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Full text of "Autobiography"

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E. DORSCH, M. D. . ° ad. 1 
Monroe, Mich. | 


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The private Library of Edward Dorsch, M. D., of 


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| THE DORSCH LIBRARY. . 
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Monroe, Michigan, presented to the University of Michi- 


expressed by him. | 


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| gan by his widow, May, I888, in necordance with a wish 


sin Kampf um Rom. 


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Deiner Band. 


Gin Kampf um ow, 


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Hiftorifdher Roman 


Jelix Dahn. 


Motto: 
„Wenn etwas iſt, gewalt'ger ale das Sdhidfal, 
So ths der Muth, der'e unerſchüttert traͤgt.“ 
Geibel. 


Dritter Band. 


Siebente Auflage. 


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Leipzig, 
Drud und Verlag von Breitkopf und Hartel. 
1880. 


Ueberſetzungsrecht vorbebalter. 


Fünftes Bud). 


Witichis. 


Bweite Abtheilung. 


„Die Gothen aber wählten gum Koͤnig Witichis, 
einen Mann, gwar nicht von edlem Geſchlecht, 
aber von hohem Ruhm der Tapferkeit.“ 


Prokopius, Gothenkrieg I. 11. 


Dahn, Gin Kampf um Rom. ILL. 1 


Sweite Abtheifang. 


Grftes Capitel. 





Ym Lager angelangt fand ver Konig Witichis alles 
in höchſter Verwirrung; gewaltfam rig thn die dran- 
gende Noth des Augenblids aus feinem Gram und gab 
ihm vollauf zu thun. 

Er traf das Heer in voller Auflöſung und in zahl⸗ 
reide Parteiungen jerfpalten. 

Deutlich erfannte er, daß der Fall der ganzen gothi- 
ſchen Sache die Folge gewefen ware, hatte er die Krone 
niedergelegt oder das Heer verlafjen. 

Manche Gruppen fand er yum AWufbrud bereit. 

Die Einen wollten fig dem alten Grafen Grippa 
in Ravenna anfdliefen. 

Andre gu ven Rebellen ſich wenden, Andre talien 
verlafjend über die Alpen flüchten. 

Endlich feblte es nicht an Stimmen, welde fitr eine 
nene Königswahl fpraden: und aud bierin ſtanden fid 
bie Parteien waffendrohend gegeniiber. 

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| The private Library of Edward Dorsch, M. D., of | 
| Monroe, Michigan, presented to the University of Michi- 
| gan by his widow, May, 1888, in accordance with a wish | 
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Driner Band. 


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Hiſtoriſcher Roman 


von 


Jelix Dahn. 


Motto: 
„Wenn etwas tft, gewalt'ger alé bad Schicklal, 
Eo iſt's der Muth, der'e unerſchüttert traͤgt.. 
Geibel. 


DPritter Band. 


Siebente Auflage. 


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Leipzig, 
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel. 
1880. 


Sweite Abtheifung. 


Grftes Capitel. 





Sm Lager angelangt fand der Kinig Witidhis alles 
in höchſter Verwirrung; gemwaltfam rig ihn die drän⸗ 
gende Noth ves Augenblids aus feinem Gram und gab 
ihm vollauf ju thun. 

Gx traf das Heer in voller Aufldfung und in zahl⸗ 
reide Parteiungen zerſpalten. 

Deutlich erfannte er, daß der Fall ver ganzen gothi- 
ſchen Sache die Folge gewefen ware, hatte er vie Krone 
niedergelegt oder das Heer verlaffen. 

Mande Gruppen fand er gum Aufbrud bereit. 

Die Cinen wollten ſich dem alten Grafen Grippa 
in Ravenna anfdliegen. 

Undre gu den Rebellen ſich wenden, Andre Italien 
perlafjend über vie Alpen flüchten. 

Endlich feblte es nidjt an Stimmen, welche fiir eine 
neue Königswahl fpradhen: und aud) hierin ſtanden fid 
die Parteien waffendrohend gegeniiber. 

1* 


4 





Hildebrand und Hildebad hielten nod) diejenigen zu— 
fammen, welde an des Königs Fludt nicht glauben 
wollten. 

Der Alte hatte erflart, wenn Witichis wirklich ents 
flohen, wolle er nidjt ruben, bid der eidbrüchige König 
wie Theodahad geendet. 

Hildebad ſchalt jeden einen Neiding, der alfo von 
Witichis vente. 

Gie Hatten vie Wege zur Stadt und nad) dem 
Rebellenlager befest und drohten, jeden Abzug nad) diefen 
Seiten mit Gewalt zurückzuweiſen, wabrend aud) bereits 
Herzog Guntharis won ver Verwirrung Kunde erhalten 
hatte und langfam gegen das Lager ver Königlichen 
anvitdte. 

Ueberall traf Witichis auf unrubige Gruppen, abs 
ziehende Sdaren, Drohungen, Scheltworte, erhobene 
Waffen — jeden Augenblick fonnte auf allen Puncten 
ves Lageré ein Blutbad ausbredjen. 

Raſch entſchloſſen eilte er in fein Belt, ſchmückte fid 
mit Dem Kronhelm und dem golonen Stab, ftieg auf 
Boreas, das mächtige Schlachtroß, und fprengte, gefolgt 
pon Leja, der vie blaue Königsfahne Cheoderichs über 
thm hielt, durch die Gaſſen. 

In der Mitte des Lagers ſtieß er auf einen Trupp 
von Männern, Weibern und Kindern, — denn ein 
gothiſches Volks-Heer führte auch dieſe mit ſich — 
welcher ſich drohend gegen das Weſtthor wälzte. 

Hildebad ließ die Seinen mit gefällten Speeren in 
die Thore treten. 





5 


Lat uns hinaus,“ fdyrie ver Haufe, ,der König iſt 
geflohen, der Krieg ift aus, Wes ift verloren, wir wollen 
pas Leben retten.” 

Der Konig ift fein Lropf wie du,“ fagte Hildebad 
ven Vorderften zurückſtoßend. 

wa, ev ift ein Verräther,“ ſchrie diefer, ,er hat uns 
Alle verlaffen und verrathen um ein Par Weiberthranen.” 

oa," fdrie ein Undrer: ,er bat Ddreitaufend von 
unfern Briidern bingefdladtet und ift dann entflohn.“ 

„Du lügſt,“ fprad eine rubige Stimme und Witichis 
bog um die Lagerede. 

„Heil dix, Konig Witichis!“ ſchrie der riefige Hildebad, 
„ſeht iby ihn da! — Hab’ ich's nicht immer gefagt, ihr 
Geſindel. 

Aber Zeit war's, daß du kamſt — ſonſt ward es 
ſchlimm.“ 

Da ſprengte von rechts Hildebrand mit einigen 
Reitern heran: „Heil dir, König, und der Krone auf 
deinem Helm. — 

Sprengt durch das Lager, Herolde, und kündet, was 
ihr ſaht: und alles Volk ſoll rufen: „Heil König Witichis, 
dem Vielgetreuen.“ 

Aber Witichis wandte ſich ſchmerzlich von ihm ab. — 

Die Reiter ſchoſſen wie Blitze nad allen Seiten bins 
weg; bald ſcholl aus allen Gaffen ver donnernde Ruf: 
„Heil Konig Witichis,“ und von allen Seiten ftimmten 
vie jiingft nod) Hadernden einig in diefen Ruf zuſammen. 

Gein Bli€ flog mit vem Stolz tiefften Schmerzes 
liber die Tauſende. 


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Hiſtoriſcher Roman J 


Jelix Dahn. 


Motto: 
o Wenn etwas ift, gewalt’ger alé dat Sdidfal, 
Eo iſt's der Muth, derx’é unerfdiittert trigte =” 
@etbel, 


Dritter Band. 


Siebente Auflage. 


—_—_—_co83000-—____ 


Leipzig, 
Druck und Verlag von Breitkopf und Hartel. 
1880. 


Ueberſetzungsrecht vorbehalten. 


Fiinftes Bud). 


Witichis. 


Bette Abthetlung. 


Die Gothen aber wählten yum Konig Witidhis, 

einen Mann, zwar nist von edlem Geſchlecht. 

aber von hohem Ruhm der Tapferkeit.“ 
Prolopius, Gothenkrieg I. 11. 


Dahn, Cin Kampf um Rom, Il. 1 


Sweite Abtheifung. 


Grftes Capitel. 





Im Lager angelangt fand der Rinig Witichis alles 
in höchſter Verwirrung; gewaltfam riß thn die drän⸗ 
gende Noth des Wugenblids aus feinem Gram und gab 
ihm vollauf yu thun. 

Er traf das Heer in voller Aufldfung und in zahl⸗ 
reiche Partetungen zerfpalten. 

Deutlid) erfannte er, daß ver Fall der ganzen gotht- 
ſchen Sache die Folge gewefen ware, hatte er die Krone 
niedergelegt oder das Heer verlafjen. 

Mande Gruppen fand er gum Aufbrud bereit. 

Die Cinen wollten fid) dem alten Grafen Grippa 
in Ravenna anfdliefen. 

Andre gu den Rebellen fic) wenden, Andre Italien 
verlafjend über die Wlpen flüchten. 

Endlich feblte e8 nicht an Stimmen, welde fiir eine 
neue Königswahl fpraden: und aud) bierin ftanden fid 
pie Parteien waffendrohend gegeniiber. 

1* 


4 


Hildebrand und Hildebad hielten nod) diejentgen zu—⸗ 
fammen, welde an ded Königs Flucht nidt glauben 
wollten. 

Der Alte hatte erflart, wenn Witichis wirklich ents 
flohen, wolle er nicht ruben, bis der eidbrüchige Rinig 
wie Theodahad geendet. 

Hildebad fdalt jeden einen Neiding, ver alfo von 
Witichis denke. 

Sie hatten die Wege zur Stadt und nach dem 
Rebellenlager beſetzt und drohten, jeden Abzug nach dieſen 
Seiten mit Gewalt zurückzuweiſen, während auch bereits 
Herzog Guntharis von der Verwirrung Kunde erhalten 
hatte und langſam gegen das Lager der Königlichen 
anrückte. 

Ueberall traf Witichis auf unruhige Gruppen, ab⸗ 
ziehende Scharen, Drohungen, Scheltworte, erhobene 
Waffen — jeden Augenblick konnte auf allen Puncten 
des Lagers ein Blutbad ausbrechen. 

Raſch entſchloſſen eilte er in ſein Zelt, ſchmückte ſich 
mit dem Kronhelm und dem goldnen Stab, ſtieg auf 
Boreas, das mächtige Schlachtroß, und ſprengte, gefolgt 
von Teja, der die blaue Königsfahne Theoderichs über 
ihm hielt, durch die Gaſſen. 

In der Mitte des Lagers ſtieß er auf einen Trupp 
von Männern, Weibern und Kindern, — denn ein 
gothifches Volks-Heer führte auch dieſe mit ſich — 
welcher ſich drohend gegen das Weſtthor wälzte. 

Hildebad ließ die Seinen mit gefällten Speeren in 
die Thore treten. 





5 


„Laßt uns hinaus,“ ſchrie ver Haufe, „der König ift 
geflohen, der Krieg iſt aus, Alles iſt verloren, wir wollen 
das Leben retten.“ 

„Der König iſt kein Tropf wie du,“ ſagte Hildebad 
den Vorderſten zurückſtoßend. 

„Ja, ev iſt ein Verräther,“ ſchrie dieſer, „er hat uns 
Alle verlaſſen und verrathen um ein Par Weiberthränen.“ 

oa,” ſchrie ein Andrer: „er hat dreitauſend von 
unſern Brüdern hingeſchlachtet und iſt dann entflohn.“ 

„Du lügſt,“ ſprach eine ruhige Stimme und Witichis 
bog um die Lagerecke. 

„Heil dir, König Witichis!“ ſchrie der rieſige Hildebad, 
„ſeht ihr ihn da! — Hab' ich's nicht immer gefagt, ihr 
Geſindel. 

Aber Zeit war's, daß du kamſt — ſonſt ward es 
ſchlimm.“ 

Da ſprengte von rechts Hildebrand mit einigen 
Reitern heran: „Heil dir, König, und der Krone auf 
deinem Helm. — 

Sprengt durch das Lager, Herolde, und kündet, was 
ihr ſaht: und alles Volk ſoll rufen: Heil König Witichis, 
dem Vielgetreuen.“ 

Aber Witichis wandte ſich ſchmerzlich von ihm ab. — 

Die Reiter ſchoſſen wie Blige nach allen Seiten hin⸗ 
weg; bald fdoll aus allen Gaſſen der donnernde Ruf: 
„Heil König Witichis," und von allen Seiten ftimmten 
die jiingft nod) Hadernden einig in diefen Ruf zufammen. 

Gein Bli¢ flog mit dem Stolz tiefften Schmerzes 
liber Die Laufende. 


6 





Und Graf Leja ſprach hinter ihm leije: „du fiebft, du 
haft das Reich gerettet.” 

uf, führ uns zum Sieg!" rief Hildebad, ,denn 
Guntharis und Arahad ritden an: fie wähnen, uns ohne 
Haupt in offnem Bwift gu itberrafden! heraus auf fie! 
fie follen fic) ſchrecklich irren; heraus auf fie und nieder 
bie Rebellen.“ 

‚„Nieder die Rebellen!“ donnerten vie Heermanner 
nad, froh, einen Ausweg ihrer tiefervegten Leidenſchaft 
gu finden. 

Aber der Konig winkte mit edler Rube: 

„Stille! nicht nod etnmal foll gothifd Blut fließen 
bon gothifden Waffen. 

Shr harret hier in Geduld: du, Hildebad, thu’ mir 
auf das Chor. 

Niemand folgt mir: id) allein gehe zu den Rebellen. 

Du, Graf Leja, haltft vas Lager in Zucht, bis id 
wieder febre. 

Du aber, Hildebrand," er rief's mit erhobener Stimme, 
‚reit' an die Thore von Ravenna und Hinde laut: fie 
follen fie öffnen. 

Erfüllt ift thy Begehr, und nod vor Abend ziehn 
wit ein: der König Witichis und vie Königin Mtatas 
ſwintha.“ 

So gewaltig und ernſt ſprach er dieſe Worte, daß 
das Heer ſie mit lautloſer Ehrfurcht vernahm. 

Hildebad öffnete die Lagerpforte: man ſah die Linie 
der Rebellen im Sturmſchritt heraneilen: laut ſcholl ihr 
Kriegsruf, als ſich das Thor öffnete. 


7 





König Witihis gab an Graf Teja fein Schwert und 
ritt ibnen langſam entgegen. 

Hinter ihm ſchloß fic) das Thor. 

„Er ſucht ven Tov," fliifterte Hildebrand. 

ween,” fprad) Leja, er ſucht und bringt das Geil 
ver Gothen.“ 

Wohl ftusten vie Rebellen, als fie den einjelnen 
Reiter erfannten: neben ven wölſungiſchen Brüdern, 
welde an der Spitze zogen, ritt ein Führer avarifder 
Pjeilfhiigen, die fle in Gold genommen. 

Diefer hielt die Hand vor die Heinen, blingenden 
Mugen und rief: „Beim Roffe des Roßgotts, vas ift der 
König felbft! jegt, meine Burfden, pfeitfundige Söhne 
der Steppe, zielt haarſcharf und ver Krieg ift aus." 

Und er rig den trummen Hornbogen von der Schulter. 

„Halt, Chan Wardun," fprad Herzog Guntharis, eine 
eherne Hand auf feine Schulter legend. Du haſt zwei⸗ 
mal fdwer gefeblt in Cinem Athem. 

‘Du nennft den Grafen Witichis König: das fei 
dir verziehn. 7 

Und du willft thn morbden, der im Botenfrieden nabt: 

Das mag avarifd fein: es ift nicht Gothenfitte. 

Hinweg mit dir und deiner Schar aus meinem 
Lager. “ 

Der Chan ftugte und fah ihn ftaunend an: 

„Hinweg, fogleid!" wiederbolte Herzog Guntharis. 

Der Avare lachte und wintte feinen Reitern: 

„Mir gleid)! Kinder: wir gehn yu Veltfar. 


8 





Sonderbare Leute, viefe Gothen! Riefenleiber — 
Kinderherzen.“ 

Indeſſen war Witichis herangeritten. 

Guntharis und Arahad muſterten ihn mit forſchenden 
Blicken. 

In ſeinem Weſen lag neben der alten, ſchlichten 
Würde eine ernſte Hohheit: die Majeſtät des höchſten 
Schmerzes. 

„Ich komme, mit euch zu reden, zum Heil der Gothen. 

Nicht weiter ſollen Brüder ſich zerfleiſchen. 

Laßt uns zuſammen einziehen in Ravenna und jus 
fanmen Belifar befampfen. 

Sd werde Matafwintha freien und ihr Beide follt 
ant Nächſten ftehe an meinem Chron.“ 

‚„Nimmermehr!“ rief Arahad leidenſchaftlich. 

„Du vergißt,“ ſprach Herzog Guntharis ſtolz, „daß 
deine Braut in unſern Zelten iſt.“ 

„Herzog Guntharis von Tuſcien, id) könnte div ere 
widern, daß bald wir in euren Zelten ſein werden. 

Wir find zahlreicher und nicht feiger als ihr, und, 
o Herzog Guntharis, mit uns iſt das Recht. 

Ich will nicht alſo ſprechen. 

Aber mahnen will ich vid) des Gothen-Volks. 

Selbft wenn du fiegen follteft — du wirft yu ſchwach, 
um Belifar gu fdlagen. 

Kaum einig find wir ihm gewadfen. Gieb nad!” 

„Gieb du nad!" fprad der Wölſung, „wenn dir's 
um's Gothen-Volt zu thun. 


9 


Lege diefe Krone nieder: kannſt du fein Opfer bringen 
beinem Bolt 2" 

„Ich kann's — id hab's gethan. 

Haft vu ein Weib, o Guntharis 2 

„Ein theures Weib habe id." 

„Nun wohl: auch ich hatte ein theures Weib. 

Ich hab's geopfert meinem Volk: ich habe ſie ziehen 
laſſen, Mataſwinthen zu freien.“ 

Herzog Guntharis ſchwieg. 

Arahad aber rief, „dann haſt du ſie nicht geliebt.“ 

Da fuhr Witichis empor: ſein Schmerz und ſeine 
Liebe wuchſen rieſengroß: Gluth deckte ſeine Wangen, 
und einen vernichtenden Blick warf er auf den erſchrocknen 
Jüngling: 

„Schwatze mir nicht von Liebe, läſtre nicht, du 
thörichter Knabe. 

Weil dir ein par rothe Lippen und weiße Glieder 
in deinen Träumen vor den Blicken glänzen, ſprichſt du 
von Liebe? 

Was weißt du von dem, was ich an dieſem Weib 
verloren, der Mutter meines ſüßen Kindes. 

Eine Welt von Liebe und Treue. 

Reizt mich nicht: meine Seele iſt wund: in mir 
liegen Schmerz und Verzweiflung mit Mühe gebändigt: 
reizt ſie nicht, laßt ſie nicht losbrechen.“ 

Herzog Guntharis war ſehr nachdenklich geworden. 

„Ich kenne dich, Witichis, vom Gepidenkrieg: nie 
ſah ich unadeligen Mann ſo adelige Streiche thun. 

Ich weiß, es iſt kein Falſch an dir. 


10 


Sd) weiß, wie Liebe bindet an ein ehlich Weib. 
Und du haft das Weib deinen Volt geopfert2 
Das ift viel." 

„Bruder! mas finneft tu?’ rief Arahad, wads haſt 
Du vor?" 

„Ich habe vor, das Haus der Wilfungen an Edel⸗ 
muth nicht befdamen gu laſſen. 

Edle Geburt, Arahad, heiſcht edle That! 

Gag’ mir nur eins nod: weßhalb haft du nidt 
lieber vie Krone hingegeben, ja vein Leben, al8 dein 
Wei 2" 

Weil es ves Reiches ſicheres Verderben war. 

Zweimal wollt’ id die Krone Graf Arabad abtreten: 
gweimal ſchwuren die Erſten meines Heeres, ibn nie 
anjnerfennen. 

Drei, vier Gegenfsnige wiirden gewählt, aber, bei 
meinem Wort, Graf Arahad würde niemals anerfannt. 

Da rang id mein Weib von mir ab, vom blutens 
den Herzen. 

Und nun, Herzog Gunthari8, geden? aud pu des 
Gothen: Volks. 

BVerloren ift vas Haus der Wölſungen, wenn die 
Gothen verloren. 

Die edelfte Blithe des Stammes fallt mit dem 
Stamm, wenn VBelifar die Art an die Wurzel legt. 

3d habe mein Weib dabhingegeben, meines Lebens 
Krone: gieb du die Hoffnung einer Krone auf." - 

Man foll nidt fingen in ver Gothen Hallen: 


11 





Der Gemeinfrete Witidhis war edler, als ves Adels 
Edelſte 

Der Krieg iſt aus: ich huldige dir, mein König.“ 

Und der ſtolze Herzog bog das Knie vor Witichis, 
der thn aufhob und an feine Bruft zog. 

„Bruder! Bruder! was thuft pu an mir! welde 
Schmach!“ rief Arahad. 

„Ich techn’ es mir zur Ehre!“ fprad Guntharis rubig. 
„Und gum Zeiden, dak mein König nicht Feigheit fiebt, 
fondern eine Edelthat in der Huldigung, erbitt’ ich mir 
eine Gunft. . 

Amaler und Balthen haben unfer Gefdlecht zurück⸗ 
gedrangt von vem Plage, der ihm gebührt im Volle der 
Gothen.“ 

„In dieſer Stunde," ſprach Witichis ,faufft du thn 
zurück: vie Gothen follen nie vergeſſen, daß Wölſungen⸗ 
Edelſinn ihnen einen Bruderkampf erſpart hat.“ 

„Und deß zum Zeichen ſollſt du uns das Recht ver⸗ 
leihen, daß die Wölſungen der Gothen Sturmfahne dem 
Heer vorauftragen in jeder Schlacht.“ 

„So ſei's,“ ſagte der König, ihm die Rechte reichend, 
and keine Land wird fie mir würdiger führen.“ 

„Wohlan, jest auf zu Mataſwintha,“ ſprach Guntharis. 

„Mataſwintha!“ rief Arahad, der bisher wie betäubt 
der Verſöhnung zugeſehen, die alle ſeine Hoffnungen 
begrub. 

Matafwintha!" widerholte er. „Ha, zur rechten Beit 
gemahnt ihr mich. 

Ihr könnt mir die Krone nehmen — ſie fahre hin, 


12 


— nidt meine Liebe und nicht die Pflicht, vie Geliebte yu 
beſchützen. 

Sie hat mich verſchmäht: ich aber liebe ſie bis zum 
Tode. 

Ich habe ſie vor meinem Bruder beſchirmt, der ſie 
zwingen wollte, mein zu werden. 

Nicht minder wahrlich will ich ſie beſchützen, wollt 
ihr ſie nun beide zwingen, des verhaßten Feindes zu 
werden. 

Frei ſoll ſie bleiben, dieſe Hand, die koſtbarer als 
alle Kronen der Erde.“ 

Und raſch ſchwang er ſich auf's Pferd und jagte mit 
verhängtem Zügel dem Lager zu. 

Witichis ſah ihm beſorgt nach. 

„Laß ibn,” ſprach Herzog Guntharis, „wir beide, einig, 
haben nichts zu fürchten. 

Gehn wir die Heere zu verſöhnen, wie die Führer.“ 

Während Guntharis zuerſt den König durch ſeine 
Reihen führte und dieſe aufforderte, gleich ihm zu huldigen, 
was ſie mit Freuden thaten, und darauf Witichis den 
Wölſungen und ſeine Anführer mit in ſein Lager nahm, 
wo Die Beſiegung des ſtolzen Herzogs durch Friedens⸗ 
worte als ein Wunderwerk des Königs angeſehen wurde, 
ſammelte Arahad aus den Reitern im Vordertreffen eine 
kleine Schar von etwa hundert ibm tren ergebnen Gee 
felgen und ſprengte mit ihnen nach ſeinem Lager zurück. 

Bald ſtand er im Zelt vor Mataſwinthen, die ſich 
bei ſeinem Eintreten unwillig erhob. 


13 


„Zürne nicht, ſchilt nicht, Fiirftin! diedmal haft du 
fein Recht dazu. 

Arahad kommt, die letzte Pflicht ſeiner Liebe zu 
erfüllen. Flieh, du mußt mir folgen.“ | 

Und im Ungeftiim fener Aufregung griff er nad) der 
weifen, fdmalen Hand. 

Matafwintha trat einen Schritt zurück und legte die 
Rechte an ven breiten Goldgitrtel, der thr weißes Unter: 
gewand umſchloß: „fliehen?“ fagte fie, ,wobin fliehen?" 

Ueber's Meer! Ueber vie Alpen! gleichviel: in die 
Freiheit. Denn deiner Freiheit droht höchſte Gefahr.“ 
oon euch allein droht fie.“ 

„Nicht mehr von mir! Und ich kann dich nicht 
mehr beſchirmen. 

So lang du mein werden ſollteſt, konnte ich es, 
konnte grauſam ſein gegen mich ſelbſt, deinen Willen 
zu ehren. Aber nun —“ 

„Aber nun?“ ſprach Mataſwintha erbleichend. 

„Sie haben dich einem Andern beſtimmt. 

Mein Bruder, mein Heer und meine Feinde im 
Königslager und in Ravenna, alle ſind darin einig — 

Bald werden ſie dich tauſendſtimmig als Opfer zum 
Brautaltar rufen. 

Sd) kann's nicht denken! Dieſe Seele, dieſe Schin- 
heit entweiht als Opfer in ungeliebtem Ehebund.“ 

‚„Laß fie kommen,“ ſagte Mataſwintha, „laß ſehen, 
ob ſie mich zwingen!“ 

Und ſie drückte den Dolch, den ſie im Gürtel trug, 
an ſich — 


14 


„Wer ift er, der neue Bwinghery, der mir drobt.“ 

„Frage nidt!” rief Arahad, ,dein Feind, der dein 
nicht werth, ver dich micht Liebt; ber — folge mir — 
flieh’, ſchon naben fie!“ 

Man hirte von draußen nahenden Huffdlag. 

„Ich bleibe. Wer gwingt das Enfelfind Theoverichs 2 

„Nein! du follft nicht, follft nicht in ihre Hände 
fallen, der Fühlloſen, die nicht vid) lieben, nicht deine 
Herrlidfeit, nur dein Recht auf die Krone! Folge mir —" 

Da ward der Thilrvorhang des Zeltes gur Seite 
gefdoben: Graf Teja trat etn. Zwei Gothenfnaben mit 
ibm, in weißer Seide, feſtlich gefleidet. 

Gie trugen ein mit einem Schleier verhiilltes 
Purpurfifjer. 

Gr trat bis an die Mitte deS Belted und beugte 
das Knie vor Mataſwinthen. 


Er trug, wie die Knaben, einen grünen Rautenzweig 
um den Helm. 

Aber ſein Auge und ſeine Stirne war düſter, — als 
er ſprach: 

„Ich grüße dich, der Gothen und Italier Königin!“ 

Mit erſtauntem Blick maß ſie ihn. 

Teja erhob ſich, trat zurück zu den Knaben. nahm von 
rem Kiſſen einen goldenen Reif und ven grünen Rauten⸗ 
franz und fprad): „Ich reiche dir Den Brautfrang und 
die Krone, Matafwintha, und lave did) zur Hochzeit und 
zur Krinung — die Sänfte fteht berett." 

Arahad griff an's Schwert. 


15 ! 


Wer fendet vic?" fragte Matafwintha mit flopfen- 
vem Herzen, aber die Hand am Dold. 

Wer fonft, als Witichis, der Gothen König.“ 

Da leuchtete ein Strahl ver Begeifterung aus 
DMatafwinthens wunderbaren Augen: fie erhob beire 
Arme gen Himmel und ſprach: 

„Dank, Himmel, deine Sterne liigen nidt: und nidt 
das treue Herz. Ich wut es wohl." 

Und mit beiden ſchimmernden Handen ergriff fie das 
bekränzte Diadem und drückte es feft auf das dunkel⸗ 
rothe Haar. 

„Ich bin bereit. 

Geleite mid,“ fprad fie, ,jgu deinem Herm und 
meinem.” 

Und mit finiglider Wendung reichte file Graf Teja 
bie Linke, der fie ebrerbietig binausfiihrte. 

Arahad aber ftarrte der Verſchwundenen nad, ſprach⸗ 
(o8, nod) immer die Hand am Schwert. 

Da trat Curid), einer feiner Gefolgen, zu ifm 
heran, und legte ihm die Hand auf die Srhulter: 

„Was nun? fragte er, vie Roſſe ſtehen und barren: 
wobin 2" 

„Wohin?“ rief Arahad auffahbrend — ,wobin? 

Gs giebt nur nod Einen Weg: wir wollen ihn 
geben. Wo ftehen die Byzantiner und der Lor?" 


Bweites Capitel. 





Am fichenten Tage nach viefen Greigniffen beveitete 
fic) ein glanzvolles Weft auf den Fora und in dem 
Kinigspalaft gu Ravenna. 

Die Birger der Stadt und die Gothen aller drei 
Parteien wogten in genifdten Scharen durch die Strafen 
und fubren durd die Lagunen⸗-Canäle — denn Ravenna 
war damals eine Wafferftadt, faft, aber dod) nicht ganz, 
wie heute BVenedig — die riefigen Kränze, Blumen: 
Bogen und Fahnen gu bewundern, welde von allen 
Binnen und Dächern niederwebten: denn e8 galt, die 
Vermahlung ves gothifden Königspares gu feiern. 

Am frithen Morgen. hatte fid) das ganze jest vers 
einigte Heer ver Gothen vor den Thoren ver Stadt zu 
feierlicher Volksverſammlung gefdart. 

Der König und die Königin erſchienen auf milch⸗ 
weißen Roſſen: abgeſtiegen waren ſie vor allem Volk 
unter eine breitſchattende Stein-Giche getreten: dort hatte 
Witidhis fetner Braut die redjte Hand auf vas Haupt 
gelegt: fie aber trat mit bem entbligten linken Supe 
in den Goldfduh des Königs. 


4 


17 


Damit war unter dem Zuruf ver Taufende die Che 
nach Bollsredt gefdlofien. 

Darauf beftieg das Par einen mit gritnen Bweigen 
geſchmückten Wagen, der von vier weißen Rindern ges 
gogen ward; der König ſchwang die Geifel und fie 
fuhren, gefolgt von bem Heere, in die Stadt. 

Dort ſchloß fich an die halb heidnifde, germanifde, 
eine zweite, die chriſtliche Geter: der arianifde Biſchof 
ertheilte feinen Segen ither das Par in der Baſilika 
Sancti Vitalis und ließ es vie Ringe wedfeln. 

Rauthgundens wurde nicht gedadht. 

Nod) war vie Kirche nidt mächtig genug, thre 
Forderung ver Unauflöslichkeit einer kirchlich geſchloſſnen 
Che überall durchzuſetzen: vornehme Römer und vollends 
Germanen verſtießen nod häufig in voller Willfitr ihre 
Frauen. 

Und wenn gar ein König aus Gründen des Staatswohls 
und ohne Einſpruch der Gattin das Gleiche beſchloß, erhob 
ſich kein Widerſtand. — 

Aus der Kirche ging der Zug nach dem Palaſt, in 
deſſen Hallen und Gärten ein großes Bankett gerüſtet war. 

Das ganze Gothenheer und die ganze Bevölkerung 
der Stadt fand hier, dann auf den Fora des Herkules 
und des Honorius und in den nächſten Straßen und 
Canälen auf Schiffen, an tauſend Tiſchen reiche Bewir⸗ 
thung, während die Großen des Reiches und die Baehmen 
der Stadt mit dem Königspar in der Gartenvotunde oder 
in Dev weiten Trinfhalle, welde Theoderich hatte in vem 


romifden Palaſt anbringen laſſen, tafelten. 
Dabhn, Cin Kampf um Rom. IL. 9 


18 


Sowenig vie Lage des Landes und des Königs 
Stimmung zu raufdenden Felten paffen modten — es 
galt, die Ravennaten mit den Gothen und die vers 
ſchiedenen Barteien der Gothen unter fic) gu verſöhnen: 
und man boffte, in Strimen des Feſtweins die lesten 
feindfeligen Crinnerungen hinwegzuſpülen. 

Am Beften überſah man den Königstiſch und die 
feftlichen Tafeln, welche fid) fiber ten weiten Garten und 
Park vertheilten, von dem gum Brautgemach Matafwinthens 
beftinunten fleinen Gelaß, deſſen einjiges Fenfter anf 
pie Motunde vor vem Garten und, über den Garten 
hin, bis auf pas Meer ausbliden lief. 

Sn diefem Gemach drei Tage zuvor ſchon fdmiidend gu . 
ſchalten und gu walten, batte fid) Aſpa, die Numiderin, 
al8 Lohn treuer Dienfte ausgebeten. 

„Denn diefe ernften, finftern Römer wiffen eben fo 
wenig wie die rauhen Gothen dem ſchönſten Weib der 
Erde das Brauthett gu bereiten: in Afrifa, im Land der 
Wunder, lernt man das." 

Und woh! war ihr's gelungen, wenn aud im Ginn 
ver ſchwülen, phantaftifdhen Ueppigtett ihrer Heimath. 

Gie hatte das enge und niedre Gemad wie gu einem 
Heinen Zauberkiſtchen umgefdaffen ! 

Wände und Dede waren von glingend weiffen 
Marmorplatten gefiigt. 

Aber Afpa hatte den ganjen Raum mit dret- und 
vierfad) aufeinandergelegten Gebangen von duntelrother 
Geide verhüllt, vie in ſchweren Falten von den Wänden 
nieder flog, fic) liber vie GetafelsDede wie ein Rundbogen 


19 


wölbte und ben Marmorboden fo dicht verbiillte, daß 
jeder Lritt lautlos drüber bin glitt und alles Geräuſch 
fid) im Entſtehen brad. 

Nur an der Fenfterbritftung fah man den fchimmernd 
weifen Marmor fic) pradtooll von ver Gluth der Seive 
bheben. 

Das Fenfter von weifem Frauenglas war mit einem 
Vorhang von mattgelber Seide verhangen und alles Licht 
in dem kleinen Raum ftrdmte aus von einer UAmpel, 
welde von der Mitte ver Dede aus niederbing: 
eine Gilbertaube mit golonen Flügeln fdwebte aus 
einem Füllhorn von Blumengewinden: in den Füßen 
trug fie eine flade Shale aus einem einjigen großen 
Garneol, der ein Gefdent ves Banvalentinigs, in den 
auraſiſchen Bergen gefunden, als ein feltnes Wunder galt. 

Und in dieſer Schale glithte ein rothes Flämmchen, 
genabrt von ftarf puftendem Gever-Del. 

Cin gebrocenes, traumerifdes Dammerlidt ergoR 
fic) von bier aus über das phantaftifde Doppelpfühl, 
das, halb von Blumen verfdiittet, darunter ftand. 

Afpa hatte fid) das brautlide Lager als die anfges 
ſchlagnen Schalen einer Muſchel gedacht, dte an der innern 
Seite zufammenhangen . zwei ovale muſchelförmige linen 
von Citrusholz erhoben ſich nur wenig von dem Teppich 
des Bodens. 

Ueber die weißen Kiſſen und Teppiche hin war eine 
Linnendecke von orangegoldnem Glanz gegoſſen. 

Aber der eigenſte Schmuck ves Gelaſſes war die 
Fülle von Blumen, welche die Hand der Numiderin mit 

2* 


20 


pocfiereidem, wenn aud) phantaftifdem Geſchmack über 
das ganze Gemach verftreut und über die Wände, Deder, 
Vorhinge, die Chitre und das Lager vertheilt hatte. 

Gin Bogen von ftarfouftigen Geifblattranten über⸗ 
wölbte laubenartig die eingige Thüre, ven ſchmalen Ein⸗ 
gang. 

Bwei mächtige Roſenbäume ftanden zu Haupten ves 
Lagers und ftreuten ihre rothen und weißen Blitthen 
auf die Teppide. 

Die Ampel hing, wie erwähnt, aus einem kunſtvoll 
gewundnen Füllhorn von Blumen herab. 

Und itberall fonft, wo eine Falte, eine Biegung ver 
Teppide Das Auge zu veriweilen lud, hatte Wfpa eine 
feltne Blume glücklich angefdmiegt. 

Der Lorber und der Oleander Staliens, die ficiltfde 
Mryrthe, das ſchöne Rhododendron ver Wlpen und die 
glithenden Sriaceen Ufrifa’s mit ihren reichen Kelchen — 
alle lauſchten je am gelegenften Ort und dod, wie es 
{fdhien, vom Rufall bingeworfen. — 

Seon ftanden die Sterne am Himmel. 


Es dämmerte draufen: im Gemad hatte Afpa die 
Slamme in der veildendunteln Scale entgitndet und 
war nur nod beſchäftigt, hie und da eine Falte gu 
glatten, indeß fie eine rimifde Sklavin anwies, in den 
Silbertriigen auf vem Bronce⸗Credenztiſch den Palmwein 
mit Schnee zu kühlen, eine andre, das Gemad mit 
Balfam zu durdfprengen. 

‚Reichlicher Die Marden, reichlicher die Myrrhen ges 


21 


fprengt! Gol” rief Ufpa, eine volle Libation Aber das 
Lager fprigend. | 
aR ab," mabnte die Römerin, „es ift gu viel! 

Schon ver Duft der Blumen betäubt: die Rofe und 
das Geißblatt beraufden faft die Ginne: mir witrde 
ſchwindeln hier.“ 

„Ah,“ lachte Ufpa, wie fingt der Didter : 

„Nüchternen nimmer nabet das Olid: nur in feligem 
Rauſche.“ 

„Laß uns jetzt das Fenſter ſchließen“ — 

„Nur ein wenig noch laß mich lauſchen,“ bat eine 
dritte junge Sklavin, die dort lehnte. 

„Es iſt zu ſchön! Komm, Frithilo,“ ſprach fie yx 
einer gothiſchen Magd, die neben ihr ſtand, „du kennſt 
ja all die ſtolzen Männer und Frauen: ſage, wer iſt 
der zur Linken der Königin mit dem goldnen Schuppen⸗ 
panzer? er trinkt dem König zu.“ 

„Herzog Guntharis von Tuſcien, der Wölſung. Sein 
Bruder, Graf Arahad von Aſta — wo mag der ſein zu 
dieſer Stunde?“ 

„Und der Alte neben dem König, mit dem grauen Bart?“ 

„Das iſt Graf Grippa, der die Gothen in Ravenna 
befehligt. 

Gr ſpricht vie Fürſtin an. Wie ſie lacht und ers 
röthet! Nie war fie fo fon." | 

„Ja, aber aud ver Brautigam — weld) herrlider 
Mann ! 

Der Kopf des Mtars, der Raden des Neptun. 

Aber er ſieht nicht fröhlich — vorhin ſtarrte er 


~ 


22 


lange fpradlos in feinen Becher und furdjte die Stirn 
— die Rénigin fah e8 — bid der alte Hildebrand, 
gegeniiber , ihm zurief. 

Da fah er feufyend auf. 

Was hat der Mann zu ſeufzen? neben diefem Götter⸗ 
weib.“ 

„Nun,“ ſprach die Gothin, „er hat dann doch nicht 
ein ganz ſteinern Herz. 

Gr denkt dann vielleicht an die, die fein rechtes 
Weib vor Gott und Menſchen, die er verftogen.” 

„Was? wie? was fagft du 2 riefen die drei Sklavinnen 
zugleich. 

Aber urplötzlich fuhr Aſpa zwiſchen die Mädchen: 

‚Willſt du wohl ſchweigen mit dem dummen Gerede, 
Barbarin! 

Mach, daß du fortkommſt! Ein ſolches Wort — 
eine Sylbe, daß es die Königin hört und du ſollſt der 
Afrikanerin gedenken.“ 

Frithilo wollte erwidern. 

„Still,“ rief eine der Römerinnen. 

die Königin bricht auf." 

„Sie wird hier herauf kommen.“ 

„Der König bleibt noch.“ 

„Nur die Frauen folgen ihr.“ 

„Sie geben ihr vas Gelett bis hierher,“ ſprach Afpa. 
»Oleid fann fle hier fein: bereitet end, fle gu empfangen.“ 

Bald nabte der Zug, von Fadeltragern und Flöten⸗ 
blafern eröffnet. | 

Darauf eine Auswahl der gothifden Edelfrauen: 


23 





neben Matafwintha, ver Braut oder jungen Frau, ſchritt 
Theudigotho, die Gattin Herzogs Guntharis, und Hildiko, 
die Tochter Grippa’s. 

Die vornehmen Frauen von Ravenna fdlofjen den 
Bug. 

An ver Schwelle der Brautfammer verabfdiedete 
Matafwintha iby Gefolge, an die jungen Mädchen thren 
Schleier, an vie Frauen ihren Gürtel verfdentend. 

Die Meiften gogen fic) wieder gu dem eft in den 
Garten, Undre nad Haufe zurück. 

Sechs Gothinnen aber, drei Frauen und drei Sung: — 
frauen, ließen fid) als Ehrenwade vor der Thüre des 
Brautgemades nieder, wo Teppiche fiir fle bereitet lagen. 
Dort hatten fie mit einer gleiden Zahl gothifder Männer, 
welde den Brautigam geleiteten, die Nacht gu verbringen: 
fo wollt’ e8 dte gothiſche Sitte. 

Matafwintha itberfdritt vie Schwelle mit einem Aus: 
ruf des Staunens. 

Lipa,” rief fle, dad aft du ſchön gemadt! — 
zauberiſch!“ — 

Die Afrikanerin kreuzte ſelig die Arme über die 
Bruſt und beugte den Nacken. 

Sie an ſich ziehend, flüſterte die Braut: 

„Du kannteſt mein Herz und ſeine Träume! 

Aber,“ fuhr ſie aufathmend fort, „wie ſchwül! 

Deine glühenden Blumen berauſchen.“ 

„In Gluth und Rauſch nahen die Götter!“ ſprach 
Aſpa. 

‚Wie ſchön jene Violen: und dort die Purpurlilie; mir 


24 


ift, die Göttin Flora flog durch's Zimmer und dadjte einen 
LiebeStraum und verlor darüber ihre ſchönſten Blumen. 

Gs ift ein ahnungsvolles Wunder, dads ich bier 
erlebe. 

G8 durchrieſelt mid) heiß. — Es ift ſchwül. — 
Nehmt mir den ſchweren Prunk ab." 

Und fie nahm die goldne Strone aus dem Haar. - 

Aſpa ſtrich ihr die vollen, dunkelrothen Flechten hinter 
bas feine Ohr und 30g die goldne Radel herans, welche 
fie am Hinterfopf zufammenbielt: fret wallte das Haar 
in den Maden. 

Die andern Sflavinnen ldften die Gpange, welde 
in Geftalt einer gevingelten Schlange den ſchweren Burs 
purmantel mit feinen reiden Goldftreifen auf dev linken 
Schulter gufammenhielt. 

Der Mantel fiel und zeigte die edle, hochſchlanke 
Geftalt der Jungfrau in dem armellofen wallenden Unters 
Heid von weißer perſiſcher Seide. 

Shre fchimmernden Arme umyirften zwei breite, golone 
Armreife — Crbftiide aus vem alten Schatz der 
Amelungen: grüne Schlangen von Smaragden waren 
darin etngelegt. 

Mit Entziiden fdaute Afpa auf vie Gebieterin, wire 
diefe vor ben in den Marmor eingelaffnen Metallfpiegel 
trat, das lofe Haar mit gelonem Ramm ju fdlicten. 

Wie ſchön vu bift! wie zauberſchön! — wie Wftas 
roth, bie Liebesgöttin: — nie warft du fo ſchön, wie tn 
dieſer Stunde.“ 

Matafwintha warf emen raſchen Bli in den Spiegel. 


29 


Sie fah, nod mehr, fle fühlte, dak Aſpa recht hatte: 
und fie errdthete. 

„Geht,“ fagte fle, „laßt nid) allein mit meinem 
Glück.“ | 

Die Sklavinnen gebordten. 

Matafwintha eilte an's Fefter, das fie raſch öffnete, 
wie um ibren Gedanten gu entfliehen. 

Shr erfter Blick fiel auf Witidhis, der unten vom 
Schein ver Hangelampen im Garten voll beleudtet war. 

„Er! Wieder er. — 

Wohin entflieh id) vor ihm, dem ſüßen Tor?" 

Gie wandte fid) rafd: da an der Wand, grade dem 
Henfter gegenither, glanzte im Ampellicht eine weiße 
Marmorbiifte. . 

Gie fannte fle wohl: Afpa hatte den Arestopf nicht 
vergefjen, den treuen Begleiter lang harrender Sehn⸗ 
ſucht. 

Heute aber ſchlang ſich ein Kranz von weißen und 
rothen Roſen um ſein Haar. 

„Und wieder du!“ flüſterte die Braut, ſüß erſchrocken 
und legte die weiße Hand vor die Augen. 

„Und ſchließ id) die Augen und wend’ ich fle nad 
Innen, fo feh id) wieder fein Bild, fein Bild allein im 
tiefften Herzen. 

Sd werde nod) untergehn in dieſem Bilde! 

Ach, und id will's!“ rief fie die Hand fallen laſſend 
und didjt vor dite Bilfte tretend: „ich will’s! 

Wie oft, mein Ares, wenn ver Abend fam, bab 
td gu div aufgeblidt, wie gu meinem Stern, bis Frieden 


26 





und Rube aus deinen Haren, grogen Zügen brang in 
vie ſchwanke Seele. 

Wie wunderbar hat diefes Ahnen, dieſes Sehnen, 
dieſes Hoffen ſich erfitllt. 

Wie er einſt vent weinenden Kinde die Thrinen ges 
trodnet und die Rathlofe nad Haufe gefiibrt, fo wird 
er aud) jest all mein lagen ftillen und mir tte wabre 
Heimath bauen in feinem Herzen. 

Und durch all diefe dden Sabre, vurd all vie letzten 
Monate voll Gefahr und Angft trug ic) in mix das 
ſichre Gefühl: „Es wird! Dir wird gefdehen wie du 
glaubft! Dein Retter fommt und birgt vid) ſicher an der 
ftarfen Bruſt.“ 

Und, o Gnade, unausſprechliche reiche Gnade des 
Himmels — e8 ward. 

Sh bin fein! 

Danf, glithenden, feligen Dank, wer immer du bift, 
beglitdende Macht, bie über den Sternen vie Bahn der 
Menſchen lenkt mit weifer, mit liebender, mit wunder⸗ 
bar fegnender Hand. 

© ic wills verdienen, diefes Olid. 

Gr fol im Himmel wandeln. 

Sie fagen, id) bin ſchön: ich weiß es, dak ich's bin: 
ich weiß es ja durch thn — ich will’s für ibn fein. 

Lak mir, Himmel, diefe Schöne. 

Cie fagen: th habe einen madtigen, fdmungvollen 
Seift. 

O gich ihm Flügel, Gott, daß id) feiner Heldenfeele 
folgen fann in alle Sonnenhöhen. 


27 





Aber, o Gott, laf mids aud abthun meine Febler, 
ben fprdden, ftolzen, leicht gereizten Ginn, den Trog 
des gornigen Cigenwtllens, den unbandigen Drang nad) 
Freiheit —_ 

© fort damit: beuge did, beuge did, hochmüthiger 
Geift: thm ſich gu bengen ift edelfter Rubm. 

Gieb dich gebunden, Herz, und verforen auf ewig 
an ibn, deinen ftarfen und herrlichen Herrn. 

O Witihis,” rief fle und ſank fortgeriffen vom Ges 
fühl halb auf's nie, fid an das Lager Lehnend und gu 
ber Büſte aufblidend mit fdwimmenden Augen —,id 
bin dein. Thun wie du willt mit meiner Seele! 

Vernichte fie! nur gefteh, dak du glücklich bift, glitds 
lid) Durd mid." 

Und fie bewgte das ſchöne Haupt vor, nach den ge⸗ 
faltnen Händen. 

Doch plötzlich fuhr ſie empor. 

Licht, helles Licht floß in's Gemach. 

An der offnen Thitre ſtand ver König: draußen auf 
dem Gang zeigten ſich zahlreiche Gothen und Ravennaten 
mit hellen Fackeln. 

„Dank, meine Freunde,“ ſprach der König mit ernſter 
Stimme. „Dank, fitr das Feſtgeleit. 

Geht nun und vollendet die Nacht,“ und er wollte 
die Thüre ſchließen. 

„Halt,“ ſprach Hildebrand, mit der Hand die Thitre 
wieder Bffnend, fo dak Mataſwintha ſichtbar ward, bier 
febt ihr, alles Volk: der Mtann und das Weib, die 
bent wir vermabit, find glitdlid geeint im Ehegemach. 


28 





Ihr fehet Witidhis und Matafiwintha: und ihren erften 
ehelichen Kuß.“ 

Mataſwintha erbebte. 

Sie wankte, und ſchlug erglühend die Augen nieder. 

Unſchlüſſig ſtand der König in der Thür. 

„Du kennſt der Gothen Brauch,“ ſprach Hildebrand 
laut, „ſo thu' danach.“ 

Da wandte ſich Witichis raſch, ergriff die zitternde 
Linke Mataſwinthens, führte ſie ſchnell einen Schritt vor⸗ 
wärts und berührte mit den Lippen ihre Stirn. 

Mataſwintha zuckte. 

wpe euch!“ rief Hildebrand. Wir haben geſehn 
den bräutlichen Kuß. 

Wir bezeugen hinfort den ehlichen Bund! Heil 
König Witichis und ſeinem ſchönen Weib, der Königin 
Mataſwintha.“ 

Der Zug widerholte den Ruf und Hildebrand, Graf 
Grippa, Herzog Guntharis, Hildebad, Aligern und der 
tapfre Bandalarius (Bannertrager) des Königs, Graf 
Wiſand von Volſinii, lagerten ſich neben den ſechs Frauen 
und Mädchen vor ver Thüre des Brautgemachs, welche 
Witichis nun ſchloß. 

Sie waren allein. 

Witichis warf einen langen, prüfenden Blick durch 
das Gemach. 

Das erſte, was Mataſwintha that, war, — ſein Kuß 
brannte auf ihrer Stirn, — das ſie unwillkürlich ſoweit 
als möglich von ihm hinweg glitt 


29 





So war file — fie wufte nicht wie — in die fernfte 
Ede des Bimmers, an das Fenfter, gelangt. 

Witichis modte es bemerfen. 

Gr ftand hart an der Schwelle, die Hände auf dad 
mächtige, breite und faft brufthohe Schwert geftiigt, dad. 
er, aus dem Webhrgehang genommen, in der Scheide, wie 
einen Stab, in der Rechten fithrte. 

Mit einem Seufjer trat er einen Schritt vor, das 
Auge rubig auf Mataſwintha geridtet. 

„Königin,“ fprad er und feine Stimme drang ernſt 
und feierlid) aus fener Bruft, ,fet getroft! 

Ich ahne, was du fitrdtend fühlſt in garter Mädchenbruſt. 

Es mufte fein. 

Sch durfte dein nidjt foonen. : 

Das Wohl ves Volks gebot’s: ich griff nach deiner 
Hand: fle mug mein fein und bleiben. 

Dod) bab’ ih ſchon in allen diefen Tagen dir ges 
zeigt, daß deme Scheu mir beilig. 

Sh habe did) gemieden: — und wir find jest gum 
erften Mal allein. 

Aud) diefe geprefte bange Stunde bhatt’ id) dir gern 
erfpart: e8 ging nicht an. 

Du fennft, glaube ich, die alte Sitte des Brautgeleits. 

Und du weift, in unfrem Fall liegt Wes daran, fie 
nicht zu verlegen. 

Als ich in dies Gemach trat, und die Röthe in deinen 
Wangen aufflammen ſah, — lieber hätt' ich im ödeſten 
Berggeklüft dieſes müde Haupt auf harten Fels zur 
Ruhe gelegt 


30 





Es ging nidt: Hildebrand und Graf Orippa und 
Herzog Guntharis hüten diefe Schwelle. 

Gonft ift fein Ausgang aus diefem Gemad. 

Wollt’ id dich verlaffen, es gabe Lärm und Spott 
und Streit: und neuen Zwiſt vielleidt. 

Du muft mid diefe Nacht in deer Mabe yulden.” 

Und er trat einen Schritt weiter vor und nahm 
pie ſchwere Krone ab: aud) den PBurpurmantel, welden 
er, abnlid dem Matafwinthens, über der Schulter trug, 
warf er ab. 

Bitternd, ſprachlos lehnte Matafwintha an der Wand. 

Witichis drückte vies Sehweigen: fo ſchwer er felber 
litt, ihn pauerte des Mädchens. 

„Komm, Matafmintha,” ſprach er. 

‚„Verharre nidt in unverſöhntem Born. 

Es mufte fein, fag’ ich dir. 

Lak uns, was fein mug, edel tragen und nidt durd 
Kleinheit uns verbittern. 

Sd) mufte deine Hand nehmen, — dein Herz bleibt frei. 

Ich weif, pu liebft mid) nicht: du fannft, du follft, 
bu darfſt mid) nicht lieben. 

Dod glaub’ mir: revlich ift mein Herz und achten 
follft Du immerdar den Mann, mit dem du diefe Krone 
theilft. 

Auf gute Freundſchaft, Königin der Gothen! “ 

Und er trat zu ihr und bot ihr die Redte. 

Nicht Langer hielt ſich Mataſwintha: raſch ergriff fle 
feine Hand und fant jugleid) gu feinen Füßen nieder, 
daß Witichis überraſcht zurücktrat. 


31 





„Nein, weiche nicht guritd, bu Herrlider!" rief fie. 
„Es ift dod fein Entrinnen vor dir! 

Nimm Wes hin und wiffe Alles. 

Du fpridft von Bwang und Furdt und Unredt, 
das Du mir gethan. 

O Witichis, wohl hat man mid gelehrt — das Weib 
fol tmmer Flug verbergen, was e8 fühlt, foll fic) bitten 
lafjen und erweichen und nur gendthigt geben, was es 
aus Liebe giebt, aud) wenn ihr ganged Herz danad 
verlangt. 

Gie foll niemals — 

Hinweg mit diefen niedrigen Planen armer Kiugheit ! 

Lak mid) thöricht fein! 

Nicht thdridyt! Offen und groß, wie deine Sele ! 

Nur Größe fann did) verdienen, nur das Uns 
gewöhnliche. 

Du ſprichſt von Zwang und Furcht? Witichis, du 
irrſt! — Es brauchte keines Zwangs! — germ" — 

Staunend hatte ſie Witichis eine Zeit lang angeſehen. 

Jetzt endlich glaubte er, ſie zu verſtehn. 

„Das iſt ſchön und groß, Mataſwintha, daß du 
feurig fühleſt für dein Volk, die eigene Freiheit ohne 
Zwang ihm opfernd. 

Glaub' mir, ich ehre das hoch, und ſchlage das 
Opfer darum nicht niedriger an. That ich doch deß—⸗ 
gleichen! Nur um ves Gothenreiches willen griff id 
nach deiner Hand und nun und nie kann ich dich 
lieben.“ 

Da erſtarrte Mataſwintha. 


32 





Gie ward bleid wie eine Mtarmorftatue: die Arme 
fielen iby fcblaff berab: fie ftarrte ihn mit großen, offmen 
Wugen an. 

„Du liebſt mid nicht? du fannft mich nidt leben ! 
Und vie Sterne Logen dod! Und es ift doch tein Gott! 

Gag, bin id denn nicht Matafwintha, die du das 
ſchönſte Weib ver Erde genannt?” 

Aber der König beſchloß, diefer Aufregung, die er nicht 
verftand und nicht errathen wollte, rafd ein Ende gu 
machen. \ 

„Ja, du bift Matafwintha, und theilft meine Rrone, 
nidt mein Herz. Du bift nur die Gemalin des Kinigs, 
aber nidt das Weib des armen Witichis. 

Denn wiffe, mein Herz, mein Leben ift auf ewig 
einer Undern gegeben. 

G8 lebt ein Herz, cin Weib, das fie von mir ges 
riffen: und dem dod) emig mein Herz gu eigen bleibt. 

Rauthgundis, mein Weib, mein treues Weib im 
Leben und im Tod." 

„Ha!“ rief Matafwintha, wie von Fieber gefditttelt 
und beidve Arme erhebend, und du haft e8 gewagt —“ 

Die Stimme verfagte thr. 

Aber aus ihren Wugen foderte Feuer auf den Konig. 

„Du wagit es!" rief fie nodmals — 

„Hinweg, hinweg von mir!“ : 

„Still,“ ſprach Witichis, ,willft du die Lauſcher 
draußen herbei rufen? Gaffe dich, ich verftehe vich nicht.“ 

Und rafd) zog er das madtige Schwert aus der 
Scheide, trat pamit an das Doppel⸗Pfühl und legte es auf 


33 


pen Rand der beiden Lager, wo fie eng an einander 
ſtießen. 

„Sieh hier dies Schwert! 

Es ſei die ewige, ſcharfe, eherne, kalte Gränze 
zwiſchen uns! Zwiſchen deinem Weſen und dem Meinen. 

Beruhige dich doch nur. Es ſoll uns ewig ſcheiden. 

Ruhe du hier zur Rechten ſeiner Schneide — 

Ich bleibe links. 

So theile, wie ein Schwertſchnitt, dieſe Nacht für 
immer unſer Leben!“ 

Aber in Mataſwinthens Buſen wogten die mächtig⸗ 
ſten Gefühle, furchtbar ringend, drohend: Scham und 
Zorn, Liebe und glühender Haß. 

Die Stimme verſagte ihr. 

„Nur fort, fort aus ſeiner Nähe,“ konnte ſie noch 
denken. 

Sie eilte gegen die Thür. 

Aber mit feſter Hand ergriff Witichis ihren Arm. 

„Du mußt bleiben.“ 

Da zuckte ſie zuſammen: das Blut ſchoß in ihr auf: 
bewußtlos ſank ſie nieder. 

Ruhig ſah Witichis auf fle herab. „Armes ind,“ 
ſprach er, „der ſchwüle Duft in dieſem Gelaß hat ſie 
ganz verwirrt! Sie wußte nicht, was ſie ſinnlos ſprach! 

Was iſt deine kleine mädchenhafte Verwirrung gegen 
Rauthgundens Herzzerreißung und die Meine.“ 

Und leiſe legte er die Beſinnungsloſe auf das Pfühl 
zur Rechten des Schwertes. 

Er ſelbſt ſetzte ſich nun, in ſeinen Waffen klirrend, 

Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 3 


34 





auf den Bodenteppid) gur Linen und lehnte den Riiden 
an das Lager. 

Yang fag er fo, vas Haupt vorgebeugt und die 
Lippen auf ein blondes Haargefledht gedriidt, das er in 
Heiner Gapfel auf vem Herzen trug. 

Es fam fein Schlaf in feine fummervollen Augen. — 

Mit dem erften Hahnenſchrei verlieR vie Brautwade 
ihren Poſten, von Fldtenblajern abgebolt. 

Gleich darauf fdritt ver Konig aus vem Gemad, 
in voller Ritftung. 

Die Flöten hatten auch Mtatafwintha gewedt. 

Aſpa, die ſich leife heranfdlid, hörte plötzlich einer 
dumpfen Slag. 

Gie eilte in das Gemad. 

Da ftand die Königin, auf des Königs langes Schwert 
geftiigt, und ftarrte vor fid) zur Erde. 

Der Axestopf lag zertrümmert gu ihren Füßen. 





Drittes Capitel. 





Im friedlichen Licht des ſpäten Nachmittags {dims 
merten die Kirche und das Kloſter, welches am Fuß 
des Apenninus nordöſtlich von Peruſia und Aſiſium, 
ſüdlich von Petra und Cugubinm, hod auf dem Felſen⸗ 
bang oberhalh des Heinen Fleckens Taging, Valerius 
gebaut, feine Lodter vom Dienft des Senfeits einzulöſen. 

Das Mlofter, aus dem dunfelrothen Geftein ver Gee 
gend aufgefithrt, umfriedete mit feinen Geviertmauern 
einen ftillen Garten von dichtem gritnem Laubwert. 

Wn allen vier Seiten deſſelben liefen kühle Bogen: 
gange bin mit Upoftelftatuen und Moſaik und mit Fres⸗ 
fen auf golonem Grund geſchmückt. 

WN vies Bildwerf hatte den freudlofen byzantiniſchen 
Ernft: e8 waren ſymboliſche Darfteungen aus ver het 
ligen Schrift, zumal aus der Offenbarung Johannis, 
dem Lieblingsbuch jener Zeit. 

Feierliche Stille waltete rings. 

Das Leben ſchien weithin ausgefdloffen von diefen 
hohen und ftarfen Mauern. 

Gypreffen und Thuien walteten vor in den Baum: 

3* 


36 





gruppen des Gartens8, in weldem nie eines Vogels Ge— 
fang vernommen ward. 


Die ftrenge Kofterordnung duldete die Vöglein nit, 
auf dag nidjt ver Nachtigall ſüßes Rufen die frommen 
Seelen in ihren Gebeten ſtöre. 

Caffiodor war e8, welder, ſchon als Minifter Theo⸗ 
derichs einer ftreng firdliden Ridtung ergeben und 
biblifder Gelehrfamfeit voll, feinem Freunde Valerius 
en ganjen Plan der äußeren und inneren Cinvidjtung 
feiner Stiftung entworfen — ähnlich ver Regel ves 
Männer⸗Kloſters, welches er felbft gn Gquillacium in 
Unteritalien gegriindet — und deffen Ausführung fibers 
wadt hatte. 

Und fein frommer, aber ftrenger, ver Welt und dent 
Fleiſch feindlid) abgemendeter Geift dritdte fid) denn im 
Gripten wie im Kleinſten dieſer Schöpfung aus. 

Die zwanzig Bungfrauen und Wittwen, welde hier 
al8 Religiofa lebten, verbradjten in Beten und Pfalmen- 
fingen, in Bue und Caſteiung ihre Tage. 

Dod aud in werkthatiger driftlider Liebe, in 
bem fie die Armen und Kranfen der Umgegend in thren 
Hiitten auffucdten und ibnen Geele und Leib trofteten 
und - pflegten. 

Es machte einen feierlidjen, poefievollen, aber febr 
ernften Eindruck, wenn durdy die dunkeln Cyprefjengange 
hin eine dieſer frommen Beterinnen wanbdelte, in dem 
faltenreichen, dunfelgrauen Schleppgewand, auf dem Haupt 
vie weiße enganfdlieBende Ralantifa, eine Tracht, welche 


37 


pas Ghriftenthum von den ägyptiſchen Sfisprieftern über⸗ 
fommen. 

Vor ven oft in Kreuzesform gefdnitinen Buchsge⸗ 
bitfchen blieben fie ftehen und kreuzten die Urme anf 
ver Bruft. 

Immer gingen fie allein und ftumm, wie Sdhatten, 
glitten fie bet jeder Begegnung aneinander vovitber. 

Denn vas Gefprad war auf das Unerläßliche be- 
ſchränkt. 

In der Mitte des Gartens floß ein Quell aus 
dunklem Geftein, von Cypreſſen überragt. 

Marmorſitze waren in den Stein gehauen. 

Es war ein ſtilles, ſchönes Plätzchen: wilde Roſen 
bildeten dort eine Art Laube und verbargen beinahe völlig 
ein finſteres, rohes Steinrelief, welches die Steinigung 
des heiligen Stephanus darſtellte. 

An dieſem Quell ſaß, eifrig leſend in aufgerollten 
Papyrosrollen, eine ſchöne, jungfräuliche Geſtalt in ſchnee⸗ 
weißem Gewand, vas eine goldne Spange itber’ der 
linken Schulter zuſammenhielt, das dunkelbraune Haar, 
in weichen Wellen zurückgelegt, umflocht eine fein ge— 
ſchlungene Epheuranke: — Valeria war's, die Römerin. 

Hier, in dieſen entlegenen, feſten Mauern hatte ſie 
Zuflucht gefunden, ſeit die Säulen ihres Vaterhauſes zu 
Neapolis niedergeſtürzt. 

Sie war bleicher und ernſter geworden in dieſen 
einſamen Räumen. 

Aber thr Auge leuchtete nod in ſeiner ganzen ſtol⸗ 
zen Schönheit. 


38 


Sie [a8 mit grofem Cifer; der Inhalt ſchien fie 
lebhaft fortzureißen, die feingefdnittenen Lipper bewegten 
fich unwillkürlich und gulegt ward die Stimme der Lefen- 
ven leiſe vernehmlid: 


— — „Und er vermablte die Tochter dem erzum⸗ 
pangerten Hektor — 

Die fam jest ihm entgegen, die Dienerin folgte gu- 
gleid) thr, 

Tragend am Bufen das jarte, nod) gang unmiindige 
Knäblein, 

Hektors einzigen Sohn, holdleuchtendem Sterne vers 

gleichbar. 

Schweigend betrachtete Hektor mit lächelndem Blicke 
den Knaben. 

Aber Andromache trat mit thränenden Augen ihm näher, 

Drückt' ihm zärtlich die Hand und begann die ges 
fliigelten Worte : 

‚Böſer, dic) wird nod verderben dein Muth! Und des 
fallenden Knäbleins 


Sammert dich nicht, nod) meiner, die bald, ad) Wittwe 


pon Heltor 

Gein wird. Bald ja werden die grimmigen Feinde 
vid) tédten, 

Alle mit Macht einftiirmend anf vid. Dann wir’ 
mir das Beſte, 


Dah mich die Erde bededt, wenn du ſtirbſt: bleibt pod 
mir in Zukunft | 
Nie ein anderer Croft, wenn dich wegraffte das Schickſal: 


39 


Nein, nur Traver: lang ift mein Vater dabin und 
pie Mutter: 

Du nur allein bift Vater mix jet und Mutter und 
Whee —“ 

Gie (a8 nidjt weiter: die großen runden Augen 
murden fendt, ihre Stimme verfagte; fle neigte bag 
bleiche Haupt. 

‚„Valeria,“ fprad eine milde Stimme, und Caffiodor 
Heugte ſich über thre Schulter. 

„Thränen über dem Buch des Troſtes? 

Uber was ſehe id) — die Ilias! Mind! ich gab 
dir dod die Evangelien.“ 

„Verzeih mir, Caffiodorins. Es hängt mein Her; 
nod) andern Göttern an als deinem. . 

Du glaubft nicht, je gewaltiger von allen Seiten 
her die Schatten ernfter Cntfagung auf mid) eindringen, 
feit id) bei dir und in diefen Mauern weile, defto trampf- 
hafter klammert fid) das widerſtrebende Herz an die letten 
Fäden, die mic) mit einer andern Welt verbinden. 

Und gwifden Grau'n und Liebe rathlos fdwantt der 
Ginn." 

woaleria, du haſt feinen Frieden in diefem Hans 
bes Friedens gefunden. 

Wohlan, fo zteh binaus. 

Du bift ja fret und Herrin deines Willens. 

Kehre zurück zu jener bunten Welt, wenn du glaubſt, 
dort dein Glück zu finden.“ 

Sie aber ſchüttelte das ſchöne Haupt. 

„Es geht nicht mehr. 


40 


Feindlich ringen in meiner Geele zwei Gewalten. 

Welche aud) fiege, — ich verltere immer.” 

„Kind, fprid nicht fo! pu kannſt die beiven Mächte, 
Erdenluft und HimmelSfeligheit, nicht wie zwei gleide 
Dinge in einer Wage wiegen." 

„Weh' denen, fubr fie, wie mit fic felbft fpredenn, 
fort, ,welden das Schickſal den gefpaltnen Doppeltried 
in die Geele gepflangt, der bald gu den Sternen nad 
oben, bald nieder gu den Blumen zieht. 

Ste werden feines per betden froh.” 

„In dix, mein Rind,” ſprach Caffiodorius, ſich gu 

ihy fegend, ,walten freilid) unverſöhnt deines weltliden 
Vaters und deiner frommen Mutter Ginn. 
Dein Vater, ein Römer der alten Art, ein Rind 
ber ftolzen, rauhen Welt, kühn, ficher, felbftoertranend, 
nad Gewinn und Macht ftrebend, wenig, alljuwenig, 
fürcht' icy, ergriffen von dem Geift unſeres Glanbens, 
der nur im Senfeits unfere Hetmath fudt, — in der 
That Valerius, mein Freund, war mehr ein Heide denn 
ein Chriſt. 

Und daneben deine Mutter, fromm, fanft, aus etnem 
Martyrergefdledt, den Himmel fudend und ver Erde 
vergefjen, aud) fie hat wohl ein Theil von ihrem Wefen 
in did) —" ; 

Rein," fprad Valeria aufftehend und das edle 
Haupt fraftig guriidwerfend, „ich fühle nur des Vaters 
Wrt im mir. 

Rein Tropfen Blut neigt jener Seite ju. 

Die Mutter war viel franf und ftarb fdon frith. 


41 


Unter meines Vaters Wugen wuchs id auf; Iphi⸗ 
genta und Antigone und Nanfifaa, Cloelia und Lucretia 
und Virginia waren die Freundinnen meiner Sugend. 

Nicht viele Priefter jah man in des Kaufherrn Haus 
und wenn er Abends mit ihr fag und (a8, fo waren’s 
Livius und Tacitus und Vergilius, nicht das heilge 
Bud ver Chriſten. 

So wuchs ich heran bis in mein fiebzehntes Baby, 
ven Ginn allein auf diefe Welt gerichtet. 

Denn aud) vie Tugenden, die der Vater pried und 
übte, fie galten nur dem Staat, dem Haus, den Freunden. 

Glücklich war ich im jener Beit, ungefpalten meine 
Seele." 

»Du wart eine Heidin trog des Taufwaffers.“ 

„Ich war glitdlid. 

Da famen wir auf einer Reife guerft in diefe Mauern 
mit threm Grabesernft und vunfle fdwere Schatten fielen 
hier zuerſt im meine Geele. 

Did) fand ich hier und du entdedteft mir, was man 
mir bisher forgfaltig verborgen hatte, dag meine Dtutter 
in ſchwerer Krankheit mid fdon vor meiner Geburt durch 
ein Gelübde dem ebelofen Leben im Mofter geweiht, 
wenn Gott fie und ihr Rind am Leben erbalte, und dak 
mein Vater, vem diefer Gedante unertraglid, fpater mtd) 
vom Himmel eingelift, indem er, freilid) mit Zuftimmung 
des Bifdofs von Rom, ftatt die Tochter hingugeben, 
Rirde und Kloſter hier gebaut.“ 

„So ift e8, Rind, mit vem vierten Theil feines Vers 
mögens! 


_ 42 


Dariiber fannft du did) beruhigen. 

Der Nachfolger des heiligen Petrus, ver die Macht 
hat gu binden und zu löſen, hat den Lanfd, dite Um⸗ 
wandlung ded Geliihdes gebilligt. Ou bift frei.” 

„Aber id) fühle mid) nicht fret! 

Nicht mehr feit jener Stunde! 

Was and) vit, was aud) der Vater gefagt, tief, ttef 
in meinem Herzen fpricdt eine Stimme: der Himmel 
nimmt nidt todtes Gold ftatt einer lebendigen Seele. 

Das Schidfal lage fic nicht abfaufen, was einmal 
thm verwirft war. 

Die finftve, ernfte, drohende Macht jenes heiligen 
Glaubens, der meiner Seele fremd gewefen und geblieden 
ift, die in diefem feierlidben Raume wohnt, hat ein Recht, 
ein zwingend Herrſchaftsrecht über meine Geele und läßt 
nidt davon. 

Sh bin thy verfallen. 

Shr gehör' id) an, nidt wollend, widerftrebend, aber 
ficher dod). 

Der Welt der Entfagung, des Schmerzes, ber Dornen: 
nicht jener goldnen Welt meines Homers, der Blumen 
und des Gonnenfdeins, gu der nod) immer von innen 
meine ganze Geele neigt. 

So oft ich's auch vergeffen will, immer ziehen wieder 
pie Wolkenſchatten über meine Seele. 

Sie drohen im Hintergrunde aller Freuden: wie dort 
vas finftre Martyrbild hinter den rothen Rofen." 

‚Valeria, Du haffeft, fcheint’s, was du verebren 
ſollteſt.“ 


43 





Ich haſſe es nidt. 

Ich fürchte es. 

Wohl war eine Beit" — und ein Strahl der Freude 
flog ither ihre Biige — da glaubte id) den dunkeln 
Schatten für immer beflegt von einem Hellen Gott des 
Lichts. | 

Als ich guerft ves jungen Gothen ladend Auge fab 
und feine fonnige Geele mid) umſchloß, al8 foviel Jugend, 
Liebe und Glid mid umflutheten, da wähnte ic) wobl, 
fic immer fet jener Bann geldft. 

Aber es währte nidt lang. 

Der finftrve Gott ves Schmerzes pochte vernehmlich 
an die golbne Wand, die ich awifden ihn und mid) ges 
baut und immer naber dringen feine Schläge. 

Der Krieg bridt aus, mein theuver Vater fallt und 
nimmt einen verhängnißvollen Cid des Geliebten mit fid 
in’8 Grab. . 

on Schutt verfinft das Gaus meiner Whnen und 
ih muß fliichten aus meiner Vaterftadt. 

Sie fallt dem Feinde gu. 

Mur das Opfer eines köſtlichen Lebens rettet mir 
den Geliebten. 

Die Woge des Krieges verſchlägt ihn fern von mir. 

Und wie th ermade ans der Betaubung dieſes 
Streichs — find’ ich mid) hier, im diefem großen Grabe, 
dem Ort meiner Beſtimmung. 

Ach, Du wirft feben, der Himmel begniigt fich nicht 
mit tem leeren Grab. | 

Gr fordert aud die Leiche, die hinein gehört.“ 


44 


„Valeria! du follteft Raffandra heißen.“ 

„Ja, denn Kaſſandra ſah die Wahrheit, ihre Geſichte 
trafen ein!“ 

„Du weißt, wir erkennen einer Seele den Preis zu, 
die der Erde vergißt über dem Himmel. 

Aber Gott will erzwungne Opfer nicht. 

Und ſo ſag' ich dir, du quälſt dich mit eitlem Vor⸗ 
wurf. 

Der Pabſt hat dich gelöſt, ſo biſt du frei.“ 

„Die Seele löſt fein Pabſt. 

Der Pabſt nimmt Gold, das Schickſal nicht. 

Du wirſt erfüllt ſehen, was ich dir ahnend vorher⸗ 
ſage — nie werd ich glücklich, nie werd ich Totila's und 
dieſe Stätte wird —“ 

„Und wenn's ſo wäre? 

Hängſt du denn noch gar ſo feſt an Glück und 
Hoffnung? 

Freilich, du biſt noch jung. 

Aber Kind, ich ſage dir: je früher du dich losmachſt, 
deſto größerem Weh entrinnſt du. 

Ich habe die Welt und ihre falſchen Freuden und 
Ehren alle gekoſtet und ſie alle eitel und treulos erfunden. 

Nichts auf Erden füllt die Seele aus, die nicht von 
dieſer Erde iſt. 

Wer das erkennt, der ſehnt ſich hinweg aus dieſer 
Welt der Unraſt und der Sünde. 

Erſt in der Welt jenſeits des Grabes iſt deine 
Heimath. Dahin verlangt vite ganze Seele —" 


45 





Mein, nein, Cafftodorius," rief vie Römerin, meine 
ganze Seele verlangt nad) Glück auf diefer ſchönen Erde! 
Shr gehör' ich an! 
Auf ihr fühl' ich mich heimiſch. 
Blaner Himmel, weiker Marmor, rothe Rofen, 
linde, duftgefüllte Whendluft — wie feid ihr ſchön! 
Das will ich einathmen mit entziidten Sinnen! 
Wer das genieft, ift glücklich! 
Web vem, der es verloren. 
Bon deinem enfeits hab’ id fein Bild in meiner 
bangen Seele! 
Nebel, Schatten — graues Ungewiß allein liegt jens 
feit des Grabes. 
Wie ſpricht Achilleus? 
„Tröſte mid) doch nicht über den Tod! Du kannſt 
nicht, Odyſſeus! 
Lieber ja möcht' ich das Feld als Lohnarbeiter 
beſtellen 
Für den bedürftigen Mann, dem nicht viel Habe 
geworden, 
Als hier allzumal vie Schatten der Todten be— 
herrſchen.“ 
So empfind' auch ich. 
Weh' dem, den nicht die goldne Sonne mehr beſcheint. 
O wie gern, wie gern wär' ich glücklich in dieſer 
ſchönen Welt, in meinem ſchönen Heimathland: wie 
fiirdht’ id) das Unbeil, das dod) unaufhaltſam näher 
tringt, wie bier auf diefer Wand mit der finfenden 
Sonne die Schatten unhörbar wachſen. 


46 





©, wer ihn aufhielte, den furdtbar nabenden Schatten 
meines Lebens |" 

Da drang vom Cingang her ein heller, kräftigluſtger 
Schall, ein fremder Ton in diefen ftillen Mauern, welche 
nur vom leiſen Choral der Sungfraun wiedertinten. 

Die Trompete blies den muntern,  friegerifden 
Feldxuf der gothifdben Reiter: belebend vrang der Ton 
in die Seele BValerias. , 
Aus vem Wobhngebaude aber eilte ver alte Pfdrtner 
herbei. 

„Herr,“ rief er, „keckes Reitervolk lagert vor den 
Mauern. 

Sie lärmen und verlangen Fleiſch und Wein. 

Sie laſſen ſich nicht abweiſen und der Führer: — da 
iſt er ſchon“ — 

„Totila!“ jauchzte Valeria und flog dem Geliebten 
entgegen, der in ſchimmernder Rüſtung, vom weißen 
Mantel umwallt, waffenklirrend, heranſchritt. 

„O du bringſt Luft und Leben!“ 

„Und neues Hoffen und die alte Liebe," rief Totila. 

Und ſie hielten ſich umſchlungen. 

„Wo kommſt du her? Wie lang biſt du mir fern 
geblieben!“ 

„Ich komme graden Weges von Paris und Aurelia⸗ 
num, von den Höfen der Frankenkönige. 

O Caſſiodor, wie gut ſind jene daran jenſeit der 
Berge! 

Wie leicht haben ſie's! 


47 


Da kämpft nicht Himmel und Boden und Erinnerung 
gegen ihre Germanenartt. 

Mahe ift der Rhenus und Danubins und ungezählte 
Germanenftimme wobhnen dort in alter ungebrodner Kraft 
— wir dagegen find wie ein vorgefdobner, verlorner Poften, 
ein einzler Felsblod, den rings feindlides Clement benagt. 

Dod) defto größer,“ fprach er, fic) aufridtend, „iſt der 
Ruhm, hier, mitten im Römerland, Germanen ein 
Reidy zu bauen und gu erhalten. 

Und welder Zauber liegt auf deinem Baterland, 
Valeria. 

Gs ift das unfre aud) geworden! 

Wie froblodte mein Herz, als mid) wieder Ofiven 
und Lorber begriiften und des Himmels tiefes, tiefes 
Blau. 

Und id) fithlte Mar: wenn mein edles Volk ſich ſieg⸗ 
reid) erhalt in diefem edlen Land, dann wird die Menfd- 
heit thr edelſtes Gebilde hier erftehen ſehn.“ 

Baleria dritdte vem Begeifterten vie Hand. 

»Und was haft du ausgerichtet?“ fragte Caſſiodorius. 

woiel! — Wes! 

Sh traf am Hofe “des Merowingen Childebert Ge- 
fandte von Byzanz, die ihn fdon halb gewonnen, als 
fein Bundesgenoffe in Stalien eingufallen. 

Die Götter — vergieh mix, frommer Vater — der 
Himmel war mit mir und meinen Worter. 

G8 gelang, ihn umzuſtimmen. Schlimmſtenfalls 
ruben fetne Waffen gang. Hoffentlid) fendet er uns ein 
Heer gu Hiilfe.“ : 


48 





„Wo TieReft vu Julius?“ 

„Ich geleitete ihn bis in feine fine Heimathftadt 
Avenio. 

Dort liek ich thn unter blithenden Dtandelbdumen 
und Oleandern. 

Dort wandelt er, faft nie mehr ben Platon, meift 
ven Auguſtinus in der Hand und träumt und trdumt 
pom ewigen Balterfrieden, vom höchſten Gut und von 
bem Staate Gottes! 

Wohl ift es ſchön in jenen grünen Thälern — dod 
neid’ id) ihm die Muße nicht. 

Das Höchſte ift nas Volk, vas Baterland! 

Und mid verlangt’s, für diefes Vol! ver Gothen gu 
fampfen und zu ringen. 

“  Ueberall, wo id) des Rückwegs fam, trieb id die 
Manner zu den Waffen an. 

Schon drei ſtarke Scharen traf id) anf vem Wege nad 
Ravenna. 

Sd) felber führe eine vierte dem wadern König zu. 

Dann geht es endlid) vorwärts gegen diefe Grieden, 
und dann: Race fiir Neapolis !“ 

Und mit bligenden Wugen hob er den Speer — er 
war fehr {din zu ſchauen. 

Entzückt wart fid) Valeria an feine Bruft. 

mw fieh, Caffiodorius, dads ift meine Welt! meine 
Freude! mein Himmel! 

Mannesmuth und Waffenglan; und Volfesliebe und 
pie Geele in Lieb' und Hak bewegt — fiillt das die 
Menſchenbruſt nidt aus 2 


49 


oa wohl: im Glück und in der Sugend! 

Cs ift ver Schmerz, dev uns zum Himmel führt.“ 

Mein frommer Vater ,“ fagte Totila, mit der Linken 
Valeria an fic) .vriidend, mit der Rechten an feine 
Schulter rührend, „ſchlecht ſteht mir an, mit div, Dem 
Aeltern, Weifern, Befferen gu ftreiten. 

Uber anders ift mein Herz geartet. 

Wenn id) je zweifeln fdnnte an eines gittigen Gottes 
Walten, fo ift es, wann th Schmerz und unverfduldet 
Leiden ſehe. 

Als id) der edeln Miriam Ange bredjen fah, da 
fragte mein vergweifelnd Herz: „lebt denn tein Gott?" 

Sm Glück, im Gonnenfcdein fithl ich den Gott und 
feine Gnade wird mir offenbar. 

Er will gewiß ver Menſchen Glück und Freude — 
der Schmerz iſt ſein heiliges Geheimniß — ich vertraue: 
dereinſt wird uns auch dies Räthſel klar. 

Einſtweilen aber laß uns auf der Erde freudig das 
Unſre thun und keinen Schatten uns allzulang verdunkeln. 
In dieſem Glauben, Valeria, laß uns ſcheiden. 

Denn ich muß fort zu König Witichis mit meinen 
Reitern.“ 

„Du gehſt von mir? ſchon wieder? Wann, wo, 
werd' ich dich wieder ſehn?“ 

wd) feb’ dich wieder, nimm mein Wort gum Pfand! 

Sd weiß, e8 fommt der Zag, da id) mit vollem 
Recht vid) aus diejen ernften Mauern führen darf in’s 
fonnige Leber. 

Lah vid) indeß nicht allzuſehr verdüſtern. 

Dabn, Gin Kampf um Rom. IT. 4 


50 


G8 fommt ver Zag ves Gieges und des Oliids: 
und mid) erhebt's, daß ic) zugleich das Schwert fitr 
mein Bolt und meine Liebe fibre.” 

Inzwiſchen war der Pförtner mit einem Schreiben 
an Caſſiodor wieder gefommen. 

Aud th muß dic) verlaffen, Baleria,“ fprad er. 

„Ruſticiana, des Bosthius Wittwe, ruft mid) dringend 
an ihr Gterbebett: fie will ihr Herz erleichtern von alter 
Schuld. 

Ich gehe nach Tifernum.“ 

„Dahin führt auch unſer Weg, du ziehſt mit mir, 
Caſſiodorius. 

Leb wohl, Valeria!“ 

Nad kurzem Abſchied ſah die Jungfrau den Gee 
liebten gehn. 

Sie beſtieg ein Thürmchen der Gartenmauer und 
ſah ihm nach. 

Sie ſah, wie er in voller Rüſtung ſich in den 
Sattel ſchwang, ſie ſah mit freudigen Augen ſeine Reiter 
hinter ihm traben. 

Hell blitzten ihre Helme im Abendlicht, die blaue 
Fahne flatterte luſtig im Winde: Alles war voll Leben, 
Kraft und Jugend. 

Sie ſah dem Zuge nach, lang und ſehnend. 

Aber als er fern und ferner ſich hinzog, da wich der 
frohe Muth, den ſein Erſcheinen gebracht, wieder von 
ihr. Bange Ahnungen ſtiegen ihr auf und unwillkürlich 
ſprachen ſich ihre Gefühle aus in den Worten ihres 
Homeros: 


51 





„Sieheſt du nicht wie ſchön von Geſtalt, wie 
ſtattlich Achilleus? 
Dennoch harrt auch ſeiner der Tod und das dunkle 
Verhängniß. 
Wenn auch ihm in des Kampfes Gewühl das Leben 
entſchwindet. 
Ob ihn ein Pfeil von der Sehne dahinſtreckt, oder 
ein Wurfſpeer.“ 
Und ſchmerzlich ſeufzend ſchritt die Jungfrau aus dem 
raſch ſich verdunkelnden Garten in die dumpfen Mauern 
zurück. 


4* 


Viertes Capitel. 





Inzwiſchen hatte König Witichis in feinem Waffenplatz 
Ravenna jede Kunſt und Thätigkeit eines erfahrnen Kriegs⸗ 
mannes entfaltet. 

Während jede Woche, ja jeden Tag vor und in der 
Stadt größere und kleinere Scharen von den gothiſchen 
Heeren eintrafen, welche der Verrath Theodahads an die 
Grenzen geſendet hatte, arbeitete ver König unablaffig 
daran, das ganze große Heer, welches allmälig bis auf 
ein hundert und fünfzig Tauſendſchaften gebracht werden 
ſollte, auszurüſten, zu waffnen, zu gliedern und zu üben. 

Denn die Regierung Theoderichs war eine äußerſt 
friedliche geweſen: nur die Beſatzungen der Grenzprovinzen, 
kleine Truppenmaſſen, hatten mit Gepiden, Bulgaren 
und Avaren zu thun gehabt, und in den mehr als 
dreißig Jahren der Rube waren die kriegeriſchen 
Ordnungen eingeroſtet. 

Da hatte der tüchtige König, von ſeinen Freunden 
und Feldherrn eifrig unterſtützt, Arbeit voll auf. 

Die Arfenale und Werften wurden geleert, in 
Ravenna ungeheure Magazine angelegt und gwifden der 


53 


dreifachen Umwallung der Stadt endloſe Reihen von 
Werkſtätten für Waffenſchmiede aller Art aufgeſchlagen, 
die Tag und Nacht unabläſſig zu arbeiten hatten, den 
Forderungen des kampfbegierigen Königs, des maſſenhaft 
anſchwellenden Heeres zu genügen. 

Ganz Ravenna ward ein Kriegslager. 

Man hörte nichts als die Hammerſchläge der Schmiede, 
das Wiehern der Roſſe, den Sturmruf und Waffenlärm 
der ſich übenden Heerfcharen. 

In dieſem Getöſe, in dieſer raſtloſen Thätigkeit 
betäubte Witichis, ſo gut es gehen wollte, den Schmerz 
ſeiner Seele und begierig ſah er dem Tag entgegen, da 
er fein ſchönes Heer gum Angriff gegen ven Feind 
führen könne. 

Doch hatte er bei allem Drange, im Kampfgewühl 
ſich ſelber gu verlieren, ſeiner Rinigepflicht nicht vergeſſen, 
und durch Herzog Guntharis und Hildebad ein Friedens⸗ 
anerbieten an Beliſar geſendet mit den mäßigſten Bore 
ſchlägen. 

So von Krieg und Staat ganz in Anſpruch ge⸗ 
nommen, hatte er kaum einen Blick und Gedanken für 
ſeine Königin, welcher er auch, wie er meinte, kein 
größeres Gut als die ungeſtörteſte Freiheit zuwenden 
konnte. 

Aber Mataſwintha war von jener unheilvollen Braut⸗ 
nacht an von einem Dämon erfüllt, von dem Dämon 
unerſättlicher Rache. 

In Haß übergeſchlagne Liebe iſt der giftigſte Haß. 

Ihre tiefe und leidenſchaftliche Seele hatte von Kind⸗ 


54 





heit an das Ideal dieſes Mannes hoch zu den Sternen 
erhöht. 
Ihr Stolz, ihre Hoffnung, ihre Liebe, war einzig 
an dieſer Geſtalt gehangen und ſicher, wie den Aufgang 
der Sonne, hatte ſie die Erfüllung ihrer Sehnſucht durch 
dieſen Mann erwartet. 

Und nun mußte ſie ſich geſtehn, daß er ihre Liebe 
hatte an's Licht gebracht und nicht erwidert: daß ſie, 
obwohl ſeine Königin, mit dieſer Liebe wie eine 
Verbrecherin dem verſtoßnen und doch ewig allein in 
ſeinem Herzen wohnenden Weibe gegenüber ſtehe. 

Und er, auf den ſie als Retter und Befreier von 
unwürdigem Zwang gehofft, er hatte ihr die hddfte 
Schmach angethan: eine Che ohne Liebe. 

Gr hatte ihr die Freiheit genommen und fein Herz 
dafür gegeben. 

Und warum? was war der letzte Grund dieſes Frevels? 

Das Gothenreich, vie Gothenkrone. 

Sie zu erhalten, hatte er ſich nicht beſonnen, einer 
Mataſwintha Leben zu verderben. 

„Hätte er meine Liebe nicht erwidert — ich wäre zu 
ſtolz, ihn darum zu haſſen. 

Aber er zieht mich an ſich, behängt mich, wie zum 
Hohne, mit dem Namen ſeines Weibes, führt dieſe Liebe 
bis hart an den Gipfel der Erfüllung und ſtößt mich 
dann achtlos hinunter in die Nacht unausſprechlicher 
Beſchämung. 

Und warum? warum das Alles. 

Unt einen eiteln leeren Schall: „Gothenreich“. 


55 


Unt einen todten Reif von Gold. 

We ihm, und webe feinem Gipen, dem er dies 
Herz geſchlachtet. 

Gr foll e8 biifen. An feinem Götzenbilde foll er’s 
büßen. 

Hat er. mix ohne Schonung mein Idol, fein eigen 
Bild, meine ſchöne Liebe mit Füßen getreten, — woblan, 
Götze gegen Sige! 

Sr foll leben, diefes Reich zernichtet gu ſehen, dieſe 
Krone zerſtückt. 

Zerſchlagen will ich ihm feinen Lieblingswahn, um 
ben er die Blithe meiner Seele gelnidt, zerſchlagen 
dieſes Reid) wie feine Büſte. 

Und wenn er verzweifelnd, hanbderingend vor den 
Trümmern fteht, will id) ihm gurufen: fieh, fo ſehn 
die zerſchlagnen Götzen aus.“ 

So, in der widerſtandloſen Sophiſtik der Leidenſchaft, 
beſchuldigte und verfolgte Mataſwintha den unſeligen 
Mann, der mehr als ſie gelitten, der nicht nur ſie, 
der ſein und des geliebten Weibes Glück dem Vaterland 
geopfert. 

Vaterland, Gothenreich — der Name ſchlug ohne 
Klang an das Ohr des Weibes, das von Kindheit auf 
unter dieſem Namen nur zu leiden, dagegen nur für 
ihre Freiheit zu ringen gehabt hatte. 

Sie hatte nur dem Egoismus ihres Einen Gefühls, 
der Poeſie dieſer Leidenſchaft gelebt, und zur Rache, 
Rache für die Hinopferung ihrer Seele, dies Gothenreich 
zu verderben, war ihre höchſte, grimmige Luſt. 


56 


O hatte fie, wie jene Dtarmorbiifte, mit Cinem 
Streid, dies Reid zerfdmettern finnen! 

Mit viefem Wabhnfinn ver Leivenfdaft empfing fle 
aber deren gange Damonifde Klugheit. 

Sie wufte ihren tddtliden Hak und ihre gehetmen 
Radegedanfen ſo tief vor dem König yu verbergen — 
fo ticf wie ſich felbft bie geheime Liebe verbarg, welde 
fie nod) immer fiir ven grimmig BVerfolgten im tiefften 
Bufen trug. 

Aud wupte fie dem Konig ein Intereſſe an ber 
gothifdjen Sade gu zeigen, welches dad einige Band 
zwiſchen ihnen gu bilden fchien und weldes, wenn andy 
in feindlidem Ginne, wirflid) in thr beftand. 

Denn wohl begriff fie, pak fie vem gehaßten König 
nur dann fdaden, feine Gade nur dann verderben 
fonnte, wenn fie in alle Gebheimniffe derfelben genau 
eingeweiht, mit ihren Stärken wie mit ihren Blößen 
genau vertraut war. 

Shr hohe Stellung machte ihr leicht möglich, Alles, 
was fie wiffen wollte, gu erfahren: ſchon ans Rückſicht 
auf ihren großen Anhang fonnte man der Wmelungens 
todjter, Der Königin, Kenntniß ver Lage ihres Reiches, 
ibres Heeres nidt vorenthalten. . 

Der alte Graf Grippa verfah fie mit allen Nach⸗ 
ridjten, die er felbft erfubr. 

Sn widtigeren Fillen wobhnte fie felbft ven Bes 
rathungen bei, welde in den Gemadern des Königs 
gebalten wurden. 

So war Mtatafwintha über die Lage des Reides, 


57 
nie Starke, Befchaffenheit und Cintheilung des Heeres, 
die nadften UAngriffsplane der Feldherren und alle Hoff- 
nungen und Befiirdtungen ver Gothen fo gut wie der 
Konig felbft unterrichtet. 

, Und ſehnlich wünſchte fie eine Gelegenheit herbei. 
vies thr Wiffen fo bald und fo verderblid) wie möglich 
gu verwerthen. 

Mit Belifar felbft m Verkehr gu treten, durfte fie 
nidt boffen. 

Naturgemäß richteten fic) ihre Augen anf die aus 
Surdht vor ven Gothen neutralen, im Herzen aber 
ausnabmlos byzantinifd gefinnten Stalier ihrer Umgebung, 
mit denen fie leichten und unverdadtigen Verkehr pflegen 
fonnte. 

Aber fo oft fie diefe Namen im Geifte muſterte, da 
war feiner, deſſen Thatkraft und Rlugheit fie das tödt⸗ 
fide Geheimniß hatte vertrauen mögen, daß die Königin 
per Gothen felbjt am Verderben ihres Reiches arbeiten 
wolle. | 


Diefe feigen und unbedeutenden Mtenfden — die 
Tüchtigeren waren längſt gu Cethegus over Belifar ge. 
gangen — waren ihr weber ves Vertrauens würdig, 


nod fdjienen fie Witichis und feinen Freunden gewadfen. 
Wohl fudte fie auf fdlanen Umwegen vdurd ren 
Konig und die Gothen felbft yu erfunden, melden unter 
allen Römern fie für ihren gefahrlidften, bedeutendften 
Feind bielten. 
Uber auf foldhe Anfragen und Erfundigungen hörte 


58 





fie immer nur Cinen Mann nennen, immer und immer 
wieder einen Cingigen. 

Und ber fag iby unerreidbar fern im Gayitol von 
Rom: Cethegus ver Prafect. 

Es war ihr unmöglich, ſich in Verbindung mit ibm 
gu ſetzen. 

Reinem threr römiſchen Slaven wagte fie einen 
fo verhangnifvollen Auftrag, als ein Brief nah Bom 
war, anguvertranen. 

Die Huge und muthige Numiderin, welde den Hak 
ibver angebeteten Herrin gegen den rohen VBarbaren, ver 
diefe verſchmäht, vollauf theilte, ungeſchwächt bet ihr durch 
heimliche Viebe, hatte fic) gwar eifrig erboten, ihren 
Weg gu Cethegus gu finden. 

Aber Matafwintha wollte das Mädchen nidt den Gee 
fahren ener Wanderung durch Stalien mitten durch ben 
Krieg ausfegen. 

Und fdon gewöhnte fie fic) an den Gedanten, ihre 
Rade Lis gu dem Marſch auf Rom zu verfdieben, ohne 
ingwifden in ihrem Gifer in Erforſchung ver gothifden 
Plane und Riiftungen gu erfalten. 

So wandelte fie eines Tages nad der Stadt gus 
rid von dem Rriegsrath, welder draugen im Lager, tm 
Belt ves Königs war gebalten worden. 

Denn feit die Riiftungen ihrer Vollendung nah und 
pie Gothen jeden Tag des Aufbruchs gemirtig waren, 
hatte Witidhis, wohl aud) um WMatajwintha aus dem 
Wege gu fein, feine Zimmer im Palatium verlafjen und 


59 





feine ſchlichte Wohnung mitten unter feinen Rriegern 
aufgeſchlagen. 

Langſam, das Vernommene ihrem Gedächtniß ein⸗ 
prägend und über die Verwerthung nachſinnend, wandelte 
die Königin, nur von Aſpa begleitet, durch die äußerſten 
Reihen der Zelte, einen ſumpfigen Arm des Padus 
zur Linken, die weißen Zelte zur Rechten. 

Sie mied das Gedränge und den Lärm der innern 
Gaſſen des Lagers. 

Während ſie bedächtig und ihrer Umgebung nicht 
achtend dahinſchritt, muſterten Aſpa's ſcharfe Augen die 
Gruppe von Gothen und Italiern, welche ſich Hier 
um den Tiſch eines Gauklers geſchart hatte, der un⸗ 
erhörte und nie geſehne Künſte zum Beſten zu geben 
ſchien, nach dem Staunen und Lachen der Zuſchauer zu 
ſchließen 

Aſpa zögerte etwas in ihrem Gang, dieſe Wunder 
mit anzuſehen. 

Es war ein junger, ſchlanker Burſch: nach der blen⸗ 
dend weißen Haut des Geſichts und der bloßen Arme wie 
nach dem langen gelben Haar galliſchen Zuſchnitts ein 
Kelte, wozu die kohlſchwarzen Augen nicht ſtimmen 
wollten. 

Er verrichtete wirklich Wunderdinge auf ſeiner ein⸗ 
fachen Bühne. 

Bald ſprang er in die Höhe, überſchlug ſich in der 
Luft und kam doch ſenkrecht, bald wieder auf die Füße, 
bald auf die Hände, zu ſtehen. 

Dann ſchien er brennende Kohlen mit ſichtlichem 


60 





Appetit. zu verfpeifen und dafity Münzen auszufpeten: dann 
verfdludte er einen fuglangen Dold) unt 30g thn fpater 
wieder aus feinen Haaren bervor, um ihn mit dret, oter 
anbdern fdarfgefdliffnen Meffern in vie Luft gu werfen 
und eins nad) dem anbern mit nie feblender Bebendigs 
fett am Griff aufgufangen, wofür ibn Geladter und 
Rufe ver Bewunderung von Geite feiner Zufdauer 
belohnten. 

Aber ſchon zu lange hatte ſich die Sklavin verweilt. 

Sie ſah nach der Herrin und bemerkte. daß ihr 
Weg geſperrt war von einer Schar italiſcher Laſt⸗ 
träger und Troßknechte, welche vie Gothenkönigin offenbar 
nicht kannten und grade an ihr vorbei, über den Weg 
hin, nach dem Waſſer zu, lärmende Kurzweil trieben. 

Sie ſchienen ſich aber einen Gegenſtand, den Aſpa 
nicht wahrnahm, zu zeigen und ihn mit Steinen zu werfen. 

Eben wollte ſie ihrer Herrin nacheilen, als der 
Gaukler neben ihr auf dem Tiſch einen gellenden Schrei 
ausſtieß; Aſpa wandte fic) erfcbroden und ſah den Gals 
fier in ungebeurem Gag über die Köpfe ver Zuſchauer 
weg wie einen Pfeil durch vie Luft auf die Stalier los⸗ 
ſchießen. 

Schon ſtand er mitten in dem Haufen und ſchien, 
ſich bückend, einen Augenblick unter ihnen verſchwunden. 

Aber plötzlich ward er ſichtbar. 

Denn einer und gleich darauf ein zweiter der Italier 
ſtürzte von ſeinen Fauſtſchlägen nieder. 

Im Augenblick war Aſpa an der Königin Seite, 
welche ſich ſchnell aus der Nähe der Schlägerei entfernt 


61 


hatte, aber, gu ver Slavin Befremben, ftehen blieb, mit 
vem Finger auf die Gruppe weifend. 

Und feltfam in der That war das Schauſpiel. 

Mit unglaublider Kraft und nod) größrer Gewantt- 
heit wußte der Gaukler das Dugend ver Angreifer fid 
vom Leibe gu alten. 

Die Gegner anfpringend, fid) wendend und dudend, 
weidjend, Dann wieder plötzlich vorfpringend und den 
Nächſten am Fuß niederreifend oder mit fraftigem Fauſt⸗ 
ſchlag vor Bruft over Gefidt niederftredend, webrte er fic. 

Und das Wes ohne Waffe: und nur mit der redjten 
Hand: denn die linfe hielt er, wie etwas bergend und 
ſchützend, dicht an die Bruft. 

So wabhrte ver ungleide Kampf minutenlang. 

Der Gaukler ward naber und naber von der wüthen⸗ 
ven, larmenden Menge dem Waſſer gugedrangt. 

Da bliste eine Klinge. Ciner der Troßknechte, zornig 
fiber einen fdjweren Schlag, zuckte ein Meffer und fprang 
ren Gaukler von binten an. 

Mit einem Schrei ftiirzte diefer gufammen: die 
Feinde fiber thn ber. 

‚„Auf! reigt fie auseinander! belft bem Armen," rief 
Matafwintha den Kriegern zu, weldje jest vom dem vers 
lafjenen Tiſch ver Gothen heranfamen, ich befeble es! die 
Königin!“ 

Die Gothen eilten nach dem Knäul der Streitenden: 
aber noch ehe ſie herankamen, ſprang der Gaukler, der 
ſich für einen Moment von allen Feinden losgemacht, hoch 
aus dem Gewirr und eilte mit letzter Kraft davon, grade 


62 





auf vie beiden Frauen yu — verfolgt von den Italiern, 
welde die wenigen Gothen nicht aufyubalten vermochten. 

Weld’ ein Anblick! 

Geine gallifdhe Tunica hing ihm in Fegen vom Leibe: 
ein Stück feiner gelben Haare fdleifte am Ritden und 
fiebe, unter der gelben Perücke fam ſchwarzes glingendes 
Haar zum Vorfdein und der weiße Hals verlief in eine 
broncebraune Bruft. 

Mit legter Kraft erveichte er die Frauen. 

Da erfannte er Mataſwintha. 

„Schütze mich, rette mid, weiße Oöttin!“ fdrie er 
und brad) zuſammen vor Matafwintha’s Figen. 

Schon waren die Stalier eran, und der Vorderfte 
ſchwang fein Meffer. — 

Aber Matafwintha breitete ihren blanen Mantel 
über den Gefallnen: „Zurück!“ fprad fie mit Hobbeit, 
waft ab von ihm. Cr fteht im Schutz der Gothen- 
königin.“ 

Verblüfft wichen die Troßknechte zurück. 

„So?“ rief nach einer Pauſe der mit dem Dolch, 
ſtraflos ſoll er ausgehn, der Hund und Sohn eines 
Hundes? und fünf von uns liegen am Boden halbtodt? 
und ich habe fortan drei Zähne zu wenig? Und keine 
Strafe?“ 

„Er iſt geſtraft genug,“ ſagte Mataſwintha, auf die 
tiefe Dolchwunde am Halſe deutend. 

„Und all das um einen Wurm,“ ſchrie ein Zweiter, 
„um eine Schlange, die aus ſeinem Ranzen ſchlüpfte 
und die wir mit Steinen warfen.“ 


63 





„Da febt! er hat vie Matter geborgen, da, an feiner 
Bruft. Nehmt fie ihm.“ 

„Schlagt ibn todt,“ fdrien die Andern. 

Aber da famen zahlreiche Gothenfrieger heran und 
fchafften ihrer Königin Refpect, die Btalier unſanft 
suriidftogend und einen Kreis um den Gefallnen ſchließend. 
Afpa blidte ſcharf yu und augenblidlich fank fie mit ge- 
kreuzten Armen neben dem Gaukler mieder. 

„Was iſt div, Aſpa? fteh auf!" fprad) Matafwintha 
ftaunend. | 

„O Herrin!" ftammelte diefe, der Dtann ift fein 
Gallier ! 

Gr ift ein Sohn meines Volkes. 

Gr betet gu vem Sdlangengott ! 

Sieh hier feine braune Haut unter rem Halfe. 

Braun wie Afpa, — und hier — hier, eine Scbrift ; 
Schriftzeichen eingeritzt über feiner Bruft: die heilige 
Geheimſchrift meiner Heimath,“ jubelte ſie. 

Und, mit dem Finger deutend, hob fie an gu leſen. 

Der Gaufler fdeint verdidtig — 

Warum diefe Verftellung?’ ſprach Matafwintha. 
„Man mu ibn in Daft nebmen." 

Mein, nein, o Herrin,” flüſterte Aſpa. 

‚Weißt Du, wie die Snfdrift lautet? — Rein Ange 
als meines fann fie Dir deuten.“ 

„Nun?“ fragte Matafwintha. 

Sie lautet,“ flüſterte Aſpa leiſe: „Syphar ſchuldet 
ein Leben ſeinem Herrn, Cethegus dem Präfecten.“ 

Ja, ja ich erkenne ihn, das iſt Syphax, Hiempſal's 


64 





Sohn, ein Gaftfreund meines Stamms: die Götter fenren 
ibn zu uns.” 

„Aſpa,“ fprad Matafwintha rafd, ,ja, ihn fenden 
Die Götter: bie Götter ver Rade. 

Auf, thr Gothen, legt diefen wunden Mann auf eme 
Bahre, und folgt damit meiner Stlavin in den Palaft! 
ex fteht fortan in meinem Dienſt.“ — 


Fünftes Caypitel. 





Wenige Lage darauf begab fid) Matafwintha wieder 
in's Lager, diedmal nidt von Afpa begleitet. 

Denn diefe wid) Lag und Nacht nidt von vem Bette 
ihres verwundeten Landsmannes, der unter ihren’ Han- 
ven, ihren Kräutern und Sprüchen ſich raſch erbolte. 

König Witichis felbft hatte viesmal die Königin ab- 
gebolt mit dem ganzen Geleit ſeines Hofes. 

Denn in feinem Belte follte heute ver widtigfte 
Kriegsrath gehalten werden. 

Das Cintreffen der legten Berftarfungen war anf 
heute angefiindet: und aud) Guntharis und Hildebad 
wurden zuritderwartet mit der Antwort Beltfars auf das 
Uriedenganerbieten. 

„Ein verhangnifvoller Tag!" fagte Witidhis zu fener 
Königin. 

„Bete zum Himmel um den Frieden.” 

„Ich bete um den Krieg,“ ſprach Mataſwintha, ſtarr 
vor ſich hinblickend. 

‚Verlangt dein Frauenherz fo ſehr mad) Rache?“ 

Dahn. Gin Kampf um Rem. WL 5 


66 


„Nach Rade nur nod ganz allem — und fie wird 
mir werden.“ 

Damit traten fie in dad Relt, welches ſchon von 
gothifden Heerführern erfüllt war. 

Matafwintha dantte mit ftoljem Ropfbeugen dem 
ebrerbietigen Gruß. 

„Sind die Gefandten zurück?“ fragte der König, ſich 
ſetzend, den alten Hildebrand, „ſo führt fte ein.“ 

Auf ein Beichen ves Alten erhoben ſich die Seiten 
vorhange und Herzog Guntharis und Hildebad traten 
ein, fic) tief verneigend. 

„Was bringt ihr? Frieden oder Krieg?" fragte 
Witichis eifrig. 

Krieg! Krieg, König Witichis!“ riefen beide Manner 
mit einem Munde. 

Wie? Belifar verwirft die Opfer, die ich thm biete ? 
Du Haft thm freundlich, eindringlidh, meine Vorſchläge 
mitgetheilt 2“ 

Herzog Guntharis trat vor, und fprad: 

ody) traf den Feldherrn im Capitol als Gaſt des 
Präfecten und ſprach zu ihm: 

„Der Gothenkönig Witichis entbietet dir ſeinen Gruß. 

In dreißig Tagen kann er mit hundert fünfzig 
Tauſendſchaften wehrhafter Gothen vor dieſen Thoren 
ſtehn. 

Und ein Schlachten und Ringen um dieſe ehrwür—⸗ 
dige Stadt wird anheben, wie es ihre ſeit tauſend Jah⸗ 
ren mit Blut getränkten Gefilde nie geſchaut. 

Der König der Gothen liebt den Frieden mehr als 


67 


felbft den Sieg: under gelobt, dem Raifer Juſtinian die 
Inſel Sicilien abjutreten und ihm in jedem feiner Kriege 
mit dreifigtaufend Mann Gothen beizuſtehen, wenn ihr 
fofort Rom und Stalien raumt, das uns gehort nad 
vent Recht der CEroberung wie nad dem Bertrag mit 
Raifer Bino, ver es Theoderich überließ, wenn er den 
Orovafar ftiirjen könne.“ 

So fpradh ish, deinem Auftrag gemäß. 

Belifar aber lachte und rtef: 

„‚Witichis ift ſehr gnädig, mir die Snfel Sicilien 
abjutreten, vie id) ſchon habe und er nicht mehr bat. 

Sd ſchenke ihm dafür vie Infel Thule! 

Nein. Der Vertrag Theoderichs mit Beno war abs 
gezwungen und das Recht ver Eroberung, — nun das 
ſpricht jest fiir uns. 

Rein Friede, als unter der Beringung: das ganze 
Gothenheer ftredt die Waffen, und das ganze Volk zieht 
fiber die Alpen und fendet König und Konigin als Gei- 
feln nad Byzanz.“ 

Gin Murren der Entriiftung ging durch vas Belt. 

„Zornig, ohne Antwort auf folden Vorſchlag, wandten 
wir ihm den Ritden und fdpritten hinaus.“ 

„Auf Wiederfehen in Ravenna,” rief er uns nad. 

„Da wandt’ id) mid," ſprach Hilrebad und rief: 

„Auf Wiederfehen vor Rom! 

Auf Konig Witidhis, jest yu den Waffen, 

Ou haſt ras Aeugerfte verfudt an Friedensliebe und 
Schmach geernttet. 

5* 


68 - 


Jetzt auf! Lang genug haft du gezögert und gerüſtet! 
Jetzt führ' uns an, zum Rampf." 

Da tönten Trompetenſtöße aus dem Lager: man hörte 
den Hufſchlag eilig nahender Roſſe. 

Alsbald hob ſich der Vorhang des Zeltes und eins 
trat Totila in glangenden Waffen, vom weifen Dtantel 
umwallt. 

„Heil meinem König, Heil dir Königin,“ ſprach er 
huldigend. 

„Mein Auftrag iſt erfüllt: ich bringe dir den Freun⸗ 
desgruß des Frankenkönigs. 

Er hielt ein Heer bereit im Solde von Byzanz, dich 
anzugreifen. 

Es gelang mir, ihn umzuſtimmen. 

Sein Heer wird nicht gegen die Gothen in Italien 
einrücken. 

Graf Markja von Mediolanum, der bisher die cotti⸗ 
ſchen Alpen gegen die Franken gededt, ward dadurch fret 
ntit feinen Tauſendſchaften: er folgt mir in Gile. 

Sm Rückweg hab ich aufgerafft, was ich ivgend von 
waffenfabigen Männern fand und die Befasungen der 
Burgen an mid gezogen. 

Ferner: 

Wir hatten bisher Mangel an Reiterei. Getioſt, 
mein König: id) führe dir ſechstauſend Reiter gu, auf 
herrliden Roſſen. 

Gie verlangen, fic zu tummeln in den Cbenen 
von Rom. 


69 





Nur Cin Wunſch lebt in uns allen: führ uns jum 
Kampf, gum Kampf nad Rom." 

Dab Danf, mein Freund, für did) und deine Reiter. 

Sprid, Hildebrand, wie vertheilt ſich jest unfres 
Heeres Macht? 

Sagt an, ihr Feldherrn, wie viele führt ein jeder 
von cud? 

Shr Notare, zeichnet auf!" 

„Ich führe pret Tauſendſchaften Fußvolk,“ rief 
Hildebad. 

„Ich vierzig Tauſendſchaften zu Fuß und zu Roß mit 
Schild und Speer,“ ſprach Herzog Guntharis. 

„Ich vierzig Tauſendſchaften zu Fuß: Bogenſchützen, 
Schleudrer, Speerträger,“ ſagte Graf Grippa von 
Ravenna. 

Od ſieben Tauſendſchaften mit Meſſer und Keule,“ 
zählte Hildebrand. 

„Und dazu Totila's ſechs Tauſendſchaften Reiter und 
vierzehn erleſene Tauſendſchaften Teja's mit ver Streit⸗ 
axt — wo iſt er? ich vermiſſe ihn hier! — 

Und ich habe meine Scharen zu Fuß und zu Roß 
auf fünfzig Tauſendſchaften erhöht,“ ſchloß der König. 

„Das find zuſammen einhundertſechzig Tauſendſchaften,“ 
ſchrieb der Proto-Notar, die Pergamentrolle dem König 
überreichend. 

Da flog ein froher Glanz kriegeriſchen Stolzes über 
des Königs ernſtes Angeſicht. 

„Einhundert Sechzig Tauſendſchaften gothiſche Manner :~ 
Beliſar, ſollen ſie vor dir die Waffen ſtrecken, ohne Kampf? 


70 | 





Wie fang braudt ihr nod) Raft, um aufzubrechen ? 

Da eilte ver ſchwarze Leja in's Relt. 

Sr hatte beim Gintreten die legte Frage vernommen. 

Sein Auge fprithte Blige, er bebte vor Zorn. 

„Raſt? Reine Stunde Raft mehr: auf yur Rade, 
König Witichis ! 

Gin ungeheurer Frevel ift gefdehn, der Laut mm 
Rade gegen Himmel fdreit. Führ' uns fofort gum 
Kampf!“ 

„Was iſt geſchehn?“ 

„Ein Feldherr Beliſars, der Hunne Ambazuch, um⸗ 
ſchloß, wie du weißt, ſeit lange mit Hunnen nnd Ar⸗ 
meniern das feſte Petra. 

Kein Entſatz war nah und fern. 

Der junge Graf Arahad nur — er ſuchte wohl den 
Tod — überfiel mit ſeiner kleinen Gefolgſchaft die Ueber⸗ 
macht; er fiel im tapferſten Gefecht. 

Verzweifelt widerſtand das Häuflein gothiſcher Männer 
in der Burg. 

Denn alles wehrloſe Volk der Gothen: Greiſe, Kranke, 
„Weiber, Kinder, vom flachen Land in Tuſcien, Valeria 
und Picenum war bierherher gefliidjtet vor dem Feind, 
woh! viele Tauſend. 

Endlich zwang fle ver Hunger, gegen freten Abzug 
vie Thore yu öffnen. Der Hunne fdwor allen Gothen 
in der Stadt, ihr Blut nicht gu vergießen. 

Gr 30g cin und befahl den Gothen fid) in der 
großen Bafilifa Sanct Zeno's yu verfannneln. 


71 


Das thaten fie, über fiinftaufend Köpfe, Greife, 
Weiber, Kinder und ein Paar hundert Krieger. 

Und als fie alle beifammen —“ 

Leja hielt ſchaudernd inne. 

„Nun?“ fragte Matafwintha, erblaffend. , 
da ſchloß ver Hunne die Thüren, umftellte dads 
Haus mit feinem Heer und — verbrannte fie alle fiinfe 

taufend, ſammt ber Rirde.“ 

„Und der BVertrag 2" rief Witidhis. 

„Ja, fo ſchrien aud) die Vergweifelten thn an durd 
Qualen und Flammen. 

„Der Vertrag,“ lachte der Hunne, „ſei erfiillt: fein 
Tropfe Blutes fet vergoffen. 

Uusbrennen miiffe man vie Gothen aus Italien wie 
bie Felbmaufe und ſchlechtes Gewürm.“ 

Und fo ſahn vie Byzantiner yu, wie fünf Tauſend 
Gothen, Greife, Weiber, Kranke, Kinder — Konig 
Witichis, hörſt du's? — Kinder! elend erftidten und — 
verbrannten. 

Solches geſchieht und du — du ſendeſt Friedens⸗ 
boten! 

Auf, König Witichis,“ rief der Ergrimmte, das Schwert 
aus ver Scheide reißend, „wenn du ein Mann biſt, brid) 
jetzt auf zur Rache. 

Die Geiſter der Erwürgten ziehn vorauf — 

Führ' uns zum Kampf! zur Rache führ' uns an!“ 

„Führ' uns zum Kampf! zur Rache führ' uns an!“ 
widerhallte das Zelt vom Ruf der Gothen. 

Da ſtand Witichis auf in ruhiger Kraft. 


72 


„So fol’s fein, das Aeußerſte geſchah. ; 

Und unfere befte Riiftung ift unfer Recht: jewt anf, 
zum Kampf." 

Und er reichte feiner Königin vie Pergamentrolle, 
pie er in der Hand hielt, die über feinem Stuhl hängende 
Konigsfahne, das blaue Bandum, gu ergreifen. 

„Ihr feht das alte Banner Theoderichs in meiner 
Hand, das er von Sieg yu Sieg getragen. 

Woh! rubt es jest in ſchlechtrer Hand als feine war 
— doch zaget nicht. 

Ihr wiſſet: übermüthige Zuverſicht iſt meine Sache 
nicht, doch diesmal ſag ich euch voraus: in dieſer Fahne 
rauſchkf etn naher Sieg, ein großer, ſtolzer, rachefroher 
Sieg. 

Folgt mir hinaus. 

Das Heer bricht auf, ſogleich. Ihr Feldherrn, ordnet 
eure Scharen: nach Rom!“ 

„Nach Rom,“ wiederhallte vas Zelt. 

„Nach Rom!“ 





Sechstes Capitel. 





Inzwiſchen ſchickte fic) Belifar an, mit ver Haupte 
madjt feines Heered die Stadt zu verlaffen: Johannes 
hatte er deren Bewadung itbertragen. 

Gr hatte befdlofjen, vie Gothen in Ravenna aufzu⸗ 
ſuchen. 

Gein bisher von keinem Unfall gehemmter Gieget- 
lauf und die Erfolge ſeiner vorausgeſchickten Streif— 
ſcharen, welche durch den Uebergang der Italier alles flache 
Land, auch alle Veſten und Burgen und Städte, bis 
nahe bei Ravenna gewonnen, hatten in ihm die Zuverſicht 
erzeugt, daß der Feldzug bald beendigt und nur das 
Erdrücken der rathloſen Barbaren tn ihrem letzten Schlupf⸗ 
winkel übrig fei. 

Denn nachdem Beliſar ſelbſt den ganzen Süden der 
Halbinſel: Bruttien, Lucanien, Calabrien, Apulien, Cam⸗ 
panien: dann Rom mit Samnium und die Valeria 
durchzogen und beſetzt hatte, waren ſeine Unterfeldherrn, 
„Beſſas und Conſtantinus, mit ver lanzentragenden Leib⸗ 
wache des Feldherrn, die unter Führung des Armeniers 
Zanter, des Perſers Chanaranges und des Maſſageten 


74 


Aeſchman ftanden, vorausgefendet worten, Tufcien zu 
unterwerfen. 

Befjas riidte vor das fturmifefte Narnia: fitr die 
pamaligen Belagerungsmittel war die Burgftadt faſt 
uneinnehmbar — fie thront auf hohem Berge, deffen 
Fuß der tiefe Rar umfpiilt. 

Die beiden einzigen Zugänge, vom Often und vom 
Weften, find ein enger Felſenpaß und die hohe, alte, 
von Raifer Auguftus gebaute, befeftigte Britde. — 

Aber die römiſche Bevölkerung überwältigte vie halbe 
gothiſche Hundertſchaft, die hier lag, und öffnete den 
Thrakiern des Beſſas die Thore. 

Dem Conſtantinus erfdloffen. fic) ebenſo ohne 
Schwertſtreich Spoletium und Peruſia. 

Auf der öſtlichen Seite des joniſchen Meerbuſens 
hatte inzwiſchen ein andrer Unterfeldherr Beliſars, der 
Comes Sacri Stabuli Conſtantinus, den Tod zweier 
byzantiniſcher Heerführer, des Magiſter Militum fir 
Illyrien, Mundus, und ſeines Sohnes Mauricius, welche 
im Anfang des Krieges bei Salona in Dalmatien im 
Gefecht gegen die Gothen gefallen waren, gerächt, Salona 
beſetzt und durch ihre große Uebermacht die geringen 
gothiſchen Scharen zum Rückzug auf Ravenna gezwun⸗ 
gen. Ganz Dalmatien und Liburnien war darauf den 
Byzantinern zugefallen. 

Von Tuſcien aus ſtreiften, wie wir ſahen, die 
Hunnen Juſtinians ſchon durch Picenum. und bis in 
die Aemilia. 


75 


Die Friedensvorfdlige ves Gothenkönigs hielt Beli 
far daher fiir Beiden ver Schwäche. 

Dag die Barbaren zum UAngriff iibergehen könnten, 
fiel ihm nicht etn. 

Dabei trieb es ihn, Rom gu veriaffen, wo es ihn 
anwiterte, der Gaft ves Prifecten gu heifen; im freten 
Felde mute fein Uebergewicht bald wieder hervortreten. 

Der Prafect ließ das Capitol in der trenen Hut 
des Lucius Licinius und folgte dem Zuge Beliſars. 

Vergebens warnte er diefen vor all gu grofer Bus 
verfidt. 

Bleibe du doch hinter ven Felfen ves Capitols, wenn 
du die Barbaren fürchteſt,“ hatte dieſer ſtolz geantwortet. 

„Nein,“ erwiederte diefer. Cine Niederlage Beli- 
favs tft ein gu feltnes Schauſpiel, man darf es nidjt vers 
ſäumen.“ 

In der That, Cethegus hätte eine Demüthigung 
des großen Feldherrn, deſſen Ruhm die Italier allzuſehr 
anzog, gerne geſehn. 

Beliſar hatte ſein Heer aus den nördlichen Thoren 
der Stadt geführt und wenige Stadien vor der Stadt 
in einem Lager verſammelt, es hier zu muſtern und neu 
zu ordnen und zu gliedern. 

Schon der ſtarke Zufluß von Italiern, die zu ſeinen 
Fahnen geeilt waren, machte es nöthig. 

Auch Ambazuch, Beſſas und Conſtantinus hatte er 
mit dem größten Theil ihrer Truppen wieder in dies 
Lager heraugezogen: fie ließen in den von ihnen ge- 
wonnenen Sravten nur kleine Bejagungen zurück. 


76 


Dunkle Geriidte von einem anvitdenden Gothens 
beer Hatten fic) in das Lager verbreitet. 

Uber Beliſar ſchenkte ihnen feinen Glauben. 

„Sie wagen e8 nidt,” hatte er dem warnenden 
Profop entgegnet. „Sie fliegen in Ravenna und zittern 
vor Beliſarius.“ 

Spat in der Nacht lag Cethegus ſchlaflos auf dem 
Lager in feinem Relt. 

Gr ließ vie Ampel brennen. 

„Ich kann nidt ſchlafen,“ fagte ec —: in den Lüften 
flirrt e8 wie Waffen und riedt’s wie Blut. 

Die Gothen fommen. Sie ritden wohl durch die 
Gabina, die Via cafperta und falara herab.“ 

Da raufdten feine Zeltoorhange guriid und Syphax 
ftitrgte athemlos an fein Lager. 

„Ich wei es fon," fagte Cethegus auffpringend, 
„was Du meldeft: die Gothen fommen.“ 

Sa, Herr, morgen-find fie da. 

Gie zielen auf pas falarifde Thor. 

Sd) hatte vas befte RoR ver Königin, aber dieſer 
Totila, ver ven BVortrab führt, jagt wie ver Wind durch 
rie Wiifte. 

Lind bier im Lager abnt Niemand etwas.” 

„Der große Feldherr,“ lächelte Cethegus, „hat keine 
Vorpoſten ausgeſtellt.“ 

„Er verließ ſich ganz auf den feſten Thurm an der 
Aniusbriide*: aber —“ 





*) Brofop Gethenfrieg I. 17. 18. fest bier ans Verweche. 
lung ben Tiber ftatt des Anio. 


77 





„Nun? dex Shurm ift fet.“ 

„Ja, aber die Befabung, römiſche Birger ans 
Neapolis, ging yu den Gothen itber, als fie der junge 
Cotila, der Führer ves Vortrabs, anvief. 

Die Leibwächter Belifars, weldje fich rwiderfetsten, 
wurden gebunden, zumal Snnocentius, und Lotila aus. 
geliefert. Der Thurm und die Briide ift in ver Gothen 
Hand." 

„Es wird hübſch werden! Haft du eine Ahnung, wie 
ſtark der Feind?“ 

„Keine Ahnung, Herr: ich weiß es ſo genau wie 
König Witichis ſelbſt. 

Hier die Liſte ihrer Truppen. 

Sie ſchickt dir Mataſwintha, ſeine Königin.“ 

Cethegus ſah ihn forſchend an. 

„Geſchehen Wunder, vie Barbaren gu verderben?“ 

„Ja Herr, Wunder geſchehen! 

Dies ſonnenſchöne Weib will ihres Volkes Unter- 
gang um des Einen willen. 

Und dieſer Eine iſt ihr Gatte.“ 

you irrſt:“ ſagte Cethegus, „fie liebte ihn ſchon als 
Mädchen und kaufte ſeine Büſte.“ 

„Ja, ſie liebt ihn. 

Aber er nicht ſie. 

Und die Marsbüſte ward zerſchlagen in der Braut— 
nacht.“ 

„Das hat fie div doch ſchwerlich ſelbſt geſagt.“ 

„Aber Aſpa, die Tochter meines Landes, ihre Sklavin. 

Sie ſagt mir Alles. Sie liebt mich. 


78 


Ind fie fiebt ihre Herrin, faft wie id vid. 
Und Matafwintha will mit vir das Gothenreid vers 
derben. 
Und ſie wird durch Aſpa alles ſchreiben in den 
Zauberzeichen unſers Stammes. 
Und ich würde dieſe Sonnenkönigin zu meinem Weibe 
nehmen, wenn ich Cethegus wäre.“ 
„Ich aud, wenn ich Syphar ware. 
Aber veine Botſchaft ift eine Krone werth! 
Cin liftig, racheditrftend Weib wiegt Legionen anf! 
Seet Trop end, Belifar, Witihis und Duftinian! 
Erbitte dir eine Gnade, jede, nur nicht deine Freis 
heit — id) braude did) nod.” 
‚Meine Breiheit ift — div vienen. Cine Gunft: 
laß mid) morgen neben dir fedjten.“ 
„Nein, mein hübſcher Panther, deine Klauen fann 
id) nod) nicht brauden — nur deinen Yetfegang. 
Du ſchweigſt gegen Sedermann von ver Gothen 
Nahe und Stärke. 
Vege mix die Rüſtung an und gieb den Plan ver 
falarifdjen Strafe port aus der Capfel. 
Sept rufe mir Marcus Licinius und den Führer 
meiner Iſaurier, Sandil.“ 
Syphar verſchwand. 
Cethegus warf einen Blick auf den Plan. 
„Alſo dort ber, von Nordweſten, kommen fie, tie 
Hügel herab. 
Wehe dem, der ſie dort aufhalten will. 


79 





Darauf folgt ver tiefe Chalgrund, in dem wir lagern. 
Hier wird vie Schlacht gefdlagen und verloren. 

Hinter uns, ſüdöſtlich, gieht ſich unfre Stelung ent. 
fang dem tiefen Bad; in diefen werden wir unfeblbar 
geworfen: die Briiden werden nicht gu halten fein. 

Darauf eine Strede flachen Landes — weld) ſchönes 
Feld fiir die gothifden Reiter, uns yu verfolgen! — 

Nod weiter rückwärts endlid) ein didter Wald und 
- eine enge Sdlucht mit dem jerfallnen Caſtell Hadrians. — 

Marcus," rief er dem Cintretenden entgegen, ,,meine 
Scharen breden auf. 

Wir ziehn hinab ven Bach in ven Wald und jeden, 
per did) fragt, dem fagft Du: wir giebn guriid nad 
Rom." 

Nad Haufe? ohne Kampf? fragte Marcus erftaunt, 
„du weißt Dod: es fteht ver Kampf bevor 2” 

„Ebendeßwegen!“ Damit ſchritt er hinaus, Beliſar in 
feinem Belt zu ween. 

Aber er fand ihn ſchon wad): Prokop ſtand bei ihni. 

„Weißt du's ſchon, Prafect? flitchtendes Landvolf 
mieldet, ein Häuflein gothifder Reiter naht: die Toll: 
kühnen reiten in iby BVerderben: fie wähnen die Strafe 
fret bis Rom.” 

Und er fubr fort fic) gu rüſten. 

„Aber die Bauern melden, die Reiter feten nur die 
Borhut. C8 folge ein furchtbares Heer von Barbaren.“ 
warnte Profop. 

„Eitle Schrecken! Sie fiirdten fic, diefe Gothen — 

Witihis wagt gar nicht, mid aufzuſuchen. 


72 





„So ſoll's fein, das Aeußerſte gefdab. 

Und unſere beſte Rüſtung iſt unſer Recht: jetzt auf, 
zum Kampf.“ 

Und er reichte ſeiner Königin die Pergamentrolle, 
die er in der Hand hielt, die über ſeinem Stuhl hängende 
Königsfahne, das blaue Bandum, zu ergreifen. 

„Ihr ſeht das alte Banner Theoderichs in meiner 
Hand, das er von Sieg zu Sieg getragen. 

Wohl ruht es jetzt in ſchlechtrer Hand als ſeine war 
— doch zaget nicht. 

Ihr wiſſet: übermüthige Zuverſicht iſt meine Sache 
nicht, doch diesmal ſag ich euch voraus: in dieſer Fahne 
rauſcht ein naher Sieg, ein großer, ſtolzer, rachefroher 
Sieg. 

Folgt mir hinaus. 

Das Heer bricht auf, ſogleich. Ihr Feldherrn, ordnet 
eure Scharen: nach Rom!“ 

Jad Rom," wiederhallte das Belt. 

„Nach Rom!" 


Sechstes Capitel. 





Inzwiſchen ſchickte ſich Beliſar an, mit der Haupt⸗ 
macht ſeines Heeres die Stadt zu verlaſſen: Johannes 
hatte er deren Bewachung übertragen. 

Er hatte beſchloſſen, die Gothen in Ravenna aufzu⸗ 
ſuchen. 

Gein bisher von keinem Unfall gehemmter Sieget- 
lauf und die Erfolge ſeiner vorausgeſchickten , Streif- 
ſcharen, welche durch den Uebergang der Italier alles flache 
Land, auch alle Veſten und Burgen und Städte, bis 
nahe bei Ravenna gewonnen, hatten in ihm die Zuverſicht 
erzeugt, daß der Feldzug bald beendigt und nur das 
Erdrücken ver rathloſen Barbaren in ihrem letzten Schlupf⸗ 
winkel übrig fei. 

Denn nachdem Beliſar ſelbſt den ganzen Süden der 
Halbinſel: Bruttien, Lucanien, Calabrien, Apulien, Cam— 
panien: dann Rom mit Samnium und die Valeria 
durchzogen und beſetzt hatte, waren ſeine Unterfeldherrn, 
‚Beſſas und Conſtantinus, mit der lanzentragenden Leib⸗ 
wache des Feldherrn, die unter Führung des Armeniers 
Zanter, des Perſers Chanaranges und des Maſſageten 


74 


Aeſchman ftanden, vorausgefendet worden, Tuſcien zu 
unterwerfer. 

Beffas rückte vor bas ſturmfeſte Narnia: fitr die 
vamaligen Belagerungsmittel war die Burgftadt faft 
uneinnehmbar — fie thront auf hohem Berge, deffen 
Fuß ver tiefe Mar umſpült. 

Die beiden eingigen Zugänge, vom Often und vom 
Weften, find ein enger Felſenpaß und die hohe, alte, 
von Kaiſer Auguftus gebaute, befeftigte Britde. — 

Aber die römiſche Bevölkerung überwältigte vie halbe 
gothifde Hundertſchaft, die hier lag, und öffnete den 
Thrakiern ves Beſſas die Chore. 

Dem Conſtantinus erſchloſſen. ſich ebenſo ohne 
Schwertſtreich Spoletium und Peruſia. 


Auf der öſtlichen Seite des joniſchen Meerbuſens 
hatte inzwiſchen ein andrer Unterfeldherr Beliſars, der 
Comes Sacri Stabuli Conſtantinus, den Tod zweier 
byzantiniſcher Heerführer, des Magiſter Militum für 
Illyrien, Mundus, und ſeines Sohnes Mauricius, welche 
im Anfang des Krieges bei Salona in Dalmatien im 
Gefecht gegen die Gothen gefallen waren, gerächt, Salona 
beſetzt und durch ihre große Uebermacht die geringen 
gothiſchen Scharen jum Rückzug auf Ravenna gezwun—⸗ 
gen. Ganz Dalmatien und Liburnien war darauf dew 
Byzantinern zugefallen. 

Von Tuſcien aus ſtreiften, wie wir ſahen, die 
Hunnen Juſtinians ſchon durch Picenum⸗ und bis in 
die Aemilia. 


75 


Die Friedensvorfdlige ves Gothenkönigs hielt Beli: 
far daher fiir Beiden ver Schwäche. 

Daß vie Barbaren zum UAngriff übergehen könnten, 
fiel ihm nicht etn. 

Dabei trieh es ihn, Rom gu veriaffen, wo e8 ihn 
anwiberte, Der Gaft ves Prafecten gu heißen; im freien 
welde mute fein Uebergewicht bald wieder hervortreten. 

Der Prafect ließ das Capitol in der trenen Hut 
des Lucius Licinius und folgte dem Buge Belifars. 

Vergebens warnte er diefen vor all gu großer Bus 
verfidt. 

‚Bleibe du dod) hinter den Felfen ves Capitols, wenn 
pu die Barbaren fiirdteft, hatte diefer ſtolz geantwortet. 

„Nein,“ evwiederte diefer. Cine Miederlage Beli 
ſars tft etn gu feltnes Schaufpiel, man darf e8 nicht vers 
ſäumen.“ 

In der That, Cethegus hätte eine Demüthigung 
des großen Feldherrn, deſſen Ruhm die Italier allzuſehr 
anzog, gerne geſehn. 

Beliſar hatte ſein Heer aus den nördlichen Thoren 
der Stadt geführt und wenige Stadien vor der Stadt 
in einem Lager verſammelt, es hier zu muſtern und neu 
zu ordnen und zu gliedern. 

Schon der ſtarke Zufluß von Italiern, die zu ſeinen 
Fahnen geeilt waren, machte es nöthig. 

Auch Ambazuch, Beſſas und Conſtantinus hatte er 
mit dem größten Theil ihrer Truppen wieder in dies 
Lager heraugezogen: ſie ließen in den von ihnen ge— 
wonnenen Städten nur kleine Beſatzungen zurück. 


76 


Dunfle Gerüchte von einem anritdenden Gothen 
beer atten ſich in dad Lager verbreitet. 

Wher Belifar fdentte ihnen feinen Glauben. 

Ste wagen e8 nicht,“ hatte er bem warnenden 
Profop entgegnet. „Sie liegen in Ravenna und zittern 
por Beliſarius.“ 

Spat in ver Nacht lag Cethegus ſchlaflos auf dem 
Lager in feinem Belt. 

Er ließ die Ampel brennen. 

„Ich kann nidt ſchlafen,“ fagte er —: in den Lüften 
flirrt e8 wie Waffen und riecht's wie Blut. 

Die Gothen fommen. Sie riiden wohl durch die 
Sabina, die Via cafperta und falara herab.“ 

Da raufdten feine Beltvorhinge guriid und Syphar 
ftiirgte athemlos an fein Yager. 

„Ich wei cB ſchon,“ fagte Cethegus auffpringend, 
was du meldeft: die Gothen fommen.“ 

„Ja, Herr, morgen-find fie da. 

Gie gielen auf pas falarifde Thor. 

Sd) hatte vas befte Roß der Königin, aber Ddiefer 
Totila, ver ven Bortrab führt, jagt wie ver Wind durch 
vie Wüſte. 

Und bier im Lager abnt Riemand etwas. 

„Der große Feldherr,“ lächelte Gethegus, hat feine 
Vorpoſten ausgeſtellt.“ 

„Er verließ ſich ganz auf den feſten Thurm an der 
Aniusbriide*) aber —“ 


*) Protop Gothentrieg I. 17. 18. ſetzt bier aus Verwechs. 
lung den Liber ftatt des Anio. . 


77 





„Nun? dex Thurm iſt feft." 

„Ja, aber vie Beſatzung, römifſche Bürger aus 
Neapolis, ging zu den Gothen über, als ſie der junge 
Totila, der Führer des Vortrabs, anrief. 

Die Leibwächter Beliſars, welche ſich widerſetzten, 
wurden gebunden, zumal Innocentius, und Totila aus⸗ 
geliefert. Der Thurm und die Brücke iſt in der Gothen 
Hand.“ 

„Es wird hübſch werden! Haſt du eine Ahnung, wie 
ſtark der Feind?“ 

„Keine Ahnung, Herr: ich weiß es ſo genau wie 
König Witichis ſelbſt. 

Hier die Liſte ihrer Truppen. 

Sie ſchickt dir Mataſwintha, ſeine Königin.“ 

Cethegus ſah ihn forſchend an. 

„Geſchehen Wunder, die Barbaren zu verderben?“ 

„Ja Herr, Wunder geſchehen! 

Dies ſonnenſchöne Weib will ihres Volkes Unter—⸗ 
gang um des Einen willen. 

Und dieſer Eine iſt ihr Gatte.“ 

„Du irrſt:“ ſagte Cethegus, „ſie liebte thn ſchon als 
Mädchen und kaufte ſeine Büſte.“ 

„Ja, fie liebt ibn. 

Aber er nicht ſie. 

Und die Marsbüſte ward zerſchlagen in ver Brant: 
nadt.“ 

„Das hat fte vir dod) ſchwerlich felbft gefagt.” 

Aber Ufpa, die Tochter meines Landes, ibre Slavin. 

Sie fagt mir Wiles. Sie liebt mid. 


78 


Und fie ltebt ihre Herrin, faft wie ich did. 

Und Matafwintha will mit div das Gothenreidd vers 
verben. . 

Und fie wird durch Afpa alles ſchreiben in ren 
Bauberjeidhen unfers Stammes. | 

Und id) würde diefe Gonnenfinigin yu meinem Weibe 
nehmen, wenn id) Gethegus ware.“ 

„Ich aud, wenn id) Syphar ware. 

Aber veine Botfdaft ift eine Krone werth! 

Gin liftig, racheditrftend Weib wiegt Legionen auf! 
Sekt Trotz end, Belifar, Witichis und Buftinian! 

Erbitte dir eine Gnade, jede, nur nidt deine Frei⸗ 
heit — id) brauche did) nod.” 

Meine Freiheit ift — dir dienen. Cine Ounft: 
laß mid) morgen neben div fechten.“ 

„Nein, mein biibfder Panther, deine Klauen fann 
id) nod) nidjt brauchen — nur deinen Leifegang. 

Du ſchweigſt gegen Bedermann von der Gothen 
Nahe und Stare. | 

Vege mit die Rüſtung an und gieb den Plan der 
ſalariſchen Strafe dort aus ver Capfel. 

Sept rufe mir Marcus Licinius und den Führer 
meiner Sfaurier, Sandil.“ 

Syphax verjdwand. 

Cethegus warf einen Blid auf den Blan. 

„Alſo dort ber, von Nordweſten, fommen fie, tie 
Hügel herab. 

Wehe dem, der ſie dort aufhalten will. 


79 





Darauf folgt dev ttefe Thalgrund, im dem wir lagern. 
Hier wird vie Schlacht gefdlagen und verloren. 

Hinter uns, ſüdöſtlich, gieht ſich unfre Stellung ents 
fang dem tiefen Bad); in diefen werden wir unfeblbar 
geworfen: die Briiden werden nidt gu halten fein. 

Darauf eine Strede fladen Landes — weld) ſchönes 
Feld fiir vie gothifden Reiter, uns yu verfolgen! — 

Nod weiter ritdwarts endlid) ein didter Wald und 
- eine enge Schlucht mit dem zerfallnen Caftell Hadrians. — 

Marcus," rief er dem Eintretenden entgegen, ,,meine 
Scharen brechen auf. 

Wir ziehn hinab den Bach in den Wald und jeden, 
der dich fragt, dem ſagſt du: wir ziehn zurück nach 
Rom.“ 

wad) Hauſe? ohne Kampf?" fragte Mtarcus erſtaunt, 
„du weit Dod: es fteht der Kampf bevor 2" 

„Ebendeßwegen!“ Damit ſchritt er hinaus, Belifar in 
fetnem Belt zu wecken. / 

Aber ev fand thn ſchon wad): Prokop ftand bet ihm. 

„Weißt du's ſchon, Prafect? flitdhtendes Landvolk 
meldet, ein Häuflein gothiſcher Reiter naht: die Toll⸗ 
kühnen reiten in ihr Verderben: ſie wähnen die Straße 
frei bis Rom.“ 

Und er fubr fort fic) zu rüſten. 

„Aber die Bauern melden, die Reiter feien nur vie 
Vorhut. C8 folge ein furdtbhares Heer von Barbaren.“ 
warnte Profop. 

„Eitle Screen! Sie fürchten fid, diefe Gothen — 
Witihis wagt gar nicht, mich aufzuſuchen. 


80 





Endlid) habe ich, vierzehn Stadien vor Rom, die 
Wniobritde purd einen Thurm geſchützt — Martinus 
hat ihn gebaut nad) meinem Gedanken — der allein 
halt ver Barbaren Fußvolk mehr alS eine Woche auf — 
mögen aud ein paar Gaule durch den Fluß geſchwommen 
fein.“ 

„Du irrft, Belifarius! id weiß es gewiß: das ganze 
Heer der Gothen naht,“ ſprach Cethegus. 

„So geh' nach Hauſe, wenn du es fürchteſt.“ 

„Ich mache Gebrauch von dieſer deiner Erlaubniß. 

Ich habe mir in dieſen Tagen das Fieber geholt. 

And meine Iſaurier leiden daran — ich ziehe mit 
deiner Gunſt nach Rom zurück.“ 

„Ich kenne dieſes Fieber," fagte Beliſar — „das 
heißt: — an Andern. 

Es vergeht, ſowie man Graben und Wall zwiſchen ſich 
und dem Feinde hat. 

Zieh ab, wir brauchen dich ſowenig wie deine 
Iſaurier.“ 

Cethegus verneigte ſich und ging. 

„Auf Wiederſehen,“ ſprach er, „o Beliſarius. 

Gieb das Zeichen zum Aufbruch meinen Iſauriern.“ 
ſprach ex im Lager faut zu Dtarcus. 

„Und meinen Byzantinern aud," fegte ev leifer bet. 

„Aber Belifar hat" — 

„Ich bin iby Belifar. Syphar, mein Pferd.” 

Während er aufftieg, fprengte ein Bug römiſcher 
Reiter heran: Fackeln leuchteten dem Anführer vorauf. 

„Wer da? Ah vu, Cethegus? mie, du reiteft ab? 


81 


Deine Leute giehn ſich nad) dem Flug? Du wirft uns 
dod) nicht verlaffen, jest, in diefer höchſten Gefabr 2" 
Gethegus beugte fic vor. 

„Sieh, du, Calpurnius! id) erfannte dich nicht: du 
fiebft fo bleid. 

Was bringft du von ven Vorpoften 2" 

„Flüchtge Bauern ſagen,“ ſprach Calpurnius ängſtlich, 
„es fet gewiß mehr als eine Streifſchar. Es fet der 
Rinig der Barbaren, Witichis felbft, im rafden Angug 
durch die Sabina: fle feien ſchon auf dem linfen Tiber⸗ 
ufer: Widerftand ift pann — Wabhnfinn — Verbderben. 
Ich folge vir, ich ſchließe mid dir an.“ 

„Nein,“ fagte Cethegus herb, „du weit, id) bin 
abergläubiſch: id) reite nidjt gern mit den Furien vers 
fallnen Männern. 

Did wird die Strafe fiir deinen feigen Knabenmord 
ficher ereilen. 

Sh habe nidt Luft, fie mit div gu theilen.“ 

Dod fliften Stimmen in Rom, anc Cethegus 
verſchmähe mandmal einen bequemen Mord nicht,“ fprad) 
Calpnrnius grimmig. 

»~Calpurnind ift nicht Cethegus,“ fprad) der Prafect, 
ftol; davon fprengend. „Grüße mir etnftweilen den 
Hades!" rief er. 


Dahn, Cin Kampf um Rom. ITT. 6 


Siebentes Capitel. 





Verfluchtes Omen,“ knirſchte Calpurnius. 

Und er eilte zu Beliſar: „befiehl den Rückzug, raſch, 
Magiſter Militum.“ 

„Warum, Vortrefflicher?“ 

„Es iſt der Gothenkönig ſelbſt.“ 

„Und ich bin Beliſar ſelbſt,“ ſagte dieſer, den pracht⸗ 
vollen Helm mit dem weißen Roßſchweif auffetzend. 
„Wie konnteſt du deinen Poſten im Vordertreffen ver⸗ 
laſſen.“ 

„Herr, um dir das zu melden.“ 

„Das konnte wohl kein Bote? 

Höre, Römer, ihr ſeid nicht werth, daß man euch 
befreit. 

Du zitterſt ja, Mann des Schreckens. 

Zurück mit dir in's Vordertreffen. 

Du führſt unfre Reiter zum erſten Angriff: ihr, meine 
Leibwächter Antallas und Ruturgur, nehmt ibn in die 
Mitte. Cr mu tapfer fein, birt ihr? 

Weidht ex, — nieder mit ihm. Go lehrt man Wee 
mer Muth. 


83 


Der Lager-Itufer fagte eben die letzte Stunde der 
Nacht an. 

Sn einer Stunde geht die Gonne anf. 

Sie muß unſer ganzes Heer anf jenen Hilgeln finden. 

Auf! Ambazuch, Beffas, Conftantinns, Demetrius, 
vas ganze Lager bridt auf, dem Feind entgegen." 

„Feldherr, es ift wie fie fagen,” meldete Maxentius, 
ver treueſte ver Leibwächter, ,zahllofe Gothen riiden an." 

„Sie find zwei Heere gegen uns,“ meldete Salomo, 
Belifars Hypaſpiſten⸗Führer. 

„Ich redne Belifar ein ganzes Heer.” 

„Und der Schlachtplan?“ fragte Beffas. 

„Im Angeſicht des Feinds entwerf’ id) thn, während 
des Galpurnius Reiter thn aufhalten. 

Vorwarts, gebt die Zeichen, führt Phalton vor.” 

Und er fdritt aus bem Relte; nad allen Seiten 
ftoben die Heerfithrer, die Hypafpiften, Bratorianer, 
Protectoren und Doryphoren auseinander, Befehle gebenn, 
vertheilend, empfangend. 

Sn einer Viertelftunde war alles in Bewegung gegen 
die Hiigel. 

Man nahm ſich nidt Bett, das Lager abzubrechen. 

Aber ver plötzliche Aufbruch bradjte vielfache Vere 
wirrung. 

Fußvolk und Reiter geriethen in der dunkeln, mond⸗ 
fofen Nacht untereinander. 

And hatte die Runde von der Uebermadt der vor⸗ 
bringenden Barbaren Muthloſigkeit verbreitet. 


G8 waren nur zwei nidt ſehr breite Straßen, welde 
6 e 


84 


gegen die Hitgel filhrten: fo gab e8 manche Stodung 
und Hemming. 

Biel ſpäter als Belifar gerednet, langte das Heer 
im Angefidt der Hiigel an und als die erften Sonnen⸗ 
firablen fle beleuchteten, ſah Galpurnius, ber ben Bors 
trapp filbrte, von allen Höhen gothifde Waffen bligen. 

Die Varbaren waren Velifar guvorgefommen. 

Erſchrocken machte Calpurvius Halt und fandte Velifar 
Nachricht. 

Diefer fah ein, daß Calpurnius mit feinen Reitern 
nidt die Berge ftiirmen könne. 

Gr ſchickte Ambazuch und Beffas mit dem Rern des 
armenifden Fußvolks ab, um auf der breiten Strage 
gu ſtürmen. 

Den linken und redten Fligel führten Conftantinus 
und Demetrius, er felbft bradte tm Mitteltreffen feine 
Reibwaden als Rückhalt heran. 

Calpurnius, froh des Wedfels im Plan, ftellte feine 
Reiter unter den fteilften Wbfall ver Hügel, links feitab 
der Straße, von wo fein Angviff gu befitrdten ſchien, 
pen Erfolg von Ambagudhs und Beffas Sturm abzuwarten 
und die fliehenden Gothen gu verfolgen oder did weidenden 
Armenier aufzunehmen. 

Oben anf ven Höhen aber ftellten fid) vie Gothen 
in flanger Auspehnung in Sdhladtordnung. 

Totila’s Reiter waren zuerſt eingetroffen: ihm hatte 
fid) Leja, gu Pferd, vor Kampfbegier fiebernd, angefdloffen, 
— fein Beiltragendes Fußvolk war nod weit zurück — er 


85 


— — Ü— 


hatte fid) ausgebeten, ohne Befehlführung, überall, wo es 
ihn reizte, in's Handgemenge zu greifen. 

Darauf war Hildebrand eingetroffen und hierauf der 
König mit der Hauptmacht gefolgt. 

Herzog Guntharis mit ſeinen und Teja's Leuten wur⸗ 
den noch erwartet. 

Pfeilſchnell war Teja gu Witichis guritdgeflogen. 

„König,“ fagte ex, ,unter jenen Hügeln ſteht Beliſar. 

Er iſt verloren, bei'm Gott der Rache! Er hat den 
Wahnſinn gehabt, vorzurücken. 

Dulde nicht die Schmach, daß er uns zuvorkömmt 
im Angriff.“ 

„Vorwärts!“ rief Konig Witichis, „gothiſche Männer 
vor!“ 

In wenigen Minuten hatte er den Rand der Hügel 
erreicht und überſah das Thalgefild vor ihm. 

„Hildebad — den linken Flügel! 

Du, Totila, brichſt mit deinen Reitern hier im 
Mitteltreffen, die Straße herunter, vor. 

Ich halte rechts ſeitab der Straße, bereit, dir zu 
folgen oder dich zu decken.“ 

„Das wird's nicht brauchen,“ ſagte Totila, ſein 
Schwert ziehend. „Ich bürge dir, fie Halfen meinen 
Ritt dieſen Hügel herab nicht auf.“ 

Wir werfen die Feinde in ihr Lager zurück, nehmen 
das Lager, werfen ſie in den Bach, der dicht hinter dem 
Lager glänzt: was übrig iſt, können eure Reiter, Totila 
und Teja, über die Ebene jagen bis Rom.“ 

„Ja, wenn wir erſt den Paß gewonnen haben, dort 


86 


in den Waldhiigeln, hinter dem Flug,“ fagte Teja mit 
vem Schwert hinüber deutend. | 

„Er ift nod) unbefest, ſcheint's: iby müßt ibn mit 
den Flüchtigen zugleich erreidjen.“ 

Da ritt der Bannertriger, Graf Wifand von Vulfinii, 
per Bandalarius des Heers, an den König heran. 

„Herr König, thr habt mir eine Bitte yu erfüllen 
zugeſagt.“ 

„Ja, weil du bet Salona den Magiſter Militum fir 
SMyrien, Mundus, und feinen Sohn vom Roß geftoden.“ 

wd Habe e8 nun einmal auf die Magiſtri Militum. 
Sh möchte venfelben Speer aud) an Belifar erproben. 

Nimm mir, nur fiir heute, pas Banner ab und laf 
mid) ten Mtagifter Belifar aufjuden. Sein RoR, der 
Rothſcheck Phalion oder Balian, wird fo fehr gerithmt : 
und mein Hengf{t wird fteif. 

Und du fennft das alte gothifde ReitersRecht: „wirf 
den Reiter und nimm fein Mog." 

„Gut gothifd Recht!“ raunte der alte Hildebrand. 

„Ich mug vie Bitte gewabhren,” fprad Witichis, vas 
Banner aus der Hand Wifands nehmend. 

Diefer fprengte eilig hinweg. 

„Guntharis ift nicht zur Stelle, fo trage du e8 heute, 
Totila.“ 

„Herr König,“ entgegnete dieſer, id) kann's nicht 
tragen, wenn ich meinen Reitern den Weg in die Feinde 
zeigen ſoll.“ 

Witichis winkte Teja. 


87 





Vergieb,“ fagte dtefer: ‚heut' denf ich beide Arme 
febr zu brauchen.“ 

„Nun, Hildebad.“ 

„Danke für die Ehre: ich hab's nicht ſchlechter vor 
als die Andern!“ 

„Wie,“ ſagte Witichis, faſt zirnend, „muß id) mein 
eigner Bannerträger ſein, will keiner meiner Freunde 
nein Vertrauen ehren?“ 

„So gieb mir die Fahne Theoderichs,“ ſprach der 
alte Hildebrand, den mächtigen Schaft ergreifend. 

„Mich lüſtet weitern Kampfes nicht ſo ſehr. 

Aber mich freut's, wie die Jungen nach Ruhme 
dürſten. 

Gieb mir das Banner, ih will's heute wahren 
wie vor vierzig Sommern.“ 

Und er ritt ſofort an des Königs rechte Seite. 

„Der Feinde Fußvolk rückt ven Berg hinan,“ ſprach 
Witichis, ſich im Sattel hebend. 

„Es ſind Hunnen und Armenier,“ ſagte Teja, mit 
ſeinem Falkenauge ſpähend, „ich erkenne die hohen 
Schilde!“ 

Und den Rappen vorwärts ſpornend rief er: „Amba⸗ 
zuch führt ſie, der eidbrüchige Brandmörder von Petra.“ 

„Vorwärts, Totila,“ ſprach der König, „und aus 
dieſen Scharen — — keine Gefangnen.“ 

Raſch ſprengte Totila zu ſeinen Reitern, welche hart 
an der Mündung der aufſteigenden Straße auf der 
Höhe aufgeſtellt waren. 

Mit ſcharfem Blick muſterte er die Bewaffnung der 


88 


Urmenier, welde in tiefen Cofonnen langfam Bergauf 
riidten. | 

Sie trugen ſchwere, mannshohe Schilde und kurze 
Speere zu Stoß und Wurf. 

„Sie dürfen nicht zum Werfen kommen,“ rief er 
ſeinen Reitern zu. 

Er ließ ſie die leichten Schilde auf den Rücken wer⸗ 
fen und befahl, im Augenblick ves Anpralls vie langen 
Langen, ftatt, wie üblich, in der Rechten, in der Linfen, 
ver Zügelhand, gu fithren, den Zügel einfad um dad 
Handgelenk gefdhlungen und itber vie Mähne weg die 
Lanze aus ver redjten in die linke Fanft werfend. 

Dadurd) trafen fle auf vie redjte, vom Schild nicht 
gedeckte Geite der Feinde. 

„So wie der Stok angeprallt — fie werden ihm 
nicht ftehen — werft die Lanje im Arm-Riem zurück, 
steht das Schwert und haut nieder, was nod) ftebt.“ 

Gr ftellte fie nun, die Golonne der Feinde rechts und 
links überflügelnd, auf beiden Seiten neben der Straße auf. 

Gr felbft führte den Keil auf ver Strafe. 

Er beſchloß, ven Feind die Halfte ves Hitgels heran⸗ 
kommen zu laffen. 

Mit athemloſer Spannung ſahen beide Heere dem 
Zuſammenſtoß entgegen. 

Ruhig rückte Ambazuch, ein erprobter Soldat, vorwärts. 

at fle nur dicht heran, Leute, fagte ev, „bis ihr 
nas Schnauben ver Roffe im Gefidht ſpürt. 

Dann, und nicht eher, werft: und zielt mir tief, 
auf die Bruft der Pferde, und zieht das Schwert. 


89 


Go hab’ id) nod) alle Reiter geſchlagen.“ 

Aber e8 fam anders. 

Denn als Lotila, voranfprengend, das Reiden jum 
Ungriff gab, fdjien eine donnernde Lawine vom Berg 
herab über die erfdrodnen Feinde eingubreden. 

Wie der Sturmmind jagte die bligende, klirrende, 
fdnaubende, dröhnende Maſſe heran: und eh’ die erfte 
Reihe der Armenier Beit gefunden, die Wurffpeere nur 
3u eben, lag fie ſchon, von den langen Lanzen auf der 
ſchildloſen Seite durchbohrt, niedergeftredt. 

Sie waren weggefegt, als waren fie nie geftanden. 

Bligfdnell war vas gefdehen: und wabrend nod 
Ambazud) feiner gweiten Reihe, in der er felber ſtand, 
Befehl geben wollte, zu fnieen und die Speere eingue 
ftemmen, fab er ſchon aud) feine zweite Reihe itbervitten, 
Die Dvitte auseinander gefprengt und die vierte unter 
Beffas faum nod Widerftand feiftend gegen die furdt- 
baren Reiter, vie jetzt erft dazu famen, die Schwerter zu 
zieben. | 

Gr wollte das Gefecht ftellen: er flog zurück und 
vief feinen wanfenten Schaaren Muth gu. 

Da erreidte thn Totila's Schwert: ein Hieb zerſchlug 
ihm den Helm. 

Er ſtürzte in die Knie und ſtreckte den Griff ſeines 
Schwertes dem Gothen entgegen. 

„Nimm Löſegeld,“ rief er, „ich bin dein.“ 

Und ſchon ſtreckte Totila die Hand aus, ihm die 
Waffe abzunehmen, da rief Teja's Stimme: 

„Denk' an Burg Petra.“ 


90 


Cin Schwert blitzte und jerfpaltnen Haupts fant 
Wnibazud. 

Da ftob vie letzte Reihe per Armenier, Beffas mit 
fortreifiend, entfegt auseinander, — das BorbdersTreffen 
Beliſars war vernidhtet. 

Mit lautem Freuderuf hatten König Witidhis und 
die Seinen den Sieg Totila’s mit angefehn. 

„Sieh, jest ſchwenken die hunniſchen Reiter, die hier 
grade unter un fteben, gegen Zotila," fagte ver König 
gu dem alten Bannertrager. 

„Totila wendet fid) gegen fie. Sie find viel zahl—⸗ 
reicher.“ 

„Auf! Hildebad, eile die Straße hinunter, ihm gu 
Hülfe.“ 

„Ha,“ rief der Alte, ſich vorbeugend im Sattel, und 
über den Felsrand ſpähend, „wer iſt der Reitertribun 
da unten zwiſchen den zwei Leibwächtern Beliſars?“ 

Witichis beugte ſich vor. 

„Calpurnius!“ rief er mit gellendem Schrei. 

Und ſiehe, urplötzlich ſprengte der König, keinen Pfad 
ſuchend, grade wo er ſtand, hinab die Felshöhe auf 
den Verhaßten. 

Die Furcht, er möchte ihm entrinnen, ließ ihn Alles 
vergeſſen. 

Und als hatte ex Flügel, als hatte ver Gott der 
Rade ihn herabgefithrt ither Gebüſch und fpite Fels 
fpalten und Schroffen und Graben faufte der Konig bine 
unter. 


91 





Ginen Angenblid fate den alten Waffenmeifter Ents 
fegen: foldjen Ritt hatte er noch nie gefdaut. 

Aber im nächſten Moment ſchwang er die blaue Fahne 
und rief: 

„Nach! nad, eurem RKsnig 

Und das berittne Gefolge voran, das Fußvolk, fprins 
gend und auf den Schilden rutſchend, hinterber, brad) dad 
Mitteltreffen ver Gothen pliglich fteil von oben auf die 
bunnifden Reiter. 

Calpurnius hatte aufgefebn. 

Shm war, al8 ob fein Name, gellend gerufen, an fein 
Ohr ſchlüge. 

Ihm war der Ruf wie die Poſaune des Weltgerichts. 

Wie blitzgetroffen wandte er ſich und wollte auf und 
davon. 

Aber der mauriſche Leibwächter zur Rechten fiel ihm 
in den Zügel: „Halt, Tribun!“ ſagte Antallas, auf 
Totila's Reiter deutend — „dort iſt der Feind!“ 

Ein Schmerzenſchrei riß ihn und Calpurnius zur 
Linken herum. 

Da ſtürzte der zweite der Leibwächter, der Hunne 
Kuturgur, zu ſeiner Linken, klirrend vom Pferd, unter 
vem Schwerthieb eines Gothen, ver plötzlich wie vom 
Himmel gefallen fdien. 

Und hinter diefem Gothen drein fprang und fletterte 
und wogte e8 den fteilen Felshang hinab, ver dod) pfadlos 
fdien: und die Reiter waren von diefem pliglid) von 
Oben gefommenen Feind in der Flanfe umfaßt, wabrend 


84 


gegen die Hügel filhrten: fo gab e8 manche Stodung 
und Hemmung. 

Biel ſpäter als Belifar gerednet, langte das Heer 
im Angefidht der Hügel an und als die erften Sonnen⸗ 
firablen fie beleuchteten, ſah Galpurnius, ber den Bors 
trapp führte, von allen Höhen gothiſche Waffen bligen. 

Die Barbaren waren Velifar guvorgefommen. 

Erſchrocken machte Calpuryius Halt und fandte VBelifar 
Nachricht. 

Diefer fah ein, daß Calpurnius mit feinen Reitern 
nidt die Berge ftitrmen fdnne. 

Gr ſchickte Ambazud und Beffas mit dem Kern des 
armenifden Fußvolks ab, um auf der breitern Strafe 
zu ſtürmen. 

Den linken und rechten Flügel führten Conſtantinus 
und Demetrius, er ſelbſt brachte im Mitteltreffen ſeine 
Leibwachen als Rückhalt heran. 

Calpurnius, froh des Wechſels im Plan, ſtellte ſeine 
Reiter unter den ſteilſten Abfall der Hügel, links ſeitab 
der Straße, von wo kein Angriff zu befürchten ſchien, 
den Erfolg von Ambazuchs und Beſſas Sturm abzuwarten 
und die fliehenden Gothen zu verfolgen oder die weichenden 
Armenier aufzunehmen. 

Oben auf den Höhen aber ſtellten ſich die Gothen 
in langer Ausdehnung in Schlachtordnung. 

Totila's Reiter waren zuerſt eingetroffen: ihm hatte 
ſich Teja, zu Pferd, vor Kampfbegier fiebernd, angeſchloſſen, 
— ſein Beiltragendes Fußvolk war noch weit zurück — er 


85 
hatte fid) ausgebeten, ohne Befeblfithrung, überall, wo es 
ihn retgte, in’8 Handgemenge zu greifen. 

Darauf war Hildebrand eingetroffen und bierauf der 
Konig mit ver Hauptmadt gefolgt. | 

Herzog Guntharis mit feinen und Teja’s Leuten wure 
den nod) erwartet. 

Pfeilfdnel war Teja gu Witichis guritdgeflogen. 

„König,“ fagte ev, ,unter jenen Hügeln fteht Belifar. 

Gr ift verloren, bei’m Gott ver Rade! Er hat den 
Wabhnfinn gehabt, vorzurücken. 

Dulde nidjt die Schmach, dak er uns zuvorkömmt 
im Angriff.“ 

„Vorwärts!“ rief Konig Witichis, „gothiſche Männer 
vor |" 

In wenigen Minuten hatte er den Rand der Hilger 
erreidt und überſah bas Thalgefild vor ihm. 

»pildebad — den linfen Fligel! 

Du, Totila, bridft mit deinen Rettern hier im 
Mitteltreffen, die Straße herunter, vor. 

Ich halte rechts feitah ver Straße, bereit, dir gu 
folgen oder dich zu decken.“ 

„Das wird's nicht brauchen,“ fagte Totila, fein 
Schwert ziehend. „Ich bürge dir, fie bhalfen meinen 
Ritt dieſen Hügel herab nicht auf.“ 

Wir werfen die Feinde in ihr Lager zurück, nehmen 
das Lager, werfen ſie in den Bach, der dicht hinter dem 
Lager glänzt: was übrig iſt, können eure Reiter, Totila 
und Teja, über die Ebene jagen bis Rom.“ 

„Ja, wenn wir erſt den Paß gewonnen haben, dort 


86 


in ven Waldhügeln, inter dem Flug,“ fagte Leja mit 
dem Schwert hinüber deutend. 

„Er ift nod) unbefegt, ſcheint's: thr müßt ibn mit 
den Flüchtigen zugleich erreichen.“ 

Da ritt der Bannerträger, Graf Wiſand von Vulſinii, 
der Bandalarius des Heers, an den König heran. 

„Herr König, ihr habt mir eine Bitte zu erfüllen 
zugeſagt.“ 

„Ja, weil du bei Salona den Magiſter Militum für 
Illyrien, Mundus, und ſeinen Sohn vom Roß geſtochen.“ 

„Ich habe es nun einmal auf die Magiſtri Militum. 
Sh möchte denſelben Speer aud) an Beliſar erproben. 

Nimm mir, nur für heute, das Banner ab und laß 
mich den Magiſter Beliſar aufſuchen. Sein Roß, der 
Rothſcheck Phalion oder Balian, wird ſo ſehr gerühmt: 
und mein Hengſt wird ſteif. 

Und du kennſt das alte gothiſche Reiter⸗Recht: wirf 
den Reiter und nimm ſein Roß.“ 

„Gut gothiſch Recht!" raunte der alte Hildebrand. 

od) mug die Bitte gewähren,“ ſprach Witichis, pas 
Banner aus der Hand Wifands nehmenn. 

Diefer fprengte etlig hinweg. 

„Guntharis iſt nidjt zur Stelle, fo trage du e8 heute, 
Totila.“ 

„Herr König,“ entgegnete dieſer, „ich kann's nicht 
tragen, wenn ich meinen Reitern den Weg in die Feinde 
zeigen ſoll.“ 

Witichis winkte Teja. 


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Vergieb,“ fagte dtefer: ,beut’ den’? ich beide Arme 
ſehr yu brauchen.“ 

„Nun, Hildebad.“ 

„Danke für die Ehre: ich hab's nicht ſchlechter vor 
als die Andern!“ 

wie,” ſagte Witichis, faſt zurnend, muß id mein 
eigner Bannerträger fein, will keiner meiner Freunde 
mein Vertrauen ehren?“ 

„So gieb mir die Fahne Theoderichs,“ ſprach der 
alte Hildebrand, den mächtigen Schaft ergreifend. 

„Mich lüſtet weitern Kampfes nicht ſo ſehr. 

Aber mich freut's, wie die Jungen nach Ruhme 
dürſten. 

Gieb mir das Banner, ich will's heute wahren 
wie vor vierzig Sommern.“ 

Und er ritt ſofort an des Königs rechte Seite. 

„Der Feinde Fußvolk rückt den Berg hinan,“ fprad 
Witichis, ſich im Sattel hebend. 

„Es ſind Hunnen und Armenier,“ ſagte Teja, mit 
ſeinem Falkenauge ſpähend, id) erkenne die hohen 
Schilde!“ 

Und den Rappen vorwarts ſpornend rief er: „Amba⸗ 
zuch führt ſie, der eidbrüchige Brandmörder von Petra.“ 

„Vorwärts, Totila,“ ſprach der König, „und aus 
dieſen Scharen — — keine Gefangnen.“ 

Raſch ſprengte Totila zu ſeinen Reitern, welche hart 
an der Mündung der aufſteigenden Straße auf der 
Höhe aufgeſtellt waren. 

Mit ſcharfem Blick muſterte er die Bewaffnung der 


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Urmenier, welde im tiefen Colonnen langfam Bergauf 
riidten. | 

Sie trugen fdwere, mannshohe Sdhilbe und kurze 
Speere zu Stoß und Wurf. 

„Sie dürfen nicht zum Werfen kommen,“ rief er 
ſeinen Reitern zu. 

Er ließ ſie die leichten Schilde auf den Rücken wer⸗ 
fen und befahl, im Augenblick des Anpralls die langen 
Lanzen, ftatt, wie üblich, in der Rechten, in der Linken, 
ver Zügelhand, gu führen, den Zügel einfach um das 
Handgelenk gefdlungen und itber vie Mähne weg die 
Lanze aus ver redjten in die linfe Fauft werfend. . 

Dadurd trafen fie auf die rechte, vom Schild nicht 
gededte Geite der Feinde. 

„So wie der StoR angeprallt — fie werden ihm 
nicht ftehen — werft die Lange tm Arm-Riem zurück, 
zieht das Schwert und haut nieder, was nod ſteht.“ 

Gr ftellte fie nun, die Colonne ver Feinde redhts umd 
links überflügelnd, auf beiden Seiten neben der Strafe auf. 

Er felbft führte den Keil anf ver Strafe. 

Cr beſchloß, ven Feind die Halfte ves Hügels heran⸗ 
fommen 3u lafjen. 

Mit athemlofer Spannung fahen beide Heere vew 
Zuſammenſtoß entgegen. 

Ruhig rückte Ambazuch, ein erprobter Soldat, vorwarts. 

‚Laßt fle nur dicht heran, Leute,” fagte er, „bis iby 
pas Schnauben der Roffe im Geficht fpiirt. 

Dann, und nidt eber, werft: und gielt mir tief, 
auf vie Bruft der Pferde, und zieht das Schwert. 


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So bab’ id) nod) alle Reiter geſchlagen.“ 

Aber eS fam anders. 

Denn alS Lotila, voranfprengend, vas Beidhen zum 
Angriff gab, ſchien eine donnernde Lawine vom Berg 
herab über die erſchrocknen Feinde eingubveden. 

Wie ver Sturmwmind jagte die bligende, klirrende, 
fdnaubende, dröhnende Maſſe heran: und eh’ die erfte 
Reihe ver Urmenier Beit gefunden, die Wurffpeere nur 
zu heben, lag fie fon, von den angen Lanzen auf der 
ſchildloſen Seite durchbohrt, niedergeftredt. 

Gie waren weggefegt, als waren fie nie geftanden. 

Blitzſchnell war vas gefdehen: und während nod 
Ambazuch ſeiner zweiten Reihe, in der er ſelber ſtand, 
Befehl geben wollte, zu knieen und die Speere einzu⸗ 
ſtemmen, ſah er ſchon auch ſeine zweite Reihe überritten, 
die dritte auseinander geſprengt und die vierte unter 
Beſſas kaum noch Widerſtand leiſtend gegen die furcht⸗ 
baren Reiter, die jetzt erſt dazu kamen, die Schwerter zu 
ziehen. | 

Er wollte nas Gefedt ftellen: er flog zurück und 
rief feinen wanfenren Schaaren Muth gu. 

Da erreidte thn Cotila’s Schwert: ein Hieb zerſchlug 
ibm den Helm. ; 

Er ftiirzte in die Knie und ftredte den Griff feines 
Schwertes vem Gothen entgegen. 

Mimm Löſegeld,“ rief ev, , ich bin det." 

Und ſchon ftredte Totila die Hand aus, thm die 
Waffe abzunehmen, da rief Teja's Stimme: 

„Denk' an Burg Petra.“ 


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Cin Schwert bligte und jerfpaltnen Haupts fank 
Ambazuch. 

Da ſtob die letzte Reihe der Armenier, Beſſas mit 
fortreißend, entſetzt auseinander, — das Vorder⸗Treffen 
Beliſars war vernichtet. 

Mit lautem Freuderuf hatten König Witichis und 
die Seinen den Sieg Totila's mit angeſehn. 

„Sieh, jetzt ſchwenken die hunniſchen Reiter, die hier 
grade unter uns ſtehen, gegen Totila,“ fagte der König 
gu dem alten Bannertrager. 

„Totila wendet fid) gegen fie. Sie find viel zahl⸗ 
reicher.“ 

„Auf! Hildebad, eile die Straße hinunter, ihm gu 
Hülfe.“ 

„Ha,“ rief der Alte, ſich vorbeugend im Sattel, und 
über den Felsrand ſpähend, „wer iſt der Reitertribun 
da unten zwiſchen den zwei Leibwächtern Beliſars?“ 

Witichis beugte ſich vor. 

„Calpurnius!“ rief er mit gellendem Schrei. 

Und ſiehe, urplötzlich ſprengte der König, keinen Pfad 
ſuchend, grade wo er ſtand, hinab die Felshöhe auf 
den Verhaßten. 

Die Furcht, er möchte ihm entrinnen, ließ ihn Alles 
vergeſſen. 

Und als hätte er Flügel, als hätte der Gott der 
Rade ihn herabgeführt über Gebüſch und ſpitze Fels⸗ 
ſpalten und Schroffen und Gräben ſauſte der König hin⸗ 
unter. 


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Ginen Angenblid fate den alten Waffenmeifter Ents 
feben: folden Ritt hatte er nod) nie gefdaut. 

Uber im nächſten Moment ſchwang er die blaue Fahne 
und rief: 

Rad! nad, eurem König!“ 

Und das berittne Gefolge voran, das Fußvolk, fprins 
gend und auf den Schilden rutſchend, hinterher, brad das 
Mitteltreffen ver Gothen pliglich fteil von oben auf die 
bunnifden Reiter. 

Calpurnius hatte aufgefebn. 

Shm war, als ob fein Name, gellend gerufen, an fein 
Ohr ſchlüge. 

Ihm war der Ruf wie die Poſaune des Weltgerichts. 

Wie blitzgetroffen wandte er ſich und wollte auf und 
davon. 

Aber der mauriſche Leibwächter zur Rechten fiel ihm 
in den Zügel: „Halt, Tribun!“ ſagte Antallas, auf 
Totila's Reiter deutend — ,,dort iſt der Feind!“ 

Ein Schmerzenſchrei riß ihn und Calpurnius zur 
Linken herum. 

Da ſtürzte der zweite der Leibwächter, der Hunne 
Kuturgur, zu ſeiner Linken, klirrend vom Pferd, unter 
dem Schwerthieb eines Gothen, der plötzlich wie vom 
Himmel gefallen ſchien. 

Und hinter dieſem Gothen drein ſprang und kletterte 
und wogte es den ſteilen Felshang hinab, der doch pfadlos 
ſchien: und die Reiter waren von dieſem plötzlich von 
Oben gekommenen Feind in der Flanke umfaßt, während 


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fie gleidyeitig in ber Stivnfette mit ben Gefdwadern 
Totila’s zuſammenſtießen. 

Calpurnius erfannte den Gothen. 

‚Witichis!“ rief er entfebt, und ließ den Arm 
finfen. 

Aber fein Pferd rettete ihn; verwundet und ſcheu 
geworden durd den Fall des hunnifden Leibwächters gur 
Linfen, fegte e8 in wilben Sprüngen davon. 

Der maurifde Leibwächter gu feiner Rechten warf fid 
witthend auf ben König der Gothen, der gang allein den 
Geinigen weit voraus geeilt war. 

„Nieder, Tolltithner!" ſchrie er. 

Aber im nächſten Augenblick hatte ihn vas Schwert 
des Witichis getroffen, ver unaufhaltfam Alles vor ſich 
nieder gu werfen ſchien, was ifn von Calpurnius jest 
nod) fern btelt. 

Rafend fete ihm Witichis nad. 

Mitten durch die Rethen der hunnifden Reiter, die, 
entfest vor diefem Wnblid, ausetnander ftober. 

Calpurnius hatte fein Pferd wieder bemeiftert und 
ſuchte jest Schutz hinter den dichteſten Geſchwadern feiner 
Reiter. 

Umſonſt. 

Witichis verlor ihn nicht aus dem Auge und 
ließ nicht von ihm ab. 

Wie dicht er ſich unter ſeinen Reitern barg, wie 
raſch ev floh, — er entging nicht dem Blicke des Königs, 
ver Wes erfdilug, was ſich zwiſchen ihn und den Mör⸗ 
per feines Sehnes drangte. 


93 





Knäul auf Knäul, Gruppe auf Gruppe löſte fid 
por dem furdtbaren Schwert des rächenden Vaters: die 
ganze Maſſe der Hunnen war quer getheilt von dem 
Flüchtenden und feinem Verfolger. 

Sie vermodte nidt, fic wieder gu ſchließen. 

Denn ehe nod Lotila ganz beran war, hatte der 
alte Bannertrager mit Reitern und Fußvolk ihre rechte 
Flanke durchbrochen, in zwei Dheile gefpalten. 

Ul Totila anfprengte, hatte er nur nod) Flüchtlinge 
zu verfolgen. | 

Der Theil zur rechten wurde alsbald von Totila 
und Hildebrand in die Mitte genommen und vernidtet. 

Der größere Theil gur inten floh zurück auf Velifar. 

Galpurnius jagte tndeffen, wie von Furien gebest, 
über das Schlachtfeld. 

Er hatte einen großen Vorſprung, da ſich Witichis. 
ſieben Mal erſt hatte Bahn hauen müſſen. 

Aber ein Dämon ſchien Boreas, des Gothen Roß, zu 
treiben: näher und näher kam er ſeinem Opfer. 

Schon vernahm der Flüchtling den Ruf, zu ſtehen 
und zu fechten. 

Noch haſtiger ſpornte er ſein Pferd. 

Da brach es unter ihm zuſammen. 

Noch bevor er ſich aufgerafft, ſtand Witichis vor ihm, 
der vom Sattel geſprungen war. 

Er ſtieß ihm, ohne ein Wort, mit dem Fuß das 
Schwert hin, das ihm entfallen. 

Da faßte ſich Calpurnius mit dem Muth der Ver⸗ 
zweiflung. 


94 





Se hob das Schwert auf und warf fid) mit einem 
Tigerfprung auf ven Gothen. 

Aber mitten im Sprung ſtürzte er ritdlings nieder. 

Witihis hatte ihm die Stirn mitten entgwet ge- 
hauen. 

Der Konig fetzte ven Fuh auf vie Bruft ver Leiche 
und fal in das verjerrte Gefidt. 

Dann ſeufzte er tief auf: 

west hab’ id) die Rade. O Hatt’ id mein ind.“ 

Mit Ingrimm hatte Belifar die fo ungiinftige Er⸗ 
Bffnung des Kampfes mit angefeben. 

Aber feine Rube, feine Buverfidht verließ ihn nicht, 
al8 er Ambazuchs und Beffas’ Armenier weggefegt, als 
er des Galpurnius Reiter durdhbroden und geworfen fab. 

Gr erfannte jest die Uebermadt und Ueberlegenheit 
des Feindes. 

Aber er beſchloß, auf der ganzen Linie vorguritden, 
eine Lücke laffend, um den Reft der flichenden Retter 
aufzunehmen. 

Jedoch ſcharf bemerkten dies die Gothen und drängten. 
Witichis voran, Totila und Hildebrand, welche die Um⸗ 
zingelten vernichtet hatten, folgend, den Flüchtlingen jetzt 
fo umgeſtüm nad, daß fie mit ihnen zugleich die Linie 
Beliſars zu erreichen und zu durchdringen drohten. 

Das durfte nicht ſein. 

Beliſar füllte dieſe Lücke ſelbſt durch ſeine Leibwache 
zu Fuß und ſchrie den fliehenden Reitern entgegen, zu 
halten und zu wenden. 


95 


Aber e8 war, als ob vie Todesfurdyt ihres gefallnen 
Führers ſie alle ergriffen hätte. 

Sie ſcheuten das Schwert des Gothenkönigs hinter 
ſich mehr als den drohenden Feldherrn vor ſich: und 
ohne Halt und Faſſung raſten ſie, als wollten ſie ihr 
eignes Fußvolk nieder reiten, im vollen Galopp heran. 

Einen Augenblick ein furchtbarer Stoß — ein tauſend⸗ 
ſtimmiger Schrei der Angſt und Wuth — ein wirrer 
Knäuel von Reitern und Fußvolk minutenlang — darunter 
einhauende Gothen — und plötzlich ein Auseinander⸗ 
ſtieben nach allen Seiten unter gellendem Siegesruf 
der Feinde. — 

Beliſars Leibwache war nieder geritten, ſeine Haupt⸗ 
ſchlachtlinie durchbrochen. — 

Er befahl den Rückzug in's Lager. 

Aber es war kein Rückzug mehr: es war eine 
Flucht. 

Hildebad's, Guntharis' und Teja's Fußvolk waren 
jetzt auf dem Schlachtfeld eingetroffen: die Byzantiner 
ſahen ihre Stellung im Ganzen geworfen: ſie ver⸗ 
zweifelten am Widerſtand und mit großer Unordnung 
eilten ſie nach dem Lager zurück. 

Gleichwohl hätten ſie daſſelbe noch in guter Zeit 
vor den Verfolgern erreicht, hätte nicht ein unerwartetes 
Hinderniß alle Wege geſperrt. 

So ſiegesgewiß war Beliſar ausgezogen, daß er das 
ganze Fuhrwerk, die Wagen und das Gepäck des Heeres, 
ja ſelbſt die Herden, welche ihm nachgetrieben wurden 


96 


nad ver Gitte jener Beit, ven Truppen anf allen 
Stragen zu folgen befoblen hatte. 

Auf diefen langfamen, ſchwer beweglichen und ſchwer 
gu entfernenden Körper ſtießen nun itberall die weidjen- 
den Truppen und grenjenlofe Hemmung und VBerwirrung 
trat etn. 

Goldaten und Padtnedhte wurden handgemein: die 
Reihen often ſich gwifden den Rarren, Siften und 
Wagen. 

Bet Vielen erwachte die Beuteluft und fie fingen an, 
pas Gepäck gu plitndern, ehe es in die Hände der Bare 
baren falle. 

Ueberall ein Streiten, Fluchen, Klagen, Droben: 
dazwifden das Krachen ver Laftwagen, die zerbrochen 
wurden, wie das Blöken und Britten der erſchrocknen 
Herren. 

„Gebt den Troß Preis! Feuer in die Wagen! ſchickt 
pie Reiter durch die Herden!“ befahl Belifar, der mit 
bem Reft feiner Leibwaden in guter Ordnung mit dem 
Schwert fis Bahn brad. 

Uber vergebens. 

Smmer unentwirrbarer, immer dichter wurde der 
Knäuel — nichts ſchien ihn mehr löſen gu können. 

Da zerriß thn vie Vergweiflung. 

Der Schrei, „die Barbaren über uns!" erſcholl ans 
den binterften Reihen. 

Und e8 war fein leerer Schreck. | 

Hiltebad mit rem Fufvolf war jest in die Ebene 


97 


hinab geftiegen und feine erften Reihen trafen auf den 
webrlofen Rnauel. 

Da gab e8 eine furchtbare wogende Bewegung nad vorn: 
ein taufendftimmiger Schrei der Ungft — ver Wuth — 
des Schmerzes der Ungegriffnen, ver Leibwachen, welde, 
alter Tapferkeit gedent, fechten wollten und nidt fonnten: 
— ver Rertretnen und Zerdrückten — und pliglid 
ftitrgte der größte Theil ver Wagen, mit ihrer Befpannung, 
und mit den Tanfenden, die darauf und dazwiſchen gus 
ſammengedrängt waren, mit Donnerndem Rraden in die 
Graben links und rechts neben der Hodftrafe. 


So ward ver Weg frei. — 


Und unaufhaltfam, ordnungslos ergoR fid) ver Strom 
ber Fliidtigen nad dem Lager. 

Mit lautem Siegesgeſchrei folgte das gothifdhe Fuß⸗ 
volf, ohne Mühe mit ven Fernwaffen, mit Pfeilen, 
Schleudern und Wurffpeeren, in dem didten Gewiihl 
feine Biele treffend, wabrend Belifar mit Mühe die une 
aufhörlichen Angriffe der Reiter Totila’s und des Königs 
abwebrte. 

„Hilf, Belifar,” rief Aigan, vec Führer ver maffages 
tifden Soldner, aus dem eben gefprengten Knäul heran- 
reitendD, bas Blut aus vem Geſicht wifdend: meine 
Lanvslente haben heut’ den ſchwarzen Teufel unter den 
Feinden gefehen. 

Sie ftehn mir nicht. 

Hilf: dich fiirchten fie fonft mehr als den Teufel!“ 

Mit Knirſchen fah Belifar hiniiber nad feinem redjten 


Dabhn, Gin Kampf um Rom. IIL. 7 


98 


Flügel, ver aufgelBft über das Blachfeld jagte, von den 
Gothen gebest. 

„O Suftintanus, faiferlider Herr, wie erfüll' id 
{hlecht mein Wort!" 

Und die weitere Dedung ved Rückzugs in's Lager 
vem erprobten Demetrius itberlaffend — denn das hüge⸗ 
lige Zerrain, das jebt erreicht war, ſchwächte die 
Kraft der verfolgenden Reiter — fprengte er mit Wigan 
und fetner beritinen Garde querfeldein mitten unter die 
Flüchtenden. 

„Halt!“ donnerte er ihnen gu, ,balt, thr feigen 
Hunde. 

Wer flieht, wo Beliſar ſtreitet? 

Ich bin mitten unter euch, kehrt und ſiegt!“ 

Und aufſchlug er das Viſir des Helmes und zeigte 
ihnen das majeſtätiſche, das löwengewaltige Antlitz. 

Und ſo mächtig war die Macht dieſer Heldenperſön⸗ 
lichkeit, ſo groß das Vertrauen auf ſein ſieghaftes Glück, 
daß in der That Alle, welche die hohe Geſtalt des Feld⸗ 
herrn auf ſeinem Rothſcheck erkannten, ſtutzten, hielten, 
und mit einem Ruf ver Ermuthigung ſich den nach—⸗ 
Dringenden Gothen wieder entgegen wandten. 

An viefer Stelle wenigftens war die Fludt gu 
Ende. 

Da ſchritt ein gewaltiger Gothe heran, leicht fich 
Bahn brechend. 

„Heia, das iſt fein, daß ihr einmal des Laufens 
müde ſeid, ihr flinken Griechlein. 

Ich konnt' euch nicht mehr nach vor Schnaufen. 


99 


In ven Beinen feid ihr uns iiberlegen. aft febn, 
ob aud in den Armen. 

Ha, was weidt ihr, Burſche! Bor dem, auf rem 
Braunfdet? Was ift’s mit dem?" 

„Herr, daß mug ein König fein unter den Walfden, 
taum fann man fein jornig Wuge tragen.“ 

bas ware! Wh — das mug Beliſarius fein! 

Freut mid," frie er ihm hinüber, „daß wir uns 
treffen, du kühner Held. 

Nun fpring vom Rok und lak uns die Rraft der 
Arme mefjen. 

Wiffe, id) bin Hildebad, ves Tota Sohn. 

Sieh, aud ich bin ja gu Fuß. ° 

Du willft nicht?“ rief ev gornig. Mug man did 
vom Gaule olen 2“ 

Und dabei ſchwang er in der Rechten wiegend den 
ungebeuren Speer. 

„Wende, Herr, weich' aus," rief Wigan, ,der Riefe 
wirft ja junge Maſtbäume.“ 

„Wende, Herr," wiederholten feine Hypafpiften angft: 
lich." 

Aber Belifar ritt, vas kurze Schwert gezückt, rubig 
dem Gothen um eine Pferdelinge näher. 

Sauſend flog ver balfengletde Speer heran, grad auf 
Belifars Brut. 

Aber kurz, ehe er traf, ein ftraftiger Hieb von 
Belifars kurzem Römerſchwert und drei Schritte fettwaris 
fiel der Speer harmlos nieder. 

7* 


100 


„Heil Belifarins! Heil," fdrieen vie Byzantiner ers 
muthigt und drangen auf die Gothen ein. 

„Ein guter Hie,” lachte Hildebad grimmig. 

„Laß fehen, ob dix deine Fedttunft aud gegen dex 
hilft.“ 

Und ſich bückend hob er aus dem Ackerfeld einen 
alten zackigen Grenzſtein, ſchwang ihn mit zwei Armen 
erſt langſam hin und her, hob ihn dann über den Kopf 
mit beiden Händen und ſchleuderte ihn mit aller Kraft 
auf den heranſprengenden Helden —: ein Schrei des 
Gefolges — riidlings ftitrgte Beliſar vom Pferd. — 

Da war es aus. 

»Delifarius todt! wehe! Alles verloren, wehe!“ ſchrieen 
ſie, als die hochragende Geſtalt verſchwunden, und jagten 
beſinnungslos nach dem Lager zu. 

Einzelne flohen unaufhaltſam bis an und in die 
Thore Roms. 

Umſonſt war's, daß ſich die Lanjens und Schild⸗ 
träger todesmuthig den Gothen entgegen warfen: ſie 
konnten nur ihren Herrn, nicht die Schlacht mehr retten. 

Den erſten tödtlichen Schwerthieb Hildebads, welcher 
herangeſtürmt war, fing der treue Maxentius auf mit der 
eignen Bruſt. 

Aber hier ſank auch ein gothiſcher Reiter endlich vom 
Roß, der erſt nach Hildebad Beliſar erreicht und ſieben 
Leibwächter erſchlagen hatte, um bis zum Magiſter Mi⸗ 
litum durchzudringen. 

Mit dreizehn Wunden fanden ihn die Seinen. 

Aber er blieb am Leben. 


101 





_ Und er war einer der Wenigen, melde den ganzen 
Krieg durchkämpften und itberlebten —, Wifand, der 
Bandalarius. 

Belifar, von Aigan und Valentinus, feinem Hippofos 
mos (Rofwart), wieder auf den Rothfdeden geloben 
und rafd) von der Betdubung erholt, erhob umfonft den 
Feldherrnſtab und Feldherrnruf: fie hörten nicht mehr 
und wollten nidt hören. 

Umfonft hieb er nad allen Geiten unter die Flüch— 
tigen: er wurbe fortgerifjen von ihren Wogen bis an’s 
Lager. 

Hier gelang e8 ihm nod) einmal, an einem feften 
Shor, die nadjdringenden Gothen aufzubalten. 

„Die Ehre ift hin,” fagte er unwillig, „laßt uns das 
Leben wabren.” 

Mit viefen Worten ließ er die Lagerthore fdliefen, 
obne Rückſicht auf die grofen Maſſen der nod) Wunsges 
ſchloſſnen. 

Ein Verſuch des ungeſtümen Hildebad, ohne Weitres 
einzudringen, ſcheiterte an dem ſtarken Eichenholz des 
Pfalwerks, das dem Speerwurf und den Schleuderſteinen 
trotzte. 

Unmuthig auf ſeinen Speer gelehnt kühlte er ſich 
einen Augenblick von der Hitze. 

Da bog Teja, der längſt, wie der König und 
Totila, abgeſeſſen, prüfend und das Pfalwerk meſſend, 
um die Ecke des Walls. 

„Die verfluchte Holzburg,“ rief ihm Hildebad ents 
gegen. 


102 


„Da hilft nicht Stem, nicht Cifen.“ 

„Nein,“ ſagte Teja, „aber Feuer!“ 

Er ſtieß mit dem Fuß in einen Aſchenhaufen, der 
neben ihm lag. 

„Das find die Wachtfeuer, ſammt vem Reiſig, von 
heute Nacht. 

Hier glimmen noch Gluthen! 

Hierher, ihr Männer, ſteckt die Schwerter ein, ent⸗ 
zündet den Reiſig! werft Feuer in das Lager!“ 

„Prachtjunge,“ jubelte Hildebad, ,flugs, ihr Burſche, 
brennt ſie aus, wie den Fuchs aus dem Bau! der friſche 
Nordwind hilft.“ 

Und raſch waren die Wachtfeuer wieder entfacht, 
hunderte von Bränden flogen in das trockne Sparrenwerk 
der Schanze. 

Und bald ſchlugen die Flammen lodernd gen Himmel. 

Der dichte Qualm, vom Wind in's Lager getragen, 
ſchlug den Byzantinern in’s Geſicht und machte vie Bere 
theidigung der Walle unmöglich. 

Gie widen in das Innere des Lagers. 

„Wer jetzt fterben dürfte!“ ſeufzte Beliſar. — „Räumt 
das Lager! Hinaus zur Porta decumana. 

Sn gut gefdloffner Ordnung zu den Brücken hinter 
uns!“ 

Aber der Befehl, das Lager zu räumen, zerriß das 
letzte Band der Zucht, der Ordnung und des Muthes. 

Während unter Teja's dröhnenden Arthieben die vere 
kohlten Thorbalken nieder krachten und mitten durch 
Flammen und Qualm der ſchwarze Held, wie ein Feuer⸗ 


103 


Damon, der Erfte, durch das pritorifde Thor in’s Lager 
fprang, riffen die Flüchtenden alle Thore, auch die feits 
warts aus dem Lager nad) Rom zu fithrten, die Portä 
principales rechts und links, auf einmal auf und ſtrömten 
in wirren Maffen nad dem Flug. 

Dic Erften erreidten nod) fider und unverfolgt die beiden 
Briiden; fie hatten grogen Vorfprung, bis Hildebad und 
Leja Belijar aus dem brennenden Lager herausgedrangt. 

Aber plötzlich — neues Entſetzen! — ſchmetterten die 
gothifden Reiterhirner gang nabe. 

BWitihis und Lotila Hatten fid), fowie fie das Lager 
genommen wußten, fogleid) wieder ju Pferd geworfen 
und fiihrten nun ihre Ketter von beiden Seiten, links 
und redtS vom Lager her, den Flüchtenden in die 
Flanken. 

Eben war Beliſar aus dem decumaniſchen agers 
Thor geſprengt und eilte nach der einen Brücke zu, als 
er von links und rechts die verderblichen Reitermaſſen 
heranſauſen ſah. 

Nod) immer verlor der gewaltige Kriegsmann die 
Faſſung nicht. 

„Vorwärts im Galopp an die Brücken!“ befahl ev 
ſeinen Garacenen, ‚deckt fie!" — 

Es war zu ſpät: ein dumpfer Krach, gleich darauf 
ein zweiter, — die beiden ſchmalen Brücken waren unter 
der Laſt der Flüchtenden eingebrochen und zu Hunderten 
ſtürzten die hunniſchen Reiter und die illyriſchen Lanzen⸗ 
träger, Juſtinians Stolz, in das ſumpfige Gewäſſer. 

Ohne Bedenken ſpornte Beliſar, an dem ſteilen Ufer 


104 


angelangt, fein Pferd in die ſchäumende und blutig gefärbte 
Fluth. 

Schwimmend erreichte er das andere Ufer. 

„Salomo,“ ſagte er, ſowie er drüben gelandet, zu 
ſeinen raſcheſten Prätorianern, „auf, nehmt hundert aus 
meinen Reiter⸗Wachen und jagt was ihr könnt nach dem 
Engpaß. 

Ueberreitet alle Flüchtigen. 

Ihr müßt ihn vor den Gothen erreichen, hört ihr? 
ihr müßt! 

Gr iſt unſer letzter Strohhalm.“ 

Salomo und Dagiſthäos gehorchten, und ſprengten 
blitzſchnell davon. 

Beliſar ſammelte, was er von den zerſtreuten Mafſen 
erreichen konnte. 

Die Gothen waren wie die Byzantiner durch den 
Fluß eine Weile aufgehalten. 

Aber plötzlich rief Wigan: Da fprengt Salomo 
zurück!“ 

„Herr,“ rief dieſer heranjagend: „Alles tft verloren! 
Waffen blitzen im Engpaß. Er iſt ſchon beſetzt von den 
Gothen.“ 

Da, zum erſtenmale an dieſem Tage des Unglücks, 
zuckte Beliſar zuſammen. 

„Der Engpaß verloren? — Dann entkommt fem 
Mann vom Heere meines Kaiſers. 

Dann fahrt wohl: Ruhm, Antonina und Leben. 

Komm, Aigan, zieh' das Schwert, — laß mich nicht 
lebend fallen in Barbarenhand.“ 


105 





„Herr,“ fagte Wigan. „So hart’ id) euch nie reden “ 

„So war's aud) nod) nie. Laß uns abfteigen und 
ſterben.“ 

Und ſchon hob er den rechten Fuß aus dem Bügel, 
vom Roß zu ſpringen, da ſprengte Dagiſthäos heran —: 
„Getroſt, mein Feldherr!“ 

„Nun?“ 

„Der Engpaß iſt unſer — römiſche Waffen ſind's, 
die wir dort ſahen. 

Es iſt Cethegus, der Präfect! Er hielt ihn geheim 
beſetzt.“ 

„Cethegus?“ rief Beliſar. „Iſt's möglich? Iſt's gewiß?“ 

„Ja, mein Feldherr. Und ſeht, es war hoch an 
der Zeit.“ 

Das war es. 

Denn eine Schar gothiſcher Reiter, von König 
Witichis geſendet, den Flüchtenden am Engpaß voraus⸗ 
zukommen, hatte durch eine Furt den Fluß paſſirt, den 
Reitern Beliſars den Weg abgeſchnitten und vor ihnen 
pen verhängnißvollen Pak erreicht. 

Aber eben als ſie dort einmünden wollten, brach 
Cethegus an der Spitze ſeiner Iſaurier aus dem Verſteck 
der Schlucht hervor und warf die überraſchten Gothen 
nach kurzem Gefecht in die Flucht. — 

„Der erſte Glanz des Sieges an dieſem ſchwarzen 
Tag!“ rief Beliſar. 

auf, nach dem Engpaß!“ 

Und mit beſſerer Ordnung und Ruhe führte der 
Feldherr ſeine geſammelten Scharen an vie Waldhügel. 


106 


„Willkommen in Siderheit, Belifarius,” rief thm 
Cethegus gu, feine Schwertklinge faubernd. 

„Ich warte bier auf vid) fett Tagesanbrud. 

Sd wufte wohl, dak du mix fommen würdeſt.“ 

„Präfect von Rom," ſprach Belifar, ihm vom Pferd 
herunter die Hand reidend: 

„Du Haft ves Raifers Heer gerettet, das td verloren 
batte: ich danke dir.“ 

Die frifdhen Truppen des Prafecten hielten, eine une 
durchdringliche Mauer, den Bah befest, die zerftreut 
heranfliidhtenden Byzantiner durchlaſſend und Angvriffe 
Der erften ermüdeten Berfolger, die über den Flug gee 
brungen, — fie batten einen vollen Lag des Kampfes 
hinter fid) — in der giinftigen Stellung ohne Mühe 
abwehrend. 

Bei Einbruch der Dunkelheit nahm König Witichis ſeine 
Scharen zurück, auf dem Schlachtfeld ihres Sieges zu 
übernachten, während Beliſar mit ſeinen Feldherrn einſt⸗ 
weilen im Rücken des Paſſes, ſo gut es gehen wollte, 
die aufgelöſten Heeresmaſſen, wie ſie zerſtreut und ver⸗ 
einzelt eintrafen, ordneten. 

Als Beliſar wieder einige tauſend Mann beiſammen 
hatte, ritt er zu Cethegus heran und ſprach: 

„Was meinſt du, Präfect von Rom? 

Deine Truppen ſind noch friſch. 

Und die Unſern müſſen ihre Scharte auswetzen. 

Yok uns hervorbrechen nocheinmal — die Sonne 
geht noch nicht gleich unter — und das Los des Tages 
wenden." 


107 


Mit Staunen fah ihn Cethegus an und fprad die 
Morte Homers: 

„Wahrlich, ein fdredlides Wort, du Gewaltiger. 
haſt du geſprochen. 

Unerſättlicher! 

So ſchwer erträgſt du's, ohne Sieg aus einer Schlacht 
zu gehn? 

Nein, Beliſarius! dort winken die Zinnen Roms: 
dahin führe deine todesmatten Völker. 

Ich halte dieſen Paß, bis ihr die Stadt erreicht. 

Und froh will ich ſein, wenn mir das gelingt.“ 

Und fo war's geſchehn. 

Beliſar vermochte unter den dermaligen Umſtänden 
weniger als je den Präfeeten gegen deſſen Willen zu 
bewegen. 

So gab er nach und führte ſein Heer nach Rom 
zurück, das er mit dem Einbruch der Nacht erreichte. 

Lange wollte man ihn nicht einlaſſen. 

Den von Staub und Blut Bedeckten erkannte man 
nur ſchwer. 

Auch hatten Verſprengte die Nachricht aus der Schlacht 
in die Stadt getragen, der Feldherr ſei gefallen und 
Alles verloren. 

Endlich erkannte ihn Antonina, die ängſtlich auf den 
Wällen ſeiner harrte. 

Durch das pincianiſche Thor ließ man ihn ein; 
es hieß ſeitdem Porta beliſaria. 

Feuerzeichen auf den Wällen zwiſchen dem flami⸗ 
niſchen und dem pincianiſchen Thor verkündeten dies 


108 


dem Prafecten, Der nun, in guter Ordnung und von ben 
ermiideten Giegern faum verfolgt, im Schutze der Nacht 
feinen Rückzug bemerfftelligte. 

Nur Teja drängte nach mit einigen feiner Retter bis an 
das Hiigelland, wo heute Villa Borghefe liegt, und bis 
zur Aqua Acetoſa. 


Adjtes Capitel. 





Um Cage darauf erfdjien vas ganze zahlreiche Heer 
der Gothen vor der ewigen Stadt, die e8 in fieben 
Lagern umfdlof. 

Und nun begann jene dentwitrdige Belagerung, welde 
nidt minder das Feldherrntalent und die Crfindungs- 
gabe BVelifars als den Muth ver VBelagerer entfalten follte. 

Mit Schrecken Hatten die Bilrger Poms von ihren 
Mauern herah mit angefehen, wie die Scharen der 
®othen nicht enden wollten. 

„Sieh hin, o Prafect, fie überflügeln alle deine Mauern.“ 

„Ja! in die Breite! laß ſehen, ob ſie ſie in der 
Höhe überflügeln. 

Ohne Flügel kommen ſie nicht herüber.“ 

Nur zwei Tauſendſchaften hatte Witichis in Ravenna 
zurückgelaſſen, acht hatte er unter den Grafen Uligis von 
Urbsſalvia und Anſa von Aſculum nach Dalmatien ent⸗ 
ſendet, dieſe Provinz und Liburnien den Byzantinern zu 
entreißen und zumal bas mächtige Salona wieder zu ges 
winnen; durch Söldner, in Gavien gemorben, follten fie 
ſich ver{tarten. 


110 


Aud) vie gothifde Flotte follte — gegen Teja’s Wath! 
— dort, nidt gegen den Hafen von Rom, Portus, wirfen. 

Den Umfreis der Stadt Rom aber, und thre weit 
hinaudsgeftredten Walle, vie Mauern Aurelian’ und des 
Prafecten, umgiirtete nun der Konig mit einhundertund⸗ 
fünfzig Laufendfdaften. 

Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige 
fleinere. 

Von dieſen umfdhloffen vie Gothen den fdwaderen 
Theil der Umwallung, den Raum, der von dem flamis 
niſchen Thor im Norden (öſtlich von der jegigen Porta 
vel Popolo) bis zum praneftinifdhen Thor reicht, volljtindtg 
mit feds Heerlagern; nämlich die Walle vom flami- 
nifden Thor gegen Often bis an's pinctanifde und falas 
rife, Dann bis an das nomentantfde Thor (ſüdöſtlich 
von Porta pia), ferner bis gegen das ,gefdloffene Thor," 
vie Porta claufa, endlid) ſüdlich von da das tiburs 
tinifhe Thor (heute Porta Gan Lorenzo) und das afi 
nariſche, metronifde, latinifde, (an der Via latina,) vas 
appifde (an der Via appia) und das Sanct Pauls 
Thor, das zunächſt vem Tiberufer lag. 

Alle viefe feds Lager waren auf dem linken Ufer 
res Fluſſes. 

Um aber gu verbiiten, vag vie Belagerten durd 
Berftdrung ver milvifden Briide den Angretfern dew 
Uebergang liber ven Flug und vas ganje Gebiet auf 
rem redjten Liberufer bi8 an die See abfdnitten, 
ſchlugen die Gothen ein fiebentes Lager auf dem redten 
LibersUfer: auf vem Felde Nero's," vom vaticanifden 





111 





Hiigel bis gegen die milviſche Briide hin (unter dem 
„Monte Mario’) . 

So war die milvifde Brite durch ein Gothens 
lager gededt und die Britde Hadrians bedroht, fowie der 
Weg nad der Stadt durdy die ,Porta Gancti Petri”, 
wie man damals fdon, nad) Profops BVeridt, das innere 
Chor Aurelians nannte. 

Es war das nadfte an dem Grabmal Hadrians. 

Aber aud) das Thor von Sanct Pantratius rechts 
ves Libers war von den Gothen fcharf beobadhtet. 

Dies Lager auf dem neronifden Feld, auf dem redjten 
Tiberufer, gwifden rem pantratifden und dem Petrus- 
Thor, überwies Witichis vem Grafen Markja von Merios 
fanum, welder aus den cottifden Alpen und der Bes 
obadtung der Franken juritdgerufen worden war. 

Uber ver Konig felbft weilte oft hier, vas Grabmal 
Padrians mit fdarfen Bliden priifend. 

Er hatte fein einjelnes Lager iibernommen, ſich die 
Gefammtleitung vorbehaltend, vielmehr die ſechs übrigen 
an Hildebrand, Lotila, Hildebad, Leja, Guntharis und 
Grippa vertheilt. 

Sedes ver fieben Lager ließ der König mit einem 
tiefen Graben umziehn die dadurd ausgehobue Erde zu 
einem hohen Wall ywifden Graben und Lager aufhaufen 
und diefen mit Pfahlwerk verftarfen, — fic gegen Aus— 
fälle zu ſichern. 

Aber auch Beliſar und Cethegus vertheilten ihre 
Feldherrn und Mannſchaften nad) den Thoren und We 
gionen Roms. 


112 





Beliſar übertrug vas praneftinifde Chor im Often 
ber Stadt (heute Porta maggiore) dem Beffas, das 
ftarf bedrohte flaminifde, dem ein gothifdjes Lager, das 
Totila's, in gefabrlider Mabe lag, dem Conftantinus, 
ver es durch Mtarmorquadern, aus rdmifden Cempeln 
und Paläſten gebroden, faft ganz zubauen lief. 

Beltfar felbft ſchlug fein Standlager auf im Norden 
der Stadt. 

Diefer war unter den ihm von Cethegus eingerdumten 
Theilen ver Feftung Rom der ſchwächſte. 

Den Weften und Süden hielt eiferfiidtig, unentfern- 
har und unentbebrlid, ver Prafect. 

Uber hier oben im Norden war Belifar Herr: 
zwiſchen dem flaminifden und dem pincianifden — oder 
nun ,belifarifden" — Thor, dem ſchwächſten Theil der 
Umwwallung, ließ ev ſich nieder, zugleich Ausfälle gegen 
die Barbaren planend. 

Die übrigen Thore überwies er den Führern des 
Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes, 
Azarethas und Chilbudius. 

Der Präfect hatte übernommen alle Thore auf dem 
rechten Tiberufer, die neue Porta aurelia an der äliſchen 
Brücke bei dem Grabmal Hadrians, die Porta ſepti⸗ 
miana, das alte aureliſche Thor, das nun das pankra⸗ 
tiſche hieß, und die Porta portuenſis: auf dem linken 
Ufer aber noch das Thor Sanct Pauls. 

Erſt das nächſte Thor weiter öſtlich, das ardeati⸗ 
niſche, ſtand unter byzantiniſcher Beſatzung: Chilbudius 
befehligte hier. 


113 





Gleich unermüdlich und gleich erfinderifd erwieſen 
ſich die Belagerer und die Belagerten in Planen des 
Angriffs und ver Vertheidigung. 

Lange Beit handelte es ſich nur um Mafregeln, 
weldhe vie Bedrängung ver Römer ohne Sturm, vor dem 
Sturm, bezweckten und andrerfeits, fie abwebren follten. 

Die Gothen, Herrn und Meifter ver Campagna, 
fudjten die Belagerten auszudurſten: fie fdnitten alle 
die pradtvollen vierzehn Wafferleitungen ab, welde die 
Start fpeifter. 

Belifar lieR vor Alem, als er dies wahrnahm, die 
Miindungen innerhalb ver Stadt verfdiitten und vers 
mauerm. 

„Denn,“ hatte ihm Protrop gefagt. „nachdem du, o 
großer Held Belifarius, durch eine folde Wafferrinne 
nad Neapolis hineingekrochen bift, finnte e8 den Bare 
baren etnfallen, und faum ſchimpflich fdeinen, auf dem 
gleiden Heldenpfad fid) nad Rom hinein gu krabbeln.“ 

Den Genug ves geliebten Bares muften vie Vee 
lagerten entbebren: faum reidten die Brunnen im den 
vem Fluß entlegenen Stadtthetlen fiir dad Trinkwaſſer aus. 

Durd vas Abfdneiven ves Wafers batten aber die 
Barbaren den Römern aud das Brod abgeſchnitten. — 

Wenigftens ſchien es fo. 

Denn die fammtlichen Waſſermühlen Roms ver— 
fagten nun. 

Das aufgelpeicherte Getreide, das Gethegus aus 
Gicilten gefauft, das Belifar aus ver Umgegend Roms 


zwangtwerfe hatte in die Stadt fdaffen laffen, trog red 
Dabn, Cin Kampf um Rom. IIL. 8 


a 


106 


„Willkommen in Sicherheit, Beliſarius,“ rief thm 
Sethegus zu, feine Schwertklinge faubernd. 

„Ich warte bier auf did) feit Tagesanbruch. 

Sh wußte wohl, dak du mir fommen würdeſt.“ 

wPrafect von Rom," ſprach Belifar, ihm vom Pferd 
herunter die Hand reidend: 

„Du Haft ves Kaiſers Heer gerettet, das id) verloren 
hatte: id) danfe dir.“ 

Die friſchen Truppen des Prafecten hielten, eine uns 
purdpringlide Mauer, ven Pak befest, die zerſtreut 
heranfliidtenden Byzantiner durchlaſſend und Angriffe 
der erften erntitdeten Berfolger, die über den Flug gee 
drungen, — fie batten einen vollen Zag des Kampfes 
hinter ſich — in der giinftigen Stellung ohne Mühe 
abwebrend. 

Bei Cinbrud der Dunkelheit nahm Konig Witichis feine 
Scharen zurück, auf vem Schladhtfeld ihres Sieges zu 
übernachten, während Beliſar mit ſeinen Feldherrn einſt⸗ 
weilen im Rücken des Paſſes, ſo gut es gehen wollte, 
die aufgelöſten Heeresmaſſen, wie ſie zerſtreut und ver⸗ 
einzelt eintrafen, ordneten. 

Als Beliſar wieder einige tauſend Mann beiſammen 
hatte, ritt er zu Cethegus heran und ſprach: 

„Was meinſt du, Präfect von Rom? 

Deine Truppen ſind noch friſch. 

Und die Unſern müſſen ihre Scharte auswetzen. 

Laß uns hervorbrechen nocheinmal — die Gonne 
geht noch nicht gleich unter — und das Los des Tages 
wenden." 


107 





Mit Staunen fah ihn Gethegus an und fprad die 
Worte Homers: 

„Wahrlich, ein ſchreckliches Wort, du Gewaltiger, 
baft Du gefproden. 

Unerfattlider ! ‘ 

Go ſchwer ertragft du's, ohne Sieg aus einer Schlacht 
zu gehn? 

Nein, Beliſarius! dort winken die Zinnen Roms: 
dahin führe deine todesmatten Völker. 

Ich halte dieſen Paß, bis ihr die Stadt erreicht. 

Und froh will ich ſein, wenn mir das gelingt.“ 

Und ſo war's geſchehn. 

Beliſar vermochte unter den dermaligen Umſtänden 
weniger als je den Präfeeten gegen deſſen Willen zu 
bewegen. 

So gab er nach und führte ſein Heer nach Rom 
zurück, das er mit dem Einbruch der Nacht erreichte. 

Lange wollte man ihn nicht einlaſſen. 

Den von Staub und Blut Bedeckten erkannte man 
nur ſchwer. 

Auch hatten Verſprengte die Nachricht aus der Schlacht 
in die Stadt getragen, der Feldherr ſei gefallen und 
Alles verloren. 

Endlich erkannte ihn Antonina, die ängſtlich auf den 
Wällen ſeiner harrte. 

Durch das pincianiſche Thor ließ man ihn ein; 
es hieß ſeitdem Porta beliſaria. 

Feuerzeichen auf den Wällen zwiſchen dem flami⸗ 
niſchen und dem pincianiſchen Thor verkündeten dies 


108 


dem Prafecten, der nun, tn guter Ordnung und von den 
ermiideten Giegern faum verfolgt, im Schutze der Nacht 
feinen Rückzug bewerkftelligte. | 

Nur Teja drängte nach mit einigen feiner Reiter bis an 
das Hiigelland, wo heute Villa Borghefe liegt, und bis 
zur Aqua Acetoſa. 


Achtes Capitel. 





Win Tage darauf erfdien vas ganze zahlreiche Heer 
der Gothen vor der ewigen Stadt, die e8 in fieben 
Lagern umſchloß. 

Und nun begann jene denkwürdige Belagerung, welde 
nidt minder das Feldherrntalent und die Crfindungs- 
gabe Belifars als den Muth ver Belagerer entfalten follte. 

Mit Schrecken Hatten vie Bürger Roms von ihren 
Mauern herab mit angefehen, wie die Scharen der 
Gothen nicht enden wollten. 

„Sieh hin, o Präfect, fie überflügeln alle deine Mauern. “ 

„Ja! in die Breite! laß feben, ob fie fie in der 

Hobe itberflitgeln. 
; Obne Fliigel fommen fie nidjt herüber.“ 

Mur zwei Caufendfdaften hatte Witichis in Ravenna 
zurückgelaſſen, acht hatte ev unter den Grafen Uligis von 
Urbsfalvia und Anfa von Wfculum nad Dalmatien ents 
fendet, diefe Proving und Liburnien den Byjzantinern zu 
entreifen und zumal das madtige Salona wieder yu ges 
winnen; Durd) Söldner, in Gavien geworben, follten fie 
ſich verſtärken. 


110 





Aud) vie gothifde Flotte follte — gegen Teja’s Rath! 
— dort, nicht gegen den Hafen von Rom, Portus, wirken. 

Den Umbreis der Stadt Rom aber, und ihre weit 
hinausgeftredten Walle, vie Mtanern Aurelian’ und des 
Prafecten, umgürtete nun der Kinig mit einhundertund- 
fünfzig Tauſendſchaften. 

Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige 
kleinere. 

Von dieſen umſchloſſen die Gothen den ſchwächeren 
Theil der Umwallung, den Raum, ver von dem flami⸗ 
niſchen Thor im Norden (Gftlid) won der jegigen Porta 
vel Popolo) his gum praneftinifden Thor reicht, volljtindig 
mit feds Heerlagern; nämlich die Walle vom flami⸗ 
nifden Thor gegen Often bis an's pinciant{de und falas 
rifdhe, Dann bis an das nomentanifde Thor (ſüdöſtlich 
von Porta pia), ferner bis gegen das ,,gefdloffene Thor,“ 
pie Porta claufa, endlich) ſüdlich von da das tiburs 
tinifhe Thor (heute Porta Gan Lorenzo) und das afis 
nariſche, metronifde, latiniſche. (an der Via latina,) vad 
appifde (an der Bia appia) und das Sanct Pauls 
Thor, das zunächſt vem Tiberufer fag. 

Alle viefe feds Lager waren auf dem linken Ufer 
des Fluffes. 

Um aber gu verbilten, vag vie Belagerten durch 
Berftdrung ver milvifden Britde den Angreifern den 
Uebergang ither den Flug und das ganze Gebiet anf 
rem redjten iberufer bis an die Gee abfchnitten, 
ſchlugen die Gothen ein fiebentes Lager anf dem rechten 
Liber-Ufer: auf vem Felbe Nero's,“ vom vaticanifden 


111 





Hiigel bis gegen die milviſche Bride hin (unter dem 
Monte Mario). 

So war vie milvifde Brite durch ein Gothen- 
lager gededt und die Brücke Hadvians bedrobt, fowie ver 
Weg nad ver Stadt durd die ,Porta Sancti Petri", 
wie man damals fdon, nad) Profops Beridt, das innere 
Thor Wurelians nannte. 

Es war vas nadfte an dem Grabmal Hadrians. 

Wher aud) das Thor von Sanct Pantratius rechts 
ves Liber war von den Gothen fdharf beobadhtet. 

Dies Lager auf dent neronifden Feld, auf dem redjten 
Tiberufer, gwifden rem pantratifden und dem Petrus⸗ 
Thor, überwies Witichis vem Grafen Markja von Merios 
fanum, welder aus den cottifden Alpen und der Bes 
obadtung der Franken guriidgerujen worden war. 

Aber ver König felbft weilte oft hier, das Grabmal 
Hadrians mit fdarfen Bltden priifend. 

Er hatte fein einzelnes Lager iibernommen, ſich die 
Gefammtleitung vorbehaltend, vielmehr die fedhs übrigen 
an Hildebrand, Lotila, Hildebad, Teja, Guntharis und 
Grippa vertheilt. 

Jedes ver fieben Lager ließ der König mit einem 
tiefen Graben umziehn die dadurch ausgehobne Erde ju 
einem hohen Wall zwiſchen Graben und Lager aufhaufen 
und diefen mit Pfahlwerk verftarfen, — fid) gegen Uus- 
fille gu ſichern. 

Aber aud) Belifar und Gethegus vertheilten ihre 
Feldherrn und Mannſchaften nad) den Thoren und Me 
gionen Roms. 


112 





Belifar übertrug vas prineftinifdhe Thor im Often 
ber Stadt (heute Porta maggiore) dem Beffas, das 
ftarf bedrohte flaminifde, dem ein gothifdes Lager, das 
Totila’s, in gefabrlider Mabe lag, dem Conftantinus, 
der e8 durch Marmorquadern, aus römiſchen Cempeln 
und Paläſten gebroden, faft ganz zubauen lief. 

Belifar felbft ſchlug fein Standlager auf im Morden 
der Stadt. 

Diefer war unter den ihm von Cethegus eingerdumten 
Theilen ver Feftung Rom der ſchwächſte. 

Den Weften und Silden hielt eiferfiidtig, unentfern⸗ 
bar und unentbebrlid, ver Prafect. 

Aber bier oben im Norden war Belifar Herr: 
zwiſchen dem flaminifden und dem pinciantfden — oder 
nun ,belifarifden” — Thor, vem ſchwächſten Theil der 
Umwallung, ließ er fic) nieder, gugleid) Ausfälle gegen 
die Barbaren planend. 

Die iibrigen Thore überwies er den Führern des 
Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes, 
Azarethas und Chilbudius. 

Der Prafect hatte itbernommen alle Thore auf dem 
red)ten Liberufer, die neue Porta aurelia an der dlifden 
Brite bet rem Grabmal Hadrians, die Porta feptis 
miana, das alte aurelifde Thor, pas nun ‘das pantras 
tiſche hieß, und vie Porta portuenfis: auf dem linken 
Ufer aber noch das Thor Sanct Pauls. 

Erſt das nächſte Thor weiter öſtlich, das ardeati⸗ 
niſche, ſtand unter byzantiniſcher Beſatzung: Chilbudius 
befehligte hier. 


113 





Gleich unermiidlid) und gleich erfinderifd erwiefen 
fid) die Belagerer und die Belagerten in Planen des 
Angriffs und ver Vertheidigung. 

Lange Beit handelte es fic) nur um Maßregeln, 
weldhe die Bedrangung ver Römer ohne Sturm, vor dem 
Sturm, begwedten und andrerfeits, fie abmebren follten. 

Die Gothen, Herm und Meeifter ver Campagna, 
ſuchten die Belagerten auszudurſten: fie fdnitten alle 
die pradtvollen vierzehn Wafferleitungen ab, welche die 
Start fpeiften. 

Belifar ließ vor Wem, als er dies wabhrnalm, die 
Mündungen innerhalb ver Stadt verfdiitten und vers 
mauern. 

denn," hatte thm Protrop gefagt. „nachdem du, o 
großer Held Belifarius, durch eine folde Wafjerrinne 
nad Neapolis hineingekrochen bift, könnte e8 den Bare 
baren etnfallen, und faum ſchimpflich jcheinen, auf dem 
gleiden Heldenpfad ſich nad) Rom hinein gu krabbeln.“ 

Den Genug des geliebten Bares muften vie Bee 
lagerten entbehren: faum reidjten die Brunnen in den 
vem Plug entlegenen Stadttheilen fiir pads Trinkwaffer aus. 

Durd) das Wbfdneiven ves Wafers hatten aber die 
Barbaren den Römern aud) das Brod abgefdnitten. — 

Wenigftens fdien e8 fo. | 

Denn die fammtliden Waffermithlen Roms vers 
fagten nun. 

Das aufgeſpeicherte Getreide, das Cethegus ans 
Sicilien gefauft, das Belifar aus der Umgegend Roms 
zwangewerfe hatte in die Stadt fdaffen laffen, trog des 

Dabn, Cin Kampf um Rom. LIL. 8 


a 


114 





Murrens ver Pachter und Colonen, diefes Getreide fonnte 
nidt mehr gemablen werden. 

„Laßt die Mühlen durch fel und Rinder drehen!“ 
rief Beliſar. 

„Die meiſten Eſel waren klug genug und die Rinder, 
ach Beliſarius,“ ſprach Prokop, „ſich nicht mit uns hier 
einſperren zu laſſen. 

Wir haben nur ſoviel, als wir brauchen, ſie zu 
ſchlachten. 

Sie können unmöglich erſt Mühlen drehen und dann 
noch Fleiſch genug haben, das gemahlene Brod ſelbſt zu 
belegen.“ 

„So rufe mir den Martinus. 

Ich habe geſtern an dem Tiber, die Gothenzelte 
zählend, zugleich einen Gedanken gehabt —“ 

„Den Martinus wieder aus dem Beliſariſchen in 
das Mögliche überſetzen muß. 

Armer Mann! 

Aber ich gehe ihn zu holen.“ 

Als aber am Abend des gleichen Tages Beliſar und 
Martinus durch zuſammengelegte Bote im Tiber die erſte 
Schiffamithle herſtellten, welche vie Welt kannte, da ſprach 
bewundernd Prokopius: 

„Das Brod der Schiffemithle wird länger vie Menſchen 
erfreu'n, al8 deine größten Thaten. Dies fo gemablene 
Mehl ſchmeckt nad — Unſterblichkeit.“ 

Und wirklich erſetzten die von Beliſar erdachten, von 
Martinus ausgeführten Schiffsmühlen den Belagerten 


115 





wibrend ber ganjen Dauer der Einſchließung die ges 
lähmten Wafjermiihlen. 

Hinter ver Briide nämlich, welche jest Ponte Gan 
SGifto heift, auf der Sentung des Janiculus, befeftigte 
Beliſar awei Schiffe mit Seilen und legte Mühlen über 
deren flades Ded, ſodaß vie Mühlenräder durch den 
Glug, ver aus dem Briidenbogen mit verftirfter Gewalt 
hervor ſtrömte, von felbft getrieben wurden. 

Eifrig tradjteten alsbald die Belagerer, viefe Bors 
ridtungen, welde ihnen Ueberläufer fcilderten, zu 
zerſtören. 

Balken, Holzflöſſe, Bäume warfen ſie oberhalb der 
Brücke von dem von ihnen beherrſchten Theil aus in 
den Fluß und zertrümmerten ſo in Einer Nacht wirklich 
alle Mühlen. 

Aber Beliſar ließ ſie wieder herſtellen und nun 
oberhalb der Brücke ſtarke Ketten grade über den Fluß 
ziehen und ſo auffangen, was, die Mühlen bedrohend, 
herab trieb. 

Nicht nur ſeine Mühlen ſollten dieſe eiſernen 
Stromriegel decken: ſie ſollten auch verhindern, daß die 
Gothen auf Kähnen und Flößen den Fluß herab und, 
ohne die Brücke, in die Stadt drängen. 

Denn Witichis traf nun auch alle Vorbereitungen 
zum Sturm. 

Er ließ hölzerne Thürme bauen, höher als die Zin⸗ 
nen der Stadtmauer, die auf vier Rädern von Rindern 
gezogen werden ſollten. 

Dann ließ er Sturmleitern in großer Zahl beſchaffen 

8* 


116 


und vier furdtbare Widder oder Mauerbrecher, welche je 
eine halbe Hundertſchaft ſchob und bediente. 

Mit ungibligen Biindeln von Reifig md Schilf 
follten die tiefen Graben ausgefiillt werden. 

Dagegen pflangten Belifar und Cethegus, jener im 
Norden und Oſten, diefer im Weften und Gilden die 
BVertheidigung ver Stadt überwachend, Valliften und 
Wurfbogen auf die Walle, welde auf große Entfernung 
balkenähnliche Speergeſchoſſe ſchleuderten, mit folder 
Kraft, daß fle einen völlig gepanzerten Mann jedesmal 
völlig durchbohrten. | 

Die Chore fciigten fie durch ‚Wölfe“, vd. h. Quer⸗ 
balfen, mit etfernen Stacheln befegt, welde man auf die 
Angreifer nieder fdmettern liek, wenn fle didt bis an 
das Thor gelangt waren. 

Und endlich ftreuten fle zahlreiche Fußangeln und 
Stachelkugeln auf ven Vorraum zwiſchen ven Graben 
der Stadt und dem Lager der Barbaren. 


Nenntes Capitel. 





Trotz alledem, ſagten die Römer, hätten längſt die 
Gothen die Mauern erſtiegen, wäre nicht des Präfecten 
Egeria geweſen. 

Denn es war merkwürdig: ſo oft die Barbaren 
einen Sturm vorbereiteten —: Cethegus ging zu Beliſar 
und warnte und bezeichnete im Voraus den Tag. 

So oft Teja over Hildebad in kühnem Hanpſtreich 
ein Thor gu itberrumpeln, eine Schanze wegzunehmen 
gedachten: — Gethegus fagte e8 vorber, und die Ungreifer 
ftiefen auf das Zweifache der gewöhnlichen Bejagung der 
PBuncte. 

Go oft in nächtigem Ueberfall die Kette ves Tibers 
gefprengt werden follte: — Cethegus ſchien e8 geahnt zu 
haben und ſchickte den Schiffen der Feinde Brander und 
Feuerkähne entgegen. 

So ging e8 viele Monate hin. 

Die Gothen fonnten fich nidt verbeblen, daß fie, 
trog unablaffiger Ungriffe, ſeit Anfang ver Belagerung 
femerlet Fortſchritte gemadt. 


118 


Lange trugen fle diefe Unfalle, die Entdedung und 
Vereitelung all ihrer Plane, mit ungebengtem Muth. 

Aber allmablig bemadhtigte fid) nicht blos der 
großen Maſſe Verdroffenhett, msbefondere da Mangel 
an YebenSmitteln fiihlbar zu werden begann, — and des 
Rinigs klarer Ginn wurde von trüber Mtelandolie 
verditftert, alg er all’ feine Kraft, all’ feine Auspauer, 
all’ feine Sriegsfunft wie von einem böſen Damon vere 
eitelt fab. 

Und kam er von einem feblgefdlagenen Unternehmen, 
von einem verungliidten Sturm, matt und gebengt, in fein 
Königszelt, fo ruhten die ftoljen Augen feiner ſchweig⸗ 
famen Königin mit einem ihm unverftindliden, aber 
grauenvoll unbetmliden Ausdruck anf ibm, dak er fid 
ſchaudernd abwandte. 

„Es ift nidjt anders," fagte er finfter zu Leja, es 
ift gefomtmen, wie id) voraus gefagt. 

Mit Rauthgundié iff mein Glück von mir gewiden, 
wie die Freudigkeit meiner Seele. 

Es ift, als lage ein Flud auf meiner Krone. 

Und dieſe Amalungentodter wandelt um mid Her, 
ſchweigend und finfter, wie mein lebendiges Unglitd.” 

„Du könnteſt Redht haben,” ſprach Leja. 

„‚Vielleicht löſ' ich dieſen Zauberbann. 

Gieb mir Urlaub für heut' Nacht.“ 

Am ſelben Tage, faſt in derſelben Stunde, forderte 
drinnen in Rom Johannes, der Blutige, von Beliſar 
Urlaub für dieſe Nacht. 

Beliſar ſchlug es ab. 


119 


„Jetzt ift nicht Beit gu nächtlichen Vergnügen,“ fagte er. 

„Wird fein grog Vergniigen fein, im der Nacht swifden 
alten feudjten Mauern und gothifden Lanzen einem Fuchs 
nachſpüren, der zehnmal fdlaner ift al8 wir beide.“ 

„Was Haft vu vor?" fragte Belifar, aufmerkſam 
werdend. 

„Was ich vorhabe? 

Ein Ende zu machen der verfluchten Stellung in der 
wir Alle, in dev du, o Feldherr, nicht gum Mindeſten ſtehſt. 

Es iſt alles ganz recht. 

Seit Monaten liegen die Barbaren vor dieſen Mauern 
und haben nichts dabei gewonnen. Wir erſchießen 
ſie wie Knaben die Dohlen vom Hinterhalt und können 
ihrer lachen. 

Aber wer iſt es eigentlich, der all dies vollbringt? 

Nicht, wie es ſein ſollte, du, des Kaiſers Feldherr, 
noch des Kaiſers Heer: ſondern dieſer eiſige Römer, der 
nur lachen kann, wenn er höhnt. 

Der ſitzt da oben im Capitol und verlacht den Kaiſer 
und die Gothen und uns und, mit Verlaub zu ſagen, dich 
ſelber am meiſten. 

Woher weiß dieſer Odyſſeus und Ajax in Einer Per⸗ 
ſon alle Gothenpläne ſo ſcharſ, als ſäße er mit im Rath 
des Königs Witichis? 

Durch ſein Dämonium, ſagen die Einen. 

Durch ſeine Egeria, ſagen die Andern. 

Er hat einen Raben, der hören und ſprechen kann 
wie Menſchen, meinen wieder Andere: den ſchickt er alle 
Nacht in's Gothenlager. 


420 


Das mögen die alten Weiber glauben und die RImer, 
nidt meiner Mutter Sohn. 

Ich glaube ben Raben gu fennen und das Dike 
monium. 

Gewiß ift, er fann die Kunde nur aus dem Gothen 
lager felbft bolen; {aff uns dod) febn, ob wir nicht 
felbft an feiner Statt aus diefer Quelle ſchöpfen können.“ 

„Ich habe vas längſt bedadt, aber ich ſah fein 
Mittel.“ 

od) habe von meinen Hunnen alle ſeine Schritte be⸗ 
lauern laſſen. 

Es iſt verdammt ſchwer: denn dieſer braune Mauren⸗ 
teufel folgt ihm wie ein Schatte. 

Aber tagelang iſt Syphax fern — und dann ge⸗ 
lingt es eher. 

Nun, ich habe erſpäht, daß Cethegus ſo manche 
Nacht vie Stadt verließ, bald anus der Porta portuenfis, 
rechts vom Liber, bald aus der Porta Ganct Pauls, 
linfg von Tiber im Gilden, die er beide befest halt. 
Weiter wagten ihm vie Späher nicht gu folgen. 

Sd aber denke heute Nacht — venn heute mug ed 
wieder treffen, — ihm fo nidt von den Ferfen zu 
weiden. 

Dod) muß id) thn vor dem Thore erwarten: feine 
Sfaurier ließen mid) nicht durch; ic) werde bet einer 
Runde vor den Mauern in einem der Graben zurück⸗ 
bleiben." 

Out. E38 find aber, wie du fagft, zwei Chore gu 
beobachten.“ 


121 


„Deßhalb hab’ id) mir Perſeus, meinen Bruder, zum 
Genoffen erforen; er hütet das paulinifde, id) dad 
portuenfifde Chor; verlag did) drauf — bis morgen vor 
Sonnenaufgang fennt einer von uns das Damonium 
des Prafecten.” — 

Grade gegenüber vem Sanct Pauls-Thor, etwa drei 
Pfeilſchuſſe von den äußerſten Graben der Stadt, lag 
ein mächtiges alterthümliches Gebäude, die Baſilika Sancti 
Pauli extra muros, die Paulscapelle vor den Mauern, 
deren letzte Reſte erſt zur Zeit der Belagerung Roms durch 
den Connetable von Bourbon völlig verſchwanden. 

Urſprünglich ein Tempel des Jupiter Stator war er 
ſeit zwei Jahrhunderten dem Apoſtel geweiht worden: 
aber noch ſtand die broncene Coloſſalſtatue des bärtigen 
Gottes aufrecht: man hatte ihm nur den flammenden 
Donnerkeil aus der Rechten genommen und dafür ein 
Kreuz hineingeſchoben: im Uebrigen paßte die breite und 
bärtige Geſtalt gut zu ihrem neuen Namen. 

Es war um die ſechste Stunde der Nacht. 

Der Mond ſtand glangvoll über der ewigen Stadt 
und goß fein filbernes Licht ber die Mauerzinnen und 
über die Ebene, gwifden den römiſchen Schanzen und 
ver Bafilita, veren ſchwarze Schatten nach dem Gothen: 
lager bin fielen. 

Shen hatte vie Wache am Sanct Pauls-Thor gewechſelt. 

Aber e8 waren fieben Mann hinausgefdritten und 
nur ſechs famen herein. Der fiebente wandte der Pforte 
pen Ritden und fdyritt heraus in's freie Feld. 

Vorſichtig wählte er feinen Weg: vorfidhtig vermied 


122 


ex die zablreiden Fugangeln, Wolfsgruben, Selbſtſchüſſe 
vergifteter Pfeile, welche hier überall unther geftrent 
waren und mandem Gothen bet den Angriffen auf die 
Stadt Verderben gebracht batten. 

Der Mtann fchien fie Alle zu tennen und wid ihnen 
leidjt aus, 


Wber er vermied aud) bas Mondlicht forgfaltig, den 
Schatten der Manervorfpriinge fudend und oft von Baum 
zu Baum fpringend. 

Wis er aus vem äußerſten Graben auftaudte, fah 
er fid) um und blieb im Schatten einer Gypreffe fteben, 
deren Zweige die Balliſtengeſchoſſe zerſchmettert batten. 

Er fah nichts Lebendes weit und breit: und er eilte 
nun mit raſchen Schritten ver Kirche ju. 

Hatte ex nodmal unigeblidt, ev hatte e8 wohl nicht 
gethan. 

Denn, ſowie er den Baum verließ, tauchte aus dem 
Graben eine zweite Geſtalt hervor, vie in drei Spritngen 
ibrerfeits ben Schatten ver Cypreſſe erreicht hatte. 

»Sewonnen, Johannes! du ftolzer Bruder, diesmal 
war das Glück vem jiingeren Bruder hold. 

Jetzt ift Cethegus mein und fein Geheimniß.“ 

Und vorfidtig folgte er dem raſch Voranfdreitenden. 

Aber plötzlich war diefer vor feinen Augen vere 
ſchwunden, als habe ihn die Erde verfdlungen. Es 
war hart an der äußern Mauer der Sirde, die aber 
dem WArmenter, al er fie erreicht, feine Thür over 
Oeffnung jeigte. 


123 


Kein Bweifel,” fagte der Laufer, „das Stelldichein 
ift drinnen im Tempel: ich muß nad." 

Uber an diefer Stelle war die Mauer unitberfteiglid. 

Laftend und fudend bog der Spaher um die Ede 
derfelben. | 

Umfonft, vie Mauer war itberall gleid) hod. — 

Sm Suchen verftrid) ihm faft eine Viertelftunve. 

Endlich fand er eine Vide in dem Geftein: mithfam 
zwängte er fic) bindurd). 

Und er ftand nun im BVorbhofe des alten Cempels, in 
bent die breiten dorifden Säulen breite Schatten warfen, 
in Deren Schutz er von der redten Seite her bis an 
das Hauptgebiude gelangte. 

Gr fpabte purd einen Rig ves Gemauers, den ihm 
bie Zugluft verrathen hatte. 

Drinnen war Alles finfter. 

Aber pliplid) wurde fein Auge von einem grellen 
Lichtſtrahl geblendet. 

Wis er e8 wieder auffdhlug, fal er einen bellen 
Streifen im der Duntelheit — er riihrte von einer 
Blendlaterne her, deren Licht fic plötzlich gezeigt hatte. 

Deutlich erfannte ex, was in dem Bereich. der Laterne 
ftand, ben Trager derfelben aber nicht: wohl dagegen 
Gethegus den Prafecten, der hart vor der Statue des 
Apoftels ftand und fic) am diefe gu lehnen fdien: vor 
ihm ftand eine zweite Geftalt: ein ſchlankes Weib, auf 
deſſen dunfelrothes Haar ſchimmernd das Licht ver Las 
terne fiel. 

„Die ſchöne Gothenfinigin, bet Eros und Anteros!“ 


124 





dachte ver Lauſcher: fein ſchlechtes Stelldichein, ſei's nun 
Liebe, ſei's Politik! 

Horch, ſie ſpricht. 

Leider kam ich zu ſpät, auch den Anfang der Unter⸗ 
redung zu hören.“ 

„Alſo: merk' es div wohl! übermorgen auf der Straße 
vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches ges 
plant. 

„Gut: aber was?“ frug des Prafecten Stimme. 

„Genaueres fonnte id) nicht erfunden: und id fann 
e8 dir aud) nidt mehr mittheilen, wenn id es nod ers 
fabre. Ich mage nicht mebr, did) hier wieder gu feben: 
penn” — 

Gie fprad nun leifer. 

Perfeus drückte das Ohr hart an die Spalte: da 
flirrte feine Schwertſcheide an das Geftein und nun traf 
ibn ein Strahl des Lichts. 

„Horch!“ rief eine dritte Stimme — es war eine 
Srauenftimme, die der Trägerin der Laterne, welche ſich 
jebt in dem Strahl ihres eigenen Blendlichts gegeigt 
hatte, da fle fid) rafd) gegen die Richtung ves Schalles 
gefebrt hatte. 

Perſeus erfannte eine Slavin in mauriſcher Tract. 

Ginen Augenblid fdwieg Wes in dem Tempel. 

Perfenus hielt den Athem an. 

Gr fithlte, e8 galt das Leben. 

Denn Cethegus griff an’s Schwert. 

Ales ſtill,“ fagte die Sflavin. C8 fiel wohl nur 
ein Stein auf den Crabefdlag vdraufen.“ 


125 


„Auch in das Grab vor dem portuenfifden Chor geh' 
ih nicht mehr. Ich flirdte, man ift uns gefolgt. 

oer 2 

„Einer, der niemalS ſchläft, wie es fceint: Graf 
Teja." 

Des Prafecten Lippe zuckte. 

„Und ex ift aud) bet einem rathfclhaften Eid-⸗Bund 
gegen Belifar’s Leben: der bloke Scheinangriff gilt bem 
Ganct Pauls Chor." 

„Gut!“ fagte Cethegus nachdenklich. 

‚Beliſar würde nicht entrinnen, wenn nidt gewarnt. 
Gie liegen irgendwo, — aber id weiß nidjt wo — fiirdt’ 
id, im Hinterhalt, mit Uebermadt, Graf Totila führt fie.“ 

„Ich will ihn fdon warnen!“ fagte Cethegus fangfam. 

Wenn es gelänge!“ — 

„Sorge nidgt, Kinigin! Mir liegt an Rom nicht 
weniger denn dir. 

Und wenn der nadfte Sturm ehlſchlägt — ſo müſſen 
ſie die Belagerung aufgeben, ſo zähe ſie ſind. 

Und das, Königin, iſt dein Verdienſt. | 

Laß mid) in diefer Nacht — vielleicht der lebten, 
pa wir uns treffen, — dir mein ganzes ſtaunendes Herz 
enthüllen. 

Cethegus ſtaunt nicht leicht und nicht leicht geſteht 
er's, wenn er ſtaunen muß. 

Aber dich — bewundere ich, Königin. 

Mit welch' todtverachtender Kühnheit, mit welch' 
dämoniſcher Lift haſt pu alle Plane ver Barbaren vers 
eitelt! ~ 


128 





Von dort, von links her, fdritt langfam ein Mann 
Beran. 

Seine Streitart bligte im Dtondlidt. 

Aber aud) Perfeus fah jest eine Waffe aufbligen , 
e8 war ver Manure, der letfe fein Schwert aus der 
Scheide 30g. 

pa," lachte Perſeus, bts vie Beiden mit cinanber 
fertig find, bin id) in Rom, mit meinem Geheimniß.“ 

Und in rafden Spriingen eilte er nad der Mauer⸗ 
litde des Vorhofs, durch die er eingedrungen. 

Bweifelnd blidte Syphar einen Augenblick nad redhts 
und nad) links. 

Bur Redten fah er entrweiden einen Lauſcher, den 
er jetzt erft gan; entdectte. 

Sur Linfen ſchritt ein gothifder Krieger herein in 
pen Tempelhof. 

Er fonnte nidt hoffen, beide gu erreidhen und zu 
torten. 

Da plötzlich ſchrie er laut: Leja, Graf Teja! 
Hitlfe! gu Hitlfe! Cin Römer! rettet vie Königin! dort 
redjt8 an der Dtauer, ein Römer!“ 

Sm Fluge war Teja heran, bei Syphar. 

dort! rief diefer: ich fdiige die Frauen in ver 
Kirche!“ 

Und er eilte in den Tempel. 

„Steh, Römer!“ rief Teja, und ſprang dem 
fliehenden Perſeus nach. 

Aber Perſeus ſtand nicht: er lief an die Mauer: er 
erreichte die Lücke, durch welche er herein gekonimen war: 


129 


aber er fonnte fich im der Eile nicht wieder bindurd 
zwängen: da ſchwang er fic) mit der Kraft der Vers 
zweiflung auf die Mauer-Krone: und ſchon hob er den 
Fuß, fid) jenfetts hinab gu laffen: va traf ihn Teja's 
Art im Wurf an’s Haupt und rücklings ſtürzte er ‘nieder, 
famint feinem erlauſchten Gebeimnif. 

Leja beugte fic) über ihn: deutlich erfannte er die 
Züge des Todten. 

Der Archon Perfeus," fagte er, „der Bruder des 
Johannes.“ 

Und ſofort ſchritt er die Stufen hinan, die zur Kirche 
führten. 

An ver Schwelle trat ihm Matafwintha entgegen, 
hinter ihr Syphax und Afpa mit ver Blendlaterne. 


Ginen Moment mafen fic) beide fdweigend mit 
mißtrauiſchen Bliden. 


„Ich habe dir gu danfen, Graf Teja von Larentum," 
fagte endlich die Fürſtin. 

„Ich War bedroht in meiner einſamen Andacht.“ 

„Seltſam wählſt du Ort und Stunde fiir deine Gee 
bete. 

Laß ſehen, ob diefer Romer der eingige Feind war." 

Er nahm aus Wfpa’s Hand die Leudte und ging 
in das Innere der Rapelle. 

Nad einer Weile fam er wieder, einen mit Gold 
eingelegten Lederſchuh in der Hand. 

„Ich fand nidts als — diefe Gandale am Altar, 


Didt vor Dem Wpoftel. Es ift ein Manned duß. “ 
Dabn, Gin Kampf um Rom. III. 


130 


„Eine Votivgabe von mir,” fagte Syphar raſch. 

Der Apoftel heilte meinen Fug, icp hatte mir einen 
Dorn eingetreten.“ 
„„Ich dachte, du verebr(t nur den Sclangengott 2” 

„Ich verebre, was da hilft.“ 

won weldem Fuße ftaf der Dorn.“ 

Syphax fdwantte einen Wugenblid. 

„Im Rechten,“ fagte er dann, rafd entfdloffer. 

„Schade,“ fprad Teja, ,die Gandale ift anf den 
linfen geſchnitten.“ 

Und er ftedte fie in den Gürtel. 

„Ich warne vid), Königin, vor folder nächtlichen 
Andacht.“ 

„Ich werde thun, was meine Pflicht, ſagte Mata⸗ 
ſwintha herb.“ 

„Und ich, was meine.“ 

Mit dieſen Worten ſchritt Teja voran, zurück zum 
Lager: ſchweigend folgte die Königin und ihre Sklaven. 


Vor Sonnenaufgang ſtand Teja vor Witichis und 
berichtete ihm Alles. | 

„Was du fagft, ift fein Beweis,“ fagte der König 

Aber ſchwerer Verradt. 

Und du ſagteſt felbſt, vie Königin fet dir unheimlich.“ 

„Grade deßhalb hüt' id) mid, nach blogem Verdacht 
zu handeln. 


131 


Ich zweifle mandmal, ob wir an ihr nicht Unvedt 
gethan. 

Gaft fo ſchwer, wie an Rauthgundis.” 

„Wohl, aber diefe nächtlichen Gange 

„Werd' id) verbindern. Schon um ibretwillen.” 

»Und der Manure? Ich tran’ ihm nid. 

Sd) weiß, daß er tagelang abwefend: dann taucht er 
wieder auf im Lager. 

Gr ift ein Spaber.” 

oa, Freund, lächelte Witichis. Wher der meine. 

Er geht mit meinem Wiffen in Rom aus und ein. 

Er ift es, der mir nod) alle Gelegenbeiten verrathen.“ 

„Und nod feine bat geniigt! 

Und vie falfde Gandale 2" 

„Iſt wirklich ein Votivopfer. 

Aber für Dtebftahl; er hat mir, nod ehe du famft, 
Alles gebeidtet. 

Er hat, bet der Begleitung ver Königin fid lang: 
weilend, in einem Gewölbe ver Kirche herumgeftibert und 
va unten allerlet Prieftergewander und vergrabnen 
Schmuck gefunden und bebalten. 

Aber fpater, den Born des Apoftels fürchtend, wollt’ 
ex ihn befdwidtigen, und opferte, in feinem Heidenſinn, 
viefe Gold⸗Sandale aus feiner Veute. 

Cr beſchrieb fie mix gang genau: mit golonen Seiten⸗ 
ftreifen und einem Achatknopf, oben mit einem C —. 

Du fiebft, es trifft Alles gu. 

Gr fannte fie alſo: fie fann nicht von einem Flüchten⸗ 
den verloren fein. 

g * 


132 


Und er verfprad, als Beweis die dazu gebirige 
Sandale des redjten Fußes gu bringen. 

Aber vor Wem: er hat mir einen nenen Plan vers 
rathen, der all’ unfrer Noth ein Ende madhes und 
Belifarius ſelbſt in unfre Hande liefern foll.” 


Behntes Capitel. 





Wabrend ver Gothenkönig diefen Plan fetnem Freunde 
mittheilte, ftand Gethegus, in frithfter Stunde nad dent 
belifarifdjen Thor beſchieden, vor Velifar und Sohannes. 

„Präfeet von Rom," herrfdte ihn der Feldherr beim 
Cintreten an, „wo warft du heute Macht 2" 

„Auf meinem PBoften. 

Wohin id) gehöre. Am Thor Sanct Pauls." 

„Weißt Du, daß im diefer Macht einer der beften 
meiner Anführer, Perfeus der Ardon, des Johannes 
Bruder, die Stadt verlaffen hat und feitbem verſchwun⸗ 
pen iſt?“ 

»ehut mir leid. 

Uber du weit: es ift verboten, ohne Erlaubniß die 
Mauer zu überſchreiten.“ 

„Ich habe aber Grund zu glauben,“ fuhr Johannes 
auf, „daß Dw recht gut weißt, was aus meinem Bruder 
geworden, daß fein Blut an deinen Händen klebt.“ 

„Und beim Schlummer Buftinians! braufte Beliſar 
auf, das follft du büßen. 


134 





Nicht Langer follft vu herrſchen fiber des Kaiſers Heer 
und Feldherrn. 

Die Stunde der Abrechnung iſt gekommen. 

Die Barbaren ſind ſo gut wie vernichtet. Und laß 
ſehn, ob nicht mit deinem Haupt aud das Capitol fällt.“ 

„Steht e8 fot dachte Gethegus, jetzt fieh dich vor, 
Beliſarius.“ 

Doch er ſchwieg. 

„Rede!“ rief Johannes. ,Wo haſt ou meinen 
Bruder ermordet 2" 

Ehe Cethegus antworten fonnte, trat Artafines, ein 
perfifder Leibwächter Belifars, herein. 

Derr," fagte er, ,dDraufen ſtehn fechs gothiſche Arieger. 

Sie bringen die Leiche Perſeus, des Archonten. 

König Witichis läßt dir ſagen: er fet heut' Nacht 
vor den Mauern durch Graf Teja's Beil gefallen. 

Er ſendet ihn zur ehrenden Beſtattung.“ 

„Der Himmel ſelbſt,“ ſprach Cethegus ſtolz hinaus⸗ 
ſchreitend, ,ftraft eure Bosheit Lügen.“ 

Aber langſam und nachdenklich ging ver Prifect über 
ten Ouirinal und das Forum Trajans nad feinem 
Wohnhaus. 

„Du drohſt, Beliſarius? Dank' für den Wink! 

Laß ſehn, ob wir dich nicht entbehren können.“ 


135 





Sn feiner Wohnung fand er Syphax, ver ihn un⸗ 
geduldig ermartet hatte und ihm rafden Beridt abs 
legte. 

„Vor Wem, Herr," ſchloß ex nun, „laß alfo deinen 
Sanbdalenbinder peitfden. 

Du fiehft, wie ſchlecht ou bedient bift, ift Syphax 
fern: — und gieb mir giltigft deinen rechten Schuh.“ 

„Ich follte dir ihn nicht geben und dic zappeln laſſen 
für bein fredes Lügen,“ lachte ver Prafect. 

„Dieſes Stil Leder ift jegt vein Leben werth, mein 
Panther. 

Womit willft du's löſen.“ 

Mit widtiger Runde. 

Ich wei nun Wes gang genau von dem Plan 
gegen Belifars Leben: Ort und Beit: und die Namen 
ver Eidbrüder. ° 

Es find: “Teja, Totila und Hildebad.” 

„Jeder allein genug fitr den Magifter Militum,“ 
murmelte Gethegus vergnitglicd. | 

„Ich denke, o Herr, du haſt den Barbaren wobl 
wieder eine ſchöne Falle geftellt! 

Od habe. ibnen, auf deinen Befehl, entdedt, dak 
Belifar felbft morgen gum tiburtinifden Thor hinaus 
gtehen will, um BVorrathe aufzutreiben.“ 

„Ja, ev felbft geht mit, weil fic die oft aufgefangnen 
Hunnen nidt mehr allein hinaus wagen; er führt nur 
vierhundert Dann.“ 

„Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der 


124 


padte ver Lauſcher: „kein ſchlechtes Stelldichein, ſei's nun 
Liebe, ſei's Politik! 

Horch, ſie ſpricht. 

Leider kam ich zu ſpät, auch den Anfang der Unter⸗ 
redung zu hören.“ 

„Alſo: merk' es div wohl! übermorgen auf der Straße 
vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches ge⸗ 
plant." 

„Gut: aber was" frug des Prafecten Stimme. 

„Genaueres fonnte id) nicht erfunden: und id) fann 
e8 dir aud nicht mebr mittheilen, wenn id es nod ers 
fabre. Ich wage nicht mebr, dich hier wieder gu feben: 
penn” — . 

Sie ſprach nun leifer. 

Perfeus drückte das Obr hart an die Spalte: dea 
flirrte feine Schwertſcheide an das Geftein und nun traf 
ibn ein Strahl des Lidhts. 

„Horch!“ rief eine dritte Stimme — e8 war eine 
Grauenftimme, die der Trägerin ver Laterne, welche fic 
jebt in dem Strahl thres eigenen Blendlichts gezeigt 
hatte, da fie ſich raſch gegen die Ridtung ves Shales 
gekehrt batte. 

Perfeus erfannte eine Sflavin in maurifder Tracht. 

Ginen Augenblid fdwieg Wes in dem Tempel. 

Perfeus hielt den Athem an. 

Gr fithlte, es galt das Leben. 

Denn Cethegus griff an’s Schwert. 

‚Alles fill,” fagte die Slavin. C8 fiel wohl nur 
ein Stein auf den Erzbeſchlag vraufen.“ : 


125 


wud in das Grab vor vem portuenfifden Thor geh' 
id) nidjt mehr. Ich fürchte, man ift uns gefolgt. 

leer 

„Einer, ver niemals ſchläft, wie e8 fdeint: Graf 
Leja." 

Des Prafecten Lippe zuckte. 

„Und er ift aud bet einem räthſelhaften Gid-Bund 
gegen Belifar’s Leben: ver bloße Scheinangriff gilt dem 
Ganct Pauls Thor.“ 

„Gut!“ fagte Cethegus nachdenklich. . 

‚Beliſar würde nicht entrinnen, wenn nidt gewarnt. 
Gie liegen irgendwo, — aber id) weiß nidt wo — fürcht' 
ih, im Hinterbalt, mit Uebermacht, Graf Totila fithrt fie.” 

„Ich will ibn fdon warnen!“ fagte Cethegus langfam. 

„Wenn es gelänge!“ — 

„Sorge nicht, Königin! Mir liegt an Rom nicht 
weniger denn dir. 

Und wenn der nächſte Sturm fehlſchlägt — ſo müſſen 
ſie bie Belagerung aufgeben, fo zähe fie ſind. 

Und das, Königin, iſt dein Verdienſt. 

Laß mich in dieſer Nacht — vielleicht der letzten, 
da wir uns treffen, — dir mein ganzes ſtaunendes Herz 
enthüllen. 

Cethegus ſtaunt nicht leicht und nicht leicht geſteht 
er's, wenn er ſtaunen muß. 

Aber dich — bewundere ich, Königin. 

Mit welch' todtverachtender Kühnheit, mit welch' 
dämoniſcher Lift haſt du alle Plane ver Barbaren vers 
eitelt! * 


126 





Wahrlich: viel that Belifar, — mehr that Cethegus, 
— pas meifte: Matafwintha. 

„Sprächſt du wahr!“ fagte Matafwintha mit funfeln- 
den Wugen. 

Und wenn die Krone diefem Frevler vom Haupte 
falt — —“ 

„War es deine Hand, deren ſich das Schickſal Roms 
bedient hat. 

Aber, Königin, nicht damit kannſt Du enden! 

Wie id) vid) erfannte, in diefen Mtonaten — darfſt 
du nidjt als gefangene Gothenfdnigin nad) Byzanz. 

Diefe Schinheit, dieſer Geift, diefe Kraft mug 
berrfdjen, — nicht dienen, in Byzanz. 

Darum bedenfe, wenn er nun geſtürzt ift — dein 
Tyrann, — willft du nicht dann den Weg gehn, den 
ic) Div gegetgt 2" 

„Ich habe nod nie itber feinen Fall hinaus gedacht,“ 
fagte fie düſter. 

„Aber id) — flix dich! Wahrlich, Matafwintha,” — 
und fein Auge rubte mit Bewunderung auf ihr, — ,du 
bift fo wunderſchön. 

Ich redn’ e8 mir gum größten Stolz, daß felbft vu 
mid) nidjt in Liebe entgiindet und von meinen Plinen 
abgebradt haſt. 

Aber du bift gu ſchön, gu köſtlich, nur ver Rade 
und dem Haß gu leben. 

Wenn unfer Ziel erreicht, — dann nad Byzanz! 

Als mehr denn Kaiſerin — als Ueberwinverin der 
Kaiſerin!“ 


127 





Wenn mein Biel erreicht, ift mein Leben vollendvet. 

Glaubft pu, id ertritge pen Gedanfen, aus eitel 
Herrſchſucht mein Volk gu verderben, um kluger Zwecke 
willen ? 

Nein: ich fonnt’ e8 nur, weil id mufte. 

Die Race ift jebt meine Liebe und mein Leben 
und" — — 

Da ſcholl von der Fronte des Gebäudes her, aber 
nod) innerhalb der Mauer, laut und fdrillend der Ruf 
des Käuzchens, einmal — gweimal raſch nad einander. 

Wie ftaunte Perfeus, als er ven Prafecten eilig an 
pie Keble ver Bildfaule drücken fah, an der er lebnte, 
und wie ſich dieſelbe gerdufdlos in zwei Halften aus: 
einander ſchlug. 

Cethegus ſchlüpfte in die Oeffnung: die Statue 
klappte wieder zuſammen. 

Mataſwintha aber und Aſpa ſanken wie betend auf 
die Stufen des Altars. 

„Alſo war's ein Zeichen! Es droht Gefahr:“ dachte 
der Späher; „aber wo iſt die Gefahr? und wo der 
Warner?“ 

Und er wandte ſich, trat vor und ſah nach links, nach 
der Seite der Gothen. 

Allein damit trat er in den Bereich des Mondlichts: 
und in ben Blick ves Mauren Syphax, der vor der 
Eingangsthür des Hauptgebaudes in einer leeren Niſche 
Schildwache ftand, und bisher ſcharf nad der linfen, 
ver gothifden, Seite bin, gefpabt hatte. 


128 





Von dort, von links her, fdritt langfam ein Mann 
Beran. 

Geine Streitart bligte im Mondlicht. 

Aber aud Perfeus fah jest eine Waffe aufblitzen; 
e8 war ver Manure, der leife fein Schwert aus der 
Scheide 40g. : | 

wpa," lachte Berfeus, bis vie Beiden mit cinander 
fertig find, bin id) in Rom, mit meinem Geheimniß.“ 

Und in rafden Sprüngen eilte er nad der Mauers 
litde des Vorhofs, durch die er eingedrungen. 

Bweifelnd blidte Syphar einen Wugenbli€ nad redhts 
und nad) links. 

Bur Redten fah er entweiden einen Laufder, den 
ex jegt erft ganz entdedte. 

Bur Linfen ſchritt ein gothifder Krieger herein in 
pen Lempelhof. 

Er ftonnte nicht Hoffer, betde gu erreichen und zu 
torten. 

Da plötzlich ſchrie er laut: ,Leja, Graf Teja! 
Hitlfe! gu Hilfe! Cin Römer! rettet vie Königin! dort 
redts an der Mauer, ein Römer!“ 

Sm Fluge war Leja beran, bet Cypbhay. 

dort! ref dieſer: id) fcbiige die Frauen im der 
Kirche!“ 

Und er eilte in den Tempel. 

„Steh, Römer!“ rief Teja, und ſprang dem 
fliehenden Perſeus nach. 

Aber Perſeus ftand nicht: ev lief an vie Mauer: er 
erreichte die Lücke, durch weldje er herein gefommen mar: 


129 


aber er fonnte fic) in der Gile nicht wieder bindurd 
zwängen: da ſchwang er fic) mit der raft ver Vers 
zweiflung auf die Mauer-Rrone: und fdon bob er den 
up, fic) jenfetts binab gu laſſen: ba traf ihn Teja’s 
Urt im Wurf an’s Haupt und ritdlings ſtürzte er ‘nieder, 
fammt fetnem erlaufdten Geheimniß. 

Leja beugte ſich ber ihn: deutlich erfannte er die 
Biige des Todten. 

„Der Archon Perfeus,“ fagte er, „der Bruder des 
Johannes.“ 

Und ſofort ſchritt er die Stufen hinan, die zur Kirche 
führten. 

An der Schwelle trat ihm Mataſwintha entgegen, 
hinter ihr Syphax und Aſpa mit ver Blendlaterne. 

Ginen Moment mafen fic) beide ſchweigend mit 
mißtrauiſchen Bliden. 

„Ich babe div zu danfen, Graf Teja von Tarentum, “ 
fagte endlid) die Fürſtin. 

„Ich war bedroht in meiner einfamen Andacht.“ 

.Seltſam wählſt du Ort und Stunde fiir veine Gee 
bete. 

Lag fehen, ob diefer Römer der eingige Feind war." 

Er nabm aus Afpa’s Hand die Leudte und ging 
in das Innere der Kapelle. 

Mad einer Weile fam er wieder, einen mit Gold 
eingelegten Lederſchuh in der Hand. 

„Ich fand nidts als — diefe Sandale am Altar, 


dicht vor dem Apoftel. Es ift ein Mannes al 
Dabn, Gin Kampf um Rom. III. 


130 


„Eine BVotingabe von mir," fagte Syphar rafd. 

Der Apoftel heilte memen Fug, id) hatte mir etnen 
Dorn eingetreten." 
. yd) dadte, du verehrſt nur den Sahlangengott 

„Ich verebre, was da hilft.“ 

won weldem Fuge ftaf ver Dorn.“ 

Syphax fdwantte einen Augenblick. 

vom Rechten,“ fagte er dann, rafd entſchloſſen. 

„Schade,“ fprad Teja, ,die Sandale ift auf den 
linken gefdynitten.“ 

Und er ftedte fie in den Gitrtel. 

„Ich warne did), Königin, vor folder nächtlichen 
Andacht.“ 

„Ich werde thun, was meine Pflicht, ſagte Mata⸗ 
ſwintha herb.“ 

„Und ich, was meine.“ 

Mit dieſen Worten ſchritt Teja voran, zurück zum 
Lager: ſchweigend folgte die Königin und ihre Sklaven. 


Vor Sonnenaufgang ſtand Teja vor Witichis und 
berichtete ihm Alles. | 

„Was du fagft, ift fein Beweis,“ fagte der König 

Aber ſchwerer Verdadt. 

Und du ſagteſt ſelbſt, die Königin ſei dir unheimlich.“ 

„Grade deßhalb hüt' ich mich, nach bloßem Verdacht 
zu handeln. 


131 


Ich zweifle mandymal, ob wir an iby nicht Unredt 
gethan. 

aft fo ſchwer, wie an Rauthgundis.” 

‚Wohl, aber diefe nächtlichen Gange 2 

„Werd' ih verhindern. Schon um ibretwillen.” 

„Und der Manure? Beh tran’ ihm nidt. 

Ich weif, dag er tagelang abwefend: dann taudt er 
wieder auf im ager. 

Gr ijt ein Späher.“ 

„Ja, Freund, lächelte Witichis. Wher ver meine. 

Cr geht mit meinem Wiffen in Rom aus und ein. 

Er ift e8, der mir nod alle Gelegenbeiten verrathen.“ 

»Und nod) feine bat genützt! 

Und pie falfde Gandale 2" 

„Iſt wirklich ein Botivopfer. 

Aber für Diebftabl; ex hat mir, nocd ehe du famft, 
Alles gebeichtet. 

Gr bat, bei ver Begleitung der Königin fid lang: 
weilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgeftdbert und 
pa unten allerlet Brieftergemander und vergrabnen 
Gdmud gefunden und bebalten. 

Aber fpater, den Born des Apoftels fiirdtend, wollt’ 
ex ihn befdwidtigen, und opferte, tn feinem Heidenfinn, 
piefe Gold⸗Sandale aus feiner Beute. 

Er beſchrieb fie mix gang genau: mit golonen Seiten: 
ftveifen und einem Achatknopf, oben mit einem C —. 

Du fiebft, e8 trifft Wes gu. 

Gr fannte fie alfo: fie kann nicht von einem Flüchten⸗ 
den verloren fein. 

. 9 2 


132 





Und er verfprad, als Beweis die dazu gebdrige 
Sandale des redten Fußes gu bringen. 

Aber vor Wem: ev hat mir einen nenen Plan vers 
rathen, der all’ unfrer oth ein Ende mades und 
Beliſarius felbft’ in unfre Hande liefern foll.“ 


Belmtes Capitel. 





Waͤhrend ver Gothentdnig diefen Plan feinem Freunde 
mittheilte, ftand Gethegus, in frithfter Stunde nad) dems 
belifarifden Thor befdhieden, vor Velifar und Sohannes. 

wprafect von Rom," herrſchte ihn ver Feldherr beim 
Gintreten an, „wo warft du heute Macht 2” 

„Auf meinen Poften. 

Wohin id) gehöre. Am Chor Sanct Pauls.” 

„Weißt Du, daß im diefer Macht einer der beften 
meiner Unfiihrer, Perfeus der Ardon, des Johannes 
Bruder, die Stadt verlafjen bat und feitbem verſchwun⸗ 
ven iſt?“ 

Thut mir leid. 

Aber Du weit: e8 ift verboten, ohne Erlaubniß die 
Mauer gu überſchreiten.“ 

„Ich habe aber Grund zu glauben,“ fuhr Johannes 
auf, „daß du recht gut weißt, was aus meinem Bruder 
geworden, dag fein Blur an deinen Handen klebt.“ 

„Und beim Sdlummer Iuftinians! brauſte Beliſar 
auf, das follft bu büßen. 


134 


Nicht Langer follft du herrſchen über des Kaiſers Heer 
und Feldherrn. 

Die Stunde der Abrechnung iſt gekommen. 

Die Barbaren ſind ſo gut wie vernichtet. Und laß 
ſehn, ob nicht mit deinem Haupt aud bas Capitol fällt.“ 

„Steht es ſo?“ dachte Cethegus, jetzt fieh did) vor, 
Beliſarius.“ 

Doch er ſchwieg. 

wrede!” rief Johannes. ,Wo haſt du meinen 
Bruder ermordet?“ 

Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artaſines, ein 
perſiſcher Leibwächter Beliſars, herein. 

Derr,” ſagte er, draußen ſtehn ſechs gothiſche Arieger. 

Sie bringen die Leiche Perſeus, des Archonten. 

König Witichis läßt dir ſagen: er ſei heut' Nacht 
vor ben Mauern durch Graf Teja's Beil gefallen. 

Gr ſendet ihn zur ehrenden Beſtattung.“ 

Der Himmel ſelbſt,“ ſprach Cethegus ſtolz hinaus⸗ 
ſchreitend, „ſtraft eure Bosheit Lügen.“ 

Uber langſam und nachdenklich ging der Praͤfect über 
den Quirinal und das Forum Trajans nach ſeinem 
Wohnhaus. 

„Du drohſt, Beliſarius? Dank' für den Wink! 

Laß ſehn, ob wir dich nicht entbehren können.“ 


135 





On feiner Wohnung fand er Syphax, der ihn un: 
geduldig ermartet hatte und ihm rafden Beridt abs 
legte. 

„Vor Wem, Herr," ſchloß ex nun, „laß alfo deinen 
Sandalenbinder peitfden. 

Du ſiehſt, wie fdledt vu bedient bift, ift Syphax 
fern: — und gieb mir gittigft deinen rechten Schuh.“ 

„Ich follte dir ihn nidjt geben und dic zappeln laſſen 
für dein freches Lügen,“ lachte der Präfect. 

„Dieſes Stück Leder iſt jetzt dein Leben werth, mein 
Panther. 

Womit willſt du's löſen.“ 

Mit wichtiger Runde. 

Sh weiß nun Wiles gang genau von dem Plan 
gegen Belifars Leben: Ort und Beit: und die Namen 
der Eidbrüder. ” 

G3 find: Teja, Totila und Hildebad.“ 

wweder allein genug fiir den Magifter Militum,“ 
murmelte Gethegus vergniiglic. | 

wit) Denfe, o Herr, du aft ven Barbaren wohl 
wieder eine ſchöne Falle geftellt! 

Ich babe. ihnen, auf deinen Befehl, entredt, daß 
Beliſar felbft morgen gum tiburtinifden Chor hinaus 
gieben will, um BVorrathe aufzutreiben.“ 

„Ja, ev felbft geht mit, weil fic) die oft aufgefangnen 
Hunnen nidt mehr allein hinans wagen; ev führt nur 
vierhundert Mann.“ 

„Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der 


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„Eine Votingabe von mir,” fagte Syphar rafd. 

Der Apoftel hetlte memen Fug, id hatte mir einen 
Dorn eingetreten.” 
Ich dachte, Du verebrft nur den Sehlangengott ** 

„Ich verebre, was da hilft.“ 

„In weldem Fue ftaf der Dorn.“ 

Syphax ſchwankte einen Wugenblid. 

wom Redten," fagte er dann, raſch entfdloffen. 

„Schade,“ fprad Teja, ,die Sandale ift anf den 
linfen gefdnitten.“ 

Und er ftedte fie in den Gürtel. 

„Ich warne did), Königin, vor folder nächtlichen 
Andacht.“ 

„Ich werde thun, was meine Pflicht, ſagte Mata⸗ 
ſwintha herb.“ 

„Und id), was meine.“ 

Mit viefen Worten ſchritt Teja voran, zurück gum 
Lager: fdweigend folgte vie Königin und ihre Sflaven. 


Vor Sonnenanfgang ftand Teja vor Witidhis und 
beridtete ihm Wiles. | 

„Was du fagft, ift fein Beweis,“ fagte der König 

„Aber ſchwerer Verradt. 

Und du ſagteſt ſelbſt, die Königin fet dir unheimlich.“ 

„Grade deßhalb hilt? id) mid, nach bloßem Verdacht 
zu handeln. 


131 


Ich zweifle mandmal, ob wir an iby nidt Unredt 
gethan. 

Faſt fo ſchwer, wie an Rauthgunvdis.” 

„Wohl, aber diefe nächtlichen Gange 

„Werd' id) verbindern. Schon um ibretwillen.” 

„Und der Manure? Beh traw’ ihm nit. 

Sd) weiß, dag er tagelang abwefend: dann taudt er 
wieder auf im Lager. 

Gr ift ein Spaber.” 

„Ja, Freund, ladelte Witichis. Wher der meine. 

Cr geht mit meinem Wiffen in Rom aus und ein. 

Er ift e8, der mir nod) alle Gelegenheiten verrathen.“ 

„Und nod) feine bat geniigt! 

Und die falfde Gandale 2" 

‚Iſt wirklich ein BVotivopfer. 

Uber fitr Diebftahl; ex hat mir, mod) ehe du kamſt, 
Ales gebeichtet. 

Gr hat, bei der Begleitung ver Königin fid lang: 
weilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgeltdbert und 
pa unten allerlet Brieftergeminder und vergrabnen 
Gdmud gefunden und bebalten. 

Aber fpadter, den Born des Apoftels fiirdtend, wollt’ 
ex ibn befchwidtigen, und opferte, in feinem Seidenfinn, 
viefe Gold» Gandale aus feiner Beute. 

Gr befdrieb fie mir gang genau: mit golbnen Seiten: 
ftveifen und einem Achatknopf, oben mit einem C —. 

Du ſiehſt, es trifft Wes gu. 

Gr fannte fie alfo: fie fann nidt von einem Flüchten⸗ 
ben verloren fein. 

9* 


132 


Und er verfprad, als Beweis die dazu gehörige 
Sandale des redten Fußes gu bringen. 

Aber vor Wem: er hat mir einen neuen Plan vers 
rathen, der all’ unſrer Moth ein Ende mades und 
Beliſarius felbft’ in unfre Hanve liefern foll.” 


. J 


Belmtes Capitel. 





Wabrend ver Gothentinig viefen Plan feinem Freunde 
mittheilte, ftand Gethegus, in frithfter Stunde nad dent 
belifarifdjen Thor befchieden, vor Velifar und Johannes. 

»prafect von Rom," herrfdte ihn der Feldherr beim 
Gintreten an, ,wo warft du heute Macht?" 

„Auf meinem Boften. 

Wohin iG gehöre. Am Dhor SGanct Pauls.” 

„Weißt Du, daß in diefer Macht etner der beften 
meiner Anfiihrer, Perfeus der Archon, des Johannes 
Bruver, die Stadt verlaffen hat und feitbem verſchwun⸗ 
pen tft?" | 

„Thut mir leid. 

Uber du weißt: es ift verboten, ohne Erlaubniß die 
Mauer yu überſchreiten.“ 

„Ich babe aber Grund gu glauben," fuhr Sobannes 
auf, „daß Du redjt gut weit, was aus meinem Bruder . 
geworden, daß fein Blur an deinen Handen klebt.“ 

»Und beim Sdlummer Iuftinians! braufte Belifar 
auf, das follft pu büßen. 


134 


Richt Langer follft du herrſchen ither des Kaiſers Heer 
und Feldherrn. 

Die Stunde der Abrechnung iſt gekommen. 

Die Barbaren ſind ſo gut wie vernichtet. Und laß 
ſehn, ob nicht mit deinem Haupt auch das Capitol fällt.“ 

„Steht es ſo?“ dachte Cethegus, jetzt ſieh dich vor, 
Beliſarius.“ 

Doch er ſchwieg. 

worede!" rief Johannes. Wo haſt du meinen 
Bruder ermordet?" 

She Cethegus antworten fonnte, trat Urtafines, ein 
perfifdjer Leibwächter Beliſars, herein. 

Herr,“ fagte er, ,draufen ftehn ſechs gothiſche Rieger. 

Sie bringen vie Vide Perfens, des Archonten. 

König Witichis läßt dtr fagen: er fet heut' Nacht 
vor den Mauern durch Graf Teja's Beil gefallen. 

Er ſendet ihn zur ehrenden Beſtattung.“ 

„Der Himmel ſelbſt,“ ſprach Cethegus ſtolz hinaus⸗ 
ſchreitend, „ſtraft eure Bosheit Lügen.“ 

Uber langſam und nachdenklich ging der Prifect über 
ten Ouivinal und das Forum Trajans nad feinem 
Wohnhaus. 

wou drobft, Beliſarius? Dan’ für den Wink! 

Lak ſehn, ob wir dich nicht entbehren können.“ 


135 


Sn feiner Wohnung fand er Syphax, der ihn uns 
geduldig erwartet hatte und ihm rafden Bericht abs 
legte. 

voor Wem, Herr," ſchloß er nun, „laß alfo deinen 
Sandalenbinder peitfden. 

Du fiehft, wie ſchlecht vu bedient bift, ift Syphar 
fern: — und gieb mir gütigſt deinen rechten Schuh.“ 

„Ich follte dir ihn nicht geben und did) gappeln laſſen 
für dein freches Lügen,“ lachte ver Prafect. 

wdiefes Stück Leder iſt jetzt dein Leben werth, mein 
Panther. 

Womit willft du's löſen.“ 

Mit widtiger Runde. 

Sh weiß mm Wes gang genau von dem Plan 
gegen Belifars Leben: Ort und Beit: und die Namen 
der Eidbrüder. ° 

Es find: Leja, Lotila und Hildebad.“ 

‚„Jeder allen genug fiir den Magifter Militum,“ 
murmelte Gethegus vergnitglid. | 

wot) Denfe, o Herr, du Haft ven Barbaren wobl 
wieder eine ſchöne Falle geftellt! 

3d babe. ihnen, auf deinen Befebl, entdedt, dak 
Belifar felbft morgen gum tiburtinifden Thor hinaus 
ziehen will, um BVorrathe aufzutreiben.“ 

„Ja, ev felbft geht mit, weil fic) die oft aufgefangnen 
Hunnen nicht mehr allein hinaus wagen; er fithrt nur 
vierhundert Mann.“ 

„Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der 


136 





Sulvier einen Hinterhalt von taufend Mann gegen Beli- 
far fegen. 

„Das verdient wirklich den Schuh!“ fagte Cethegus 
und warf ibm venfelben ju." 

„König Witichis wird indeſſen nur einen Sdhemangriff 
machen Laffen auf das Thor Sanct Pauls, vie Gedanken 
ver Unfern von Beliſar abzulenken. 

Ich eile nun alfo zu Velifar, ihm zu fagen, wie du 
mir aufgetragen, daß er drei Tauſend mit ſich nimmt 
und jene gegen ihn Verſchwornen vernichtet.“ 

„Halt!“ ſagte Cethegus ruhig, „nicht fo eilfertig! 

Du meldeſt nichts.“ 

„Wie?“ fragte Syphar erſtaunt. „Ungewarnt iſt er 
verloren!“ — 

„Man muß dem Schutzgeiſt des Feldherrn nicht ſchon 
wieder, nicht immer, in's Amt greifen. 

Beliſar mag morgen ſeinen Stern erproben.“ 

„Ei,“ ſagte Syphax mit pfiffigem Lächeln, „Solches 
gefällt dir? 

Dann bin td lieber Syphax, ver Sklave, als Beli⸗ 
farius, der Magiſter Militum. 

Arme Wittwe Antonina!” 

Sethegus wollte ſich auf das Lager ftreden, da meldete 
Fidus, ver Oftiarius: ,,Ralliftratos von Korinth.“ 

„Immer willkommen.“ 

Der junge Grieche mit dem ſanften Antlitz trat ein. 

Ein Hauch anmuthiger Röthe von Scham oder Freude 
färbte ſeine Wangen: es war erſichtlich, daß ihn ein 
beſonderer Anlaß herführte. 





137 


„Was bringft du des Schönen nod auger div ſelbſt?“ 
fo fragte Gethegus in griechiſcher Sprache. 

Der Jüngling fdlug vie leudjtenden Augen auf: 

Sin Herg voll Bewunderung fiir vid): und den 
Wunſch, dir viefe yu bewabhren. 

Ich bitte um die Gunft, wie die beiden Licinier und 
Pifo, für vic) und Rom fedten zu dürfen.“ 

„Mein Kalliſtratos! was kümmern did, unfern 
Hriedens «Gaft, den liebenswiirdigften der Hellenen, 
unfre blutgen Handel mit ven Barbaren? 

Bleibe Du von Ddiefem ſchweren Ernft und pflege 
veines heitern Erbes, ver Schönheit.“ 

„Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis ſind ferne 
wie ein Mythos: und ihr eiſernen Römer habt uns nies 
mals Kraft zugetraut. 

Das iſt hart — aber doch leichter zu tragen, weil 
ihr es ſeid, die unſre Welt, die Kunſt und edle Sitte 
vertheidigt gegen die dumpfen Barbaren. 

Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus. 

So faß ich dieſen Kampf und ſo gefaßt, ſiehſt du, 
ſo geht er wohl auch den Hellenen an.“ 

Erfreut lächelte der Präfect. 

„Nun, wenn dir Rom Cethegus iſt, ſo nimmt Rom 
gerne die Hülfe des Hellenen an: du biſt fortan Tribun 
der Milites Romani wie Licinius.“ 

„In Thaten will ich dir danken! 

Aber eins noch muß ich dir geſtehn — denn ich 
weiß: du liebſt nicht überraſcht zu ſein. 





130 


„Eine Votingabe von mir,” fagte Syphar rafd. 

Der Apoftel heilte memen Fug, ich hatte mir etnen 
Dorn eingetreten." 
Ich dachte, du verebrft nur den Schlangengott! ? 

„Ich verehre, was da hilft.“ 

von welchem Fuge ſtak per Dorn.“ 

Syphax fdwantte einen Wugenblid. 

„Im Rechten,“ fagte er dann, raſch entſchlofſen. 

„Schade,“ ſprach Teja, die Sandale iſt anf den 
linken geſchnitten.“ 

Und er ſteckte ſie in den Gürtel. 

„Ich warne did), Königin, vor folder nächtlichen 
Andacht.“ 

„Ich werde thun, was meine Pflicht, ſagte Mata⸗ 
ſwintha herb.“ 

„Und ich, was meine.“ 

Mit dieſen Worten ſchritt Teja voran, zurück zum 
Lager: ſchweigend folgte die Königin und ihre Sklaven. 


Vor Sonnenaufgang ſtand Teja vor Witichis und 
berichtete ihm Alles. | 

„Was du fagft, ift fein Beweis,“ fagte ver King 

wlber ſchwerer Verdadt. 

Und du fagte(t felbft, die Königin fet dir unheimlich.“ 

Brave deßhalb hüt' id) mid, nad bloßem Verdacht 
zu handeln. 


131 


Sh zweifle mandmal, ob wir an iby nidt Unredt 
gethan. 

Saft fo ſchwer, wie an Rauthgundis." 

. Wohl, aber diefe nadtliden Gange 

Werd' id verbindern. Schon um ihretwillen.” 

„Und der Mtaure? Ich tran’ ihm nicht. 

Ich weiß, dag er tagelang abwefend: dann taudht er 
wieder auf im Lager. 

Gr ift ein Späher.“ 

Ja, Freund, lächelte Witichis. Aber der meine. 

Gr geht mit meinem Wiffen in Rom aus und ein. 

Gr ift e8, der mir nod alle Gelegenbeiten verrathen." 

Und nod feine bat genitet! 

Und die falſche Gandale 2" 

Ot wirklich ein BVotivopfer. 

Wher fiir Diebftabl; ex hat mir, nod ehe du famft, 
Alles gebeichtet. 

Er hat, bet ver Begleitung ver Königin fic) lang: 
weilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgeftdbert und 
pa unten allerlet Prieftergewander und vergrabnen 
Schmuck gefunden und bebalten. 

Aber fpdter, den Born des Apoftels fitrdtend, wollt’ 
ex ibn befdwidtigen, und opferte, in feinem Heidenfinn, 
piefe Golds Gandale aus feiner Beute. 

Gr beſchrieb fie mir gang genau: mit golonen Seiten⸗ 
ftveifen und einem Wdhatfnopf, oben mit einem C —. 

Du fiehft, es trifft Wes gu. 

Er tannte fie alfo: fie fann nicht von einem Flüchten⸗ 
ben verloren fein. 

| g* 


132 





Und er verfprad, als Beweis die dazu gebdrige 
Gandale des redjten Fußes gu bringen. 

Aber vor Wem: er hat mir etnen neuen Plan vers 
rathen, der all unfrer Noth etn Ende maces und 
Belifarius ſelbſt in unfre Hande liefern fol.“ 


Behntes Capitel. 





Wahrend der Gothentdnig diefen Plan feinem Freunde 
mittheilte, ftand Gethegus, in frithfter Stunde nad dem 
belifarifdjen Thor beſchieden, vor BVelifar und Johannes. 

„Präfect von Rom,” herrfdte ihn vex Feldhery beim 
Gintreten an, „wo warft du heute Macht 2" 

„Auf meinem Boften. 

Wohin id gehöre. Am Thor Sanct Pauls.” 

„Weißt DU, DAR im Ddiefer Nacht einer der beften 
meiner Anführer, Perfeus ver Archon, ves Johannes 
Bruver, die Stadt verlaffen hat und feitbem verfdwun- 
pen iſt?“ 

„Thut mir leid. 

Uber Du weit: es ift verboten, ohne Erlaubniß die 
Mauer yu überſchreiten.“ 

„Ich babe aber Grund gu glauben,” fubr Johannes 
auf, „daß du recht gut weit, was aus meinem Bruder . 
geworden, daß fein Blur an deinen Händen klebt.“ 

„Und beim Schlummer Buftinians! braufte Beliſar 
auf, das follft du büßen. 


134 


Nicht langer follft ou herrſchen ther des Kaiſers Heer 
und Feldherrn. 

Die Stunde der Abrechnung iſt gekommen. 

Die Barbaren find fo gut wie vernichtet. Und laf 
febn, ob nidjt mit deinem Haupt aud) das Capitol fällt.“ 

„Steht e8 fot dachte Cethegus, jetzt ſieh dich vor, 
Beliſarius.“ 

Doch er ſchwieg. 

„Rede!“ rief Johannes. „Wo haſt du meinen 
Bruder ermordet?“ 

Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artaſines, ein 
perſiſcher Leibwächter Beliſars, herein. 

Herr,“ fagte er, ‚draußen ſtehn feds gothiſche aArieger. 

Sie bringen tie Leiche Perſeus, des Archonten. 

König Witichis läßt dir ſagen: er ſei heut' Nacht 
vor den Mauern durch Graf Teja's Beil gefallen. 

Er ſendet ihn zur ehrenden Beſtattung.“ 

„Der Himmel ſelbſt,“ ſprach Cethegus ſtolz hinaus⸗ 
ſchreitend, „ſtraft eure Bosheit Lügen.“ 

Uber langſam und nachdenklich ging der Praͤfect über 
den Quirinal und das Forum Trajans nach ſeinem 
Wohnhaus. 

„Du drohſt, Beliſarius? Dan’ fiir den Wink! 

Lah ſehn, ob wir did) nicht entbehren können.“ 


135 


Sn feiner Wohnung fand er Syphax, ver ihn un- 
geduldig ermartet atte und ihm rafden Bericht abs 
legte. 

„Vor Alem, Herr," ſchloß ex nun, „laß alfo deinen 
Sandalenbinder peitſchen. 

Du fiehft, wie fclecht du bedient biſt, ift Syphax 
fern: — und gieb mir gittigft deinen rechten Schuh.“ 

„Ich follte dix ihn nicht geben und dic zappeln laſſen 
für dein freches Lügen,“ lachte der Prafect. 

„Dieſes Stück Leder iſt jetzt dein Leben werth, mein 
Panther. 

Womit willſt du's löſen.“ 

Mit wichtiger Kunde. 

Ich wei nun Wes ganz genau von dem Plan 
gegen Belifars Leben: Ort und Beit: und die Namen 
ber Ginbritver. ° 

Es find: Leja, Lotila und Hildebad.“ 

„Jeder allein genug fiir ven Magifter Militum,“ 
murmelte Gethegus vergniiglicd. | 

wd) Denfe, o Herr, du haft ven Barbaren wobl 
wieder eine ſchöne Galle geftellt! 

Sd habe. ihnen, auf deinen Befehl, entdedt, dak 
Beliſar felbft morgen gum tiburtinifdyen Thor hinaus 
gteben will, um Vorräthe aufyutreiben.” 

„Ja, ev felbft geht mit, weil fic) die oft aufgefangnen 
Hunnen nicht mehr allein hinaus wagen; er fiibrt nur 
vierhundert Mann.“ 

„Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der 


136 





Fulvier einen Hinterhalt von taufend Mann gegen Beli⸗ 
jar legen. 

„Das verdient wirflid) den Schuh!“ fagte Cethegus 
und warf ihm venfelben gu." 

„König Witichis wird indefjen nur einen Scheinangriff 
machen laſſen auf das Thor Sanct Pauls, die Gedanken 
ver Unfern von Belijar abgulenten. | 

Ich eile nun alfo yu Velifar, ihm gu fagen, wie du 
mir aufgetragen, daß er dret Laufend mit fic) nimmt 
und jene gegen ihn Verſchwornen vernidtet." 

walt!" fagte Cethegus rubig, „nicht fo eilfertig! 

Du meldeft nits.“ 

„Wie?“ fragte Syphar erftaunt. „Ungewarnt ift er 
verloren!“ — 

„Man muß dem Schutzgeiſt des Feldherrn nicht ſchon 
wieder, nicht immer, in's Amt greifen. 

Beliſar mag morgen ſeinen Stern erproben.“ 

„Ei,“ ſagte Syphar mit pfiffigem Lächeln, „Solches 
gefällt dir? 

Dann bin ich lieber Syphax, der Sklave, als Beli⸗ 
ſarius, der Magiſter Militum. 

Arme Wittwe Antonina!“ 

Cethegus wollte ſich auf das Lager ſtrecken, da meldete 
Fidus, ver Oſtiarius: ,Ralliftratos von Korinth.“ 

„Immer willkommen.“ 

Der junge Grieche mit dem ſanften Antlitz trat ein. 

Ein Hauch anmuthiger Röthe von Scham oder Freude 
färbte ſeine Wangen: es war erſichtlich, daß ihn ein 
beſonderer Anlaß herführte. 


137 


„Was bringft du des Schönen nod) auger vir felbft2 
fo fragte Gethegus in griechifder Sprade. 

Der Jüngling ſchlug die leudtenden Augen auf: 

win Hey ; voll Bewunderung fiir vid): und den 
Wunſch, dir diefe zu bewabhren. 

Ich bitte um die Gunft, wie die beiden Licinier und 
Pifo, für vid) und Rom fedten gu dürfen.“ 

„Mein Kalliſtratos! was kümmern did, unfern 
Friedens-Gaſt, den liebenswiirdigften ver Hellenen, 
unfre blutgen Handel mit ven Barbaren? 

Bleibe vu von Ddiefem fdweren Ernft und pflege 
deines heitern Erbes, ver Schönheit.“ 

„Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis ſind ferne 
wie ein Mythos: und ihr eiſernen Römer habt uns nies 
mals Kraft zugetraut. 

Das iſt hart — aber doch leichter zu tragen, weil 
ihr es ſeid, die unſre Welt, die Kunſt und edle Sitte 
vertheidigt gegen die dumpfen Barbaren. 

Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus. 

So faß ich dieſen Kampf und ſo gefaßt, ſiehſt du, 
ſo geht er wohl auch den Hellenen an.“ 

Erfreut lächelte der Präfect. 

„Nun, wenn dir Rom Cethegus iſt, ſo nimmt Rom 
gerne die Hülfe des Hellenen an: du biſt fortan Tribun 
ver Milites Romani wie Lieinius.“ 

„In Thaten will id vir danken! 

Aber eins nod muß ich div geftehn — denn id 
weig: du liebſt nicht überraſcht zu fein. 


138 





Oft bab’ ih gefehen, wie theuer dir das Grabmal 
Hadrians und feine Bier von Gitterftatuen ift. 

.Neulich hab’ ich diefe marmornen Wächter gezählt 
und zwei hundert adt und neunzig gefunden. 

Da macht' id denn das dritte Hundert voll und 
habe meine beiden Letoiden, die du fo bod gelobt, ven 
Apollon und die Artemis, dort aufgeftellt, vir und Rom 
zu einem Weihgefdent.« 

»dunger lieber Verſchwender,“ ſprach Cethegus, was 
baft du da gethan!" 

„Das Gute und Schöne,“ antwortete Kalliſtratos 
einfach. 

„Aber bedenfe — das Grabmal iſt jetzt eine Schanze — 

Wenn die Gothen ſtürmen —“ 

„Die Letoiden ſtehen auf der zweiten, der innern 
Mauer. 

Und ſoll ich fürchten, daß je Barbaren wieder den 
Lieblingsplatz des Cethegus erreichen? 

Wo ſind die ſchönen Götter ſichrer als in deiner 
Burg? 

Deine Schanze iſt mir ihr beſter, weil ihr ſicherſter 
Tempel. 

Mein Weihgeſchenk ſei zugleich ein glücklich Omen.“ 

„Das ſoll es ſein,“ rief Cethegus lebhaft „und ich 
glaube ſelber: dein Geſchenk iſt gut geborgen. 

Aber geſtatte mir dagegen“ — 

„Du haſt mir ſchon dafür erlaubt, für dich zu kämpfen. 
Chaire!“ lachte der Grieche und war hinaus 


139 





„Der Knabe hat mich ſehr lieb,“ fagte Gethegus, ihm 
nachſehend. 

Und mir geht's wie andern Menſchenthoren: — mir 
thut das wohl. 

Und nicht bloß, weil ich ihn dadurch beherrſche.“ 

Da hallten feſte Schritte auf dem Marmor ves Vefti- 
bulums und ein Tribun der Milites ward gemeldet. 

Es war ein junger Krieger mit edeln, aber über 
ſeine Jahre hinaus ernſten Zügen. 

In echt römiſchem Schnitt ſetzten die Wangenknochen 
faſt im rechten Winkel an die grade ſtrenge Stirn: in 
dem tief eingelaſſſen Auge fag römiſche Kraft und — 
in dieſer Stunde — entſchloſſner Ernſt und rüchſichts⸗ 
loſer Wille. 

„Siehe da, Severinus, des Boéthius Sohn, will: 
fommen mein junger Held und Philoſoph. 

Viele Monate habe id) dich nicht gefehn — wober 
fommit du 2" 

oom Grabe meiner Mutter ,“ fagte Severinus mit’ 
feftem Blick auf den Prager. 

Cethegus fprang auf. 

„‚Wie? Rufticiana? meine Bugendfreundin! meined 
Boethius Weib!“ 

Sie iſt todt,“ ſagte der Sohn kurz. 

Der Prafect wollte ſeine Hand faſſen. 

Severinus entzog ſie. 

„Mein Sohn, mein armer Severinus! Und ſtarb 
ſie — ohne ein Wort für mich?“ 

„Ich bringe dix iby letztes Wort — es galt dir!" 


140 





‚Wie ftarb fie? an weldem Leiden 2% 

„An Schmerz und Reue." 

„Schmerz —“ ſeufzte Gethegus, dad begreif id. 
Uber was follte fie bereuen! 

Und mir galt ihr legtes Wort! — fag’- an, wie 
lautet es?“ 

Da trat Severinus hart an den Prifecten, dak er 
fein Knie berithrte und blidte ibm bobrend in's Auge. 

„Fluch, Fluch über Gethegus, ver meine Seele vers 
giftet und mein Sind.” 

Rubig fah ihn Cethegus an. 

„Starb fie im Irrſinn?“ fragte er falt. 

ein, Mörder: fie lebte im Irrſinn, fo lang fle 
Dir vertrante. 

Sn ihrer Tovesftunde hat fie Gaffiodor und mix ges 
ftanden, daß ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift 
gereicht, das du gebradt. 

Sie erzablte uns den Hergang. 

Der alte Corbulo und feine Lodter Daphnidion 
ſtützten fie. 

„Spät erft exfubr id," ſchloß fle, daß mein Rind aus 
vem tödtlichen Beder getrunfen. Und niemand war 
va, Camilla in den Arm gu fallen, als fie trinfen 
wollte. 

Denn id) war nod) im Bot auf vem Meere und 
Gethegus nod) in dem Platanengang.“ 

Da rief ver alte Corbulo erbleidhend: Wie? der 
Prafect wukte, daß der Beder Gift enthielt 2” 

„Gewiß,“ antwortete meine Mutter. 


141 





„Als id) ihn im Garten traf, fagt’ id es ibm: „es 
iſt geſchehen.“ 

Corbulo verſtummte vor Entſetzen: aber Daphnidion 
ſchrie in wildem Schmerz. 

eh! meine arme Domina! fo hat er fie ers 
morbdet ! 

Denn er ftand dabei, dicht neben mir, und fah 3u, 
wie fie tranf.” — 

„Er fah gu, wie fle trank?“ fragte meine Mutter 
mit einem Zone, der ewig durch mein Leben gellen wird. 

„Er fah gu, wie fie trant!" widerbolten der Frei- 
gelafine und fein Sind. 

wd fo fet den untern Damonen fein verfludtes Haupt 
geweibt | : 

Rade, Gott, in ver Hille, Race, meine Söhne, 
auf Erden fiir Camilla! 

Fluch über Cethegus!“ 

Und ſie fiel zurück und war todt.“ 

Der Präfect blieb unerſchüttert ſtehen. 

Nur griff ev leiſe an den Dold unter den Bruſt⸗ 
falten der Tunica. 

wou aber” — fragte er nad) einer Paufe — ,was 
thateft bu 2“ - 

Ich aber tniete nieder an der Leide und küßte ibre 
kalte Gand und fdwor ihr's gu, ihr Sterbewort 3u 
vollenden. 

Wehe dir, Präfect von Rom: Giftmiſcher, Mörder 
meiner Schweſter — du ſollſt nicht leben.“ 

„Sohn des Boethius, willſt du gum Mörder werden 


142: 


um die Wahnworte eines lappifden Sklaven und feiner 
Dirne? 

Wiirdig ves Helden und des Philofophen !“ 

„Nichts von Mord. 

Wire id ein Germane, nad dem Brauche diefer 
Barbaren — er diint mir heute fehr vortrefflid — 
rief' ich did) zum Rweifampf, du verbafter Feind. 

Sh aber bin ein Rimer und fuce meine Rade 
auf dem Wege des Redhts. 

Hüte did), Prafect, nok giebt es Richter in Italien. 

Lange Mtonate hielt mid) der Krieg, ver Feind von 
viefen Mauern ab. — 

Erſt heute babe id) Rom, von ver Gee ber, erretdt ; 
und morgen erheb’ id) die Rlage bei ven Genatoren, 
pie deine Richter find — dort finden wir ung wieder.“ 

Gethegus vertrat ihm pliglid) ven Weg an die 
Thüre. 

Aber Severinus rief: 

„Gemach, man ſieht ſich vor mit Mördern. 

Drei Freunde haben mid an dein Haus begleitet. — 

Sie werden mid) mit den Lictoren fuden, komm' ip 
nicht wieder, nod) in diefer Stunde." 

„Ich wollte vid) nur,“ fagte Cethegus wieder ganz 
rubig, ,vor vem Wege der Schande warnen, 

Willft du ven alteften Freund deines Hanfes um 
per Gieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweis⸗ 
barer Mordklage verfolgen, — thu’s: id fann’s nidt 
hinder. 

Aber nod) einen Wnftrag zuvor — du bift mein 


143 


Ankläger geworden: aber du bleibſt Soldat: und mein 
Tribun. 

Du wirſt gehorchen, wenn dein Feldherr befiehlt.“ 

„Ich werde gehorchen.“ | 

Morgen fteht ein Ausfall Belifars bevor: und ein 
Sturm ver Barbaren. 

Sd mug vie Stadt befdhirmen. 

Dod) abnt mir Gefahr fiir ven löwenkühnen Mann: 
— id mug ibn treu gebittet wifjen. 

Du wirft morgen, ic) befehl’ e8, den Feldherrn bes 
gleiten und fein eben decken.“ 

„Mit meinem eignen." 

„Gut, Lribun, id) verlaffe mid auf dein Wort." 

„Bau' Du auf meines: auf Wiederfehn: nad ver 
Schlacht: vor dem Senat. 

Nad beiden Kämpfen litftet mic) gleich febr. 

Auf Wiederfebn: — — wor dem Genat.” 

„Auf Nimmerwiederſehn,“ fprad) Gethegus, als fein 
Schritt verhallte. 

„Syphar,“ rief er laut, ,bringe Wein und das 
Hauptmal. 

Wir müſſen uns ſtärken: — auf morgen." 


Glftes Capitel. 





Früh am andern Morgen wogte ſowohl in Rom als 
in dem Lager der Gothen geſchäftige Bewegung. 

Mataſwintha und Syphar hatten gwar Einiges ents 
deckt und gemeldet: — — aber nicht Alles. 

Sie hatten von dem Gelübde der drei Männer 
gegen Beliſar erfahren und den früheren Plan eines bloßen 
Scheinangriffs gegen das Sanct Pauls Thor, um von 
vem Gedanken an Beliſar's Geſchick abzulenken. 

Aber nicht hatten ſie erfahren, daß der König, in 
Aenderung jenes Planes eines bloßen Scheinangriffs, 
für dieſen Tag der Abweſenheit des großen Feldherrn 
einen in tiefſtes Geheimniß gehüllten Beſchluß gefaßt 
hatte: es ſollte ein letzter Verſuch gemacht werden, ob 
nicht gothiſches Heldenthum doch dem Genius Beliſars 
und den Mauern des Prafecten überlegen fei. 

Man hatte fic) tm Kriegsrath des Königs nicht über 
vie Widhtigkeit ves Unternehmens getaufdt: wenn es wie 
alle fritheren, vereinzelten Ungriffe — adt und ſechzig 
Schlachten, Ausfälle, Stürme und Gefedte hatte Profop 
während ver Belagerung bis dahin aufgezählt — ſchei⸗ 


145 


terte, fo war von dem ermiideten, ſtark gelidteten Heer 
feine weitere Anftrengung mehr zu erwarten. 

Deßhalb hatte man fic) auf Teja's Rath eidlid) vers 
pflidjter, über den Plan gegen Jedermann ohne Wuse 
nahme zu fdweiger. 

Daher hatte auch Mataſwintha nichts vom König 
erfahren. und ſelbſt ihres Mauren Spürnaſe konnte nur 
wittern, daß auf jenen Tag etwas Großes gerüſtet werde 
— die gothiſchen Krieger wußten ſelbſt nicht was. 

Totila, Hildebad und Teja waren ſchon um Mitter⸗ 
nacht mit ihren Reitern geräuſchlos aufgebrochen und 
hatten ſich ſüdlich von der valeriſchen Straße bei dem 
Grabmal der Fulvier, an dem in einer Hügelfalte Beliſar 
vorbeikommen mußte, in Hinterhalt gelegt: fie hofften, 
mit ihrer Aufgabe bald genug fertig zu ſein, um noch 
weſentlich an den Dingen bei Rom Theil nehmen zu 
können. 

Während der König mit Hildebrand, Guntharis und 
Markja die Scharen innerhalb ver Lager ordnete, 30g 
um GSonnenanfgang- Belijfar, von einem Theil feiner 
Leibwadhter umgeben, zum tiburtinifden Thor hinaus. 

Profop und Severinus ritten ihm zur Redhten und 
Linken: Aigan, ver Maſſagete, trug fein Banner, vas bei 
allen Gelegenbeiten den Magifter Militum yu begleiten 
hatte. 

Gonftantinus, rem er an feiner Statt die Gorge 
für den „beliſariſchen Theil’ von Rom itbertragen, bes 
febte alle Boften längs der Mauern doppelt, und lief 


rie Crippen hart an ven Wallen unter ren Waffen 
Dabhn, Cin Kampf um Rom. III. 10 


146 


bleiben. Er itberfandte den gleiden Befehl bem Prafecten 
fiir die Byzantiner, die diefer führte. 

Der Bote traf ibn auf den Wallen zwiſchen dem 
paulinifden und bem appifden Thor. 

~Velifar meint alfo:" höhnte Cethegus, während er 
gehordte, ,mein Rom ift nidt fier, wenn ev es nicht 
bebittet: id) aber meine: Cr ift nicht fider, wenn 
ibn mein Rom nicht beſchirmt. 

Komm , Lucius Licinius ," flifterte ex diefem gu, wir 
milffen an den Fall venfen, daß Belifar einmal nicht 
wiederfehrt von feinen Heldenfabrten: rann mug etn 
Andrer fein Heer mit fefter Hand ergreifen." 

od) fenne die Hand.“ 

‚Vielleicht giebt e8 alsdann einen furjen Kampf mit 
fetnen in Rom belaffnen Letbwadtern: in den Thermen 
des Diokletian oder am tiburtinifden Thore. Ste müſſen 
dort in ihrem Lager erdriidt fein, ebe fle fic) recht bee 
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile 
fie, ohne Auffehen, rings um die Thermen her: auch 
befebe mir vor Wem das tiburtinifde Thor.“ 

„Von wo aber foll ich fie fortgiehen 2” 

„Von dem Grabmal Hadrians,“ fagte Cethegus nach 
einigem Befinnen. 

„Und vie Gothen, Feldherr?“ 

Bah! das Srabmal ift feft, es ſchützt ſich felbft. 

Erſt miiffen vom Süden her die Stiirmenden ber 
ven Glug: und dann dieſe eisglatten Wände von parifdem 
Marmor hinan, meine und des Korinthers Freude. 

Und zu dem,“ lächelte er, „ſieh' nur hinauf: da 


147 





oben fteht ein Geer von marmornen Göttern und 
Heroen: fie mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen 
die Barbaren. 

‚„Siehſt du, — id) fagte e8 ja — es geht nur bier 
gegen das Sanct Pauls Thor,” ſchloß er, auf das Lager 
ver Gothen deutend, aus weldem eben eine ftarfe Whs 
thetlung in dieſer Ridtung aufbrad. 

Licinius gehordte und führte alsbald dreitauſend 
Iſaurier, etwa die Hälfte der Deckung, ab: von dem 
Grabmal über den Fluß und den Viminalis hinab 
gegen die Thermen Diokletians. 

Beliſar's Armenier am tiburtiniſchen Thor löſte er 
dann auch durch dreihundert Iſaurier und Legionare ab. 

Cethegus aber wandte ſich nach dem ſalariſchen Thor, 
wo jetzt Conſtantinus als Vertreter Beliſar's hielt. 

„Ich muß ihn aus dem Wege haben, dachte er, 
wenn die Nachricht eintrifft.“ 

„Wenn du die Barbaren zurückgeworfen,“ ſprach er ihn 
an, ,wirft Du dod) wohl einen Ausfall machen müſſen? 
Welche Gelegenheit, Lorbern gu fammeln, wabhrend der 
Feldherr fern iſt!“ 

„Ja wohl.“ rief Conſtantinus, „ſie follen’ s erfabren, 
Dag wir fie aud) ohne Beliſarius fdlagen können.“ 

Hr müßt aber rubiger zielen,“ fagte Cethegus, einem 
perfifden Schützen den Bogen abnehmend. 

„Seht ven Gothen dort, den Führer gu Pferd! Er 
ſoll fallen.“ 

Cethegus ſchoß; der Gothe fiel vom Roß, durch den 
Hals geſchoſſen. 


10* 


140 





‚Wie flarh fle? an weldem Leiden 2 

„An Schmerz und Reue.“ 

„Schmerz —“ feufste Gethegus, „das begreif id. 
Uber was follte fie bereuen! 

Und mir galt iby legtes Wort! — fag’- an, wie 
fautet es?" 

Da trat Severinus hart an den Préfecten, daß er 
fein Knie berithrte und blidte ibm bohrend in's Auge. 

„Fluch, Fluch über Gethegus, ver meine Seele ver⸗ 
giftet und mein Sind.” 

Rubig jah ihn Cethegus an. 

„Starb fle im Irrſinn?“ fragte er falt. 

tein, Mörder: fie lebte im Irrſinn, fo lang fle 
dir vertraute. 

Sn ihrer Todesftunde hat fte Caſſiodor und mix ges 
ftanden, daß thre Hand dem jungen Tyrannen dads Gift 
gereidjt, das du gebradt. 

Gie erzählte uns den Hergang. 

Der alte Corbulo und feine Tochter Daphnidion 
ftiigten fie. 

„Spät erft erfubr id, ſchloß fie, „daß mein Rind aus 
pem tintliden Beder getrunfen. Und niemand war 
pa, Camilla in den Arm gu fallen, al fie trinfen 
wollte. 

Denn id) war nod im Bot auf vem Meere und 
Cethegus nod) in dem Platanengang.“ 

Da rief ver alte Corbulo erbleicend: ‚Wie? der 
Prafect wußte, va ver Beder Gift enthielt 2 

„Gewiß,“ antwortete meine Mutter. 


141 





„Als id) ihn im Garten traf, fagt? id e8 ihm: „es 
ift geſchehen.“ 

Corbulo verftummte vor Entſetzen: aber Daphnidion 
fdrie in wildem Schmerz. 

eh! meine arme Domina! fo bat er fie ers 
mordet ! 

Denn er ftand dabei, didt neben mir, und fal 3u, 
wie fie trank.“ — 

„Er fah gu, wie fie tran? fragte meine Mutter 
mit einem Zone, der ewig durd) mein Leben gellen wird. 

„Er fah gu, wie fle trant!" widerbolten der Frei 
gelafine und fein Sind. 

ww fo fet den untern Damonen fein verfludtes Haupt 
geweibt | 

Rade, Gott, in der Halle, Race, meine Söhne, 
auf Erden fiir Camilla! 

Slud über Cethegus!“ 

Und ſie fiel zurück und war todt.“ 

Der Präfect blieb unerſchüttert ſtehen. 

Nur griff er leiſe an den Dold) unter den Bruſt⸗ 
falten der Tunica. 

„Du aber* — fragte er nad einer Paufe — ,,was 
thateft dn 2" | 

„Ich aber Eniete nieder an der Leiche und küßte ihre 
lalte Hand und fdwor ihr's gu, thy Sterbewort gu 
vollenden. 

Wehe dir, Prafect von Rom: Giftmifder, Marder 
meiner Schweſter — du follft nidt leben." 

„Sohn des Boéthins , willft du gum Mörder werden 


142: 





um die Wabhnworte eines lippifden Sklaven und feiner 
Dirne? 

Witrdig veS Helden und des Pbhilofophen !" 

„Nichts von Mord. 

Wire id ein. Germane, nad dem Brauche diefer 
Barbaren — er dünkt mir heute fehr vortrefflid — 
vief id) did) gum Rweifampf, du verbafter Feind. 

Sd aber bin ein Rimer und fuche meine Rade 
auf bem Wege ves Rechts. 

Hüte dich, Prafect, nok giebt es Richter in Stalien. 

Lange Monate hielt mid ver Krieg, ver Feind vou 
viefen Mauern ab. — 

Grft heute habe id) Rom, von ver Gee ber, erreicht: 
und morgen erbeb’ ich die lage bet den Senatoren, 
pie Deine Richter find — Dort finden wir und wieder.“ 

Gethegus vertrat ihm pliglid) ven Weg an die 
Thitre. 

Aber SGeverinus rief : 

„Gemach, man fieht fid) vor mit Mördern. 

Dret Freunde haben mid an dein Haus begleitet. — 

Sie werden mid) mit ven Lictoren fuden, fomm’ ich 
nidt wieder, nod) in dieſer Stunde." 

„Ich wollte did) nur,“ fagte Gethegus wieder ganz 
ruhig, vor dem Wege der Schande warnen. 

Willſt du den älteſten Freund deines Hauſes um 
per Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweis⸗ 
barer Mordklage verfolgen, — thu's: ich kann's nicht 
hindern. 

Aber noch einen Auftrag zuvor — du biſt mein 


143 


Ankläger geworden: aber du bleibft Goldat: und mein 
Tribun. 

Ou wirft gehorden, wenn dein Feldherr befiehlt.” 

„Ich werde gehorden.” | 

Morgen fteht etn Ausfall Belifars bevor: und ein 
Sturm ver Barbaren. 

Ich mug die Stadt befdirmen. 

Dod) ahnt mir Gefahr für den löwenkühnen Mann: 
— id) mug ibn treu gebittet wiffen. 

Du wirft morgen, ic) befehl’ e8, den Feldherrn bes 
gleiten und fein Leben decken.“ 

» Mit meinem eignen." 

„Gut, Lribun, id) verlaffe mid) auf dein Wort." 

„Bau' Du auf meines: auf Wiederfehn: nad ver 
Schlacht: vor dem Senat. 

Nad beiden Kämpfen litftet mid) gleich febr. 

Auf Wiederjehn: — — wor dem Senat." 

„Auf Nimmerwiederſehn,“ fprad Cethegus, als fein 
Schritt verhallte. 

„Syphar,“ rief er laut, ,bringe Wein und das 
Hauptmal. 

Wir miiffen uns ftarfen: — auf morgen." 


Glftes Capitel. 





Früh am andern Morgen wogte ſowohl in Rom als 
in dem Lager der Gothen geſchäftige Bewegung. 

Mataſwintha und Syphar hatten zwar Einiges ents 
deckt und gemeldet: — — aber nicht Alles. 

Sie hatten von dem Gelübde der drei Männer 
gegen Beliſar erfahren und den früheren Plan eines bloßen 
Scheinangriffs gegen das Sanct Pauls Thor, um von 
dem Gedanfen an Beliſar's Geſchick abzulenken. 

Aber nicht hatten ſie erfahren, daß der König, in 
Aenderung jenes Planes eines bloßen Sdeinangriffs, 
für dieſen Tag der Abweſenheit des großen Feldherrn 
einen in tiefſtes Geheimniß gehüllten Beſchluß gefaßt 
hatte: es ſollte ein letzter Verſuch gemacht werden, ob 
nicht gothiſches Heldenthum doch dem Genius Beliſars 
und den Mauern des Prafecten überlegen fei. 

Man hatte fid) tm Kriegsrath des Königs nidt über 
pie Widhtigkeit bes Unternehmen’ getaufdt: wenn es wie 
alle fritheren, vereinzelten Angriffe — acht und ſechzig 
Schlachten, Ausfalle, Stürme und Gefedte hatte Profop 
während der Belagerung bis dahin aufgezählt — ſchei⸗ 


145 


terte, fo war von dem ermiideten, ftarf gelidteten Heer 
feine weitere Anftrengung mehr gu erwarten. 

Deßhalb hatte man fic) auf Teja's Math eidlich vers 
pflidtet, über den Plan gegen Sedermann ohne Aude 
nahme gu jdjweigen. 

Daher hatte aud) Matafwintha nidts vom König 
erfabren. und felbft ihres Mauren Spitrnafe fonnte nur 
wittern, daß auf jenen Lag etwas Großes gerüſtet werde 
— die gothiſchen Rrieger wuften felbft nicht was. 

Cotila, Hildebad und Teja waren fdon um Mitter⸗ 
nacht mit ihren Reitern geräuſchlos aufgebrodjen und 
hatten fic) ſüdlich von der valerifden Strage bet dem 
Grabmal ver Fulvier, an dem in einer Hiigelfalte Belifar 
vorbeifommen mufte, im Hinterbalt gelegt: fie hofften, 
mit ihrer Wufgabe bald genug fertig zu fein, um nod 
mefentlid’ an ven Dingen bet Rom Theil nehmen gu 
können. 

Während der König mit Hildebrand, Guntharis und 
Martja die Scharen innerhalb ver Lager ordnete, 30g 
um Sonnenanfgang- Beliſar, von einem Theil feiner 
Leibwächter umgeben, jum tiburtinifden Thor hinaus. 

Profop und Severinus ritten ihm zur Redhten und 
Linken: Aigan, der Mafjagete, trug fein Banner, das bet 
allen Gelegenbeiten den Magifter Militum zu begleiten 
hatte. 

Conſtantinus, dem er an ſeiner Statt die Sorge 
für den „beliſariſchen Theil” von Rom übertragen, bes 
ſetzte alle Poſten längs der Mauern doppelt, und ließ 
rie Trũͤppen hart an den Wallen unter ren Waffen 

Dabhn, Cin Kampf um Rom. LI. 10 


146 





bleiben. Gr itherfandte den gleiden Befehl bem Prafecten 
fiir die Byzantiner, die diefer fithrte. 

Der Bote traf ihn auf den Wallen zwiſchen dem 
paulinifden und dem appifden Thor. 

‚„Beliſar meint alfo:" höhnte Cethegus, wabrend er 
gehordte, ,mein Rom ift nicht ficher, wenn er es nidt 
bebittet: ic) aber meine: Cr ift nicht ficer, wenn 
ibn mein Rom nicht befdirmt. 

Komm , Lucius Licinins ,“ fllifterte ex diefem gu, „wir 
milffen an den Gall denken, daß Beliſar einmal nicht 
wiederfebrt von feinen Qeldenfabrten: tann mug em 
Andrey fein Heer mit fefter Hand ergreifen.“ 

„Ich fenne die Hand.” 

‚Vielleicht giebt es alsdann einen turjen Kampf mit 
feinen in Rom belaffnen Leibwächtern: in den Thermen 
des Diofletian over am tiburtinifden Chore. Sie milffen 
dort in ihrem Lager erdriidt fein, ee fle fich recht bes 
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile 
fie, ohne Auffehen, rings um die Thermen her: auch 
befege mir vor Wem das tiburtinifde Chor.“ 

„Von wo aber foll ich fie fortgiehen 2" 

„Von dem Grabmal Hadrians,“ fagte Cethegus nad 
einigem Befinnen. 

„Und vie Gothen, Feldherr?“ 

Bah! vas Grabmal ift feft, es ſchützt fich felbft. 

Erſt miiffen vom Süden her die Stitrmenden fiber 
ven Fluß: und dann dieſe eisglatten Wande von pariſchem 
Marmor hinan, meine und des Kovinthers Freude. 

Und zu dem," lächelte er, „ſieh' nur binauf: da 


147 





oben ftebt ein Geer von marmornen Géttern und 
Heroen: fie mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen 
die Barbaren. 

„Siehſt bu, — id) fagte eB ja — es gebt nur bier 
gegen das Sanct Pauls Thor,” ſchloß er, auf das Lager 
ver Gothen deutend, aus weldem eben eine ftarfe Wh: 
theilung in dieſer Richtung aufbrad. 

Licinins gehordte und führte alébald dreitauſend 
Sfaurier, etwa die Halfte ver Deddung, ab: von dem 
@rabmal ither den Flug und ven BViminalis binadb 
gegen die Thermen Diofletians. 

Belifar’s Armenier am tiburtinifdyen Thor löſte er 
dann and) Durd) dreihundert Sfaurier und Legionare ab. 

Gethegus aber wandte fid) nad) dem falarifden Thor, 
wo jetzt Gonftantinus als Bertreter Belifar’s bielt. 

„Ich mug ihn aus vem Wege haben, dadjte er, 
wenn die Nachricht eintrifft." 

„Wenn da die Barbaren zurückgeworfen,“ fprad er ibn 
an, ,wirft Du dod) wohl einen Wusfall machen müſſen? 
Welche Gelegenheit, Lorbern gu fammeln, wahrend der 
Feldherr fern it!” | 

va wohl," rief Conftantinus, _,,fie follen’ 8 erfabren, 
Dag wir fle aud) ohne Belifarius fdlagen können.“ 

„Ihr müßt aber rubiger zielen,“ fagte Cethegus, einem 
perfifden Sdiigen ven Bogen abnehmend. 

„Seht ven Gothen dort, den Führer gu Pferd! Er 
fol fallen.“ 

Cethegus ſchoß; ver Gothe fiel vom Rok, durd den 
Hals geſchoſſen. 


10* 


140 





‚Wie flarh fie? an weldem Leiden 2” 

„An Schmerz und Reue." 

„Schmerz —“ feufgte Gethegus, „das begreif id. 
Uber was follte fie bereuen! 

Und mir galt ihr letztes Wort! — fag’ an, wie 
lautet es?“ 

Da trat Severinus hart an den Präfecten, dah er 
fein Stnie berührte und blidte ihm bohrend in's Ange. 

„Fluch, Fluch über Cethegus, ver meine Seele ver⸗ 
giftet und mein Rind.” 

Rubig fah ihn Cethegus an. 

„Starb fie im Irrſinn?“ fragte er falt. 

tein, Mörder: fle lebte im Srrfinn, fo lang fie 
dir vertraute. 

Sn ihrer Todesftunde hat fle Caffiodor und mir ges 
ftanden, ra ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift 
gereidt, das du gebradt. 

Gie erzählte uns den Hergang. 

Der alte Gorbulo und feine Tochter Daphnidion 
ſtützten fie. 

„Spät erft erfubr id," ſchloß fle, „daß mein Rind aus 
bem tödtlichen Beder getrunfen. Und niemand war 
pa, Camilla in den Arm gu fallen, al8 fle trinten 
wollte. 

Denn id) war nod im Bot auf dem Meere und 
Cethegus nod in dem Platanengang.” 

Da rief ver alte Corbulo erbleidhend: Wie? der 
Prafect wußte, daß ver Becher Gift enthielt 2 

„Gewiß,“ antwortete meine Mutter. 


141 





„Als ich thn im Garten traf, fagt’ ich es ihm: „es 
iſt geſchehen.“ 

Corbulo verſtummte vor Entſetzen: aber Daphnidion 
ſchrie in wildem Schmerz. 

‚Weh! meine arme Domina! fo hat er fie ers 
mordet! 

Denn er ſtand dabei, dicht neben mir, und ſah zu, 
wie fie trank.“ — 

Sx fa gu, wie fle trank?“ fragte meine Dtutter 
mit einem Tone, der ewig durch mein Leben gellen wird. 

„Er fah gu, wie fie trank!“ widerbholten der Frei⸗ 
gelaffne und fein Sind. 

wo fo fet den untern Damonen fein verfludtes Haupt 
geweiht! =. 

Rache, Gott, in ver Hille, Race, meine Sohne, 
auf Erden fiir Camilla! 

Fluch her Cethegus!“ 

Und ſie fiel zurück und war todt.“ 

Der Prafect blieb unerſchüttert ſtehen. 

Nur griff er leiſe an den Dold) unter den Bruſt⸗ 
falten der Tunica. 

„Du aber’ — fragte er nad) einer Pauſe — „was 
thateft du? 

Ich aber kniete nieder an der Leiche und küßte ihre 
kalte Hand und ſchwor ihr's yu, ihr Sterbewort gu 
vollenden. 

Wehe dir, Präfect von Rom: Giftmiſcher, Mörder 
meiner Schweſter — du ſollſt nicht leben.” 

„Sohn des Boẽthius, willſt du gum Mörder werden 


142: 


um die Wahnworte eined lappifden SHaven und ſeiner 
Dirne? 

Würdig ves Helden und des Philoſophen!“ 

„Nichts von Mord. 

Wäre ich ein Germane, nad dem Brauche dieſer 
Barbaren — er dünkt mir heute ſehr vortrefflich — 
rief' ich dich zum Zweikampf, du verhaßter Feind. 

Ich aber bin ein Römer und ſuche meine Rache 
auf dem Wege des Rechts. 

Hüte dich, Präfect, noch giebt es Richter in Italien. 

Lange Monate hielt mich der Krieg, der Feind von 
dieſen Mauern ab. — 

Erſt heute habe id) Rom, von ver Gee ber, erreicht: 
und morgen erheb’ ich die Klage bet den Genatoren, 
die deine Richter find — dort finden wir uns wieder.“ 

Cethegus vertrat ihm pliglid) ven Weg an die 
Thüre. 

Aber Severinus rief: 

„Gemach, man ſieht ſich vor mit Mördern. 

Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet. — 

Sie werden mich mit den Lictoren ſuchen, komm' ich 
nicht wieder, nod in dieſer Stunde.“ 

„Ich wollte dich nur,“ ſagte Cethegus wieder ganz 
ruhig, „vor dem Wege der Schande warnen, 

Willſt du den älteſten Freund deines Hauſes um 
der Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweis— 
barer Mordklage verfolgen, — thu's: ich kann's nicht 
hindern. 

Aber noch einen Auftrag zuvor — du biſt mein 


143 


Anklager geworden: aber du bleibft Soldat: und mein 
Cribun. 

Du wirft gehorden, wenn dein Feldherr befiehlt.” 

wd) werde gehorden.” | 

Morgen fteht etn Ausfall Beliſars bevor: und ein 
Sturm der Barbaren. 

$d mug die Stadt befdyirmen. 

Dod ahnt mir Gefahr fiir ven löwenkühnen Mann: 
— id mug ibn tren gebittet wiſſen. 

Du wirft morgen, ich befebl’ e8, den Feldherrn bes 
gleiten und fein Leben deen.“ 

» Mit meinem eignen." 

„Gut, Tribun, ic) verlaffe mid) auf dein Wort.” 

„Bau' du auf meines: anf Wiederfehn: nad ver 
Schlacht: vor dem Senat. 

Nad beiden Kämpfen lüſtet mich gleich febr. 

Auf Wiederfehn: — — vor dem Senat.“ 

„Auf Nimmerwiederſehn,“ ſprach Cethegus, als fein 
Schritt verhallte. 

„Syphar,“ rief er laut, ,bringe Wein und das 
Hauptmal. 

Wir müſſen uns ſtärken: — auf morgen.“ 


Elftes Capitel. 





Früh am andern Morgen wogte ſowohl in Rom als 
in dem Yager der Gothen gefdaftige Bewegung. 

Matafwintha und Syphar Hatten gwar Ciniges ents 
vedt und gemeldet: — — aber nicht Wes. 

Gie Hatten von vem Geliibde der drei Manner 
gegen Belifar erfahren und den fritheren Blan eines blofen 
Scheinangriffs gegen das Sanct Pauls Thor, um von 
vem Gedanfen an Belifar’s Geſchick abzulenken. 

Aber nicht Hatten fie erfabren, da der König, in 
Aenderung jenes Planes eines bloßen Scheinangriffs, 
für biefen Tag ver Whwefenheit des grofen Feldherrn 
einen in tiefftes Geheimniß gehüllten Beſchluß gefaßt 
hatte: es ſollte ein letzter Verſuch gemacht werden, ob 
nicht gothiſches Heldenthum doch dem Genius Beliſars 
und den Mauern des Prafecten überlegen fei. 

Man hatte fid) tm Kriegsrath des Königs nicht über 
vie Widhtigfeit des Unternehmens getdufdt: wenn e8 wie 
alle fritheren, vereingelten Angriffe — adjt und ſechzig 
Schlachten, Ausfalle, Stürme und Gefedte hatte Profop 
wabrend der Belagerung bi8 dahin aufgezählt — ſchei⸗ 


145 


terte, fo war von dem ermildeten, ſtark gelidteten Geer 
feine weitere Unftrengung mehr yu erwarten. 

Deßhalb hatte man fic) auf Teja’s Rath eidlid) vers 
pflichtet, fiber den Plan gegen Sedermann ohne Aus- 
nahme ju fdjweigen. 

Daher hatte aud) Matafwintha nichts vom König 
erfabren. und felbft ihres Mauren Spiirnafe fonnte nur 
wittern, Da auf jenen Tag etwas Großes gerüſtet werde 
— die gothifdjen Krieger wußten felbft nidjt was. 

Lotila, Hildebad und Teja waren fdon um Mitters 
nadt mit ihren Reitern geräuſchlos aufgebrodjen und 
ha:ten ſich fiidlid) von der valerifden Straße bet dem 
Grabmal der Fulvier, an dem in einer Hiigelfalte Belifar 
vorbeikommen mufte, in Hinterbalt gelegt: fie bofften, 
mit ihrer Aufgabe bald genug fertig zu fein, um nod) 
mejentlidy an den Dingen bei Rom Theil nehmen zu 
fonnen. 

Während ver Konig mit Hildebrand, Guntharis und 
Martja die Scharen innerhalb ver Lager ordnete, 30g 
um Gonnenanfgang- Belifar, von einem Theil fener 
Leibwächter umgeben, zum tiburtinifden Chor hinaus. 

Profop und Severinus ritten ihm zur Redten und 
Linken: Wigan, der Maffagete, trug fein Banner, das bet 
allen Gelegenbeiten den Magiſter Militum zu begleiten 
hatte. 

Gonftantinus, rem er an feiner Statt die Corge 
fiir den „beliſariſchen Theil” von Rom iibertragen, bee 
febte alle Boften fangs ver Mauern doppelt, und liek 
rie Trippen fart an den Wallen unter ten Waffen 

Dahn, Gin Rampf um Rom. WI. 10 


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bleiben. Gr itberfandte den gleiden Befehl vem Brafecten 
fiir die Byzantiner, die diefer führte. 

Der Bote traf ihn auf den Wallen zwifden dem 
pauliniſchen und dem appifden Thor. 

‚Beliſar meint alfo:" hihnte Cethegus, wabrend er 
gehordte, ,,mein Rom ift nicht ſicher, wenn er e8 nidt 
bebiitet: id) aber meine: Cr ift nicht fider, wenn 
ibn mein Rom nicht befdirmt. 

Komm , Lucius Licinins ,” flifterte er diefem gu, wir 
miiffen an den Fall denfen, dak Belifar einmal nidt 
wiederfehrt von feinen Heldenfabrten: dann mug ein 
Andrer fein Geer mit fefter Hand ergreifen.“ 

„Ich fenne die Hand.“ 

Bielleiht giebt es alspann einen turzen Kampf mit 
feinen in Rom belaffnen Leibwächtern: in ven Thermen 
ves Diofletian oder am tiburtinifden Thore. Ste müſſen 
vert in ihvem Lager erdriidt fein, ehe fle fic) redjt bee 
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile 
fie, ohne AWuffehen, rings um die Thermen ber: aud 
befege mir vor Alem das tiburtinifdhe Chor.“ 

„Von wo aber foll id) fie fortgiehen 2" 

„Von dem Grabmal Hadrians,“ fagte Cethegus naw 
einigem Befinnen. 

„Und vie Gothen, Feldhery 2" . 

Bah! pas Grabmal ift feft, es ſchützt fic felbft. 

Erſt miiffen vom Süden her die Stitrmenden Aber 
den Flug: und dann dieſe eigglatten Wande von parifdem 
Marmor hinan, meine und des Korinthers Freuve. 

Und zu dem," lächelte er, ,fieh’ nur hinauf: da 


147 





oben ſteht ein Geer von marmomen Giéttern und 
Heroen: fle mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen 
die Barbaren. 

„Siehſt du, — ich fagte e8 fa — e8 geht nur bier 
gegen das Ganct Pauls Thor,” ſchloß er, auf vas Lager 
ver Gothen deutend, aus welchem eben eine ftarfe Whe 
theilung in dieſer Richtung aufbrad. 

Licinius gehorchte und führte alsbald dreitauſend 
Sfaurier, etwa die Hälfte ver Deckung, ab: von dem 
Grabmal fiber den Flug und den Biminalis hinab 
gegen die Thermen Diolletians. 

Belifar’s Armenier am tiburtinifden Thor löſte er 
dann auch durch dreihundert Sfaurier und Legionare ab. 

Cethegus aber wandte fid) nad dem falarifden Thor, 
wo jegt Conftantinus als Vertreter Belifar’s bielt. 

wd) mug ibn ans dem Wege haben, dachte er, 
wenn die Nachricht eintrifft.” 

„Wenn du die Barbaren zuriidgeworfen,” ſprach er ibn 
an, ,wirft du dod) wohl einen Wusfall machen müſſen? 
Welche Gelegenheit, Lorbern gu fammeln, wahrend der 
Feldherr fern ift!” 

„Ja wohl,” rief Conftantinus, fie follen’s erfabren, 
daß wir fle and) ohne Belifarius ſchlagen können.“ 

Ihr müßt aber rubiger zielen,“ fagte Cethegus, einem 
perfifden Schützen den Bogen abnehmend. 

„Seht den Gothen dort, den Fithrer gu Pferd! Er 
foll fallen.” . 

Cethegus ſchoß; ver Gothe fiel vom Rok, durch ven 
Hals gefdoffen. 


10* 


142: 


um die Wahnworte eines läppiſchen Sklaven und feiner 
Dirne? 

Würdig ves Helden und des Pbhilofophen !“ 

„Nichts von Mord. 

Wire id) ein. Germane, nad dem Brande diefer 
Barbaren — er diint mir heute ſehr vortrefflth — 
rief id) did) gum Zweikampf, du verhaßter Feind. 

Sd aber bin ein Römer und ſuche meine Rade 
auf dem Wege des Rechts. 

Hüte dich, Prefect, nok giebt es Ridter in Italien. 

Lange Mtonate hielt mid ver Krieg, ver Feind von 
Diefen Mauern ab. — 

Erſt heute habe id) Rom, von ver Gee ber, erreicht: 
und morgen erheb' ich die Klage bet den Genatoren, 
pie deine Richter find — dort finden wir uns wieder.“ 

Cethegus vertrat ihm pliglich ven Weg an die 
Thüre. 

Aber Severinus rief: 

„Gemach, man ſieht ſich vor mit Mördern. 

Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet. — 

Sie werden mid) mit ven Lictoren ſuchen, komm' ich 
nidt wieder, nod in diefer Stunde." 

„Ich wollte did) nur," fagte Cethegus wieder gang 
tubig, ,vor dem Wege ver Schande warnen, 

Willft vu ven aAlteften Freund deines Haufes mm 
per Ficberreden einer Sterbenden willen mit unbeweis⸗ 
barer Wordflage verfolgen, — thu’s: id) kann's nidt 
hindern. 

Aber noch einen Auftrag zuvor — du biſt mein 


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Ankläger gemorden: aber du bleibft Soldat: und mein 
Cribun. 

Du wirſt gehorden, wenn dein Feldherr befieblt.” 

„Ich werde gehorden.” | 

Morgen fteht ein Ausfall Belifars bevor: und ein 
Sturm ver Barbaren. 

Ich muß die Stadt befdirmen. 

Dod) ahnt mir Gefabr für ven löwenkühnen Mann: 
— id mug ihn tren gebittet wiffen. 

Du wirft morgen, ic) befehl’ e8, den Feldherm bes 
gleiten und fein Leben decken.“ 

„Mit meinem eignen." 

„Gut, Lribun, id) verlaffe mid) auf vein Wort.” 

„Bau' Du auf meines: auf Wiederfehn: nad) ver 
Schlacht: vor dem Senat. 

Nad beiden Kämpfen liiftet mich gleich febr. 

Wuf Wiederfehn: — — wor dem Genat." 

»Auf Nimmerwiederſehn,“ fprad Cethegus, als fein 
Schritt verballte. 

„Syphar,“ rief er faut, ,bringe Wein und das 
Dauptmal. 

Wir miiffen uns ſtärken: — auf morgen." 


Elftes Capitel. 





Früh am anvern Morgen wogte ſowohl in Rom als 
in dem Yager ber Gothen geſchäftige Bewegung. 

Matafwintha und Syphax Hatten gwar Ciniges ents 
vedt und gemeldet: — — aber nicht Wes. 

Sie hatten von vem Gelübde der drei Manner 
gegen Belifar erfahren und den fritheren Plan eines bloßen 
Sdeinangriffs gegen das Sanct Pauls Thor, um von 
dem Gedanfen an Belifar’s Geſchick abgulenten. 

Aber nidjt Hatten fie erfahren, dak der Koͤnig, in 
Aenderung jenes Planes eines bloßen Scheinangriffe, 
für viefen Tag ver UAbwefenheit bes grofen Feldherrn 
einen in tiefftes Geheimniß gebitllten Beſchluß gefaßt 
hatte: e8 follte ein letzter Verſuch gemacht werden, ob 
nidt gothifdes Heldenthum vod dem Genius Beliſars 
und den Mauern des Prafecten itberlegen fei. 

Man hatte fic im Kriegsrath ves Königs nicht über 
Die Widhtigkeit des Unternehmen’ getäuſcht: wenn es wie 
alle fritheren, vereinzelten Angriffe — acht und ſechzig 
Schlachten, Ausfalle, Stinme und Gefedte hatte Profop 
während ver Belagerung bis dahin aufgezählt — ſchei⸗ 


145 


terte, fo war von dem ermiideten, ſtark gelidteten Heer 
feine weitere UAnftrengung mehr gu erwarten. 

Deßhalb hatte man ſich auf Leja’s Rath eidlid) vers 
pflidjtet, ber den Plan gegen Sedermann ohne Wuss 
nahme gu fdjweigen. 

Daher hatte aud) Matafwintha nidts vom König 
erfabren. und felbft ihres Mauren Spiirnafe konnte nur 
wittern, daß auf jenen Tag etwas Großes gerüſtet werde 
— die gothifden Rrieger wußten felbft nicht was. 

Totila, Hildebad und Teja waren ſchon um Mitters 
nadht mit ihren Reitern geräuſchlos aufgebroden und 
Hatten fich ſüdlich von der valerifden Strage bet dem 
Grabmal der Fulvier, an dem in einer Hiigelfalte Belifar 
vorbeilommen mufte, in Hinterbalt gelegt: fie bofften, 
mit ihrer Wufgabe bald genug fertig zu fein, um nod 
wejentlid) an ven Dingen bet Rom Theil nehmen zu 
können. 

Während der König mit Hildebrand, Guntharis und 
Martja die Sdaren innerhalb ver Lager ordnete, 30g 
um GSonnenanjgang- Velifar, won einem Theil fetner 
Leibwächter umgeben, jum tiburtinifden Thor hinaus. 

Profop und Severinus ritten ihm zur Redjten und 
Linfen: Aigan, der Maffagete, trug fein Banner, das bei 
allen Gelegenheiten den Magiſter Militum gu begleiten 
(atte. 

Conftantinus, rem er an feiner Statt die Sorge 
für ven ,belifarifden Theil’ von Rom itbertragen, bes 
febte alle Poften fangs ver Mauern doppelt, und lief 
rie Crippen hart an den Wallen unter ren Waffen 

Dahn, Cin Rampf um Rom. LI. 10 


146 


bleiben. Er überſandte den gleiden Befehl vem Prafecten 
fiir die Byzantiner, die diefer fiibrte. 

Der Bote traf ihn auf den Wallen zwiſchen dem 
paulinifden und dem appiſchen Thor. 

‚Beliſar meint alfo:" höhnte Cethegus, wabrend er 
gehordte, ,mein Rom ift nicht fider, wenn er es nidt 
bebittet: id) aber meine: Cr ift nicht ficher, wenn 
ihn mein Rom nidt beſchirmt. 

Komm , Lucius Licinