X-Chromosom  darstellt.  Fig.  126c  zeigt 
nun  die  Chromosomen  einer  weiblichen  Zelle,  ebenfalls  in  d  isoliert  ge- 
zeichnet und  man  erkennt  die  11  Paare,  von  denen  die  beiden  links 
die  X-Chromosomen  sind. 

Erinnern  wir  uns  nun  daran,  was  in  den  Reifeteilungen  vor  sich  geht. 
Die  eine  von  ihnen  war  eine  Reduktionsteilung,  d.  h.  die  vorher  in  homo- 
logen Paaren  miteinander  vereinigten  Chromosomen  wurden  als  ganze 
Chromosomen  auf  die  beiden  Teilungspole  verteilt,  so  daß  nur  die  beiden 
Tochterzellen  die  Hälfte,  die  reduzierte  Chromosomenzahl  erhielten, 
in  der  aber  jede  Chromosomenform  einmal  vertreten  war.  Lassen  wir 
nun  bei  einer  solchen  weiblichen  "Wanze  die  Reduktionsteilung  vor  sich 
gehen,  so  erhält  jede  Zelle,  bzw.  im  weiblichen  Geschlecht  die  Eizelle  und 
der  Richtungskörper,  den  gleichen  Chromosomenbestand:  alle  reifen 
Eier  besitzen  ihre  11  Chromosomen  von  der  typischen  Art  der  Fig.  126  d. 
Wenn  aber  im  männlichen  Geschlecht  in  den  Spermatozyten  die  Reife- 
teilungen stattfinden  und  sich  die  Chromosomen  in  der  Synapsis  paaren, 
dann  besitzt  das  X-Element  keinen  Partner,  es  muß  also  ungepaart  bleiben. 
In  der  Reduktionsteilung,  die  ganze  Chromosomen  auseinanderteilt, 
muß  es  daher  als  Ganzes  zu  einem  Pol  gezogen  werden  und  das  ist  in 
der  Tat  der  Fall.  Fig.  126  /  zeigt  uns  diese  Teilung,  und  wie  das  X-Ele- 
ment  (h)  ungeteilt  zu  einem  Pol  wandert.  Damit  sind  aber  nach  der 
Reduktionsteilung  zwei  verschiedene  Arten  von  Samenzellen  vorhanden: 
solche  mit  10  Chromosomen  (Fig.  g)  und  solche  mit  n,  nämlich  den 
gleichen  10  +  dem  X"-Chromosom  (Fig.  h).  Da  nun  aus  jeder  dieser 
Zellen  sich  ein  Spermatozoon  bildet,  so  entstehen  in  gleicher  Zahl  zwei 
verschiedene  Spermatozoenarten,  solche  mit  und  solche  ohne  X-Chromo- 
som. Nun  ist  es  klar,  was  sich  bei  der  Befruchtung  ereignen  muß :  Ent- 
weder befruchtet  ein  Spermatozoon  mit  10  Chromosomen  das  Ei,  das 
immer  n  enthält,  dann  entsteht  ein  Organismus  mit  21  Chromosomen. 
Oder  eine  Spermie  mit  11  Chromosomen  kommt  zur  Befruchtung,  dann 
entsteht  ein  Wesen  mit  22  Chromosomen.  Da  es  aber  feststeht,  daß  die 
Männchen  in  ihren  Zellen  21,  die  Weibchen  22  Chromosomen  besitzen, 
so  folgt  daraus  mit  zwingender  Notwendigkeit,  daß  die  Spermatozoen 


—     320     — 


••• 


mit     X-Chromosom    weibchenbestimmend,     die    ohne     X-Chromosom 
männchenbestimmend  sind. 

An  der  Richtigkeit  der  Befunde,  die  bereits  durch  die  ganze  Lebens- 
geschichte solcher  Formen  hindurch  verfolgt  sind,  kann  nicht  der  ge- 
ringste Zweifel  bestehen.  Sie  stehen  jetzt  für  sehr  viele  Arthropoden, 
für  Würmer  und  für  Wirbeltiere  fest.  Wie  klar  sich  oft  die  männchen- 
und  weibchenbestimmenden  Spermatozoen  unterscheiden  lassen,  geht 
z.  B.  aus  nebenstehender  Photographie  der  4  aus  den  beiden  Reifeteilun- 
gen entstandenen  Spermien  eines  Nema- 
toden hervor,  von  denen  die  beiden  <£- 
bestimmenden  5,  die  $- bestimmenden  6 
(5  +  AT)Chromosomenzeigen(Fig.i27).  Aller- 
dings ist  im  einzelnen  der  Prozeß  gewissen 
Variationen  unterworfen,  die,  ohne  am 
Prinzip  etwas  zu  ändern,  doch  für  die  theo- 
retische Wertung  der  Befunde  von  großer 
Bedeutung  sind.  Nebenstehende  Fig.  128 
illustriert  schematisch  die  wichtigstenTypen. 
Die  geschlechtsbestimmenden  Chromosomen 
sind  dabei  schwarz  gezeichnet  und  außer 
ihnen  stets  4,  also  2  Paar  gewöhnliche  weiße 
Chromosomen  angenommen.  Die  senkrech- 
ten Reihen  stellen  das  Verhalten  bei  6  ver- 
schiedenen Typen,  meist  Wanzen,  deren 
Gattung  am  Kopfe  steht,  dar.  Die  oberste  Horizontalreihe  enthält  sche- 
matisch das  Auseinanderrücken  der  Chromosomen  bei  der  männlichen 
Reduktionsteilung,  die  zweite  Reihe  stellt  das  gleiche  für  die  weibliche 
Reifeteilung  dar.  Die  dritte  Reihe  gibt  die  männchenbildende  Befruchtung, 
die  letzte  die  weibchenbildende  wieder.  Der  dritte  Typus  (Protenor,  Pyrrho- 
coris)  bedarf  weiter  keiner  Erläuterung,  da  er  genau  das  zeigt,  was  uns  schon 
unser  obiges  Beispiel  lehrte.  Der  vierte  Typus  (Syromastes,  Phylloxera) 
gibt  prinzipiell  das  gleiche,  nur  daß  statt  einem  zwei  X-Chromosomen 
sich  finden.  Bei  allen  anderen  aber  sehen  wir,  daß  das  X-Chromosom, 
entgegen  dem  bisher  angeführten,  doch  einen  Partner  hat,  das  durch 
ein  Kreuz  ausgezeichnete    Y-Chromosom.     Im  zweiten  Fall  (Lygaeus, 


Fig.    127. 

Die    4    aus     den    Reifeteilungen 

hervorgegangenen      Spermatiden 

(am  Cytophor  befestigt)  von  An- 

cyracanthus.     Nach  Mulsow. 


—     321     — 

Euschistus)  ist  das  Y-Chromosom  ohne  weiteres  durch  seine  geringere 
Größe  kenntlich,  im  fünften  und  sechsten  dadurch,  daß  ihm  als  X- Part- 
ner zwei  bzw.  drei  X-Chromosomen  gegenüberstehen.  In  diesen  Fällen 
besitzen  also  die  zwei  Klassen  von  Spermien,  die  X-  und  Y-Klasse, 
nicht  ausschließlich  verschiedene  Chromosomenzahlen,  sondern  auch 
Chromosomenarten:  die  weibchenbestimmenden  Spermatozoen  haben 
nur  X-Elemente,  die  männchenbestimmenden  entweder  kein  solches, 
oder  dafür  ein  Y-Element.     Wir  sehen  also  bei  allen  Varianten  doch 


A/ezara 
Oncope/tus 


Lyeaeu.i> 


Protenor 
Pyrrhocons 


Syromofiles 
Phylloxe  ra 


Fi  tchit* 
Thyantoi. 


St  ne<x 
Prionidut, 


fieifelettunji 

des 
Noinnoheni) 


Y  -Klaut 
XJibox 


Aeifeteitung 

des 
Weibchens 


II! 


X-Klotix 
XJUane 


Befruchtung 
gibt 

Männchen 


Sperma 

r     Y 

+ 

Eil 


Befruchtung 

gibt 
Weibchen 


Sperma 

ZiX 


Fig.   12S. 

Schematische  Darstellung  der  verschiedenen  Typen  geschlechtsbestimmender  Chromo- 
somen.    Nach  Wilson. 

NB.    Rechts   unten  soll    es  nicht  heißen  Sperma   Y,   sondern  Sperma  X. 


immer  ein  grundsätzliches  Resultat:  das  männliche  Geschlecht  ist 
heterogametisch,  das  weibliche  homogametisch,  erst  eres  bildet 
zwei  Sorten,  letzteres  eine  Sorte  von  Geschlechtszellen.  Da  sehen  wir 
nun  mit  Erstaunen,  daß  wir  ja  hier  genau  das  gleiche  Resultat  vor  uns 
haben,  wie  wir  es  auch  aus  den  mendelistischen  Erörterungen  gezogen 
haben:  das  Hetero-Homozygotieschema,  und  sind  jetzt  an  dem  Punkte 
angelangt,  die  Verbindung  zwischen  beiden  Forschungswegen  herzu- 
stellen. 

Da  stößt  uns  gleich  eine  Frage  auf,  deren  Beantwortung  von  vorn- 
herein zeigen  muß,  ob  diese  Verbindung  auf  gutem  Boden  steht.     Wir 

G  olds  ch  mi  dt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  2* 


—     322     — 

haben  bei  Besprechung  der  geschlechtsbegrenzten  Vererbung  erfahren, 
daß  bald  das  <$  heterozygot  ist  (Drosophila-Typ),  bald  das  £  (Abraxas- 
Typ).  Hier  sahen  wir  bisher  nur  eine  männliche  Heterogametie,  wie  sie 
entsprechend  der  Erwartung  auch  für  Drosophila  nachgewiesen  ist.  Der 
einzige  Fall  von  weiblicher  Heterogametie,  der  jetzt  sicher  feststeht, 
findet  sich  aber  bei  einem  Schmetterling  (Seiler),  also  auch  diese  Er- 
wartung ist  erfüllt. 

Wie  läßt  sich  nunmehr  die  chromosomale  Heterogametie  und  die 
MendelscheHeterozygotie  vereinigen?  Nehmen  wir  für  die  Geschlechts- 
vererbung die  mendelistische  Formel  Mm  =  <$,  mm  —  £  an,  so  müßte 
also  das  X-Chromosom  des  $  der  Träger  des  Faktors  für  Männlichkeit 
M  sein.  Nun  haben  wir  aber  gesehen,  daß  die  Spermatozoen,  die  das 
X- Element  besitzen,  weibchenerzeugend  sind,  es  müßte  also  das  £  eben- 
falls ein  M  haben,  was  in  der  Formel  nicht  der  Fall  ist.  So  geht  es  also 
nicht.  Man  ist  deshalb  auf  einen  anderen  Ausweg  verfallen :  so  wie  das  ^ 
in  diesem  Fall  zwei  X-Chromosomen  besitzt  und  das  Männchen  nur 
eines,  so  muß  bei  Übertragung  auf  die  Mendelfaktoren  das  Weibchen 
zwei  und  das  Männchen  einen  solchen  Bestimmungsfaktor  besitzen. 
Das  kann  aber  dann  nur  der  Weiblichkeitsfaktor  F  sein ;  das  Weibchen 
hieße  dann  FF  und  das  Männchen  Ff.  Die  Konsequenz  davon  ist  also 
die  Annahme,  daß  das  Männchen  in  seinem  X"-Chromosom  einen  Weib- 
lich keitsbestimmer  führt.  Trotzdem  ist  es  aber  ein  Männchen,  es  muß 
also  /,  das  ist  das  Fehlen  des  Weiblichkeitsfaktors,  dominant  sein  über 
sein  Vorhandensein  und  dadurch  ein  Männchen  bedingen.  Das  ist  aber 
einfach  absurd. 

Nicht  viel  erfreulicher  ist  ein  weiterer  Weg,  der  ebenfalls  begangen 
wurde.  Er  sieht  nun  wieder  von  der  Presence-Äbsence-Theorie  ab.  Das 
Weibchen  wird  hier  als  ein  Bastard  zwischen  Männlichkeit  und  Weib- 
lichkeit mit  dominanter  Weiblichkeit  betrachtet  und  könnte  somit 
W  (M)  geschrieben  werden.  Es  müßte  dann  von  seinen  beiden  X-Chro- 
mosomen eines  M  und  eines  W  tragen.  Das  Männchen  dagegen  enthielte 
in  seinem  X-Chromosom  nur  den  Männlichkeitsbestimmer  M,  dem  ein 
Partner  fehlt.  Nun  bildet  das  Weibchen  zwei  Arten  von  Gameten,  näm- 
lich solche  mit  M  und  solche  mit  W,  ist  also  heterogametisch.  Das  Männ- 
chen aber  bildet  ebenfalls  zwei  Gametenarten,  solche  mit  M  (im  X-Chro- 


—     32:3     — 

mosom)  und  solche  mit  Nichts.  Bei  freier  Befruchtungsmöglichkeit 
müßten  also  vier  Kombinationen  entstehen  können,  darunter  MM  also 
ein  Männchen  mit  zwei  X-Chromosomen,  und  W,  also  ein  Weibchen 
mit  nur  einem  X-Element.  Beides  gibt  es  aber  nicht.  Es  bleibt  also  nur 
die  Möglichkeit  der  selektiven  Befruchtung  übrig,  d.  h.  der  Annahme, 
daß  ein  Ei  mit  W  nur  vom  Spermatozoon  mit  M  und  ein  Ei  mit  M  nur 
vom  Spermatozoon  ohne  AT-Element  befruchtet  werden  kann.  Eine 
solche  selektive  Befruchtung  ist  aber  sehr  unwahrscheinlich,  zum  min- 
desten gänzlich  unbewiesen  und  damit  nicht  annehmbar,  sie  hat  denn 
auch  nicht  viele  Anhänger  gefunden. 

Damit  könnte  es  nun  scheinen,  als  ob  ein  Zusammenstimmen  der  aus 
den  Experimenten  gewonnenen  mendelistischen  Anschauung  mit  den 
beobachteten  Tatsachen  der  Chromosomenforschung  nicht  zu  erzielen 
sei  und  in  der  Tat  haben,  jeder  in  seiner  Weise,  die  Zytologen  und  die 
Mendelianer,  oft  einen  solchen  Schluß  gezogen.  So  steht  Wilson  auf 
dem  Standpunkte,  daß  wir  zunächst  nichts  anderes  sagen  können,  als 
daß  zwei  X  ein  Weibchen  bedingen  und  ein  X  ein  Männchen,  wobei 
einfach  die  relative  Quantität  der  Substanzen  entscheidend  sein  kann, 
ohne  daß  wir  ihnen  mendelnde  Erbfaktoren  zuzuschreiben  brauchen. 
Und  ich  selbst  war  zum  Schluß  gekommen,  daß  die  Geschlechtsvererbung 
ein  durch  den  X-Chromosomenmechanismus  geordneter  rein  zellregula- 
torischer  und  zellphysiologischer  Vorgang  ist,  der  nur  durch  seinen 
selbstverständlich  alternativen  Charakter  eine  Mendelsche  Rückkreu- 
zung vortäuscht.  Diese  Ansicht  läßt  sich  aber  nicht  aufrecht  erhalten. 
Vielmehr  kann  man  es  jetzt  als  feststehend  erachten,  daß  die  Ergeb- 
nisse der  Chromosomenforschung  und  des  Mendelschen  Ex- 
periments völlig  in  Harmonie  sind  und  daß  sie  nur  zweierlei 
verschiedene  Anschauungs-  und  Ausdrucksweisen  desselben 
Tatsachenkomplexes  darstellen.  Diese  Anschauung  basiert  einmal 
auf  den  Tatsachen  der  geschlechtsbegrenzten  Vererbung  und  ihrer  Inter- 
pretation mit  Hilfe  der  Chromosomenlehre  und  sodann  auf  der  Auf- 
findung einer  besseren  mendelistischen  Formel  der  Geschlechtsvererbung, 
die  die  oben  ausgeführten  Schwierigkeiten  beseitigt.  Wir  haben  diese 
Formulierung,  die  FFilfw-Formel,  bereits  oben  abgeleitet  und  werden 
nun  durch  die  Tatsachen  der  Chromosomenlehre  wieder  zu  ihr  geführt. 

21* 


—     324     — 

Es  erscheint  dabei  bemerkenswert,  daß  Morgan  und  Sturtevant  von 
dieser  Seite  her  zur  gleichen  Formulierung  kamen,  wie  ich  beim  Studium 
der  sekundären  Geschlechtscharaktere.  Diese  Formel  nun  läßt  mit 
einem  Schlag  die  Schwierigkeiten  verschwinden,  die  der  chromosomalen 
Interpretation  bei  Benutzung  der  einfachen  Hetero-Homozygotieformel 


o 


Fig.  129  A. 

Schema  der  Reifeteilung  in  beiden  Geschlechtern  bei  männlicher  Ileterogametie.  Es 
sind  angenommen  2  kleinere  Z-Chromosomen  in  beiden  Geschlechtern,  die  den  Faktor  M 
tragen,  und  ein  großes  A'-Chromosom  im   <5,    zwei    solche    im  Q-Geschlecht,  die  den 

Faktor  F  enthalten. 


entgegenstanden.  Bei  Annahme  der  männlichen  Heterogametie  ent- 
hielte dann  das  X-Chromosom  den  Weiblichkeitsbestimmer  F,  der  in 
beiden  Geschlechtern  aber  außerdem  vorhandene  Männlichkeitsbestim- 
mer  M  müßte  dann,  wie  Morgan  und  ich  übereinstimmend  ausführten, 
natürlich  in  einem  anderen  Chromosom  enthalten  sein,  das  wir  das 
Z-Chromosom  nennen  können.    An  der  Geschlechtsbestimmung  nehmen 


—     325     — 

demnach  zwei  Chromosomenarten  teil:  ein  gewöhnliches  nicht  näher  zu 
unterscheidendes  (Z)  Chromosomenpaar  und  die  X-Chromosomen,  deren 
Verteilungsmechanismus  wir  schon  kennen.  Das  obige  Schema,  Fig.  129  A. 
zeigt,  wie  dieser  Chromosomenbestand  dann  in  der  Reduktionsteilung 


o 


Fig.  129  B. 

Das  gleiche  Schema  wie  Fig.  129.-/  nur  unter  der  Annahme,  daß  umgekehrt  das  weib- 
liche Geschlecht  das  heterogametische  ist. 


verteilt  wird  und  Fig.  129  B,  wie  es  ist,  wenn  umgekehrt  das  £  Geschlecht 
das  heterogametische  ist.  Die  Schwierigkeiten  sind  damit  überwunden. 
Und  nunmehr  können  wir  unseren  alten  Faden  wieder  aufnehmen  und 
die  Konsequenzen  für  das  Problem  der  Geschlechtsvererbung  weiter 
verfolgen. 


326     — 


Sechzehnte  Vorlesung, 

Geschlechtsbegrenzte    Vererbung    und    Chromosomenlehre.      Ge- 
schlechtspolymorphismus.     Kompliziertere  Fälle  von   geschlechts- 
begrenzter Vererbung.     Crossing-over. 

Wir  wissen  nunmehr,  daß  durch  die  eigenartigen  Verhältnisse  der 
Geschlechtschromosomen  ein  unfehlbar  arbeitender  Mechanismus  ge- 
geben ist,  der  die  Geschlechtsfaktoren  in  der  typischen  Weise  auf  die 
Gameten  verteilen  läßt.  Aus  dem  bisher  Vorgeführten  geht  nun  hervor, 
daß  diese  Chromosomen  nicht  nur  als  Vehikel  für  die  eigentlichen  Ge- 
schlechtsfaktoren F  und  M  dienen,  sondern  daß  mindestens  in  ihnen 
auch  die  Faktoren  für  die  sekundären  Geschlechtscharaktere  enthalten 
sein  müssen.  Diese  sind  nun  ja  nichts  anderes  als  gewöhnliche  Körper- 
eigenschaften, die  in  strikter  Verbindung  mit  dem  Geschlecht  vererbt 
werden;  es  ist  also  die  Möglichkeit  gegeben,  daß  die  Repräsentanten  ge- 
wöhnlicher Körpereigenschaften  in  dem  Bereich  der  Geschlechtschromo- 
somen sich  finden.  Wir  werden  nun  später  hören,  wie  neue  Eigenschaften 
durch  Mutation  entstehen,  d.  h.  durch  Neuhinzukommen  eines  Faktors 
zur  Erbmasse  oder  durch  Ausfallen  eines  solchen  aus  der  Erbmasse. 
Wenn  diese  Faktoren  sich  nun  in  den  gewöhnlichen  Chromosomen  finden, 
so  werden  sie  bei  Kreuzung  einfach  mendelistisch  vererbt.  Wie  aber, 
wenn  die  Mutation  innerhalb  des  Bereichs  der  Geschlechtschromosomen 
auftritt  ?  Es  ist  klar,  daß  dann  nach  Bastardierung  sich  bei  der  Bastard- 
spaltung ganz  bestimmte  Relationen  zwischen  dem  Verhalten  dieser  Eigen- 
schaften und  dem  Geschlecht  der  Individuen  ergeben  müssen,  und  das 
heißt  nichts  anderes,  als  daß  eine  Form  der  geschlechtsbegrenzten  Ver- 
erbung auftritt.  Die  geschlechtsbegrenzte  Vererbung  erklärt  sich  also, 
wie  von  Castle,  Spillman,  Wilson,  Gulick,  Morgan  und  mir  aus- 
geführt wurde,  dadurch,  daß  der  betreffende  geschlechtsbegrenzt  ver- 
erbte Faktor  seinen  Sitz  im  Geschlechtschromosom,  dem  X-Chromosom 
hat.  Prüfen  wir  nun  zunächst  diese  Schlußfolgerung  einmal  an  Hand 
des  Abraxasfalls,  dessen  rein  mendelistische  Erklärung  wir  oben  gegeben 
haben. 


—     327     — 

Wir  haben  also  bei  weiblicher  Heterogametie,  wie  oben  auseinander- 
gesetzt wurde,  beim  $  die  beiden  Z-Chromosomen  als  Träger  des  Faktors 
F  und  ein  X-Chromosom  als  Träger  von  M,  also  das  Schema  von  Fig.  129  B ; 
im  männlichen  Geschlecht  aber  2  Z-  und  2  X-Chromosomen,  alle  mit  F 
bzw.  mit  M.  Es  soll  nun  der  Grossulariata-Faktor  G  seinen  Sitz  im 
X-Chromosom  haben,   muß  also  dann  stets  an   M  gebunden  vererbt 


Q 


Ö 


Fig.   130. 


Schematische  Darstellung  der  Reduktionsteilung  bei  A.  grossulariata. 


werden.  Die  Form  lacticolor  entsteht  nun  als  Ausfallsmutante,  indem 
der  Faktor  G  aus  dem  X-Chromosom  verschwindet  (ob  noch  andere 
Faktoren  darin  sind,  wird  später  zu  erörtern  sein).  Wir  sagen  dann  in 
Mendelscher  Ausdrucksweise,  daß  g  im  Chromosom  enthalten  sei.  Der 
Bestand  der  Geschlechtschromosomen  eines  Grossulariata- Pärchens  ist 
also  der  oben  in  Fig.  130  dargestellte,  was  in  Mendelscher  Schreibweise 
die  Formel  ergäbe :  $  =  FF  Mm  Gg,  <$  =  FFMM  G  G.    Der  eines  lacti- 


—     328     — 

color- Pärchens  aber  müßte  der  Fig.  131  entsprechen,  was  wieder  in 
Mendelscher  Schreibweise  die  Formeln  $  =  FFMmgg,  $  =  FFMMgg 
ergäbe.  Greifen  wir  nun  aus  den  vielen  Einzelkreuzungen  nur  3  heraus, 
um  zu  zeigen,  wie  einfach  die  Übertragung  auf  die  Chromosomen  die 
Tatsachen  klärt.  In  der  Natur  werden  nur  lacticolor-  £  gefunden,  und 
mit    grossulariata-  $  gekreuzt    geben   sie    Bastarde    von    grossulariata- 


9 


Fig.  131. 
Geschlechtschromosomen  in  der  Reduktionsteilung  von  var.  lacticolor. 


Aussehen,  das  also  über  lacticolor  dominiert.  Diese  Fj-Tiere  müssen 
dann  den  in  der  Fig.  132  dargestellten  Chromosomenbestand  haben,  da 
das  X-Chromosom  des  $  männchenbestimmend  ist.  Diese  Fr  $  bilden 
nun  zweierlei  Eier  und  die  Fx-  $  ebenso  zweierlei  Spermatozoen,  was  in 
der  Fig.  133  veranschaulicht  wird.  Wird  ein  solches  Fr  $  mit  lacticolor 
$  zurückgekreuzt,  so  können  sich  diese  beiden  Arten  von  Spermatozoen 
mit  den  zwei  Eiarten  des  $  (mit  und  ohne  X-Chromosom)  vereinigen, 


—     329     — 

und  es  entstehen  die  aus  Fig.  134  ersichtlichen  vier  Kombinationen,  also 
beiderlei  Geschlechter  beiderlei  Art,  was  das  Experiment  ergab.  Werden 
nun  die  so  erhaltenen  lacticolor  <$  mit  grossulariata  $  gekreuzt,  so  gibt 
es  folgendes:  Die  Gameten  des  grossulariata  $  und  lacticolor  $  sind 
in  bezug  auf  die  Geschlechtschromosomen  so  beschaffen,  wie  es  Fig.  135 
veranschaulicht.    Die  Befruchtung  ergibt  dann  nur  zwei  Kombinationen 


9 


Fig.  132. 
Geschlechtschromosomen  in  Fi  aus  lact    Q  X  gross  <$• 


(Fig.  136).  Das  sind  lacticolor  $  und  grossulariata  $.  Das  ist  die  soge- 
nannte crisscross- Vererbung.  Wie  ein  Vergleich  von  Fig.  130  und  132 
lehrt,  ist  aber  die  Chromosomen-  und  Faktorenkonstitution  des  Fj^  $  und 
des  Naturweibchens  genau  die  gleiche,  sie  müssen  also  mit  lacticolor  <£  ge- 
nau das  gleiche  Resultat  geben.  Aus  dem  vorstehenden  geht  nun  eines  mit 
großer  Klarheit  hervor:  Das  bei  der  Mendelschen  Ausdrucksweise  be- 
nötigte System  von  Abstoßungen  erweist  sich  bei  sinngemäßer  Anwendung 
der  Chromosomenlehre  als  nichts  als  eine  andere  Ausdrucksweise  für  die 


—     330     — 

Tatsache,  daß  geschlechtsbegrenzte  Vererbung  in  dieser  Form  dann  ein- 
treten muß,  wenn  bei  der  Kreuzung  ein  Merkmalspaar  betrachtet  wird, 
dessen  Repräsentant,  sein  Erbfaktor,  sein  Gen  im  X-Chromosom  loka- 
lisiert ist.  So  wie  es  hier  für  Abraxas  geschah,  läßt  sich  die  gleiche  Be- 
trachtungsweise auch  ohne  weiteres  für  alle  anderen  bisher  bekannten 
Fälle  durchführen,  was  wir  uns  natürlich  ersparen  können. 


+ 


9 


9amet(n 


+ 


cfs 


ameten 


2 


FiS-   !33- 
Gameten  von  Fj   aus  lact  Q  X  gross   $• 

NB.  Im  X-Chromosom  des  Q  Gameten  I  fehlt  aus  Versehen  der  Faktor  G.! 


Nun  mag  vielleicht  mancher  sich  sagen:  erst  erfuhren  wir,  daß  die 
geschlechtsbegrenzte  Vererbung  durch  eine  Mendelsche  Rückkreuzung 
kombiniert  mit  einer  Faktorenabstoßung  erklärt  wird;  jetzt  erklären 
wir  das  gleiche  ohne  jene  Annahme  bloß  aus  dem  Chromosomenmecha- 
nismus. Was  ist  da  nun  das  richtige?  Die  Antwort  ist  für  den,  der 
die  bisherigen  Ausführungen  klar  erfaßt  hat,  eine  sehr  einfache :  Die  bei- 
den Erklärungsweisen  sind  in  Wirklichkeit  identisch! 


—     331     — 

Die  Geschlechtsvererbung  muß  ja  auf  einem  alternativen  Mechanis- 
mus beruhen,  der  es  bedingt,  daß  stets  ein  Geschlecht  zweierlei  Gameten 


Lact: 


d 


Lact 


9 


9rosi  Q 


Fig.  134- 
Die    4  Kombinationen   von    Geschlechtbchromosomen    nach    Rückkreuzung    von    Fj   r$ 

mit  lact  Q. 


bildet.  Ein  solcher  ist  uns  in  der  eigenartigen  Verteilungsweise  der  Ge- 
schlechtschromosomen sichtbar  gegeben,  und  wir  dürfen  diese  daher  als 
die  Vehikel  betrachten,  auf  denen  die  maßgebenden  Substanzen,  die 


332 


Geschlechtsfaktoren,  stets  in  geordneter  "Weise  verteilt  werden  müssen. 
Kommt  in  den  Bereich  dieses  Mechanismus  irgendeine  andere  Erb- 
qualität, so  muß  sie  ihm  folgen  und  wird  in  dieser  oder  jener  Weise  ge- 
schlechtsbegrenzt vererbt.  Wollen  wir  solche  Fälle  dann  in  der  Termi- 
nologie der  Bastardlehre  betrachten,  so  müssen  in  die  gewöhnliche  Be- 
handlungsweise  der  mendelnden  Erbfaktoren  analog  arbeitende  Mecha- 


+ 


Q  */a  meten 


-f 


1  4,  1 

ö  9ameten 

Fig-   135- 
Geschlechtschromosomen  der  Gameten  von  gross  Q  und  lact  <J. 


nismen  eingeführt  werden,  die  sich  als  die  Annahme  der  Faktorenab- 
stoßung,  Koppelung  und  geschlechtsbedingter  Dominanz  darbieten. 
Doch  ist  das  ja  nur  eine  Form,  in  jener  symbolistischen  Weise  Mechanis- 
men ausdrückbar  zu  machen,  wie  sie  uns  in  der  Chromosomenverteilung 
sichtbar  entgegentreten.  Die  mendelistische  Interpretation  und 
die  Chromosomentatsachen  sind  daher  das  gleiche  Ding  in 
zwei  verschiedenen  Sprachen  gesprochen. 

Ist  dieser  Schluß  richtig,  und  darüber  kann  jetzt  kaum  mehr  ein 
Zweifel  herrschen,  so  lassen  sich  daraus  auch  alle  Möglichkeiten  ableiten, 


333 


wie  Geschlecht  und  andere  Erbeigenschaften  miteinander  in  Beziehung 
treten  können.  Und  es  ist  bemerkenswert,  daß  für  die  wichtigsten  Mög- 
lichkeiten unabhängig  von  dieser  Ableitung  bereits  Beispiele  bekannt 
sind.  Wenn  wir  zunächst  beim  einfachsten  Fall  geschlechtsbegrenzter 
Vererbung  vom  Abraxas-  oder  Drosophila-Typus  bleiben,  so  entstand 
er  also  durch  den  Ausfall  eines  Gens  im  Bereich  des  X-Chromosoms. 
Nach  dem,  was  wir  früher  bei  der  Analyse  der  Mäuserassen  gehört  haben, 
ist  nun  für  das  Zustandekommen  einer  Eigenschaft  nicht  nur  der  Faktor 
nötig,   mit  dem  wir  die  Eigenschaft  symbolisieren,  sondern  auch  alle 


AactQ 


Fig.   136. 
Resultat  aus  gross    Q  X  lact  5  • 


anderen  mitnotwendigen  müssen  da  sein :  eine  graue  Maus  entstand 
nicht,  wenn  G  da  war,  sondern  wenn  G  in  Anwesenheit  des  Farbkomple- 
mentes C  usw.  da  war.  Beim  Abraxas-Fall  dürfte  somit  nicht  G  der 
grossulariata-Faktor  sein,  sondern,  sagen  wir  A,  B,  C,  D,  E,  F,  G  ergäbe 
grossulariata  und  ABCDEFg  wäre  lacticolor.  Alle  diese  Faktoren 
könnten  aber  im  X-Chromosom  liegen.  Ist  dem  so,  so  könnte  ja  auch 
ein  anderer  Faktor  ausfallen,  und  die  dadurch  entstehende  Mutation 
müßte  dann  ebenfalls  geschlechtsbegrenzt  vererbt  werden.  Wenn  daher 
bei  einem  solchen  Objekt  Mutationen  in  größerer  Zahl  zu  erzielen  sind, 
so  ist  zu  erwarten,  daß  diese,  wenigstens  zum  Teil,  geschlechtsbegrenzt 


—     334     — 

sind,  so  daß  bei  einer  Form  eine  ganze  Reihe  geschlechtsbegrenzt-vererbter 
Eigenschaften  entstehen  können.  Diese  Erwartung  ist  denn  auch  auf  das 
schönste  in  den  interessanten  Untersuchungen  von  Morgan  an  der  Tau- 
fliege Drosophila  erfüllt  worden.  Den  grundlegenden  Versuch  dieses  Falles 
haben  wir  ja  schon  besprochen.  In  Morgans  Kulturen  sind  seitdem  eine 
ganze  Anzahl  von  Ausfallsmutanten  aufgetreten,  die  sich  auf  Körperfarbe, 
Augenfarbe,  Flügelform  beziehen  und  teilweise  einfach  mendeln,  somit 
nicht  im  X-Chromosom  lokalisiert  sind,  großenteils  aber  in  der  erwarteten 
Weise  geschlechtsbegrenzt  vererben.  Auch  die  Erwartungen,  die  bei 
Kreuzungen  dieser  verschiedenen  Mutanten  unter  sich  eintreten,  sind 
erfüllt.  Wir  brauchen  sie  im  einzelnen  nicht  hier  zu  analysieren, 
da,  nach  dem,  was  wir  nun  wissen,  die  Ableitung  ja  leicht  zu  kom- 
binieren ist. 

Eine  weitere  Konsequenz  ergibt  sich,  wenn  wir  uns  an  das  erinnern, 
was  wir  über  die  Vererbung  der  sekundären  Geschlechtscharaktere  hörten. 
Bei  weiblicher  Heterogametie  war  ihre  Formel  GGAa  —  $  GGAA 
=  (J,  wobei  ja  A  sich  im  X-Chromosom  fand.  Nehmen  wir  einmal  an, 
es  handle  sich  um  einen  Schmetterling  und  ein  sekundärer  Geschlechts- 
charakter wäre  der,  daß  das  $  eine  breite,  das  <$  eine  schmale  dunkle 
Zeichnung  auf  gelbem  Grund  hätte,  also  ein  gewöhnlicher  Geschlechts- 
dimorphismus vorläge.  Nun  entstehen  plötzlich  durch  Mutation  $  mit 
weißem  Flügelgrund,  so  daß  nunmehr  zwei  Arten  von  $  $  und  nur  eine 
von  <$<$  existieren.  Die  £  mit  weißem  Grund  können  nun  entweder 
durch  eine  gewöhnliche  Mutation  zustande  gekommen  sein;  dann  hätte 
das  weiter  kein  Interesse,  es  läge  bei  Kreuzung  mit  der  Stammart  ein 
gewöhnlicher  Mendelfall  vor  und  man  erhielt  in  F1  oder  F2,  je  nachdem 
welche  Farbe  dominiert,  die  weiße  Farbe  in  beiden  Geschlechtern  inMen- 
delschen  Proportionen.  Es  könnte  nun  aber  auch  sein,  daß  die  Mutation 
in  einer  Veränderung  des  Faktors  G  beruht,  der  ja  beim  £  den  gelben  Flügel 
mitbedingte,  und  sich  nun  in  G1  umgewandelt  hat,  was  also  einen  weißen 
Flügel  bedeutet.  Wenn  jetzt  diese  weißen  £  mit  gelben  $  gekreuzt 
werden,  so  entstehen  $  =  GGxAa  und  $  =  GGXAA.  Ist  weiß  domi- 
nant, so  sind  alle  $  weiß,  ist  es  rezessiv,  so  sind  sie  gelb,  aber  in  F2 
müßten  dann  wieder  weiße,  nämlich  G1G1Aa  auftreten.  Wie  verhalten 
sich  aber  die  <£?     Die  Grundlage  der  Formulierung  war  ja  die,  daß  im  <$ 


—     335     — 

die  beiden  A  über  die  beiden  G  epistatisch  sind,  somit  immer  nur  die 
Eigenschaft  A  sichtbar  werden  kann.  Es  ist  also  gänzlich  gleichgültig, 
ob  das  $  G  oder  G1  enthält,  beides  kommt  nie  zur  Geltung.  Bei  solchen 
Kreuzungen  bleiben  somit  die  $(§  immer  gelb,  obwohl  sie  auf  ihre  Nach- 
kommenschaft auch  das  Weiß  vererben  können,  genau  so  wie  der  Stier 
die  Milchleistung  vererbt,  ohne  selbst  Milch  zu  geben.  Wenn  also  ein 
geschlechtlicher  Polymorphismus  vorliegt,  derart,  daß  zu  einer  Art  <$ 
zwei  oder  mehr  Sorten  <j?  gehören,  so  muß  die  Vererbung  derart  sein,  daß 
die  <$  immer  gleich  bleiben,  die  Weibchenarten  aber  in  einfachen  Men- 
delschen  Proportionen  aus  den  Kreuzungen  hervorgehen  und  die  $ 
imstande  sind,  das  Weibchenkleid,  das  sie  selbst  nicht  zeigen,  zu  vererben. 
Und  in  der  Tat  verlaufen  die  bekannten  Fälle  der  Vererbung  des  Ge- 
schlechtspolymorphismus  genau  so.  Das  fingierte  Beispiel  entspricht  völlig 
dem  Verhalten  des  in  beiden  Geschlechtern  gelben  Falters  Colias  edusa, 
zu  dem  es  eine  weiße  £-Sorte,  helice,  gibt,  wie  ich  an  Hand  der  Unter- 
suchungen von  Gerould  ableiten  konnte.  Es  stimmt  aber  auch  für  die 
komplizierten  Fälle  des  Geschlechtspolymorphismus.  Der  einzige  genauer 
analysierte  ist  der  des  Papilio  memnon,  den  de  Meijere  aufklärte.  Bei 
dieser  Form  gehören  zu  einem  <§  mindestens  3  Weibchenformen,  Achates, 
Agenor,  Laomedon  genannt  (Fig.  137,  138).  De  Meijere  zeigte  nun, 
daß  bei  jeder  Kreuzung  die  $  immer  Memnon  bleiben,  daß  sie  aber  das 
Kleid  von  2  Weibchenarten  mendelistisch  vererben.  Auch  jedes  £  kann 
außer  seinem  eigenen  noch  ein  anderes  £- Kleid  in  die  Kreuzung  ein- 
führen und  die  Resultate  zeigen,  daß  bei  der  Spaltung  Achates  über 
Agenor  und  dieses  über  Laomedon  dominiert,  richtiger  gesagt,  epistatisch 
ist.  Auch  hier  folgern  ohne  weiteres  alle  Resultate  aus  der  gleichen  Ab- 
leitung. Nehmen  wir  die  im  epistatischen  Verhältnis  höchste  Form  Achates 
als  Ausgang  (man  kann  natürlich  ebensogut  umgekehrt  von  Laomedon 
ausgehen),  so  wäre  ein  £  GGAa  ein  Achates  $  undGGAA  das  zugehörige 
Memnon  <£.  Durch  Ausfallsmutation  entstände  das  Agenorweibchen 
G1G1Aa  und  schließlich  das  Laomedon  $  G2G2Aa.  Bei  Kreuzungen 
können  dann  alle  denkbaren  Kombinationen  zwischen  G,  G1,  G2und  Aa 
bzw.  AA  entstehen.  Ein  $  kann  also  z.  B.  heißen  G  G2Aa  und  das  heißt, 
daß  es  Achates-Aussehen  hat,  da  ja  G  über  G2  epistatisch  ist,  aber  den 
Laomedon-Charakter  in  die  Kreuzung  mitbringt.     Alle   <$  aber  müssen 


—     336     — 

memnon  sein,  da  ja  A  immer  über  G  epistatisch  ist.  Da  aber  ein  $ 
z.  B.  G1 G2AA  heißen  kann,  so  kann  es  maximal  zwei  Weibchenkleider, 
in  diesem  Falle  Agenor  und  Laomedon  in  die  Kreuzung  mitbringen. 
Die  aus  dieser  Formulierung  leicht  abzuleitenden  Erwartungen  stimmen 


Fig-  x37'    Oben  Papilio  memnon   <3,  unten   £    forma  Laomedon.   Nach  de  Meljere. 


denn  auch  auf  das  schönste  mit  den  von  de  Meijere  mitgeteilten  Tat- 
sachen. Es  ist  klar,  daß  nun  auch  weitere  Komplikationen  auszudenken 
sind,  also  Mutationen  an  A  allein  oder  neben  solchen  an  G.  Solche  Fälle 
sind  aber  noch  nicht  analysiert. 


—     337     — 

Eine  weitere  Konsequenz  im  Rahmen  der  hier  behandelten  Dinge 
ergibt  sich  aus  einigen  uns  von  früher  her  bekannten  Tatsachen  des  Men- 
delismus.  Wir  wissen  einmal,  daß  es  auf  die  gleiche  Eigenschaf  t  bezügliche 


Fig.  138. 
Oben  Papilion  memnon   Cj  forma  Agenor,  unten  Q  forma  Achates.    Nach  de  Meijere. 

Erbfaktoren  gibt,  die  sich  gegenseitig  in  ihrer  Wirkung  beeinflussen. 
Man  denke  z.  B.  an  den  Sättigungsfaktor,  dessen  Anwesenheit  alle  Farben 
tiefer  erscheinen  ließ.     Sodann  wissen  wir,  daß  ein  und  dieselbe  Eigen- 


Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl. 


22 


—     338     — 

schaft  von  zwei  oder  mehreren  Faktoren  bedingt  sein  kann,  von  denen 
jeder  allein  auch  die  Eigenschaft  hervorruft,  und  daß  sich  diese  Faktoren 
in  ihrer  Wirkung  addieren  können  (Nilsson-Ehles -Prinzip).  Es  ist 
nun  sehr  gut  möglich,  daß  derartige  Faktorensysteme  auch  innerhalb 
des  Geschlechtschromosomenkomplexes  auftreten,  und  dann  müssen 
sich  merkwürdige  Fälle  von  geschlechtsbegrenzter  Vererbung  ergeben,  bei 
denen  eine  Eigenschaft  durch  zwei  Faktoren  bedingt  wird,  von  denen 
einer  normal,  d.h.  im  Z-Chromosom,  und  einer  geschlechtsbegrenzt,  also 
im  X-Chromosom  vererbt  wird.  Es  ist  bemerkenswert,  daß  in  neuerer 
Zeit  in  der  Tat  mehrere  Vererbungssysteme  aufgedeckt  worden  sind,  die 
sich  ungezwungen  dieser  unserer  Ableitung  eingliedern  lassen.  Als 
Typus  sei  die  Vererbungsweise  dargestellt,  die  Bateson  und  Punnett 
für  die  besondere  Pigmentierungsart  des  Seidenhuhns  eruierten,  deren 
Hauptcharakter  die  starke  Pigmentansammlung  in  den  mesodermalen 
Membranen  ist.  Wurden  diese  Seidenhühner  mit  gewöhnlichen  braunen 
Leghorns  gekreuzt,  so  war  F1  verschieden  je  nach  der  Richtung  der 
Kreuzung.  Seidenhuhn  $  x  Leghorn  <$  gab  schwach  pigmentierte  F1 ; 
bei  Leghorn  $  x  Seidenhuhn  £  jedoch  waren  zwar  die  männlichen  Fx- 
Tiere  ebenso,  die  weiblichen  jedoch  stark  pigmentiert.  In  F2  traten 
alle  Übergänge  von  pigmentierten  zu  nichtpigmentierten  auf.  Bei  der 
Rückkreuzung  mit  braunen  Leghorn  war  wieder  das  Resultat  verschie- 
den, je  nachdem  das  F^Tier  männlich  oder  weiblich  war.  Diese  Resul- 
tate gehen  besser  als  mit  vielen  Worten  aus  folgendem  Schema  der 
Autoren  hervor,  in  dem  zunächst  den  Zahlenverhältnissen  nicht  weiter 
Rechnung  getragen  ist  und  wobei  $  $  unpigmentierte,  £  gf  schwach- 
pigmentierte und   ?  •  tiefpigmentierte  Tiere  sind. 


I.  Braun  Leghorn  X  Seidenhuhn. 


X 


Br.  L.  Q     X-  -tf         X         §  -  -X  Br.  Legh.    3 


0*     <3      ?      $      Q      o*       <3         ?        $        Stfd         $ 


Br.  L.  Q       X 


<=?       6       ? 


—     339 

2.   Seidenhuhn  X  Braun  Leghorn. 

i        x        9 


-0"         x         ? 


* 


?       ? 


X     Br.  L.   (5 


G?    d     ?     8 


Die  Geschlechtsbegrenzung  zeigt  sich  also  hier  einmal  in  dem  Fx- 
Resultat,  sodann  in  dem  Fehlen  tiefpigmentierter  g  in  allen  anderen 
Kreuzungen  außer  einer,  wie  das  Schema  zeigt.  Die  Erklärung  von 
Bateson  und  Punnett  ist  nun  die:  Das  Pigment  hängt  ab  von  einem 
Pigmentierungsfaktor  P  und  einem  Hemmungsfaktor  /  (inhibitor). 
Verschiedene  Grade  der  Pigmentierung  hängen  ab  von  der  Kombination 
dieser  Faktoren:  PPii  ist  vollpigmentiert,  Ppli  kaum  pigmentiert, 
pf> II,  ppii  unpigmentiert  usw.  Die  Geschlechtsbestimmung  verläuft 
nach  dem  Schema  Ff  =  $,//  =  $.  Wenn  F  und  /  heterozygot  vor- 
liegen, stoßen  sie  sich  ab,  so  daß  sie  nicht  in  die  gleiche  Gamete  gelangen 
können.  Es  verläuft  dann  etwa  die  Kreuzung  Leghorn  $  x  Seiden- 
huhn $  folgendermaßen: 


Leghorn 

S 

eidenhuhn 

QlippFf 

( 

liiPPff 

Gameten : 

Gameten : 

Ipf\ 

ipF\ 

X 

iiPf 

\iPf 

Fi 

0* 
UPpff 

t 

i  i  Pp  Ff 

Gameten: 

( 

Gameten: 

IPf\ 

IPf  \ 
iPf  1 

ipf  ' 

X 

'  iPF 
iPf 
ip  F 
ipf 

221 


340 


Fi 


7  Ff 

IPf 

IPf 

IPf 

iPF 

i  Pf 

ipF 

ipf 

? 

* 

? 

& 

/// 

ipf 

Ipf 

Ipf 

i  PF 

iPf 

ipF 

ipf 

? 

0* 

9 

3 

iPf 

iPf 

iPf 

iPf 

iPF 

iPf 

ipF 

'Pf 

f 

i 

•+ 

i 

ipf 

'Pf 

ipf 

ipf 

i  PF 

iPf 

i  p  F 

'Pf 

? 

i 

Q 

6 

Und  ebenso  lassen  sich  dann  die  anderen  Resultate  ableiten.  Es  ist  klar, 
daß  damit  also  ein  Fall  gegeben  ist,  der  einesteils  genau  wie  der  Abraxas- 
fall  verläuft,  andernteils  dadurch  kompliziert  wird,  daß  der  geschlechts- 
begrenzt vererbte  Faktor  I  mit  einem  gewöhnlichen  P  zusammenarbeitet. 
Der  Fall  wird  daher  auch  ohne  weiteres  klar,  wenn  wir  annehmen,  daß 
I  im  X-Chromosom  und  P  im  Z-Chromosom  liegt,  so  daß  die  Geschlechts- 
chromosomen in  diesem  Fall  an  bekannten  Faktoren  enthielten  (wobei 
wir  unsere  früher  benutzten  Formeln  (F G)  (F G)  (MA)  (ma)  =  9, 
(FG)   {FG)  {MA)  (MA)  =  6  wieder  anwenden): 

eines  der   (5  : 


eines 

der  Cj: 

2 

X 

F 

M 

G 

A 

P 

I 

z 

F 

G 

P 

£ 

X 

F 

M 

G 

A 

P 

I 

s 

X 

F 

M 

G 

A 

P 

I 

oder  natürlich  jede  andere  Kombination  mit  P,  p,  I,  i. 

In  genau  der  gleichen  Weise  dürfte  sich  auch  nach  den  neuen  Unter- 
suchungen von  Davenport  und  Ar  kell  der  viel  diskutierte  Fall  der 
Hornvererbung   bei   Schafen  erklären.     Wood  hatte   festgestellt,   was 


341     — 


übrigens  schon  Darwin  bekannt  war,  daß  bei  Kreuzung  gehörnter 
Dorset-Schafe  mit  einer  ungehörnten  Rasse  in  Fx  die  $  gehörnt,  die  $ 
hornlos  sind.  In  F2  sind  dann  3/4  der  g  wieder  gehörnt,  y4  hornlos, 
dagegen  3/4  der  £  hornlos  und  V4  gehörnt.  Zur  Erklärung  mußte  man 
annehmen,  daß  die  Eigenschaft  gehörnt  immer  beim  <$  dominant,  beim 
$  rezessiv  ist,  also  geschlechtsbedingter  Dominanzwechsel  eintritt.  Die 
Wiederholung  dieser  Versuche  durch  die  genannten  Autoren  gab  das  gleiche 
Resultat,  führte  aber  bei  Beachtung  der  verschiedenen  Größentypen 
der  Hörner  zu  einer  anderen  Interpretation.  Auch  hier  wird  ein  in  dem 
A'-Chromosom  gelegener  Hemmungsfaktor  angenommen,  /,  der  bei  den 
hornlosen  Rassen  vorhanden  ist,  den  gehörnten  aber  fehlt.  Da  hier 
das  $  heterogametisch  ist  (Drosophila-Typ),  so  kann  dies  infolgedessen 
nur  ein  I  haben.  Das  Hornwachstum  wird  aber  durch  den  Faktor  H 
bedingt,  den  wir  dann  ruhig  im  Z-Chromosom  lokalisieren  können.  Die 
Rassen  heißen  dann  in  ihrem  Geschlechtschromosomenbestand 


Gehörnt. 


Hornlos. 


.1/ 
A 
II 


M 
A 

II 


F 

G 


M 
A 

h 


M 

A 

II 


2 

X 

2 

M 

F 

M 

A 

G 

A 

H 

i 

h 

X 

z 

X 

F 

M 

F 

G 

A 

G 

I 

h 

I 

z 

X 

AI 

F 

A 

G 

h 

I 

Zwischen  diesen  Faktoren  wird  dann  ein  ganz  ähnliches  Potenzverhältnis 
angenommen,  wie  wir  es  für  die  Faktoren  der  sekundären  Geschlechts- 
charaktere bei  den  Lymantria-Kreuzungen  taten,  nämlich  /  kann  H 
nicht  ganz  unterdrücken,  //  nicht  HH,  dagegen  II  wohl  ein  H.  Damit 
läßt  sich  dann  der  ganze  Fall  leicht  erklären.  Vielleicht  wird  übrigens 
die  Erklärung  noch  vereinfacht  und  wird  auch  den  Fällen  gerecht,  in 
denen  normalerweise  nur  das  $  gehörnt  ist,  wenn  wir  ihn  ebenso  wie 
bei  Papilio  memnon  interpretieren,  also  durch  Mutation  an  G  bei  den 
nur  weiblich  hornlosen  Rassen  und  an  G  und  A  bei  den  in  beiden  Ge- 
schlechtern hornlosen.     Doch  sei  das  hier  nicht  weiter  ausgeführt. 


—     342     — 

Endlich  gehört  unseres  Erachtens  in  diese  Kategorie  noch  der  merk- 
würdige Vererbungsmodus,  den  Pearl  in  mühsamen  Versuchen  für  die 
Fruchtbarkeit  der  Hühner  ausgearbeitet  hat.  Er  benutzt  auf  Grund 
seiner  statistischen  Vorarbeiten  als  Maß  für  die  Fruchtbarkeit  die 
Winterproduktion  an  Eiern.  Diese  beträgt  bei  normaler  Fruchtbar- 
keit o  und  wird  durch  Anwesenheit  eines  Steigerungsfaktors  Lx  auf  bis 
30  erhöht.  Ein  zweiter  Steigerungsfaktor  L2  hat  den  gleichen  Effekt, 
mit  Lx  zusammen  steigert  er  die  Fruchtbarkeit  auf  über  30.  Dieses 
L2  wird  aber  in  gleicher  Weise  wie  in  den  anderen  Fällen  geschlechts- 
begrenzt vererbt,  ist  also  beim  $  stets  heterozygot.  Es  liegt  nahe, 
diesen  Steigerungsfaktoren  wieder  ihren  Platz  im  Z-  und  X-Chromosom 
zuzuweisen;  die  Geschlechtschromosomen  heißen  hier  also  bei  maxi- 
maler Fruchtbarkeit : 


z 

X 

F 

M 

G 

A 

A 

Li 

z 

F 

G 

Li 

z 

X 

F 

M 

G 

A 

Li 

L2 

z 

X 

F 

M 

G 

A 

Li 

L% 

Es  ist  bemerkenswert,  daß  alle  bisher  genannten  Fälle  geschlechts- 
begrenzter Vererbung  sich  auf  tierische  Objekte  bezogen.  In  der  Tat 
gibt  es  bisher  im  Pflanzenreich  erst  einen  von  Baur  entdeckten,  aber 
noch  nicht  völlig  analysierten  Fall  gleicher  Art.  Es  ist  nun  nicht 
einzusehen,  warum  sich  hier  das  Pflanzenreich  anders  verhalten  sollte 
als  das  Tierreich.  Zwar  ist  es  bisher  noch  nicht  gelungen,  X-Chro- 
mosomen mit  Sicherheit  festzustellen.  Aber  es  gibt  bereits  eine  ganze 
Reihe  von  Anhaltepunkten  dafür,  daß  die  gleichen  Verhältnisse  vorliegen 
und  daß  absonderliche  Erblichkeitsfälle,  wie  der  der  gefüllten  Levkojen, 
sich  als  Fälle  geschlechtsbegrenzter  Vererbung  erklären  lassen,  wie  ich 
kürzlich  nachzuweisen  versuchte.  Wir  werden  bald  nochmals  auf  diesen 
Punkt  zurückkommen. 


Zum  Schluß  dieser  Vorlesung  müssen  wir  uns  noch  mit  einer  Konse- 
quenz beschäftigen,  die  sich  aus  der  Verbindung  der  Chromosomenlehre 
mit  den  Erblichkeitsstudien  ergibt  und  so  recht  zeigt,  wie  gewisse  Er- 
scheinungen nur  durch  Übertragung  auf  die  Chromosomenlehre  ver- 
ständlich werden.  Morgan  gebührt  das  Verdienst,  in  einer  Reihe 
hochinteressanter  Arbeiten  die  Tatsachen  entdeckt  und  interpretiert  zu 
haben.  Wir  wollen  hier  den  umgekehrten  Weg  gehen  und  die  Tatsachen 
als  Konsequenz  aus  der  Chromosomenlehre  ableiten.  Wenn  in  den  be- 
trachteten Fällen,  z.  B.  oben  bei  den  Drosophilakreuzungen  bestimmte 
Eigenschaften  nur  mit  einem  bestimmten  Geschlecht  verbunden  er- 
scheinen konnten,  so  kam  das  daher,  daß  sie  in  einem  X-Chromosom 
lagen.  Stellen  wir  uns  nun  die  Synapsis  vor,  in  der  die  Chromosomen 
paarweise  konjugieren,  so  hat  beim  $  (im  Falle  des  Drosophilatypus) 
das  X-Chromosom  einen  Partner,  beim  $  aber  nicht.  Wenn  nun  die 
Chromosomen  eine  Zeitlang  sich  fest  vereinigen  würden,  was  tatsächlich 
beobachtet  ist,  so  könnte  es  leicht  sein,  daß  beim  Wiederauseinander- 
rücken die  Teilchen  nicht  mehr  völlig  identisch  sind,  sondern  einmal 
eines  ausgetauscht  würde.  Es  ist  klar,  welche  Konsequenz  das  ergäbe: 
es  würden  Gametenkombinationen  gelegentlich  entstehen  können,  die 
eigentlich  bei  geschlechtsbegrenzter  Vererbung  nicht  auftreten  dürften, 
und  zwar  könnten  sie  nur  von  der  weiblichen  Seite  her  kommen,  da  das 
männliche  X-Chromosom  keinen  Partner  hat,  mit  dem  es  etwas  aus- 
tauschen könnte.  Nehmen  wir  als  fingiertes  Beispiel  folgende  Konsti- 
tution der   X-Chromosomen: 


Q 

<3 

X 

X 

F 

F 

A 

b 

a 
b 

X 

F 

a 

B 

Dann  könnte  normalerweise  das  $  nur  Gameten  FAb  und  FaB  bilden, 
somit  aus  der  Kreuzung  nur  die  £  Kombinationen  FFAabb  und  FFaaBb 


344 


entstehen.  Wenn  nun  ein  Faktoren  aust  ausch  —  crossingover  nennt  es 
Morgan  —  zwischen  den  beiden  X-Chromosomen  des  $  gelegentlich 
stattfindet,  so  könnte  also  etwa  B  an  die  Stelle  von  b  kommen  und  somit 
einige  Gameten  FAB  und  Fab  gebildet  werden,  die  bei  der  Befruchtung 
die  nach  dem  Schema  der  geschlechtsbegrenzten  Vererbung  unerlaubten 
Kombinationen  FFAaBb  und  FFaabb  in  einigen  wenigen  Individuen 
liefern  würden.  Wenn  überhaupt  ein  solches  crossing  over  vorkommt, 
dann  sind  bei  großen  Zahlen  immer  einige  Individuen  der  unerlaubten 
Kombinationen  zu  erwarten.  Und  das  ist  das  tatsächliche  Resultat 
Morgans,  aus  dem  er  diese  Erklärung  ableitet.  Bei  einer  Kreuzung 
weißäugiger,  langgeflügelter  Fliegen  mit  rot  äugigen  kurzgeflügelten  (der 
geschlechtsbegrenzte  Charakter)  treten  in  F2  einige  wenige  weißäugige- 
kurzgeflügelte  Individuen  auf,  die  nicht  hätten  auftreten  dürfen.  Mor- 
gan konnte  nun  sogar  noch  weiter  gehen:  Es  zeigte  sich,  daß  wenn 
gleichzeitig  mehrere  geschlechtsbegrenzte  Charaktere  betrachtet  werden, 
manche  mit  Vorliebe  miteinander  verbunden  bleiben,  so  daß  man  daraus 
vielleicht  auf  ihre  benachbarte  Lage  im  Chromosom  schließen  kann. 
Aus  dem  Maß  des  eintretenden  crossing  over  hat  Sturtevant  direkt 
versucht,  den  relativen  Abstand  der  Faktoren  im  Chromosom  zu  be- 
rechnen. Doch  würde  es  zu  weit  führen,  wollten  wir  in  eine  genaue 
Betrachtung  dieser  Einzelheiten  eintreten. 


Siebzehnte  Vorlesung. 

Die  Geschlechtschromosomen  bei  Generationswechsel  und  Zwittrig- 
keit. Vererbung-  der  Zwittrigkeit.  Die  Geschlechtsbestimmung:: 
Vormendelistische  Betrachtungsweise.     Die  pro-,  syn-  und  meta- 

game  Bestimmung. 

Mit  der  Erkenntnis  des  Chromosomen-Erbfaktorenmechanismus 
kann  die  normale  Vererbung  des  Geschlechts  bei  zweigeschlechtigen 
Formen  als  geklärt  betrachtet  werden.  Nun  gibt  es  aber  eine  ganze 
Reihe  von  Vererbungsformen,  die  sich  nicht  an  das  einfache  Schema 
halten ;  sie  sind  geeignet,  uns  zu  dem  Problem  der  Geschlechtsbestimmung 


—     345     — 

hinüberzuführen.  Als  besonders  bemerkenswert  seien  die  Fälle  voran- 
gestellt, in  denen  sieh  ein  typischer  Wechsel  zwischen  Generationen 
verschiedener  Geschlechtigkeit  vorfindet.  Denn  gerade  hier  hat  sich  der 
Erklärungswert  der  Geschlechtschromosomentatsachen  besonders  klar 
gezeigt. 

Bei  den  Blattläusen  entstehen  aus  parthenogenetisch  erzeugten 
Eiern  im  Sommer  nur  Weibchen,  im  Herbst  aber  beide  Geschlechter, 
zuvor  manchmal  auch  Weibchen,  die  nur  Männchen  erzeugen  und  solche, 
die  nur  Weibchen  erzeugen.  Die  befruchteten  Eier  aber  ergeben  stets 
nur  Weibchen.  Letztere  Tatsache  konnte  nun  für  die  Aphiden  von 
v.  Baehr,  Morgan  und  Stevens  in  glänzende  Übereinstimmung  mit 
den  zellulären  Befunden  gebracht  werden.  Wenn  bei  der  Samenreife 
der  Männchen,  die  eine  ungerade  Chromosomenzahl  besitzen,  die  Re- 
duktionsteilung erfolgt  ist,  also  in  einer  prinzipiell  der  beschriebenen 
ähnlichen  Weise  die  X-  und  Y-Zellen  gebildet  sind,  entwickeln  sich  nur 
aus  ersteren  Spermatozoen,  die  Y-Zellen,  die  ein  Chromosom  weniger 
besitzen,  degenerieren  aber,  so  daß  die  Befruchtung  ausschließlich  durch 
A"-Spermatozoen  geschehen  kann,  die  ja  weibchenbestimmend  sind.  Die 
so  entstandenen  Weibchen  haben  also  die  gesamte  Chromosomenzahl, 
ebenso  wie  die  parthenogenetisch  aus  ihnen  erzeugten  weiteren  Weib- 
chen. Werden  aber  dann  Eier  gebildet,  aus  denen  sich  parthenoge- 
netisch Männchen  entwickeln,  so  entfernen  sie  bei  der  Bildung  der 
Richtungskörper  ein  Chromosom  mehr  aus  dem  Ei,  als  in  ihm  zurück- 
bleibt; durch  diesen  Mechanismus  kommt  also  in  den  männchen- 
erzeugenden Eiern  die  ungerade  männliche  Zahl  zustande.  Die  zytolo- 
gischen  Befunde  erklären  somit  in  unserem  Falle  das  biologische  Verhalten. 

Ähnlichen  Verhältnissen  von  prinzipiell  der  gleichen  Bedeutung  begeg- 
nen wir  beim  Fortpflanzungszyklus  des  Nematoden  Angiostoma  nigro- 
venosum,  wie  ihn  Schi  ei  p  und  Boveri  zytologisch  analysierten.  Hier 
findet  ein  regelmäßiger  Wechsel  zwischen  einer  getrennt  geschlechtlichen, 
freilebenden  und  einer  zwittrigen,  parasitischen  Generation  statt.  Aus  den 
befruchteten  Eiern  der  getrennt  geschlechtlichen  Form  entstehen  also 
stets  Zwitter  und  umgekehrt.  Die  Weibchen  der  getrennt  geschlecht- 
lichen Generation  besitzen  12  Chromosomen,  die  in  den  Reifeteüungen 
auf  6  reduziert  werden.    Die  Männchen  haben  deren  11,  so  daß  Spermato- 


—     346     — 

zoen  mit  6  und  solche  mit  5  Elementen  gebildet  werden.  Die  zwittrige 
Generation  enthält  aber  stets  12  Chromosomen,  die  Spermien  mit  5 
Chromosomen  sind  also  nicht  zur  Befruchtung  gelangt.  Die  Zwitter 
haben  also  weibliche  Chromosomenzahl  und  erscheinen  auch  in  ihren 
äußeren  Charakteren  als  Weibchen.  Ihre  Eier  sind  dann  auch  wieder 
nach  der  Reifung  mit  6  Chromosomen  ausgestattet.  In  den  Ursamen- 
zellen  findet  sich  zwar  auch  die  weibliche  Zahl  von  12  Chromosomen, 
aber  eines  davon  zeigt  bereits  Besonderheiten,  aus  denen  hervorgeht, 
daß  es  dem  Untergang  geweiht  ist.  Es  macht  zwar  auch  die  Reifeteilung 
mit  und  kommt  sodann  in  die  Hälfte  der  Spermatiden,  wird  aber  nicht 
in  deren  Kern  einbezogen  und  geht  zugrunde,  so  daß  nun  wieder  zweierlei 
Spermien,  solche  mit  6  und  solche  mit  5  Chromosomen  gebildet  werden. 
Beide  befruchten  und  erzeugen  wieder    ^  und   $, 

In  beiden  Fällen  ist  es  klar,  daß  die  Geschlechtsvererbung  wieder  an 
den  Chromosomenmechanismus  gebunden  ist,  aber  es  begegnet  uns 
auch  etwas  Neues,  nämlich  die  Tatsache,  daß  ein  richtendes  Eingreifen 
in  diesen  Mechanismus  möglich  ist,  so  daß  eine  Geschlechtsbestimmung 
resultiert,  die  Erzeugung  eines  bestimmten  Geschlechts.  Das  was  hier 
eingriff,  waren  unbekannte  innere  Faktoren,  die  dem  Chromosomen- 
mechanismus übergeordnet  sind.  Und  daraus  geht  bereits  hervor,  daß 
ein  Teil  des  Problems  der  Geschlechtsbestimmung  mit  dem  Versuch, 
diese  inneren  Faktoren  zu  beeinflussen  und  in  die  Hand  zu  bekommen 
identisch  ist.  Wir  werden  davon  bald  ausführlich  zu  sprechen  haben. 
Aber  auch  vom  Standpunkt  der  Geschlechtsvererbung  aus  haben  diese 
Erscheinungen  ein  besonderes  Interesse,  da  sie  wieder  den  Schlüssel 
dazu  in  die  Hand  geben,  besondere  Resultate  des  mendelistischen  Ex- 
periments einfach  zu  interpretieren. 

Eine  besondere  Rolle  spielen  in  dieser  Frage  nämlich  die  Kreuzungs- 
versuche von  Correns  an  der  getrennt  geschlechtlichen  Bryonia 
dioica  mit  der  monözischen  Bryonia  alba. 

Correns  ging  von  der  Tatsache  aus,  daß  monözische  und  diözische 
Pflanzen,  also  solche,  die  männliche  und  weibliche  Blüten  an  einer 
Pflanze  oder  nur  an  getrennten  Pflanzen  erzeugen,  diese  Fähigkeit 
auf  ihre  Nachkommen  vererben.  So  ist  die  Dimorphoteca  -pluvialis 
eine  extrem  monözische,  eine  trimonözische  Pflanze,  indem  ihre  Blüten- 


—     347     — 

köpfchen  gleichzeitig  männliche,  weibliche  und  Zwitterblüten  enthalten. 
Wie  man  nun  aber  auch  diese  drei  Blütenarten  sich  untereinander  be- 
fruchten läßt,  stets  entsteht  wieder  eine  trimonözische  Pflanze.  Es 
müssen  somit  alle  Geschlechtszellen  einer  monözischen  Pflanze  diesen 
Charakter  besitzen,  und  dadurch  eröffnet  sich  vielleicht  die  Möglichkeit, 
durch  Kreuzung  mit  einer  diözischen  Pflanze,  deren  Geschlechtscharakter 
männlich  oder  weiblich  ja  bekannt  ist,  erstere  analysieren  zu  können. 
Correns  kreuzte  deshalb  die  monözische  Zaunrübe  Bryonia  alba  mit 
der  getrennt-geschlechtigen  B.  dioica.  Wurde  nun  dioica  $  x  alba  <£ 
gekreuzt,  so  war  die  gesamte  Nachkommenschaft  weiblich,  nämlich 
587  Individuen  (zu  denen  allerdings  als  Ausnahme  2  $  kamen).  Die 
umgekehrte  Kreuzung  dioica  £  x  alba  £  ergab  aber  zu  genau  gleichen 
Teilen  männliche  und  weibliche  Pflanzen,  nämlich  38  :  38  Individuen. 
Die  normale  Befruchtung  zwischen  dioica  $  und  $  gibt  natürlich  wieder 
zu  gleichen  Teilen  beides.  Nun  wissen  wir  schon,  daß  monözische  Indi- 
viduen sämtlich  den  Charakter  Monözie,  Zwittrigkeit,  vererben.  Das 
Resultat  erfordert  also,  daß  bei  der  diözischen  Pflanze  männliche  und 
weibliche  Individuen  verschiedene  geschlechtliche  Tendenz  haben.  Es 
wird  erklärt,  wenn  wir  annehmen,  daß  die  £  in  bezug  auf  das  Geschlecht 
heterozygot  sind,  mit  männlicher  Dominanz  also  Mm,  die  Weibchen 
dagegen  homozygot  mm.  Erstere  bilden  also  zweierlei  Geschlechtszellen 
M  und  m,  letztere  nur  eine  Sorte  m.  Natürlich  muß  dann  auch  angenom- 
men werden,  daß  aus  der  Monözie  durch  den  Faktor  M  bzw.  m  sichtbare 
Männlichkeit  oder  Weiblichkeit  wird.  Es  würde  also  etwa  die  Kreuzung 
dioica  £  x  alba  9  folgendermaßen  verlaufen,  wenn  wir  die  Monözie 
(Hermaphroditismus)  mit  £  bezeichnen  und  uns  der  Geschlechtssym- 
bole bedienen : 


Dioica 

(5  =  6  £ 

alba  £  =  s  s 

Gameten 

<S    und   Cj 

s 

F\ 

<5   S 

und 

e  g 

Nun  haben  wir  schon  gehört,  daß  im  Pflanzenreich  Geschlechts- 
chromosomen noch  nicht  bekannt  sind.  Da  aber  alle  experimentellen 
Tatsachen  mit  den  im  Tierreich  gewonnenen  aufs  schönste  übereinstim- 
men, so  ist  wohl  anzunehmen,  daß  prinzipiell  die  gleichen  Verhältnisse 
vorliegen.     Man  könnte  also  z.  B.  den  Fall  der  Hermaphroditen  bei 


—     348     — 

Rhabdonema  ganz  gut  auf  die  zwittrigen  und  monözischen  Blütenpflan- 
zen übertragen.  Dann  wäre  also  anzunehmen,  daß  in  deren  männlichen 
Organen  ein  X-Chromosom  (oder  auch  nur  die  X-Substanz  in  einem 
Geschlechtschromosom,  der  Faktor  F)  funktionsunfähig  wird  und  somit 
<$  und  $  bestimmende  Pollen  gebildet  werden.  Erstere  aber  befruchten 
nicht  und  so  entstehen  nur  $  mit  der  Fähigkeit  zum  Zwittertum.  (Was 
das  heißt  werden  wir  später  hören.)  Wie  Hertwig  und  Demoll  zeigten 
und  ja  nun  leicht  zu  kombinieren  ist,  erklärt  sich  in  der  Tat  damit  mühe- 
los der  Bryoniafall.  Und  ich  habe  zeigen  können,  daß  unter  dieser 
Voraussetzung  sich  der  verwickelteste  aller  bekannten  Mendelfälle,  die 
von  Miß  Saunders  analysierte  Vererbung  der  gefüllten  Levkojen, 
ebenfalls  leicht  als  Fall  geschlechtsbegrenzter  Vererbung  im  Rahmen 
dieses  Chromosomenmechanismus  zwittriger  Blütenpflanzen  erklärt. 

In  diesem  Falle  wie  in  dem  des  Rhabdonema  begegnet  uns  nun  wieder 
etwas,  was  zu  einer  anderen  Seite  der  Frage  hinführt,  auf  die  wir  in  dieser 
Vorlesung  hinaus  wollen.  Wir  hatten  in  beiden  Fällen  gesehen,  daß  der 
Chromosomenmechanismus  eigentlich  $  erzeugt,  trotzdem  aber  Zwitter 
entstehen;  wir  müssen  also  diesen  Zwittern  die  weibliche  Faktorenkon- 
stitution zuschreiben.  Erinnern  wir  uns  nun  an  unser  Faktorenschema, 
das  bei  männlicher  Heterozygotie  FFMM  =  $  war,  wobei  F  über  M 
epistatisch  ist.  Wir  hatten  uns  das  so  vorgestellt,  daß  F  eine  höhere 
quantitative  Potenz  hat,  etwa  F  :  M  =  6  :  4.  Wenn  nun  bei  gleicher 
Konstitution  ein  Zwitter  entsteht,  so  kann  dies  nur  so  sein,  daß  in  diesem 
Falle  die  Potenz  von  F  und  M  gegeneinander  einigermaßen  ausgeglichen 
ist,  so  daß  es  vielleicht  von  geringfügigen  inneren  Ursachen  abhängt, 
welche  überwiegt  und  damit  eine  <§-  oder  $-Blüte  an  der  gleichen  Pflanze 
erzeugt  wird.  Oben  haben  wir  gesehen,  daß  ein  Eingriff  in  die  Ge- 
schlechtsvererbung, eine  Geschlechtsbestimmung,  durch  Beeinflussung 
der  den  Chromosomenmechanismus  dirigierenden  Faktoren  möglich  ist, 
hier  sehen  wir  nun  die  Möglichkeit  einer  Geschlechtsbestimmung  durch 
Verschiebung  der  relativen   Potenz  der  Erbfaktoren  vor  Augen. 

Ehe  wir  diese  nicht  ganz  einfachen  Dinge  diskutieren,  ist  es  vielleicht 
am  Platze,  kurz  auf  die  ältere  Behandlungsweise  unseres  Problems 
einzugehen,  um  sie  dann  unserem  bisherigen  Gedankengang  einzu- 
gliedern. 


—     349     — 

Wir  haben  unserer  bisherigen  Betrachtung  des  Geschlechtsproblems 
die  Gesichtspunkte  zugrunde  gelegt,  die  die  jüngste  Phase  des  Studiums 
dieser  Frage  beherrschen,  die  mendelistische  Auffassung.  Bei  ihrer 
Diskussion  haben  wir  zunächst  eine  Frage  ganz  außer  acht  gelassen,  die 
Frage  des  Zeitpunkts  der  Geschlechtsbestimmung.  Die  vormende- 
listische  Epoche  hat  aber  gerade  diesen  Punkt  in  das  Zentrum  des  In- 
teresses gestellt.  Sie  suchte  ja  in  der  Hauptsache  das  Wesen  der  Ge- 
schlechtlichkeit so  zu  erforschen,  daß  sie  sich  bestrebte,  im  Experiment 
das  normale  Geschlechtsverhältnis  zugunsten  des  einen  oder  anderen 
Geschlechts  zu  verschieben.  Ein  derartiger  Eingriff  kann  natürlich  nur 
dann  Erfolg  haben,  wenn  er  zu  einem  Zeitpunkt  einsetzt,  an  dem  noch 
eine  Reaktionsmöglichkeit  vorhanden  ist.  Da  bietet  sich  denn  als  natür- 
liche Marke  der  Abgrenzung  jenes  Zeitpunktes  der  Moment  der  Be- 
fruchtung dar,  so  daß  die  drei  Möglichkeiten  der  zeitlichen  Bestimmung 
gegeben  sind  als  Bestimmung  vor  der  Befruchtung  (progam),  während 
der  Befruchtung  (syngam),  nach  der  Befruchtung  (metagam).  Es  ist 
klar,  daß  für  die  mendelistische  Betrachtungsweise  die  Tatsachen,  die 
zugunsten  der  drei  Möglichkeiten  sprechen,  größtenteils  gleichgültig  sind. 
Denn  wird  das  weibliche  Geschlecht  als  heterozygot  genommen,  so  ist 
die  Bestimmung  eine  hauptsächlich  progame,  ist  das  Männchen  hetero- 
zygot, so  ist  sie  eine  syngame.  Eine  progame  Beeinflussung  aber  ist 
dann,  wie  wir  oben  hörten,  eine  Bewirkung  der  übergeordneten  Faktoren, 
eine  metagame  aber  eine  Potenzverschiebung.  Im  großen  ganzen  ist 
also  diese  Frage  für  die  mendelistische  Betrachtungsweise  ziemlich 
gleichgültig,  soll  aber  doch  kurz  hier  im  Sinne  der  älteren  Forschung 
behandelt  werden. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  die  ältere  Forschung  sich  vorwiegend  für 
die  metagame  Bestimmung  des  Geschlechts  interessierte,  denn  wenn 
überhaupt  Hoffnung  sein  sollte,  der  Bestimmung  Herr  zu  werden,  so 
war  das  nächstliegende,  eine  Beeinflussung  des  sich  entwickelnden  Orga- 
nismus zu  versuchen.  Es  ist  klar,  daß  ein  solcher  Versuch  von  vorn- 
herein mit  sehr  vielen  Schwierigkeiten  und  Klippen  zu  kämpfen  hat. 
Er  muß  selbstverständlich  von  der  Betrachtung  des  normalen  Ge- 
schlechtsverhältnisses ausgehen.  Es  spricht  zwar  zunächst  manches 
dafür,  daß  dies  für  die  einzelnen  Organismen  ein  konstantes  ist.     So 


—     350     — 

gibt  Darwin  für  Rennpferde  bei  25560  Geburten  99,7  $  :  100  $  an; 
King  findet  bei  der  Kröte  Bufo  lentiginosus  93  g  :  100  $>>  Standfuss 
unter  32176  Individuen  von  40  Schmetterlingsarten  106,93  <§  (stets 
auf  100  $  berechnet),  Montgomery  bei  dem  Käfer  Macrodactylus 
subspinosus  unter  8796  Tieren  131,0  <$  :  100  $,  dagegen  bei  der  Spinne 
Lactrodectes  mactans  unter  41  749  Individuen  ein  Verhältnis  von 
819  $  :  100  $.  Aber  selbst  wenn  solche  Verhältnisse  aus  recht  großen 
Zahlenreihen  abgeleitet  sind,  müssen  sie  doch  mit  großer  Vorsicht  be- 
trachtet werden,  wenn  es  sich  darum  handelt,  sie  zur  Grundlage  experi- 
menteller Studien  zu  machen.  Welche  Fehlerquellen  sie  in  sich  bergen 
können,  zeigen  am  besten  die  Verhältnisse  des  Menschen,  für  den  ja 
die  ausgedehntesten  Zählungen  vorliegen.  Im  Durchschnitt  Europas 
fallen  auf  100  Mädchengeburten  105,3  Knabengeburten,  eine  Zahl, 
die  mit  großer  Konstanz  auftritt.  Werden  aber  die  totgeborenen  Kinder 
betrachtet,  so  fallen  auf  100  Mädchen  131,9  Knaben,  und  wenn  gar  die 
Frühgeburten  in  Betracht  gezogen  werden,  ist  das  Verhältnis  160  :  100 
(Lenhossek).  Andererseits  ist  auch  bei  lebenden  Kindern  der  Prozent- 
satz an  Knaben  bei  Erstgebärenden  relativ  hoch,  nämlich  etwa  137  :  100. 
Natürlich  liegen  bei  Tieren  die  Verhältnisse  auch  nicht  anders.  Vielfach 
läßt  sich  das  Geschlecht  erst  in  einem  gewissen  Entwicklungsstadium 
bestimmen,  so  daß  kaum  kontrolliert  werden  kann,  ob  nicht  mehr  oder 
weniger  Eier,  Embryonen,  Larven  eines  Geschlechts  zugrunde  ge- 
gangen sind.  Eine  weitere  Schwierigkeit  kommt  daher,  daß  an  ver- 
schiedenen Lokalitäten  das  Verhältnis  ein  verschiedenes  sein  kann. 
Die  Zahlen  für  den  Menschen  variieren  bekanntlich  nach  Ländern  und 
Rassen,  für  die  Frösche  fand  Pflüger  87%  $  in  Utrecht,  aber  nur 
50%  in  Königsberg,  bei  Artemia  salina  kommen  in  manchen  Fund- 
stellen gar  keine  oder  nur  wenige  <$  vor,  in  anderen  mehr,  wieder  in 
anderen  ebenso  viele  wie  Weibchen.  Die  wenigen  Beispiele  genügen  wohl, 
zu  zeigen,  welche  Grundschwierigkeit  allen  Versuchen  metagamer  Ge- 
schlechtsverschiebung anhaftet :  denn  das  was  sie  beweisen  müssen, 
wenn  das  Resultat  das  Problem  der  Geschlechtsbestimmung  selbst 
betreffen  soll,  ist  ja,  daß  ein  indifferenter  Zustand  nach  einer  oder  der 
anderen  Seite  auszuschlagen  bestimmt  wird  oder  daß  ein  vorhandener 
Geschlechtszustand  umgestimmt  wird. 


—     351     — 

Unter  diesen  Umständen  wird  es  nicht  wunder  nehmen,  daß  die 
älteren  Versuche,  eine  metagame  Bestimmung  zu  beweisen,  als  fehl- 
geschlagen oder  mindestens  noch  nicht  bewiesen  betrachtet  werden  müs- 
sen. (Allerdings  werden  wir  bald  auch  von  positiver  Potenzverschiebung 
hören.)  So  lohnt  es  sich  denn  auch  gar  nicht,  in  eine  Einzelbetrachtung 
einzutreten.  Vielfach  erwiesen  sich  schon  die  Voraussetzungen  der  Ver- 
suche als  gänzlich  unhaltbar;  wenn  z.  B.  durch  äußere  Eingriffe  an  Rau- 
pen das  Geschlecht  von  Schmetterlingen  bestimmt  werden  sollte,  während 
bereits  im  sich  entwickelnden  Schmetterlingsei  doch  das  Geschlecht 
schon  feststeht,  wie  wir  früher  bei  Besprechung  der  Transplantations- 
versuche erfuhren.  Cuenot  hat  sich  der  undankbaren  Aufgabe  unter- 
zogen, einen  großen  Teil  derartiger  Angaben  exakt  nachzuprüfen,  stets 
mit  dem  gleichen  negativen  Resultat. 

Es  kommt  somit  mehr  die  Möglichkeit  der  pro-  und  syngamen  Be- 
stimmung in  Betracht.  Letztere  ist  es  vor  allem,  die  uns  in  den  letzten 
Vorlesungen  ja  dauernd  als  normaler  Geschlechtsvererbungsmodus  be- 
gegnete. Alles  was  mit  den  geschlechtsbestimmenden  Spermatozoen 
zusammenhängt,  alles  was  dafür  angeführt  werden  kann,  daß  das  Ge- 
schlecht durch  die  Befruchtung  zwischen  einer  Heterozygote  und  einer 
Homozygote  bestimmt  wird,  ist  ja  Material  im  Sinne  der  syngamen 
Entscheidung.  Bei  ihr  handelt  es  sich  dann  im  wesentlichen  um  den 
Einfluß  der  Samenzelle  bei  der  Befruchtung:  es  muß  Samenzellen  mit 
männlicher  und  solche  mit  weiblicher  Tendenz  geben.  Seitdem  die 
Tatsachen  über  die  zwei  Spermienarten  bekannt  sind,  die  wir  in  der 
letzten  Vorlesung  kennen  lernten,  ist  mit  dem  Begriff  der  Tendenz 
natürlich  eine  feste  Vorstellung  verknüpft.  Er  bedeutet  entweder  das 
Vorhandensein  oder  Fehlen  eines  Gens  für  Weiblichkeit  oder  das  Vor- 
handensein oder  Fehlen  einer  Ä'-Substanz,  die  in  bestimmter  Quantität 
das  männliche,  in  der  doppelten  das  weibliche  Geschlecht  bedingt.  In 
jedem  Falle  wäre  ein  unverrückbarer  Zustand  geschaffen  und  eine  Ver- 
schiebung nur  denkbar  durch  die  relative  Häufigkeit  der  zur  Befruch- 
tung kommenden  beiden  Spermienarten. 

Damit  kann  also  von  einer  syngamen  Bestimmung,  also  Verschiebung, 
gar  nicht  die  Rede  sein.  In  der  älteren  Literatur  konnte  man  sich  da  eine 
Wirkung  durch  die  Tendenz  der  Geschlechtszellen  vorstellen.  Jetzt  ist  die 


—     352     — 

geschlechtsbestimmende  Tendenz  aber  einfach  ein  unverrückbarer  alter- 
nativer Zustand,  während  man  früher  mit  so  unfaßbaren  Begriffen,  wie 
kräftige  und  geschwächte,  alte  und  junge  Spermien  operierte.  Besonders 
der  Begriff  des  Kräftezustandes  spielt  in  der  älteren  Literatur  eine  be- 
trächtliche Rolle  und  seine  Bedeutung  wurde  meist  auf  dem  Wege  der 
Statistik  zu  erweisen  gesucht.  Natürlich  standen  dabei  die  menschlichen 
Verhältnisse  im  Vordergrunde,  aber  auch  bei  den  Tierzüchtern  herrscht 
der  Glaube,  an  die  verschiedene  Wirksamkeit  kräftiger  und  schwacher, 
alter  und  junger  Hengste,  Stiere,  Widder  vor.  Bald  betrachtete  man 
das  relative  Alter  der  Eltern,  bald  ihre  sozialen  und  Ernährungsvei'hält- 
nisse.  Wie  so  oft  sind  die  Ergebnisse  der  Statistik  in  keiner  Weise  ein- 
deutig, ganz  abgesehen  davon,  daß  ein  derartiges  biologisches  Problem 
überhaupt  nicht  rein  statistisch  gelöst  werden  kann.  Wo  man  aber 
versucht  hat,  einen  bestimmten  Punkt  im  Tierexperiment  zu  prüfen, 
wie  es  Cuenot  und  O.  Schultze  taten,  ergaben  sich  stets  negative 
Resultate.  Was  für  den  undefinierbaren  Kräftezustand  der  Spermien 
gilt,  trifft  auch  für  die  Möglichkeit  zu,  daß  ihr  Alter  eine  Bedeutung 
haben  könne.  Die  bekannteste  Illustration  dieser  Anschauung  stellt 
ja  das  Geschlechtsverhältnis  der  Haustaube  dar.  Bei  ihr  lösen  sich  stets 
2  Eier  im  Intervall  einiger  Stunden  vom  Eierstock  los  und  werden  oben 
im  Ovidukt  befruchtet;  sie  werden  dann  im  Abstand  von  i — 2  Tagen 
abgelegt.  Eine  alte  Überzeugung  besagt  nun,  daß  stets  aus  dem  ersten 
Ei  ein  Männchen,  dem  zweiten  ein  Weibchen  schlüpft.  Da  nun  die 
Spermatozoen,  die  die  beiden  Eier  befruchten,  von  der  gleichen  Be- 
gattung stammen,  so  ist  das  das  zweite  Ei  befruchtende  etwas  länger  im 
mütterlichen  Körper,  älter,  und  dadurch  soll  es  weibchenbestimmend 
geworden  sein.  Wenn  es  nun  auch  tatsächlich  oft  vorkommt,  daß  die 
jungen  Tauben  in  solcher  Reihenfolge  schlüpfen,  so  ist  nach  Cuenot 
jedoch  auch  das  umgekehrte  ebensowohl  der  Fall,  als  auch,  daß  aus- 
schließlich 2  ^  oder  2  $  schlüpfen.  Hätte  außerdem  ein  solcher  Einfluß 
eine  geschlechtsbestimmende  Bedeutung,  so  könnte  er  von  vornherein 
nicht  für  solche  Tiere  gelten,  bei  denen  das  Sperma  im  mütterlichen 
Körper  lange  leben  kann,  ohne  daß  dabei  ein  Einfluß  auf  das  Geschlecht 
bemerkbar  ist,  wie  das  etwa  beim  Huhn,  bei  den  Fledermäusen  und  in 
extremer  Form  mit  jahrelanger  Funktionsfähigkeit  des  von  einer  Be- 


—     353     — 

gattung  stammenden  Spermas  bei  Landschnecken  und  der  Biene  der 
Fall  ist. 

Was  nun  die  dritte  Möglichkeit,  die  der  progamen  Bestimmung  betrifft, 
so  würde  sie  besagen,  daß  bereits  im  unbefruchteten  Ei  das  Geschlecht 
des  zukünftigen  Wesens  bestimmt  ist :  es  gäbe  weibliche  und  männliche 
Eier,  deren  Charakter  durch  die  Befruchtung  nicht  mehr  geändert 
werden  kann.  Die  mendelistische  Erklärung  erfordert  diese  Annahme 
natürlich  in  all  den  Fällen,  in  denen  das  weibliche  Geschlecht  als  hetero- 
zygot betrachtet  wird,  da  dann  die  Gameten  zur  Hälfte  weiblich,  zur 
Hälfte  männlich  determiniert  sein  müssen.  Es  kann  nicht  dem  gering- 
sten Zweifel  unterliegen,  daß  es  zahlreiche  Fälle  solcher  Art  gibt.  Vor 
allem  muß  das  natürlich  dann  der  Fall 
sein,  wenn  auf  parthenogenetische  Weise 
beide  Geschlechter  erzeugt  werden  und 
in  dieser  Gruppe  besonders  wieder  in 
jenen  Fällen,  in  denen  es  verschiedene 
Individuen  sind,  die  entweder  nur  weib- 
liche oder  nur  männliche  Eier  legen,  wie 
bei  Phylloxera.  Das  gleiche  trifft  für 
solche  Fälle  zu,  in  denen,  wie  bei  man- 
chen Käfern  und  Schmetterlingen  durch  FiS-  r39- 

Cocon  von  Dinophilus  mit  £>  und 
gelegentliche,    ungewöhnliche  Partheno-         3 -Eiern.    Nach  Korscheit. 

genese     auch     beide     Geschlechter     im 

normalen  Verhältnis  erzeugt  werden.  Die  berühmtesten  Fälle  zur  De- 
monstration der  progamen  Bestimmung  sind  abef  die,  bei  denen  bereits 
die  Eier  äußerlich  das  zukünftige  Geschlecht  erkennen  lassen,  indem 
die  Männcheneier  kleiner,  die  Weibcheneier  größer  sind.  Das  klassische 
Beispiel  dafür  ist  der  Wurm  Dinophilus  nach  der  Entdeckung  von 
Korscheit,  dessen  Gelege  mit  ,^-und  $-Eiern  nebenstehend  abgebildet 
ist  (Fig.  139).  Das  gleiche  steht,  neben  einigen  nicht  einwandfreien 
Fällen,  fest  für  Rotatorien,   Phylloxerinen,  Spinnen. 

Ebenfalls  im  gleichen  Sinne  wird  meist  die  Tatsache  der  Gleichge- 
schlechtigkeit multipler  Embryonen  verwertet,  die  allerdings  ebensosehr 
auch  für  die  syngame  Bestimmung  spricht.  Man  versteht  darunter  die 
merkwürdige   Erscheinung,   daß  aus  einer  Eizelle   mehrere   Individuen 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl.  23 


—     354     — 

entstehen  können,  indem  frühe  Furchungsstadien  auseinander  fallen 
und  sich  selbständig  weiter  entwickeln.  Wenn  wir  von  den  sogenannten 
eineiigen  Zwillingen  des  Menschen  absehen,  deren  Entstehung  ja  nur 
erschlossen  ist  und  deren  ausschließliche  Gleichgeschlechtigkeit  nicht 
unbestritten  ist,  sind  die  beiden  schönsten  Fälle  die  des  Gürteltiers 
Tatusia  und  der  parasitischen  Wespen  (Chalcididen)  Ageniasftis,  Litho- 


Fig.   140. 
Junge  Keimblase  von  Tatu  novemcinctum  mit  4  Embryonen  (I — IV).    Nach  New  man 

und  Patterson. 


mastix  und  verwandter  Formen.  Bei  jenen  Gürteltieren  entwickeln  sich 
fast  immer  gleichzeitig  4  Embryonen  [bei  anderen  Arten  durch  einen 
merkwürdigen  Knospungsprozeß  zahlreiche  (Fernandez)],  die  in  ge- 
meinsame Embryonalhüllen  eingeschlossen  sind,  was  auf  einen  Ursprung 
aus  den  4  Furchungszellen  deutet.  Fig.  140  zeigt  eine  Fruchtblase  mit 
4  jungen  Keimscheiben  im  Kreis  angeordnet  und  Fig.  141  eine  aufge- 
schnittene Blase  mit  älteren  Embryonen.     Die  4  Jungen  sind  aber  stets 


—     355     — 

des  gleichen  Geschlechts.  Noch  eklatanter  ist  aber  der  Fall  jener  Wes- 
pen. Sie  legen  ihre  Eier  in  Schmetterlingseier  hinein,  in  denen  sie  sich  mit 
dem  Schmetterling  entwickeln,  bis  schließlich  sich  die  fertigen  Wespen  aus 
der  Raupe  herausbeißen.  Die  Eier  der  Wespen  zerfallen  nun  nach  einigen 
Teilungen  in  ihre  Zellen,  die  dann  für  sich  die  Furchung  beginnen.  Esent- 
stehen  so  ganze  Ketten  von  Embryonen  aus  einem  Ei,  die  bei  manchen 


Fig.    141. 

Aufgeschnittene    Keimblase    von    Tntu    novemcinctum    mit    den   4    Embryonen.      Nach 

New  man  und  Patterson. 


Arten  bis  1000  Individuen  enthalten  können,  die  nun  wieder  alle  eines 
Geschlechts  sind.  Fig.  142  a  zeigt  ein  junges  Entwicklungsstadium  von 
Polygnotus  minutus,  in  dem  sich  gerade  die  Furchungszellen  auseinander- 
legen, b  ein  älteres  Ei  mit  vielen  Furchungsstadien,  c  eine  noch  ältere 
Blase  mit  mehreren  Embryonen.  Fig.  143  gibt  eine  aus  einem  Ei  ent- 
standene Embryonenkette  einer  anderen  Art,  Encyrtus  fuscicollis  wieder. 
Den  Tatsachen  der  progamen  Bestimmung  gegenüber  erhebt  sich 
natürlich  die   Frage,  ob  man  imstande  ist,  auf  sie  einen  Einfluß  aus- 


:356 


HO 


cmb 


na 


cmb 


na 


Fig.   142. 
">  b,  c    3  Stadien    der   Entwicklung   von   Polygnorus    minutus,    na   Amnionkeme,    emb 

Embryonen.     Nach  Marchai. 


357 

zuüben,    also    die   Relation    männlicher  und  weiblicher  Eier   zu    ver- 
schieben. 


Fig.  143- 
Embryonenkette   der  Wespe  Encyrtus.     Nach  Marchai. 


Wir  haben  bereits  festgestellt,  daß  das  ja  nichts  anderes  wäre,  als 
eine  Beeinflussung  der  übergeordneten  Faktoren  und  somit  können  wir 
nun  wieder  unseren  alten  Faden  aufnehmen  und  uns  den  beiden,  aus 
dem  Mechanismus  der  Geschlechtsvererbung  abgeleiteten  Möglich- 
keiten der  Geschlechtsbestimmung  zuwenden. 


—     358     — 

Achtzehnte  Vorlesung, 

Die    Geschlechtsbestimmung:    durch    Potenzverschiebung-,    syngam 
und  metagam.     Geschlechtsbestimmung  und  übergeordnete  Fak- 
toren.   Die  Generationszyklen.   Progame  Geschlechtsbestimmung. 
Generationswechsel  und  Sexualität. 

Wir  wollen  also  nunmehr  die  beiden  Möglichkeiten  diskutieren,  be- 
stimmend in  das  Geschlecht  einzugreifen,  nämlich  einmal  die  Möglich- 
keit durch  Bewirkung  der  übergeordneten  Faktoren  den  Vererbungs- 
mechanismus in  eine  bestimmte  Richtung  zu  lenken,  sodann  die  Mög- 
lichkeit, innerhalb  einer  gegebenen  Geschlechtskonstitution  durch  Ver- 
änderung der  relativen  Potenz  der  beteiligten  Erbfaktoren  einen  ver- 
änderten Effekt  hervorzubringen.  Wenden  wir  uns  zunächst  dem 
letzteren  Punkte  zu.  Auch  hier  können  wir,  wie  bei  der  Geschlechtsver- 
erbungsformel, wieder  von  dem  Verhalten  der  sekundären  Geschlechts- 
charaktere ausgehen.  Auch  für  sie  hatten  wir  ja  die  Formel  mit  dem 
epistatischen  Verhältnis  der  beteiligten  Faktoren  aufgestellt,  die  den  nor- 
malen Zustand  bedingte.  Diese  Formel  aber  hatten  wir  gerade  daraus 
abgeleitet,  daß  es  durch  geeignete  Bastardierungen  möglich  ist,  das  nor- 
male Verhältnis  so  zu  ändern,  daß  in  jedem  Geschlecht  die  Charaktere 
des  anderen  zum  Durchbruch  kommen,  Gynandromorphe  entstehen.  In 
dem  geschilderten  Falle  der  Lymantria  dispar  war  diese  verschobene 
relative  Potenz  zwischen  den  Faktoren  G  und  A  dadurch  erreicht  worden, 
daß  durch  Bastardierung  in  die  Erbformel  Faktoren  von  anderswertiger 
Potenz  eingeführt  wurden.  Es  war  also  nicht  eine  direkte  Veränderung 
der  Potenz  erzielt  worden;  daß  eine  solche  möglich  ist,  ohne  daß  die 
Methode  bisher  bekannt  ist,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  da  auch  in 
der  Natur,  also  ohne  Bastardierung,  gelegentlich  solche  Gynandromorphe 
vorkommen.  Bei  sehr  vielen  Tieren  ist  aber  auch  normalerweise  die 
Potenz  dieser  Faktoren  sichtlich  eine  labile  und  immer  von  bestimmten 
physiologischen  Zuständen  abhängig,  nämlich  von  der  inneren  Sekretion 
der  Geschlechtsdrüse.  Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  daß  vor  allem  bei 
den  Wirbeltieren  die  Ausbildung  der  sekundären  Geschlechtscharaktere 
von  der  Anwesenheit  der  richtigen  Geschlechtsdrüse  abhängig  ist  und 
vor  allem  Ancel  und  Bouin  haben  gezeigt,  daß  es  ein  bestimmter  Teil 


—     359     — 

dieses  Organs,  die  interstitielle  Drüse,  von  St  ei  nach  Pubertätsdrüse 
genannt,  ist,  die  den  Ausschlag  gibt.  Ein  Merinobock,  bei  dem,  wie 
wir  hörten,  durch  die  Erbformel  die  Ausbildung  von  Hörnern  bedingt 
wird,  bleibt  hornlos,  wenn  frühzeitig  kastriert  (Darwin,  Castle).  Ein 
kastriertes  männliches  Meerschweinchen,  dem  Ovarien  implantiert  sind, 
bildet  weibliche  Geschlechtscharaktere  wie  Zitzen  und  bestimmte  Skelett- 
eigentümlichkeiten aus  (Steinach),  eine  alte  Henne  oder  Ente,  deren 
Eierstock  mit  der  inneren  Sekretion  aufhörte,  wird  hahnenfedrig,  ein 
ebensolcher  alter  Erpel  nimmt  das  Kleid  der  Ente  an,  die  parasitär 
kastrierte  männliche  Krabbe  Inachus  erhält  die  weiblichen  sekundären 
Geschlechtscharaktere  (Smith)  usw.  Das  besagt  doch  wohl  nichts 
anderes,  als  daß  in  diesen  Fällen  -  -  wenn  wir  von  Entwicklungshem- 
mungen absehen,  wie  das  Nichtmutieren  der  Stimme  des  Kastraten,  also 
rein  physiologischen  Dingen,  die  nichts  mit  dem  Vererbungsprozeß  zu 
tun  haben,  wenn  sie  auch  in  anderer  Hinsicht  sehr  wichtig  sind  —  die 
relative  Potenz  der  Faktoren  G  und  A,  auf  deren  Epistase  das  normale 
Verhalten  beruht,  verändert,  unter  Umständen  sogar  vertauscht  wird. 
Übertragen  wir  nun  diese  Erklärung  auf  das  Geschlecht  selbst,  so 
ist  es  denkbar,  daß  auch  hier  das  normale  Verhältnis  von  F  und  M  ver- 
schoben werden  kann,  so  daß  (bei  männlicher  Heterozygotie)  ein  Tier 
von  der  Formel  FFMM  anstatt  eines  $  zu  einem  Zwitter  oder  gar  zu 
einem  $  wird,  ebenso  MMFf  anstatt  männlich  zwittrig  oder  weiblich 
erscheint.  (Es  ist  klar,  daß  diese  „Verschiebung  der  Potenz"  nur  ein 
symbolischer  Ausdruck  für  einen  unbekannten  physiologischen  Prozeß 
darstellt,  ebenso  wie  ja  auch  der  „Erbfaktor"  nicht  ein  Baustein  sondern 
ein  physiologischer  Ablauf  ist.  Diese  Selbstverständlichkeit  braucht 
wohl  nicht  weiter  ausgeführt  zu  werden.)  Diese  Möglichkeit  kann  nun 
jetzt  bereits  aus  einer  Reihe  von  Tatsachen  und  Experimenten  mit 
Sicherheit  erschlossen  werden.  Zunächst  sind  es  eine  Reihe  biologischer 
Beobachtungen,  die  in  diese  Richtung  weisen  und  die  Grundlage  für 
eine  experimentelle  Inangriffnahme  des  Problems  geben.  Vor  allem 
gehört  hierher  der  sogenannte  akzidentelle  Hermaphroditismus,  wie  er 
sich  im  Tier-  und  Pflanzenreich  findet,  also  das  gelegentliche  Auftreten 
von  Eiern  im  Hoden  oder  Samengewebe  im  Eierstock.  Es  gibt  wohl 
keine  Gruppe  im  Tierreich,  in  der  das  nicht  gelegentlich  vorkommt. 


—     360     — 

Nebenstehende  Fig.  144  zeigt  einen  solchen  Fall,  Eibildung  im  Hoden 
des  Flußkrebses  und  Fig.  145  das  entgegengesetzte,  nämlich  Hoden- 
gewebe im  Eierstock  eines  Seesterns.  Ja  es  gibt  Tierformen,  bei  denen 
ganz  typischerweise  ein  Geschlecht  nichtfunktionierende  Geschlechts- 
drüsenteile des  anderen  besitzt.  So  liegt  bei  der  Pseudoneuroptere 
Perl  ajnaxgüi  ata.  dem  Hoden  stets  einBüschel  Eiröhren  an(Schoene- 
mund)  und  das  sogenannte  Bidd ersehe  Organ  männlicher  Kröten  ist 


Fk 


St 


M 


E 

N 

B 

Kb 
Kf 

Kb 
K 

Fh 


Fig.   144. 

Hodenbläschen  eines  <3  von  Potamobius  astacus  mit  Eiern.  B  Eiplasma,  E  Ei, 
Fh  Follikelhaut,  Fk  Follikelkern,  K  Kern  der  Membran,  Kl>  Keimbläschen,  Kf  Keim- 
neck,    M   Membran    des    Hodenbläschens,     N  Dotter,    St    Spermatogonien.       Nach 

v.  La  Valette-St.  George. 


auch  nichts  als  ein  dem  Hoden  anhängendes  Stück  Eierstock.  Es  wäre 
natürlich  sehr  angenehm,  wenn  man  in  solche  Erscheinungen  der  ge- 
legentlich oder  normalerweise  labilen  Potenz  eine  Gesetzmäßigkeit 
bringen  könnte,  etwa  derart,  daß  es  stets  das  homo-  oder  das  hetero- 
zygote Geschlecht  ist,  das  dazu  neigt.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall:  wenn 
bei  Blatta  im  Hoden  Eier  auftraten,  ist  es  sicher  das  heterozygote 
Geschlecht,  wenn  beim  Seestern  im  Ovar  Spermien  gebildet  wurden,  ist 
es  wohl  das  homozygote  Geschlecht.     Dem  entsprechen  denn  auch  die 


—     361     — 

Verhältnisse  aus  dem  Pflanzenreich.  Wir  werden  noch  auf  die  Tatsache 
zurückzukommen  haben,  daß  bei  den  Moosen  mit  der  Sporenbildung 
die  Reduktionsteilung  erfolgt,  die  also  hier  von  der  Geschlechtszellen- 


vaS--  4  ?! 


WM 


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: 


Fig.  HS- 
Schnitt  durch  den  Eierstock  eines  Seesterns  mit  eingesprengtem  Hodengewebe.     Nach 

Buchner. 


bildung  getrennt  ist.  Mit  dieser  Teilung  vollzieht  sich  aber  die  Trennung 
der  Geschlechter,  denn  je  eine  der  Tochterzellen  liefert  eine  männliche, 
je  eine  eine  weibliche   Geschlechtspflanze.     Obwohl  deren  Geschlecht 


—     362     — 

nun  fixiert  ist,  gibt  es  nach  Strasburger  doch  viele  Fälle,  in  denen 
solche  Geschlechtspflänzchen  die  Geschlechtsorgane  des  anderen  Ge- 
schlechts ausnahmsweise  produzieren.  Im  Prinzip  ist  das  natürlich  das 
gleiche,  wie  die  soeben  zitierten  Fälle  des  akzidentellen  Hermaphroditis- 
mus, des  Vorkommens  von  Eiern  im  Hoden  und  umgekehrt.  Aus  dem 
Pflanzenreich  sind  auch  mancherlei  weitere  entsprechende  Fälle  bekannt ; 
so  fand  Strasburger,  daß  alternde  weibliche  Individuen  von  Mercu- 
rialis  annua  vereinzelte  männliche  Blüten  erzeugen  können  und  um- 
gekehrt männliche  Individuen  weibliche.  In  Staubfäden  können  sich 
in  abnormen  Fällen  weibliche  Organe  bilden  (Nemec),  in  Samenanlagen 
Pollen  (Göbel). 

Endlich  gibt  es  sogar  einen  Fall,  in  dem  sichtlich  die  Labilität  der 
Potenz  und  damit  zusammenhängende  vorübergehende  Zwittrigkeit 
zu   dem  normalen   Entwicklungsgeschehen  einer  Tierform  gehört. 

Pflüger,  R.  Hertwig  und  seine  Schüler  Schmitt,  Kuschake- 
witsch  und  Witschi  haben  uns  mit  der  absonderlichen  Geschlechtsent- 
wicklung der  Frösche  bekannt  gemacht.  Es  zeigte  sich  dabei  das  eigen- 
artige hochbedeutsame  Resultat,  daß  in  jungen  Stadien,  manchmal  aber 
auch  bei  längst  metamorphosiertcn  Tieren  es  sich  verfolgen  läßt,  wie  weib- 
liche Geschlechtsdrüsen  in  ihrer  Entwicklung  stillstehen,  die  Eier  degene- 
rieren und  sich  an  ihrer  Stelle  Hodengewebe  ausbildet.  Fig.  146  zeigt 
einen  Schnitt  durch  eine  solche  intermediäre  Keimdrüse,  in  der  außen 
noch  eine  Eischicht  erhalten  ist.  Die  Potenz  ist  also  in  frühen  Stadien 
eine  labile  und  erst  in  einem  bestimmten  Zeitpunkt  kommt  aus  unbekann- 
ten Ursachen  das  normale  Epistaseverhältnis  zustande.  Wird  die  Ent- 
scheidung schon  sehr  früh  getroffen,  dann  entwickelt  sich  sogleich  ein 
typischer  Hoden,  wird  sie  erst  später  getroffen,  dann  entwickelt  sich 
zuerst  eine  intermediäre  Drüse,  deren  Entwicklung  sich  in  der  Tat  nach 
Kuschakewitsch  von  der  eines  typischen  Ovars  unterscheidet,  und 
die  Umstimmung  zum  Hoden,  der  Übergang  vom  labilen  Gleichgewicht 
zur  männlichen  Epistase  ist  zu  beobachten.  Wir  werden  auf  diesen 
wichtigen  Fall  zurückkommen  müssen. 

In  all  diesen  Fällen  war  nun  allerdings  die  Ursache  unbekannt  und 
es  lag  noch  kein  zwingender  Grund  vor,  eine  Potenzverschiebung  als 
Ursache  anzunehmen.    In  viel  höherem  Maße  ist  das  dort  der  Fall,  wo 


—     363     — 

wir  tatsächlich  etwas  über  die  Ursachen  der  geschlechtlichen  Umstim- 
mung  wissen.  Noch  sind  es  wenige  Daten,  die  hier  vorliegen,  aber  sie 
erscheinen  doch  schon  sehr  bemerkenswert.  Wir  sind  schon  mehrfach 
dem  Smithschen  Beispiel  der  parasitär  kastrierten  Krabbe  Inachus 
begegnet,  die,  wenn  es  ein  <§  war,  die  sekundären  Geschlechtscharaktere 
des    $  annahm.     In  diesem  Falle  ging  nun  die  Umstimmung  so  weit, 


Fig.    146. 
Embryonale  Keimdrüse   von   Rana   esculenta    während   der  Umwandlung   zum   Hoden- 

Nach  Kuschakew  itsch. 


daß  auch  an  Stelle  des  Hodens  sich  ein  Ovar  entwickelte,  woraus  ja  auf 
männliche  Heterozygotie  geschlossen  wurde.  Hier  war  es  also  die  un- 
bekannte chemische  Einwirkung  von  seiten  des  Parasiten,  die  den  Potenz- 
umschlag bedingte.  Ein  ganz  analoges  Beispiel  aus  dem  Pflanzenreich 
ist  durch  Strasburger  bekannt  geworden.  Der  Brandpilz  Ustilago, 
der  die  Lichtnelke  Melandrium  affiziert,  veranlaßt  bei  den  weiblichen 
Exemplaren  die  Entwicklung  von  Staubgefäßen.    Gerade  dieser  Fall  ist 


—     364     — 

deshalb  besonders  beachtenswert,  weil  wie  wir  früher  hörten,  Coerrns 
für  die  gleiche  Pflanze  zeigen  konnte,  daß  beide  Geschlechter  die  Anlage  des 
anderen  vererben.  Wenn  also  bei  Inachus  die  Sacculina  nur  das  Männ- 
chen weiblich  machen  kann  und  bei  Melandrium  der  Brandpilz  nur  das 
WTeibchen  männlich,  so  besagt  das  nicht,  daß  gerade  dieses  Geschlecht 
nur  heterozygot  sei  und  deshalb  das  andere  nur  zum  Vorschein  kommen 
könne,  während  in  dem  Geschlecht,  in  dem  kein  solcher  Effekt  eintritt, 
er  überhaupt  nicht  möglich  sei.  In  beiden  Fällen  ist  es  eben  so,  daß  der 
betreffende  Parasit  nur  den  adäquaten  Reiz  liefert,  der  die  genügende 
Potenzverschiebung  in  einem  Geschlecht  leistet,  im  anderen  aber  ent- 
weder nicht  genügend  oder  nicht  adäquat  ist.  Correns  drückt  dies 
treffend  so  aus :  ,,  Ja  ich  glaube,  man  wird  nicht  einmal  annehmen  dürfen, 
beim  Inachus -Männchen  und  beim  Melandrium -Weibchen  sei  das 
Verhältnis  des  männlichen  und  weiblichen  Anlagenkomplexes  labiler  als 
beim  entgegengesetzten  Geschlecht,  so  wenig,  wie  wir  annehmen  dürften, 
von  zwei  verschiedenen  Schlössern  sei  das  eine  seiner  Konstruktion  nach 
leichter  zu  öffnen  als  das  andere,  wenn  wir  nur  zu  einem  den  passenden 
Schlüssel  haben." 

Als  besonders  bemerkenswert  aber  im  Sinne  der  Potenzverschiebung 
erscheint  schließlich  die  folgende  Tatsache.  Wir  haben  schon  mehrfach 
meine  Versuche  mit  Lymantria  dispar  erwähnt,  bei  denen  Gynandro- 
morphismus  durch  Kombination  von  Geschlechtsfaktoren,  deren  Potenz 
nicht  in  der  richtigen  Relation  stand,  erzielt  wurde.  Es  schien,  als  ob 
die  Geschlechtsdrüse  selbst  davon  unberührt  bliebe,  also  für  die  Fakto- 
ren F  und  M  andere  Verhältnisse  gelten  als  für  G  und  A ;  für  die  £,  die 
zuerst  gynandromorph  werden,  trifft  das  zunächst  auch  zu,  dagegen  hat 
jetzt  mein  Schüler  Poppelbaum  gefunden,  daß  in  den  Hoden  von 
männlichen  Gynandromorphen  Mengen  von  Eiern  gebildet  werden. 
Und  hier  ist  sicher  das  $  das  homozygote  Geschlecht,  bei  dem  nun  für 
die  primären  Charaktere  die  adäquate  Potenzverschiebung  leichter  eintrat 
als  beim  $,  während  umgekehrt  die  sekundären  Charaktere  leichter 
beim  $  männlich  wurden.  Aber  auch  beim  $  kann  die  gleiche  Ver- 
schiebung eintreten,  wie  wir  in  jüngster  Zeit  fanden:  Werden  in  die 
weibliche  Formel  durch  Bastardierung  Männlichkeitsfaktoren  von  be- 
sonderer Stärke  eingeführt,   so  gelingt    es  schließlich    die  Weib- 


—     365     — 

chen  in  Zwitter  und  endlich  sogar  in   <$  zu  verwandeln.    Also 
eine  höchst   beweisende  Bestätigung  der  Gesamtanschauung ! 

In  allen  diesen  Fällen  also  lag  eine  Umstimmung  des  Geschlechts  vor, 
eine  wirkliche  metagame  Geschlechtsbestimmung,  die  sich  als  eine  Ver- 
schiebung in  der  relativen  Potenz  der  Geschlechtsfaktoren  deuten  ließ. 
Man  könnte  nun  noch  verlangen,  daß  auch  wirkliche  Beweise  durch 
Züchtung  dafür  erbracht  wurden,  daß  in  all  diesen  Fällen  die  betreffenden 
abändernden  Individuen  wirklich  ihre  ursprüngliche  Erbformel  des  Ge- 
schlechts beibehalten  haben  und  daß  nur  eine  individuelle  Modifikation 
der  Potenz  die  entgegengesetzten  Charaktere  hervorrief.  Viel  liegt  da 
bis  jetzt  noch  nicht  vor,  aber  die  wenigen  Daten  sind  bereits  höchst  be- 
weisend. Treten  an  dem  weiblichen  Bingelkraut  gelegentlich  männliche 
Blüten  auf  und  werden  die  weiblichen  mit  diesen  bestäubt,  so  sind  die 
Nachkommen  alle  weiblich,  treten  umgekehrt  an  der  männlichen  Pflanze 
weibliche  Blüten  auf,  so  entstehen  bei  Selbstbestäubung  nur  Männchen 
(Strasburger,  Bitter,  Correns)  ! 

Gibt  es  nun  auch  Experimente,  die  in  gleicher  Richtung  zu  verwerten 
sind?  Soweit  es  sich  um  experimentelle  metagame  Geschlechtsbestim- 
mung durch  Umstimmung  der  Potenz  handelt,  liegt  bis  jetzt  noch  sehr 
wenig  vor.  (Meine  eigenen  gerade  zitierten  Befunde  bedeuten  ja 
eine  syngame  Bestimmung,  da  die  veränderten  Potenzverhältnisse  ja 
durch  Faktorenkombination  bei  der  Bastardbefruchtung  erzielt 
wurden.)  R.  Hertwig  hatte  schon  lange  mitgeteilt,  daß  ihm  bei 
Fröschen  eine  Geschlechtsverschiebung  durch  Temperatureinwirkung 
gelungen  ist.  Da  die  Tragweite  der  Resultate  oft  angezweifelt  wurde, 
sind  sie  jetzt  von  seinem  Schüler  Witschi  mit  allen  Kautelen  wiederholt 
worden.  Auch  Witschi  fand,  daß  es  je  nach  der  Herkunft  verschiedene 
Rassen  gibt,  die  auf  die  gleichen  Bedingungen  verschieden  reagieren. 
Die  einen  lieferten  bei  21  °  kultiviert  das  normale  Geschlechtsverhältnis, 
wobei  frühzeitig  sich  die  beiden  Geschlechter  in  definitiver  Weise  an- 
legten. Erst  der  sehr  starke  Reiz  einer  Kultur  bei  27  °  ließ  noch  nach 
der  Metamorphose  einige  $  sich  in  der  schon  geschilderten  Art  in  $  um- 
wandeln. Bei  einer  anderen  Rasse  — -  andere  Reaktionsnorm!  —  kam 
ein  normales  Geschlechtsverhältnis  zustande,  wenn  erst  kalt,  dann  warm 
kultiviert  wurde,   aber   die    g  kamen   durch   Umwandlung  aus  einem 


—     366     — 

ursprünglich  (vor  der  Metamorphose)  neutralen  Zustand  zustande. 
Wurde  diese  Rasse  aber  bei  20  °  kultiviert,  so  war  das  Resultat  ausschließ- 
lich $.  Endlich  konnten  bei  einer  Rasse,  die  sich  ebenso  verhielt,  durch 
Hitze  (27 °)  ausschließlich  <§  erzielt  werden,  die  durch  immer  weiter  fort- 
schreitende Umwandlung  von  $  im  Laufe  der  Kultur  zustande 
kamen. 

Wir  verstehen  dies  Resultat  nun  so.    Es  gibt  Rassen,  bei  denen  die 
relative   Potenz  der  Faktoren  F  und  M  stark  verschieden  ist.     Diese 
entwickeln  sich  gleich  zu  beiden  Geschlechtern  und  eine  Umstimmung 
ist  nur  in  geringem  Maße  durch  starke  Reize  möglich.     Bei  anderen 
Rassen  ist  dagegen  die  Potenz  ziemlich  labil  und  erst  im  Laufe  der  Ent- 
wicklung treten  die  Faktoren  in  Kraft,  die  das  normale  relative  Ver- 
hältnis herstellen.     Die  Tiere  von  der  Konstitution  FFMm  (bei  weib- 
licher Heterogametie)  sind  $,  die  FFMM  aber  erscheinen  wegen  der  zu- 
nächst nicht  ausgesprochenen  Epistase  von  M  zunächst  auch  weiblich  bzw. 
indifferent.     Bei  Entwicklung  unter  den  für  die  Rasse  typischen  Ver- 
hältnissen, tritt  dann  im  Laufe  der  Entwicklung  die  Stärkung  von  M 
und  damit  die  Umstimmung  zu   $  bei  allen  FF  MM -Tieren  ein.     Man 
könnte  das,  ohne  daß  der  Vergleich  gar  zu  wörtlich  genommen  werden 
soll,  mit  dem  Verhalten  mancher  sekundärer  Geschlechtscharaktere  ver- 
gleichen, die  zunächst  in  beiden  Geschlechtern  identisch  sind  und  dann 
erst  unter  dem  Einfluß  der  Pubertät  oder  Brunst  sich  differenzieren. 
Kommt  eine  solche  Rasse  nun  unter  Bedingungen  des  Experiments,  so 
kann  eine  bestimmte  Temperatur  entweder  das  Eintreten  jener  potenz- 
regulierenden Einflüsse  aufheben  und  dann  erscheinen  lauter    $,  von 
denen  aber  50%  doch  FFMM  hießen,  werden  umgekehrt  jene  Einflüsse 
sehr  gestärkt,  so  kann  die   Potenzumstimmung  soweit  gehen,  daß  M 
relativ  so  hochwertig  wird,  daß  auch  die  richtigen  §  mit  FFMm  sich  in  $ 
umwandeln.      Ein   experimenteller   Beweis   für    die    Richtigkeit    dieser 
Auffassung   könnte   natürlich   nur   durch   Nachzucht  erhalten  werden. 
Es  erscheint  immerhin  bemerkenswert,  daß  auch  aus  dem  Pflanzenreich 
vergleichbare   Dinge   vorliegen.     Die    Prothallien    von    vielen   Farnen, 
Schachtelhalmen  und  auch  Moosen  (richtiger  ausgedrückt  die  Gameto- 
phyten)  sind  hermaphrodit,  d.  h.  sie  können  sowohl  Antheridien  wie 
Archegonien  ausbilden.     Durch  bestimmte  Ernährungsverhältnisse  läßt 


—     367     — 

sich  aber  das  eine  oder  andere  Geschlecht  völlig  unterdrücken  (Prantl, 
Klebs,  Noll  u.  a.).  Bei  manchen  Lebermoosen  geht  die  Geschlechts- 
trennung mit  der  Sporenbildung  vor  sich :  Die  Gametophyten  sind  männ- 
lich oder  weiblich.  Durch  eine  Art  von  Regeneration  unter  Umgehung 
der  Sporen  können  der  Faktorenbeschaffenheit  nach  hermaphrodite 
Gametophyten  erzeugt  werden  (Marchai),  die  dann  zwittrig  sind,  aber 
auch  rein  männliche  oder  weibliche  Organe  produzieren  können.  All 
dieses  scheint  uns  in  der  Tat  Beweise  für  metagame  Geschlechtsum- 
wandlung durch  Potenzverschiebung  zu  liefern. 

Endlich  sind  in  gleicher  Richtung  noch  wichtige  Zuchtversuche  zu 
verwerten,  die  es  sich  nicht  zur  Aufgabe  machen,  die  relative  Potenz  der 
Geschlechtsfaktoren  nachträglich  zu  ändern,  sondern  die  untersuchen, 
in  welcher  Weise  die  Erscheinungen  der  Geschlechtsvererbung  verlaufen, 
wenn  Formen  miteinander  gekreuzt  werden,  denen  sichtlich  eine  verschie- 
dene Potenz  der  Faktoren  als  Erbeigenschaft  zukommt,  also  für  die 
primären  Geschlechtscharaktere  im  Prinzip  das  gleiche,  was  wir  oben 
für  die  sekundären  bei  Lymantria  dispar  beschrieben.  Sowie  es 
zweifellos  innerhalb  einer  Tier-  oder  Pflanzenrasse  erbliche  Linien  gibt, 
die  sich  nur  dadurch  voneinander  unterscheiden,  daß  ihre  Erbfaktoren 
in  einer  bestimmten  Eigenschaft  konstante  Potenzdifferenzen  zeigen,  so 
könnte  das  gleiche  ja  auch  für  die  Potenz  der  Geschlechtsfaktoren  ein- 
treffen. Und  das  scheint  in  der  Tat  der  Fall  zu  sein,  wenigstens  können 
wir  am  besten  so  die  Versuche  von  Correns  und  R.  Hertwig  begreifen. 
Unsere  eigenen  neuen  Befunde  an  Lymantria  dispar,  die  auch  hier- 
her gehören,  wurden   schon  in  anderem  Zusammenhang  referiert. 

R.  Hertwig  ging  bei  seinen  Froschkulturen  von  früheren  Befunden 
aus,  die  ihn  mit  der  merkwürdigen  Erscheinung  der  geschlechtlichen  In- 
differenz bekannt  gemacht  hatten.  Während  in  manchen  Zuchten  das 
Geschlecht  schon  auf  frühen  Larvenstadien  sehr  deutlich  ausgeprägt  ist, 
ist  es  in  anderen  bei  schon  lange  metamorphosierten  Tieren  noch  nicht 
deutlich  zu  erkennen.  Die  ganze  Gonade  findet  sich  makroskopisch  wie 
mikroskopisch  im  Zustand  einer  gewissen  Indifferenz,  die  bald  mehr 
nach  der  männlichen,  bald  mehr  nach  der  weiblichen  Seite  hinneigt. 
Es  hatte  sich  nun  gezeigt,  daß  Frösche  von  gewissen  Lokalitäten  beson- 
ders zur  Bildung  der  indifferenten  Formen  neigten.     Hertwig  ging  nun 


—     368     — 

von  folgender  Überlegung  aus:  Wenn  das  Sperma  verschiedene  aber 
typische  geschlechtliche  Tendenz  hat,  typisch  bei  jedem  einzelnen  In- 
dividuum, so  muß  die  geschlechtbedingende  Einwirkung  sich  stets  in 
gleicher  Richtung  bewegen,  wenn  man  Weibchen  verschiedener  Tendenz 
mit  dem  gleichen  Sperma  befruchtet.  Es  zeigt  sich  nun,  daß  bestimmte 
Männchen  in  starkem  Maße  das  Auftreten  von  indifferenten  Formen  för- 
dern, wenn  sie  mit  verschiedenartigen  Weibchen  gepaart  werden,  die 
von  Lokalitäten  stammen,  die  normale  Geschlechtsentwicklung  zeigen. 
Wird  dasselbe  Sperma  aber  zu  Eiern  gegeben,  die  zur  Bildung  der  In- 
differenten neigen,  so  erscheint  ein  Überschuß  an  Weibchen.  Es  ver- 
läuft also  eine  Reihe  der  Steigerung  von  <$  über  Indifferente  mit  mehr 
,^-Habitus,  Indifferente,  und  Indifferente  mit  ^-Habitus  zu  Weibchen. 
So  war  in  einem  Fall  durch  das  Männchen  das  normale  Verhältnis 
der  Geschlechter  von  i  :  i  auf 

i  $  :  34  $  -Indifferente  :  87  Indifferente  :  43  ^-Indifferente  :  70  <$ 

verschoben  worden.    Das  gleiche  $  erzeugte  mit  einem  $  mit  Neigung 
zu  Indifferenten,   das  bei  Befruchtung  mit  dem  zugehörigen  <$  ergab 

9  $  :  18  ^-Indifferente  :  134  Indifferente  :  12  ^-Indifferente  :  7  g 

ausschließlich  99  weibliche  Tiere. 

Das  botanische  Analogon  zu  diesen  Versuchen  bilden  Correns' Zuch- 
ten von  Plantago  lanceolata.  Hier  gibt  es  einmal  rein  weiblich 
blühende  Pflanzen,  dann  zwittrige  und  dazwischen  alle  Übergänge.  Es 
wurde  nun  einmal  die  gleiche  weibliche  Pflanze  mit  verschiedenen  Pollen 
bestäubt,  sodann  umgekehrt  mehrere  Eipüanzen  mit  dem  gleichen 
Pollen.  Es  zeigte  sich  nun,  daß  die  Zusammensetzung  der  Nachkom- 
menschaft sowohl  von  der  Eipflanze  wie  von  der  Pollenpflanze  abhing. 
Der  Prozentsatz  der  Zwitter  ist  bei  gleichem  Bestäuber  für  die  ver- 
schiedenen Eipflanzen  typisch  verschieden  und  umgekehrt.  Je  inten- 
siver dabei  die  geschlechtliche  Tendenz  einer  Eipflanze  ist,  um  so  ge- 
ringer die  Wirkung  des  Pollens.  Das  dem  vorher  zitierten  Hertwig- 
schen  ganz  analoge  Resultat  geht  aus  der  folgenden  Tabelle  für  einen 
Fall  hervor:  I,  II,  III  sind  drei  verschiedene  Eipflanzen,  die  mit  den 
zweierlei  Pollen  a  und  b  bestäubt  folgende  Prozentzahlen  an  Weibchen, 
Zwischenstufen  und  Zwittern  liefern: 


—     369 


Pollen. 


a 

b 

Zwitter 

Zwischenstufe 

Weibchen 

Zwitter 

Zwischenstufe 

Weibchen 

- 

I 

II 
III 

2,8 

7,6 

89,9 

0 

97 

Eier 

7-7 

18,4 

73,8 

i,7 

17.2 

81 

23,6 

57,9 

18,5 

i,5 

39,7 

58,S 

Im  Prinzip  müssen  wohl  beide  Fälle  die  gleiche  Grundlage  haben. 
Im  Hertwigschen  Falle  geht  die  Verschiebung  von  den  Zwischenstufen 
zu  den  Männchen,  im  Corrensschen  zu  den  Weibchen.  Sie  kann  in 
beiden  Fällen  nur  dadurch  bedingt  sein,  daß  die  gekreuzten  Individuen 
Rassen  mit  verschiedenartiger  durchschnittlicher  Potenz  der  Faktoren 
F  und  M  angehörten.  Je  nachdem  stark  verschiedene  oder  gegeneinander 
ausgeglichene  Faktoren  bei  der  Befruchtung  —  im  ersteren  Falle  inner- 
halb der  Männchenformel,  in  letzterem  innerhalb  der  Weibchenformel —  zu- 
sammenkamen, entstanden  mehr  oder  weniger  zahlreiche  Zwischenformen. 
Doch  damit  wollen  wir  diesen  Punkt  verlassen;  es  kann  ja  wohl  keinem 
Zweifel  unterliegen,  daß  eine  Geschlechtsverschiebung  durch  Bewirkung 
der  relativen  Potenz  der  Faktoren  möglich  ist  und  es  handelt  sich  nur  noch 
darum,  den  adäquaten  Reiz  experimentell  in  die  Hand  zu  bekommen. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  dem  zweiten  Punkt,  zur  Frage  ob  und  wie 
weit  es  möglich  ist,  eine  Geschlechtsbestimmung  durch  Einwirkung  auf 
die  „übergeordneten  Faktoren"  zu  erzielen,  also  den  normalen  Mecha- 
nismus der  Geschlechtsvererbung  in  bestimmte  Bahnen  zu  lenken. 
Oder  konkreter  ausgedrückt,  bei  weiblicher  Heterogame  die  Reife- 
teilungen des  Eies  so  zu  beeinflussen,  daß  nur  Eier  mit  bzw.  ohne  X-Chro- 
mosom gebildet  werden,  bei  männlicher  so,  daß  eine  bestimmte  Sorte 
von  Spermien  nicht  zur  Befruchtung  kommt,  bei  Parthenogenese  so, 
daß  durch  Zugrundegehen  eines  X-Chromosoms  die  weibliche  Faktoren- 
konstitution in  die  männliche  umgewandelt  wird.  Der  gegebene  Weg, 
hier  weiter  zu  kommen,  ist  natürlich  der,  zunächst  darüber  Klarheit  zu 
erhalten,  unter  welchen  Bedingungen,  äußeren  wie  inneren,  in  der  Natur 
der  Mechanismus  in  Gang  gesetzt  wird,  und  die  Objekte  können  daher 
nur  solche  sein,  bei  denen  irgendein  besonderer  Geschlechtsbestim- 
mungsmechanismus vorliegt. 


Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl. 


24 


—     370     — 

Im  Tierreich  wie  im  Pflanzenreich  bieten  sich  da  zunächst  die  Fälle 
dar,  in  denen  sich  eine  Beziehung  zwischen  Geschlechtsbestimmung  und 
parthenogenetischer   oder   zweigeschlechtiger   Fortpflanzung   einerseits, 
reduzierter  oder  nicht  reduzierter   (haploider  und  diploider)   Chromo- 
somenzahl andererseits  zeigt.     Als  Typus  aus  dem  Tierreich  kann  der 
Fall  der  Honigbiene  gelten.     Wie  bekanntlich  Dzierzon  zuerst  lehrte 
und  auch  durch  die  genaue   zytologische  Untersuchung  durchaus  be- 
stätigt   wurde,    entwickeln    sich    aus    parthenogenetischen   Eiern    mit 
der  haploiden   Chromosomenzahl  stets    <$,   aus  befruchteten   diploiden 
stets  $.    Da  bei  der  Samenentwicklung  die  Hälfte  der  Spermien  zugrunde 
geht,  kann  man  sich  vorstellen,  daß  dies  die  männchenbestimmenden 
sind.     Warum  aber  ohne  Befruchtung  dann  stets  <$  entstehen,  bleibt 
durchaus  unverständlich.    In  anderen  Fällen  ist  ein  solcher  Modus  noch 
mit  einem  Wechsel  zwischen  Parthenogenese  und  Zweigeschlechtigkeit 
verknüpft.    Bei  der  Gallwespe  Neuroterus  verhält  es  sich  nach  Don- 
caster  folgendermaßen:   Befruchtete  Eier  überwintern  und  aus  ihnen 
schlüpfen  Wespen  aus,  die  sich  parthenogenetisch  vermehren,  und  zwar 
legen   manche  Weibchen    nur  Eier,   aus   denen   sich    wieder  Weibchen 
entwickeln,  andere  nur  solche,  aus  denen  Männchen  entstehen.     Das 
befruchtete  Ei  ist  dann  das  gleiche,  von  dem  wir  ausgingen.  Nun  enthal- 
ten die  Weibchen  des  Frühjahrs,  die  aus  befruchteten  Eiern  hervorgehen, 
natürlich  die  diploide  Chromosomenzahl  20  in  ihren  Zellen,  die  partheno- 
genetisch erzeugten  Sommerweibchen  ebenfalls,  die  Männchen  dagegen 
nur  die  haploide  Zahl  10.    Es  findet  also  bei  der  Reifung  der  partheno- 
genetischen Eier  bei  solchen,  die  Weibchen  liefern,  eine  Reduktion  nicht 
statt,  wohl  aber  bei  solchen,  die  Männchen  liefern.    Man  kann  also  an- 
nehmen, daß  die  Weibcheneier  nur  weibliche  Determinanten  besitzen, 
die  Männcheneier  aber  beiderlei,  von  denen  dann  bei  der  Reifeteilung 
die  weiblichen  entfernt  werden.    Diese  Verschiedenheit  der  beiden  Eiarten 
muß  nun  natürlich  in  einer  Verschiedenheit  der  beiderlei  Mütter  begrün- 
det  sein.     Diese  entstehen  aber  aus  befruchteten  Eiern  des  gleichen 
Weibchens,  also  muß  dieses  mit  zweierlei  Spermatozoen  befruchtet  sein. 
Wenn  diese  auch  nicht  direkt  klar  nachgewiesen  wurden,  so  kann  ihre 
Existenz  doch  aus  einem  Punkt  erschlossen  werden.    Es  ist  eine  überaus 
merkwürdige  Tatsache,  daß  bei  der  männlichen  Biene,  wo  aus  befruch- 


—     371     — 

teten  Eiern  nur  Weibchen  entstehen,  ebenso  wie  bei  den  Aphiden,  nur 
die  eine  von  den  Zellen,  die  bei  einer  Reifeteilung  entstehen,  erhalten 
bleibt,  die  andere  zugrunde  geht.  Bei  anderen  Hymenopteren  und  so 
auch  bei  Neuro terus  werden  aber  zwei  funktionsfähige  Spermien  ge- 
bildet. Man  kann  also  annehmen,  daß  die  einen,  wenn  sie  zur  Befruch- 
tung kommen,  thelytoke  (also  weibchenproduzierende)  Weibchen  be- 
stimmen, die  anderen  arrhenotoke,  männcheneierlegende  Weibchen. 

Doncaster  erklärt  den  Fall  nun  durch  die  Annahme,  daß  die  Männ- 
chen einen  Männchenbestimmer  enthalten,  der  also  etwa  dem  A'-Chro- 
mosom  entspricht  und  mit  $  bezeichnet  sei,  und  ihn  erhält  die  Hälfte 
der  Spermatozoen,  die  also  auch  <§  heißen,  die  andere  Hälfte  nicht,  was 
mit  O  ausgedrückt  sei.  Die  Sommerweibchen,  die  befruchtungsfähige 
Eier  legen,  sollen  alle  den  Weiblichkeitsfaktor  $  enthalten.  Aus  der 
Befruchtung  entstehen  dann  parthenogenetische  Weibchen,  die  teils 
$  3,  teils  $  0  heißen.  Die  Eier  ersterer  erleiden  dann  eine  Reifeteilung, 
wobei  der  Weibchenfaktor  entfernt  wird,  und  es  entstehen  <$,  die  letzteren 
machen  keine  Reifeteilung  durch  und  produzieren  so  Weibchen.  In 
deren  befruchtungsbedürftigen  Eiern  bleiben  aber  dann  bei  der  Reife- 
teilung nur  die  Faktoren  $  zurück,  womit  wir  wieder  am  Ausgangspunkt 
angelangt  sind. 

Wir  brauchen  diese  Erklärung  nicht  weiter  zu  diskutieren;  sicher  ist 
eines  klar,  daß  wir  in  diesen  und  anderen  ähnlich  liegenden  Fällen  über 
das  Wesen  der  geschlechtsbestimmenden  übergeordneten  Faktoren  nichts 
wissen  und  daher  auch  an  Versuche,  sie  zu  beherrschen,  zunächst  noch 
nicht  denken  können.  Noch  größere  Schwierigkeiten  bereiten  dem  Ver- 
ständnis die  analogen  Daten  aus  dem  Pflanzenreich,  obwohl  dort  die 
Objekte  dem  Experiment  viel  leichter  zugängig  sind.  Bekanntlich  findet 
sich  bei  den  Pflanzen  ein  Generationswechsel  zwischen  diploider  und 
haploider  Generation.  Der  diploide  Sporophyt  erzeugt  ungeschlechtlich 
durch  Sporen  den  haploiden  Gametophyten,  der  die  Geschlechtszellen 
bildet.  Die  Reduktion  findet  bei  der  Sporenbildung  statt  durch  zwei 
Teilungen,  die  da,  wo  Sporen  wirklich  ausgebildet  werden,  zur  Sporen- 
tetrade  führen.  Nun  gibt  es  Fälle  bei  diözischen  Moosen,  wo  mit  der 
Reduktionsteilung  über  das  Geschlecht  entschieden  ist,  also  2  Zellen 
der  Sporentetrade  weibliche,  2  männliche  Gametophyten  liefern  (Stras- 

24* 


—     372     — 

burger,  E.  und  E.  Marchai).  Experimentell  lassen  sich  hier  auch 
diploide  Gametophyten  ziehen  und  diese  sind  zwittrig,  können  aber 
auch  männlich  oder  weiblich  sein.  Letzteres  ist  ja  nicht  so  unverständ- 
lich, da  uns  ja  schon  öfters  Fälle  begegnet  sind,  wo  bei  zwittriger 
Faktorenkonstitution,  das  eine  oder  andere  Geschlecht  durch  Potenz- 
verschiebung hervorgerufen  werden  kann.  Nun  sind  aber  bei  anderen 
Pflanzen,  z.  B.  Farnen,  die  haploiden  Individuen  unter  Umständen 
auch  zwittrig,  bei  anderen  steht  das  Geschlecht  der  aus  den  Sporen 
keimenden  Gametophyten  schon  vor  den  Reifeteilungen  fest  (Makro- 
und  Mikrospuren)  und  damit  ist  die  Fülle  der  Möglichkeiten  noch 
nicht  erschöpft.  Man  kann  also  wohl  ahnen,  daß  hier  etwas  im  Grund 
ähnliches  wie  bei  den  genannten  Fällen  aus  dem  Tierreich  vorliegen 
mag,  von  .einem  Verständnis  sind  wir  aber  noch  weit  entfernt. 

Nun  gibt  es  aber  noch  im  Tierreich  Objekte,  die  durch  ihre  äußeren 
Charaktere  dem  Experiment  besonders  günstige  Verhältnisse  darbieten, 
und  die  denn  auch  bedeutungsvolle  Ergebnisse  in  bezug  auf  unsere 
Frage  gezeitigt  haben,  Ergebnisse,  die  in  der  Tat  einiges  Licht  auf  das 
Eingreifen  der  übergeordneten  Faktoren  in  den  Geschlechtsbestim- 
mungsmechanismus werfen  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  sie  auch 
in  die  Hand  des  Experimentators  gebracht  haben. 

Das  Vorhandensein  übergeordneter  Faktoren  wurde  ja  oben  aus  den 
Verhältnissen  solcher  Formen  abgeleitet,  die  auf  parthenogenetischem 
Wege  beide  Geschlechter  erzeugen  können  und  dies,  wie  z.B.  bei  Phyllo- 
xera  feststeht,  durch  eine  Regulation  der  Verteilung  der  Geschlechts- 
chromosomen bei  der  Reifeteilung  erzielen.  Daraus  folgt  von  selbst,  daß 
man  hoffen  muß,  durch  das  Studium  der  Geschlechtsverhältnisse  der- 
artiger zyklischer  Formen  noch  einen  Schritt  weiter  kommen  zu  können. 
So  erhalten  die  Versuche,  die  Ursachen  der  Generationszyklen  aufzuklären, 
eine  ganz  besondere  Bedeutung  für  das  gesamte  Geschlechtsproblem; 
ihrer  Betrachtung  wollen  wir  uns  darum,  an  diesem  Punkte  angelangt, 
zuwenden. 

Im  Tierreich  sind  es  vor  allem  drei  Gruppen  von  Formen,  deren 
Generationszyklus  experimentell  erforscht  wurde,  die  Rotatorien, 
Daphniden  und  Aphiden.  Im  Prinzip  verläuft  bei  allen  der  Zyklus  in 
gleicher  Weise,  wenn  wir  von  Detailverschiedenheiten  absehen,  nämlich 


—     373     — 

so,  daß  parthenogenetische  Weibchen  ein  Zeitlang  immer  wieder  ihres- 
gleichen erzeugen,  bis  mit  einem  Male  auf  gleichem  Wege  Männchen  und 
Weibchen  gebildet  werden.  Aus  deren  Befruchtung  nehmen  wieder 
parthenogenetische  Weibchen  ihren  Ursprung,  die  den  Zyklus  von 
neuem  beginnen.  Die  parthenogenetisch  erzeugten,  meist  zarten  Eier 
werden  Sommereier  genannt,  die  mit  besonderen  Schutzvorrichtungen 
ausgestatteten  und  hartschaligen  befruchteten  Eier  sind  die  Dauer- 
oder Wintereier.  Im  großen  ganzen  haben  die  Experimente  an  diesen 
Organismen  jetzt  zu  übereinstimmenden  Resultaten  geführt,  so  daß 
wir  hier  nur  für  eine  Gruppe  eine  genauere  Darstellung  geben  wollen 
und  uns  für  die  beiden  anderen  kurz  fassen  können.  Wir  wählen  dazu 
die  Daphniden,  für  die  das  meiste  Material  vorliegt  und  die  ja  auch  die 
dem  Experiment  günstigsten  Objekte  darstellen. 

A.  Weis  mann  war  der  erste,  der  die  große  Bedeutung  des  Gegen- 
standes klar  erkannte  und  durch  genaues  biologisches  Studium  der 
Generationszyklen  der  Daphnien  wie  durch  Versuche,  sie  experimentell 
zu  beeinflussen,  die  Grundlagen  für  unsere  gesamten  Kenntnisse  des 
Gegenstandes  legte.  Er  fand  zunächst,  daß  die  Generationszyklen  der 
einzelnen  Formen  ziemlich  verschieden  sind.  Bei  manchen  Arten  findet 
nur  einmal  im  Jahre  typisch  die  Bildung  der  Dauereier  statt,  sie  sind 
monozyklisch;  andere  zeigen  einige  bis  viele  aufeinanderfolgende  Pe- 
rioden geschlechtlicher  und  parthenogenetische!"  Vermehrung,  sie  sind 
polyzyklisch.  Wieder  andere,  die  azyklischen  Alien,  scheinen  die  Fähig- 
keit, Geschlechtsformen  zu  bilden,  ganz  verloren  zu  haben,  sie  vermehren 
sich  dauernd  parthenogenetisch.  Die  Bildung  der  befruchtungsbe- 
dürftigen Wintereier  und  der  Männchen  ist  ein  identischer  Vorgang, 
das  Eintreten  des  Zustandes  der  Sexualität ;  denn  erstere  sind  nicht 
etwa  Sommereier,  die  durch  die  Befruchtung  zu  Wintereiern  werden, 
sondern  sind  auf  besondere  Weise  gebildete  Eier,  die  befruchtungs- 
bedürftig sind  und  ohne  Befruchtung  zugrunde  gehen.  Nur  jene  Ver- 
änderungen, welche  die  definitive  Ausbildung  des  Wintereies  mit  allen 
seinen  Schutzvorrichtungen  bedingen,  sind  von  der  Befruchtung  ab- 
hängig. 

Weis  mann  fand  nun  als  Regel,  die  die  weiteren  faunistischen 
Studien  auch  bestätigten,  daß  die  monozyklischen  Arten  sich  in  großen 


—     374     — 

Seen  finden  mit  ihren  wenig  bedeutenden  Schwankungen  der  Lebens- 
verhältnisse, deren  wichtigste  nur  das  Zufrieren  im  Winter  darstellt.  In 
kleinen  Becken  aber,  die  ebenso  leicht  im  Sommer  austrocknen  wie  im 
Winter  zufrieren,  leben  die  polyzyklischen  Arten,  bei  denen  somit 
nahezu  immer  Dauereier  zur  Verfügung  stehen,  die  schlechte  Perioden 
überleben  können.  Gemäß  der  Gesamtrichtung  seiner  Anschauungen 
zog  somit  Weis  mann  den  Schluß,  daß  der  Generationszyklus  eine 
Anpassungserscheinung  an  die  äußeren  Lebensbedingungen  sei,  die 
durch  die  natürliche  Zuchtwahl  erblich  fixiert  ist.  Die  ganze  Erschei- 
nung ist  somit  nur  phylogenetisch  zu  verstehen  und  muß  von  den  Fak- 
toren der  Außenwelt,  die  früher  die  Selektion  bewirkt  haben,  jetzt  un- 
abhängig sein.  Einige  Experimente,  die  er  ausführte,  ließen  ihn  dann 
auch  ebensowenig  wie  die  Beobachtungen  in  der  Natur  irgendeinen 
derartigen  Einfluß  erkennen. 

Den  Anstoß  zur  Neubetrachtung  des  Problems  gaben  vor  allem 
R.  Hertwigs  Untersuchungen  über  die  geschlechtsbestimmenden  Ur- 
sachen. Sie  hatten  ihn  auf  den  Gedanken  geführt,  daß  das  Wesen  der 
Geschlechtlichkeit  in  zellulären  Vorgängen  zu  sehen  sei,  nämlich  Massen- 
beziehungen zwischen  Kern  und  Protoplasma.  Da  diese,  wie  sicher 
feststeht,  durch  äußere  Faktoren,  vor  allem  die  Temperatur,  beein- 
flußbar sind,  so  gehen  seine  und  seiner  Schüler  Studien  vor  allem  darauf 
aus,  durch  experimentelle  Verschiebung  jenes  Faktors  die  Geschlecht- 
lichkeit zu  beeinflussen.  In  der  Tat  glaubte  Issako witsch,  durch 
Temperatureinflüsse,  nämlich  Kälte,  die  Sexualität  herbeigeführt  zu 
haben.  Es  sind  also  in  der  Hauptsache  äußere  Faktoren,  die  das  Auf- 
treten der  Geschlechtstiere  bewirken.  Dem  wurde  vor  allem  von  Weis- 
manns  Schülern  Keilhack,  Strohl,  Kuttner  widersprochen,  ohne 
daß  sie  eine  weitere  Klärung  der  Frage  bringen  konnten.  Erst  in  der 
jüngsten  Zeit  scheint  sich  die  Streitfrage  im  wesentlichen  entschieden 
zu  haben  und  zwar  durch  die  Bemühungen  von  Wolter  eck  und  seinem 
Schüler  v.  Scharf  fenberg  einerseits,  McClendon  und  Papanikolau 
andererseits. 

Wir  haben  bereits  bei  Besprechung  der  Wirkung  äußerer  Faktoren 
auf  die  Variabilität  Wolterecks  Studien  über  den  Einfluß  der  Assi- 
milationstätigkeit  auf    die    Kopfhöhe    der   Daphnien   besprochen.     An 


—     375     — 

sie  schließen  sich  die  Untersuchungen  über  unser  Problem  direkt  an, 
indem  sie  die  Sexualität,  also  die  Neigung,  Geschlechtstiere  —  Weib- 
chen mit  befruchtungsbedürftigen  Eiern  und  Männchen  —  zu  bilden, 
in  gleicher  Weise  als  variable  Eigenschaft  betrachten,  wie  jene  Helm- 
größe, deren  Ausfall  durch  das  Zusammenwirken  einer  unanalysier- 
baren inneren  Potenz  mit  den  Außenfaktoren  bedingt  wird.  Wenn  sich 
auch  im  Detail  die  verschiedenen  Arten  und  Rassen  verschieden  ver- 
halten, so  ist  im  wesentlichen  folgende  Gesetzmäßigkeit  festzustellen: 
Die  Sexualität,  also  die  innere  Neigung  Geschlechtstiere  zu  bilden,  ist  in 
der  ersten  parthenogenetischen  Generation  sozusagen  gleich  Null.  In- 
folgedessen können  auch  äußere  Faktoren  keinerlei  Wirkung  ausüben.  Mit 
allen  weiteren  parthenogenetischen  Generationen  steigt  aber  die  Sexua- 
lität. Der  äußere  Faktor,  der  die  Sexualität  fördert,  ist  schlechte 
Ernährung  (indirekt  auch  wohl  Kälte),  während  umgekehrt  sehr  reich- 
liche Ernährung  die  Sexualität  unterdrückt.  Je  höher  nun  in  den 
weiteren  parthenogenetischen  Generationen  die  innere  Neigung  zur 
Sexualität  steigt,  um  so  kräftiger  muß  man  die  entgegengesetzte  Ein- 
wirkung der  Außenfaktoren  dosieren,  um  die  Parthenogenese  noch  zu 
erhalten,  bis  schließlich  die  Sexualität  obligatorisch  wird  und  nichts 
mehr  sie  aufhält.  Die  Bildung  der  Geschlechtstiere  beruht  also  auf 
zwei  Faktoren,  die  sich  gegenseitig  die  Wage  halten,  der  inneren  Ge- 
schlechtspotenz und  der  Einwirkung  äußerer  Faktoren. 

Zu  diesen  Befunden  Wolterecks  ist  durch  Scharffenberg  und 
Papanikolau  eine  wichtige  Ergänzung  hinzugekommen.  Ein  jedes 
parthenogenetische  Weibchen  erzeugt  ja  nicht  nur  einen  Wurf  von 
Jungen,  sondern  deren  viele.  Es  zeigt  sich  nun,  daß  die  Tendenz  zur 
Sexualität  mit  jedem  einzelnen  Wurf  steigt.  Ein  später  Wurf  der 
ersten  parthenogenetischen  Generation  hat  bereits  eine  starke  sexuelle 
Tendenz,  so  daß  sogar  in  normalen  Verhältnissen  hier  bereits  Geschlechts- 
tiere auftreten  können.  Mit  der  Zahl  der  Generationen  tritt  diese  Stei- 
gerung der  Tendenz  in  immer  früheren  Würfen  auf,  so  daß  diese  Tendenz 
zur  Sexualität  also  proportional  ist  der  Zahl  der  parthenogenetischen 
Generationen  wie  der  Zahl  der  Geburten.  Die  folgende  Tabelle  über  das 
Verhalten  einer  Normalkultur  von  Simocephalus  illustriert  dies.  Die 
vertikalen  Reihen  beziehen  sich  auf  die  Zahl  der  Geburten  eines  Weib- 


376     — 

chens,  die  horizontalen  geben  die  parthenogenetischen  Generationen 
wieder,  der  Ausgangspunkt  ist  ein  Dauerei.  O  bedeutet  partheno- 
genetische   Weibchen,    O   sind  Männchen,   O    sind  Weibchen  mit   be- 


3eburten 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

Gene- 
rationen 

Dauerei 
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Fig.  147.     Darstellung  des  Zyklus  einer  Daphnie.     Nach  Papanikolau. 

fruchtungsbedürftigen  Eiern  (Ephippialweibchen),  0  sind  nicht  weiter 
auf  ihre  Geschlechtlichkeit  geprüft,  #  bedeutet  degenerierte  Tiere,  die 
stets  den  Schluß  der  Brüten  und  Zyklen  bilden.  Das  Gesagte  geht  aus 
dieser  Tabelle  ohne  weiteres  hervor  (Fig.  147). 


—     377     — 

Natürlich  folgt  aus  diesen  Befunden,  daß  die  Möglichkeit,  auf  die 
Fortpflanzungsweise  einen  Einfluß  in  der  Richtung  des  Anhaltens  der 
Parthenogenesis  auszuüben,  der  Zahl  der  Würfe  wie  Generationen  um- 
gekehrt proportional  ist.  Tiere  der  ersten  Würfe  der  ersten  Generation 
können  durch  hohe  Temperatur  oder  noch  besser  durch  reiche  Ernäh- 
rung in  unbegrenzter  parthenogenetischer  Fortpflanzung  erhalten 
werden.  Woltereck  züchtet  eine  solche  Kultur  jetzt  schon  seit  Jahren 
parthenogenetisch.  In  mittleren  Generationen  und  Brüten  fällt  „der 
Kampf"  zwischen  der  inneren  Tendenz  und  der  äußeren  Bewirkung  bald 
zugunsten  der  Sexualität,  bald  zugunsten  der  Parthenogenese  aus,  und 
in  den  letzten  Generationen  wie  Brüten  ist  es  nicht  oder  nur  in  geringem 
Maße  möglich,  die  Sexualität  aufzuhalten.  Zu  diesem  Hauptbild  kom- 
men dann  noch  eine  Anzahl  Einzelzüge  hinzu,  wie  etwa,  daß  eine  Ein- 
wirkung der  Außenfaktoren  auch  eintreten  kann,  die  sich  erst  an  der 
Enkelgeneration  äußert  (Wolterecks  Präinduktion),  Züge,  die  aber 
wohl  nichts  prinzipiell  verändern. 

Wenn  wir  versuchen,  diese  Tatsachen  für  unser  Problem  zu  ver- 
werten, so  ist  zunächst  ein  Punkt  aus  der  Diskussion  auszuschalten: 
Das  verschiedene  Verhalten  der  azyklischen,  monozyklischen,  dizykli- 
schen  Formen.  Woltereck  sagt  ganz  richtig,  daß  dies  eben  die  ver- 
schiedene ererbte  Reaktionsnorm  ist,  die  auf  dem  Vorhandensein  spezi- 
fischer Gene  beruht  und  daß  sich  darin  die  Eigenschaft  Sexualität  nicht 
anders  verhält  als  eine  andere  somatische  Eigenschaft.  Für  unsere  Frage 
ist  aber  die  folgende  Tatsache  entscheidend:  der  Mechanismus,  der 
es  bedingt,  daß  parthenogenetische  £,  befruchtungsbedürftige  £  oder  <$ 
erzeugt  werden,  ist  durch  innere  physiologische  wie  durch  äußere  Fak- 
toren beeinflußbar.  Man  kann  dies  einmal  so  deuten,  daß  hier  eine 
geschlechtliche  Tendenz  von  der  Einwirkung  getroffen  wird,  etwa 
der  Art,  daß  es  einer  Verschiebung  der  Potenz  von  Erbfaktoren 
gleichkäme,  und  das  ist  wohl  im  wesentlichen  trotz  ganz  anders- 
artiger Ausdrucksweise  Wolterecks  Auffassung.  Oder  aber  wir  sind 
überzeugt,  daß  der  Geschlechtsvererbungsmechanismus  auch  hier  in 
typischer  Weise  an  einen  Chromosomenmechanismus  gebunden  ist,  und 
dann  liegt  hier  die  experimentelle  Beeinflussung  der  übergeordneten 
Faktoren    vor,    die    den    Mechanismus     in    bestimmter    Weise    laufen 


—     378     — 

lassen.  Welcher  Art  diese  Faktoren  sind,  geht  daraus  allerdings  nicht 
hervor.  Dem  modernen  Geist  der  Forschung  entspricht  es  wohl  am 
meisten,  an  Vorgänge  chemisch-physiologischer  Natur  zu  denken,  deren 
Verknüpfung  mit  der  Änderung  morphologischer  Prozesse  so  schön 
in  Weinlands  Entdeckung  sichtbar  ist,  daß  der  Zeitpunkt  der  Insekten- 
metamorphose zusammenfällt  mit  einem  Übergang  von  einem  Am- 
moniak- zu  einem  Harnsäurestoffwechsel.  Andeutungen  in  dieser  Rich- 
tung sind  vielleicht  aus  einem  Befund  Papanikolaus  zu  entnehmen, 
daß  nämlich  die  Eier  der  Moina  annähernd  parallel  der  steigenden  Ten- 
denz zur  Sexualität  einen  Wechsel  in  der  Färbung  der  Dotterkügelchen 
durchmachen.  Auch  ist  zu  bemerken,  daß  nach  Woltereck  Infektion 
der  Daphnien  mit  Mikrosporidien,  also  eine  parasitäre  Beeinflussung  des 
Stoffwechsels,  in  bestimmter  Art  auf  die  Sexualität  wirkt  und  daß 
nach  Papanikolaus  Befunden  mit  der  Veränderung  der  Sexualität 
auch  ein  physiologischer  Charakter  der  Körperzellen,  die  Kernplasma- 
relation sich  ändert.  Doch  sind  wir  damit  zunächst  an  der  Grenze 
der  Tatsachenforschung  angelangt. 

Wir  sagten  bereits  früher,  daß  sich  im  großen  ganzen  die  Ergebnisse, 
die  über  den  Generationswechsel  der  Aphiden  und  Rädertiere  erzielt 
wurden,  in  gleicher  Richtung  bewegen;  wir  können  ihre  Besprechung 
daher  kurz  fassen.  Bei  den  Rotatorien  ist  das  klassische  Versuchs- 
objekt Hydatina  senta,  deren  Lebenszyklus  auch  aus  einem  Wechsel 
parthenogenetischer  und  befruchtungsbedürftiger  Individuen  besteht. 
Erstere  legen  Sommereier,  letztere  hartschalige  Dauereier.  Der  Unter- 
schied gegenüber  den  Daphniden  besteht  im  wesentlichen  darin,  daß 
die  befruchtungsbedürftigen  Weibchen  die  gleichen  Tiere  sind,  die  die 
Männchen  produzieren.  Ein  und  dasselbe  Weibchen  bildet  entweder 
nur  Weibcheneier  oder  »Sexualeier«.  Die  letzteren  sind  aber 
eine  Sorte  von  Eiern,  die  nach  den  übereinstimmenden  Resultaten  von 
Maupas,  Lauterborn,  Whitney,  Shull,  unbefruchtet  nur  Männ- 
chen liefern,  wenn  das  Weibchen  rechtzeitig  befruchtet  ist,  aber  Winter- 
eier ergeben,  aus  denen  dann  wieder  nur  Weibchen  schlüpfen.  Die 
beiden  Arten  von  Weibchen,  die  man  Weibchengebärer  und  Männchen- 
gebärer  nennt,  sind  also  die  parthenogenetischen  und  die  sexuellen  Tiere, 
welch  letztere  je  nach  der  Nichtbefruchtung  oder  Befruchtung  Männchen 


—     379     — 

oder  weibliche  Dauereier  liefern.  Wie  bei  der  Biene  geben  also  befruch- 
tete Eier  (von  den  befruchtungsfähigen  Q  erzeugt)  nur  Weibchen,  un- 
befruchtete bei  den  rein  parthenogenetischen  Müttern  (den  befruch- 
tungsunfähigen Weibchengebäre rn)  ebenfalls  nur  Weibchen,  bei  den 
sexuellen  Müttern  (auch  Männchengebärer  genannt)  nur  Männchen.  Die 
Frage  nach  der  Ursache  des  Übergangs  von  tier  parthenogenetischen 
zur  zweigeschlechtigen  Fortpflanzung  ist  also  hier  identisch  mit  der  Frage 
nach  dem  Auftreten  der  Männchengebärer. 

Auch  hier  stehen  sich  zwei  Anschauungen  gegenüber:  die,  daß  aus- 
schließlich innere  Ursachen,  ein  ererbter  Zyklus  maßgebend  seien  (Lau- 
terborn, Whitney),  und  die,  daß  Einwirkung  äußerer  Bedingungen 
eine  beliebige  Verschiebung  hervorruf  t  (Maupas,  Nußbaum).  Während 
Maupas  die  Temperatur  verantwortlich  macht,  läßt  Nußbaum  hin- 
gegen nur  die  Nahrungsmenge  gelten.  Jedenfalls  sind  beide  überzeugt, 
und  Maupas  vor  allem  gibt  zahlreiche  Versuche  dafür  an,  daß  man 
durch  die  Wirkung  von  Außenfaktoren  ein  und  dasselbe  Weibchen  ver- 
anlassen kann,  bald  Eier  zu  legen,  aus  denen  sich  parthenogenetische  £ , 
ausschließlich  oder  fast  ausschließlich,  entwickeln,  bald  aber  Eier,  die 
sexuelle  &>  liefern.  Im  Prinzip  zum  gleichen  Schluß  kommt  auch 
der  letzte  Untersucher  Shull,  nur  daß  er  Nahrung  und  Temperatur 
ausschließlich  als  indirekte  Faktoren  gelten  läßt,  als  direkte  dagegen 
unbekannte  im  Wasser  gelöste  Substanzen  annimmt,  die  gemeinsam 
mit  inneren  Faktoren  wirken,  sie  paralysierend  oder  mehr  oder  weniger 
beeinflussend.  Alles  in  allem  hat  es  also  den  Anschein,  als  ob  auch  hier 
bei  den  Rotatorien  unbekannte  innere  Faktoren  im  Wettstreit  mit 
äußeren  die  Zyklen  bedingen.  Mehr  anhangsweise  sei  wenigstens  kurz 
erwähnt,  daß  von  seifen  Punnetts  der  Versuch  gemacht  wurde,  die 
Grundlagen  einer  mendelistischen  Interpretation  des  Zyklus  zu  finden, 
indem  er  glaubte,  bestimmte  „Geschlechtslinien"  von  Weibchen  isolieren 
zu  können,  die  ausschließlich  eine  bestimmte  Art  von  Eiern  produzieren, 
parthenogenetisch-weibliche,  geschlechtlich-männliche  und  gemischte 
Linien.  Kein  anderer  Beobachter  konnte  aber  solches  bestätigen; 
Shull  konnte  sogar  Tiere  von  verschiedenen  Fundorten  (reine  Linien) 
von  typisch  verschiedener  Sexualität,  gemessen  nach  der  Zahl  der 
Männchengebärer  durch  äußere  Faktoren  zur  Produktion  jeder  anderen 


—     380     — 

Zahl  bringen;  es  wird  auch  dadurch  unwahrscheinlich,  daß  bei  den 
Aphiden,  deren  Zyklus  doch  wohl  im  Prinzip  ähnlich  bedingt  sein  muß, 
das  gleiche  Weibchen  die  sämtlichen  Eiarten  produzieren  kann.  Die 
Sachlage  ist  also  wohl  so,  wie  auch  die  neuen  Studien  von  Whitney 
zeigen,  daß  es  einmal  Rassen  verschiedener  Reaktionsnorm  gibt,  wie 
auch  bei  Daphniden,  daß  aber  innerhalb  einer  Rasse  die  Sexualität, 
d.  h.  also  die  übergeordneten  Faktoren  durch  Außenbedingungen  be- 
einflußt und  in  diese  oder  jene  Richtung  gelenkt  werden  können.  Trotz 
mancher  Differenzen  im  einzelnen,  die  wir  nicht  näher  betrachten  wollen, 
scheint  also  doch  das  gleiche  wie  bei  den  Daphnien  vorzuliegen. 

Was  schließlich  den  Generationswechsel  der  Aphiden  betrifft,  so 
ist  er  wohl  der  komplizierteste  von  allen,  vor  allem  auch  dadurch,  daß 
er  einer  Unzahl  von  speziellen  Modifikationen  unterworfen  ist.  Das 
prinzipielle  Problem  ist  aber  das  gleiche  wie  bei  Daphnien  und  Rota- 
torien.  Es  besteht  ein  Wechsel  zwischen  parthenogenetischen  und 
geschlechtlichen  Generationen  und  zwar  können,  wenn  die  Sexualitäts- 
periode beginnt,  entweder  ein  und  dieselben  Weibchen  parthenogene- 
tisch  Geschlechtsweibchen  und  Männchen  erzeugen,  oder  aber  es  gibt 
getrennte  Männchengebärer  und  Weibchengebärer;  das  befruchtete  Ei 
ist  wieder  das  Winterei.  Diese  einfachen  Grundzüge  des  Zyklus  werden 
nur  dadurch  kompliziert,  daß  die  parthenogenetischen  Generationen  in 
verschiedenen  typischen  Formen  auftreten,  daß  sie  verschiedene  Lebens- 
weise führen,  daß  parthenogenetische  und  Geschlechtstiere  auf  ver- 
schiedenen Futterpflanzen  leben,  Dinge,  die  biologisch  und  vor  allem 
morphogenetisch  von  der  größten  Bedeutung  sind.  Trotz  zahlreicher 
wichtiger  Studien  konnten  aber  bei  den  Aphiden  die  Ursachen  des 
Übergangs  von  parthenogenetischer  zu  geschlechtlicher  Fortpflanzung 
noch  nicht  so  klargestellt  werden,  wie  bei  den  Daphniden.  Es  steht  aber 
einmal  fest,  daß  für  die  Zyklen  ebenso  wie  dort  einmal  ein  unbekannter 
innerer  Faktor  in  Betracht  kommt.  Sodann  steht  fest,  daß  äußere  Ur- 
sachen den  Zyklus  zu  beeinflussen  vermögen  und  zwar  ist  es  wieder 
Temperatur  und  Nahrung.  Durch  hohe  Temperatur  können  manche 
Blattläuse  in  dauernder  Parthenogenese  erhalten  werden;  es  scheint, 
daß  Formen,  die  bei  typischem  Wechsel  nicht  auf  die  Futterpflanze  der 
Geschlechtsgeneration    übergehen,    letztere    auch    nicht    bilden,    ferner 


—     381     — 

scheint  es,  daß  zur  Zeit  der  Sexualitätsperiode,  also  in  späteren  partheno- 
genetischen  Generationen,  ebenso  wie  bei  den  Daphnien  der  Kampf 
zwischen  inneren  und  äußeren  Faktoren  sich  leichter  zugunsten  der 
ersteren  entscheidet.  Die  jüngsten  Untersuchungen  von  Klodnitski 
lassen  sogar  die  inneren  Ursachen  noch  mehr  in  den  Vordergrund  treten. 
Bei  vorsichtiger  Wertung  der  vorliegenden  Befunde  scheint  es  somit, 
daß  die  Ursachen,  die  den  Übergang  von  der  parthenogenetischen  zur 
zweigeschlechtigen  Fortpflanzung  bedingen,  im  wesentlichen  die  gleichen 
sein  werden  wie  bei  den  Daphniden. 

Wir  haben  bisher  öfters  von  den  äußeren  Faktoren  gesprochen,  ohne 
uns  auf  weitere  Erörterungen  über  ihr  Wesen  einzulassen.  Gerade  die 
Art  dieser  Faktoren  hat  aber  bei  der  Diskussion  des  Geschlechtsproblems 
immer  eine  große  Rolle  gespielt.  Die  einen  Autoren  suchen  stets  die 
letzten  Ursachen  in  Temperaturdifferenzen,  wie  Maupas  für  Rotatorien, 
Hertwig  für  alle  von  ihm  studierten  Objekte,  andere  Autoren  glauben 
hingegen  als  wesentlichen  Faktor  die  Ernährung,  die  Assimilations- 
energie sehen  zu  müssen,  auf  die  dann  erst  indirekt  die  Temperatur 
einwirken  kann,  wie  Woltereck  für  die  Daphniden,  Nußbaum  für 
alle  von  ihm  studierten  Objekte;  wieder  andere  endlich  sehen  die  eigent- 
liche Ursache  in  chemischen  Veränderungen  des  Mediums,  hervorgerufen 
durch  Anhäufung  von  Exkretprodukten  der  Tiere  oder  Zerfallsstoffe  der 
Nahrung,  wie  es  Langhans  für  die  Daphnien  und  Shull  für  die  Rota- 
torien will.  Es  ist  wohl  nicht  nötig,  in  diese  Diskussion  einzutreten;  es 
handelt  sich  ja  in  allen  Fällen  darum,  daß  im  Organismus  etwas  vor- 
handen ist,  das  auf  Reize  von  seiten  der  Außenfaktoren  reagiert.  Diese 
Reaktionsfähigkeit  hat  eine  ganz  bestimmte  Wirkung,  nämlich  zui 
Sexualität  hin.  Erinnern  wir  uns  nun  an  die  früher  besprochenen  Tat- 
sachen über  den  Einfluß  äußerer  Faktoren  auf  die  Färbungsvariabilität 
der  Schmetterlinge.  Auch  da  sehen  wir  eine  bestimmt  gerichtete  Varia- 
tionsmöglichkeit, z.  B.  vom  Albinismus  zum  Melanismus;  bei  Anwen- 
dung äußerer  Faktoren  zeigte  sich  aber,  daß  von  einer  gewissen  Inten- 
sität an  jede  Art  von  Reiz  die  gleiche  Reaktion  auslöste,  die  Reaktion 
war  orthogenetisch,  bestimmt  gerichtet,  nicht  spezifisch  nach  der  Reiz- 
art abgestuft.  Es  ist  sehr  wohl  möglich,  daß  hier  genau  das  gleiche  vor- 
liegt: die  verschiedensten  Arten  von  Reizen  können  genau  den  gleichen 


—     382     — 

Effekt  haben,  der  sich  in  einer  Beeinflussung  der  übergeordneten  Faktoren 
in  der  Richtung  Parthenogenese — Sexualität  bewegt,  vorausgesetzt,  daß 
sie  die  für  jede  Art  von  Bewirkung  wohl  quantitativ  verschiedene  Reiz- 
schwelle überschreiten. 

Die  Möglichkeit  eines  richtenden  Eingriffs  in  den  Geschlechtsver- 
erbungsmechanismus ist  also  in  diesen  Fällen  zweifellos  gegeben,  wenn 
sein  Erfolg  auch  mehr  oder  minder  von  einem  ererbten  Zustande  des 
Objekts,  seiner  Reaktionsnorm,  abhängig  ist.  Wenn  nun  der  Erfolg 
wirklich  erzielt  wurde,  so  ist  daraus  zu  schließen,  daß  es  im  Prinzip  auch 
im  gewöhnlichen  Falle  der  Geschlechtsvererbung  möglich  sein  muß  rich- 
tend in  den  Ablauf  des  Prozesses  einzugreifen.  Vor  allem  dann,  wenn 
das  Weibchen  heterozygot  ist,  so  daß  durch  eine  Beeinflussung  der  Eier 
die  Reifeteilung  so  gerichtet  werden  könnte,  daß  die  Eier  nur  ein  Ge- 
schlecht zu  liefern  vermöchten,  also  etwa  nur  das  männliche,  falls  stets 
das  X-Chromosom  in  den  Richtungskörper  gelangte. 

Bis  jetzt  liegen  da  aber  nur  zwei  erfolgreiche  Versuchsreihen  vor, 
die  beide  von  R.  Hertwig  und  seinen  Schülern  stammen,  v.  Malsen 
suchte  durch  Einwirkung  von  Außenfaktoren  die  Produktion  der  Weib- 
chen- und  Männcheneier  von  Dinophilus  zu  beeinflussen.  Als  solche 
dienten,  wie  bei  allen  derartigen  Versuchen,  Temperatur-  und  Nahrungs- 
differenzen, also  Faktoren,  die  den  Stoffwechsel  herabsetzen  oder  be- 
fördern. Es  zeigte  sich  in  der  Tat,  daß  die  Zahl  der  beiden  Eiarten 
in  einem  Gelege  beträchtlich  von  solchen  Faktoren  abhängt.  Während 
in  der  als  Normalkultur  betrachteten  Zucht  bei  etwa  19  °  das  Verhältnis 
der  Männcheneier  zu  den  Weibcheneiern  1  :  2,4  betrug,  stieg  es  bei 
13  °  auf  1  :  3,5  und  sank  bei  26  °  auf  1  :  1,7.  Hunger  wirkte  aber  bei 
normaler  Temperatur  genau  wie  erhöhte  Temperatur  bei  normaler  Er- 
nährung. Wie  weit  allerdings  diese  Resultate  in  unserem  Sinne  beweisend 
sind,  läßt  sich  im  Augenblick  nicht  mit  Sicherheit  sagen,  um  so  mehr  als 
auch  die  morphologischen  Grundlagen  des  Falles  neuerdings  durch 
Shearer  eine  so  eigenartige  Darstellung  erfahren  haben,  daß  eine  erneute 
Klärung  nötig  erscheint. 

Die  zweite  Versuchsreihe  arbeitet  nicht  mit  Temperatur  oder  Er- 
nährung, sondern  mit  einer  Verschiebung  eines  inneren  Gleichgewichts- 
zustandes der  Eier,  die  sich  in  ihrer  wesentlichen  Grundlage  nur  schwer 


—     383     — 

fassen  läßt.  Schon  Thury  hatte  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß 
der  Reifezustand  des  Eies  geschlechtsbestimmend  wirken  könne  und 
Pflüger  suchte  in  Experimenten  am  Froschei  den  Beweis  dafür  zu  er- 
bringen. Den  Zustand  der  Überreife  erzielte  er  dadurch,  daß  er  brünstige 
Weibchen  trennte  und  sie  so  zwang,  ihre  Eier  über  die  Normalzeit  im 
Uterus  zu  halten.  Wurden  solche  überreife  Eier  aber  befruchtet,  so 
ergaben  sie  einen  höheren  Prozentsatz  an  Männchen.  Ganz  entspre- 
chende Untersuchungen  führte  nun  R.  Hertwig,  von  bestimmten 
theoretischen  Überlegungen  über  die  zellulären  Grundlagen  der  Ge- 
schlechtsbestimmung ausgehend,  in  systematischer  Weise  aus.  Dabei 
gelang  es  ihm  in  der  Tat,  regelmäßig  bei  Befruchtung  überreifer  Eier 
einen  besonders  hohen  Prozentsatz  an  Männchen  zu  erzielen.  In  zwei 
Versuchen,  in  denen  zwischen  der  ersten  normalen  Befruchtung  und 
der  letzten  Befruchtung  künstlich  zurückgehaltener  Eier  54  bzw.  64 
Stunden  lagen,  war  das  Geschlechtsverhältnis  der  aus  ersteren  Eiern 
gezogenen  Tiere  89  $  :  99  <$,  das  aber  aus  der  Befruchtung  der  über- 
reifen Eier  24  $  :  177  <$.  Noch  eklatanter  ist  das  Resultat,  das  Ku- 
schakewitsch  bei  Wiederholung  des  gleichen  Versuchs  erhielt.  In 
einem  Experiment  war  das  Ergebnis  der  Normalkultur  53  $  :  58  <$; 
die  Eier  des  gleichen  Weibchens,  die  89  Stunden  künstlich  zurück- 
gehalten waren,  lieferten  299  $  und  gar  kein  Weibchen  (neben  einem 
bilateralen  Hermaphroditen).  Das  Ergebnis  ist  auch  dadurch  besonders 
einwandfrei,  daß  bei  den  beiden  Kulturen  die  Sterblichkeit  nur  6  bzw. 
4%  betragen  hatte.  Aus  jüngster  Zeit  stammt  ein  neuer  Versuch  R. 
Hertwigs,  der  bei  der  ersten,  normalen  Befruchtung  185  $  :  164  $ 
ergab,  während  die  letzte  Befruchtung  der  überreifen  Eier  nach  94  Stun- 
den ausschließlich  271  $  lieferte.  Hertwig  faßt  nun  in  der  Tat  auch 
diesen  Erfolg  so  auf,  daß  die  Überreife  einen  richtenden  Einfluß  auf  die 
Reifeteilungen  ausübt,  wie  wir  das  eingangs  postulierten. 

Ein  dritter  Versuch,  der  von  Russo  stammt,  wäre  besonders  bedeu- 
tungsvoll, wenn  er  sich  bestätigte,  da  hier  direkt  die  möglichen  physio- 
logisch chemischen  Grundlagen  der  progamen  Verschiebung  im  Ei 
betroffen  würden.  Er  will  durch  Verabreichung  von  Lecithin  an  Kanin- 
chen eine  besonders  reiche  Ansammlung  von  deutoplasmatischem  Ma- 
terial  im  Ei    und    darauffolgenden    Überschuß    an   Weibchengeburten 


—     384     — 

erzielt  haben.  Von  verschiedenen  Seiten  ausgeführte  Nachprüfungen 
konnten  aber  nicht  das  gleiche  Resultat  zeitigen.  Theoretisch  ist  der 
Erfolg  auch  deshalb  unwahrscheinlich,  weil  bei  den  Säugetieren  das 
weibliche  Geschlecht  das  homogametische  ist. 

Mehr  anhangsweise  seien  schließlich  noch  ein  paar  Worte  über  eine 
Frage  zugefügt,  die  zwar  nicht  mit  der  Geschlechtsvererbung  zusammen- 
hängt, aber  doch  für  das  Problem  der  Sexualität  als  solche  bedeutungs- 
voll ist,  der  Frage  der  Beziehung  von  ungeschlechtlicher  zu  geschlecht  - 
licher  Fortpflanzung;  denn  hier,  sollte  man  annehmen,  muß  sich  das 
Wesen  der  Sexualität  am  klarsten  erkennen  lassen.  Vor  allem  aber  muß 
hier  die  letzte  Wurzel  der  Gesamtfrage  am  ehesten  berührt  werden,  die 
zelluläre  Grundlage,  da  ja  eines  der  Objekte,  die  einen  derartigen  echten 
Generationswechsel  zeigen,  die  Einzelligen  sind.  Die  Infusorien  unter 
ihnen  und  der  Süßwasserpolyp  Hydra  sind  denn  auch  auf  tierischem 
Gebiet  die  Hauptobjekte  aller  Versuche,  in  den  Gegenstand  einzudringen, 
während  im  Pflanzenreich  in  erster  Linie  die  Algen  zu  nennen  sind. 
Hydra  vermehrt  sich  bekanntlich  durch  Knospen,  die,  wenn  genügend 
groß,  sich  ablösen  und  ihrerseits  neue  Individuen  durch  Knospung  bilden, 
so  daß  bei  guter  Ernährung  leicht  aus  einem  Ausgangstier  in  kurzer  Zeit 
tausende  von  Individuen  erhalten  werden  können.  Von  Zeit  zu  Zeit 
tritt  aber  eine  Geschlechtsperiode  ein,  indem  die  Tiere  Hoden  oder  Eier 
oder  beides  zur  Ausbildung  bringen.  Der  Übergang  von  der  ungeschlecht- 
lichen Fortpflanzung  zur  geschlechtlichen  muß  nun  äußere  oder  innere 
Ursachen  haben.  Sämtliche  darüber  angestellten  Untersuchungen,  vor 
allem  die  von  Nußbaum  einerseits,  R.  Hertwig  und  seinen  Schülern 
Krapfenbauer,  Frischholz,  Koch  andererseits,  führen  zum  Resultat, 
daß  äußere  Faktoren  die  Geschlechtsbildung  hervorrufen,  nämlich  nach 
Nußbaum  die  Ernährung,  nach  Hertwig  die  Temperatur.  Im  Ex- 
periment gelingt  es  durch  längere  Einwirkung  von  hoher  oder  niederer 
Temperatur  (es  verhalten  sich  darin  die  beiden  wichtigsten  Spezies  ver- 
schieden) jederzeit  die  Bildung  von  Geschlechtstieren  auszulösen, 
ebenso  durch  die  entgegengesetzte  Bewirkung  dauernde  ungeschlecht- 
liche Vermehrung  zu  erhalten.  Die  betreffenden  Tiere  aber  sind  ent- 
weder monözisch  oder  diözisch,  so  daß  stets  nur  die  eine  Art  von  Gona- 
den auftritt  oder  die  andere,  oder  beide  zugleich ;  ein  und  dasselbe  Tier 


—     385     — 

kann  bei  der  monözischen  Form  in  mehreren  Geschlechtsperioden  hinter- 
einander die  gleichen  Gonaden  ausbilden.  Es  geht  daraus  hervor,  daß 
die  Lösung  des  Problems  nicht  die  Frage  der  zweigeschlechtlichen 
Differenzierung  betrifft,  wie  die  bisher  besprochenen  Tatsachen.  Es 
liegt  vielmehr  ein  neues  Problem  vor,  die  Frage,  was  die  Bildung  von 
Geschlechtszellen  verursacht,  und  welches  die  Beziehungen  zwischen 
Wachstum  (das  ist  ja  das  Wesen  der  ungeschlechtlichen  Vermehrung) 
und  Geschlecht  sind.  Das  bedeutungsvolle  Problem  liegt  aber  mehr 
außerhalb  des  eigentlichen  Rahmens  der  Vererbungswissenschaft,  es 
gehört  der  Zellphysiologie  an.  Und  das  gilt  im  gleichen  Maße  ebenso  von 
den  Untersuchungen  an  Algen,  bei  welchen  die  für  die  Fortpflanzungspro- 
zesse als  Reiz  wirkenden  Außenfaktoren  von  Klebs  so  eingehend  ana- 
lysiert wurden,  wie  auch  von  den  Untersuchungen  über  die  Geschlechts- 
perioden der  Infusorien,  die  ebenfalls  vor  allem  von  R.  Hertwig  und 
seiner  Schule  ausgeführt  wurden.  Auch  hier  dreht  sich  die  Diskussion  in 
der  Hauptsache  um  die  Wirkung  der  inneren  Faktoren  zellphysiologischer 
Natur  oder  der  Außenfaktoren  wie  Nahrung,  Temperatur,  Exkret- 
stoffe.  Es  steht  fest,  daß  die  ungeschlechtliche  Vermehrung  der  Infu- 
sorien durch  Teilung  nach  einiger  Zeit  unter  normalen  Bedingungen 
zu  einem  Absinken  der  Teilungsfähigkeit  führt,  einer  Depression  (Cal- 
kins),  die  nach  Hertwig  durch  Veränderung  der  Kernplasmarelation 
bedingt  ist,  und  die  dann  zum  Eintritt  der  geschlechtlichen  Fortpflan- 
zung, der  Konjugation  führt.  Es  kann  diese  Depression  aber  auch  durch 
einen  inneren  Autoregulationsvorgang,  ferner  durch  Einführung  von 
Reizmitteln,  und  endlich  durch  äußerst  wechselnde  Kulturbedingungen 
überwunden  werden.  Auf  solche  Weise  erhielt  Woodruff  Paramaecien 
mehr  als  3400  Generationen  lang  über  fast  4  Jahre  hinweg  in  dauernder 
ungeschlechtlicher  Fortpflanzung.  Es  ist  klar,  daß  solche  Studien  für 
die  Erkenntnis  des  Wesens  der  Geschlechtlichkeit  überhaupt  von  größter 
Bedeutung  sind,  besonders  wenn  sie  wie  hier  das  Problem  direkt  an 
seiner  zellphysiologischen  Wurzel  anfassen.  Da  aber  auch  die  Zwei- 
geschlechtigkeit schon  hier  auf  der  niedersten  Stufe  des  Organismenreichs 
auftritt,  wird  vielleicht  auch  einmal  das  Geschlechtsbestimmungsproblem 
von  da  aus  seine  Lösung  erfahren.  Doch  dazu  liegen  bisher  nur  die 
ersten  Ansätze  vor. 

Go  ld  s  chmid  t,  Vererbungswissenschaft.    2.  Aufl.  25 


—     386     — 

Damit  können  wir  die  Betrachtung  des  Problems  der  Geschlechts- 
vererbung und  Geschlechtsbestimmung  abschließen.  Wenn  auch  noch 
vieles  zu  erforschen  ist,  so  steht  doch  wohl  jetzt  eines  fest,  daß  die  ver- 
einigten Erfolge  des  zytologischen  wie  des  experimentellen  Studiums 
die  großen  Richtlinien  zu  seiner  Lösung  festgestellt  und  die  so  ver- 
wickelte und  so  viel  diskutierte  Frage  nunmehr  zu  der  hoffnungsvoll- 
sten der  ganzen  Vererbungslehre  gemacht  haben. 


Neunzehnte  Vorlesung. 

Pfropfbastarde  und   Chimären. 

Am  Schluß  unserer  gedrängten  Übersicht  über  die  Hauptergebnisse 
der  modernen  Bastardlehre  angelangt,  bleibt  uns  noch  ein  Problem  zur 
Besprechung  übrig,  das  in  der  Neuzeit  besonders  lebhaft  diskutiert 
wurde :  die  Frage  nach  der  Möglichkeit,  auf  vegetativem  Wege  Bastarde 
zu  erzeugen.  Im  Tier-  wie  im  Pflanzenreich  gelingt  es  ja  bekanntlich, 
Teile  verschiedenartiger  Individuen  miteinander  zu  einer  Einheit  zu 
verbinden,  indem  sie  mit  künstlich  gesetzten  Wundflächen  aufeinander 
geheilt  werden.  Im  Tierreich  nennt  man  das  Verfahren  meist  Trans- 
plantation, besonders  wenn  nur  kleine  Gewebs-  oder  Organteile  des 
einen  Individuums  dem  anderen  einverleibt  werden,  im  Pflanzenreich 
ist  diese  vegetative  Vereinigung  als  Okulierung  und  Pfropfung  allgemein 
bekannt.  Die  Frage  ist  nun  die,  ob  bei  einer  derartigen  Vereinigung 
von  Individuen  verschiedener  Art  oder  Rasse  die  Gewebe  dauernd  ge- 
trennt nebeneinander  bestehen  bleiben,  ob  sie  sich  zu  einem  Bastard- 
gewebe vereinigen  können  oder  ob  vielleicht  durch  eine  der  Befruch- 
tung vergleichbare  vegetative  Zellverschmelzung  der  Ausgangspunkt  für 
eine  Bastardentwicklung  gegeben  werden  kann.  Für  das  Tierreich  können 
wir  uns  in  bezug  auf  diese  Frage  sehr  kurz  fassen:  bis  jetzt  ist  nichts 
bekannt  geworden,  was  auch  nur  entfernt  auf  eine  der  beiden  letz- 
teren Möglichkeiten  hindeuten  könnte.  Bei  Vereinigung  artfremder  Tier- 
stücke können  wohl  Doppelwesen  entstehen,  in  denen  aber  stets  die 
beiderlei  Bestandteile  deutlich  getrennt  bleiben.   Nebenstehende  Figg.  148 


387 


und  149  zeigen  solche  Doppelwesen  verschiedener  Froscharten,  in  denen 
sich  aber  die  Bestandteile,  im  Beispiel  durch  die  Pigmentierung  der  Haut, 
deutlich  abgrenzen  lassen.  Es  ist  allerdings  noch  nicht  gelungen, 
solche  Tiere  zur  Geschlechtsreife  heranzuziehen ;  auch  auf  dem  Wege  der 
Regeneration,  der  für  das  Pflanzenreich,  wie  wir  gleich  sehen  werden, 


Fig.   148. 
Künstlicher  Doppelfrosch  aus  vorn  Rana  pipiens,  hinten  R.  palustris.     Links  als  Kaul- 
quappe, rechts  als  Frosch.     Nach  Harrison. 

so  bedeutungsvolle  Ergebnisse  zeitigte,  konnte  nichts  erzielt  werden. 
Wurde  einer  der  erwähnten  sehr  jungen  Doppellarven  in  der  Art  wie  es 
umstehende  Fig.  150  zeigt,  ein  Stück  des  Muttertieres  und  des  Pfropf- 
stücks gleichzeitig  abgeschnitten,  so  regenerierte  von  der  Wundfläche  her 
ein  neuer  Schwanz.     An  dem  Regenerat  aber  beteiligten  sich  in  gleicher 

25* 


388 


Weise  die  beiderlei  Gewebe,  ohne  sich  dabei  irgendwie  zu  einer  Einheit, 
einem  Bastardgewebe  zu  vereinigen. 

Wenn  es  überhaupt  nun  möglich  sein  sollte,  auf  vegetativem  Wege  Ba- 
starde zu  erzeugen,  so  ist  es  zweifellos  weit  eher  im  Pflanzenreich  als  im 
Tierreich  zu  erwarten.  Denn  wir  werden  in  einer  der  nächsten  Vor- 
lesungen hören,  daß  bei  den  Pflanzen  der  für  das  Tierreich  so  cha- 
rakteristische Gegensatz  zwischen  Soma  und  Geschlechtszellen  nicht 
besteht,   so  daß  man  von  vornherein  die   Möglichkeit   nicht   bestreiten 

kann,  daß  zwei  vege- 
tative Gewebezellen 
sich  so  miteinander 
vereinigen,  daß  ein 
demBefruchtungspro- 
zeß  entsprechendes 
Resultat  zustande 
käme.  Wenn  dieser 
Nachweis  allerdings 
gelänge,  so  wäre  er  in 
seinen  weiteren  Fol- 
gerungen für  die  ganze 
Bef  ruchtungs-  und  Ba- 
stardierungslehre von 
elementarer  Bedeu- 
tung. Die  Idee  nun, 
daß  es  vegetativ,  also 
durch  Pfropfung  er- 
zeugte Bastarde, 
Pfropfbastarde,  geben  könne,  ist  oft  diskutiert  worden  und  sie  hat  ihren 
Ausgang  stets  von  drei  gleich  berühmten  Fällen  genommen,  die  ihre  Er- 
klärung am  besten  auf  solchem  Wege  finden  sollten.  Der  erste  ist  der  Fall 
des  Goldregens  Cytisus  Adami.  Er  entstand  im  Jahre  1825  in  Adams 
Garten  in  der  Nähe  von  Paris  und  zwar  im  Anschluß  an  eine  Pfropfung 
von  Cytisus  purpureus  auf  Cytisus  laburnum.  Seine  von  Adam  mit- 
geteilte Entstehungsgeschichte,  die  ihn  auf  die  gleiche  Stufe  wie  alle 
anderen  sogenannten  Pfropfbastarde  stellt,  wurde  vielfach  angezweifelt. 


Fig.   149. 

Zusammengesetzte  Embryonen;  vorne  Rana  sylvatica,  hinten 
R,  palustris,  in  verschiedenen  Altersstadien.  Nach  H  a  r  r  is  on. 


389     — 

Jetzt  ist  aber  nach  allem  was  wir  wissen,  kein  Grund  mehr  vorhanden 
daran  zu  zweifeln,  obwohl  der  Ursprungsbaum  verloren  gegangen 
ist.  Er  konnte  aber  seitdem  weder  neugebildet  noch  auch  auf  dem 
Wege  echter  Bastardierung  erhalten  werden.  Er  stellt  in  seinen  Charak- 
teren eine  Mischung  zwischen  den  beiden  Stammpflanzen  dar.  Häufig 
aber  erfolgt  ein  Rückschlag  auf  eine  der  beiden  Formen,  so  daß  ein  und 
derselbe  Baum  Blütentrauben  des  gelben,  des  purpurnen  Goldregens  und 
der  Mischform  tragen  kann. 

Der  zweite  vielbesprochene  Fall  ist  der  des  Crataegomespilus  von 
Bronvaux,  von  dessen  erster  Entstehung  ebenfalls  nichts  Näheres  be- 
kannt ist.  ,,In  dem  Dardarschen  Garten  zu  Bronvaux  bei  Metz  steht 
ein  etwa  ioojähriger  Mispelbaum,  dessen  Krone  auf  einen  Weißdorn- 


Fig.  150. 


A  Larve  von  Rana  sylvatica   mit   aufgepfropftem  Schwanz  von  R.  palustris.     B  Larve 
von   R.    palustris   mit    Schwanz   von   R.    sylvatica.       a — a   ist    die  Schnittlinie.      Nach 

Moreran  aus  Korscheit. 


s ' 


stamm  veredelt  worden  ist.  Unmittelbar  unter  dem  Pfröpfling,  aus 
der  Verbindungsstelle  von  Edelreis  und  Unterlage,  brachen  nun  dicht 
nebeneinander  zwei  Ästchen  hervor,  die,  wiewohl  untereinander  sehr 
verschieden,  doch  beide  Zwischenformen  der  zwei  vereinigten  Gattungen 
Crataegus  und  Mespilus  (bzw.  der  Arten  Mespilus  germanica  und  Mespilus 
monogyna)  repräsentierten.  Der  eine  Zweig  kommt  in  seinem  Habitus 
mehr  auf  die  Mispel  heraus,  der  andere  gleicht  mehr  dem  Weißdorn" 
(Noll).  Gegenüber  von  diesen  beiden  Zweigen  wuchs  dann  noch  ein 
dritter,  der  sich  zunächst  kaum  von  einem  gewöhnlichen  Weißdorn 
unterschied,  später  aber  ganz  dem  einen  Bastardzweig  ähnlich  wurde. 
Es  handelt  sich  also  um  bastardartige  Formen  verschiedener  Mischung. 
An  einem  der  Zweige  bildete  sich  dann  einmal  ein  Mispeltrieb,  dann  ein 
Trieb,  der  zur  Hälfte  reine  Mispel,  zur  Hälfte  reiner  Weißdorn  war.   Also 


390 


auch  hier  die  völligen  Rückschläge.  Dieser  Baum  existiert  noch,  seine 
Entstehungsgeschichte  ist  somit  um  vieles  klarer  als  beim  vorigen  Fall. 
Der  dritte  merkwürdige  und  zugleich  am  längsten  bekannte  Fall, 
der  eine  Entstehung  auf  dem  Wege  der  vegetativen  Bastardierung 
möglich  erscheinen  läßt,  ist  der  Fall  der  Bizzarria.  Es  sind  das  Pflanzen, 
die  in  sehr  verschiedener  Weise  die  Charaktere  mehrerer  Citrusarten 
vereinigen,  also  Pomeranze,  Zitrone,  Zedrate,  Limette.  In  ihren  Blät- 
tern zeigen  sie  teils  reine  Pomeranzen-, 
Apfelsinen  -  oder  Zedratencharaktere, 
teils  ein  Gemisch  von  ihnen.  Das  gleiche 
gilt  für  die  Blüten  und  in  der  absonder- 
lichsten Weise  für  die  Früchte.  Neben 
reinen  Pomeranzen  oder  Zedraten  trägt 
der  gleiche  Baum  Früchte,  die  aus  beiden 


W     zusammengesetzt    sind.      Einzelne    sind 


Fig.  151. 
Bizzarria   mit  abwechselnd  Zitronen- 
und  Orangencharakter   aus    Engler. 


Pomeranzen  in  Gestalt  von  Zitronen, 
andere  haben  die  Rinde  ersterer,  das 
Fruchtfleisch  letzterer.  Andere  zeigen  4 
gleichmäßige  über  Kreuz  verteilte  Por- 
tionen, von  denen  ein  Paar  orangefarbig 
ist  und  der  Pomeranze  angehört,  ein  Paar 
gelb  ist  und  eine  Zitrone  (bzw.  Zedrate) 
darstellt.  Eine  solche  Frucht  gleicht 
dann  vom  Scheitel  gesehen  „einem  bun- 
ten Kinderball"  (Strasburger),  wie 
Fig.  151  auch  zeigt.  Es  soll  aber  auch  solche  Bizzarrien  geben,  die 
aus  drei,  vier  und  fünf  Arten  zusammengesetzt  sind.  Wie  an  solchen 
Bäumen  reine  Früchte  und  Blüten  einer  Art  entstehen  können,  so  bilden 
sich  auch  etwa  Zedratenknospen  in  der  Achsel  eines  Orangeblattes  und 
umgekehrt, 

Die  Geschichte  dieser  absonderlichen  Pflanzen  ist  nun  nach  Pen  zig 
und  Strasburger  die  folgende.  Sie  entstanden  zuerst  nachweisbar  in 
Florenz  im  Jahre  1644,  obwohl  sie  vielleicht  vorher  auch  schon  ander- 
wärts entstanden  waren;  ein  Gärtner  behauptete  sie  durch  Vereinigung 
mehrerer  Knospen  erzielt  zu  haben.     Es  stellte  sich  aber  dann  heraus, 


—     391     — 

daß  sie  ganz  selbständig  entstanden  waren  und  zwar  auf  einer  Pflanze, 
die  zunächst  als  Unterlage  für  Veredelung  gedient  hatte,  deren  Edel- 


A,  B,  C  Schematische  Darstellung  verschiedener  Arten  von  Pfropfung  mit  den  zu- 
gehörigen Querschnitten  der  Pfropfungsstellen  in  der  Richtung  der  Pfeile ;  punktiert 
das  Reis,  unpunktiert  die  Unterlage,  A  Kopulation,  B  Keilpfropfung,  C  Sattelpfropfung, 
D  Chimäre;  unten  der  Tomatenmuttersproß  mit  dem  eingesetzten  Nachtschattenkeil 
(Nachtschattengewebe  punktiert).  E  Blatt  des  Nachtschattens  (Solanum  nigrum), 
G  Blatt  der  Tomate  (S.  lycopersicum),  F  Chimärenblatt.     Nach  Winkler  aus  Lang. 


reis  dann  aber  abgestorben  war,  worauf  die  Bizzarria  hervorwuchs.  Das 
deutet  also  auf  eine  pfropfhybride  Entstehung  hin.     Von  vielen  Seiten 


—     392     — 

wurde  aber  dieser  Annahme  widersprochen  und  ein  Ursprung  als  echter 
Bastard  angenommen.  Jetzt  läßt  sich,  wie  wir  bald  sehen  werden,  die 
wahrscheinliche  Erklärung  in  ganz  anderer  Weise  geben. 

Die  Frage  der  Entstehung  derartiger  Pfropfbastarde  trat  nun  in  ein 
neues  Stadium,  als  Winkler  das  Problem  experimentell  in  Angriff 
nahm  und  in  der  Tomate  Solanum  lycopersicum  und  dem  Nacht- 
schatten Solanum  nigrum  Objekte  fand,  die  bessere  Antwort  zu 
geben  geeignet  erschienen.  Er  pfropfte  mittels  Keilschnitt  einen  To- 
matenkeimling einen  Nachtschattensproß  ein  (Fig.  152)  und  schnitt 
dann,  wenn  das  Reis  der  Unterlage  aufgewachsen  war,  mitten  durch 
das  gemischte  Gewebe  durch,  so  daß  im  Querschnitt  nun  die  Gewebs- 
teile beider  Arten  frei  lagen,  und  rief  dann  aus  dieser  Wunde  Adven- 
tivsprosse hervor,  die  später  abgeschnitten,  bewurzelt  und  allein 
weitergezüchtet  wurden.  Neben  reinen  Tomaten-  und  reinen  Nacht- 
schattentrieben erhielt  er  dabei  auch  solche,  die  Gewebe  von  beiden 
Arten  enthielten,  aber  normal  gemeinsam  wuchsen  und  dann  Blätter 
bildeten,  die  zur  Hälfte  Tomatenblätter,  zur  anderen  Hälfte  Nacht- 
schattenblätter waren.  Ein  solches  Doppelwesen  wurde  Chimäre  ge- 
nannt, und  sie  erschienen  mehrfach  in  verschiedenem  Ausbildungsgrad 
(Fig.  152).  Nach  vielen  Versuchen  trat  nun  aber  auch  ein  Sproß  auf, 
der  völlig  einheitlich  erschien  und  in  seinen  Charakteren,  besonders 
der  Blattform,  deutlich  die  Mitte  zwischen  Tomate  und  Nachtschatten 
hielt:  in  diesem  Sproß,  der  als  Solanum  tubingense  weitervermehrt 
wurde,  glaubte  Winkler  den  ersten  experimentell  erzeugten  Pfropf- 
bastard erzielt  zu  haben.  Sein  Typus  geht  aus  Fig.  153,  im  Vergleich 
mit  den  Stammpflanzen,  Figg.  154,  155,  hervor.  In  weiteren  Versuchen 
traten  aber  dann  auch  andere  derartige  Formen  auf.  So  entstand  einmal 
eine  Chimäre,  die  zur  Hälfte  Nachtschatten  war,  zur  Hälfte  ein  neuer 
Pfropfbastard,  S.  proteus,  der  mehr  der  Tomate  ähnelte.  Ein  anderer, 
S.  Darwinianum,  entstand  nur  als  ein  Blatt  mit  seinem  Stengelanteil 
und  konnte  aus  seiner  Achselknospe  vermehrt  werden.  Und  in  ähn- 
licher Weise  wurden  noch  weitere  Zwischenf 01  men  gebildet,  die  sich 
bald  mehr  dem  Nachtschatten,  bald  mehr  der  Tomate  näherten,  wie 
S.  koelreuterianum  und  gaertnerianum. 

Damit  schien  die  Existenz  der  Pfropfbastarde  experimentell  erwiesen 


393 


zu  sein.  Sollte  der  Beweis  aber  jeder  Kritik  standhalten,  mußte  das 
weitere  Verhalten  dieser  Formen  natürlich  den  Anforderungen  entspre- 
chen, die  man  nach  dem  Stand 
unserer  Kenntnisse  an  einen 
Bastard  stellen  muß.  Und  da 
ergaben  sich  bald  Schwierig- 
keiten. Zunächst  treten  an 
den  Pfropf  bastar  den  vegetative 
Rückschläge  auf,  das  heißt,  es 
bildeten  sich  auf  vegetativem 
Wege  Sprossen,  die  ganz  nach 
dem  einen  der  Eltern  zurück- 
schlugen. Einen  Beweis  gegen 
die  Bastardnatur  stellen  sie 
allerdings  noch  nicht  dar,  da 
auch  sonst  an  pflanzlichen  Ba- 
starden gelegentlich  solche  ve- 
getativen Rückschläge  oder 
vegetativen  Spaltungen  vor- 
kommen. Das  Hauptinteresse 
richtet  sich  nun  aber  auf  die 
Nachkommenschaft  der  Pf  ropf  - 
bastar  de.  Wenn  sie  solche  sind, 
so  stellen  sie  natürlich  die  Fx- 
Generation  dar;  F2  muß  also 
entweder  konstant  weiter  züch- 
ten, was  bei  Artbastarden  ja 
denkbar  ist,  oder  eine  Spal- 
tung zeigen.  Winkler  fand 
aber,  daß  F2  ausschließlich  aus 
Pflanzen  der  einen  Stammart 


Fig.   i 


DJ- 


Solanum  tubingense  nach  Winkler. 


Fig.   154- 
Solanum  nigrum  nach  W  i  n  k  1  e  r. 


bestand,  und  zwar  aus  der,  der  der  betreffende  Bastard  näher  stand. 
F2  von  S.  tubingense  gab  also  ausschließlich  Nachtschattennachkommen- 
schaft, die  in  allen  weiteren  gezüchteten  Generationen  rein  blieb,  und 
das    entsprechende    traf    auch    für    die    anderen    Pfropfhybride    zu. 


394 


Nun  wäre  es  natürlich  wünschenswert,  den  Vergleich  mit  Bastarden 
anzustellen,  die  auf  dem  Wege  normaler  Kreuzbefruchtung  gewonnen 
sind.  Dies  erwies  sich  aber  als  unmöglich,  da  sich  die  beiden  verwandten 
Arten  ebensowenig  bastardieren  ließen,  wie  die  Arten,  denen  der 
früher  besprochene  Cytisus  Adami  entstammte.  Natürlich  muß  auch 
diese  Tatsache  stutzig  machen.  Und  nun  bleibt  nur  noch  eine  ent- 
scheidende Kontrolle  übrig,  die  Untersuchung  der  Zellverhältnisse.    Wir 

haben  in  der  einleiten- 
den Vorlesung  erfah- 
ren, daß  eine  jede  Tier- 
und  Pflanzenart  eine 
konstante  Chromoso- 
menzahl besitzt,  die 
vor  der  Befruchtung 
auf  die  Hälfte  redu- 
ziert wird.  Werden 
nun  Organismen  mit 
verschiedenerChrom 
somenzahlbastardiert, 
so  vereinigen  sich  die 
beiden  verschiedenen 
Halbzahlen  und  diese 
Bastardzahl  bleibt 
konstant  im  Hybriden 
erhalten.  Kreuzt  sich 
zum  Beispiel  eine  As- 
carisvarietät  mit  der 
Normalzahl  von  4  Chromosomen  (bivalens)  mit  einer  solchen  mit 
nur  2  Chromosomen  (univalens),  so  findet  man  in  den  Bastard- 
zellen 3  Chromosomen  (Boveri).  (Andersartige  Verhältnisse  bei  Art- 
bastarden, die  Federley  neuerdings  aufdeckte,  brauchen  hier  nicht 
weiter  berücksichtigt  zu  werden.)  Nun  haben  Tomate  und  Nacht- 
schatten in  der  Tat  sehr  verschiedene  Chromosomenzahlen,  nämlich 
erstere  24,  letztere  72.  Im  Bastard  sind  somit  48  zu  erwarten;  da  es  aber 
nicht  unwahrscheinlich  ist,  daß  bei  einem  vegetativ  erzeugten  Bastard 


Fig-  155-     Solanum  lycopersicum  nach  Winkler. 


—     395     — 

die  für  die  Geschlechtszellen  typische  Halbierung  der  Chromosomen- 
zahl, die  Reduktion,  nicht  stattfindet,  so  könnte  dort  auch  eine  ein- 
fache Addition  vorliegen,  es  müßten  also  96  Chromosomen  ge- 
funden werden.  An  und  für  sich  ist  eine  vegetative  Kern-  und  Zell- 
verschmelzung ja  nicht  unwahrscheinlich,  da  sie  in  beiden  Organismen- 
reichen sowohl  beobachtet  wie  experimentell  erzielt  ist.  Die  von 
Winkler  durchgeführte  Untersuchung  ergab  aber,  daß  die  Keim- 
zellen der  Pfropfbastarde  entweder  die  Nachtschattenzahl  oder  die 
Tomatenzahl  enthielten.  Und  zwar  war  es,  wie  nach  den  Resultaten 
von  F2  zu  erwarten  ist,  die  Zahl  der  Elternpflanze,  der  der  sog.  Bastard 
näher  stand  und  die  er  auch  rein  reproduzierte.  (Eine  gleich  zu  nen- 
nende Ausnahme  ist  vorhanden.)  Und  nun  bleibt  nur  noch  eine  Mög- 
lichkeit, die  Bastardnatur  der  Pflanzen  zu  erweisen.  Es  konnten  auf 
unerklärliche  Weise  vielleicht  die  Geschlechtszellen  nur  die  eine  Chromo- 
somenart erhalten;  dann  müßte  man  aber  in  den  gewöhnlichen  vegeta- 
tiven Zellen  der  Pflanzen  die  Bastardzahlen  finden.  Aber  auch  das 
war  nicht  der  Fall.  Und  damit  war  durch  Winklers  hervorragende 
Untersuchungen  selbst  die  Pfropfbastardnatur  seiner  Pflanzen  wider- 
legt worden. 

Was  sind  nun  aber  dann  diese  merkwürdigen  Gebilde?  Baur,  der 
gleichzeitig  mit  Winkler  über  den  gleichen  Gegenstand  experimen- 
tierte, vermochte  die  wahrscheinliche  Lösung  zu  geben.  Sie  ergibt  sich 
aus  seinen  interessanten  Befunden  über  Periklinalchimären.  Wir  haben 
oben  bereits  Winklers  Chimären  kennen  gelernt,  die  die  enge  Ver- 
wachsung von  Tomaten-  und  Nachtschattenteilen  zu  einer  Einheit 
darstellten.  Hier  waren  aber  die  beiden  heterogenen  Anteile  neben- 
einander angeordnet.  Unter  Periklinalchimäre  versteht  aber  Baur 
das  Durcheinanderwachsen  zweier  verschiedener  Arten  in  der  Form, 
daß  das  Gewebe  der  einen  Art  das  der  anderen  vollständig  einhüllt,  also 
gewissermaßen  das  eine  der  Hand,  das  andere  dem  Handschuh  zu  ver- 
gleichen ist.  Oder  mit  anderen  WTorten,  bei  einer  Periklinalchimäre 
steckt  ein  Blatt,  ein  Stengel,  ein  Vegetationspunkt  einer  Pflanze  in  der 
Haut  der  anderen,  wie  es  das  Schema  Fig.  156  illustriert.  Die  Peri- 
klinalchimären sind  aber  nichts  als  eine  Abart  der  gewöhnlichen  Chi- 
mären, die  die  beiden  Bestandteile  nebeneinander  zeigen.      Wenn  an 


396     — 


dem  Vegetationspunkt  einer  künstlich  erzeugten  Chimäre  die  beiderlei 
Gewebe  zusammenstoßen  und  sich  an  dieser  Stelle  ein  Blatt  bildet, 
dann  kommt  ein  solches  Nebeneinander,  eine  Sektorialchimäre,  zu- 
stande. Die  Periklinalchimären  konnte  nun  Baur  in  folgender  Weise 
herstellen.  Er  benutzte  die  allbekannten  Pelargoniu märten,  die 
in  grünen  und  weißblättrigen  Formen  vorkommen.  Letztere  können 
sich  aber  nicht  allein  ernähren  und  gedeihen  daher  nur,  wenn  man  sie 
auf    einer    grünblättrigen    Pflanze    wachsen    läßt.      Und    aus    solchen 

Doppelpflanzen  vermochte  Baur 
ähnliche  Chimären  mit  grünweißen 
Blättern  zu  erzielen,  wie  sie  Winkler 
bei  Solanum  erhalten  hatte,  also 
Sektorialchimären  mit  den  verschie- 
denen Anteilen  grüner  und  weißer 
Blätter.  Wenn  nun  an  dem  Vege- 
tationspunkt solcher  Chimären  grüne 
und  weiße  Gewebspartien  aneinander- 
stoßen, kann  es  wohl  vorkommen, 
daß  das  weiße  Gewebe  sich  außen 
ein  wenig  über  das  grüne  hinüber- 
schiebt, so  daß  an  einer  solchen  Stelle 
unter    einer   weißen   Außenlage    eine 

grüne  Innenlage   sich  findet,   wie  es 
Fi°r.    i  ?6. 
c  ,        ..    ,       ^     ,    , '  ...    ,     ,    ,       Fig.  157  darstellt.     Wächst  nun  hier 

Schematischer    Durchschnitt    durch    den         ö       u/ 

Vegetationspunkt  einer  Periklinalchimäre  ein   Blatt   aus,    SO   ist   eine    Pei'iklinal- 

aus  einer  schwarzen    und    einer    weißen         .  . 

Art.    Nach  Baur.  chimäre  entstanden  mit  außen  weißen 

Zellagen  und  innen  grünen  Schichten. 
Ein  solches  Blatt  sieht  dann  aus,  wie  es  Fig.  158  (links)  zeigt,  grün 
mit  weißem  Rand.  Würde  man  einen  Querschnitt  hindurch  legen, 
so  erhielte  man  im  Groben  das  Bild  von  Fig.  159«,  die  im  Ver- 
gleich mit  dem  normalen  Blatt  b  die  äußere  weiße  Hülle  zeigt,  und 
das  genaue  mikroskopische  Bild  von  Fig.  160 a  zeigt  dann  die  farb- 
lose äußere  Pallisadenparenchymschicht  unter  der  Epidermis,  die 
beim  gewöhnlichen  Blatt  (b)  natürlich  grün  ist.  Solche  Periklinal- 
chimären wurden  mit  nur  der  Epidermis  der  weißen  Pflanze,  mit  2,  3 


397 


und  mehr  äußeren  Zellschichten  wie  in  noch  komplizierterer  Form 
erzeugt. 

Wie  verhalten  sich  solche  Periklinalchimären  nun  zu  Winklers 
Pfropfbastarden?  Die  Beziehung  ergab  sich  Baur  vor  allem  aus  dem 
Verhalten  der  Nachkommenschaft  dieser  Pflanzen.  Es  ist  eine  Tat- 
sache, daß  die  Geschlechtszellen  der  Blütenpflanzen  aus  der  ersten  unter 
der  Hautschicht  liegenden  Zellage  des  Vegetationskegels  ihren  Ursprung 
nehmen.  Ist  diese  Schicht  bei  einer  solchen  Periklinalchimäre  der 
weißen  Pflanze  angehörig,  so  kann  von  ihr  aus  also  auch  nur  Samen 
weißer  Beschaffenheit  ge- 
bildet werden,  umgekehrt, 
wenn  diese  Schicht  grün 
ist,  nur  grüner  Samen,  und 
das  war  auch  in  der  Tat 
der  Fall.  Nun  haben  wir 
schon  die  von  Winkler 
festgestellte  Tatsache  er- 
fahren, daß  die  Nachkom- 
men seiner  Pfropfbastarde 
stets  nur  dem  einen  Elter 

entsprechen,  dem  auch  der 

Fig.  157. 

Habitus  des  Bastards  mehr    Schematischer   Durchschnitt    durch    den    Vegetations- 

glich.  Wenn  die  vermeint-  keSel  ?ine'  weißgriinen  Chimäre,  _  die  oben  links  ge- 
0  eignet  ist,  den  Ausgangspunkt  für  eine  Feriklinalcaimare 

liehen  Pfropf bastarde  aber  zu  liefern.     Nach  Baur. 

Periklinalchimären      sind, 

dann  ist  dieses  Verhalten  nicht  nur  auf  das  einfachste  erklärt,  sondern  muß 
sogar  postuliert  werden.  Der  Nachweis,  daß  diese  Annahme  richtig  ist, 
kann  nun  nach  dem  was  wir  früher  hörten,  auf  einfache  Weise  geführt 
werden:  da  die  Chromosomenzahlen  der  beiden  Stammarten  so  sehr 
verschieden  sind,  so  muß  ja  leicht  festzustellen  sein,  ob  in  den  äußeren 
Zellschichten  die  eine,  in  den  inneren  die  andere  Zahl  sich  findet.  Und 
das  ist  denn  in  der  Tat,  wie  Winkler  feststellte,  der  Fall:  Der  ver- 
meintliche Pfropfbastard  Solanum  tubingense  ist  wirklich  eine  Peri- 
klinalchimäre mit  einer  Tomatenzellschicht  außen,  die  das  innere  Nacht- 
schattengewebe umschließt. 


398 

Aber  auch  für  den  Crataegomespilus  wie  den  Cytisus  Adami  konnte 
Baur  das  gleiche  feststellen,  nachdem  schon  früher  ihre  anatomische 

Untersuchung  die  Zu- 
sammensetzung aus 
den  getrennten  Ge- 
weben der  beiden  Mut- 
terpflanzen erwiesen 
hatte.  Ersterer  ergab 
bei  der  Fortpflanzung 
reine  Crataegussäm- 
linge,  es  ist  also  zu 
erwarten,  daß  die  sup- 
epidermale  Zellschicht 
dem  Weißdorn  ange- 
hört. In  der  Tat 
zeigte  sich  bei  mikro- 

Links  Periklmalchimärenblatt  von  Pelargomum  mit  weißem 

Rand,  rechts  ein  solches,  das  zeigt,  wie  die  Haut  der  einen    skopischer       UnteiSU- 
Pflanze  für  das  übrige  Blatt^ewebe  der  anderen  zu  eng;  ist.      .  ,_..._. 

Nach  Baur.  chung,   daß    die  Epi- 

dermis eine  typische 
Mispelhaut,  das  innere  aber  Weißdorngewebe  ist.  Und  mit  dem  Cy- 
tisus Adami  ist  es  nicht  anders:  er  ist  ein  Laburnum  vulgare  mit  der 


Fig.    158. 


Fig.    159- 

Schematischer  Querschnitt  durch  den  Blattrand,  a  einer  grün-weißen  Periklinalchimäre, 

b  eines  normalen  sjrünen  Blattes  nach  Baur. 


Haut  eines  Cytisus  purpureus,  wie  schon  Macfarlane  ahnte  und  Buder 
bewies.  Der  Bizzarrien  braucht  wohl  nun  gar  keine  Erwähnung  mehr 
getan  zu  werden,  sie  erweisen  sich  ohne  weiteres  als  einfache  Sektorial- 


399 


Chimären.  Noch  fehlt  diesen  Folgerungen  ein  Schlußstein:  die  künst- 
liche Erzeugung  dieser  Chimären  auf  einem  durch  solche  Interpretation 
vorgezeichneten  Weg.  So  wenig  ihre  erste  Entstehung  bekannt  ist,  so 
wenig  ist  das  bisher  gelungen.  Doch  sprechen  nunmehr  alle  Tatsachen 
so  sehr  für  Baurs  Lösung  des  Problems,  daß  man  wohl  sagen  darf, 
daß  es  nur  eine  Frage  der  Zeit  ist,  daß  auch  jener  letzte  Stein  zugefügt 
wird. 


Fig.  160. 
Die  in  Fig.   159  eingerahmten  Stellen  stärker  vergrößert.     Nach  Baur. 

Ist  damit  die  Frage  der  Pfropfbastarde  definitiv  als  erledigt  zu  be- 
trachten? Es  wäre  sicher  voreilig,  einen  solchen  Schluß  zu  ziehen, 
wenn  er  auch  sehr  viele  Wahrscheinlichkeiten  für  sich  hat.  Winkler 
selbst  verfügt  auch  noch  über  einen  Fall,  der  durch  die  Deutung  als 
Periklinalchimäre  nicht  betroffen  wird,  sein  Solanum  Darwinianum. 
Denn  hier  fand  er  eine  Chromosomenzahl,  die  eine  Kombination  der 
Zahlen    von    Tomate    und   Nachtschatten    darstellt,    nämlich    48.      Es 


—     400     — 

bleibt  somit  abzuwarten,  wie  sich  diese  letzte  Möglichkeit  der  Existenz 
eines  Pfropfbastards  aufklärt.  Soviel  aber  kann  man  jetzt  schon  sagen, 
daß  die  Anschauung,  daß  durch  die  Erzeugung  der  vegetativen  Bastarde 
die  ganzen  Fundamente  der  Befruchtungs-  und  Vererbungslehre  er- 
schüttert werden,  zunächst  noch  nicht  als  begründet  zu  betrachten 
ist.  Dagegen  wird  diesen  Periklinalchimären,  wie  überhaupt  den  Chi- 
mären, weiterhin  eine  ganz  außerordentliche  Bedeutung  für  die  Lösung 
entwicklungsmechanischer,  morphogenetischer  und  physiologischer  Fra- 
gen zukommen. 


Zwanzigste  Vorlesung. 


Die   Sports   im   Pflanzen-   und   Tierreich.     Die  Mutationstheorie 
von  de  Vries.     Kritik  und  Aussichten. 

Die  letzten  Vorlesungen  haben  uns,  wenn  wir  sie  in  ihrer  Gesamt- 
heit betrachten,  mit  einer  sehr  wichtigen  Erkenntnis  vertraut  gemacht. 
Durch  die  Bastardanalyse  konnte  gezeigt  werden,  daß  die  verschieden- 
artigsten morphologischen  wie  physiologischen  Eigenschaften  der  Or- 
ganismen in  Form  von  festen  Einheiten  in  der  Erbmasse  repräsentiert 
sind,  die  wir,  ohne  damit  über  ihr  eigentliches  Wesen  etwas  aussagen 
zu  wollen,  als  Erbfaktoren  bezeichneten.  Diese  erschienen  als  die 
letzten  und  unteilbaren  Einheiten,  die  „units",  aus  deren  verschieden- 
artiger Kombinationsmöglichkeit  sich  die  Verschiedenheit  der  Tier- 
und  Pflanzenrassen  erklärte.  So  konnte  man  dazu  kommen,  die  Orga- 
nismen als  den  Ausdruck  der  Wirkung  eines  Mosaiks  von  Erbfaktoren 
zu  betrachten,  von  einer  Faktorentheorie  zu  sprechen.  Erinnern  wir 
uns  nun  einmal  an  die  Schlußfolgerungen,  die  wir  in  den  ersten  Vor- 
lesungen aus  den  Tatsachen  der  Variabilität  und  der  Lehre  von  den 
reinen  Linien  zogen.  Auch  da  waren  wir  auf  die  Erkenntnis  gestoßen, 
daß  das  Wesentliche  an  einem  Organismus  die  Zusammensetzung  seiner 
Erbmasse,  die  ererbte  Reaktionsnorm  oder,  wie  wir  noch  sagten,  seine 
genotypische  Konstitution,  sei  und  daß  das  letzte,  wodurch  zwei  Orga- 
nismen als  wirklich  different  unterschieden  werden  können,  das  Vor- 
handensein oder  Fehlen  eines  Gens  in  der  Erbmasse  ist.     Es  ist  klar, 


—     401 

daß  diese  beiden  auf  so  verschiedenen  Wegen  gewonnenen  Ergebnisse 
im  Grund  genau  das  gleiche  besagen.  Es  ist  nun  eine  Erkenntnis,  an 
der  heute  wohl  niemand  mehr  rütteln  wird,  daß  die  Arten  nicht  unver- 
änderlich sind,  daß  es  eine  Entwicklung  gibt.  Besteht  aber  der  ge- 
ringste erbliche  Unterschied  zwischen  zwei  Organismenformen  in  dem 
Plus  oder  Minus  einer  Erbeinheit,  eines  Erblaktors,  so  ist  die  Grund- 
frage des  Problems  der  Artbildung  die :  Wie  entstehen  neue  Erbein- 
heiten in  der  Erbmasse,  oder,  allgemeiner  gefaßt,  wie  kann  sich  der  Schatz 
an  Erbeinheiten  innerhalb  der  Erbmasse  verändern?  Die  Darwin- 
sche Antwort,  daß  sie  durch  Zuchtwahl  allmählich  herausgebildet 
werden  —  wenn  dies,  wie  meist  angenommen  wird,  wirklich  Darwins 
Anschauung  war  —  hatten  wir,  als  mit  den  Experimentaltatsachen 
unvereinbar,  aufgeben  müssen.  Entstehen  solche  Veränderungen  nicht 
allmählich,  so  müssen  sie  plötzlich  erscheinen  und  zwar  aus  Ursachen, 
die  nichts  mit  der  Selektion  zu  tun  haben:  Die  Veränderung  kann  nur 
so  vor  sich  gehen,  daß  plötzlich  und  ohne  Übergang  neue  Erbeinheiten 
in  der  Erbmasse  auftreten  oder  alte  aus  ihr  verschwinden.  Und  diese 
Annahme  ist  es,  die  sich  in  der  Neuzeit  unter  dem  Namen  der  Muta- 
tionstheorie die  biologischen  Wissenschaften  erobert  hat.  Es  ist 
klar,  daß  es  sich  hierbei  um  Dinge  von  größter  Tragweite  handelt, 
deren  genaue  Erforschung  den  wichtigsten  Grundstein  der  Abstammungs- 
lehre liefern  sollte.  Noch  ist  aber  diese  Lehre  nicht  über  das  kritische 
Stadium  hinaus  und  wir  stehen  gerade  jetzt  in  einer  Zeit,  in  der  hier 
alles  gärt.  Wir  wollen  deshalb  zunächst  das  grundlegende  Tatsachen- 
material kennen  lernen,  ohne  eine  Kritik  an  seinem  Wert  zu  üben,  und 
erst  dann  zu  sehen,  ob  es  einer  Kritik  auch  wirklich  standhalten  kann. 
Das  Beobachtungsmaterial,  von  dem  die  Mutationstheorie  ausgeht, 
ist  zum  Teil  durchaus  nicht  neu.  Es  besteht  aus  den  Beobachtungen 
der  Tier-  und  Pflanzenzüchter,  welche  zeigen,  daß  gelegentlich  in  als 
rein  betrachteten  Zuchten  einzelne  Individuen  abweichender  Beschaffen- 
heit auftreten ;  und  diese  Abweichung,  der  neue  Charakter,  ist  von  Anfang 
an  erblich.  Unter  dem  Namen  Sports  oder  Sprungvariationen 
ist  diese  Erscheinung  bekannt.  Es  ist  klar,  daß  Darwin,  der  ja  nicht 
nur  selbst  züchtete,  sondern  in  großem  Maßstabe  auch  die  Erfahrungen 
der  Züchter  sammelte  und  verwertete,  nicht  an  diesen  Tatsachen  vor- 

Golds  chmi  dt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  2" 


—     402     — 

über  ging.  Im  Gegenteil  hat  er  einen  beträchtlichen  Teil  der  verbürgten 
Fälle  zusammengetragen  und  analysiert.  Das  Hauptinteresse  kon- 
zentriert sich  nun  aber  auf  die  Frage,  welche  Bedeutung  er  den  Sprung- 
variationen, von  ihm  single  variations  genannt,  für  die  Artbildung 
zuerkannte.  Und  da  ist  es  von  höchstem  Interesse,  daß  diese  Wert- 
schätzung ursprünglich  gar  keine  geringe  war.  In  den  ersten  Ent- 
würfen zur  Abstammung  der  Arten,  die  15  und  17  Jahre  vor  deren 
Erscheinen  geschrieben  sind  und  die  vor  kurzem  wieder  entdeckt  wurden, 
finden  sich  dafür  sehr  bemerkenswerte  Belege.  So  heißt  es  an  einer 
Stelle:  „Es  ist  bekannt,  daß  solche  Sports  in  einigen  Fällen  die  Stamm- 
eltern unserer  domestizierten  Rassen  geworden  sind;  und  wahrschein- 
lich sind  ebensolche  auch  die  Stammeltern  vieler  anderer  Rassen  ge- 
worden, besonders  solcher,  die  in  gewissem  Sinne  als  erbliche  Monstra 
bezeichnet  werden  können;  z.  B.  wo  ein  überzähliges  Glied  vorhanden 
ist  oder  alle  Extremitäten  verbogen  sind  (wie  beim  Anconschaf)  oder 
wo  ein  Teil  fehlt,  wie  bei  den  kurzsteißigen  Hühnern  und  schwanz- 
losen Hunden  oder  Katzen."  .  .  .  „und  bei  vielen  unserer  domestizierten 
Rassen  wissen  wir,  daß  der  Mensch  durch  allmähliche  Zuchtwahl  und 
geschicktes  Ausnützen  plötzlicher  Sports  alte  Rassen  beträchtlich  ver- 
ändert und  neue  hervorgebracht  hat."  Vor  allem  aber  bei  Besprechung 
der  Schwierigkeit,  die  die  langsame  Entstehung  mancher  Organe  durch 
Zuchtwahl  bietet,  bekanntlich  der  Haupteinwurf,  den  später  seine 
Gegner  der  Zuchtwahllehre  machten,  und  den  die  Mutationstheorie 
ja  glücklich  überwindet:  „Wie  im  Zustand  der  Domestikation  Bau- 
veränderungen  ohne  jede  fortgesetzte  Zuchtwahl  auftreten,  die  der 
Mensch  für  sehr  nützlich  hält  oder  ihnen  Kuriositätswert  zuerkennt  .  .  ., 
so  mögen  vielleicht  in  der  Natur  manche  kleine  Veränderungen,  die 
gewissen  Zwecken  gut  angepaßt  sind,  als  ein  von  den  Fortpflanzungs- 
organen ausgehendes  Geschehen1  entstehen  und  von  Anfang  an  in 
vollem  Umfang  weiter  vererbt  werden  ohne  lang  andauernde  Zucht- 
wahl kleiner  Abweichungen  in  der  Richtung  dieser  Eigenschaft."  Wieder 
an  einer  anderen  Stelle  nimmt  er  die  Sports  für  die  Bildung  neuer  Tier- 
formen  auf  isolierten   Inseln  in  Anspruch,   kurzum  er  erkennt   ihnen 


1  Wir  würden  jetzt  sagen,  als  genotypische  Veränderung  innerhalb    der  Erbmasse 
oder  als  Mutation. 


—     403 

einen  nicht  unbeträchtlichen  Wert  für  die  Artbildung  zu.  15  Jahre 
später  ist  er  allerdings  von  solcher  Anschauung  zurückgekommen  und 
läßt  die  sprunghafte  Variation  nicht  mehr  als  für  die  Artbildung  in 
Betracht  kommend  gelten.  Und  so  kommt  es,  daß  in  der  nachdarwin- 
schen Zeit  sich  nur  vereinzelte  Stimmen  erhoben,  sie  zur  Grundlage 
des  Artbildungsproblems  zu  erheben.  Auf  zoologischer  Seite  ist  es  vor 
allem  Bateson,  der  seine  Opposition  gegen  die  allmähliche  Umwand- 
lung der  Arten  in  Darwinschem  Sinne  schon  im  Titel  seines  Buches 
„Materialien  zum  Studium  der  Variation,  speziell  im  Hinblick  auf  die 
Diskontinuität  bei  der  Entstehung  der  Arten"  zum  Ausdruck  bringt. 
Er  stellte  eine  Unmenge  von  Tatsachen  hauptsächlich  aus  dem  Ge- 
biete der  von  ihm  sogenannten  meristischen  Variation  zusammen. 
Darunter  versteht  er  vor  allem  die  Zahlenvariation  von  in  Mehrzahl 
vorhandenen  Organen,  zum  Beispiel  beim  Menschen  Sechsfingrigkeit 
gegenüber  Fünffingrigkeit.  Diese  Variabilität  ist  nun  in  allen  Fällen 
diskontinuierlich,  nicht  durch  Übergänge  mit  dem  Ausgangspunkt 
verbunden  und  diese  Variationen  erscheinen  trotzdem  ebenso  voll- 
ständig und  normal.  Daraus  muß  aber  geschlossen  werden,  daß  die 
Diskontinuität  der  Arten  auch  hervorgeht  aus  der  Diskontinuität  der 
Variation.  Allerdings  finden  die  eigentlichen  Sports  der  Züchter  bei 
Bateson  weniger  Beachtung. 

Unter  den  Botanikern  darf  Korschinsky  das  Recht  beanspruchen, 
die  meisten  Erfahrungstatsachen  gesammelt  zu  haben,  die  sich  auf 
sprungweise  Entstehung  von  Pflanzenformen  beziehen,  die  er  Hetero- 
genesis  nannte.  Er  stellte  fest,  daß  sie  nicht  gar  zu  selten  auftritt  und 
alle  möglichen  Pflanzenteile  betreffen  kann.  Auch  kann  sie  in  den  ver- 
schiedensten Richtungen  eintreten  und  ebensogut  einen  Fortschritt 
wie  einen  Rückschritt  bedeuten,  wie  indifferent  sein.  Alle  diese  hetero- 
genetischen Abweichungen,  d.  h.  Mutationen,  sind  erblich  konstant, 
wiewohl  sie  gewöhnlich  nur  in  einem  einzigen  Exemplar  entstehen. 
Die  Ursache  ihrer  Entstehung  muß  aber  in  irgendeiner  Veränderung 
der  Geschlechtsprodukte  der  Mutterpflanze  beruhen.  Auf  Grund  all 
seines  Materials  an  Beobachtungstatsachen  kommt  Korschinsky 
zum  Schluß,  daß  alle  neuen  pflanzlichen  Kulturvarietäten  (natürlich 
abgesehen  von  Bastarden),  deren  Entstehung  wirklich  beobachtet  ist, 

26* 


—     404 

auf  dem  Wege  plötzlicher  Abweichung  entstanden  sind.  Und  er  be- 
zweifelt nicht,  daß  auch  in  der  Natur  die  Arten  ebenso  durch  Sprünge 
sich  entwickelt  haben,  zieht  auch  eigens  die  Sports  auf  zoologischem 
Gebiet  zum  Beweis  an. 

Aber  auch  diese  Sammlungen  von  Tatsachenmaterial  hätten  wohl 
nicht  leicht  der  Mutationslehre  einen  berechtigten  oder  gar  bevorzugten 
Platz  neben  der  Darwinschen  Lehre  der  allmählichen  Artumwandlung 
gesichert.  Ihren  Erfolg  verdankte  sie  erst  der  planmäßigen  experi- 
mentellen Erforschung,  die  de  Vries  den  Erscheinungen  der  Mutation 
angedeihen  ließ.  Sein  an  Beobachtungen  und  Experimenten  zur  Frage 
der  Variabilität,  Selektion,  Mutation,  Bastardierung  überreiches  Werk 
bildet  zweifellos  die  Grundlage  der  modernen  Artbildungslehre.  Ehe 
wir  aber  daran  gehen,  seine  Versuche  zu  besprechen  und  die  daran 
anschließenden  Probleme  und  ihre  bisher  vorliegende  experimentelle 
Bearbeitung  zu  studieren,  wollen  wir  uns  einige  der  vor  und  nach  Dar- 
win bekannt  gewordenen  Sports  aus  dem  Tier-  wie  Pflanzenreich  be- 
trachten, um  zu  sehen,  nach  welchen  Seiten  derartige  Sprünge  erfolgen 
und  wie  weit  sie  vom  Normalen  wegführen  können,  und  beginnen  im 
Anschluß  an  Korschinsky  mit  einigen  Fällen  aus  dem  Pflanzenreich. 
Wir  zitieren  dabei  zunächst  kritiklos  und  werden  erst  später  in  eine 
kritische  Würdigung  der  vorgeführten  Angaben   eintreten. 

Eine  gewisse  Berühmtheit  hat  die  Entstehung  der  Form  Cheli- 
donium  laciniatum,  bei  dem  die  Blätter  tief  fiederteilig  sind  (Fig.161), 
aus  dem  gewöhnlichen  Schöllkraut  Chelidonium  majus  erlangt. 
Sie  erschien  plötzlich  unter  den  gewöhnlichen  Pflanzen  im  Jahre  1590 
im  Garten  des  Apotheker  Sprenger  in  Heidelberg.  Er  sandte  ihre 
Samen  an  alle  bekannten  Botaniker  seiner  Zeit,  wie  Caspar  Bauhin, 
die  alle  daraus  die  laciniatum-Form  erzogen,  die  sich  immer  als  konstant 
und  samenbeständig  erwies.  Sie  breitete  sich,  ohne  je  etwa  wildwach- 
send gefunden  worden  zu  sein,  im  Laufe  von  150  Jahren  in  den  bo- 
tanischen Gärten  aus  und  verwilderte  auch  von  hier  aus.  Sie  verhält 
sich  auch  jetzt  noch  völlig  wie  eine  gute  Art.  „Und  doch  ist  das  erste 
Exemplar  derselben  aus  dem  Samen  einer  anderen  Art  ausgewachsen 
und  die  neue  Art  entstand  aus  einer  anderen  mit  einem  Schlage,  mit 
konstanten  Merkmalen  und  fester  Vererbungskraft;  sie  entstand  voll- 


405 

kommen    ausgebildet   und   abgeschlossen   wie    Pallas  Athene   in    voller 
Rüstung  aus  dem  Haupte  Zeus  hervorgegangen  ist." 

Diesem  Fall  des  Schöllkrautes  läßt  sich  am  besten  das  Verhalten 
mancher  Farne  wie  Scolopendrium  vulgare  zur  Seite  stellen.  Hier 
finden  sich  eine  ganz  außerordentliche  Zahl  von  Variationen  der  Blatt- 
spreite vor  (Fig.  162),  welche  innerhalb  der  Art  Hunderte  von  Formen 
unterscheiden  lassen,  die  besonders  aus  England  bekannt  sind.     Eine 


A  B 

Fig.    161. 

Chelidonium  majus  [A)  und  seine  Mutation  Ch.  laciniatum  [B).     Nach  de  Vries. 


jede  vererbt  aber  diese  Eigenschaften.  Wenn,  was  häufig  vorkommt, 
ein  und  dasselbe  Blatt  aus  ungleich  geformten  Teilen  besteht,  vererbt 
jeder  Teil  durch  die  an  ihm  gebildeten  Sporen  seine  Eigentümlichkeit. 
(Aus  den  ungeschlechtlich  erzeugten  Sporen  gehen  die  Farne  ja  erst 
wieder  durch  Vermittlung  einer  Geschlechtsgeneration  hervor,  so  daß 
auch  mittels  der  Sporen  indirekt  eine  reine  geschlechtliche  Vermehrung 
statthat.)  Die  einzelnen  Blattvariationen  stellen  also  ebensoviele  sprung- 
weise entstandene  Elementararten  dar. 


406 


Bemerkenswert  ist  auch  der  Fall  der  italienischen  Pappel,  deren 
erstes  Entstehen  auf  dem  Wege  einer  Sprungvariation  von  der  Schwarz- 
pappel aus  höchst  wahrscheinlich,  wenn  auch  nicht  erwiesen  ist.  Sie 
wird  von  jeher  in  Italien  kultiviert  und  wurde  von  da  aus  überall  hin 


r 


\ 


•:  ) 


VARIATION     IN     HART'S     TONGUE    FERN 


Fig.    162. 

Blattmutationen  des  Farns  Scolopendrium  vulgare.     1   die  typische  Form.    Nach  Lowe 

aus  Thomson. 

geführt.  Es  ist  aber  bisher  nicht  gelungen,  irgendwo  ihre  Heimat  zu 
entdecken,  und  da  sie  ausschließlich  im  männlichen  Geschlecht  vor- 
kommt und  auf  ungeschlechtlichem  Wege  weiter  vermehrt  wird,  so 
muß  man  annehmen,  daß  sie  einmal  als  Mutation  in  einem  einzigen 
männlichen  Exemplar  entstand.     Es  ist  ja  überhaupt  besonders  häufig 


—     407 

der  Fall,  daß  die  Sprungvarietäten  in  nur  einem  Exemplar  auftreten 
(single  variations!). 

Am  besten  bekannt  sind  natürlich  die  Fälle,  in  denen  es  sich  um 
Kulturpflanzen  handelt;  ist  es  doch  wahrscheinlich,  daß  die  unend- 
liche Fülle  der  Gartenvarietäten,  abgesehen  von  der  Bastardierung, 
ausschließlich  so  entstanden  sind.  Nicht  immer  liegen  aber  zuverlässige 
Angaben  über  das  erste  Auftreten  einer  Varietät  vor.  Da  aber,  wo  es 
bekannt  ist,  zeigt  sich,  daß  alle  Teile  der  Pflanze  in  den  verschiedensten 
Richtungen  an  der  Mutation  teilnehmen  können.  So  kann  die  Ver- 
änderung sich  z.  B.  auf  den  ganzen  Wuchs  und  Habitus  beziehen.  Es 
gab  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  die  gewöhnliche  Zypresse, 
die  ja  pyramidenförmigen  Wuchs  hat,  einer  Varietät  den  Ursprung, 
der  var.  cereiformis,  deren  Stamm  nur  von  kleinen,  nach  oben  gerich- 
teten Zweigen  bedeckt  ist,  so  daß  der  Baum  den  Habitus  einer  sich 
nach  oben  verjüngenden  Säule  erhält,  deren  Durchmesser  bei  einem 
Exemplar  von  12  m  Höhe  nur  60  cm  beträgt.  Aus  ihren  Samen  ent- 
stand nur  die  gleiche  Form.  In  anderen  Fällen  bezieht  sich  die  Ver- 
änderung auf  die  Bätter;  für  ihre  Gestaltsveränderung  haben  wir  schon 
ein  Beispiel  angeführt,  ein  anderes  beziehe  sich  auf  die  Blattfarbe. 
Besonders  die  sogenannten  Blutbäume,  wie  die  BJutbucbe,  gehören 
hierher.  Wenn  auch  für  diese  gerade  der  Ort  ihres  unvermittelten 
Auftretens  bekannt  ist,  so  wurde  der  betreffende  einzelne  Baum  doch 
nur  als  anwesend  festgestellt,  nicht  aber  in  seiner  Entstehung  beob- 
achtet. Für  die  entsprechende  Form  der  Berberize,  Berberis  vulgaris 
var.  atropurpurea  ist  aber  auch  dieses  der  Fall;  sie  entstand  im  Anfang 
des  vorigen  Jahrhunderts  in  Versailles  unter  den  Sämlingen  der  ge- 
wöhnlichen Berberize  und  gab  seitdem  reine  blutblättrige  Nachkommen- 
schaft. 

Am  meisten  Beachtung  haben  natürlich  die  Sprungvariationen  in 
Form  und  Farbe  der  Blüten  gefunden,  und  es  gibt  unter  den  Garten- 
varietäten eine  beträchtliche  Zahl,  deren  Herkunft  bekannt  ist.  Um 
nur  einen  der  vielen  Fälle  der  gefüllten  Blumen  zu  erwähnen,  so  be- 
obachtete Lambotte  in  Paris  im  Jahre  1853  die  Entstehung  gefüllter 
Petunien.  Unter  einer  gewöhnlichen  Aussaat  fand  er  ein  Exemplar 
mit  besonders  großen  Blüten,  deren  Staubfäden  zur  Hälfte  in  Krön- 


408 

blätter  verwandelt  waren  und  die  sich  auch  durch  andere  Färbung  aus- 
zeichneten. Durch  Benutzung  ihres  Pollens  zur  Weiterzucht  konnte 
er  dann  eine  gefüllte  Rasse  isolieren.  Übrigens  spielte  auch  in  de  Vries 
bald  zu  besprechenden  Versuchen  die  Erzeugung  eines  gefüllten  Chry- 
santhemum segetum  eine  Rolle.  Endlich  noch  ein  Beispiel  über  eine 
Mutation  am  Samen.  Godron  fand  1860  unter  einer  Stechapfelaus- 
saat gleicher  Herkunft  ein  Exemplar  mit  einer  stachellosen  Samen- 
kapsel und  bei  Weiterzucht  erhielt  sich  das  Merkmal  in  13  kontrol- 
lierten Generationen  konstant.  Diese  Beispiele  mögen  genügen,  den 
Satz  Korschinskys  zu  illustrieren,  daß  es  den  Gärtnern  so  selbst- 
verständlich ist,  daß  ihre  Varietäten  auf  diesem  Wege  der  Mutation 
entstehen,  daß  sie  es  gar  nicht  weiter  erwähnenswert  halten.  Es  stimmt 
damit  ja  auch  überein,  daß  die  neuesten  Formen  am  ehesten  in  großen 
Züchtereien  gefunden  werden,  die  mit  großen  Massen  arbeiten.  Und 
um  mit  den  pflanzlichen  Sports  abzuschließen,  braucht  wohl  nicht  be- 
sonders hervorgehoben  zu  werden,  daß,  seitdem  man  im  Gefolge  von 
de  Vries'  Mutationstheorie  besonders  darauf  achtet,  zahlreiche  weitere 
Beobachtungen  bekannt  wurden;  so  berichtet  de  Vries  selbst  über 
die  Mutationen,  die  bei  dem  berühmten  kalifornischen  Züchter  Bur- 
bank  entstanden,  und  die  Svalöfer  Botaniker  beobachteten  Mutationen 
in  ihren  Getreidelinien  ebenso  wie  Johannsen  bei  seinen  reinen  Linien 
der  Bohnen. 

Werfen  wir  nun  auch  einen  Blick  auf  einige  solche  Sports  im  Tier- 
reich, die  als  Beobachtungstatsachen  festgestellt  wurden.  Wir  werden 
da  allerdings  von  vornherein  nicht  erwarten  dürfen,  allzuviel  Material 
vorzufinden;  denn  Beobachtungen  an  nicht  domestizierten  Tieren  sind 
natürlich  noch  viel  schwieriger  und  unzuverlässiger  als  bei  wilden  Pflan- 
zen. Die  domestizierten  Tiere  sind  aber  an  Zahl  der  Arten  den  domesti- 
zierten Pflanzen  beträchtlich  unterlegen,  sind  es  doch  weniger  als  hundert, 
während  allein  ein  einziger  großer  Pflanzenzüchter  wie  Luther  Bur- 
bank  2500  Arten  kultivierte,  gar  nicht  zu  reden  von  der  gar  nicht  in 
Vergleich  zu  setzenden  Individuenzahl.  Mit  der  Anwendung  indirekter 
Schlüsse  muß  man  aber  im  Tierreich  noch  vorsichtiger  sein  wie  im 
Pflanzenreich,  da  z.  B.  das  Erscheinen  einer  vorher  unbekannten  Form 
von  einem  gewissen  Zeitpunkt  ab  nur  bei  wirklich  in  Massen  unter- 


—     409     — 

suchten  Formen  ihr  vorheriges  Nichtvorhandensein  sicher  erscheinen 
läßt.  Natürlich  dürfen  wir  auch  hier  nur  dann  von  einer  Mutation 
reden,  wenn  ihre  Erblichkeit  festgestellt  ist.  Sicher  wäre  manche  Mu- 
tation mehr  z.  B.  aus  dem  so  fleißig  studierten  Reich  der  Insekten 
bekannt,  wenn  nicht  der  Züchter  hier  meist  auch  Sammler  wäre,  der 
eine  unvermutet  auftretende  „Aberration"  sofort,  ehe  sie  sich  fort- 
gepflanzt hat,  in  seine  Sammlung  steckt,  damit  das  kostbare  Exemplar 
sich  nicht  bei  der  Kopula  verletzt.  So  ist  ein  interessanter  mehrfach 
beobachteter  Fall  das  Fehlen  der  „Augen"  bei  Schmetterlingen  mit 
charakteristischen  Augenflecken  wie  dem  Tagpfauenauge,  deren  künst- 
liche Erzeugung  im  Temperaturexperiment  wir  schon  kennen  lernten. 
So  lange  aber  die  Erblichkeit  nicht  festgestellt  ist,  kann  es  ebensogut 
auch  eine  extreme  Variation  oder  ein  embryonaler  Defekt  sein.  Das- 
selbe gilt  von  der  merkwürdigen  Aberration  ab.  Daubi  des  mittleren 
Weinschwärmers  Chaerocampa  elpenor,  die  Herr  Schmidt  in 
Fürth  im  Jahre  1908  aus  einer  normalen  Zucht  in  2  Exemplaren  erhielt, 
und  solcher  Fälle  ließen  sich  genügend  aufzählen.  Aber  gerade  aus 
dem  Reich  der  Schmetterlinge  können  wir  auch  eine  Form  nennen,  die 
zuverlässig  in  neuerer  Zeit  in  freier  Natur  als  Mutation  entstanden  ist, 
zuverlässig,  obwohl  ihr  erstes  Auftreten  unbekannt  ist,  da  sie  noch  jetzt 
im  Zuchtexperiment  sich  neu  bildet.  Von  Norden  her  vordringend 
breitet  sich  in  Deutschland  die  schwarze  Aberration  der  Nonne  aus, 
die  früher  gänzlich  unbekannt  war.  'Wenn  auch  ihr  erstes  Auftreten 
sich  nicht  genau  feststellen  läßt,  so  erweist  sie  sich  trotzdem  dadurch 
mit  Sicherheit  als  Mutation,  daß  sie  auch  in  Zuchten  mit  rein  weißen 
Faltern  öfters  in  einzelnen  Exemplaren  auftritt  und  zwar  gelegentlich 
in  recht  charakteristischer  Weise,  worüber  aber  hier  nicht  näher  be- 
richtet werden  kann.  Dasselbe  gilt  von  der  schwarzen  Varietät  double- 
dayaria  des  Birkenspanners  Amphidasys  betularius,  den  Standfuss 
ebenfalls  als  Mutanten  entstehen  sah,  von  der  Cymatophora  or  albin- 
gensis,  deren  Auftreten  in  Hamburg  genau  registriert  werden  konnte, 
wie  noch  von  anderen  Melanismen.  Auch  albinistische  Mutanten  sind 
in  den  verschiedensten  Teilen  des  Tierreichs,  bei  Insekten,  Vögeln, 
Säugetieren,  nicht  selten. 

Von  in  neuerer  Zeit  aus  freier  Natur  festgestellten  Mutanten  seien 


410 


nur  noch  die  Mutationen  des  schon  so  oft  erwähnten  Koloradokäfers 
aufgeführt,  weil  sie  uns  später  noch  des  näheren  beschäftigen  werden, 
da  auch  ihre  Erzeugung  im  Experiment  geglückt  ist.  So  zeigt  neben- 
stehende Fig.  163  in  d  die  Form  Leptinotarsa  decemlineata,  und  in 
/  und  e  die  aus  ihr  entstehenden  Mutanten  defectopunctata  und  tor- 
tuosa,    besonders    letztere    charakteristisch    durch    die    Verschmelzung 


/ 


Fig.   163. 


Mutationen    beim  Koloradokäfer,      a   L.  undecimlineata,    b   ihr   Mutant  angustovittata, 

c  der  Mutant  melanothorax  von  L.  multitaeniata,  d  L.  decemlineata  mit   ihren  Mutanten 

e  tortuosa  und  f  defectopunctata  nach  Tower. 


der  Längsstreifung  auf  den  Flügeldecken,  a  aber  zeigt  die  Art  L.  un- 
decimlineata mit  ihrem  gänzlich  abweichenden  Mutant  angustovittata  (b). 
Es  braucht  wohl  nicht  besonders  bemerkt   zu  werden,   daß  all  diese 


Mutationen  völlig  erblich  konstant  sind. 


Die  altbekannten  Fälle  beziehen  sich  im  Tiei  reich  aber  auch  ähnlich 
wie  im  Pflanzenreich  auf  die  Kulturformen,  von  denen  mancherlei  Sports 
im  Lauf  der  Zeit  registriert  sind;  eine  ganze  Reihe  von  ihnen  hat  ja  bereits 
Darwin  aufgezählt  und  ihnen  dadurch  eine  gewisse  Berühmtheit  ge- 


411 


sichert.  Einer  der  bekanntesten  ist  das  Ancon-  oder  Otterschaf.  Im 
Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  fiel  in  Nordamerika  in  einer  kleinen 
Schafherde,  bestehend  aus  einem  Bock  und  einem  Dutzend  Lämmern 
unter  lauter  normalen  Tieren  ein  männliches  Lamm,  das  durch  seinen 
langen  Rücken  und  seine  krummen  Beine  an  einen  Dachshund  erinnerte. 
Da  die  dort  gezüchteten  Schafe  gern  ihre  Hürden  übersprangen,  brachte 
der  Farmer  Seth  Wright  diesen  Bock  zur  Fortpflanzung  in  der  Hoff- 
nung, daraus  eine  Rasse  zu  ziehen,  der  jener  Fehler  nicht    anhaftete. 


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Fig.   164.     Huf  des  Einhuferschweins  von  hinten. 
Nach  v.  Dabrowa. 


Fig.  165.  Fußskelett  des  ge- 
wöhnlichen links)  und  Einhufer  - 
schweins.    Nach   v.  Dabrowa. 


In  der  Tat  waren  die  Nachkommen,  die  der  Anconbock  mit  einem  ge- 
wöhnlichen Schaf  erzeugte,  entweder  reine  Anconschafe  oder  solche 
der  Ausgangsrasse,  so  daß  eine  reine  Anconrasse  erhalten  werden  konnte, 
die  sich  auch  so  lange  praktisch  bewährte,  bis  ihre  Zucht  durch  Ein- 
führung der  sanftmütigen  Merinos  überflüssig  wurde. 

Als  ein  sehr  charakteristischer,  zu  verschiedenen  Zeiten  aufge- 
tretener Sport,  seien  sodann  die  einhufigen  Schweine  genannt, 
deren  Existenz  nach  Darwin  schon  seit  Aristoteles  bekannt  ist, 
und  die  seiner  Ansicht  nach  öfters  entstanden  sind.  Sie  zeichnen  sich 
dadurch  aus,  daß  die  beiden  Zehen  distal  verwachsen  sind,  wie  Fig.  164 


412 


im  ganzen,   Fig.  165   im  Skelett,    verglichen   mit   dem  normalen   Fuß, 
zeigt,    so   daß   eins   der   grundlegenden    systematischen   Merkmale    der 

ganzen  Ordnung,  die  Paarhuf  ig  keit,  wenn 
auch  nicht  aufgehoben  (dazu  müßte  eine 
Zehe  aasfallen),  so  doch  verschleiert  ist. 
Eine  Zeitlang  wurden  solche  Einhufer- 
sauen lebhaft  gezüchtet,  als  vor  Ein- 
führung der  Eisenbahnen  große  Herden 
weit  weggetrieben  wurden  und  sich  dabei 
die  Einhufer  als  bessere  Wanderer  er- 
wiesen. Sie  sollen  außerdem  auch  nicht 
unter  der  Klauenseuche  leiden.  Später 
gingen  die  Zuchten  wieder  ein.  Gelegent- 
lich tritt  aber  der  gleiche  Sport  wieder 
auf  ■ —  wie  dies  auch  von  anderen  Sprung- 
variationen des  Tier-  und  Pflanzenreichs 
bekannt  ist  —  und  einen  solchen  fand 
im  Jahre  1888  der  Züchter  v.  Dunin - 
Kozicky  auf.  Erließ  die  Sau  von  einem 
Yorkshire-Eber  bespringen  und  erhielt  zu 
je  einer  Hälfte  Nachkommenschaft  genau 
nach  den  Eltern.  Die  Einhufer  vererbten 
ihren  Charakter  aber  rein  weiter. 

Noch  bekannter  ist  vielleicht  der  Fall 
der  Mauchampschafe.  Der  Züchter  Graux 
auf  dem  Gut  Mauchamp  fand  im  Jahre  1828 
in  einer  Merinoherde  ein  Bocklamm,  das 
sich  von  allen  anderen  Tieren  unterschied. 
Während  die  gewöhnliche  Merinowolle, 
wie  nebenstehende  Figur  167  zeigt,  ganz 
fein  gekräuselt  oder  eingekerbt  ist,  war  die 
Wolle  dieses  Schafes  sehr  lang,  sanft  wellig 
und  von  charakteristischem  Seidenglanz 
(Fig.  166).  Bei  Paarung  mit  einem  ge- 
Merinowolle  nach  Settegast.      wohnlichen     Merinoschaf     vererbte     sich 


Fig. 


166. 


Mauchampwolle   nach   Settegast. 


—     413     — 

diese  Eigentümlichkeit  und  blieb  bei  Reinzucht  seitdem  völlig  kon- 
stant, so  daß  eine  besondere  Rasse,  die  Mauchampschafe,  erhalten 
wurde,   die   lange    weiter    kultiviert   wurden  und  auch   durch   Bastar- 


^ 


Fig.   16S.     Merinoschaf.     Nach  Settegast. 


dierung  Verbesserungen  erfuhren.  Fig.  168  und  169  zeigen  die  beiden 
Rassen.  Gerade  dieser  berühmte  Fall  ist  aber  geeignet,  zu  zeigen, 
wie  vorsichtig  man  bei  Verwendung  von  Angaben  aus  der  Tierzüchtung 


Fig.  169.     Mauchampschaf.     Nach  Settegast. 

sein  muß.  Es  scheint  nämlich  jetzt  erwiesen  zu  sein,  daß  dem  Erscheinen 
des  Mauchampschaf  s  eine  Bastardierung  vorausging.  (Draeger, 
Nathusius.)     Die    scheinbare    Mutation   wäre    somit   eine    Faktoren- 


—     414     — 

kombination  oder  auch  Faktoreninterferenz  nach  Bastardierung!  Wie 
viele  der  Sports  aus  Tier-  und  Pflanzenzucht  mögen  auf  gleichem  Niveau 
stehen!  Hornlosigkeit  und  Vierhörnigkeit  bei  Rindern  und  Ziegen 
sind  solche  Sports  und  noch  so  manche  andere. 

Um  auch  noch  einen  Fall  aus  einer  ganz  anderen  Tiergruppe  zu 
erwähnen,  sei  auf  den  schwarzschulterigen  Pfau  hingewiesen,  der  durch 
Darwins  Mitteilungen  berühmt  wurde.  Diese  Vögel  unterscheiden 
sich  von  dem  gemeinen  Pfau  in  der  Färbung  ihrer  Schwungfedern 
zweiter  Reihe,  Schulterdeckfedern,  Flügeldeckfedern  und  Schenkel. 
Darwin  kennt  6  Fälle,  in  denen  sie  sich  plötzlich  in  Herden  gewöhn- 
licher Pfauen  zeigten  und  sich  dann  als  erblich  konstant  erwiesen 
und  bemerkt  dazu:  „Bessere  Zeugnisse  für  das  erste  Auftreten  einer 
neuen  Varietät  lassen  sich  kaum  beibringen".  Und  zum  Schluß  nun 
noch  einen  Fall  der  Neuzeit,  der  sich  im  Gegensatz  zu  den  bisherigen 
morphologischen  Befunden  auch  auf  einen  physiologischen  Charakter 
bezieht:  Arenander  berichtete  vor  kurzem  das  Auftreten  einer  Kuh, 
die  nur  ein  Minimum  an  magerer  Milch  lieferte,  in  einem  schwedi- 
schen Schlag,  der  sich  durch  reichliche,  fette  Milch  auszeichnet. 
Diese  physiologische  Eigentümlichkeit,  die  ihr  Entdecker  selbst  als 
Mutation  betrachtet,  erwies  sich  aber  als  völlig  erblich. 

In  der  Neuzeit  hat  man  vielfach  auch  den  Begriff  der  Mutation 
auf  niedere  einzellige  Organismen,  besonders  Bakterien  und  Pilze,  an- 
gewandt. Da  es  sich  hier  um  „experimentell  erzeugte"  Mutationen 
handelt,  so  werden  wir  später  nochmals  auf  sie  zurückzukommen  haben. 
Hier  sei  nur  bemerkt,  daß  man  zunächst  diesen  Dingen  mit  Vorsicht 
gegenüber  treten  muß,  da  es  sich  bei  der  Vererbung  der  betreffenden 
Veränderungen  ja  nur  um  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  handelt. 

Wir  wollen  diesen  Abschnitt  aber  nicht  beschließen  ohne  wenigstens 
mit  einem  Wort  auf  die  berühmten  Knospenvariationen  im  Pflanzen- 
reich hingewiesen  zu  haben.  Die  Erscheinung,  besser  als  Knospen- 
mutation oder  vegetative  Mutation  (Johanns en)  bezeichnet,  ist  ja 
bekanntlich  bereits  von  Darwin  ausführlich  in  ihrer  Bedeutung  ge- 
würdigt worden.  Sie  besteht  darin,  daß  unvermittelt  an  einem  vege- 
tativen Pflanzenteil  eine  weitgehende  Abänderung  eintritt,  die  sich 
nun  gleich  als  erblich  erweist.      Das  bekannte  Beispiel  Darwins  ist 


—     415     — 

das  plötzliche  Auftreten  von  Nektarinen  an  Pfirsichbäumen,  aus  deren 
Kernen  sich  nur  wieder  Nektarinen  entwickeln.  Wenn  man  von  den 
Fällen  absieht,  in  denen  solche  Erscheinungen  auf  vorhergegangener 
Bastardierung  beruhen  und  in  das  Gebiet  dessen  gehören,  was  wir 
früher  als  Mosaikbastarde  kennen  lernten,  handelt  es  sich  in  den  zahl- 
losen verbürgten  Fällen  wohl  meist  um  Sports,  die  eben  nur  vegeta- 
tiver Natur  sind.  Im  Tierreich  ist,  auch  bei  koloniebildenden,  knospen- 
den Tieren  nichts  Entsprechendes  mit  Sicherheit  bekannt,  vielleicht 
auch  unmöglich,  da,  wie  wir  später  sehen  werden,  sich  ein  prinzipieller 
Unterschied  zwischen  Tier-  und  Pflanzenreich  in  bezug  auf  das  Ver- 
hältnis von  Körper-  und  Geschlechtszellen  findet. 

Diese  Beispiele  mehr  oder  minder  sicherer  Mutationen  mögen  ge- 
nügen. Überblickt  man  sie  insgesamt  und  sieht  von  den  zweifelhaften 
Fällen  ab,  so  ist  die  Ausbeute  keine  allzu  große.  Weitaus  am  häufig- 
sten sind  Fälle,  die  man  in  das  Gebiet  der  pathologischen  Bildungen 
rechnen  muß:  Dackelbeinigkeit,  Kurzsteißigkeit,  Polydactylie,  Riesen- 
oder Zwergwuchs  und  so  vieles  andere,  was  Darwin  später  bestimmte, 
geradezu  das  Pathologische  als  das  Charakteristikum  der  Sports  zu 
betrachten.  Das,  was  aber  nicht  als  pathologisch  betrachtet  werden 
kann,  bewegt  sich  doch  auffallenderweise  besonders  gern  in  einigen 
wenigen  bestimmten  Bahnen:  Albinismus  und  Melanismus  bei  Tieren, 
zerschlissene  Blätter,  Blutfarbe,  gefüllte  Blüten  bei  Pflanzen,  alles 
Dinge,  denen  man  nicht  gut  eine  Bedeutung  für  die  Artbildung  zuer- 
kennen kann.  So  wären  diese  Erscheinungen  wohl  auch  weiterhin  gering 
geschätzt  worden,  wenn  nicht  de  Vries  in  seiner  Mutationstheorie 
dem  ganzen  Problem  eine  neue  Wendung  gegeben  hätte. 

Der  ausgezeichnete  holländische  Botaniker  Hugo  de  Vries  fand 
auf  der  Suche  nach  Arten,  die  sich  zur  experimentellen  Erforschung 
der  Artumwandlung  geeignet  erwiesen,  auf  einem  verlassenen  Kar- 
toffelacker in  der  Nähe  von  Hilversum  eine  Menge  Individuen  der 
Nachtkerze  Oenothera  Lamarckiana,  einer  aus  Amerika  einge- 
führten Pflanze,  die  hier  aus  benachbarten  Anlagen  verwildert  war. 
Es  fiel  ihm  nun  auf,  daß  die  Pflanzen  eine  besonders  starke  fluktu- 
ierende Variabilität,  ferner  eine  große  Neigung  zu  gewissen  Abnormi- 
täten, wie  Bänderung,  zeigten.    Im  nächsten  Jahre  1887  fand  er  nun 


416 


unter  den  gewöhnlichen  Formen  zwei  kleine  Gruppen  von  Individuen, 
wahrscheinlich  aus  dem  Samen  einer  Mutterpflanze  hervorgegangen, 
die  sich  als  selbständige  elementare  Arten  erwiesen.  Die  eine  war 
besonders  kurzgrifflig  und  wurde  brevistylis  genannt,  die  andere  hatte 

glattere  Blätter,  schmalere 
Blumenblätter  und  anderen 
Habitus  als  die  Stammart  und 
wurde  laevifolia  genannt. 
Da  die  Formen  bis  dahin  un- 
bekannt waren,  so  regte  sich 
der  Verdacht,  daß  sie  durch 
Mutation  neu  entstanden  sein 
könnten  und  sie  wurden  eben- 
so wie  Aussaaten  von  der 
Stammpflanze  in  Kultur  ge- 
nommen. 

Eine  erste  Kultur  ging  von 
9 1  a  m  a  r  c  k  i  a  n  a  -  Pflanzen  aus. 
Aus  ihnen  entstanden  in  den 
folgenden  Generationen  neben 
einer  überwiegenden  Anzahl 
von  lamarckiana  eine  große 
Zahl  von  Mutationen,  die  mehr 
oder  minder  weit  von  der  Mut- 
terpflanze abwichen.  Nicht 
alle  konnten  weiter  verfolgt 
werden,  die  aber,  die  weiter 
gezogen  wurden,  erwiesen  sich 
sofort  als  samenbeständig,  d.  h. 
sie  gaben  gleichgestaltete  Nach- 
kommenschaft .  Sie  wurden  da- 
bei stets  mit  künstlicher  Bestäubung  unter  Anwendimg  aller  Vor- 
sichtsmaßregeln vermehrt.  Nebenstehende  Figg.  170 — 173  zeigen  die 
Stammpflanze   mit  einigen  ihrer  Mutanten. 

Da  entstand  die  O.   gigas,  ausgezeichnet  durch  besonders  schönen 


Fig.  170. 
Oenothera  lamarckiana.     Nach  de  Vries. 


—     417     — 


Wuchs,  große  Blüten,  kurze  dicke  Früchte,  große  Samen,  in  einem 
einzigen  konstant  züchtenden  Exemplar.  Ferner  die  O.  rubrinervis, 
charakterisiert  durch  rote  Blattnerven  und  breite  rote  Streifen  auf  Kelch 
und  Früchten  sowie  eine  sehr  geringe  Ausbildung  des  Bastes,  und  eben- 
falls völlig  konstant.  Die  gleich- 
falls neu  entstandene  Elementar- 
art O.  oblonga  erwies  sich 
nicht  minder  konstant,  gab  aber 
außerdem  selbst  später  anderen 
Mutanten  den  Ursprung.  Be- 
sonders bemerkenswert  ist  die 
Zwerg-Oenothera,  0.  nanella, 
die  sich  von  der  Stammart  im 
wesentlichen  nur  durch  ihren 
Zwergwuchsunterscheidet,deren 
Nachkommenschaft  aber  diesen 
Charakter  rein  erbt.  Eine  an- 
dere Form,  O.  lata,  trat  stets 
nur  in  weiblichen  Exemplaren 
auf,  so  daß  sie  nur  mittels  einer 
Kreuzung  weiter  fortgepflanzt 
werden  konnte.  Es  ist  dies 
deshalb  bemerkenswert,  weil  es 
auch  im  Tierreich  Analogien 
der  rein  eingeschlechtigen  Mu- 
tation gibt.  Und  so  traten  noch 
viele  andere  Formen  auf,  die  im 
einzelnen  nicht  aufgezählt  seien. 
Nebenstehende  Fig.  173  (S.  419) 
gibt  einen  ausgezeichneten  Be- 
griff der  Mutabilität,  indem  sie 

eine  Serie  von  11  Mutanten  der  Oenothera  lamarckiana  als  jurge 
Topfpflanzen  zeigt,  wie  sie  MacDougal  in  Amerika  züchtete.  Rechts 
oben  ist  die  Stammpflanze,  in  den  beiden  unteren  Reihen  links  sind 
außerdem  Vertreter  der  Spezies  O.  biennis  abgebildet. 

Gol  dschm  idt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  2y 


Fig.  171. 

Mutanten  von  Oenothera  lamarckiana,  A  0. 

rubrinervis,  £u.  C  die  zwerghafte  O.  nanella. 

Nach  de  Vries. 


—     418 


In  sämtlichen  anderen  Stämmen,  die  in  Kultur  genommen  wurden, 
war  der  Verlauf  ein  ähnlicher,  es  traten  bald  mehr,  bald  weniger  Mu- 
tanten auf,  und  zwar  sowohl  solche,  die  auch  schon  in  der  obengenannten 
Serie  aufgetreten  waren,  wie  neue.    Die  Art  des  Auftretens  ohne  jede 

Vermittlung,  die  völlige 
Konstanz  bei  weiterer 
Kultur  nach  Selbstbe- 
stäubung war  immer  die 
gleiche,  so  daß  de  Vries 
schließlich  über  das  We- 
sen der  Mutation  und 
ihre  Bedeutung  für  die 
Bildung  neuer  Arten  zu 
folgenden  Vorstellungen 
kam :  Neue  elementare 
Arten  entstehen  in  der 
Natur  plötzlich  und  ohne 
Übergänge.  Es  ist  hier- 
für, wie  für  alles  Weitere 
anzunehmen ,  daß  die 
Verhältnisse  in  der  Natur 
sich  von  denen  im  Ver- 
such nicht  unterscheiden, 
da  der  Versuch  ja  nichts 
anderes  darstellt  als  die 
Kultur  unter  Kontrolle. 
Auch  am  natürlichen 
Standort  wurden  ja  eben- 
falls die  Mutanten  an- 
getroffen. Sind  neue  elementare  Arten  durch  Mutation  entstanden,  so  sind 
sie  meist  vom  ersten  Augenblick  an  konstant.  Nur  eine  Ausnahme  wurde 
gefunden;  die  Oenothcra  sc'intilläns,  die  in  ihrer  Nachkommen- 
schaft nur  zum  Teil  scintillans  hat,  ein  Fall,  der  uns  später  noch  be- 
schäftigen wird.  Die  neu  auftretenden  Arten  müssen,  wie  das  schon 
der  Paläontologe  Scott  verlangt  hatte,  im  allgemeinen  in  einer  größeren 


Fig.  172. 
Die  Mutante  Oenothera  gigas.     Nach  de  Vries. 


419 


Zahl  von  Individuen  bzw.  innerhalb  einer  gewissen  Periode  auftreten, 
damit  es  möglich  ist,  daß  sie  auf  die  Dauer  neben  der  Stammart  be- 


Fig.  i73- 
Junge  Topfpflanzen  von  Oenothera-Mutanten.      Rechts  oben  die  Stammpflanze  O.  la- 
marckiana.    In  der  zweituntersten  Reihe  links  die  Art  O.  biennis  mit  einem  Mutanten 
darunter.    Alle  übrigen  sind  Rosetten  von  Lamarckianamutanten.    Nach  Mac  Dougal, 

Vail  und  Shull. 

stehen   können.     Auf  die   tatsächlichen   Zahlenverhältnisse  ihres  Auf- 
tretens werden  wir  gleich  zu  sprechen  kommen.    Die  an  den  Mutanten 

27* 


—     420     — 

neu  auftretenden  Eigenschaften  zeigen  zu  der  individuellen  Variabilität 
keine  auffällige  Beziehung,  sie  liegen  außerhalb  ihres  Rahmens.  Ferner 
umfassen  sie  alle  Organe  und  können  in  jeder  beliebigen  Richtung 
liegen.  So  werden  die  Pflanzen  stärker  oder  schwächer,  die  Blätter 
breiter  oder  schmaler,  die  Blumen  größer  und  dunkler  gelb  oder  kleiner 
und  blasser,  die  Früchte  länger  oder  kürzer,  die  Oberhaut  unebener 
oder  glatter  und  so  fort.  Diese  vielen  Eigenschaften  sind  dabei  vom 
Standpunkt  der  Zuchtwahl  aus  keineswegs  alle  nützlich,  vielmehr  zum 
Teil  gleichgültig  oder  unvorteilhaft.  Einige  Formen,  wie  die  nur  weib- 
lich entstandene  lata,  sind  ja  sogar  allein  gar  nicht  lebensfähig.  Die 
Zuchtwahl  ist  also  imstande,  sofort  die  ungünstigen  Mutanten  wieder 
auszumerzen.  Die  Art,  wie  die  Mutation  bei  der  Oenothera  explosions- 
artig auftritt,  während  bei  allen  anderen  darauf  untersuchten  Arten 
nichts  derartiges  zu  finden  war,  spricht  dafür,  daß  es  besondere  Mutations- 
perioden gibt,  die  mit  Perioden  der  Un Veränderlichkeit  abwechseln.  In 
diesen  sammelt  sich  die  Fähigkeit  zum  Mutieren  gewissermaßen  auf,  eine 
Prämutationsperiode  geht  der  Mutationsperiode  vorauf.  Mit  dieser  An- 
nahme läßt  sich  vielleicht  für  die  Entstehung  der  Arten  eine  viel  kürzere 
Zeit  berechnen,  als  es  die  Theorie  der  allmählichen  Veränderung  nötig  hatte. 
Für  die  Begründung  dieser  Anschauungen  ist  natürlich  ein  Punkt 
von  besonderer  Wichtigkeit,  nämlich  die  Zahl  der  Mutanten,  die  im 
mindesten  so  groß  sein  muß,  daß  sie  Aussicht  auf  Erhaltenbleiben 
haben.  Aus  den  Erfahrungen  der  künstlichen  Zucht  wissen  wir,  daß 
dazu  im  günstigsten  Fall  nicht  viel  nötig  ist.  Haben  wir  doch  eine 
ganze  Anzahl  von  Haustieren  und  Kulturpflanzen  kennen  gelernt,  die 
durch  die  Zuchtwahl  des  Menschen  aus  einem  einzigen  Sport  gezüchtet 
worden  sind.  Hier  mußte  allerdings  die  Zuchtwahl  eine  so  intensive 
und  geschickte  sein,  daß  es  schwer  ist,  sich  vorzustellen,  wie  sie  in  der 
Natur  in  gleicher  Weise  sollte  wirken  können.  Delboeuf  hat  ein 
Gesetz  aufgestellt,  nach  dem  Mutanten,  die  in  einer  bestimmten  Anzahl 
von  Individuen  auftreten  und  deren  Bildung  sich  in  mehreren  Gene- 
rationen hintereinander  wiederholt,  sich  dauernd  gegenüber  der  Stamm- 
art vermehren  müssen.  Es  läßt  sich  aus  der  Prozentzahl  des  Mutierens 
berechnen,  nach  wieviel  Generationen  die  Zahl  der  Individuen  der 
neuen  Form  die  der  alten  erreicht  hat.     Die  Vorausbedingung  ist  nur 


—     421 


die  Möglichkeit  der  freien  und  normalen  Vermehrung  und  ein  neutrales 
Verhalten  gegenüber  dem  Kampf  ums  Dasein.  Das  Gesetz  berück- 
sichtigt allerdings  eines  nicht,  nämlich,  daß  sich  in  den  meisten  Fällen  die 
neuen  Mutanten  mit  der  Stammform  kreuzen  werden  und  dabei  werden 
bestimmte  Zahlenverhältnisse  auftreten  müssen,  die  sich  ohne  weiteres  aus 
den  Spaltungsgesetzen  ergeben.  Aber  es  läßt  sich  berechnen,  daß  auch 
unter  diesen  Umständen  die  Mutation  mindestens  erhalten  bleiben  wird. 
Die  eine  Bedingung  dieses  Gesetzes,  das  regelmäßige  Auftreten 
von  Mutanten  in  aufeinanderfolgenden  Generationen  trifft  nun  für 
die  Versuche  von  de  Vries  zu,  es  zeigt  sich  ebenso  auch  in  den  so- 
gleich zu  besprechenden  Beobachtungen  von  Tower  am  Kolorado- 
käfer, und  auch  für  die  schwarze  Mutation  der  Nonne  läßt  sich  un- 
regelmäßiges Auftreten  in  den  Zuchten  zeigen.  Daß  aber  auch  die 
andere  Bedingung  eines  einigermaßen  regelmäßigen  Prozentsatzes  von 
Mutanten  zutrifft,  geht  aus  allen  vorliegenden  Daten  hervor.  Be- 
trachten wir  uns  untenstehenden  Stammbaum,  den  de  Vries  für  die 
Entstehung  von  Mutanten  unter  Angabe  der  Individuenzahl  für  die  oben 
erwähnten  Nachkommen  der  9  in  Kultur  genommenen  Individuen  von 
Oenothera  Lamarckiana  gibt,  so  sehen  wir,  wie  in  jeder  Generation 
eine,  wenn  auch  wechselnde  Prozentzahl  von  neuen  Formen  gebildet  wird. 


leration 

Arten 

Ger 

gigas 

albida 

oblonga 

rubri- 
nervis 

Lamar- 
ckiana 

nanella 

lata 

scin- 
tillans 

VIII 

1899 
1898 
1897 
1896 

1895 
1890/91 
1888/89 
1886/87 

I 

5 

1 

0 

1700 

21 

1 

VII 

11 

9 

0 

1 
3000 

11 

5 

VI 

29 

3 

1 
1800 

9 

1 

V 

25 

135 

20 

1 
8000 

49 

142 

6 

IV 

15 

176 

8 

1 
14000 

60 

73 

1 

III 

1 

1 
10000 

0 

II 

1 

15000 

5 

5 

I 

1 
9 

—     422     — 

Es  mutierten  also  von  50  000  Individuen  etwa  800,  d.  h.  1,5%  im 
Durchschnitt.  Die  entsprechenden  Zahlenangaben  von  Tower  für  die 
oben  erwähnten  Mutationen  der  Koloradokäfer,  wie  sie  in  der  freien 
Natur  aufgefunden  wurden,  sind: 


ö 
.2 

V-l 

a 
O 

Arten 

Lokalität 

decem- 
lineata 

melani- 

cum 

tortuosa 

minutum 

pallida 

imma- 

culo- 

thorax 

albida 

Massachusetts    1895 
Long  Island   1899  . 

I 
II 
I 
II 

II 
II 
I 

II 

I 

II 

II 

25050 
21399 

14598 
13500 

11710 

9460 

16002 

14183 

5*425 

29408 

1088 

1 

I 

1 

• 

I 

Maryland    1900  .   .   . 
Pennsylvania   1900  . 

8 

? 

1 

Illinois    1902/03    .   . 

*            HH 

17 

2 

I 

2 

<-— 

Das  Gesamtresultat  ist  also  das  Vorhandensein  von  nur  sehr  wenigen 
Sports  in  der  freien  Natur,  viel  weniger  als  in  de  Vries  Kulturen.  Es 
fanden  sich  unter  207  891  Individuen  118  Sports,  d.  h.  nur  1  auf  1761. 
Würde  die  eine  Zählung  von  Maryland  1900  mit  der  ungewöhnlich 
hohen  Zahl  von  82  Sports  fortgelassen,  so  käme  sogar  nur  1  auf  5447. 
Diese  Zahlen  dürften  als  Mutationsprozente  sicher  auch  den  normalen 
Verhältnissen,  wie  sie  in  der  Natur  auch  bei  anderen  Arten  verwirklicht 
sind,  entsprechen. 

Tower  suchte  nun  aber  auch  festzustellen,  welche  Aussichten  diese 
Sports  auf  ein  Erhaltenbleiben  in  der  Natur  haben  und  führte  zu  dem 
Zweck  die  folgenden  interessanten  Experimente  aus.  Von  der  Mu- 
tation pallida  wurden  10  Männchen  und  12  Weibchen  mit  15  Pärchen 
der  Stammform  decemlineata  zusammengebracht.  Bei  der  Kopu- 
lation traten  alle  Kombinationen  auf,  aber  7mal  soviel  Kopulae  zwischen 
gleichartigen  Tieren  als  Kreuzungen.  Die  folgende  Generation  ergab 
dann   131    rj,  11  £   decemlineata,   133   <3,   162  9   pallida.     Nach    der 


—     423     — 

Überwinterung  waren  davon  noch  vorhanden  io  3,  18  Q  von  decem- 
lineata  und  9  c5,  10  Q  pallida.  Deren  Nachkommenschaft  ergab  dann 
wieder  80  6,  106  Q  decemlineata  und  190  <5,  210  Q  pallida.  In  der 
folgenden  Generation  war  das  Verhältnis  schon  211  <5,  209  £  decem- 
lineata und  509  <5,  540  Q  pallida.  Die  Mutation  hatte  also  tüchtig 
gegenüber  der  Stammform  zugenommen.  Der  folgende  Winter  war 
nun  ein  besonders  ungünstiger  und  gefährlicher  und  ihn  überstanden 
nur  6  (5,  10  £  von  decemlineata  und  14  3,  15  Q  von  pallida,  aus  deren 
Vermehrung  314  <5,  301  Q  decemlineata  und  819  <3,  761  Q  der  Mu- 
tation pallida  hervorgingen.  Die  Mutation  hatte  also  auch  unter  un- 
günstigen Umständen  der  Stammart  gegenüber  glänzend  bestanden. 
Theoretisch  ist  es  also  sehr  gut  möglich,  daß  eine  solche  Mutation  als 
erfolgreiche  Art  bestehen  bleibt.  Tatsächlich  aber  hat  sich  doch  die 
Mutation  pallida  nirgends  in  der  Natur  Geltung  verschaffen  können. 
Das  kommt  wohl  daher,  daß  sie  in  nur  einem  Exemplar  auf  5000  auf- 
tritt. Da  sich  die  Wahrscheinlichkeit  der  Kreuzung  mit  der  Stammart 
in  obigem  Versuch  wie  I  :  7  ergab,  so  ist  die  Wahrscheinlichkeit  ihres 
Erhaltenbleibens  keine  sehr  große.  Sie  würde  nur  steigen,  wenn  ein- 
mal aus  besonderen  Gründen  ungewöhnlich  viele  Mutanten  entständen. 

Es  gibt  aber  anderseits  aus  der  Natur  eine  ganze  Anzahl  von  Bei- 
spielen dafür,  daß  eine  Mutante,  die  regelmäßig  gebildet  wird,  sich  nicht 
nur  erhält,  sondern  sogar  die  Stammart  allmählich  verdrängt:  die 
melanistischen  Formen  der  Nonne  und  des  Birkenspanners  sind  die 
bekannten  Beispiele  dafür. 

Die  de  Vriessche  Mutationstheorie  scheint  also  auf  gutem  Boden 
zu  stehen  und  die  Erklärung  für  viele  Rätsel  zu  bringen.  Leider  müssen 
wir  aber  sagen,  scheint!  Denn  die  rasch  fortschreitende  Forschung 
hat  bereits  begonnen,  wieder  an  den  Grundlagen  dieser  Lehre  zu  rütteln 
und  heute  können  wir  schon  sagen,  daß  wahrscheinlich  das  Haupt- 
material, auf  das  sie  sich  stützt,  in  anderer  Weise  zu  deuten  ist.  Und 
so  ist  es  jetzt  unsere  Aufgabe,  auf  die  optimistische  Darstellung  die 
Kritik  folgen  zu  lassen. 

Schon  bald  nach  Bekanntwerden  von  de  Vries'  Ergebnissen  haben 
einige  Forscher  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Interpretation  geäußert. 
Die  Kenntnis  der  Mend eischen  Spaltungsgesetze  zeigte,  daß  aus  Ba- 


—     424     — 

starden   ja   neue    Bastardkombinationen    in    wenigen    Exemplaren    ab- 
spalten können,  die  dann  wie  ganz  neue  Formen  erscheinen  können; 
Bateson,  Lotsyu.  a.  haben  deshalb  auch  die  Oenothera  lamarckiana 
für  einen  Bastard  erklärt,  der  in  bestimmter  Weise  neue  Kombinationen, 
die  scheinbaren  Mutanten  abspaltet.     Sieht  man  den  Fall  der  Oeno- 
thera von  diesem  Gesichtspunkt  aus  an,  so  bemerkt  man  leicht,  daß 
das  Verhalten  der  Oenothera  und  ihrer  Mutanten  vieles  darbietet,  was 
zu  solchen  Zweifeln  berechtigt.     Zunächst  ist  es,  ganz  im  Gegensatz 
zu   anderen   Oenotheraarten,   noch    nicht   gelungen,   die   Herkunft   der 
O.  lamarckiana  festzustellen.     Sie  dürfte  wohl  aus  Amerika  nach  Europa 
gekommen  sein ;  trotz  aller  Bemühungen  ist  es  aber  noch  nicht  geglückt, 
ihren  natürlichen  Standort  aufzufinden.     An  sich  besagt  das  natürlich 
nicht  viel,  aber  im  Zusammenhang  mit  den  weiteren  Tatsachen  ist  es 
doch  bemerkenswert.     Und  da  ist  wohl  der  Hauptpunkt  das  Verhalten 
der  Mutanten  bei  der  Bastardierung.     Aus  allem,  was  wir  in  den  bis- 
herigen Vorlesungen  gehört  haben,  muß  eine  Mutation  in  dem  Hinzu- 
kommen oder  Ausfallen  eines  Erbfaktors  bestehen.     Die  Mutante  mit 
der  Stammform  gekreuzt  muß  somit  eine  einfache  Mendelsche  Spaltung 
ergeben  und  tut  es  auch  in  den  experimentell  sicher  gestellten  Fällen, 
wie  wir  sehen  werden.    Ganz  anders  verhalten  sich  aber  die  de  Vries- 
schen  Oenotheramutanten.     Es  wäre  eine  besondere  Vorlesung  nötig, 
um  all  die  Besonderheiten  zu  schildern,   die  sich  bei  den  Oenothera- 
kreuzungen  ergeben  haben.     Da  gibt  es  allerdings  Mutanten,  wie  die 
Form  brevistylis,  die  mit  der  Stammform  gekreuzt,  mendeln.     Wieder 
andere  aber  ergeben  in  Fx  eine  Spaltung  in  die  beiden  Elternformen 
und  die  Spaltungsprodukte  sollen  dann  in  F2  usw.  konstant  bleiben. 
Die  Spaltung  selbst  erfolgt  aber  in  ganz  unregelmäßigen  Prozentsätzen. 
Nun   treten  aber  in   den  weiteren   Generationen   unter  den  scheinbar 
reinen  Formen  wieder  in  gewissen   Prozentsätzen  die  anderen  Eltern- 
formen und  gerade  nur  die  auf.     Aber  auch  diese  Resultate  scheinen 
nicht  konstant  zu  sein,  da  andere  Autoren  bei  den  gleichen  Kreuzungen 
wieder  andere  Resultate  erzielten.    Bei  Kreuzung  zwischen  Mutationen 
untereinander  tritt  in  F2  die  Stammform  wieder  auf,  daneben  kommen 
aber  auch  Formen    vor,    die   die  Eigenschaften   beider  Mutanten  ver- 
einigen  und   von    de   Vries   als  Doppelmutanten   bezeichnet   werden. 


—     425     — 

Die  gleichen  Doppelmutanten  können  aber  auch  gelegentlich  aus  der 
reinen  Stammform,  wie  aus  reinen  Mutanten  hervorgehen,  ebenso 
mehrere  Doppelmutanten  aus  einer  Mutationskreuzung  und  es  können 
sogar  Formen  auftreten,  die  die  Eigenschaften  vieler  Mutanten  in  sich 
vereinigen.  Endlich  soll  es  sogar  konstant  intermediäre  Bastarde 
geben.  Diese  kleine  Auswahl  aus  den  Resultaten  von  de  Vri  es  »Gates, 
Heribert-Nilsson,  Honing,  Schouten,  Stomps  u.  a.  gibt  wohl 
über  die  Wertung  des  Mutationsphänomens  zu  denken! 

Zu  diesen  für  die  Beurteilung  des  Ganzen  entscheidenden  Punkten 
kommt  nun  noch  die  Betrachtung  der  ganzen  Mutationserscheinung 
als  solcher,  die  Beschränkung  auf  die  Oenotheraarten,  die  Vielheit  der 
Mutanten  und  ihr  immer  wieder  typisches  Auftreten,  das  Abgeben  der 
gleichen  und  spezifischen  Mutanten  von  Seiten  der  Mutanten  selbst. 
Nimmt  man  all  dies  zusammen,  so  gewinnt  die  Annahme  von  Bateson- 
Lotsy  von  der  Bastardnatur  der  Oenothera,  wenigstens  in  allgemeinster 
Fassung,  einen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit.  Wie  die  Verhält- 
nisse dabei  im  einzelnen  liegen,  ist  allerdings  eine  weitere  Frage.  Man 
hat  da  verschiedene  Wege  einzuschlagen  versucht.  Davis,  der  der 
Meinung  ist,  daß  die  0.  lamarckiana  einen  spaltenden  Artbastard 
darstellt,  hat  versucht,  sie  synthetisch  durch  Bastardierung  von  O. 
grandiflora  x  biennis  herzustellen  und  erhielt  auch  bereits  lamarckiana- 
ähnliche  Formen,  wenn  auch  von  einem  entscheidenden  Erfolg  wohl 
noch  nicht  gesprochen  werden  kann.  Am  nächsten  dürfte  der  Lösung 
des  Problems wohlHeribert-Nilsson  gekommen  sein,  der  auf  anderem 
Weg  vorging.  Er  geht  von  den  Tatsachen  der  Variabilität  aus  und  von 
dem  Verhalten  quantitativer  Merkmale  bei  der  Bastardierung,  das  wir 
früher  (S.  255  —  260)  ja  genau  kennen  gelernt  haben.  Er  stellt  zunächst 
fest,  daß  die  meisten  Merkmale,  die  die  Mutanten  von  der  Stammart 
unterscheiden,  quantitativer  Natur  sind  und  bei  jener  nur  extreme 
Zustände  einer  Variationsreihe  darstellen.  Betrachtet  man  nun  die 
gleichen  Eigenschaften  innerhalb  der  Stammart,  so  kann  man  auch 
hier  schon  erblich  verschiedenartige  Linien  isolieren.  Da  nun  die  Oeno- 
thera eine  allogame,  durch  Insekten  bestäubte  Pflanze  ist,  so  tritt  eine 
dauernde  Neu-  und  Umkombination  dieser  selbständigen  quantitativen 
Faktoren  ein.     Es  wird  nun  nach  dem,  was  wir  bereits  früher  kennen 


—     426     — 

lernten,  relativ  selten  vorkommen,  daß  die  Kombinationen  mit  zahl- 
reichen gleichsinnigen  Faktoren  vorkommen.  Nehmen  wir  etwa  an, 
sehr  lange  Früchte  entständen  durch  das  Zusammenwirken  von  5  Länge- 
faktoren ABCDE,  so  werden  in  solchen  immer  wieder  sich  wechselseitig 
befruchtenden  Populationen  stets  alle  möglichen  Kombinationen 
vorhanden  sein  wie  ABede,  AbcDe  usw.,  die  ganze  Kombination  ABCDE 
wird  aber  sehr  selten  sein.  Erscheint  sie  aber  plötzlich,  so  scheint  eine 
Mutation  vorzuliegen.  Daß  diese  dann  einigermaßen  rein  züchtet,  ist 
erklärlich,  da  bei  solchen  Kombinationsreihen  quantitativer  Faktoren 
die  extremsten  Glieder  immer  die  am  meisten  homozygoten  sind  (s.  die 
früheren  Erörterungen  über  Nilsson-Ehles  Prinzip).  Es  wäre  somit 
die  Oenothera  in  keiner  Weise  von  irgendeiner  anderen  stark  polymorphen 
Art  unterschieden  und  die  Mutationserscheinung  in  eine  Rekombi- 
nation einer  Reihe  vorzugsweise  quantitativ  wirkender  mendelnder 
Faktoren  aufgelöst.  Auch  die  merkwürdigen  Resultate  der  Mutations- 
kreuzungen lassen  sich  unter  diesem  Gesichtspunkt  recht  gut  verstehen, 
so  daß  es  scheint,  als  ob  hier  wirklich  die  Lösung  gegeben  sei.  Alle 
Schwierigkeiten  sind  damit  allerdings  noch  nicht  aus  dem  Weg 
geräumt. 

Und  zwar  ist  es  da  vor  allem  der  Fall  der  Oenothera  gigas,  der  als 
nicht  geklärt  betrachtet  werden  muß.  Wenn  auch  die  Brücke  zwischen 
dieser  Riesenfoim  und  der  Stammart  durch  viele  Übergänge  gegeben 
ist  und  auch  die  konstant-intermediäre  Vererbung  der  Bastarde  mit 
der  Stammform  von  Heribert -Nilsson  erklärt  ist,  so  ist  doch  noch 
eine  sehr  wesentliche  Tatsache  ungeklärt :  gigas  unterscheidet  sich 
nämlich  nach  der  Entdeckung  von  Gates  von  der  Stammart  durch 
den  Besitz  der  doppelten  Chromosomenzahl,  nämlich  28  statt  14.  Außer- 
dem gibt  es  auch  eine  Mutante  semigigas  mit  21  Chromosomen  (Sto  mps, 
Lutz).  Wrie  diese  Besonderheit  auch  zustande  gekommen  sein  mag, 
sicher  ist,  daß  keine  Mendelsche  Rekombination  sie  erklären  kann, 
so  daß  wenigstens  dieser  Charakter  als  Mutation  bestehen  bleibt.  Man 
müßte  gerade  annehmen,  daß  das  zufällige  Zusammentreffen  all  der 
quantitativen  Faktoren,  die  zusammen  den  Charakter  der  Mutante 
gigas  hervorrufen  sollen,  eine  physiologische  Konstellation  schafft,  die 
die    Chromosomenverdoppelung    als    Folgeerscheinung    zeitigt.      Man 


—     427     — 

könnte  als  Beweis  dafür  anführen,  daß  nach  Geerts  in  F2  aus  gigas  x 
lamarckiana  wieder  die  Normalzahl  von  Chromosomen  (14)  erscheint, 
ohne  daß  sich  der  intermediäre  Charakter  des  Bastards  ändert.     Hier, 
wie    noch    in   so    vielem    anderm,    was    die    merkwürdige    Pflanzenart 
betrifft,  ist  also  das  letzte  Wort  noch  nicht  gesprochen. 

Kann  man  nun  sagen,  daß  damit  die  Mutationstheorie  ihre  Be- 
deutung verloren  hat?  Mit  nichten!  Denn  wenn  auch  der  gesamte 
Fall  der  Oenothera  ausscheidet,  so  bleibt  die  Erscheinung  der  Mutation, 
abgesehen  von  den  übrigen  Tatsachen,  doch  eine  notwendige  Folgerung 
aus  der  Faktorentheorie :  eine  neue  Erbfaktorenkonstitution  kann  nur 
durch  Additions-  oder  Subtraktionsmutation  entstehen.  (Progressive 
und  Verlustmutanten.)  Aber  nichts  ist  schwieriger  als  ihr  Auftreten 
einwandfrei  nachzuweisen.  Wir  haben  ja  schon  früher  die  Sports  der 
Züchter  als  Beispiele  für  Mutation  kennen  gelernt,  aber  auch  bereits 
gesehen,  welche  Vorsicht  ihnen  gegenüber  geboten  ist.  Wenn  nicht 
die  ganz  reine  Aszendenz  der  betreffenden  Tier-  oder  Pflanzenformen 
in  mehreren  Generationen  bekannt  ist,  ist  die  Möglichkeit  einer  Bastard- 
kombination nicht  von  der  Hand  zu  weisen.  Wie  eine  solche  als  etwas 
ganz  Neues  und  Überraschendes  erscheinen  kann,  illustriert  zur  Genüge 
die  früher  besprochene  quergestreifte  Helix,  die  Lang  züchtete.  Einen 
in  dieser  Beziehung  recht  beweisenden  Versuch  scheint  uns  Tower 
angestellt  zu  haben. 

Er  brachte  u.  a.  eine  gleiche  Anzahl  von  Koloradokäfern  der  3  Spezies 
decemlineata,  oblongata  und  multi taeniata  auf  eine  isolierte 
Insel  in  Mexiko,  an  welcher  Lokalität  die  sonst  in  diesem  Gebiet  hei- 
mischen oblongata  fehlten.  Dort  überließ  er  sie  sich  selbst  und  der 
Kreuzung.  In  der  ersten  Generation  konnte  er  dann  5  Typen  (A — E) 
feststellen,  nämlich  die  drei  Ausgangsformen  A  —  C  und  Mittelformen 
zwischen  decemlineata  einerseits  und  andererseits  oblongata  (D), 
bzw.  multitaeniata  (E).  Die  Mittelformen  zwischen  decemlineata 
und    oblongata  (D)  überwogen  stark,  wie  folgende  Zahlen  zeigen: 

A  B  C  D  E 

327  371  142  1439  246 

Schon  in  der  4.  Generation  zeigten  sich  nun  vorzugsweise  Formen, 
die  aus  den  beiden  Arten  von  Mittelformen  D  +  E  kombiniert  waren, 


—     428     — 

und  in  der  5.  Bastardgeneration  waren  diese  Formen  D  +  E  ausschließ- 
lich in  der  Zahl  von  1877  Tieren  vorhanden.  Diese  wurden  dann  nach 
Chicago  genommen  und  weiter  untersucht  und  pflanzten  sich  nun 
völlig  rein  fort.  Aber  in  ihrer  Nachkommenschaft  traten  immer  2  bis 
3%  Formen  auf,  welche  sich  ebenso  wie  Mutanten  weit  vom  Mittel 
der  Population  entfernten  und  auch  in  bezug  auf  Erblichkeit  verhielten. 
Tower  findet  aber,  daß  sie  nichts  Neues  darstellen,  sondern  eine  Ab- 
spaltung von  bei  der  Bastardierung  eingeführten  Charakteren. 

Aber  auch  wenn  es  sich  um  ganz  neuartige  Charaktere  handelt, 
muß  nicht  unbedingt  eine  Mutation  vorliegen.  Man  denke  an  all  das, 
was  wir  früher  über  das  Auftreten  von  Neuheiten  nach  Bastardierung 
hörten.  Wenn  man  also  etwa  sagt,  daß  ein  so  absonderlicher  Charakter 
wie  das  Seidenhaar  von  Ziegen,  Katzen,  Meerschweinchen,  Kaninchen, 
Hunden  nur  durch  Mutation  entstanden  sein  kann,  so  ist  dem  nach 
den  Erfahrungen  am  Mauchampschaf,  an  den  Hasenkaninchen  ent- 
gegenzuhalten, daß  er  auch  als  Neukonstruktion  durch  Interferenz 
von  Faktoren  nach  Bastardierung  entstanden  sein  kann.  Es  ist  da 
eben  doch  sehr  bemerkenswert,  daß  bei  genauerer  Kenntnis  der  Tat- 
sachen recht  viele  sogenannte  Mutationen  in  diese  Kategorie  fallen. 
Das  Mauchampschaf  wurde  mehrfach  erwähnt,  die  berühmten  Zucht- 
erfolge Luther  Burbanks  und  der  Svalöfer  Getreidezüchter,  die  für 
die  Mutationslehre  in  Anspruch  genommen  wurden,  haben  so  ihre 
Erklärung  gefunden. 

Beschränkt  man  sich  so  auf  die  Mutanten,  die  unter  wirklicher 
Kontrolle  auftraten,  so  ist  deren  Zahl  allerdings  immer  noch  eine  recht 
große  und  wächst  täglich.  Aber  sie  haben  alle  eine  merkwürdige  Ge- 
meinsamkeit: sie  sind  immer  oder  fast  immer  Verlustmutanten,  ein 
Erbfaktor  ist  aus  der  Erbmasse  ausgefallen.  Solche  Fälle  sind  bei  all 
den  Tieren  und  Pflanzen  beobachtet  worden,  die  die  Hauptobjekte 
der  Erblichkeitsforschung  bilden.  Der  typische  Charakter  dieser  Fälle 
ist  uns  ja  bereits  von  dem  Studium  des  Mendelismus  her  geläufig.  Man 
erinnere  sich  an  die  Farbrassen  der  Mäuse,  die  durch  Ausfallen  einzelner 
Erbfaktoren  entstanden;  fiel  G  aus,  so  wurde  aus  einer  grauen  eine 
schwarze  Maus,  fiel  C  aus,  ein  Albino,  oder  man  denke  an  die  Mutationen 
in  Augenfarbe,  Flügelgröße,  die  in  Morgans  Drosophilakulturen  auf- 


—     429     — 

traten  und  bei  unseren  Erörterungen  über  geschlechtsbegrenzte  Ver- 
erbung eine  Rolle  spielten.  Als  Einzelfall  mag  vielleicht  dar- 
gestellt werden,  wie  in  Hagedoorns  Mäusezuchten  eine  solche  Mu- 
tation zur  Beobachtung  kam.  Er  fand  in  einer  Kultur  von  wildfarbigen 
und  weißen  Mäusen  plötzlich  schwarze.  Durch  Rückkreuzung  mit 
den  noch  lebenden  Eltern  und  Vorfahren  konnte  er  nun  ihre  Entstehung 
aufklären.  Schwarz  entsteht,  wie  wir  wissen,  wenn  der  Wildfaktor  G 
wegfällt.  Wenn  GN  ....  wildfarbig  ist,  ist  gN  ...  .  schwarz.  Es 
zeigte  sich  nun,  daß  eine  Maus  in  F2  teilweise  Gameten  bildete  von  der 
Beschaffenheit  gN  .  .  .  .  Da  diese  mit  normalen  grauen  GN  ....  be- 
fruchtet wurden,  so  entstanden  heterozygote  Mutanten  GgNN  .  .  .  .,  die 
natürlich  auch  wildfarbig  waren,  somit  ihr  Wesen  nicht  erkennen  ließen. 
Erst  als  ein  solches  heterozygotes  Weibchen  mit  einem  heterozygoten 
Männchen  zusammenkam,  mußten  schwarze  entstehen,  denn  GgNN  x 
GgNN  =  GGNN  +  2  GgNN  +  ggNN.  In  ganz  analoger  Weise  ver- 
laufen die  anderen  durch  Baur,  Correns,  Nilsson-Ehle,  Morgan  u.  a. 
beschriebenen  Mutationen,  die,  wie  aus  der  Betrachtung  des  Beispiels 
hervorgeht,  oft  lange  unsichtbar  bleiben  können,  bis  sie  einmal  hervor- 
treten. Dabei  erweisen  sie  sich  zunächst,  wie  auch  in  diesem  Fall,  als 
heterozygot. 

Wir  sagten  schon,  daß  diese  Mutanten  fast  immer  Verlustmutanten 
sind;  ja  manche  Forscher,  wie  Baur  und  Hagedoorn,  leugnen  über- 
haupt die  Existenz  von  progressiven  Mutanten.  Tatsächlich  kann 
leicht  eine  Gewinnmutation  vorgetäuscht  werden,  während  eine  Verlust- 
mutation vorliegt,  nämlich  wenn  ein  Hemmungsfaktor  ausfällt.  Ja  in 
einem  solchen  Fall  kann  es  sich  sogar  um  den  scheinbaren  Gewinn 
einer  ganzen  Reihe  von  Eigenschaften  handeln.  Ein  sehr  schönes 
Beispiel  dieser  Art  verdanken  wir  Nilsson-Ehle.  Die  Kulturhafer- 
sorten sind  durch  das  Fehlen  einer  ganzen  Reihe  von  Merkmalen  aus- 
gezeichnet, die  der  wilde  Hafer  besitzt.  Jedes  dieser  Merkmale  beruht 
auf  der  Anwesenheit  mendelnder  Faktoren.  In  Kulturrassen  traten 
nun  plötzlich  Individuen  vom  Wildhafercharakter  auf,  die  sich  somit  in 
allen  den  betreffenden  Merkmalen  weit  vom  Ausgangsmaterial  ent- 
fernten. Mit  der  Ausgangsrasse  gekreuzt,  zeigten  nun  diese  Mutanten 
eine   einfache    Mendelspaltung,    unterschieden    sich    also    nur   in  einem 


—     430     — 

Erbfaktor.  Die  Erklärung  ist  nun  die,  daß  die  Kulturrassen  einen 
Hemmungsfaktor  besitzen,  der  die  Manifestation  all  der  Wildhafer- 
charaktere unterdrückt.  Die  Mutation  bestand  im  Ausfall  dieses  Hem- 
mungsfaktors, wodurch  sofort  alle  jene  Charaktere  gleichzeitig  mani- 
fest wurden. 

Betrachten  wir  nun  all  diese  Resultate,  so  müssen  wir  sagen,  daß 
das  Ergebnis  gerade  kein  sehr  tröstliches  ist.  Denn  wir  wissen  somit 
von  dem  Auftreten  neuer  artbildender  Eigenschaften  eigentlich  gar 
nichts.  Und  das  ist  wohl  die  fühlbarste  Lücke,  die  die  Vererbungs- 
wissenschaft bisher  gelassen  hat.  Wer  sie  für  unüberbrückbar  hält, 
der  kann  schließlich  mit  Lotsy  die  Ansicht  vertreten,  daß  die  gesamte 
Mannigfaltigkeit  der  Tier-  und  Pflanzenwelt  auf  Bastardkombination 
beruht.  Wäre  das  richtig,  so  hätte  wohl  das  letzte  Stündlein  der  Ab- 
stammungslehre geschlagen.  Noch  ist  das  aber  nicht  der  Fall,  denn 
wenn  wir  auch  noch  nicht  wissen,  wie  neue  Eigenschaften  entstehen, 
so  ist  auch  noch  keine  der  Möglichkeiten  widerlegt,  die  da  gegeben 
sind.  Und  eine  von  ihnen,  die  wir  bisher  ganz  außer  acht  ließen,  die 
alte  Darwinsche  Anschauung,  bietet  sich  uns  nun,  an  diesem  Punkt 
angelangt,  zur  Diskussion  dar. 


Einundzwanzigste  Vorlesung. 

Mutation   und    Modifikation.      Das   Problem   der    Vererbung   er- 
worbener Eigenschaften.     Die  Telegonie. 

Wenn  wir  uns  an  das  erinnern,  was  die  ersten  Vorlesungen  gelehrt 
hatten,  so  tritt  uns  als  eine  wichtige  Grundtatsache  vor  Augen,  daß 
strenge  zwischen  den  nicht  erblichen  Variationen  oder  Modifikationen, 
auch  Somationen  genannt,  und  den  erblichen  Variationen  oder  Mu- 
tationen zu  scheiden  ist.  In  der  Literatur  über  die  Abstammungs- 
lehre spielen  nun  gerade  die  Modifikationen,  die  wir  als  geographische, 
klimatische,  Lebenslage-Standortsvariationen  kennen  lernten,  eine  we- 
sentliche Rolle.    WTir  haben  aber  nun  erfahren,  daß  die  Modifikationen 


—     431     — 

nicht  erblich  sind  und  daher  durch  ihre  Auswahl  auch  nichts  Neues 
geschaffen  werden  kann.  Fallen  sie  also  nun  vollständig  für  die  Frage 
der  Artbildung  aus  und  sind  die  Mutationen  ganz  andersartige  Dinge, 
die  mit  jenen  gar  nichts  zu   tun  haben? 

Da  ist  es  zunächst  von  Interesse  zu  sehen,  wie  D  arwin  sich  zu  diesem 
Problem  stellte.  Darwin  war  sich,  besonders  in  jungen  Jahren,  völlig  im 
klaren  über  die  Bedeutung  der  Mutationen,  der  Sports  für  die  Artbildung. 
Aber  auch  in  bezug  auf  die  Variation  machte  er,  wenigstens  in  jungen 
Jahren,  nicht  den  Fehler,  der  ihm  so  oft  vorgeworfen  wird.  Wenn 
ihm  auch  noch  die  exakte  Kenntnis  der  fluktuierenden  Variabilität 
im  Quetelet-Galtonschen  Sinn  fehlte,  und  wenn  er  vielleicht  auch 
später  die  nicht  erblichen  Glieder  der  Variabilität  zu  wenig  berück- 
sichtigte, so  war  er  sich  doch  ursprünglich  darüber  völlig  im  klaren, 
daß  nicht  alle  Varianten  erblich  sind  und  daß  für  die  Artbildung  nur 
erbliche  Varianten  in  Betracht  kommen  können.  Sein  Essay  vom 
Jahre  1842,  also  17  Jahre  vor  dem  Erscheinen  des  Hauptwerks  ge- 
schrieben, beginnt  mit  den  Worten:  „Em  einzelner  Organismus,  der 
unter  neue  Bedingungen  gerät,  variiert  manchmal  in  geringem  Maße 
und  in  ganz  unbedeutenden  Dingen  wie  Wuchs,  Fettheit,  manchmal 
Farbe,  Gesundheit,  Gewohnheiten  bei  Tieren  und  wahrscheinlich  auch 
Disposition.  Auch  die  Art  der  Lebensweise  bringt  gewisse  Teile  zur 
Entwicklung.  Die  meisten  dieser  geringen  Variationen  neigen  dazu, 
erblich  zu  werden."  Der  Vorwurf,  den  man  der  Selektionslehre  so  oft 
macht,  daß  sie  die  Entstehung  neuer  Formen  erklären  wolle,  trifft  sie 
daher,  wie  Plate  schon  öfters  hervorhob,  gar  nicht,  da  sie  sich  nur 
auf  schon  entstandene  erbliche  Varianten  bezieht. 

Darwin  unterschied  also  zwischen  erblichen  und  nicht  erblichen 
Variationen,  Modifikationen  und  Mutationen,  aber  er  hielt  sie  nicht 
für  prinzipiell  verschieden,  er  glaubte,  daß  jene  in  diese  übergehen 
können.  Ob  dies  möglich  ist,  ist  nun  in  der  Tat  eine  grundlegende 
Frage  und  so  müssen  wir  nun  einmal  das  Verhältnis  der  beiden  Er- 
scheinungen näher  beleuchten.  Zu  dem  Behuf  müssen  wir  zunächst 
für  die  Mutationen  einige  Fragen  beantworten,  die  wir  in  bezug  auf 
die  Modifikationen  schon  ausführlich  besprochen  haben,  vor  allem  die 
Frage  nach  der  Ursache  der  Mutation. 


—     432     — 

In  der  oben  S.  422  aufgeführten  Tabelle  von  Towers  Material 
muß  es  auffallen,  daß  im  Jahr  1900  in  Maryland  so  ungewöhnlich  viele 
Mutationen  auftraten,  und  auch  in  dem  Stammbaum  der  Oenothera 
nach  de  Vries  tritt  das  besonders  hohe  Mutationsprozent  in  den  Jahren 
1895  und  1896  hervor.  Und  das  deutet  darauf  hin,  daß  die  Ursache 
der  Mutation  vielleicht  in  äußeren  Bedingungen  zu  sehen  ist.  Mit 
aller  Klarheit  geht  es  aus  den  Beziehungen  hervor,  die  sich  zwischen 
Lebenslagevariation  und  Mutation  bei  den  Koloradokäfern  gezeigt 
haben.  Wir  haben  schon  oben  die  charakteristische  Lebenslage  Varia- 
tion, wie  sie  sich  unter  dem  Einfluß  des  Wechsels  der  äußeren  Bedin- 
gungen zeigt,  näher  kennen  gelernt.  Es  zeigte  sich  nun,  daß  in  den 
Jahren,  in  denen  die  Bedingungen  derartige  sind,  daß  eine  recht  extreme 
Lebenslagevariation  eintritt,  auch  die  Zahl  der  Mutanten  beträchtlich 
ansteigt.  So  erschien  in  einem  Jahre,  das  derartige  Wirkung  auf  die 
Lebenslagevariation  erkennen  ließ,  in  Guadeloupe  die  Mutation  mela- 
nothorax  10  mal  häufiger  als  gewöhnlich,  in  Puebla  sogar  30  mal 
häufiger;  in  anderen  Fällen  konnte  festgestellt  werden,  daß  ein  Jahr 
mit  besonders  reichlichen  Niederschlägen  sich  auch  durch  besonders  zahl- 
reiche Mutationen  auszeichnete.  Ganz  ähnliche  Beobachtungen  liegen 
aber  auch  für  viele  andere  Objekte  vor;  Simroth  hat  eine  ganze  Reihe 
von  Tierformen  verschiedenster  Gruppen  zusammengestellt,  die  bei 
uns  in  dem  extrem  heißen  und  trockenen  Sommer  1904  mutierten; 
so  fand  ferner  Graf  Arnim  Schlagenthin,  daß  in  reinen  Weizen- 
linien neue  Mutanten  nach  Frostschaden  auftraten.  Doch  kann  ein 
sicherer  Schluß  erst  gezogen  werden,  wenn  das  Experiment  die  gleichen 
Resultate  ergibt.  Die  Fragestellung  dazu  lautet:  Ist  es  möglich,  durch 
Einwirkung  äußerer  Faktoren  künstlich  Mutationen  zu  erzeugen?  Die 
Frage  muß  bereits  bejaht  werden,  wenn  auch  dieses  Studium  erst  in 
den  Anfangsstadien  liegt. 

Es  hat  seinen  Ausgangspunkt  genommen  von  den  Erfahrungen  und 
Experimenten  der  Schmetterlingszüchter,  welche  ausgeführt  wurden, 
noch  ehe  die  Mutationslehre  weitere  Geltung  besaß  und  zunächst  teils 
systematische  Aufklärung,  teils  Lösung  von  Abstammungsfragen  be- 
zweckten. Wir  meinen  die  so  berühmt  gewordenen  Temperaturexperi- 
mente an  Schmetterlingen,  denen  wir  ja  bereits  oben  unsere  Aufmerk- 


—     433     — 

samkeit  zugewandt  haben.  Dorfmeister  war  der  erste,  der  um  die 
Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  Puppen  mit  hohen  und  niedrigen  Tem- 
peraturen zu  behandeln  versuchte,  um  damit  die  Frage  zu  lösen,  ob 
die  verschiedenen  geographischen  Varietäten  der  Falter  durch  klima- 
tische Differenzen  bewirkt  seien.  Weis  mann,  Edwards,  v.  Rei- 
chenau,  Merrifield  vertieften  die  Studien  weiter,  die  aber 
erst  durch  Standfuss  und  E.  Fischer  ihre  Bedeutung  für  die 
Mutationstheorie  erhielten.  Die  Hauptresultate  bestanden  ja,  wie 
schon  ausführlicher  besprochen,  darin,  daß  junge  Puppen  von  mittel- 
europäischen Faltern,  die  mit  niederen  Temperaturen  von  etwa  6° 
behandelt  wurden,  Schmetterlinge  ergaben,  die  den  nördlichen  Varie- 
täten entsprachen,  während  solche,  die  einer  Wärme  von  etwa  360 
exponiert  wurden,  Falter  südlicher  Rasse  ergaben.  Das  analoge  Re- 
sultat, die  künstliche  Erzielung  der  Standortsvarietäten  des  Kolorado- 
käfers, haben  wir  ja  auch  schon  oben  besprochen.  Es  traten  bei  diesen 
Versuchen  aber  auch  neue  Typen  auf,  nämlich  stärker  aufgehellte  und 
stark  verdunkelte  Individuen.  Und  gewisse  dabei  gemachte  Beobach- 
tungen führten  dazu,  mit  Frost  von  — 4  bis  ■ — 200  und  mit  Hitze  von 
+  40  bis  +460  zu  arbeiten,  wobei  sich  zeigte,  daß  beide  in  gleichem 
Sinn  verändernd  einwirkten,  und  die  so  geschaffenen  Hitze-  bzw.  Frost- 
aberrationen glichen  gewissen  selten  in  der  Natur  auftretenden  Aber- 
rationen, von  denen  es  höchstwahrscheinlich,  zum  Teil,  wie  schon  er- 
wähnt, sicher  ist,  daß  sie  Sports,  Mutationen  darstellen.  Es  war  also 
möglicherweise  gelungen,  hier  künstlich  Mutationen  zu  erzeugen;  der 
Beweis  dafür  kann  aber  nur  aus  ihrem  erblichen  Verhalten  geliefert 
werden.  Nachdem  schon  Standfuss  eine  Andeutung  davon  erhalten 
hatte,  ist  es  Fischer  gelungen,  ihn  zum  erstenmal  einigermaßen  sicher 
zu  stellen.  Er  erzeugte  durch  Frostwirkung  Aberrationen  von  Arctia 
caja,  die  sich  durch  starke  Verdunkelung  infolge  von  Verschmelzung 
der  Fleckenzeichnung  auszeichneten.  Ein  solches  Pärchen,  von  dem 
das  Männchen  viel  stärker  abgeändert  war  als  das  Weibchen  (Fig.  174, 
1  u.  2),  wurde  zur  Fortpflanzung  gebracht.  Es  entwickelten  sich  aus 
den  Eiern  173  Puppen  und  als  diese  schlüpften,  kamen  unter  den  Fal- 
tern, die  zuletzt  ausschlüpften,  17  Individuen  zum  Vorschein,  die  ebenso 
wie  die  Eltern  verändert  waren;   6  von  diesen  sind  in  Fig.  174,  3 — 8 

Golds  ch  m  i  dt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  2° 


—     434     — 

wiedergegeben.     Die  Männchen  erwiesen  sich  stärker  verändert  als  die 
Weibchen.      Wenn   auch    dieses   Resultat    noch   keineswegs   allen   An- 


Fig.   174. 

Künstlich  erzeugte  Temperaturaberrationen  von  Arctia  caja  (1  u.  2)  und  6  ihrer  Nach- 
kommen.    Nach  Fischer. 


forderungen  gerecht  wird  und  seine  exakte  Interpretation  durchaus 
nicht  so  einfach  ist,  so  bedeutet  es  doch  einen  sehr  wichtigen  ersten 
Schritt. 


—     435     — 

Hier  schließen  sich  nun  die  schon  so  oft  erwähnten  Studien  Towers 
an,  die  auch  in  diesem  Punkte  wirkliche  Klarheit  brachten.    Sie  gingen 
von  den  erwähnten  Beobachtungen  über  gelegentlich  besonders  reiches 
Auftreten  von  Mutanten  in  der  Natur  aus,  ebenso  wie  von  gelegent- 
lichen  Beobachtungen   im   Verlaufe   anderer   später   zu   besprechender 
Versuche,  bei  denen  mit  veränderten  äußeren  Bedingungen  gearbeitet 
wurde,    wobei    die   Zahl   der   Mutanten   beträchtlich   zunahm.      Schon 
Dorf  meist  er  hatte  bei  den  Temperaturexperimenten  mit  Schmetter- 
lingen erkannt,  daß  die  Wirkung  eintritt,  wenn  man  nur  die  eben  ge- 
bildeten Puppen  dem  Temperaturreiz  aussetzt,  daß  also  eine  besonders 
empfängliche,    eine    sensible    Periode    besteht.      Eine    ebensolche    ver- 
mochte nun  auch  Tower  festzustellen.    Wenn  die  Käfer  vor  der  Über- 
winterung  oder   aus   der    Puppe   ausschlüpfen,   sind   ihre   Geschlechts- 
produkte noch  nicht  entwickelt,  sie  machen  ihre  Entwicklung  erst  in 
den  folgenden  Tagen  durch,  und  zwar  entwickelt  sich  zuerst  ein  Satz 
Eier,  der  abgelegt  wird,  und  dann  ebenso  weitere.    Und  diese  Zeit  des 
Heranwachsens  der  Eier  hat  sich  als  die  sensible  Periode  für  die  Er- 
zeugung von  Mutationen  erwiesen.     Wurden  während  dieser  Zeit  die 
Käfer  extremen  äußeren  Bedingungen  wie  Hitze,  Trockenheit,  niederer 
Luftdruck  ausgesetzt,  so  erzeugten  sie  Mutationen  in  ungewöhnlicher 
Zahl.    So  wurden,  um  ein  Beispiel  zu  nennen,  4  Pärchen  von  L.  dece in- 
line ata  so  behandelt,  während  sich  der  erste  Eiersatz  ausbildete  und 
nachher   die    Jungen    unter   ganz   normalen    Bedingungen    aufgezogen. 
Aus  diesen  Eiern  kamen  96  Käfer  zur  Entwicklung,  von  denen  82  die 
Mutation    pallida,    2    die  Mutation    immaculothorax    darstellten, 
während    nur    14    gewöhnliche    decemlineata    schlüpften.      Wurden 
aber   die   folgenden   Eiersätze   unter   normalen    Bedingungen   gebildet, 
so    lieferten    sie    keine     Mutationen.      Zahlreiche    Experimente    auch 
mit  anderen  Arten  gaben  das  gleiche  Resultat,  und  es  braucht  wohl 
kaum  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  daß  sich  die  Mutanten  als 
völlig  erblich  erwiesen.    Aus  allen  diesen  Versuchen  sei  nur  noch  einer 
erwähnt,   weil  da  als  Mutation  nicht  eine   Färbungsvarietät,   sondern 
ein  neuer  physiologischer  Charakter  erschien.     Bei  einem  der  Versuche 
kamen   aus  einem   der  auf  Mutation   beeinflußten   Eiersätze   auch   20 
decemlineata  zum  Vorschein,   die  sichtlich  unverändert  waren.     Auch 

28* 


—     436     — 

ihre  Nachkommen  erschienen  völlig  unverändert.  Aber  als  die  Parallel- 
kulturen zu  überwintern  begannen,  blieben  diese  an  der  Oberfläche, 
und  es  zeigte  sich  schließlich,  daß  sie,  anstatt  der  normalen  zwei,  im 
ganzen  5  Generationen  bildeten,  bevor  sie  überwinterten.  Und  diese 
Eigentümlichkeit  behielten  sie  auch  im  nächsten  Jahr  bei,  es  war  eine 
Rasse  mit  der  erblichen  Eigenschaft  gebildet  worden,  in  einem  Zyklus 
5  Generationen  hervorzubringen,  eine  Fähigkeit,  die  in  der  Natur  keinem 
Glied  der  Gattung  zukommt.  Es  sei,  gewissermaßen  in  Parenthese, 
hinzugefügt,  daß  Wettstsein  im  Pflanzenreich  einen  ganz  analogen 
Fall  fand,  die  Entstehung  einer  einjährigen  Mutation  aus  dem  peren- 
nierenden Ranunculus.  alpestris.  Allerdings  wurde  dieser  Fall 
nicht  im  Experiment  erzeugt,  sondern  in  freier  Natur  aufgefunden. 

An  diesen  Resultaten  erscheint  nun  bemerkenswert,  daß  die  künst- 
liche Erzeugung  von  Mutanten  die  Einwirkung  der  betreffenden  Fak- 
toren während  einer  bestimmten  sensibeln  Periode  erfordert,  in  diesem 
Fall  der  Zeit  der  Reifung  der  Geschlechtsprodukte.  Es  ist  ja  auch 
nicht  weiter  merkwürdig,  daß  deren  Empfänglichkeitszustand  maß- 
gebend ist,  da  ja  neue  erbliche  Eigenschaften  sich  innerhalb  der  Erb- 
masse der  Geschlechtszellen  finden  und  bilden  müssen.  Auf  die  theo- 
retische Tragweite  dieser  Dinge  werden  wir  denn  auch  in  den  nächsten 
Vorlesungen  näher  einzugehen  haben.  Hier  wollen  wir  nur  noch  kurz 
Fälle  erwähnen,  die  sich  auf  die  Erzeugung  von  Mutationen  durch 
ungewöhnliche,  in  der  Natur  wohl  kaum  verwirklichte  Reize  beziehen. 
Der  eine  von  ihnen  erscheint  doppelt  interessant  dadurch,  daß  er  sich 
auf  die  de  Vriessche  Mutationspflanze  Oenothera  bezieht.  Mc  Dougal 
mit  seinen  Mitarbeitern  Shull  und  Vail  prüfte  die  Befunde  von  de  Vries 
nach  und  konnte  sie  in  allen  wichtigen  Punkten  bestätigen  und  vor 
allem  auch  durch  genaue  variationsstatistische  Betrachtung  erweitern. 
Bei  dieser  Gelegenheit  führte  er  dann  auch  Versuche  zur  experimen- 
tellen Erzeugung  von  Mutanten  und  zwar  durch  direkte  Beeinflussung 
der  Fort pflan zungsorgane  aus.  Es  wurden  verschiedene  Salzlösungen, 
wie  Zinksulfat,  Kalziumnitrat,  Kupfersulfat,  Zucker  in  die  Ovarien 
gespritzt  oder  diese  mit  Radium  bestrahlt.  In  manchen  Fällen  traten 
dann  Mutationen  in  relativ  hoher  Zahl  oder  auch  im  normalen  Zahlen- 
verhältnis auf.     In  gleicher  Weise  gelang  es  bei  einer  der  Oenothera 


—     437     — 

verwandten  patagonischen  Nachtkerze  Raimannia  odorata  cha- 
rakteristische Mutanten  zu  erzeugen,  die  ebenfalls  sich  bei  der  Fort- 
pflanzung in  mehreren  Generationen  als  konstant  erwiesen.  Eben- 
so vermochte  Gager  Oenotheramutanten  durch  Radiumbestrah- 
lung zu  erzeugen,  und,  auf  dem  Gebiete  des  Tierreichs,  Morgan  auf 
gleichem  Wege  Mutanten  der  Taufliege  Drosophila,  ausgezeichnet 
durch  helle  statt  rote  Augen  und  kurze  statt  lange  Flügel.  Allerdings 
hat  es  auch  nicht  an  Kritik  dieser  Versuche  gefehlt,  da  es  gar  nicht  fest- 
steht, ob  die  betreffenden  „Mutanten"  nicht  auch  ohne  den  Reiz  ent- 
standen wären.  Dazu  kommen  natürlich  noch  alle  Bedenken,  die  gegen 
die  Oenotheramutanten  überhaupt  sprechen.  Hier  ist  also  noch  man- 
cherlei zu  klären.  Immerhin  kann  man  jetzt  schon  sagen,  daß  ebenso 
wie  für  die  Modifikation  auch  für  die  Mutation  äußere  Einwirkungen 
als  Ursache  anzunehmen  sind.  Es  scheinen  aber  auch  innerer  eine 
Rolle  zu  spielen,  unter  denen  neben  unbekannten  vielleicht  die  Wirkung 
der  Inzucht  zu  nennen  wäre,  wie  aus  Morgans  Drosophila- Versuchen 
hervorgeht  und  wofür  ich  auch  neues  Material  erhalten  habe. 

Erbliche  Mutation  und  nicht  erbliche  Modifikation  dürfte  also  wohl 
durch  die  gleichen  Ursachen  bedingt  werden.  Wie  steht  es  nun  mit 
der  Quantität  der  Entfernung  der  Mutation  von  der  Stammart?  Man 
neigt  leicht  dazu,  mit  dem  Begriff  der  Mutation  die  Vorstellung  eines 
großen  Sprungs  zu  verbinden  und  mit  dem  der  Modifikation  die  einer 
minimalen  Veränderung.     Das  ist  nun  nicht  richtig. 

De  Vries  hatte  ja  ursprünglich  an  sehr  beträchtliche  Differenzen 
gedacht,  die  vor  allem  jenseits  des  Rahmens  der  normalen  Variabilität 
liegen  sollten  und  nicht  in  deren  Richtung,  richtungslos  aufträten. 
Für  diesen  oder  jenen  Fall  der  Sports,  besonders  solche  mehr  abnormer 
Richtung,  also  die  typischen  Verlustmutanten,  wie  sie  besonders  im 
Tierreich  vorkommen,  so  Hornlosigkeit  der  Haustiere,  überzählige 
Zehen  bei  Hühnern,  mag  das  auch  zutreffen.  Ob  es  aber  die  Regel  ist, 
muß  mehr  als  fraglich  erscheinen.  Es  hat  sich  vor  allem  gezeigt,  daß 
die  Mutationen  quantitativ  sehr  verschieden  sein  können.  Neben  den 
großen,  weit  von  der  Stammform  abführenden  Sprüngen  stehen  Mu- 
tanten, deren  Identität  nur  das  geübteste  Auge  oder  die  mathematisch- 
quantitative Betrachtung  feststellen  kann,  wie  etwa  bei  Johannsens 


—     438     — 

Mutationen  in  den  reinen  Bohnenlinien.  Und  in  allen  solchen  Fällen 
scheint  es,  daß  sie  sogar  typisch  in  der  Richtung  der  normalen  Fluktuation 
liegt.  Also  die  Quantität  des  Sprunges  ist  für  den  Begriff  der  Mutation 
gleichgültig,  ebenso  wie  das  quantitative  Moment  auch  für  den  der 
Modifikation  gleichgültig  ist:  der  einzige  wesentliche  Charakter  ist  die 
Erblichkeit.  Auch  die  geringste  erbliche  Veränderung  ist  eine  Muta- 
tion, eine  noch  so  große  nicht  erbliche  Veränderung  ist  eine  Modifika- 
tion oder  Fluktuation. 

Und  nun  kehren  wir  zu  unserem  Ausgangspunkt  zurück:  besteht 
die  von  Darwin  als  selbstverständlich  angenommene  Möglichkeit,  daß 
eine  nicht  erbliche  Variation  erblich  wird,  daß  auf  dem  Weg  über  eine 
Modifikation  eine  Mutation  entsteht?  In  der  üblichen  Bezeichnung 
aber  lautet  diese  Frage  auch :  ist  eine  Vererbung  individuell  erworbener 
Eigenschaften  denkbar?  Betrachten  wir  diese  heißumstrittene  Frage 
zuerst  einmal  mehr  allgemein;  denn  in  der  Neuzeit  sind  einige  nam- 
hafte Biologen  zur  Anschauung  gelangt,  daß  es  gar  nicht  mehr  lohnt, 
diese  Frage  ernsthaft  zu  erörtern,  da  durch  die  Entdeckungen,  mit 
denen  wir  uns  bisher  befaßt  haben,  die  logische  Unmöglichkeit  jener 
Annahme  erwiesen  sei.  Sehen  wir  also  zunächst  zu,  ob  das  wirklich 
der  Fall  ist. 

Die  historische  Rolle,  die  unserm  Problem  zukommt,  ist  ja  all- 
bekannt. Es  ist  das  unsterbliche  Verdienst  La marcks,  die  grundlegende 
Bedeutung  dieser  Frage  für  die  Abstammungslehre  zuerst  erkannt  zu 
haben.  Indem  er  sie  bejahte,  suchte  er  die  Grundlage  für  die  Veränder- 
lichkeit der  Tierformen  zu  legen,  um  auf  ihr  aufbauend  die  Tatsachen 
der  Anpassung  an  die  Umgebung  zu  erklären.  Dieser  aus  dem  Bedürfnis 
nach  Vollkommenheit  abgeleitete  Erklärungsversuch  hat  ja  bekanntlich 
in  der  Neuzeit  seine  Auferstehung  gefeiert  und  vor  allem  durch  Pauly 
eine  philosophische  Durcharbeitung  erfahren.  Da  er  sich  aber  zunächst 
noch  nicht  mit  der  exakten  Methode  des  Experiments  behandeln  läßt,  so 
braucht  er  uns  auch  hier  nicht  weiter  zu  beschäftigen.  'Wohl  ist  das 
aber  der  Fall  mit  dem  ersten  Teil  von  La  marcks  Lehre,  mit  der  Ver- 
erbung erworbener  Eigenschaften. 

In  La  marcks  Konzeption  spielen  eine  besondere  Rolle  die  inneren, 
physiologischen   Faktoren,   die   die   Organisation   der  Tiere   verändern, 


—     439     — 

vor  allem  die  Wirkung  von  Gebrauch  und  Nichtgebrauch.  Ein  stark 
in  Anspruch  genommenes  Organ  nimmt  zu,  ein  unbenutztes  bildet  sich 
zurück.  Vererben  sich  solche  Veränderungen,  so  ist  eine  allmähliche 
Steigerung  in  dieser  oder  jener  Richtung  denkbar.  Das  klassische 
Beispiel  dafür  ist  die  Rückbildung  der  Augen  von  im  Dunkeln  leben- 
den Tieren,  Da  es  keinem  Zweifel  unterliegt,  daß  sie  ebenso  wie  ihre 
nächsten  Verwandten  einst  gut  ausgebildete  Augen  besaßen,  so  ist  es 
der  Nichtgebrauch,  der  die  Organe  atrophieren  ließ,  und  indem  diese 
erworbene  Variation  erblich  wurde,  entstanden  schließlich  von  Geburt 
an  und  erblich  augenlose  Tiere.  Die  Nach-Lamarcksche  Entwick- 
lungslehre, die  ja  vor  allem  an  den  Namen  Darwins  geknüpft  ist, 
hat  nun  bekanntlich  dadurch  vor  allem  ihren  durchschlagenden  Erfolg 
errungen,  daß  sie  in  dem  Zucht  Wahlprinzip  eine  bessere  Erklärung  der 
Anpassungserscheinungen  geben  konnte,  als  es  Lamarck  vermochte. 
Die  Grundlagen  aber  jenes  Versuchs,  die  Erblichkeit  der  milieubedingten 
Variationen,  hat  sie  zunächst  unverändert  übernommen.  So  schreibt 
Darwin  in  der  schon  mehrfach  erwähnten  frühen  Fassung  seiner  Lehre 
aus  dem  Jahre  1844:  ,, Unter  gewissen  Bedingungen  werden  organische 
Wesen  selbst  während  ihres  individuellen  Lebens  von  ihrer  gewohnten 
Form,  Größe,  oder  anderen  Charakteren  weg  etwas  verändert:  und 
viele  dieser  so  erworbenen  Besonderheiten  werden  auf  ihre  Nachkommen- 
schaft vererbt.  So  werden  bei  den  Tieren  Größe  und  Kraft  des  Körpers, 
Mästung,  Reifezeit,  Charaktere  des  Körpers,  der  Bewegungen,  des 
Verstandes  und  Temperaments  verändert  oder  während  des  indivi- 
duellen Lebens  erworben  und  dann  vererbt.  Man  hat  allen  Grund 
zu  glauben,  daß,  wenn  lange  Übung  gewisse  Muskeln  stark  entwickelt 
oder  Nichtgebrauch  sie  geschwächt  hat,  dies  auch  vererbt  wird." 

Erst  in  der  Neuzeit  wurden  ernste  Zweifel  an  der  Möglichkeit  der 
Vererbung  der  erworbenen  Eigenschaften  wach,  und  jetzt  sehen  wir 
die  Biologen  in  zwei  Lager  gespalten,  zwischen  denen  eine  Verständigung 
zunächst  noch  nicht  möglich  erscheint.  Diese  Veränderung  ging  von 
theoretischen  Auffassungen  aus,  die  als  extremer  Darwinismus  be- 
zeichnet werden  können.  Weismann  war  es,  der  in  den  achtziger 
Jahren  den  Versuch  unternahm,  die  Abstammungslehre  auf  eine  extrem 
ausgebaute  Zuchtwahllehre  zu  basieren,  und  die  im  Anschluß  daran 


—     440     — 

von  ihm  ausgearbeitete  Vererbungstheorie  führte  ihn  dazu,  die  Ver- 
erbung erworbener  Eigenschaften  als  unmöglich  abzulehnen.  Wenn 
wir  auch  in  diesen  Vorlesungen  uns  bemühen  wollen,  die  Theorien 
weit  hinter  den  Tatsachen  zurücktreten  zu  lassen,  so  ist  es  in  diesem 
Fall  nicht  anders  möglich,  als  die  Schilderung  der  Tatsachen  von  den 
theoretischen  Voraussetzungen  ausgehen  zu  lassen.  Haben  sie  doch 
den  eigentlichen  Anstoß  zur  experimentellen  Erforschung  des  Problems 
gegeben,  und  wird  doch  die  Tragweite  der  positiven  Resultate  viel- 
fach nur  im  Zusammenhang  mit  ihrem  theoretischen  Ausgangspunkt 
verständlich. 

Es  ist  uns  nun  schon  öfters  die  Vorstellung  begegnet,  daß  sich  in 
den  Geschlechtszellen,  die  ja  die  ganze  Erbmasse  des  Organismus  ent- 
halten, Vertreter  aller  jener  unzähligen  Eigenschaften  finden  müssen, 
aus  denen  ein  Lebewesen  besteht.  Es  ist  dabei  zunächst  gleichgültig, 
in  welcher  Weise  wir  uns  diese  Erbeinheiten,  die  Gene  oder  Determi- 
nanten, vorstellen  wollen,  ferner  ob  wir  jeder  Eigenschaft  eine  Deter- 
minante zuordnen  oder  im  Anschluß  an  Rhumbler  uns  mit  einer 
geringeren  Zahl  von  Genen  begnügen,  als  Eigenschaften  vorhanden 
sind.  Weis  mann  stellt  sich  nun  vor,  daß  die  Ausbildung  der  Zellen 
des  Körpers  zu  bestimmten  Organen  oder  Funktionen  im  Lauf  der 
Entwicklung  so  zustande  kommt,  daß  die  Determinanten  der  Erb- 
masse auseinander  geteilt  werden,  und  so  schließlich  eine  jede  in  die 
bestimmte  Zelle  gelangt,  deren  Wesen  sie  determinieren  soll.  Nun  haben 
aber  alle  die  Geschlechtszellen  der  kommenden  Generation  die  Fähig- 
keit, den  gleichen  Organismus  wieder  hervorzubringen,  sie  müssen 
also  in  ihrer  Erbmasse,  oder,  in  Weismanns  Ausdrucksweise,  ihrem 
Keimplasma,  auch  das  gesamte  Determinantenmaterial  besitzen. 
Die  Bildung  von  so  beschaffenen  Geschlechtszellen  ist  demnach  nur 
denkbar,  bevor  die  Aufteilung  der  Determinanten  auf  die  Körperzellen 
vor  sich  geht.  Die  einfachste  Weise,  sie  sich  vorzustellen,  wäre  dem- 
nach die,  daß  die  befruchtete  Eizelle  sich  zunächst  in  zwei  gleiche  Zellen 
teilt.  Von  diesen  behielte  die  eine  ihr  ganzes  Determinantenmaterial 
und  übertrüge  es  als  Ganzes  auf  die  aus  ihr  entstehenden  Tochter- 
zellen. Aus  diesen,  die  somit  die  ganze  Erbmasse  enthalten,  entständen 
dann  ausschließlich  die  Geschlechtszellen.     Die  andere  Zelle  aber  hält 


—     441     — 

in  ihren  weiteren  Teilungen  die  Determinanten  nicht  beisammen,  sie 
verteilen  sich  auf  die  Tochterzellen  und  bestimmen  so  deren  Entwick- 
lungsrichtung. Aus  ihren  Derivaten  geht  somit  der  ganze  übrige  Kör- 
per, das  Soma,  hervor.  Es  besteht  somit  ein  prinzipieller  Gegensatz 
zwischen  Soma  und  Keimplasma.  Das  letztere  hat  eine  Kontinuität 
von  Generation  zu  Generation,  ist  dem  Körper  gegenüber  sozusagen 
unsterblich.  Ist  das  aber  der  Fall,  so  können  neue  Eigenschaften  oder 
Veränderungen  nur  in  dem  Determinantenkomplex  des  Keimplasma 
entstehen.  Was  am  Soma  sich  ereignet,  berührt  das  kontinuierliche 
und  von  Anfang  an  reservierte  Keimplasma  nicht.  Mit  anderen  Worten 
ausgedrückt  heißt  das  aber,  somatische  Veränderungen,  oder,  wie  man 
gewöhnlich  sagt,  erworbene  Eigenschaften  sind  nicht  erblich.  So  sieht 
in  kurzen  Zügen  das  berühmte  Ideengebäude  aus,  von  dem  aus  unser 
Problem  seine  Neuorientierung  erfuhr. 

Es  ist  also  ersichtlich,  daß  sich  Weismanns  gesamte  Schlußfolge- 
rungen auf  der  Determinantenlehre  aufbauen.  Man  könnte  ihre  Be- 
rechtigung also  prüfen,  indem  man  jene  Lehre  einer  kritischen  Be- 
trachtung unterzieht,  wie  es  seine  zahlreichen  Gegner  auch  getan  haben. 
Wir  wollen  diesen  Weg  aber  nicht  einschlagen,  da  unser  Problem,  die 
Vererbbarkeit  erworbener  Eigenschaften,  ein  solches  ist,  das  unab- 
hängig von  theoretischen  Voraussetzungen  behandelt  werden  kann 
und  muß.  Sagt  doch  auch  Weis  mann  selbst  darüber:  „Fürs  erste 
aber  müssen  wir  die  Tatsachen  zu  Rate  ziehen  und  uns  von  ihnen  allein 
leiten  lassen.  Beweisen  sie,  oder  machen  sie  auch  nur  wahrscheinlich, 
daß  eine  solche  Vererbung  existiert,  so  muß  dieselbe  auch  möglich  sein 
und  unsere  Aufgabe  ist  nicht  mehr  sie  zu  leugnen,  sondern  ihre  Möglich- 
keit verstehen  zu  lernen."  Aber  ein  wesentlicher  Punkt  aus  WTeis- 
manns  Theorien  muß  einer  gesonderten  Betrachtung  unterzogen 
werden,  weil  er  in  wirklich  enger  Beziehung  zu  vielen  Beobachtungs- 
tatsachen steht  und  weil  die  kritische  Würdigung  der  Tragweite  der 
später  anzuführenden  Experimente  vielfach  auf  ihn  zurückgreifen 
muß:  die  Lehre  von  der  Kontinuität  des  Keimplasma. 

Wie  wir  gesehen  haben,  erfordert  sie  eine  scharfe  Trennung  des 
Soma  von  dem  in  den  Geschlechtszellen  —  vielleicht  ihren  Chromo- 
somen, wie  wir  in  der  ersten  Vorlesung  sahen  —  gegebenen  Keimplasma. 


—     442     — 

Dies  soll  eine  substantielle  Kontinuität  von  Generation  zu  Generation 
besitzen,  stellt  also  gewissermaßen  die  gerade  Linie  dar,  die  die  Gene- 
rationen einer  Art  von  Lebewesen  miteinander  verbindet,  an  der  das 
Soma  als  vergänglicher  Seitenzweig  sitzt.  Wäre  diese  Idee  eine  ein- 
fache theoretische  Fiktion,  so  könnten  wir  sie  ruhig  zunächst  auf  sich 
beruhen  lassen;  das  ist  aber  nicht  der  Fall,  es  gibt  vielmehr  eine  Reihe 
von  Tatsachen,  die  ihr  für  manche  Fälle  Realität  verleihen.  Solche 
Tatsachen  müssen  nun  derart  beschaffen  sein,  daß  sich  die  Geschlechts- 
zellen eines  Individuums  in  seiner  Entwicklung  als  wohl  abgegrenzte 
Einheiten  rückwärts  verfolgen  lassen  bis  zum  befruchteten  Ei,  eine 
kontinuierliche  Reihe,  die  man  als  Keimbahn  bezeichnet.  Und  es 
gibt  in  der  Tat  nicht  wenige  Vertreter  verschiedenartiger  Tiergruppen, 
bei  denen  das  der  Fall  ist.  Vielleicht  der  typischste  Fall  ist  der  von 
Boveri  entdeckte  der  Keimbahn  von  Ascaris  megalocephala. 
Er  ist  dadurch  so  besonders  klar,  daß  bei  diesem  Spulwurm  eine  cha- 
rakteristische zelluläre  Differenz  zwischen  den  Geschlechtszellen  und 
Körperzellen  besteht.  Während  erstere  in  ihren  Kernen  4  bzw,  bei 
einer  anderen  Varietät  2  große  schleifenförmige  Chromosomen  ent- 
halten, besitzen  letztere  zahlreiche  kleine,  stäbchenförmige.  Das  be- 
fruchtete Ei  enthält  4  Chromosomenschleifen ;  teilt  es  sich  dann  in  zwei 
Furchungszellen,  so  bleiben  sie  in  einer  erhalten,  in  der  anderen  aber 
zerfallen  sie  in  viele  kleine  Körner,  wobei  die  Schleifenenden  zugrunde 
gehen  (Fig.  175).  Die  erstere  Zelle  gibt  dann  bei  ihrer  weiteren  Teilung 
eine  Tochterzelle  mit  Schleifenchromosomen  und  eine  solche,  bei  der 
der  Zerfall  mit  der  Zerstörung  der  Schleifenenden,  die  Diminution, 
stattfindet  und  so  geht  es  immer  weiter,  wie  es  das  Vierzellenstadium 
in  Fig.  175D  zeigt.  Die  Zelle  aber  mit  den  4  Schleifenchromosomen  er- 
weist sich  als  die  Keimbahnzelle,  nur  aus  ihr  gehen  später  die  Geschlechts- 
zellen hervor,  alle  anderen  aber,  die  die  Diminution  erfahren  haben, 
geben  das  Soma  mit  all  seinen  Elementen.  Hier  ist  also  während  der 
ganzen  Entwicklung  eine  wirklich  nachweisbare  Trennung  von  Soma 
und  Keimplasma  mit  Kontinuität  des  letzteren  gegeben. 

Wenn  auch  außerhalb  der  kleinen  Gruppe  der  Nematoden  eine  so 
klare  Charakterisierung  einer  Keimbahn  durch  Differenzen  der  Zell- 
kerne nicht  wieder  bekannt  geworden  ist,  so  hat  sich  doch  in  vielen 


—     443     — 

Fällen  eine  echte  Keimbahn  durch  genaues  Verfolgen  der  Entwicklung 
von  Zelle  zu  Zelle  erweisen  lassen,  so  bei  Würmern,  Krebsen,  Insekten. 
Ja  es  scheint  sich  sogar  immer  mehr  herauszustellen,  daß  in  solchen 
Fällen  die  Keimbahn  auch  von  Anfang  an  durch  die  Anwesenheit  be- 
sonderer Substanzen  morphologisch  charakterisiert  ist.  Die  betreffen- 
den Zellen  der  Keimbahn  enthalten,  diesmal  nicht  im  Kern,  sondern 


Fig.  175. 

Zwei-  und  Vierteilung  des  Ascariseies.     Die  Zellen  s,  in  denen  die  Chromosomen   nicht 
zerfallen,  bezeichnen  die  Keimbahn.     Nach  Boveri  aus  Wilson. 


im  Protoplasma,  Bestandteile,  die  nur  ihnen  zukommen  und  deren 
Herkunft  unter  Umständen  eine  sehr  absonderliche  sein  kann,  wie  es 
von  Buchner  für  Pfeilwürmer,  von  Weis  mann,  Amma  u.  a.  für 
Krebse,  von  Ritter,  Kahle,  Silvestri  u.  a.  für  Insekten  gezeigt 
werden  konnte.  Bemerken  wir  schließlich  noch,  daß  eine  solche  prin- 
zipielle  Differenz  von   Soma  und  Keimplasma  sogar  schon   innerhalb 


—     444     — 

der  einfachen  Protozoenzelle  durchgehends  vorhanden  zu  sein  scheint 
(Schaudinn,  Goldschmidt),  so  erscheint  die  Weismannsche  An- 
nahme einer  Kontinuität  des  Keimplasma  in  der  Tat  höchst  verführe- 
risch. Die  logische  Konsequenz  dieser  Anschauung  ist  aber,  daß  neue 
Erbeigenschaften  nur  aus  inneren  Veränderungen  des  Keimplasmas 
heraus  entstehen  können  und  daß,  mag  am  Soma  vorgehen  was  da 
will,  der  Determinantenschatz  des  Keimplasmas  davon  nicht  betroffen 
wird. 

Im  Prinzip  ist  es  eigentlich  der  gleiche  Weg,  auf  dem  nun  die  neuere 
Erblichkeitslehre  zum  selben  Schluß  kommt;  hier  ist  es  Johanns ens 
Genotypenlehre,  die  den  Ausgangspunkt  bildet.  Wir  erinnern  uns  an 
die  Unterscheidung  von  Genotypus  und  Phänotypus.  Das  äußere 
Aussehen  des  Organismus,  sein  Phänotypus,  gibt  keine  Auskunft  über 
seine  genotypische  Beschaffenheit,  über  die  Zusammensetzung  seiner 
Erbmasse  aus  bestimmten  Genen.  Das  was  vererbt  wird,  ist  eine  Re- 
aktionsnorm, die  Fähigkeit  unter  bestimmten  äußeren  Bedingungen 
bestimmte  Gestaltung  anzunehmen,  z.  B.  auf  dem  Land  ganze,  im  Wasser 
zerschlissene  Blätter  zu  bilden.  Eine  durch  äußere  Einflüsse  bewirkte 
Veränderung  trifft  daher  die  genotypische  Beschaffenheit  nicht,  so 
wenig,  wie  es  einen  Menschen  berührt,  wenn  er  einen  anderen  Über- 
rock anzieht.  Eine  Veränderung  der  Reaktionsnorm  kann  also  nur 
aus  dieser  selbst  heraus  erfolgen  und  das  ist  eben  eine  Mutation.  Die 
Richtigkeit  dieser  Anschauung  wurde  vor  allem  durch  den  Nachweis 
der  Wirkungslosigkeit  der  Auswahl  von  Plus-  oder  Minusabweichern  in 
reinen  Linien  erwiesen.  Sie  stützt  sich  aber  auch  auf  die  Ergebnisse  der 
Bastardierungsversuche,  die  ja  so  klar  die  Bedeutungslosigkeit 
des  Phänotypus  für  die  Erblichkeit  zeigen:  aus  Heterozygoten  spalten, 
auch  wenn  sie  noch  so  lange  als  Heterozygoten  bestanden,  doch  immer 
wieder  die  reinen  Dominanten  und  Rezessiven  heraus,  die  Keimzellen 
vererben  eben  das,  was  sie  von  den  Eltern  mitbekommen  haben,  nach 
seinem  Gesetz,  unabhängig  von  der  Beschaffenheit  des  Somas,  in  dem 
sie  liegen. 

Folgt  nun  daraus  wirklich  die  logische  Unmöglichkeit  einer  Ver- 
änderung der  genotypischen  Beschaffenheit  als  Folge  einer  somatischen 
Veränderung?     Was  den  Fall  der  Bastardierungsgesetze  zunächst  an- 


— -     445     — 

geht,  so  scheint  uns,  daß  er  gar  nichts  mit  dieser  Frage  zu  tun  hat. 
Wenn  es  das  Wesen  des  heterozygoten  Zustandes  ist,  daß  die  Erb- 
faktoren sich  so  in  der  Erbmasse  vorfinden,  daß  sie  bei  der  Gameten- 
bildung  wieder  getrennt  werden,  so  ist  da  eben  ein  durch  die  Bastar- 
dierung bedingter  Mechanismus  gegeben,  der  mit  der  gleichen  Prä- 
zision arbeitet  wie  der  gewöhnliche  Erbmechanismus.  Der  erscheinende 
Phänotypus  ist  also  die  Konsequenz  jenes  Verhaltens  der  Gene,  ohne 
daß  dabei  eine  äußere  Komponente  eine  Rolle  spielt.  Erst  wenn  diese 
hinzukäme,  könnte  man  dann  aus  dem  weiteren  Verhalten  etwas  schlie- 
ßen. Was  aber  die  Unwirksamkeit  der  Selektion  in  reinen  Linien  be- 
trifft, so  besagt  dies  doch  nur,  daß  im  gegebenen  Fall  der  modifizierende 
Reiz  eine  Reaktion  innerhalb  der  ererbten  Reaktionsnorm  am  Orga- 
nismus hervorgerufen  hat,  deren  Eintreten  nicht  auf  die  Beschaffen- 
heit der  Gene  zurückwirkt.  Es  folgt  aber  daraus  nicht,  daß  bei  ge- 
nügender Intensität  des  modifizierenden  Reizes  und  adäquatem  Zu- 
stand der  Erbmasse,  eine  am  Soma  ausgelöste  Modifikation  nicht  auf 
die  Gene  sie  verändernd  rückwirken  kann.  Die  Möglichkeit  des  Her- 
vorrufens  einer  Mutation  durch  Rückwirkung  eines  modifizierten  Soma 
auf  die  Beschaffenheit  der  Gene,  und  das  ist  die  Vererbung  erworbener 
Eigenschaften  oder  somatische  Induktion,  kann  also  nicht  als  wider- 
legt gelten. 

Man  könnte  nun  sagen,  daß  eigentlich  die  Frage  schon  durch  die 
Tatsache  entschieden  ist,  daß  der  gleiche  äußere  Reiz  eine  Eigenschaft 
als  Modifikation  wie  als  Mutation  hervorrufen  kann.  Die  Anhänger 
der  Anschauung  von  der  Unmöglichkeit  somatischer  Induktion  sagen 
in  diesem  Fall  aber,  daß  die  Mutation  durch  direkte  Bewirkung  des 
Keimplasmas  bedingt  sei,  daß  der  Reiz  ohne  Vermittlung  das  Soma 
traf.  Wenn  aber  die  gleiche  Veränderung  durch  das  veränderte  Keim- 
plasma vererbt  wird,  auch  wie  sie  am  Soma  auftritt,  etwa  wie  in  dem 
früher  beschriebenen  Fall  des  Melanismus  der  Arctia  caja,  so  sprechen 
sie  von  einer  Parallelinduktion,  nehmen  also  an,  daß  der  Reiz 
einesteils  das  Soma  es  verändernd  traf,  andernteils  aber  das  Keim- 
plasma direkt  traf,   das  dann  in  paralleler  Weise  verändert  wird. 

Man  hat  versucht,  eine  solche  Anschauung  auch  auf  Tatsachen 
zu  stützen,  nämlich  auf  die  schon   früher  besprochenen  Experimente 


—     44G     — 

von  Fischer  und  Tower.  Wir  hatten  gesehen,  daß  es  vor  allem  Tower 
gelungen  war,  durch  Einwirkung  veränderter  äußerer  Bedingungen 
beim  Koloradokäfer  Mutationen  oder  extreme  Variationen  zu  erzeugen. 
Das  interessante  Resultat,  das  er  bei  diesen  Experimenten  erzielte, 
war  nun  das,  daß  die  Mutationen  nur  auftraten,  wenn  die  Einwirkung 
zu  einer  bestimmten  Zeit  stattfand.  Wenn  die  Koloradokäfer  aus  der 
Erde  kommen,  beginnen  ihre  Geschlechtszellen  heranzuwachsen  und 
wenn  die  Eier  abgesetzt  werden,  reift  ein  neuer  Satz  wieder  heran. 
Diese  Periode  des  Heranreifens  erwies  sich  nun  als  die  einzige,  in  der 
Mutationen  erzeugt  werden  können,  die  sensible  Periode;  es  ist  ja  auch 
für  die  Temperaturaberrationen  der  Schmetterlinge  schon  von  lange 
her  bekannt,  daß  sie  am  besten  in  einer  bestimmten  Zeit  des  Puppen- 
lebens hervorgerufen  werden,  und  in  Fischers  Erblichkeitsexperi- 
menten waren  sie  ja  auch  in  dieser  sensiblen  Periode  erzeugt.  Wurden 
also  Käfer  während  der  Reifung  des  ersten  Eisatzes  den  Bedingungen 
des  Experiments  ausgesetzt,  so  bestand  ihre  Nachkommenschaft  vor- 
wiegend aus  Mutanten,  wurde  dann  der  zweite  Satz  normal  gebildet, 
so  gab  er  auch  normale  Nachkommenschaft.  In  beiden  Fällen  hatte 
das  Tier  selbst  aber  keine  sichtbare  Veränderung  erlitten.  Nun  haben 
wir  aber  früher  gesehen,  daß  durch  Lebenslageveränderungen,  die  auf 
das  heranwachsende  Tier  selbst  wirken,  an  diesem  Variationen  er- 
zeugt werden,  die  aber,  wie  auch  die  natürlichen  Lebenslagevariationen, 
nicht  erblich  sind.  (Tower  vergleicht  sie  mit  einem  Regenmantel, 
den  man  bei  schlechtem  Wetter  anzieht,  der  aber  doch  keine  Verände- 
rungen an  seinem  Träger  hervorbringt.)  Und  daraus  wird  dann  der 
Schluß  gezogen,  daß  es  in  diesem  Versuch  gelungen  ist,  die  Einwirkung 
auf  Soma  und  Geschlechtszellen  zu  trennen,  indem  in  ersterem  Fall 
zwar  die  Geschlechtszellen  aber  nicht  das  Soma  direkt  beeinflußt  wurden, 
in  letzterem  Fall  keines  von  beiden. 

Aus  diesen  Versuchen  geht  nun  in  der  Tat  hervor,  daß  eine  Ver- 
änderung der  Erbmasse  nur  in  einem  bestimmten  Zustand  der  Keim- 
zellen, ihrer  sensiblen  Periode,  möglich  ist.  Es  geht  ferner  daraus  her- 
vor, daß  diese  Periode  mit  einer  Zeit  zusammenfallen  kann,  in  der  sich 
eine  somatische  Veränderung  aus  physiologischen  Gründen  nicht  mehr 
erzielen  läßt;  ausgefärbte  Tiere  werden  eben  nicht   mehr  umgefärbt. 


447 

In  andern  Fällen  aber,  wie  bei  Fischers  Versuchen,  wird  auch  das 
Soma  noch  sichtbar  getroffen,  da  die  Ausfärbung  erst  nach  der 
sensibeln  Periode  erfolgt.  Kann  man  also  wirklich  aus  solchen  Ver- 
suchen schließen,  daß  das  Keimplasma  ohne  Vermittlung  des  Soma 
betroffen  wurde?  Mir  scheint,  nicht.  Und  so  stehen  wir  auf  dem 
Standpunkt,  daß  die  Möglichkeit  somatischer  Induktion  nicht  auf 
Grund  unserer  jetzigen  Kenntnisse  einfach  verneint  werden  kann, 
sondern  daß  sie  genau  wie  irgendeine  andere  Frage  nur  auf  Grund 
experimenteller  Daten  zu  lösen  ist.  Lernen  wir  daher  einiges 
von  dem  Material  kennen,  was  hier  im  Vordergrund  des  Interesses 
steht. 

Da  es  gilt,  die  Frage  zu  lösen,  ob  eine  Übertragung  somatischer  Ver- 
änderungen auf  die  Keimzellen  möglich  ist,  so  hat  es  ein  gewisses  Inter- 
esse, zunächst  die  Vorfrage  zu  beleuchten,  ob  und  in  welcher  Weise 
die  Übertragung  bekannter  Stoffe  aus  dem  Körper  in  die  Geschlechts- 
zellen möglich  ist.  Daß  dieser  Weg  in  der  Tat  gangbar  ist,  läßt  sich 
auf  verschiedene  Art  beweisen.  In  der  elementarsten  Form  geschieht 
es  durch  Übertragung  körperfremder  Substanzen  wie  gewisser  Farb- 
stoffe durch  das  Soma  über  die  Keimzellen  zur  Nachkommenschaft. 
So  wurde  der  Fettfarbstoff  Sudan,  den  Sitowsky  an  Pelzmotten, 
Riddle  an  Hühner  und  Schildkröten  verfütterte,  in  den  Eiern  ab- 
gelagert und  auch  auf  die  Nachkommenschaft  übertragen.  Und  der 
damit  als  möglich  erwiesene  Weg  wird  dann  auch  unter  Umständen 
von  vom  Körper  selbst  auf  unnormale  Reize  hin  gelieferten  Substanzen 
eingeschlagen.  Das  beweisen  vor  allem  die  Erfahrungen  der  erblichen 
Immunität.  Bekanntlich  hat  der  Organismus  die  Fähigkeit,  der  Ver- 
giftung durch  die  Produkte  von  Krankheitserregern  vielfach  dadurch 
zu  begegnen,  daß  er  spezifische  Schutzstoffe  bildet,  die  ihm  eine  Im- 
munität gegen  die  gleiche  Schädigung  verleihen.  Es  ist  nun  bekannt, 
daß  diese  experimentell  erzeugte  Immunität  noch  auf  die  Nachkommen 
übertragen  werden  kann.  So  lange  die  Übertragung  allerdings  nur 
beim  Säugetier  von  Mutter  auf  Kind  bekannt  war,  konnte  sie  als  durch 
das  Blut  bei  der  embryonalen  Ernährung  im  Uterus  übertragen  ge- 
dacht werden.  Wenn  es  aber  gelungen  ist  zu  zeigen,  (was  übrigens 
wieder   bestritten  wird),  daß  auch  vom  Vater  die  erworbene  Immunität 


—     448     — 

übertragen  werden  kann,  so  ist  der  Beweis  als  erbracht  anzusehen, 
daß  die  Immunstoffe  vom  Soma  auf  die  Geschlechtszellen  über- 
gehen. 

Damit  ist  aber  gesagt,  daß  der  chemische  Leitungsweg,  der  vom 
Soma  zu  den  Geschlechtszellen  führt,  im  Prinzip  genau  der  gleiche  ist 
wie  der,  der  von  einer  Körperzelle  zur  anderen  führt.  Für  die  einfache 
Übertragung  einer  Eigenschaft  von  einer  zur  anderen  Zelle  gibt  es  aber 
Beispiele,  die  sich  nicht  nur  auf  die  Zellen  im  Gewebsverband  beziehen, 
sondern  auch  auf  frei  sich  teilende  Zellen  bei  ungeschlechtlicher  Ver- 
mehrung, Beispiele,  die  somit  unserem  Problem  um  einen  Schritt  näher 
stehen.  Während  Untersuchungen  dieser  Art  an  Infusorien  (Jennings) 
bisher  noch  keine  klaren  Resultate  zeitigten,  hat  man  an  Mikroorga- 
nismen mancherlei  interessante  Befunde  erzielen  können.  Goebel 
vermochte  den  blutroten  Micrococcus  prodigiosus,  auf  dessen 
Wachsen  bekanntlich  die  Erscheinung  der  blutenden  Hostie  beruht, 
durch  Kultur  auf  alkalischem  Agar  weiß  umzuzüchten.  Wuchs  er 
lange  genug  so  und  kam  dann  wieder  auf  Kartoffel  zurück,  so  blieb  er 
noch  eine  Zeitlang  weiß.  Neuere  Studien  über  den  gleichen  Gegen- 
stand haben  gezeigt  (Wolf),  daß  man  durch  Chemikalienwirkung  auch 
bei  ganz  reinem  Ausgangsmaterial  (reine  Linien)  derartige  Verände- 
rungen erzielen  kann,  die  teils  nach  Aufhören  der  Kulturbedingungen 
wieder  zurückschlagen,  teils  auch  erhalten  bleiben.  Es  gibt  bereits 
eine  umfangreiche  Literatur  über  den  Gegenstand,  die  zeigt,  daß 
solche  Veränderungen  bald  mit  dem  Individuum  erlöschen,  bald  über 
mehr  oder  weniger  „Generationen"  erhalten  bleiben,  um  dann  zu  er- 
löschen, bald  auch  dauernd  bestehen  bleiben:  also  alle  Stufen  von  der 
Modifikation  über  die  Nachwirkung  bis  zur  sogenannten  Mutation. 
In  diesem  wie  in  anderen  Fällen,  etwa  Hansens  Erzeugung  der  Ober- 
hefe durch  „Mutation",  ist  also  erwiesen,  daß  eine  künstliche  Verände- 
rung in  einer  Zelle  so  weitgehend  sein  kann,  daß  sie  bei  der  Zellteilung 
dauernd  auf  die  Derivate  übertragen  wird.  Wir  haben  also  erstens 
die  Möglichkeit  einer  stofflichen  Übertragung  im  Raum,  von  einer 
Zelle  zur  anderen,  zweitens  eine  solche  in  der  Zeit,  von  einer  Zelle  zu 
ihren  Derivaten.  Letztere  kann  eine  vorübergehende  sein,  oder  eine 
dauernde,  erbliche.     Welcher  Art  sie  ist,  muß  ja  wohl  von  dem  W7esen 


—    449    — 

der  im  Experiment  erzeugten  Substanzen  abhängen.  Somit  muß  auch 
eine  Übertragung  von  somatischen  Abänderungen  auf  die  Nachkommen 
möglich  sein,  vorausgesetzt,  daß  die  betreffenden  abgeänderten  Sub- 
stanzen zu  den  Geschlechtszellen  geleitet  werden,  was  sich  als  prin- 
zipiell möglich  erwies,  und  vorausgesetzt,  daß  sie  derart  sind,  daß  sie 
in  der  „Erbmasse"  die  entsprechenden  nicht  abgeänderten  dauernd 
ersetzen,  was  sich  eben  auch  als  möglich  zeigte.  Es  ist  nunmehr  nur 
fraglich,  ob  der  so  als  gangbar  erwiesene  Weg  der  stofflichen  Über- 
tragung nicht  etwas  von  dem  Vorgang  der  Vererbung  neuer  soma- 
tischer Eigenschaften  gänzlich  Verschiedenes  darstellt?  Die  Frage 
darf  aber  nur  an  der  Hand  der  Tatsachen  beantwortet  werden,  nicht 
auf  Grand  theoretischer  Vorstellungen  über  die  Erbeinheiten  und  der- 
gleichen. 

Wir  werden  ihrer  Lösung  schon  näher  kommen,  wenn  wir  zusehen, 
ob  nicht  auch  normalerweise  im  Organismus  enthaltene  Fähigkeiten 
oder  Eigenschaften  in  gewissermaßen  leitender  Verbindung  mit  den 
Geschlechtszellen  stehen.  Soll  eine  derartige  Verbindung  bewiesen 
werden,  so  gibt  es  dafür  wohl  nur  einen  Weg:  Die  Geschlechtszellen 
eines  Organismus  müssen  durch  andere  ersetzt  werden,  die  sicher  noch 
nicht  unter  dem  supponierten  Einfluß  der  betreffenden  somatischen 
Eigenschaften  gestanden  haben,  um  dann  zu  sehen,  ob  in  ihnen  eine 
auf  die  Nachkommenschaft  übertragbare  Veränderung  in  der  Richtung 
der  betreffenden  Eigenschaften  vor  sich  geht.  Solche  Versuche,  die 
vielbesprochenen  Gonadentransplantationen,  sind  denn  auch  schon  oft 
angestellt  worden,  aber  nie  mit  einwandfreiem  positivem  Erfolg.  Als 
Typus  des  Verfahrens  können  die  Experimente  dienen,  die  Guthrie 
an  Hühnern  ausführte.  Es  gelang  ihm,  die  Eierstöcke  junger  Hühner 
in  andere  zu  transplantieren,  wo  sie  so  gut  einwuchsen,  daß  sie  später 
normal  abgelegte  Eier  lieferten.  Er  benutzte  nun  eine  weiße  Hühner- 
rasse, die  in  den  Kontrollzuchten  nur  rein  weiße  Nachkommenschaft 
lieferte,  und  eine  ebensolche  schwarze  und  vertauschte  die  Eierstöcke 
schwarzer  und  weißer  Hennen.  Es  wurden  dann  die  schwarzen  Hennen 
mit  weißem  Ovar  ebenso  wie  die  weißen  Hennen  mit  schwarzem  Ovar 
von  weißen  wie  von  schwarzen  Hähnen  befrachtet.  Dabei  zeigte  sich 
in  zwei  Versuchen,  wie  er  glaubte,  daß  die  Farbe  der  Tragamme  auf 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  29 


—     450    — 

die  Nachkommenschaft  einen  Einfluß  ausübte.  Wurde  ein  schwarzes 
Huhn,  dem  ein  weißes  Ovar  implantiert  war,  von  einem  weißen  Hahn 
begattet,  so  ergab  die  Nachkommenschaft,  wie  Fig.  176  obere  Reihe 
zeigt,  9  weiße  und  11  weiß  und  schwarze  Küken.  Wurde  umge- 
kehrt ein  weißes  Huhn  mit  schwarzem  Ovar  von  einem  schwarzen 
Hahn    begattet,    so    ergab    die    Nachkommenschaft    (Fig.    176   unten) 


Fig.  176. 

Schematische  Darstellung   von    Guthries  Transplantationen    der  Hühnerovarien.     Nach 

Guthrie  aus  Godlewski. 


12  schwarz  und  weiße  Küken.  Es  soll  also  die  Farbe  der  Mutter 
auf  die  fremden  Eier  einen  derartigen  Einfluß  geübt  haben,  daß  sie 
die  Fähigkeit  sie  zu  zeigen  auf  die  Nachkommenschaft  vererbten.  Schon 
a  priori  erscheint  nun  dieses  Resultat  höchst  unwahrscheinlich,  wenn 
wir  uns  an  die  mendelistischen  Tatsachen  über  die  Farbvererbung 
erinnern.     Und  in  der  Tat  hat  auch  kein  anderer  Untersucher,  der  die 


—     451     — 

zahlreichen  Fehlerquellen  zu  vermeiden  suchte,  ein  positives  Resultat 
erhalten  (Davenport  für  Hühner,  Castle  für  Kaninchen).  Nach 
unseren  obigen  allgemeinen  Erörterungen  ist  ein  Erfolg  aber  auch 
nur  zu  erwarten,  wenn  so  vorgegangen  wird,  daß  an  einem  Tier  durch 
äußere  Bewirkung  eine  ungewohnte  somatische  Veränderung  hervor- 
gerufen wird,  und  dann  diesem  Tier  die  Geschlechtsdrüse  eines  Normal- 
tieres eingesetzt  wird.  Solche  Versuche  liegen  bisher  nur  von  Seiten 
Kammerers  vor,  der  ihre  Resultate  für  positive  hält.  Allen  kritischen 
Einwänden  gegenüber  scheinen  sie  uns  aber  noch  nicht  bestehen  zu 
können. 

Unsere  Vorfrage  ist  somit  dahin  zu  beantworten,  daß  in  der  Tat 
eine  Stoffleitung  zwischen  Soma  und  Geschlechtszellen  besteht.  Von 
der  Überlieferung  einer  neuen  Substanz,  bis  zum  Entstehen  eines  neuen 
Erbfaktors  ist  allerdings  noch  ein  weiter  Weg,  und  es  fragt  sich  nur, 
wie  es  mit  den  Tatsachen  steht,  die  einen  solchen  Vorgang,  eine  soma- 
tische Induktion,  beweisen  sollen. 

Die  Beantwortung  der  Frage  muß  uns  zur  Betrachtung  einer  Aus- 
wahl aus  all  dem  Material  führen,  das  man  als  Beweis  für  die  Vererbung 
erworbener  Eigenschaften  vorgebracht  hat.  Es  lassen  sich  wohl  die 
wesentlichen  Erwerbungen,  die  der  Organismus  im  individuellen  Leben 
machen  kann,  bei  den  nicht  scharf  voneinander  abzugrenzenden  Gruppen 
der  Veränderung  durch  Gebrauch  und  Nichtgebrauch,  der  Instinkt- 
variationen, und  der  allgemeinen  Beeinflussung  durch  die  Lebenslage 
unterbringen.  Dazu  kämen  noch  die  mehr  unnatürlichen  Experimental- 
einwirkungen  wie  künstliche  Krankheitserregung  und  Verstümmelung. 
Wir  dürfen  letztere  beiden  Punkte  aber  wohl  beiseite  lassen,  weil  das 
Material,  das  sich  mit  ihnen  befaßt,  teils  in  der  Fragestellung,  teils  in 
den  Resultaten  zu  unklar  ist,  andererseits  aber  auch  für  die  engeren 
Erblichkeits-  und  Artbildungsprobleme  nicht  allzu  wesentlich  erscheint. 

Sicherlich  ist  die  Gruppe  der  Neuerwerbungen  durch  Gebrauch  und 
Nichtgebrauch,  also  das  Gebiet,  das  dem  engeren  Lamarekismus  zu- 
grunde liegt,  diejenige,  in  der  man  für  unser  Problem  die  bedeutungs- 
vollsten Resultate  erwarten  sollte,  auch  fordern  müßte.  Gerade  hier 
haben  aber  bisher  die  experimentellen  Studien,  wenigstens  wenn  man 
einen  einigermaßen  kritischen  Maßstab  anlegt,  noch  ziemlich  versagt. 

29* 


—     452     — 

Indirekte  Anhaltepunkte  gibt  es  ja  daiür  in  Fülle,  auch  Experimente, 
bei  denen  aber  eine  Voraussetzung  immer  im  Gebiet  des  Phylogene- 
tischen, also  der  Unsicherheit,  liegt.  Sehr  interessant  sind  ja  zweifellos 
Tatsachen  von  der  Art  der  folgenden.  Schon  Darwin  wies  darauf 
hin,  und  Semon  hat  es  neuerdings  wieder  untersucht,  daß  bei  mensch- 
lichen Embryonen  die  Fußsohlenhaut  schon  viel  dicker  angelegt  wird, 
als  die  des  übrigen  Körpers.  Da  die  Verdickung  und  Verhornung  dieser 
Stelle  als  eine  Erwerbung  durch  die  Benutzung  beim  aufrechten  Gang 
betrachtet  werden  muß,  wäre  also  eine  durch  Gebrauch  erworbene 
Abänderung  erblich  geworden.  Ein  ganz  ähnlich  liegender  Fall  ist 
der  der  Karpalschwiele  beim  Warzenschwein  Phacochoerus.  Dieses 
sucht  abweichend  von  allen  seinen  Verwandten  seine  Nahrung,  indem 
es  auf  den  Handgelenken  liegend  rutscht,  mit  den  Hinterbeinen  nach- 
stemmt und  so  im  Boden  wühlt.  Dementsprechend  ist  auch  das  Karpal- 
gelenk mit  einer  hornigen  Schwiele  versehen,  einer  Stelle,  an  der  auch 
die  Haare  fehlen.  Leche  fand  nun,  daß  schon  beim  Embryo  diese 
Stelle  deutlich  kenntlich  ist  und  mit  verdickter  Haut,  der  die  Haar- 
anlagen fehlen,  angelegt  wird;  und  da  man  annehmen  muß,  daß  die 
Schwiele  durch  den  Reiz  beim  Rutschen  einst  entstand,  so  wäre  eine 
einst  erworbene  Eigenschaft  erblich  geworden.  Das  gleiche  kann  man 
erschließen,  wenn  Kükenthal  berichtet,  daß  die  Zähne  der  Halicore 
schon  vor  der  Geburt  ihre  Kauflächen  anlegen;  denn  solche  Kauflächen 
entstehen  durch  Abkauen  von  Höckerzähnen,  und  die  Zähne  der  Hali- 
core werden  ebenfalls  als  Höckerzähne  angelegt,  bilden  aber  durch 
Resorption  der  Höcker  schon  embryonal  jene  Flächen  aus.  Und  um 
auch  eine  entsprechende  aber  entgegengesetzt  gerichtete  Reaktion  zu 
nennen,  so  ist  bekannt,  daß  die  Saatkrähe  eine  nackte,  von  Federn 
entblößte  Schnabelbasis  hat,  und  man  kann  sich  vorstellen,  daß  dies 
durch  das  Abstoßen  beim  Wühlen  in  der  Erde  bewirkt  wird.  Junge 
Nestvögel  haben  nun  zwar  die  betreffenden  Federn,  sie  fallen  aber 
auch  ab,  wenn  der  Vogel  in  der  Gefangenschaft  gar  keine  Gelegenheit 
zum  Graben  hat. 

Und  nun  auch  noch  ein  dem  Pflanzenreich  entnommenes  Beispiel, 
das  der  gleichen  Gruppe  zugesellt  werden  muß.  Viele  Pflanzen,  wie 
die  Mimosen,  Akazien,  zeichnen  sich  durch  die  Fähigkeit  aus,  in  12  stün- 


—     453     — 

digem  Rhythmus  Schlafbewegungen  auszuführen,  z.  B.  durch  Zu- 
sammenfalten ihrer  Blätter.  Man  könnte  annehmen,  daß  diese  Be- 
wegungen direkt  durch  den  Lichtreiz  ausgelöst  werden.  Semon  zeigte 
aber,  daß  das  nicht  allein  zutrifft.  Werden  junge  Keimpflanzen  von 
allem  Anfang  an  in  einem  unnatürlichen  Beleuchtungsrhythmus  ge- 
halten, etwa  alle  6  Stunden  von  Hell  zu  Dunkel  wechselnd,  oder  nur 
alle  24  Stunden,  so  zeigen  sie  ihre  Bewegungen  zwar  auch  in  dem  neuen 
Rhythmus,  daneben  erscheint  aber  auch  der  altererbte  12  stündige. 
Läßt  man  nun  den  künstlichen  Rhythmus  aufhören  und  hält  die  Pflanzen 
in  andauernder  Dunkelheit  oder  andauerndem  Licht,  so  geht  der  12  stün- 
dige Rhythmus  immer  noch  weiter,  er  ist  also  wirklich  erblich  fixiert. 
Man  muß  aber  annehmen,  daß  er  einmal  in  früheren  Zeiten  von  den 
Pflanzen  erworben  wurde  und  mit  der  Zeit  sich  erblich  fixierte.  Der 
Weg,  auf  dem  das  denkbar  wäre,  wird  durch  die  Nachwirkung  von 
Reizen  gezeigt;  so  können  etwa  bei  Pflanzen  durch  intermittierende 
geotropische  Reizungen  auf  dem  Klinostaten  abwechselnde  Wachstums- 
perioden erzeugt  werden,  die  auch  nach  Aufhören  des  Reizes  noch 
eine  Zeitlang  anhalten. 

Damit  seien  aber  genügend  Beispiele  für  diese  Art  der  Argumen- 
tation gegeben.  Daß  sie  unseren  jetzigen  kritischen  Ansprüchen,  die 
verlangen,  daß  sämtliche  Faktoren  eines  Experiments  bekannt  sind, 
jedenfalls  in  der  Gegenwart  liegen,  nicht  in  phylogenetisch  zurück- 
liegenden Perioden,  nicht  genügen  können,  liegt  auf  der  Hand.  Denn 
niemand  wird  es  widerlegen  können,  daß  alle  jene  Eigenschaften,  die 
vom  Organismus  einst  erworben  werden  „mußten",  nicht  auch  als 
plötzliche  und  zufällige  Sprünge  direkt  vom  Keimplasma  aus  entstan- 
den sein  können.  Und  da  die  Versuche,  die  angestellt  wurden,  um 
besonders  auch  die  Vererbung  von  Veränderungen  durch  Nichtgebrauch, 
etwa  bei  Sehorganen,  zu  beweisen,  in  ihren  Resultaten  noch  derart  sind, 
daß  sie  einer  kritischen  Prüfung  nicht  standhalten  können,  so  muß 
gerade  dieses  wichtige  Kapitel,  die  Vererbung  von  Wirkungen  des 
Gebrauchs  und  Nichtgebrauchs,  als  für  die  Lösung  des  Problems  nicht 
entscheidend  ausgeschaltet  werden. 

Viel  besser  dagegen  sieht  es  aus,  wenn  wir  die  Instinktvariationen 
ins  Auge  fassen,  die  neu  erworben  und  dann  vererbt  wurden.     Gerade 


—     454     — 

auf  diesem  Gebiete  besitzen  wir  aus  neuerer  Zeit  eine  Anzahl  experi- 
menteller Studien,  die  höchst  bemerkenswert  sind,  wenn  auch  ihre 
Beweiskraft  nicht  voll  genügend  erscheint.  Da  müssen  zunächst  die 
Versuche  von  Schröder  an  Insekten  erwähnt  werden.  Der  kleine 
Weidenblattkäfer  Phratora  vitellinae  L.  lebt  auf  glattblättrigen 
Weiden  und  der  Schwarzpappel,  deren  Blattunterseite  von  den  Larven 
skelettiert  wird.  Solche  Larven  wurden  nun  auf  einen  Strauch  einer 
Weidenart  mit  filzhaarigen  Blättern,  der  rings  nur  von  andersartigen 
Gewächsen  umgeben  war,  gesetzt.  Sie  schoben  dann  die  Filzhaare 
mit  dem  Kopf  vor  sich  her  und  benagten  in  gewohnter  Weise  das  Blatt- 
gewebe, manchmal  auch,  indem  sie  minenartige  Gänge  an  der  Blatt- 
unterlage gruben.  Als  dann  die  Käfer  ausschlüpften,  wurde  dicht 
an  die  filzhaarige  eine  glattblättrige  Pflanze  gerückt.  Es  wurden  dann 
an  erstere  Pflanze  127,  an  letztere  219  Eigelege  angeheftet.  Letztere 
wurden  dann  wieder  auf  die  filzblättrige  Pflanze  übertragen,  wo  sich 
die  nächste  Generation  entwickelte,  bei  der  das  Experiment  wiederholt 
wurde;  sein  Ergebnis  war  104  Gelege  auf  den  filzhaarigen,  83  auf  den 
glatten  Blättern.  Im  kommenden  Jahr  war  dann  das  Verhältnis  48  :  11 
zugunsten  der  filzhaarigen  Pflanze.  In  der  nächsten  Generation  wurden 
nur  15  Gelege,  aber  ausschließlich  an  der  filzhaarigen  Pflanze  abgelegt. 
Wenn  man  aus  diesem  Versuch  auch  noch  nicht  einen  Beweis  dafür 
ablesen  kann,  daß  eine  künstliche  Instinktveränderung  erblich  ge- 
worden war  —  es  fehlt  ja  vor  allem  der  Kontrollversuch,  der  zeigen 
müßte,  daß  normal  gehaltene  Tiere  nicht  auf  die  angerückte  filzblättrige 
Pflanze  übergehen  —  so  deutet  er  doch  in  die  Richtung,  in  der  solche 
Versuche  sich  bewegen  müssen.  Und  das  gleiche  gilt  für  den  folgenden 
Versuch  des  gleichen  Autors.  Es  fiel  ihm  vor  seinem  Hause  an  einer 
Dotterweide  die  große  Zahl  der  zu  einer  kegelförmigen  Tasche  um- 
gewandelten Blattenden  auf,  die  von  der  Raupe  der  Motte  Gracilaria 
stigmatella  F.  herrührten.  Sie  werden  so  hergestellt,  daß  die  Raupe 
eine  Anzahl  Fäden  quer  zur  Richtung  der  Mittelrippe  an  der  Blatt- 
unterseite in  3 — 4  cm  Entfernung  von  der  Blattspitze  spinnt.  Dann 
werden  quer  dazu  Fäden  gezogen,  die  immer  mehr  angespannt  werden, 
so  daß  sich  die  Blattspitze  immer  mehr  gegen  die  Blattunterseite  schlägt. 
Dann  wird  diese  durch  weitere   Fäden  eingerollt  und  die    Öffnungen 


—     455     — 

an  beiden  Enden  verschlossen.  Durch  Abschneiden  sämtlicher  Blatt- 
spitzen wurde  den  Raupen  nun  die  Möglichkeit  genommen,  ihre  typi- 
schen Wohnungen  zu  bauen.  Es  wurden  dann  von  91  Wohnungen 
84  in  Form  ein-  oder  doppelseitiger  Rollungen  des  Blattrandes  gebaut. 
Die  nächste  Generation  befand  sich  in  der  gleichen  Situation  und  bildete 
auf  gleiche  Weise  43  Wohnungen.  Die  folgende  kam  nun  wieder  auf 
normale  Blätter  und  da  waren  von  19  Wohnungen  wieder  15  vom  ur- 
sprünglichen Typus,  4  aber  waren  durch  Blattrandrollung  hergestellt. 
Auch  diesen  an  sich  interessanten  Versuch  kann  man  nur  als  einen 
Fingerzeig,  nicht  als  einen  Beweis  für  vererbte  Instinktveränderung 
betrachten,  da  ja  auch  normalerweise  Individuen  vorkommen,  die  in 
anderer  Weise  bauen,  die  Zahlen  der  Schlußgeneration  zu  niedrig  sind 
und  weitere  Generationen  nicht  vorliegen. 

Auf  wesentlich  breiterer  Basis  sind  dagegen  Versuche  an  Amphibien 
ausgeführt,  deren  Betrachtung  wir  uns  jetzt  zuwenden.  Sie  schließen 
alle  mehr  oder  minder  eng  an  Experimente  an,  die  Marie  von  Chauvin 
in  den  70er  und  80er  Jahren  des  letzten  Jahrhunderts  ausführte.  Spe- 
ziell in  bezug  auf  Instinktvariation  ist  der  folgende  Versuch  viel  be- 
sprochen worden.  Bekanntlich  stellt  der  mexikanische  Axolotl  eine 
neotenische  Larve  des  Molchs  Amblystoma  tigrinum  dar,  d.  h. 
also  ein  Tier,  das  im  Larvenzustand  geschlechtsreif  werden  kann,  indem 
es  dauernd  im  Wasser  bleibt,  die  Kiemenatmung  und  andere  Anpas- 
sungen an  das  Wasserleben  beibehält,  die  Metamorphose,  die  es  typischer- 
weise beim  Übergang  zum  Landleben  und  zur  Lungenatmung  durch- 
macht, ganz  aufgibt.  Durch  geeignete  Zwangsmittel  können  nun 
solche  Larven  in  verschiedenen  Entwicklungsstadien  noch  zur  Meta- 
morphose gezwungen  werden.  Es  wurden  nun  in  einem  der  Versuche 
solche  künstlich  metamorphosierte  Amblystomen  zur  Geschlechtsreife 
herangezogen  und  ihre  Nachkommenschaft  unter  solchen  Bedingungen 
gehalten,  daß  normale  Axolotl  dabei  niemals  zur  Metamorphose  schreiten 
würden.  Nach  einem  Jahr  trat  nun  bei  diesen  Tieren  eine  Reduktion 
der  Kiemen,  also  der  Beginn  der  Metamorphose,  ein,  und  als  20  Tieren 
die  Möglichkeit  ans  Land  zu  gehen  gegeben  war,  metamorphosierten  sie 
sofort,  ein  Tier  sogar  in  der  kurzen  Zeit  von  10  Tagen,  was  sonst  nie 
beobachtet  worden  war.     Es  scheint  also  die  Neigung  zur  Metamor« 


—     456     — 

phose  nach  künstlicher  Induktion  erblich  geworden  zu  sein.  Daraus 
allerdings  einen  Beweis  für  die  Vererbung  einer  Instinktvariation  ab- 
zuleiten, geht  wohl  zu  weit.  Denn  abgesehen  davon,  daß  nur  eine  Ge- 
neration vorliegt,  ist  ja  das  Metamorphosieren  der  ursprüngliche  In- 
stinkt, der  nicht  verloren  gegangen  ist,  sondern  nur  durch  die  abnorme 
Lebenslage  gehemmt  wird,  so  daß  sein  Wiedererwecken  nicht  gut  als 
Instinktveränderung  bezeichnet  werden  kann.  Viel  eher  könnte  man 
aus  der  von  Kammerer  erwähnten  Tatsache,  daß  die  nun  schon  so 
lange  aus  stets  neotenischen  Formen  gezüchteten  Axolotl  des  Handels 
kaum  mehr  mit  Gewalt  zur  Metamorphose  zu  bringen  seien,  einen  der- 
artigen Schluß  ziehen.  Ob  diese  Tatsache  aber  richtig  ist,  kann  an- 
gesichts der  Schwierigkeiten,  die  der  Versuch  überhaupt  bietet  und  die 
Frl.  von  Chauvin  nur  durch  große  Erfahrung,  Ausdauer  und  indi- 
viduell verteilte  Sorgfalt  überwand,  zunächst  nicht  ohne  weiteres  an- 
genommen werden.  Und  schließlich  bleibt,  solange  nicht  erwiesen  ist, 
daß  jener  Versuch  immer  oder  doch  oft  gelingt,  der  schwerwiegende 
Einwand  bestehen,  daß  unter  dem  vorher  nicht  analysierten  Material 
sich  eine  Rasse  (Linie)  fand,  die  sich  durch  größere  Neigung  zur  Meta- 
morphose auszeichnete. 

Ganz  ähnliche,  wenn  auch  im  Wesen  entgegengesetzte  Versuche 
werden  nun  von  Kammerer  für  die  Geburtshelferkröte  Alytes  obste- 
tricans  berichtet.  Dort  kommen  in  der  Natur  neotenische  Larven 
nicht  vor.  Im  Experiment  konnte  nun  durch  Einwirkung  von  Dunkel- 
heit, Kälte,  Luftreichtum  oder  vorzeitiges  Herausschneiden  der  Larve 
aus  den  Eiern  ein  starkes  Hinausschieben  der  Metamorphose  erzielt 
werden,  in  einem  Fall  sogar  durch  kombinierte  Einwirkung  dieser  Be- 
dingungen ein  Tier  gezüchtet  werden,  das  in  larvalem  Zustand  schließ- 
lich geschlechtsreif  wurde.  Durch  künstliche  Befruchtung  seiner  Eier 
mit  dem  Samen  eines  normalen  Männchens  wurde  eine  Nachkommen- 
schaft erzielt,  die  zurzeit  der  Veröffentlichung  des  Versuchs  schon  1 1/2  Jahr 
alt  war  ohne  zu  metamorphosieren.  Auch  dieser  Versuch  wird  bis  jetzt 
allerdings  nicht  allen  Anforderungen  gerecht,  da  es  nicht  erwiesen  ist, 
daß  das  eine  ganz  neotenische  Individuum  als  Folge  des  Experiments 
auftrat  und  nicht  einen  Sport  darstellt.  Kommen  doch  solche  auch 
sonst   in   ganz  normalen   Kulturen   vor;   so   konnte   R.  Hertwig  vier 


—     457     — 

derartige  riesengroße  Larven  aus  einer  gewöhnlichen  Froschkultur 
erhalten. 

Und  ein  entsprechendes  Beispiel  auf  botanischem  Gebiet  ist  wie 
schon  erwähnt  durch  Wettstein  bekannt  geworden.  Er  fand  in  der 
Natur  zweifellos  durch  Mutation  entstandene  Exemplare  von  Ranun- 
culus  alpestris,  die  anstatt  zu  perennieren  einjährig  waren,  was  sonst 
hier  wie  bei  anderen  Alpenpflanzen  nicht  vorkommt;  und  diese  Neo- 
tenie   erwies   sich   als  voll  erblich. 

Auf  wesentlich  sichererem  Boden  stehen  dagegen  Versuche,  die 
Kammerer  wieder  ander  Geburtshelferkröte  ausführte  und  die  sich  auf 
die  Veränderung  eines  normalen  Fortpflanzungsinstinktes  beziehen. 
Unsere  heimischen  Amphibien  legen  ja  bekanntlich  ihre  Eier  ins  Wasser 
ab,  wo  sie  sich  zu  kiementragenden  Larven  entwickeln.  Die  Geburtshelfer- 
kröte macht  nun  von  dieser  Regel  eine  Ausnahme,  indem  sie  sich  am 
Land  begattet  und  auch  dort  ihre  Eier  abgibt,  die  sich  dann  das  Männ- 
chen, das  sie  dem  Weibchen  aus  der  Kloake  ziehen  hilft  —  die  Geburts- 
hilfe —  um  die  Hinterschenkel  wickelt,  wo  sie  durch  ihre  eintrock- 
nende Gallerte  kleben  bleiben.  Das  Männchen  schleppt  sie  dann  mit 
sich  herum,  bis  die  Larven  reif  zum  Ausschlüpfen  sind,  was  im  Wasser 
geschieht,  in  das  sich  das  Männchen  um  diese  Zeit  begibt.  Die  frisch- 
geschlüpften Larven  haben  dann  schon  keine  äußeren  Kiemen  mehr, 
wie  sie  die  jungen  Larven  anderer  Amphibien  besitzen.  Es  wurden 
nun  Geburtshelferkröten  in  erhöhter  Temperatur  gehalten  und  da- 
durch veranlaßt  sich  mehr  im  Wasser  aufzuhalten,  wo  sie  sich  begatteten 
und  Eier  ablegten.  Dort  quillt  aber  deren  Gallerte  auf,  so  daß  das 
Männchen  nicht  imstande  ist,  sie  sich  anzuheften  und  die  gewohnte 
Brutpflege  zu  üben.  Im  Laufe  einiger  Brutperioden  sind  die  Tiere  an 
diese  Fortpflanzungsart  gewöhnt  und  die  Eier  entwickeln  sich  im  Wasser 
in  einer  Weise,  die  sich  mehr  der  der  übrigen  Amphibien  nähert,  vor 
allem  werden  kleinere  Eier  abgelegt,  die  schwarz  statt  gelb  sind.  Die 
Tiere  aus  diesen  Wassereiern  nun  zeigten  auch  in  normalen  Bedin- 
gungen nicht  den  Instinkt  zur  Brutpflege,  sondern  legten  von  selbst 
ihre  Eier  ins  Wasser  ab,  und  das  gleiche  geschah  in  2  weiteren  Gene- 
rationen. Ja,  in  der  dritten,  also  Urenkelgeneration,  waren  die  neuen 
Fortpflanzungsinstinkte  so  stark,  daß  die  Männchen  sogar  von  selbst 


—     458    — 

im  Wasser  die  Begattung  ausübten.  Merkwürdigerweise  entwickelten 
sich  bei  ihnen  dann  die  bei  anderen  Lurchen  zum  Festhalten  des  Weib- 
chens dienenden  Daumenschwielen,  die  ihnen  sonst  fehlen.  Die  künst- 
lich den  Tieren  aufgezwungene  Instinktabänderung  hatte  sich  also 
als  erblich  erwiesen.  Daß  in  diesem  Fall  das  neue  Merkmal  auch  wirk- 
lich in  den  Bestand  der  Erbmasse  eingegangen  ist,  geht  daraus  hervor, 
daß  bei  Kreuzung  von  Tieren  ohne  Brutpflegeinstinkt  mit  solchen, 
die  ihn  besitzen,  die  Eigenschaft  sich  nach  den  Mendelschen  Gesetzen 
vererben  soll.  Man  hat  gegen  die  Beweiskraft  dieses  Versuchs  ein- 
gewandt, daß  die  ererbte  Reaktionsnorm  der  Alytes  nicht  die  Geburts- 
hilfe ist,  sondern  die  Fähigkeit  unter  bestimmten  Bedingungen  die  Ge- 
burtshilfe auszuüben,  unter  anderen  nicht.  Wenn  aber  die  damit  zu- 
sammenhängenden Modifikationen  sich  in  der  nächsten  Generation 
steigern  bzw.  wenn  die  verändernden  Bedingungen  weggelassen  werden, 
noch  nachwirken,  so  zeige  das  nur,  daß  es  Modifikationen  gäbe,  die  erst 
in  der  nächsten  Generation  voll  zur  Wirkung  kommen.  Das  Prinzip 
dieser  Argumentation  scheint  uns  eine  unheimliche  Verwandtschaft 
mit  der  Vorstellung  der  alten  Embryologen  zu  haben,  daß  die  ganze 
Menschheit  ineinandergeschachtelt  im  Ei  der  Eva  lag. 

Wir  haben  oben  als  dritte  Gruppe,  die  für  die  Vererbung  von  Neu- 
erwerbungen des  Organismus  in  Betracht  kommt,  die  Beeinflussung 
der  Organisation  bezeichnet,  die  durch  eine  Veränderung  der  Lebens- 
lage hervorgerufen  wird.  In  letzter  Linie  gehören  allerdings  ja  auch 
die  vorher  besprochenen  Gebiete  der  Veränderung  durch  Gebrauch 
und  Nichtgebrauch,  wie  der  Instinktabänderung  hierher.  Im  Fall 
der  Geburtshelferkröte  z.  B.  war  der  neue  Instinkt  ja  eine  Folge  der 
veränderten  Lebensbedingungen,  daher  mit  ihm  auch  eine  ganze  Reihe 
von  Lebenslage  Variationen  verbunden  waren.  Sie  führen  uns  am  ein- 
fachsten zu  einer  Besprechung  dieses  Punktes  über.  Die  Lebenslage, 
in  der  die  Alyteslarven  aufgezogen  werden,  übt  auf  ihre  Gesamtorga- 
nisation einen  sehr  stark  umgestaltenden  Einfluß  aus,  wie  uns  das  schon 
früher  auch  für  die  Axolotl  bekannt  wurde.  So  legen  die  Kröten,  die 
künstlich  veranlaßt  wurden,  ins  W'asser  zu  legen,  mehr  Eier,  die  kleiner 
sind  und  dunkler  gefärbt.  Während  ferner  im  normalen  Zustand  Larven 
ausschlüpfen,  die  bereits  innere  Kiemen  haben,  schlüpfen  jetzt  Larven 


—     459     — 

auf  frühem  Zustand  mit  einem  äußeren  Kiemenbüschel  aus,  wie  es 
auch  bei  anderen  Amphibien  der  Fall  ist.  Die  nach  der  Metamorphose 
erwachsenen  Tiere  besitzen  aber  eine  viel  bedeutendere  Körpergröße. 
War  nun  in  den  folgenden  Generationen  der  Instinkt,  ins  Wasser  zu 
legen,  wie  eben  berichtet,  erblich  geworden,  so  wurden  noch  kleinere 
und  noch  dunklere  Eier  abgelegt.  Aber  auch  die  Lebenslagevariationen 
hatten  sich  so  gesteigert,  daß  an  Stelle  der  normalerweise  nur  vor- 
handenen einen  Kieme  sich  an  allen  drei  Kiemenbogen  Kiemenbüschel 
zeigten.  Die  künstlich  hervorgerufene  Lebenslagevariation  war  also 
in  mehreren  Generationen  gesteigert  worden,  also  vielleicht  auch  in 
ihrer  Grundlage  erblich  fixiert.  Natürlich  ist  es  in  einem  solchen  Fall 
sehr  schwer  zu  sagen,  was  erblich  ist,  da  bei  Aufhören  der  betreffenden 
Lebenslage,  also  in  diesem  Fall  Entwicklung  auf  dem  Land,  dieser 
Faktor  wieder  die  ihm  zugeordnete  Lebenslagevariation  hervorruft, 
also  entgegengesetzt  wirkt.  Zunächst  kann  man  daher  nur  sagen,  daß 
in  der  Tat  hier  eine  Reiznachwirkung  vorliegt. 

Zunächst  wollen  wir  noch  einige  Beispiele  kennen  lernen,  die  die 
Erblichkeit  von  Lebenslage  Variationen  betreffen.  Auch  hier  haben  in 
der  Diskussion,  besonders  der  Neolamarckisten,  eine  ganze  Anzahl 
von  Fällen  eine  Rolle  gespielt,  die  jenen  oben  erwähnten  zur  Seite  zu 
stellen  sind,  bei  denen  der  Erwerb  der  Eigenschaft,  in  diesem  Fall  der 
Lebenslagevariation,  nur  als  phylogenetische  Tatsache  gelten  kann. 
Um  nur  ein  Beispiel  zu  nennen,  so  sei  auf  die  bekannten  Angaben  von 
Cieslar  über  das  Wachstum  von  alpinen  Fichten  und  Lärchen  hin- 
gewiesen. In  den  Alpen  wachsen  diese  Bäume  langsam  und  bilden 
dementsprechend  dünne  Jahresringe.  Wurden  ihre  Samen  in  der  Ebene 
ausgesät,  so  behielten  sie  trotzdem  die  gleiche  Eigentümlichkeit;  sie 
ist  also  erblich,  obwohl  sie  einmal  in  den  Alpen  als  Lebenslagevariation 
erworben  sein  muß.  Allerdings  besagen  die  Versuche  von  Nägeli  an 
alpinen  Hieraciumarten  gerade  das  Gegenteil,  indem  sie  in  der  Ebene 
sofort  die  Charaktere  der  nichtalpinen  Formen  annahmen,  wie  wir 
es  früher  schon  ebenso  für  die  Standortsvarianten  von  Towers  Kolo- 
radokäfern gehört  haben.  Es  dürfte  allerdings  gerade  in  dieser  Richtung 
ein  Gebiet  für  aussichtsreiche  Versuche,  besonders  im  Pflanzenreich 
liegen.     Denn  dafür,  daß  doch  vielleicht  erbliche  Veränderungen  so  in 


—     460     — 

gar  nicht  zu  langen  Zeiträumen  erzielt  werden  können,  spricht  mancherlei. 
So  berichtet  Bordage,  daß  auf  der  Insel  Reunion  die  seit  etwa  150 
Jahren  eingeführten  Pfirsichbäume  ihre  Blätter  nicht  mehr  richtig 
abwerfen  und  daß  sie  dieses  „Anpassungsmerkmal"  auch  beibehalten, 
wenn  sie  in  kälteren  Regionen  angepflanzt  werden.  Es  ist  zu  hoffen, 
daß  die  Versuche,  die  jetzt  in  Amerika  in  größtem  Maßstabe  in  be- 
sonderen Gebirgs-,  Wüsten-,  Meerlaboratorien  über  solche  Fragen  an- 
gestellt werden  (Mc  Dougal),  die  erwünschte  Klärung  bringen  werden. 
Für  die  exakte  experimentelle  Beantwortung  der  Frage  der  Erb- 
lichkeit von  künstlich  erzeugten  Lebenslagevariationen  kommen  natür- 
lich alle  jene  Veränderungen  ebenso  in  Betracht,  die  im  Rahmen  der 
normalen  Variationskurve  liegen,  wie  solche,  die  weit  von  ihr  abliegen. 
Denn  wir  haben  früher  bereits  gehört,  daß  die  ersteren  gewöhnlich 
nicht  erblich  sind,  aber  auch  die  letzteren,  die  extremen  oder  diskon- 
tinuierlichen Variationen  nicht  erblich  zu  sein  brauchen,  wie  die  Lang- 
schen  Helixbefunde  zeigten  und  wie  es  auf  botanischem  Gebiet  be- 
sonders von  Klebs  gezeigt  wurde.  Nach  den  Erfahrungen  der  Mu- 
tationslehre ist  es  allerdings  nicht  unwahrscheinlich,  daß  Variationen 
eine  größere  Aussicht  haben,  erblich  zu  werden,  wenn  sie  weit  von  der 
normalen  Variationsbreite  abliegen,  und  so  erscheinen  solche  Versuche  am 
ehesten  aussichtsvoll,  die  künstlich  Lebenslagevariationen  erzeugen, 
welche  normalerweise  nicht  verwirklicht  sind.  Man  muß  sich  aber  dabei,, 
wie  Klebs  mit  Recht  hervorhebt,  davor  hüten,  derartige  Charaktere 
ohne  weiteres  als  neue  zu  bezeichnen,  d.  h.  als  durch  die  Anwesenheit 
besonderer  Erbeinheiten  bedingte.  Das  braucht  durchaus  nicht  der 
Fall  zu  sein:  sie  sind  oder  können  vielmehr  Glieder  der  Variationsreihe 
sein,  die  in  Potenz  vorhanden  sind  und  nur  deshalb  gewöhnlich  nicht 
auftreten,  weil  der  adäquate  Reiz  fehlt.  Jene  früher  erwähnten  Cha- 
raktere des  Landtieres,  die  Frl.  von  Chauvin  ihren  Axolotln  auf- 
zwang, und  die  sie  rückläufig  wieder  in  die  Charaktere  des  Wasser- 
tieres verwandelte,  illustrieren  gut  diese  Potenz  für  ungewohnte,  dis- 
kontinuierliche Variationen,  die  in  der  Erbmasse  eben  auch  als  Anlage 
vorhanden  sind  und  nur  durch  Lebenslagewirkung  realisiert  werden 
können,  wenn  die  Form  über  die  Anlagen  verfügt.  Oder  anders  aus- 
gedrückt: Unter  den  Erbeinheiten  einer  Form  sind  auch  solche,  die  es 


—     461     — 

bedingen,  daß  eine  bestimmte  extreme  Variation,  etwa  die  Göbelschen 
Wasserblätter  bei  Landpflanzen,  auf  adäquaten  Reiz  hin  auftreten 
kann :  kurz,  es  wird,  wie  schon  so  oft  gesagt,  die  Reaktionsnorm  vererbt. 
Es  ist  nun  die  Frage,  ob  es  entweder  durch  einen  besonders  starken 
Reiz  oder  auch  die  Summation  von  Reizen  gelingt,  eine  solche  Vari- 
ante hervorzurufen,  die  erblich  wird,  d.  h.  aus  der  Reaktionsnorm  A  die 
Norm  B  zu  machen.  In  dem  mehrfach  benutzten  Beispiel  wäre  dann  der 
Effekt  der,  daß  auch  auf  dem  Lande  die  Wasserblätter  bestehen  bleiben. 
Daß  die  meisten  Versuche,  die  eine  Erblichkeit  von  Lebenslagevaria- 
tionen beweisen  wollen,  sich  daher  derartiger  extremer,  diskontinuier- 
licher Variationen  bedienen,  ist  begreiflich.  Wir  haben  aber  früher 
gesehen,  daß  man  diskontinuierliche  Variationen,  sobald  sie  erblich 
sind,  als  Mutationen  bezeichnet,  und  so  bemerken  wir  jetzt,  ebenso 
wie  früher  schon,  daß  die  Frage  nach  der  Vererbung  von  Lebenslage- 
variationen zum  Teil  identisch  ist  mit  der  Frage  nach  der  Erzeugung  der 
Mutationen  oder  richtiger  der  Überführung  nicht  erblicher  diskonti- 
nuierlicher Variationen,  Modifikationen  oder  Fluktuationen  in  erbliche 
Mutationen.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  für  gewöhnlich 
solche  Versuche,  besonders  im  Pflanzenreich,  erfolglos  sind.  Daraus 
zu  schließen,  daß  sie  erfolglos  sein  müssen,  wäre  aber  voreilig. 

Betrachten  wir  nun  als  Typus  solcher  Experimente  die  Versuche, 
die  Kammerer  über  Färb  Variationen  beim  Salamander  ausführte 
und  die  auch  von  in  der  Natur  vorkommenden  nicht  erblichen,  konti- 
nuierlichen Variationen  oder  Modifikationen  ausgehen,  sie  aber  dann 
künstlich  über  das  natürliche  Maß  hinaus  steigern,  um  sie  dabei  erblich 
werden  zu  lassen. 

Beim  schwarz  und  gelb  gefleckten  Feuersalamander  läßt  sich  die 
Färbung  durch  die  äußere  Umgebung  beeinflussen.  Es  ist  das  nicht 
etwa  ein  physiologischer  Färb  Wechsel,  wie  er  bei  so  vielen  Tieren  fast 
momentan  eintritt,  sondern  eine  ganz  langsam  im  Lauf  von  Jahren 
erfolgende  Veränderung  des  Zeichnungsmusters,  indem  entweder  die 
gelben  Hautteile  auf  Kosten  der  schwarzen  oder  umgekehrt  sich  ver- 
größern. Werden  also  die  Salamander  auf  gelbem  Grund  erzogen  (auch 
Temperatur  und  Feuchtigkeit  spielen  eine  Rolle)  so  werden  sie  schließlich 
durch  Zusammenfließen  der  Flecken  sehr  viel  gelber  als  ihre  normalen 


—     462     — 

Geschwister,  auf  schwarzem  Grund  aber  sehr  viel  schwärzer  (Fig.  177, 
a — d,  178  a — c).  Wird  dann  die  Nachkommenschaft  solcher  veränderter 
Tiere  wieder  in  gleicher  Weise  beeinflußt,  so  wird  die  Wirkung  noch 


P-Reihe   auf  gelbem    Grunde 


fj- Reihe  auf  schwarzem  Grunde. 


rf  Reihe  auf  gelbem  Grunde. 


Fig.   177. 

Üben  experimentell  gelb  gemachte  Feuersalamander.     Unten    deren  Nachkommen    bei 
Zucht  auf  schwarzem  und  auf  gelbem  Grunde.     Nach  Kammerer. 


stärker,  man  erhält  schließlich  fast  ganz  gelbe  oder  schwarze  Tiere 
(Fig.  177  h,  i,  k,  178  e,  /).  Wächst  die  Nachkommenschaft  wieder 
unter  normalen  Bedingungen  auf,  so  ist  sie  immer  noch  viel  gelber  oder 


—     463     — 


Fig.   178. 
Feuersalamander:  a  forma  typica,  d  forma  taeniata,  beide  aus  der  Natur,     b  künstlich 
gelb  und  c  künstlich  schwarz  gemachte  forma  typica.     c  Nachkommen  von  b,  in  gleichen 
Bedingungen  erzogen,    ebenso  f  (noch  jung)   von  c.     Alle  außer  d  nach  Kämmerer. 

schwärzer  als  die  Kontrolltiere   (Fig.  177  e,  f,  g).      Merkwürdigerweise 
zeigen   die   Nachkommen   künstlich   veränderter  Tiere   nun  eine   ganz 


—     464     — 

symmetrische  Zeichnung  mit  zwei  Längsstreifen  am  Rücken  (Fig.  ijje-k, 
178  e).  Genau  die  gleiche  Form  der  Zeichnung  ist  aber  bei  der  var. 
taeniata  aus  der  Natur  bekannt  (Fig.  178  d),  wo  sie  sich  rein  vererbt. 
Damit  ist  nun  die  Möglichkeit  einer  sehr  exakten  Untersuchung  der 
Erblichkeitsfrage  gegeben.  Kammerer  fand,  daß  bei  Kreuzung  der 
beiden  Naturrassen  die  Fleckung  (=  f.  typica,  Fig.  178  a)  über  die 
Streifung  (=  f.  taeniata,  Fig.  178 d)  dominiert  und  in  F2  Spaltung  3  :  1 
eintritt.  Ist  die  künstlich  induzierte  Streif ung  erblich  geworden,  so 
muß  sie  sich  also  bei  Kreuzung  mit  f.  typica  ebenfalls  wie  ein  Mendel- 
sches  Rezessiv  verhalten,  bei  Kreuzung  aber  mit  f.  taeniata  muß  es 
so  sein,  als  ob  taeniata  rein  gezüchtet  würden.  Das  ist  aber  beides  nicht 
der  Fall.  In  ersterem  Fall  soll  eine  Art  Mittelform  entstehen,  die  in 
F2  nicht  spaltet  und  allmählich  zur  f.  typica  zurückkehrt,  im  zweiten 
Fall  entstehen  in  Fx  nur  f.  typica,  wie  es  zu  erwarten  ist,  wenn  die  Strei- 
fung der  veränderten  Tiere  nur  eine  nicht  erbliche  Modifikation  ist. 
(Fleckung  dominiert  ja  über  Streif  ung.)  Es  war  also  in  dem  Versuch 
zwar  der  Phänotypus  der  f.  taeniata  erreicht  worden,  der  Genotypus 
war  hingegen  der  der  typica.  (Kammerer  selbst  zieht  unbegreiflicher- 
weise den  entgegengesetzten  Schluß.)  Die  Versuche  haben  aber  auch  in 
bezug  auf  unser  Problem  ein  positives  Resultat :  Denn  es  war  einmal  eine 
Nachwirkung  der  Induktion  auf  2  Generationen  erwiesen  und  dann 
gezeigt,  daß  als  Folge  der  Induktion  in  der  nächsten  Generation  eine 
diskontinuierliche  Eigenschaft,  die  in  der  Natur  durch  einen  mendeln- 
den  Faktor  bedingt  wird,  nämlich  die  Streifung,  als  Modifikation  auf- 
trat. Das  ist  allerdings  keine  Vererbung  einer  erworbenen  Eigenschaft, 
es  kann  aber  der  Anfang  dazu  sein;  was  nötig  wäre,  um  sie  zu  voll- 
enden, um  die  Modifikation  Streifung  in  die  Mutation  Streifung  überzu- 
führen, wissen  wir  nicht. 

Schon  in  diesem  Fall  mußte  die  experimentell  erzeugte  Lebenslage- 
variation, wenigstens  die  Streifung  der  Nachkommenschaft,  als  eine 
diskontinuierliche  Variation  bezeichnet  werden.  Das  bietet  nun  einen 
Übergang  von  den  gewöhnlichen  kontinuierlichen  Variationen  zu  den 
in  der  Variationskurve  nicht  verwirklichten,  nur  unter  der  Wirkung 
besonderer  Reize  auftretenden  diskontinuierlichen  Variationen,  in  deren 
Natur  es  an  und  für  sich  noch  nicht  liegt,  erblich  zu  sein,  wie  etwa  das 


—     465    — 

Beispiel  der  linksgewundenen  Helix  zeigte,  wenn  auch,  wie  schon 
mehrfach  erwähnt  wurde,  es  wohl  wahrscheinlich  ist,  daß  sie  leichter 
dazu  neigen  mögen,  erblich  zu  werden.  Aus  den  Versuchen,  die  mit 
derartigen  unnormalen  Lebenslagevarianten  ausgeführt  wurden,  hat 
sich  denn  auch  schon  manches  bemerkenswerte  Resultat  ergeben. 

Um  zunächst  wieder  einmal  einen  Fall  aus  dem  Gebiet  der  Botanik 
zu  erwähnen,  so  sei  an  jene  interessanten  Untersuchungen  von  Klebs 
erinnert,  die  sich  mit  der  Erzeugung  ungewöhnlicher  Variation  be- 
faßten und  die  wir  bei  Betrachtung  der  Variabilität  schon  genau  kennen 
lernten.  Es  hatte  sich  dabei  ergeben,  daß  durch  besondere  Einwirkung 
äußerer  Bedingungen  Varianten  erzielt  werden  konnten,  die  sonst 
nicht  verwirklicht  sind,  und  so  muß  sich  daran  weiterhin  die  Frage 
anschließen,  ob  derartige  künstliche  diskontinuierliche  Varianten,  also 
neu  erworbene  Eigenschaften,  erblich  sind.  Bei  den  jetzt  zu  besprechen- 
den Studien  an  Sempervivumarten  wurde  nun  als  extremer  Lebens- 
lagefaktor zur  Erzeugung  ungewohnter  Varianten  ein  anderer  Reiz 
benutzt.  Es  wurden  nämlich  die  normalen  Blütenstände  abgeschnitten, 
nachdem  festgestellt  war,  daß  sie  in  ihren  Eigenschaften  eine  normale 
Variationsreihe  zeigen,  und  dann  die  neu  entstehenden  (regenerierten) 
Blüten  untersucht.  Dabei  zeigte  es  sich,  daß  diese  jetzt  eine  Unmenge 
von  sonst  nicht  vorkommenden  Varianten  zeigten,  wie  Verschiebungen 
in  der  Zahl  der  Blütenorgane  oder  Blumenblattform  der  Staubfäden 
(Petalodie).  Alles  in  allem  traten  bei  85,8%  der  Blüten  derartige  Ano- 
malien auf,  während  normalerweise  sich  nur  22%  abweichender  Blüten 
finden,  deren  Abweichungen  außerdem  viel  geringer  sind.  Aus  jenen 
veränderten  Blüten  wurden  nun  Nachkommen  gezogen  und  diese  jahre- 
lang, bis  sie  zum  Blühen  kamen,  in  den  normalen  Bedingungen  ge- 
halten, die  für  diese  Pflanzenart  typisch  und  günstig  sind.  Von  den 
3  veränderten  Mutterpflanzen,  deren  Samen  benutzt  wurden,  ergaben 
nun  2  wieder  normale  Nachkommen,  wenn  sich  auch  schon  einige 
Variationen  bei  ihnen  zeigten,  die  sonst  nicht  angetroffen  werden. 
Von  den  Nachkommen  der  3.  Pflanze  waren  7  zwar  typisch  gebaut, 
wiesen  aber  wieder  wesentlich  mehr  Anomalien,  d.  h.  extreme  Vari- 
anten auf,  als  es  sonst  der  Fall  ist.  Die  übrigen  vier  Exemplare  er- 
wiesen sich  aber  als  stark  verändert  und  zwar  in  der  gleichen  Art  wie 

G  old  schraidt,  Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl.  3° 


—     466     — 

die  Mutterpflanze,  also  Erhöhung  der  Variationsbreite,  Verschiebung 
des  Mittelwertes  (für  die  Zahl  der  Blütenorgane)  nach  der  Minusseite, 
reiches  Auftreten  von  petaloiden  Staubblättern,  kurz  dem  Vorhanden- 
sein aller  der  der  Mutterpflanze  induzierten  Anomalien,  die  hier  bei 
den  Tochterpflanzen  in  64 — 100%  der  Blüten  sich  fanden.  Es  spricht 
also  alles  dafür,  daß  bei  jenen  4  Pflanzen  die  Abänderung  des  Blüten- 
baues erblich  geworden  war.  Wenn  wir  früher  schon  gegebene  Be- 
griffsbestimmungen auf  diese  Versuche  anwenden,  so  ist  das  Resultat 
dies,  daß  die  Pflanze  als  Erbanlage  auch  die  Reaktionsnorm  besitzt, 
auf  bestimmte  Reize,  etwa  den  Wundreiz  hin  mit  der  Erzeugung  anor- 
maler Vegetationsorgane,  diskontinuierlicher  Varianten  zu  reagieren, 
etwa  so  wie  Schmetterlinge  bei  extremen  Temperaturen  stets  mit  Me- 
lanismus reagieren.  Erhalten  jene  Varianten  sich  aber  in  der  Nach- 
kommenschaft, so  besagt  das,  daß  in  der  Erbmasse  eine  derartige  Ver- 
änderung vorgegangen  ist,  daß  das,  was  vorher  nur  eine  ungewöhnliche 
Reaktion  war,  jetzt  im  Gefolge  somatischer  Veränderungen,  die  die 
Reaktion  hervorriefen,  zum  Typus  wurde,  also  die  Reaktionsnorm  A 
in  die  Norm  B  übergeführt  war.  Mit  der  Bezeichnung  „vegetative 
Mutation"  für  die  ursprünglichen  Veränderungen  der  Blüten  würde 
nichts  weiter  gewonnen  sein.  Allerdings  liegt  auch  hier  erst  eine  Gene- 
ration vor;  es  fehlt  auch  nicht  an  anderen  Einwänden  gegen  die  Trag- 
weite der  Versuche,  die  sich  vor  allem  auf  das  Ausgangsmaterial  be- 
ziehen, welches  als  Bastard  gilt.  Aber  gerade  dies  erscheint  hier  des- 
halb besonders  gut  analysiert,  weil  es  ja  zuerst  normal  geblüht  hatte 
und  dann  erst  nach  Entfernung  jener  Blüten  die  veränderten  erzeugt 
hatte.  Das  Ergebnis  der  Versuche  steht  aber  auch  in  Übereinstimmung 
mit  anderen  bald  zu  erwähnenden  botanischen  Experimenten,  nicht 
minder  auch  mit  Tierversuchen,  von  denen  wir  jetzt  die  wichtigsten 
schildern  wollen. 

Am  meisten  bekannt  geworden  sind  die  Versuche,  die  Kammerer 
an  unseren  heimischen  Salamanderarten  ausführte,  die  sich  auf  Varia- 
tionen der  gesamten  Fortpflanzungsart  beziehen.  Es  kommen  bei  uns 
bekanntlich  zwei  Salamanderarten  vor,  der  gelbgefleckte  Feuersala- 
mander, Salamandra  maculosa,  und  der  schwarze  Alpensalamander, 
Salamandra  atra.    Ersterer  bewohnt  das  Tiefland,  vor  allem  das  Mittel- 


—     467     — 

gebirge,  bis  etwa  iooo  m  Höhe,  letzterer  das  Hochgebirge.  Entsprechend 
dieser  Verschiedenheit  der  Lebenslage  ist  die  Art  der  Fortpflanzung 
auch  eine  verschiedene.  Beim  Feuersalamander  entwickeln  sich  gleich- 
zeitig 14 — 72  Larven  im  Uterus  und  werden  dann  mit  gut  entwickelten 
äußeren  Kiemen  und  einem  Ruderschwanz  ausgestattet  ins  Wasser 
abgesetzt,  wo  sie  dann  nach  einer  Zeit,  indem  sie  ans  Land  gehen, 
zum  Salamander  metamorphosieren.  Der  Alpensalamander  dagegen 
bringt  typisch  nur  ein  paar  Junge  zur  Welt.  Zwar  gehen  auch  viele 
Eier  in  den  Uterus  über,  sie  zerfallen  aber  dort  und  bilden  einen  Nah- 
rungsbrei für  die  einzige  Larve,  die  in  jedem  Uterus  zur  Entwicklung 
gelangt.  Sie  macht  nun  ihre  ganze  Metamorphose  schon  im  Mutter- 
leib durch,  bildet  dementsprechend  auch  keine  zur  Wasseratmung 
tauglichen  Kiemen  aus.  sondern  merkwürdig  gestaltete  riesige  Kiemen, 
die  ein  embryonales  Ernährungsorgan  darstellen.  Die  Jungen  werden 
dann  schließlich  als  schon  voll  entwickelte  kleine  Salamander  geboren. 
Es  ist  klar,  daß  diese  Differenzen  durch  die  Lebenslage  bedingt  sein 
müssen,  da  ja  dem  Alpen  Salamander  im  kurzen  Sommer  für  die  Ent- 
wicklung seiner  Brut  nur  zu  kalte  Gewässer  zur  Verfügung  ständen. 
Diese  Fortpflanzungserscheinungen  sind  nun  bei  jeder  der  beiden  Arten 
in  der  Natur  der  Lebenslagevariation  unterworfen.  Feuersalamander, 
die  in  hohen,  kalten  Regionen  leben,  produzieren  weniger  Larven  und 
setzen  sie  auf  einer  viel  späteren  Entwicklungsstufe  als  normalerweise 
ab.  Alpensalamander  aus  den  tiefen  Regionen  ihres  Verbreitungs- 
gebietes bilden  mehr,  bis  zu  vier  Larven,  die  auf  einem  früheren  Ent- 
wicklungszustand geboren  werden.  Kammerer  suchte  nun  durch 
Anwendung  extremer  äußerer  Bedingungen  diese  Lebenslagevariation 
bis  zu  ihrem  möglichen  Maximum  zu  verschieben.  Es  gelang  ihm  in 
der  Tat,  durch  Wasserentziehung  und  Kälte  die  Feuersalamander  so 
weit  zu  bekommen,  daß  sie,  zunächst  gezwungen,  nach  einiger  Zeit 
aber  auch  freiwillig,  die  Fortpflanzungsgewohnheiten  der  Alpensala- 
mander annahmen.  Sie  bildeten  schließlich  nur  zwei  Laiven  aus,  die 
übrigen  Eier  zerfielen  zu  einem  Nahrungsbrei  und  die  Laiven  wurden 
als  Vollsalamander  am  Land  geboren.  Umgekehrt  konnten  auch  die 
Alpensalamander  die  Fortpflanzungsgewohnheiten  des  Feuersalamanders 
annehmen.     Schon   Frl.   von   Chauvin   hatte   gezeigt,    daß  aus  dem 


—     468     — 

Uterus  herausgeschnittene  Laiven  dieser  Foim  an  das  Wasserleben 
gewöhnt  werden  können  und  daß  sie  dort  ihre  embryonalen  Kiemen 
zu  Wasserkiemen  umwandeln  und  einen  Ruderschwanz  bilden,  wie 
nebenstehende  Fig.  179  erkennen  läßt,  die  in  F.  4  eine  frisch  dem 
Uterus  entnommene  Laive  mit  den  schleierartig  feinen  Kiemen  zeigt, 
in  1  und  2  eine  kürzer  bzw.  länger  ans  Wasserleben  angepaßte  Larve. 
Ähnlich  konnte  Kammerer  durch  Einwirkung  von  Wärme  und  Dar- 


Fig.    179. 

Larven  von  Salamandra  atra.     Fig.  4  normale  Larve  mit  zarten  Uteruskiemenbüscheln, 

Fig.  I   Reduktion  der  Kiemen',   Fig.  2    ihre  Umbildung   bei    experimentell    erzwungener 

Anpassung  an  das  Wasserleben.     Nach  M.  von  Chauvin. 


reichung  von  Wasser  die  Tiere  daran  gewöhnen,  ihre  Larven  freiwillig 
auf  frühem  Entwicklungszustand  ins  Wasser  abzusetzen,  wobei  sich 
auch  eine  größere  Zahl  von  Embryonen,  bis  zu  9,  im  Uterus  entwickeln. 
Das  Interesse  richtet  sich  nun  auf  die  Nachkommenschaft  dieser  künst- 
lich erzeugten  extremen  Varianten.  Es  zeigte  sich  dabei  bei  der  ein- 
zigen bis  jetzt  vorliegenden  Generation  insofern  eine  Vererbung,  als 
die  Alpensalamander  freiwillig  Wasserlarven  gebaren,  die  Feuersala- 
mander  aber   weiter   als   normal   vorgeschrittene   Larven,   einer   sogar 


—     469     — 

auf  dem  Lande  Vollmolche.  Wenn  auch  diese  Ergebnisse  eine  Vererbung 
der  extremen  Lebenslagevariation  noch  nicht  beweisen,  so  zeigen  sie 
doch  die  eine  Generation  wenigstens  währende  Nachwirkung  des  modi- 
fizierenden Reizes,  den  gleichen  Erfolg,  den  wir  nun  schon  mehrfach 
antrafen. 

Diesen  wie  den  meisten  bisher  berichteten  Versuchen  haftet  nun 
noch  eine  prinzipielle  Schwäche  an,  die,  daß  das  Material  nur  schwer 
variationsstatistisch  betrachtet  werden  kann  und  daher  auch  positive 
Ergebnisse  sich  nicht  leicht  auf  eine  wirklich  exakte  Basis  stellen  lassen. 
Versuche  aber  mit  quantitativ  bestimmbaren  Merkmalen  sind  im  Tier- 
reich noch  wenig  ausgeführt.  Aus  neuerer  Zeit  stammen  die  Experi- 
mente von  Przibram  und  Su inner  an  Ratten  und  Mäusen,  von  denen 
letztere  erst  mit  genauen  Zahlenangaben  publiziert  sind.  Beide  Au- 
toren hielten  ihre  Versuchstiere  in  niedrigen  und  hohen  Temperaturen 
und  stellten  dabei,  in  Einklang  mit  den  Erfahrungen  aus  freier  Natur, 
fest,  daß  in  höheren  Temperaturen  (bei  Sumners  Mäusen  260,  bei 
Przibrams  Ratten  30 — 350)  die  Ohren,  Schwänze,  Füße  eine  größere 
Länge  annahmen  als  in  tiefen  Temperaturen.  Hand  in  Hand  damit 
geht  eine  Verminderung  der  Behaarung  und  bei  den  Ratten  ein  exzes- 
sives Hervortreten  der  äußeren  Genitalien.  Bei  den  in  normalen  Be- 
dingungen gehaltenen  Nachkommen  der  Wärme-  wie  der  Kältetiere 
waren  diese  Differenzen  noch  vorhanden,  schwächten  sich  aber  im  Lauf 
des  Heranwachsens  ab.  Trotzdem  sie  nicht  sehr  groß  waren,  so  können 
sie  doch  kein  Zufallsresultat  sein,  da  Sumner  berechnete,  daß  dagegen 
die  Wahrscheinlichkeit  von  1  :  20  000  spricht.  Allerdings  trat,  wie 
Przibram  fand,  das  Wiederauftreten  der  induzierten  Variation  in  der 
Nachkommenschaft  nur  ein,  wenn  die  Befruchtung  noch  unter  den 
veränderten  Bedingungen  stattgefunden  hatte.  Das  Resultat  ist  also 
auch  noch  nicht  klar  und  eindeutig. 

Noch  manches  Material  gleicher  Art  wäre  anzuführen;  doch  da 
es  uns  nichts  prinzipiell  Neues  lehrt,  so  möge  dies  genügen.  Und  welches 
ist  nun  das  Resultat?  Stellen  wir  uns  auf  den  strengen  Standpunkt 
der  Faktorentheorie,  so  beweisen  alle  diese  Versuche  nichts.  Ent- 
weder lag  nur  eine  Modifikation  vor,  die  erst  in  einer  weiteren  Gene- 
ration voll  zum  Ausdruck  kam,  eine  Präinduktion,  wie  wir  früher  mit 


—     470     — 

Woltereck  sagten.  War  aber  wirkliche  Erblichkeit  im  Sinne  der  moder- 
nen Genetik  erzielt,  so  handelte  es  sich  um  eine  direkte  Beeinflussung  der 
Keimzellen  bzw.  eine  Parallelinduktion.  Wir  glauben  aber,  daß  diese 
Auswege  nicht  genügen,  um  allen  Tatsachen  gerecht  zu  werden.  Wir 
haben  schon  oben  gesehen,  daß  mit  der  Parallelinduktion  und  der  direkten 
Bewirkung  der  Keimzellen  nicht  viel  gewonnen  ist.  Wir  wissen  nun 
sicher,  daß  ein  und  dieselbe  Außeneigenschaft  als  Modifikation  hervor- 


Fig.   180. 
Lord  Mortons  Quaggahengst.     Nach  Ewart. 


gerufen  werden  kann  und  als  erbliche  Form  in  der  Natur  sich  finden 
kann.  Wir  wissen,  daß  eine  solche  Modifikation  bei  Andauer  des  Reizes 
sich  in  weiteren  Generationen  bis  zur  Grenze  des  physiologisch  Mög- 
lichen verstärken  kann,  also  eine  Summation  eintritt.  Wir  wissen, 
daß  auch  bei  Aufhören  des  modifizierenden  Reizes  in  der  nächsten 
Generation  noch  eine  Nachwirkung  bemerklich  sein  kann.  Es  können 
also  auch  die  Keimzellen  „modifiziert"  werden.  Soll  es  da  wirklich 
ein  Ding  der  Unmöglichkeit  sein,  daß  schließlich  auf  diesem  Weg  eine 
Veränderung  in  den  Keimzellen  zustande  kommt,  die  dann  als  Addition 


471 


eines  einheitlichen  Gens  erscheint?  Das  Leugnen  solcher  Möglichkeit 
scheint  uns  der  Ausdruck  unbiologischen,  schematischen  Denkens  zu 
sein.  Ein  exakter  Beweis  für  die  Wirklichkeit  des  Vorgangs,  gegen 
den  es  keinen  Einwand  mehr  gäbe,  liegt  allerdings  noch  nicht  vor.  Wir 
sind  aber  überzeugt,  daß  zukünftige  Experimente  einmal  auch  den 
einwandfreien  Beweis  erbringen  werden,  daß  die  Mutation,  also  eine 
genotypische  Veränderung,  ebensowohl  plötzlich  auf  einen  starken 
Reiz  hin  erfolgen  kann,  wie  allmählich  als  Endresultat  einer  modi- 
fizierenden Außenwirkung  auf  dem  Weg  über  Reiznachwirkung  und 
Summation.     Heute  gilt  diese  Anschauung  als  ketzerisch;  warten  wir, 


Fig.   i S i . 
Lord  Mortons  Quaggabastard. 


Nach  Ewart, 


ob  ihr  nicht  die  Zukunft  ebenso  gehören  wird,  wir  ihr  die  Vergangenheit 
gehörte. 

Wir  können  diese  ebenso  interessanten  wie  weiterer  Aufklärung 
bedürftigen  Probleme  nicht  verlassen,  ohne  noch  einige  kurze  Worte 
einem  Aberglauben  gewidmet  zu  haben,  der,  so  unbiologisch  seine  Grund- 
gedanken sind,  doch  immer  wieder  auftaucht  und  besonders  in  der 
praktischen  Tierzucht  seinen  Spuk  treibt,  der  Annahme  der  sogenannten 
Telegonie.  Keiminfektion  oder  Telegonie  bedeutet,  daß,  wenn  mehrere 
Väter  nacheinander  das  gleiche  Weibchen  befruchten,  die  Nachkommen 
aus  der  späteren  Befruchtung  Charaktere  des  früheren  Vaters  zeigen  sollen. 
Hundezüchter  lassen  oft,  weil  sie  an  diese  Möglichkeit  glauben,  Rasse- 
hunde niemals  von  einem  Köter  decken,  der  ihnen  die  ganze  spätere 


—     472     — 

Nachkommenschaft  mit  einem  Rassehund  verderben  soll.  Die  Auf- 
merksamkeit wurde  auf  diese  Erscheinung  erst  durch  den  berühmt 
gewordenen  Fall  der  Stute  des  Lord  Morton  gelenkt,  den  sogar  Darwin 
als  beweiskräftig  ansah.  Eine  kastanienbraune  Stute,  die  mit  einem 
Quaggahengst,  der  in  Fig.  180  abgebildet  ist,  bastardiert  worden  war, 
gebar  später,  als  sie  von  einem  Araberhengst  befruchtet  wurde,  drei 
braune  gestreifte  Füllen,  von  denen  eines  mehr  Zebrastreifen  besaß 
als  der  Quaggabastard  und  von  Anfang  an  eine  kurze,  steife  und  auf- 
rechte Mähne  besitzen  sollte.  Ewart,  der  auch  umstehend  wieder- 
gegebene   Bilder    des    Quaggabastards    (Fig.  181)    wie    des    gestreiften 


Fig.  182. 
Lord  Mortons  gestreiftes  Füllen.     Nach  Ewart. 


Füllens  (Fig.  182)  beibrachte,  hat  nun  einmal  die  genaue  Herkunft 
dieser  Pferde  eruiert  und  dabei  festgestellt,  daß  die  Mutterstute  ein 
Halbblut  zwischen  einem  Araber  und  einem  indischen  Pony  war,  welch 
letzteres  eine  Streifung  von  der  Art,  wie  sie  die  Füllen  zeigten,  besitzt 
ferner  aber  auch  festgestellt,  daß  die  Angabe  der  aufrechten  Mähne, 
die  von  einem  Reitknecht  stammte,  durch  zeitgenössische  Abbildungen 
des  Füllen  widerlegt  wird.  Sodann  hat  aber  Ewart  an  mehreren  Haus- 
säugetieren und  Vögeln,  besonders  auch  am  Pferd  nach  Kreuzung  mit 
Zebra  durch  zahlreiche  Experimente  festgestellt,  daß  die  Telegonie 
ins  Reich  der  Fabel  gehört;  und  de  Parana,  der  in  Brasilien  die  gleichen 
Versuche  in  riesigem  Maßstabe  nach  Zebra-  wie  nach  Eselkreuzung 


—     473     — 

ausführte,  kam  zu  dem  gleichen  Resultat.  Die  Telegonie,  die  für  den 
mit  der  Befruchtungs-  und  Vererbungslehre  Vertrauten  ohnedies  ein 
Unding  darstellt,  kann  also  ruhig  als  überwundener  Irrtum  verschwin- 
den, der  nur  noch  Kuriositätsinteresse  hat. 


Zweiundzwanzigste  Vorlesung. 

Anwendung  der  Vererbungsgesetze  auf  den  Menschen. 

Wir  hatten  bereits  an  verschiedenen  Stellen  früherer  Vorlesungen 
Gelegenheit  zu  sehen,  wie  die  wissenschaftlichen  Erkenntnisse  der 
Vererbungslehre  auf  das  engste  mit  den  praktischen  Bedürfnissen  des 
Menschen  zusammenhängen,  wie  sie  besonders  der  Tier-  und  Pflanzen- 
züchtung neuen  Inhalt  zu  geben  geeignet  sind.  Nun  wollen  wir  zum 
Schluß  uns  noch  kurz  vor  Augen  führen,  in  welcher  Weise  sich  die  Ver- 
erbungslehre auch  auf  den  uns  am  meisten  interessierenden  Organismus, 
den  Menschen,  anwenden  läßt.  Es  kann  ja  von  vornherein  keinem 
Zweifel  unterliegen,  daß  Gesetze,  die  für  das  ganze  Tier-  wie  Pflanzen- 
reich gültig  sind,  auch  vor  dem  Menschen  nicht  halt  machen  werden. 
Ebenso  klar  ist  es  aber  auch,  daß  die  Anwendung  auf  einen  Organis- 
mus, der  dem  Zuchtexperiment  nicht  zugängig  ist,  praktisch  manche 
Schwierigkeiten  bietet;  denn  es  muß  das  Experiment  vollständig  durch 
statistische  Aufnahmen,  durch  Stammbaumstudien  ersetzt  werden. 
Es  ist  nun  nicht  etwa  zu  erwarten,  daß  dabei  für  die  Vererbungs Wissen- 
schaft besonders  wertvolle  Erkenntnisse  zutage  treten  werden.  Da 
aber  bei  den  Erbeigenschaften  des  Menschen  gerade  solche  sehr  reich 
vertreten  sind,  die  sozial  und  kulturell  von  größter  Wichtigkeit  sind, 
Talente  und  psychische  Fehler,  kraftvolle  Anlagen  und  Krankheiten, 
so  bildet  die  Kenntnis  und  Erforschung  der  Einzelheiten  menschlicher 
Vererbung  die  Grundlage  für  alle  Bestrebungen,  die  sich  die  Verbesserung 
der  Menschheit  zum  Ziel  setzt. 

Betrachtet  man  eine  menschliche  Population,  so  erkennt  man  leicht, 
daß  kaum  ein  Individuum  dem  anderen  gleicht,  mit  Ausnahme  iden- 
tischer Zwillinge.     Trotzdem  findet  man  im  einzelnen  eine  Unmenge 


—     474     — 

äußerer  und  innerer  Eigenschaften,  die  für  sich  betrachtet  sich  bei 
vielen  Menschen  in  gleicher  Art  finden.  Man  könnte  aus  der  Population 
Gruppen  von  Menschen  isolieren,  die  blonde,  schwarze,  rote  Haare  haben, 
die  sehr  groß  oder  sehr  klein  sind,  die  lange  oder  kurze  Schädelform  be- 
sitzen, die  geistig  normal  oder  defekt  sind,  die  taubstumm,  epileptisch, 
schwachsinnig  sind  usw.  Von  einer  außerordentlich  großen  Zahl  der- 
artiger Eigenschaften  weiß  aber  auch  ein  jeder,  daß  sie  erblich  sind: 
das  hat  er  von  seiner  Mutter,  seinem  Großvater,  ist  ja  eine  alltägliche 
Redewendung.  Wird  man  sich  nun  über  diese  Tatsache  in  Zusammen- 
hang mit  dem,  was  wir  in  diesen  Vorlesungen  hörten,  klar,  so  folgt 
daraus,  daß  wir  es  in  der  menschlichen  Population  mit  einem  überaus 
komplizierten  Bastardgemisch  zu  tun  haben.  Man  könnte  es  mit  einer 
sehr  polymorphen  Art  vergleichen,  die  in  eine  Unmenge  kleinster  Varie- 
täten und  Elementararten  zerfallen  ist,  die  sich  nun  immer  wieder  durch- 
einander kreuzen,  so  daß  die  Individuen  aus  allen  möglichen  Faktoren- 
kombinationen zusammengesetzt  sind.  Bei  der  großen  Zahl  von  Einzel- 
eigenschaften, um  die  es  sich  handelt,  ist  es  dabei  kaum  möglich,  daß 
einmal  zwei  völlig  homozygote  Individuen  zur  Fortpflanzung  kommen. 
Es  stellt  somit  jede  Fortpflanzung  eine  Bastardierung  dar.  Nimmt 
man  nun  dazu  noch,  daß  vielleicht  die  verschiedenen  Menschenrassen 
differente  Arten  darstellen  und  daß  überall  solche  Rassen  durcheinander- 
gekreuzt sind,  so  bekommt  man  einen  Begriff  von  dem  Bastardgemenge, 
das  die  Menschheit  darstellt. 

Will  man  dies  Gemenge  nun  vom  Standpunkt  der  Erblichkeits- 
forschung aus  analysieren,  so  muß  auch  hier  zuerst  festgestellt  werden, 
was  eine  Modifikation,  eine  nichterbliche  Lebenslagevariation  ist,  und 
was  auf  dem  Vorhandensein  eines  Erbfaktors  beruht.  Praktisch  ist 
das  vielleicht  der  wichtigste  Punkt,  über  den  nicht  genug  Erfahrung 
gesammelt  werden  kann.  Denn  eine  Modifikation  erlischt  ja  mit  ihrem 
Träger  bzw.  mit  Aufhören  der  bedingenden  Lebenslagefaktoren.  Schäd- 
liche Modifikationen  brauchen  daher  nicht  mit  Stumpf  und  Stiel  aus- 
gemerzt zu  werden,  sondern  sind  durch  Beseitigung  der  Bedingungen, 
also  meistens  auf  sozialem  Weg,  zu  bekämpfen.  Nützliche  Modifikationen 
aber  können  umgekehrt  auch  nicht  einfach  durch  Heiratsauswahl  er- 
halten werden,   sondern   sind  immer  wieder  neu  zu  erwerben.     Um- 


—     475     — 

gekehrt  können  Eigenschaften,  die  auf  dem  Vorhandensein  eines  Erb- 
faktors beruhen,  durch  keine  Lebenslage  zum  Verschwinden  oder  zum 
Vorschein  gebracht  werden  (wohlverstanden  genotypisch,  phänotypisch 
können  sie  vielleicht  unterdrückt  werden).  Ihre  Beseitigung  oder  ihre 
Erhaltung  ist  daher  eine  reine  Frage  der  Faktorenkombination.  Die 
Wissenschaft,  die  sich  die  Verbesserung  der  Menschheit  auf  rassen- 
hygienischem Weg  zum  Ziel  setzt,  die  Eugenik,  muß  daher  auf  der 
allergenausten  Kenntnis  dieser  Verhältnisse  basieren  und  hat  so  die 
Erforschung  dieser  Punkte  zur  nächsten  Aufgabe. 

Ist  nun  eine  Eigenschaft  als  Erbeigenschaft  bekannt,  so  erhebt  sich 
die  Frage :  wie  wird  sie  vererbt  ?  Und  da  können  wir  jetzt  schon  sagen, 
daß  alle  bisher  schon  näher  analysierten  menschlichen  Eigenschaften 
sich,  wie  zu  erwarten,  den  Mendelschen  Gesetzen  einordnen  lassen. 
Betrachten  wir  daher  die  wichtigsten  Typen,  deren  Auftreten  bereits 
bekannt  ist.  Nach  dem  vorher  über  die  Zusammensetzung  der  mensch- 
lichen Population  Gesagten  ist  folgendes  dabei  zu  erwarten.  Es  ist 
im  höchsten  Maß  unwahrscheinlich,  daß  zwei  Eltern  sich  in  einer  zu 
betrachtenden  Erbeigenschaft  verhalten  wie  AA  zu  aa,  also  der  eine 
im  Besitz,  der  andere  im  Fehlen  einer  Eigenschaft  homozygot  ist.  Die 
größte  Wahrscheinlichkeit  ist  vielmehr  dafür  vorhanden,  daß  jemand 
eine  Eigenschaft  nur  von  einem  seiner  Eltern  überkommt,  also  in  ihr 
heterozygot  Aa  ist.  Heiratet  er  wieder  jemand,  dem  die  Eigenschaft 
fehlt,  so  gibt  es  also  eine  Kreuzung  Aa  x  aa,  also  eine  Mendelsche 
Rückkreuzung  und  es  ist  daher  zu  erwarten,  daß  die  Hälfte  der  Nach- 
kommenschaft wieder  Aa  ist,  die  andere  Hälfte  aa.  Nächst  diesem 
Fall  wird  auch  öfters  der  Fall  vorkommen,  daß  beide  Eltern  Aa  sind, 
und  zwar  ist  es  klar,  daß  das  am  häufigsten  bei  Verwandtenehen  zu 
erwarten  ist.  Dann  muß  natürlich  das  Resultat  in  der  Nachkommen- 
schaft eine  einfache  Mendelspaltung  AA.'.Aa  :  aA  :  aa  sein. 

Solcher  einfacher  Mendel  fälle  sind  nun  bereits  eine  ganze  Reihe 
beim  Menschen  studiert  und  zwar  sowohl  normale  wie  pathologische 
Eigenschaften.  Das  Verhalten  bei  der  Vererbung  richtet  sich  natürlich 
nun  danach,  ob  die  betreffende  Eigenschaft  dominant  oder  rezessiv 
ist,  also  nach  der  Presence-Absence-Theorie  auf  dem  Vorhandensein 
oder  Fehlen   eines  Faktors   beruht.     Betrachten  wir  zuerst   den   Fall 


—     476     — 

einer  dominanten  Eigenschaft.  Untenstehende  Fig.  183  zeigt  schema- 
tisch an  einem  Stammbaum,  welche  Vererbungsmöglichkeiten  da  vor- 
liegen. Jede  Horizontalreihe  eines  solchen  Stammbaums  bedeutet  eine 
Generation.  Die  Individuen,  die  die  betrachtete  Eigenschaft  zeigen, 
sind  schwarz  angegeben,  die,  denen  sie  fehlt,  weiß.  Geschwister  sind 
durch  die  horizontalen  Striche  oberhalb  verbunden,  Ehegatten  unter- 
halb des  Zeichens.  Den  Ausgangspunkt  des  Stammbaums  bilden  ein 
rein  dominanter  Vater  (DD)  und  eine  rein  rezessive  Mutter  (RR).  Sämt- 
liche 7  Kinder  sind  heterozygot  (DR),  zeigen  also  das  dominante  Merkmal, 
sind  also  krank,  wenn  es  sich  um  eine  Krankheitsanlage  handelt.    Links 

DD?        x        gff/f 


DD%  DR*      DR%      DR*         DR*  qff%    DR*    DR%       ۟R 


f     «T  f     •'      «  DRftRR^    9  €  f  rft»g    •     •    f      tf 


Q     Cf    Q    CT  Cf    Q     Cf 

,  ^  ,  1       Vi_ 

L  I     L I     L         I    LI  LI 
Cf  9   Cfc)    O  9  ÖQOQ 

Fig.   183. 
Schematischer  Stammbaum  zur  Vererbung  einer  dominanten  Krankheit.    Nach  Plate. 

heiratet  dann  ein  Sohn  (DR)  wieder  eine  dominante  Frau  (DD).  Deren 
Kinder  müssen  also  alle  wieder  das  dominante  Merkmal  zeigen.  In 
der  Mitte  heiratet  ein  Sohn  (DR)  eine  rezessive  Frau  (RR),  es  müssen 
also  die  Hälfte  ihrer  Nachkommenschaft  (DR)  dominantmerkmalig, 
die  Hälfte  rezessiv  (RR)  sein.  War  das  dominante  Merkmal  eine  Krank- 
heit, so  ist  die  Hälfte  krank,  die  andere  Hälfte  gesund.  Die  Gesunden 
(RR)  mit  Gesunden  (RR)  vermählt,  können  nur  gesunde  Nachkommen- 
schaft erzeugen  (die  4.  und  5.  Generation  des  Stammbaums).  Endlich 
heiratet  rechts  eine  Tochter  (DR)  einen  ebenfalls  heterozygoten  Mann 
(DR).  Dann  muß  eine  Mendelspaltung  3  :  1  eintreten,  ein  Viertel 
der  Kinder  ist  rezessiv,  also  gesund. 


477 


Nach  diesem  Schema  vererben  sich  nun  eine  ganze  Anzahl  domi- 
nanter Eigenschaften.  Dunklere  Pigmentierung  von  Haar  und  Augen 
dominiert  über  hellere,  krauses  Haar  über  straffes,  eine  Menge  von 
Mißbildungen  wie  Spaltfuß  und  Hypospadie  über  den  normalen  Zustand, 
ebenso  eine  Menge  von  Krankheitsanlagen,  wie  Nachtblindheit,  Diabetes, 
Keratoma    über    den    normalen    Zustand.      Das    bekannteste    Beispiel 


Fig.  1S4. 
Links  brachydaktyle,  rechts  normale  Hand.     Nach  Drink  water. 


einer  Körpereigenschaft  ist  der  Habsburger  Familientypus  mit  der 
bekannten  Unterlippe  und  dem  vorspringenden  Kinn,  der  sich  seit 
dem  14.  Jahrhundert  als  dominante  Eigenschaft  durchverfolgen  läßt. 
Von  Mißbildungen  sei  die  Brachydaktylie  erwähnt,  die  durch  Ver- 
schmelzung zweier  Fingerglieder  zustande  kommt  (Fig.  184).  Die 
von    Drinkwater   beigebrachten    Stammbäume,    von    denen   einer   in 


—     478     — 

Fig.  185  reproduziert  ist,  zeigt  das  typische  Verhalten  einer  dominanten 
Eigenschaft :  Die  abnormen  Individuen  vererben  die  Mißbildung  auf 
die  Hälfte  ihrer  Kinder  (insgesamt  22  abnorm  :  26  gesund),  die  nor- 
malen haben  nur  normale  Nachkommen.  Noch  bekannter  ist  ein  Stamm- 
baum über  die  Nachtblindheit,  der  bereits  10  Generationen  mit  über 
2000  Gliedern  umfaßt.  Auch  hier  treffen  die  genannten  Erwartungen 
zu.  Mehr  der  Kuriosität  halber  sei  auch  die  gelegentlich  bei  Negern 
auftretende  Scheckung  erwähnt,  die  sich  der  Scheckung  der  Tiere  gut 
vergleichen  läßt,   da  sie   auf  einem  dominanten  Scheckungsfaktor  be- 


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© 


•  =  21 
0=  26 

Fig.    185. 
Stammbaum  über  Vererbung  der  Brachydaktylie.     Nach  Drink  water. 


ruht  (Pearson,  Kingston  und  Castle).  Auf  nebenstehend  wieder- 
gegebenem alten  Kupferstich  ist  dieser  Vergleich  bereits  in  origineller 
Weise  gezogen  (Fig.  186). 

Betrachten  wir  nun  eine  rezessive  Eigenschaft,  die  also  durch  das 
Fehlen  eines  Faktors  bedingt  ist.  Werden  die  Individuen,  die  die  Eigen- 
schaft oder  Krankheit  manifest  zeigen,  die  somit  den  Erbfaktor  nicht 
besitzen,  also  reine  Rezessive  RR  sind,  wieder  schwarz  angegeben, 
so  ergibt  sich  für  den  Vererbungstypus  im  Schema  der  folgende  Stamm- 
baum (Fig.  187).     Der  kranke  Mann  RR  heiratet  die  gesunde  Frau  DD. 


—     479     — 

Alle  Kinder  sind  heterozygot  DR,  erscheinen  also  gesund,  obwohl  sie 
den  rezessiven  Krankheitskeim  tragen.  Ein  solcher  Sohn  DR  (rechts) 
heiratet  eine  gesunde  Frau  DD,  und  deren  Kinder  sind  somit  zur 
Hälfte  DR,  zur  anderen  Hälfte  DD,  also  alle  scheinbar  gesund.  In 
Wirklichkeit   führt  aber  die  Hälfte   den   Krankheitskeim   in   der  Erb- 


Fig.  186. 


Scheckung  beim  Menschen.    Alter  Stich  mit  der  Aufschrift:    »The  spotted  negro   boy. 

George  Alexander  Opattan,    the  spotted  boy  died  on  the  3.   Febr.    1813   aged  6  years, 

was  buried  at  Great  Marlow  in  Buckingham  .  .  .  .«     »Painted  from  life  by  Dan.     Orme 

and  engraved  under  his  Direction  by  his  late  pupil  P.  R.  Cooper. 


masse  mit  {DR).  Aus  deren  Heiraten  mit  Gesunden  können  dann 
zahllose  Generationen  scheinbar  ganz  Gesunder  hervorgehen,  bis  ein- 
mal ein  DR  Individuum  auf  ein  anderes  DR  Individuum  trifft.  Am 
ehesten  wird  dies  natürlich  bei  Verwandtenheiraten  der  Fall  sein,  wie 
das  Schema  in  der  3.  Generation  in  der  Mitte  zeigt,  wo  ein  Mann  DR 
seine  Kusine  DR  heiratet.     Nun  ist  die  Vorbedingung  für  die  Mendel- 


—     480     — 

Spaltung  DD  :  DR  :  RD  :  RR  gegeben.  Von  den  Kindern  wird  also 
V4  RR,  d.  h.  krank:  Die  scheinbar  aus  der  Familie  ausgelöschte  Krank- 
heit erscheint  wieder.  Des  weiteren  ist  noch  die  Möglichkeit  gegeben, 
daß  ein  krankes  Individuum  RR  ein  heterozygot-gesundes  (DR)  hei- 
ratet, wie  der  Stammbaum  in  der  1.  Tochtergeneration  links  zeigt. 
Dann  ist  die  Hälfte  der  Nachkommenschaft  DR,  also  heterozygot 
gesund,  die  andere  aber  RR,  also  krank.  Heiratet  endlich  ein  krankes 
Individuum  RR  ein  anderes  krankes  (Enkelgeneration  links),  so  ist 
die  ganze  Nachkommenschaft  krank.  Es  ist  klar,  daß  dieser  rezessive 
Typus   praktisch   besonders  wichtig   ist,   weil  er   zeigt,   wie   scheinbar 


RR  4 


QDD 


fifff      DR<3      9  3  DRÖ        QDD 

|_ 


/ffff        Rr4      f      d    DRQ            DRÖ     909    äüßO         <$DD 
1 |  consanguin  \  | | 


•    f     •  f  f  cff       d    9 


<$    9      (5^9     ÖDD 


Fig.   187. 


Schematischer  Stammbaum    zur  Vererbung    einer    rezessiven    Krankheit.     Nach  Plate. 


erloschene  Krankheiten  doch  immer  wieder  auftreten  können.  Eine 
Ausschaltung  der  Krankheit  ist  eben  auf  die  Dauer  nur  möglich,  wenn 
nie  ein  krankes  Individuum  zur  Fortpflanzung  kommt.  Allerdings 
werden  auch  so  die  DR  Individuen  aus  früheren  Generationen  —  die 
Sünden  der  Väter  —  nicht  beseitigt  und  bilden  eine  dauernde  Gefahr. 
Als  Typus  einer  rezessiven  Eigenschaft  kann  beim  Menschen 
ebenso  wie  bei  Tieren  und  Pflanzen  der  Albinismus  gelten,  also  das 
Ausfallen  des  Farbkomplements,  so  daß  die  Haare  farblos,  die  Augen 
rot  erscheinen  (Kakerlaken).  Wenn  solche  in  einer  Familie  plötzlich 
auftreten,  müssen  beide  Eltern  DR  gewesen  sein  und  die  Zahl  der  Al- 
binos  1/4  der  gesamten  Kinderzahl  betragen,  was  tatsächlich  zutrifft. 


481 


Zwei  albinotische  Eltern  aber 
können  nur  Albinos  erzeugen. 
Viel  größeres  Interesse  be- 
anspruchen aber  die  rezes- 
siven, Krankheitsanlagen,  zu 
deren  wirklicher  Bekämpfung 
durch  die  Erkenntnis  der 
Gesetzmäßigkeit  die  erste 
Handhabe  gegeben  ist.  Zu 
diesen  scheint  dieTaubstumm- 
heit  zu  gehören,  wie  auch  die  -o 
Epilepsie  und  Schwachsinn. 
Die  praktischen  Folgerungen 
sind  bereits  oben  an  Hand 
des  Schemas  abgeleitet. 

Wir  haben  in  früheren 
Vorlesungen  ausführlich  das 
so  sehr  interessante  Kapitel 
dergeschlechtsbegrenzten  Ver- 
erbung behandelt.  Es  ist  nun 
sehr  bemerkenswert,  daß  sich 
gerade  dafür  besonders  ty- 
pische Fälle  beim  Menschen 
finden.  Das  Wesen  jenes  Ver- 
erbungsmodus war  es,  daß 
der  betreffende  Erbfaktor  in 
charakteristischer  Weise  mit 
den  geschlechtsbestimmenden 
Faktoren  gekoppelt  war.  Das 
gleiche  ist  nun  bei  den 
betreffenden  menschlichen 
Eigenschaften  der  Fall,  und 
dabei  kommt  folgender  merk- 
würdige Vererbungsmodus  zustande:  Die  Erkrankung  kann  nur  im 
männlichen  Geschlecht  sichtbar  werden  und  überspringt   in   der  Ver- 


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Goldschmidt,    Vererbungswissenschaft.     2.  Aufl. 


31 


—     482     — 

erbung  eine  Generation.  Heiratet  ein  kranker  Mann  eine  gesunde 
Frau,  so  sind  alle  Kinder  gesund.  Auch  die  Nachkommen  der  Söhne 
bleiben  gesund.  Dagegen  sind  die  Hälfte  der  Söhne  der  scheinbar  ge- 
sunden Töchter  wieder  krank.  Die  nur  bei  Männern  manifeste  Krank- 
heit wird  also  nur  durch  scheinbar  gesunde  Frauen  übertragen.  Die 
bekanntesten  Krankheiten,  die  auf  diese  ,,gynephore"  Art  vererbt  wer- 
den, sind  die  Bluterkrankheit  und  die  Farbenblindheit.  Für  erstere  ist 
umstehend  (Fig.  188)  der  berühmte  Stammbaum  der  Bluterfamilie 
Mampel  wiedergegeben.  Man  erkennt  daran  leicht,  wie  genau  sich  die 
Krankheit  an  das  Vererbungsschema  hält. 

Die  mendelistische  Erklärung  dieser  Fälle  ist  nun  nicht  ganz  leicht. 
Meist  wird  angenommen,  daß  dabei  ein  geschlechtsbedingter  Domi- 
nanzwechsel im  Spiel  ist,  also  derselbe  Faktor  im  männlichen  Geschlecht 
dominant,  im  weiblichen  rezessiv  ist.  Wir  haben  nun  früher  schon 
ausführlich  erörtert,  wie  sich  gerade  im  Fall  der  geschlechtsbegrenzten 
Vererbung  die  Übertragung  der  Tatsachen  auf  die  Chromosomenlehre 
als  Lichtspenderin  erweist.  Und  das  trifft  auch  für  diese  merkwürdige 
Art  geschlechtsbegrenzter  Vererbung  zu,  wie  leicht  aus  der  Betrachtung 
nebenstehenden  Schemas  nach  Wilson  hervorgeht  (Fig.  189).  Die  chromo- 
somale Erklärung  der  Geschlechtsbestimmung  fußte  ja  auf  der  Tat- 
sache, daß  ein  Geschlecht  homogametisch,  das  andere  heterogametisch 
ist.  Beim  Menschen  ist,  nach  allem  was  wir  wissen,  das  männliche 
Geschlecht  das  heterogametische,  wenn  auch  in  den  Einzelheiten  die 
Ansichten  noch  unglaublich  weit  auseinandergehen.  Es  hätte  somit 
das  weibliche  Geschlecht  zwei  X-Chromosomen,  das  männliche  aber 
nur  eines.  Die  weitere  Annahme  war  die,  daß  der  geschlechtsbegrenzt 
vererbte  Faktor  innerhalb  des  X-Chromosoms  lokalisiert  ist.  Wir 
können  also  das  den  Krankheitsfaktor  tragende  X-Chromosom  in  Kürze 
das  kranke  X-Chromosom  nennen  und  zeichnen  es  im  Schema  schwarz 
eingerahmt.  Der  Krankheitsfaktor  aber  ist  rezessiv.  Heiratet  nun 
eine  gesunde  Frau  einen  kranken  Mann,  so  liegen  die  Geschlechts- 
chromosomenverhältnisse vor,  wie  es  die  1.  Reihe  des  Schemas  angibt. 
Da  das  X-Chromosom  des  Mannes  keinen  Partner  hat,  so  muß  natürlich 
ein  Mann  mit  einem  kranken  X-Chromosom  auch  immer  manifest 
krank  sein.    Die  zweite  Reihe  zeigt  nun  die  Gameten,    die  diese  Eltern 


—     483     — 

bilden  und  die  dritte  die  beiden  Kombinationsmöglichkeiten  bei  den 
Kindern.  Man  sieht  sofort,  daß  alle  Söhne  gesund  sein  müssen  und 
auch  die  Krankheit  nicht  übertragen  können,  da  sie  ja  kein  krankes 
X-Chromosom  besitzen.  Auch  die  Töchter  sind  gesund,  da  Gesundheit 
über  Krankheit  dominiert.    Aber  sie  besitzen  ein  krankes  X-Chromosom, 


EUem 
P 


Gameten 
vonP- 


Kinder 
in  Fi. 


QameUn. 
von  Fi. 


Ki  na  er 
in  Fi. 


OLinit 


Vaterkravk 
hludter  qe.su.nd 


Kinder  gesund 
Tothttr  überträft 


Wü 


''icLe-rSöhne  Kr a?tK 
\dtrVochter  übertrtxyzn 


Fig.   189. 
Schema    des  Verhaltens    der  Geschlechtschromosomen   bei    der  Vererbung  der  Bluter- 
krankheit.    Nach  Wilson. 


durch  das  sie  zu  Trägern  der  Krankheit  werden.  Heiratet  eine  solche 
heterozygot-gesunde  Frau  einen  gesunden  Mann,  so  können  sich  nun 
die  4  Gametensorten  vereinigen,  die  in  der  4.  Reihe  dargestellt  sind 
und  das  ergibt  im  ganzen  die  4  Kombinationen  der  5.  Reihe.  Ein  Blick 
zeigt,  daß  alle  Töchter  gesund  sind,  daß  aber  die  Hälfte  von  ihnen 

31* 


—     484     — 

wieder  in  gleicher  'Weise  die  Krankheit  weiter  vererben  können.  Von 
den  Söhnen  ist  aber  die  Hälfte  gesund,  die  Hälfte  krank.  So  klärt  sich 
auch  dieser  merkwürdige  Vererbungstypus  in  einfacher  Weise  auf. 

Wir  haben  nun  beim  Studium  des  Mendelismus  eine  Fülle  von  Kom- 
plikationen kennen  gelernt,  die  alle  ihre  mehr  oder  minder  befriedigende 
Erklärung  fanden.  Es  ist  natürlich  zu  erwarten,  daß  auch  beim  Menschen 
die  betreffenden  Erscheinungen  sich  finden  werden .  "War  aber  ihre  Analyse 
schon  im  Vererbungsexperiment  schwierig,  wieviel  mehr  muß  sie  es  bei 
einem  nur  statistisch  zugänglichen  Material  sein.  Und  so  läßt  sich 
bis  jetzt  auch  nicht  viel  mehr  Sicheres  angeben,  als  diese  hier  aufge- 
führten Elementarfälle.  Es  steht  zwar  auch  schon  fest,  daß  solche 
komplizierten  epistatischen  Systeme,  wie  wir  sie  für  die  Färbung  der 
Nagetiere  kennen  lernten,  vorliegen,  und  der  Anfang  zu  ihrer  Analyse 
ist  bereits  für  die  Eigenschaften  Haarfarbe  und  Augenfarbe  gemacht. 
Es  steht  ferner  fest,  daß  es  polymere  Eigenschaften  gibt,  die  sich  also 
nach  dem  Prinzip  von  Nilsson-Ehle  verhalten.  Eine  solche,  die  Haut- 
farbe bei  Kreuzung  von  Negern  und  "Weißen,  ist  bereits  analysiert 
und  wurde  von  uns  früher  schon  besprochen.  Aber  für  diese,  wie  für 
andere  Punkte  muß  noch  viel  Material  gesammelt  werden,  ehe  die 
Gesetzmäßigkeiten  klar  demonstriert  werden  können.  Das  ist  aber 
begreiflicherweise  nicht  leicht.  Abgesehen  von  den  technischen  Schwie- 
rigkeiten der  Stammbaumforschung,  sind  auch  gerade  die  Eigenschaften, 
die  praktisch  am  wichtigsten  sind,  oft  sehr  schwer  zu  fassen.  So  ist  es 
oft  kaum  möglich  zu  unterscheiden,  ob  eine  Krankheit  gleicher  Er- 
scheinung vererbt  oder  individuell  erworben  ist.  Besonders  embryonale 
Defekte  sind  da  eine  gefährliche  Fehlerquelle.  Dann  kann  das  gleiche 
Krankheitsbild  durch  ganz  verschiedenartige  Erbfaktoren  bedingt  sein, 
die  wir  dann  zunächst  nicht  trennen  können,  umgekehrt  kann  ein  Erb- 
faktor sein  Vorhandensein  in  sehr  verschiedenem  Effekt  dartun.  Es 
kann  aber  auch  das  Manifestwerden  einer  Krankheitsanlage  an  die 
Lebenslage  oder  das  Alter  geknüpft  sein,  es  kann  ein  und  derselbe  Krank- 
heitstyp nach  verschiedenen  Modis  vererbt  werden,  ebenso  wie  etwa 
die  äußerlich  gleiche  Färbung  bei  Tieren  in  verschiedenen  Fällen  do- 
minant, rezessiv,  intermediär,  geschlechtsbegrenzt  vererbt  werden  kann. 
(Für  die  Farbenblindheit  kennt  man  z.  B.  schon  mehrere  Vererbungs- 


—     485     — 

typen.)  All  dies  sind  unendliche  Schwierigkeiten,  die  nur  langsam 
Schritt  für  Schritt  überwunden  werden  können.  Voraussetzung  dazu 
ist,  daß  die  ärztliche  Wissenschaft,  die  in  dieser  Richtung  arbeitet,  die 
Rassenhygiene,  mit  der  Beherrschung  des  ärztlichen  Wissens  auch 
die  vöUige  Vertrautheit  mit  den  Tatsachen  der  Erblichkeitsforschung 
verbindet.  Die  unendlich  mühevolle  und  zunächst  sicher  keine  schnellen 
und  blendenden  Resultate  versprechende  Einzelforschung  wird  dann 
einmal  auch  Großes  zum  Wohl  der  Menschheit  beisteuern  können. 


•♦-•••~*- 


Literaturverzeichnis. 

Das  folgende  Literaturverzeichnis  erhebt  keinerlei  Anspruch  auf  Voll- 
ständigkeit. Es  enthält  aber  wohl  alle  wichtigeren  Arbeiten,  wie  solche, 
von  denen  aus  die  weitere  Literatur  gefunden  werden  kann.  Die  mit  * 
bezeichneten  Werke  enthalten  zusammenfassende  Darstellungen,  ausführ- 
liche Literaturverzeichnisse  oder  beides.  Es  ist  in  drei  Teile  gegliedert: 
i.  Zeitschriftenverzeichnis,   2.  Literatur  bis  1912,   3.  Literatur  1912  — 1914. 

I.  Zeitschriften. 

Die  wichtigsten  genetischen  Arbeiten  wurden  in  den  folgenden 
Zeitschriften  veröffentlicht,  von  denen  die  mit  *  bezeichneten  außerdem 
(oder  ausschließlich)  ausführliche  Referate  bringen. 

Deutsch. 

*Archiv  für  Entwicklungsmechanik  der  Organismen.  Herausgegeben  von 
W.  Roux. 

Archiv  für  mikroskopische  Anatomie.  Abt.  II  (für  Zeugungs-  und  Ver- 
erbungslehre).   Herausgegeben  von  O.  Hertwig  und  W.  Waldeyer. 

*Archiv  für  Rassen-  und  Gesellschafts-Biologie.  Herausgegeben  von  A. 
Ploetz. 

*  Archiv    für   Zellforschung.      Herausgegeben    von    R.   Goldschmidt. 

Biologisches  Centralblatt.      Herausgegeben    von    J.   Rosen thal. 

♦Zeitschrift  für  induktive  Abstämmlings-  und  Vererbungslehre.  Heraus- 
gegeben von  E.   Baur. 

Zeitschrift  für  Pflanzenzüchtung.  Herausgegeben  v.   C.  Fruwirth. 

Zoologische  Jahrbücher.  Abteilung  für  allgemeine  Zoologie  und  Phy- 
siologie der  Tiere.     Herausgegeben  von  J.  W.   Spengel. 

*Zentralblatt  für  Zoologie,  allgemeine  und  experimentelle  Biologie.  Her- 
ausgegeben von  A.  Schuberg  und  H.   Po  11. 

Englisch. 
Annais  of  Botany. 
Biological    Bulletin    of    the    Marine    Biological    Laboratory    Woods    Hole, 

Mass.   Managing  Editor:  F.   R.  Lillie. 
Botanical  Gazette. 

Journal  of  Genetics.     Edited  by  W.  Bateson  and  R.  C.  P unnett. 
Journal  of  Morphology.     Edited  by  J.  S.  Kingsley. 
Proceedings  of  the  Royal  Society  London. 
Science. 


—     487     — 

*The  American  Naturalist. 

The   Journal  of  Experimental  Zoology.     Edited  by  W.  E.  Castle,   E.  G. 

Conklin,   C.  B.  Davenport,  H.  Jayne,  H.   S.  Jennings,   F.   R. 

Lillie,  J.  Loeb,    T.  H.  Morgan,    G.  H.   Parker,  E.   B.  Wilson 

and  R.   G.  Harrison. 
The  Mendel  Journal. 
The  Quarterly    Journal   of   Microscopical   Science.      Ed.  Ray  Lankester 

u.    Minchin. 

Französisch. 

Archives  de  Zoologie  experimentale  et  generale.   Ed.  Pruvot  et  Racovitza. 
♦Bulletin    Scientifique    de    la    France    et    de    la    Belgique.      Fonde  par  A. 
Giard.      Ed.  Caullery. 

II.  Literatur  bis  1912. 

♦Ackermann,  A.,  Tierbastarde,  Zusammenstellung  der  bisherigen  Beob- 
achtungen. Abhandlungen  und  Berichte  des  Vereines  für  Natur- 
kunde in  Kassel.  I.  Wirbellose.  40.  1 896/1897.  II.  Wirbeltiere. 
43.     1897/1898. 

Adler,  H.,  Über  den  Generationswechsel  der  Eichengallen.  Zeitschr.  f. 
wiss.   Zoologie.     35.     1881. 

Allen,  J.  A.,  The  influence  of  physical  conditions  in  the  genesis  of  species. 
The  Radical  Review  1877. 

Allen,  G.  M.,  The  heredity  of  coat  colour  in  mice.  Proc.  Americ.  Acad. 
Arts.  Sei.     40.     1904. 

Amma,  K.,  Über  die  Differenzierung  der  Keimbahnzellen  bei  den  Cope- 
poden.     Arch.  f.  Zellf.     6.     191 1. 

Arenander,  E.  O.,  Eine  Mutation  bei  der  Fjellrasse  (Kularasse).  Jahrb. 
f.  wissensch.   u.   prakt.  Tierzucht.      3.     1908. 

Artom,  C,  Ricerche  sperimentali  sul  modo  di  riprodursi  dell'  Artemia 
salina  Lin.   di  Cagliari.     Biol.  Centralbl.      26.     1906. 

Babäk,  E.,  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Variabilität  der 
Verdauungsröhre.     Arch.  f.   Entwm.     21.     1906. 

♦Bachmetjew,  P.,  Experimentelle  Entomologische  Studien.  2.  Bd. 
Einfluß  der  äußeren  Faktoren  auf  Insekten.     Sophia  1907. 

von  Baehr,  W.  B.,  Die  Oogenese  bei  einigen  viviparen  Aphiden  und  die 
Spermatogenese  von  Aphis  saliceti.     Arch.   f.   Zellf.     3.     1909. 

Balbiani,  M.,  Le  Phylloxera  du  Chene  et  le  Phylloxera  de  la  Vigne,  etudes 
d'entomologie  agricole.     1884.     Mem.  de  l'Acad.  des  Sei.     27.     1884. 

Balbiani,  G.,  Memoire  sur  la  generation  des  Aphides.  Ann.  Sei.  Nat. 
11.  14.  15.     1869— 1872. 

Ballowitz,  E.,  Über  hyperdaktyle  Familien  und  die  Vererbung  der  Viel- 
fingerigkeit  des  Menschen.  Arch.  f.  Rassen-  u.  Gesellschaftsbiologie. 
1.     1904. 

Baltzer,  F.,  Die  Chromosomen  von  Stronglylocentrotus  lividus  und 
Echinus  microtuberculatus.     Arch.  f.  Zellf.     2.     1909. 


—     488     — 

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Register, 


Abraxas  grossulariata  43,  283,  289. 
Abraxas-Typ  322. 
Acerina-Perca-Bastarde    272. 
Achatinellen  52. 
Aegilopsbastarde  145,   247. 
Aegilops  ovata  246. 
Aegilops  triticoidcs  246. 
Aequationsteilung  305. 
Ageniaspis  354. 
Aglia  tau   166,   195,   202. 
Akazien  452. 
Albinismus  ji,,   73,   480. 
Albino  212. 

Albinos,    verschiedenartige    208. 
Allelomorphe   162. 
Allelomorphismus,    falscher    223. 
Allen  53,  54. 
Alpensalamander  466. 
Alytes  obstetricans  s.  Geburtshelfer- 
kröte. 
Amblystoma  tigrinum  s.  auch  Axo- 

lo^  455.   456- 

Amma  443. 

Amphidasys    betularius    409. 

Amphimixis  67,   77. 

Amphioxus  59. 

Ancel  und  Bouin  358. 

Anconschaf  402,   411. 

Andalusierhühner  171,  218,  27-), 
276. 

Angiostoma  nigrovenosum ,  Fort- 
pflanzungzyklus des  345. 

Anpassungen,    funktionelle    45,    47. 

Antirrhinum  majus  231,   237,   273. 

Formenmannigfaltigkeit    des 

233- 

Antirrhinumspezies  274. 

Anuraea  cochlearis  75. 
Aphiden  372. 


Aphiden,  Generationswechsel  der 

378,  3S0. 
Aquilegia   22S. 
Araschnia  levana  39. 

—  prorsa  39. 

Arctia  caja,  Aberrationen   von    433. 
Aristoteles  411. 
Artbastarde   236,    238,    294. 

-  konstante  245. 
Artbastardierungen    270. 
Artkreuzungen  an  Enten  24S. 
Ascaris    megalocephala,     Keimbahn 

von  442. 
Atavismen   146,   270. 
Axolotl  46,  455,  456,  460. 
Axolotlkreuzungen  234. 

Babak  45. 
Baehr  v.    345. 
Bakterien  414. 
Baltzer   179. 
Bankivahuhn   146. 
Bastarde,  intermediäre   169. 

-  mendelnde    zwischen  Arten  237. 

—  vegetative  386. 

-  -Befruchtung    kernloser    Eifrag- 
mente   177. 

—  -Forschung  143. 
ältere   143. 

-  -Generation    erste    144. 
Bastardierung,  Auftreten  von  Neu- 
heiten bei   199. 

-  Neukombination     bei     der    207. 
Bastardierungs-Lehre   143. 
Bateson  4,   48,    in,    112,    113,    147, 

161,  162,  164,  165,  169,  173,  186, 

193.  J99.  2°2-  2°3<  2°9.  2I2>  2I3> 
216,  222,  224,  226,  227,  234,  257, 
281,  282,  288,  403,  424. 


537     — 


Bateson-Lotsy  425. 
Bateson  und  Punnett  284,  33S,  339. 
Bauhin  404. 

Baur  48,  206,  226,  22S,  231,  2^^, 
^il,  247,  273,  274,  342,  395,  396, 

397.   398,   399.   4^9- 

Bccbc  42. 

Befruchtung  5,    10,    177. 

Berbcris  vulgaris  var.  atropurpurea 
407. 

Biddersches  Organ  männlicher  Krö- 
ten 360. 

Biene  370. 

Biffen   193. 

Binometrische    Schule    111. 

Biotypus  120,   127,   129,   139. 

Birkenspanner  423. 

Biston  hirtarius  43,   239. 

Bitter  365. 

Bizzarria  390,   398. 

Blankinship  97. 

Blatta  360. 

Blattläuse  345. 

Blutbäume  407. 

Bluterkrankheit  482. 

Blutwechsel  460. 

Bohnen   122. 

Kreuzungen  216. 

Bonhote  248. 

Bordage  460. 

Boveri  17,   177,   179,  306,  312,  345, 

394.  442- 
Brachydaktylie  477. 
Bravaissche  Formel  82. 
Bredahuhn  203. 
Bryonia  346,   347. 
Buder  398. 
Bumpus  63,   70. 
Burbank  163,  246,  271,  408,  428. 

Calkins  385. 

Cardium  edule  48. 

Castle  68,   230,   231,  250,   256,   262, 

264,    273,    281,    326,    359,    451, 

478. 
Cerion  52. 

Chaerocampa   elpenor    409. 
Chauvin,    Marie    von    46,    455,    456, 

460,  467. 
Chelidonium  laciniatum  404. 


208,  230,  264, 


Chimären   yji,   395. 

Chromosomen  7,  9,  10,  179,  227,  301. 

-  geschlechtsbestimmende  320. 

-  qualitative     Verschiedenheit    14. 

-  und  Mendelspaltung  308. 

-  väterliche    und    mütterliche    10. 

-  Verschiedenheit   der   306. 

-  Zahl  der   10,  12. 
Chrysanthemum  segetum  93. 
Cieslar  459. 

Colias  edusa  315. 

Correns  114,  147,  165,  169,  194,  199, 
228,  237,  275,  281,  282,  293,  295, 

346>  347.  364.  365.  367.  368,  369, 

429. 
Coutagne   164,  [86. 
Crataegus  389. 
crossing  over  344. 
Cuenot  199,  200,  20; 

^73-  351»  352. 
Cunningham  86. 
Cyklomorphose  50,  67,  75. 
Cymatophora  or  albingensis  409. 
Cytisus  Adami  388,  398. 

Dachshund   110. 
Daphniden   55,    133,    373. 
Daphnien  73,    138. 

-  Generationszyklen  der  373. 

-  Helmhöhe  der  49,   70. 
Kopf  höhen  der  55,  374. 

Darbishire  112,   113,   165,   181,  230. 

Darwin    1,    2,     3,     19,    33,    48,    67, 

73»  78,  79-  So,  110,  115,  116,  119, 

M-.  143.  144.  T45.  147.  l6l>  l67> 
172,  200,  202,  293,  341,  350,  359, 
401,  403,  410,  411,  414,  415,  430, 

43i.  438,  439-  45^.  472- 
Darwinismus  3. 
—  extremer  439. 
Darwin,    Taubenkreuzungen    146. 
Davenport  ^^,  52,  97,  111,  165,  168, 

174- 
Davenport,  G.  u.  C.  257. 

Davenport  und  Arkcll  340. 

Davis  425. 

Deilephila-Artbastard  243. 

Delboeufs  Gesetz  420. 

Delcourt  und  Guyenot  60. 

Demoll  348. 


538 


Depression  bei  Infusorien  385. 
Determinanten  5,    119,  440. 
Diabetes  477. 
Dihybridismus   186. 
Dimorphismus,   fester  98. 

—  Geschlechts-  98. 

—  sexueller  44,   295. 

-  zweier  Rassen  97. 
Dimorphoteca  pluviahs  346. 
Dinophilus  353,   382. 
Dipsacus  sylvestris  99,  100. 
Disposition  zu  variieren  68,   69,    70. 
Divergenz  78. 

Dominanz   161. 

-  Gesetzmäßigkeit   162. 


unreine   16 


5- 


164. 


—  Unvollkommenheit  der, 
Dominanzwechsel   167. 

—  bei  reziproken  Kreuzungen  241. 
-  unregelmäßiger  168. 

Doncaster   180,    283,    370,    371. 

Dorfmeister  39,  433,  435. 

Dorkinghuhn   145. 

Doppellarven    von    Amphibien  387. 

Doppelmutanten  424. 

Draeger  413. 

Drinkwater  477. 

Drosophila    60,    68,    285, 

343,   428,   437. 
Duncker  29,  33,  63,  83. 
Dunin-Kozicky   von   412. 
Durchschlagskraft   144. 
Durham,    Miß    164,    206, 

230,  273. 
Dzierzon  370. 


322,    334, 


208,    214, 


East   131,   237,   256,   257,   272. 
Echinus  69,   178. 
Edwards  433. 
Ehrlich   141. 

Eigenschaft,  die  von  mehreren  Erb- 
einheiten bedingt  wird  219. 
Einhuferschwein  145. 
Elementarrassen   137,    139. 
Elternmittel   103. 
Emerson  226. 
Enriques  78. 

Entwicklungsmechanik  3,  83. 
Epistasis  204. 
Erbeinheiten  5. 


Erbformeln   228. 
Erblichkeitszahl   122. 
Erblichkeitsziffer   106. 
Erbsen   122,    181,   22^. 
Erbsenkamm   202. 
Ernährungseinwirkung      auf      Tiere 

42. 
Erophila   verna- Kleinarten  274. 
Ewart  243,  245,  271,  472. 

Faktoren- Abstoßung  222. 
-  -Austausch  344. 

—  klimatische  54. 

—  Koppelung  222. 
Farbenblindheit  482. 
Farne  372. 

Fasanenkreuzungen  247. 
Fasziation   100. 
Federley  394. 
Felchen   137. 
Felstaube   146. 
Fernande z  354. 
Fettschwanzschaf  240. 
Fettsteißschaf  240. 
Feuchtigkeitswirkung  auf  Tiere  42. 
Feuersalamander  466. 

— ■  -Fortpflanzungsgewohnheiten 

467. 
Fibonaccireihe  72. 
Fichten,  alpine  459. 
Fischer   433,    446,    447. 
Focke  143. 

Formenkette,    geographische   52. 
Fortpflanzung  der  Algen  385. 


-  Beziehung    von 


ungeschlecht- 


licher zu  geschlechtlicher  384. 

-  ungeschlechtliche    133,    414. 
Frequenzkurve  26. 
Frischholz  384. 

Frosch  383. 

— ■  -Geschlechtsentwicklung  362. 

Fruchtbarkeit   141. 

-  der   Hühner    272. 

•  Vererbung  der   138. 
Fruwirth   131. 

Fuß-Sohlenhaut    menschlicher    Em- 
bryonen 452. 

Gärtner   143. 
Gager  437. 


-     539     — 


85,  102,  103, 
in,  1 1 3  >  ii4. 
127,  I2S<  I4I» 


45; 


458. 


Gallus  bankiva  212. 

Galton  ij,  37,  79,  82 
104,  105,  107,  1 10, 
116,  1  iS,  120,  124, 
300. 

Galtons  Gesetz  des  Ahnenerbes  108. 

vom  Rückschlag  und  Ahnen- 
erbe  102. 

Galtonsche  Gesetze   122. 

Galton,   Zufallapparat  36. 

Gameten,    Reinheit  der   234. 

Gametophyten  367. 

Gartenschnecke    s.  Helix. 

Gartenvarietäten  407. 

Gates   167,   425,   426. 

Gattungsbastarde   273. 

Gaußsches  Fehlergesetz  37. 

Gayot  247,  268. 

Gebrauch  und  Nichtgebrauch,  Wir- 
kung von  439. 

Geburtshelferkröte    456, 

Geerts  426. 

Gefüllte  Blumen  407. 

Gene  5,    119. 

Genetik  4. 

Genotypus  120,  127,  129. 

Genotypenlehre  444. 

Germinalselektion   73. 

Gerould  $$=,. 

Gerste   122. 

—  Schartigkeit  der    122. 
Geschlecht  mendelistische  Erklärung 

des   281. 

—  Vererbung  und  Bestimmung  281. 

Geschlechtsbestimmung  durch  Ein- 
wirkung auf  übergeordnete  Fak- 
toren 369. 

-  Eingriffe     in     den     Chromo- 
somen-Mechanismus 346. 

-  Verschiebung     der     relativen 
Potenz  der  Erbfaktoren  348. 

-  experimentell   metagame    365. 

-  metagame  349,   351,   365. 

-  Probleme  der  344. 

-  progame  353. 

-  pro-  und  syngame  351. 

—  und  Temperatur,  Nahrung,  Ex- 
kretion   381. 

—  Zeitpunkt  349. 
Geschlechtscharaktere,  primäre  367. 


Geschlechtscharaktere,      sekundäre, 
s.  auch  Sexualcharaktere  44,  282, 
289,    293,    324.    358- 
-  Vererbung  der  sekundären    21)4. 

Geschlechtschromosomen    326,    340. 

Geschlechtsdimorphismus    97. 

Geschlechtsdrüsenteile,  nicht  funk- 
tionierende   360. 

Geschlechtslinien  379. 

Geschlechtspolymorphismus         294, 

335.  336- 
Geschlechtsumwandlung,  metagame 

durch    Potenzverschiebung    367. 

Geschlechtsvererbung    227,    331. 

Geschlechtsverhältnis,  normales  349. 

Geschlechtsverhältnis  zyklischer  For- 
men 372. 

Geschlechtszellen  5,  6. 

Giard  97,  168,  292. 

( rleichgeschlechtigkeit  multipler  Em- 
bryonen 3^3. 

Godin    144. 

Godlewski   17c). 

Godron   246,   408. 

Göbel  45,  80,  362,  461. 

Goldregen  388. 

Goldschmidt  266,  444. 

Gonadentransplantationen    449. 

Goodale    288,    289. 

Gracilaria  stigmatella  454. 

Graux  412. 

Gregory  226. 

Guaita  230. 

Guignard   194. 

Gulick  52,   326. 

Guthrie  449. 

Gynandromorphe  296,  358. 

Gynandromorphismus  364. 

Haase   133. 

Haacke  230. 

Habsburger  Familientypus   477. 

Hacker  72,   234. 

Hagedoorn   206,   208,  230,  288,  289, 

429. 
Hafer  219. 

—  -Svalöfer,   reine   Linie   von,    131. 
Halicore  452. 
Hanel   133. 
Hansen  448. 


540 


Harris  82. 
Hasen-Kaninchenkreuzungen       247, 

268,  428. 
Haustierzucht  270. 
Hautfarbe    von    Mulatten    257. 
Hays  130. 
Hefferan  24. 

Heincke  87,    137,    138,    139. 
Helix  163,   265,  427,  460. 

-  Artbastarde  238. 

■ —  hortensis,    Längs   Kreuzung  von 
Varietäten  der   183. 

-  linksgewunden  465. 

—  nemoralis  52. 
Helmpotenz  70. 
Heiweg  84. 
Henking  317. 
Herbst   180. 

Heribert-Nilsson   425,   426. 
Hering   137,    138,    139. 

■ —  Naturgeschichte  des  87. 
Hermaphrcditismus ,      akzidenteller 

362. 
Hertwig,  O.    und   R.    177. 
Hertwig,  R.     348,     362,     365,    367, 

369.  37-1.  38i,  382,  383.  384.  385. 

456- 
heterozygot   159. 

Hieraciumarten  245. 

—  alpine  459. 
Himbeeren-Brombeerenbastarde 

246. 
Hipponoe   180. 
Hoesch  277. 
Hofer   137. 
Homoeotypus   129. 
Homogamie  78. 
homozygot   159. 
Honing  425. 
Houssay  45. 
Hühner  141,    168,   212,  451. 

—  Fruchtbarkeit  der  342. 
Hühnerkämme   202,    223,    234,    268. 
Hühnerrassen,   geschlechtsbegrenzte 

Vererbung  bei  288. 

—  kurzsteißige   163,   402. 
Huhn,  polnisches  79. 
Hunde,  schwanzlose  402. 
Hybridatavismus   199. 
Hybridmutationen  270. 


Hydatina,   senta   378. 
Hydra   133,   384. 
Hypospadie  477. 

Janczewski  246. 
Idiosynkrasie   163. 

-  individuelle  167. 

Jennings  60,  63,  82,  94,   134,  448. 
Immunität,    erbliche    447. 
Inachus   359,    364. 
Indifferenz,    geschlechtliche    367. 
Infusorien   67,    133,    384,    448. 

-  Geschlechtsperioden   der,    385. 
Instinktvariationen  453. 

—  Vererbung  456. 
Inzucht  68. 

Johannisbeerenbastarde  246. 
Johannsen    31,    48,    49,    77,    82,    84, 

93,  107,  in,  112,  119,  120,  122, 
124,  128,  130,  131,  139,  149,  300, 
408,  414,  437,  444. 

Isolationsindex  97. 

Issako witsch  374. 

Ivanoff  240. 

Kahle  443. 

Kakerlaken   480. 

Kammerer  272,  456,  457,  461,  464, 

466,  467,  468. 
Kanarienvögel  42. 
Kaninchen  231,   451. 

-  lang-  und  kurzohrige  169. 
Kaninchen,    Lecithinfütterung    383. 

—  Silberfarbe   262. 
Kapteyn  82. 
Kartoffel  272. 

Kastrat  s.  auch  Eunuch  359. 
Kastration,    parasitäre    292. 
Katzen  mit  blauen   Augen    79. 

—  schwanzlose  402. 
Keilhack  374. 
Keimbahn  442. 
Keimesvariationen  67. 
Keimplasma  34,   67,   440. 
Kellogg  163,  167,  168,  186,  290. 
Keratoma  477. 

Kerner  von  Marilaun  245. 
King  350. 
Kingston  478. 
Kirschlorbeer  20. 


541 


Klassenvarianten  25. 

Klebs  63,  72,  74,  101,  367,  385,  460. 

Klodnitsky   381. 

Klone   133. 

Knight   143. 

Knospenvariationen   414. 

Koch  384. 

Koloradokäfer  21,  25,  50,  53,  55,  ^y , 
72,  78,  80,  91,  137,  138,  139,  175, 
421,  422,  427,  435,  446,  459. 
Mutationen  des  410. 

Kölreuter   143. 

KollektivsYmmetrie  83. 

Korrelation   79,   80,   22^. 

-  graphischer    Ausdruck    für    106. 
Korrelationsko^ffizient    82. 
Korscheit   353. 

Korschinsky  403,  404. 

Krabbe,   parasitär  kastrierte   363. 

Krabben  s.  auch  Inachus  292,   359. 

Krapfenbauer  384. 

Kryptomerie   199. 

Kükenthal  452. 

Kulturhafer   429. 

Kupelwieser  179. 

Kurve,    doppelgipflige    101. 

—  vielgipflige  72. 

-  zweigipflige  92,   93,   95. 
Kuschakewitsch  362. 
Kuttner  374. 

Lamarck  438. 

Lambotte  407. 

Lang  115,    127,    128,    139,    168,    191, 

238,  230,  254,  256,  257,  264,  266, 

268,  427,  460. 
Langhans  381. 
Lasiocampa   quercus   43,    44. 
Latenz   199. 

—  durch  Epistase    213. 
Lathyrus   107,   216. 

-  odoratus    103,    213,    222,   224. 
Lauterborn  75,  378,  379. 
Lebenslage  48,    117. 

-  stoßweise     Verschiedenheit     der 

72. 
Lebenslagevariation  51, 

—  in  der  Entwicklung 

—  Erblichkeit  459. 
Leche  452. 


68,   137. 
59- 


Le  Couteur   129. 

Lenhossek  350. 

Leporiden    s.  auch    Hasenkaninchen 

^47- 
Leptinotarsa  s.  auch   Koloradokäfer 

26,  68,  260. 
Levkojen,  gefüllte  342,   348. 
Leydig   =,2. 
Lichtnelke   293. 
Limnophila  48. 

-  heterophvlla  46. 
Linum  •  angustif oliurn    257. 
Lithomastix   354. 
Littorina    littorea    63. 
Lock   114,    185. 

Löwenmaul     s.  Antirrhinum     majus 

231- 

Lokalrassen    137. 

Lotsy  45,  424,  430. 

Ludwig  33,    71. 

Lutz  426. 

Lymantna   dispar  43,   44,    169,   290, 

158'  364.  367- 

-  monacha   s.  Xonne. 

Männcheneier    und    Weibcheneier 

353- 

Marey  45. 

Mc  Clendon  374. 

Mc  Clung  317. 

Mc  Dougal  417,   436,   460. 

Macfarlane  398. 

Mc  Leod   72. 

Mäuse  213,   22},,  469. 

Mäuse-Farbrassen   428. 

-  gelbe  273. 

Mäuserassen,    Analyse    der    Farben 

der  228. 

Kreuzungen  der  205,  207. 
Mais  257. 

■  Kreuzungen  des   194. 
v.   Malsen  382. 
Manxkatzen   167. 
Marchai   367. 

-  E.  u.  E.   372. 
Matschie   137. 
Mauchampschaf  412,    428. 
Maulesel  242. 

Maultier  242,   272. 
Maupas  378,   379,   381. 


542 


Medicago   intermedia   245. 
Meerschweinchen  231. 

—  kastriertes  359. 
Meijere,  de  293,  335,  336. 
Meisenheimer    290,     291. 
Melandryum  363,  364. 
Melaninpigmente,    weiße    164. 
Melanismus   53,    73. 

Mendel  3,  in,    114,    143,    146,    164, 
181,  199,  223,  245,  281,  423,  426, 

458.  475- 
Mendelfälle  beim  Mensch  475. 

Mendels   Erbsenversuche    147. 

Mendelscher  Monohybridenfall   183. 

Mendelspaltung     bei     fluktuierend- 
variablen    Eigenschaften    256. 

Mendelismus  und   Tierzucht   276. 

Mensch  68,  70,   78,  83,   104. 
-  Anwendung    der    Vererbungsge- 
setze 473. 

—  sechsfingerig  403. 
Mercurialis  annua  362. 
Merinoschaf  411,   412. 
Merrifield  433. 
Mespilus  389. 

Micrococcus    prodigiosus    448. 
Mimosen  452. 

Mirabilis  Jalapa  169. 
Mittelfehler  ^2. 
Mittelwert  29. 
Modifikabilität  34. 
Modifikation  und  Mutation  438. 
Montgomery  63,   350. 
Moose  371. 

—  Sporenbildung    361. 

Morgan  227,  230,  236,  285,  324,  326, 

334-    343.     344.     345.    428>    4-9, 

437- 
Mosaikbastarde   171. 

Mutanten,  albinistische  409. 

-  Entfernung  von  der  Stammform 

437- 

Erzeugung    von,     durch    Beein- 
flussung   der    Fortpflanzungs- 
organe 436. 

Mutation  404. 

Mutationen  3,  426,  431,  448. 

-  in  Getreidelinien   408. 
Mutationsperiode  420. 
Mutationstheorie   401. 


Nachtblindheit  477,   478. 

Nachtschatten  392. 

Nägeli   147,  459. 

Nathusius,   von  43,   413. 

Naudin  143,   145. 

Nawaschin   194. 

Nektarinen  415. 

Nemec  362. 

Neolamarckisten   459. 

Nereis  limbata   24,    31. 

Neukonstruktion  durch  Faktoren- 
interferenz 268. 

Neuroterus  370,   371. 

Nilsson,   N.  Hj.  130. 

Nilsson-Ehle  219,  221,  252,  256, 
258,  426,  429,  484. 

Nilsson-Ehles  Prinzip  338. 

Noll  367,  389. 

Nonne  22,  30,  71,  95,  98,    409,  423. 

Nußbaum  379,  381,  384. 

Oberhefe  448. 
Oenothera  70,  436. 

—  Lamarckiana    415,    421,   424. 

-  Mutationen  416. 

—  rubrinervis  55,   22^. 

-  Variabilität  der  Fruchtlänge  von 
117. 

Oenotheraarten,  de  Vries'  Kreu- 
zungen von  424. 

-  gigas  426. 

—  scintillans  418. 

-  -Chromosomen  426. 
Ohrenlänge  beim  Kaninchen  250. 
Okulierung   386. 

Ostenfeld   245. 
Ostwald  55. 
Oudemans  290. 

Papanikolau  76,  374,  375,  378. 
Papilio  hospiton  41. 

—  machaon  40. 

-  memnon  99,   335. 
Pappel,  italienische  406. 
Parallelinduktion   445,    470. 
Paramaecium    19.    60,    78,    94,    134, 

138. 
Parana,  de  472. 
Parthenogenese  49,  179. 

—  gelegentliche  353. 


543 


Parthenogenese,  künstliche   180. 
Pearl  67,    in,    114.    138.    X4X.    111- 

288,   34-- 
Pearl  und  Dunbar  68. 
Pearl  und  Surface   171. 
Pearson  29,  33,  68,   70,  78,  97,   107, 

108,  110,  iii,  113,  115,  116,  478. 
Pearson  und  Lee  68. 
Pearson  und  Whiteley  83. 
Pelargoniumarten  396. 
Penzig  390. 

Periklinalchimäre   395,    397. 
Periode,  sensible  435. 
Perla  marginata  361. 
Peter  59,  61,  69,   73. 
Pfau,  schwarzschulteriger  414. 
Pferd-Zebrakreuzung  243. 
Pflanzenzüchtung   276. 
Pflüger  350,    362,    383. 
Pfropfung   386. 
Pfropfbastarde  388. 
Phacochoerus,    Karpalschwielc    bei 

452- 
Phaenotypus  120, 

Phratora  vitellina 

Phylloxera  372. 

Pictet  43. 

Pilze  414. 

Pimapheles  26. 

—  notatus  24. 
Place  Variation   50. 

368. 
198,   208,   230. 
Poll  273. 
Polygordius  59. 
Polymerie    256,    262. 
Poppelbaum  364. 
Population   19,    102,    120,    127,    129 

—  menschliche  473. 
Portunion  97. 
Potenz   174. 

von  Erbfaktoren  264. 
Präinduktion  74,   377,   469. 
Prantl  367. 
Presence-  und  Absence-Theorie  162. 

173,  198. 
Primula  sinensis  42,    185. 
Primula   stellata    185. 

—  officinalis  72. 
Prothallien   366. 


127,  129. 
454- 


Plantago  lanceolata 
Plate  52, 


Przibram  86,  87,   114.  469, 
Pubertätsdrüse  359. 
Punnett  148,  185,  202,  209,  213,  224, 
226.  227,  2S2,  284,  i^S,  379. 

Quaggabastard  472. 
Quetelet  22,  25,  25. 
—  -Galton  431. 
Queteletsches  Gesetz  24,   34. 

Radiolarien   72. 

Rädertiere,   Generationswechsel  der 

378. 
Raimannia  odorata  437. 
Ranunculus  alpestris  436,   457. 
Rassen,      hörn-     oder     schwanzlose 

144. 

neue,   durch  Bastardierung   191. 
Rassenfrage  87. 
Rassenhygiene    111. 
Rassen,  hörn-  und  schwanzlose  144. 
Rassen  in  einem  Individuengemenge 

02. 
Ratte  209,  231,  469. 

-Mausbastarde  240. 
Ratten,      Scheckungstypus  bei   210. 
Raunkiaer  245. 
Raynor  283. 
Reaktionsnorm   47,    60,    71,    72,    73, 

119,  129,  377. 
Reduktion  bei  Sporenbildung  371. 
Reduktionsteilung  12,  305. 
Reduplication  series  227. 
Reichenau,    von    433. 
Reifeteilungen  301. 
Reifezustand  des  Eies  383. 
Reine  Linien  49,    123,   408. 
Reiznachwirkung    459. 
Reversion     199,     215. 
Rhododendron  intermedium   245. 
Rhumbler  440. 
Riddle  447. 
Ritter  443. 
Rörig  269. 
Romanes  78. 
Rosen  274. 
Rosenkamm  202. 
Rotatorien  372. 
Rubus  223. 

Rückschlag   106,    199,    215. 
Russo  383. 


544 


Saatkrähe  452. 
Sacculina  97,   292,   364. 
Saisondimorphismus  39. 
Salamander  466. 

-  Farbvariationen  beim  461. 
Salvia  horminum   209. 
Sarasin  52. 
Saunders,    Miß    209,    21^,    216,    224, 

348. 
Scardafella  inca  42. 
Schafe,  Hornvererbung  bei  340. 
v.  Scharffenberg  374,   375. 
Schaudinn  444. 
Scheckung  der  Nagetiere  257. 
Schecknngsfaktor   164. 
Schepelmann  45. 

Schlafbewegungen  von  Pflanzen  432 
Schlagenthin,  Graf  Arnim  432. 
Schleip  345. 
Schmetterlinge    Futterversuche    43. 

—  Temperaturexperimente    an    39. 
Schmitt  362. 

Schnecke,   quergebänderte    192. 

Schnecken   168. 

Schoenemund  361. 

Schouten  425. 

Schröder  454. 

Schultze  O.  352. 

Schwammspinner,     Kreuzung    des 

295- 
Schweine,  einhufige  411. 

Schweinerassen  237. 

Schweinezucht,  Geschichte  der  277. 

Schweinezüchter  43. 

Scolopendrium  vulgare  405. 

Scott  418. 

Sedum  63,    74,    10 1. 

Seeliger   1 79. 

Seeigel  5,  59,  62,  73. 

—  -Bastarde   176. 
Seeigeleier,  kernlose  59. 
Seenadel  91. 
Seidenhaar  428. 
Seidenhuhn   144. 

—  Pigmentierungsart  des  338. 
Seidenspinner  186. 

—  Kokonfarbe   163. 
Seiler  322. 
Sektorialchimäre   396. 

Selektion  in  einer  reinen  Linie  126. 


Selektion    und  Lebenslage   117. 

Selektionsversuch    an   Krabben    86. 

Semon  452,   453. 

Sempervivum   63,    465. 

—  -Bastarde  273. 

Settegast  240. 

Shearer  382. 

Shireff  130. 

Shull   133,    199,   216,   218,   378,   379, 

381,   436- 
Silene  Almeria  22S. 

-  Armeria   275. 
Silvestri  443. 
Simroth  432. 
Sitowsky  447. 
Smith  282,    359,    363. 
Solanum  Darwinianum  399. 

-  lycopersicum  392. 

-  nigrum   392. 

-  tubingense  392,  397. 

Soma-  und  Keimplasma,  Gegensatz 
zwischen  443. 

Spaltfuß  477. 

Spaltungsgesetz  181. 

Sphaerechinus  s.  Seeigel  69,    178. 

Spermatozoen,  Männchen-  und  weib- 
chenbestimmende 320. 

Spillman  288,   326. 

Sport  402,  410,  420,  437. 

Sports   144. 

im   Tierreich  408. 

Sprungvariationen  401. 

Standardabweichung  30. 

Standfuss   39,    144,    166,    195,    409, 

433- 
Standorts- Variabiltät  53. 

-  -Varietäten   137,   430. 
Stechapfel  408. 
Steinach  359. 
Steinrück   179. 
Stevens  317,   345. 
Stomps  425,   426. 

Strasburger  362,  363,  365,  371,  372, 

39o. 
Strohl   374. 

Strongylocentrotus  s.  Seeigel    69. 
Sturtevant  324,   344. 
Summation  470. 
Sumner  469. 
Surface  288. 


545     — 


Sutton  312. 

Svalöfer,   Züchtungsmethoden   130. 
Symmetrie,  bilaterale  83. 
Synapsis  303. 

Tagpfauenauge  409. 

Tammes   257. 

Taschenkrebs,   Rassen    des    96. 

Tatusia  354. 

Taube  79. 

Tedin   130. 

Telegonie  471. 

Temperaturexperimente  an  Schmet- 
terlingen 39,  432. 

Tennent  180. 

Tetraden  303. 

Thompson  85. 

Thomson   114. 

Thury  3S3. 

Tischler  273. 

Tomate  392. 

Tower  25,  50,  53,  54,  57,  68,  69,  72, 
78,  139,  170,  175,  260,  410,  421, 
422,  427,  432,  435,  446,  459. 

Toxopneustes   180. 

Toyama    164,    168,    1S6. 

Treppenkurve  26. 

Trihybridismus  209. 

Tschermak  147,   199,  213,  216,  300. 

Unfruchtbarkeit  von  Bastarden  272. 
Ustilago  363. 

Vau  436. 
Vanessa  io  40. 
- —  urticae  40. 
Variabilität  19,  60,   74. 

—  der    Kulturtiere    und 
268. 

—  durch    Veränderungen 
mischen    Grundlage    der 
schaftsbestimmer  74. 

—  —  Wechsel  der  Bedingungen  ge 


-Pflanzen 


der    che- 
Ei^en- 


steigert  60. 


Ernäh- 


—  eine    Erscheinung     der 
rungsphysiologie   56. 

—  fluktuierende  20,  431. 
Ursache    der    48. 

—  geographische  oder  Standorts-  5 1 . 
Variabilität,  kollektive  49,  50. 

Goldschmidt,  Vererbungswissenschaft.     2 


Variabilität,    Konjugation  und  68. 

—  nahe    verwandter    Formen,    ver- 
schiedene 69. 

-  Rolle  der  inneren  Faktoren  des 
Organismus  für  die  fluktuierende 
67. 

—  Ursachen  der  ^^,   55,   67. 

-  variabler  und  konstanter  Organe 

63- 
Varianten,  diskrete   25. 

—  räumliche    Verteilung    der   71. 
Variation,    bestimmt  gerichtete    72. 

-  der  geographischen,  klimatischen 
und  Lebenslage  77. 

-  diskontinuierliche  22. 

-  Qualität  der  71. 
Richtung  der  71. 

Variationen,  als  Ausgangspunkt  für 

die  Bildung  neuer  Arten   78. 
Variationskurve   26. 

—  halbe    ^,7,. 

—  hochgipflige  ^^,. 

—  schiefe  33. 

-  tiefgipflige  33. 
unsymmetrische   33. 
Verschiebung  der  38,   55. 
zwei-   und   mehrgipflige   33. 

Vuriationskurven,  symmetrische  ^^. 
Variationsreihe  durch  Bastard-Kom- 
bination 265. 

-  Veränderung  unter  dem  Einfluß 
äußerer    Bedingungen    22,    48. 

Variationsstatistik  30,   33,   79. 
Vereinigung    artfremder    Tierstückc 

386. 
Vererbung  erworbener  Eigenschaften 


438. 


—  geschlechtsbegrenzte 
-  geschlechtsbegrenzte 


183,    326. 
bei     Men- 
schen 481. 

Vererbungsrichtung,   Verschiebung 
der  179. 

Vererbungstypus,  intermediärer  236. 

Verlustmutanten  429,  437. 

Vernon  59,  68,  70,  97,  179. 

Vilmorin  123. 

De  Vries  3,  20,  55,  56,  70,  73,  93, 
100,  117,  129,  139,  147,  223,  245, 
246,  271,  404,  408,  415,  418,  421, 
422,  423,  424,  425,  432,  436,  437. 

Aufl.  35 


546     — 


Walnußbastarde  271. 
Walnußkamm  202,   213. 
Wassertiere,  Einfluß  des  Salzgehaltes 

auf  48. 
Weinberg  114. 
Weinland  378. 
Weismann  4,  5,  ss>  67,  73,  119,  373- 

374-    433.    439,    44°-    441-     443. 

444- 
Weizen  221. 
Weizenlinien  432. 
Weizenkreuzungen    193. 
Weldon  33,   70,   85,   86,   97. 
Wesenberg-Lund  75,  137. 
Wespen,  parasitische  354. 
Wespen- Variabilität    68. 
Wettstein  273,  436,  457. 
Wheldale  231. 
Whitney  378,  379,  380. 
Wichura   143. 

Wilson  317,   323,   326,   482. 
Winkler    392,    393,    395.    39^,    397- 

399- 
Witschi  362,   365. 

Wolf  448. 
Wood  340. 
Woodruff  385. 


Woltereck  47,  56,  70,  72,  73,  74, 
134,  138,  374,  375.  377,  378,  381, 
470. 

Wunderblume,  gelb-  und  grünblätt- 
rige  165. 

X-Chromosom,   Ausfall  eines   Gens, 

im   Bereich  des   333. 
Xenie  194. 

Yule  33,    114. 

Zeatypus  169,   185. 

Zellenlehre  und  Geschlechtsbestim- 
mung 317. 

Zellkern,  der  Träger  der  Erblich- 
keit 301. 

Zellteilung  6. 

Ziege  43. 

Zuchtwahl  85,   115. 

Zuchtwahllehre   19,   73. 

Zuckerrübe  S4,  123. 

Zugvögel,  größere  Variabilität  der  63. 

Zwangsdrehung  100. 

Zwittrigkeit,  vorübergehende  362. 

Zypresse  407. 


II 


fc .-- 


Druck  von  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig. 


I  I 


: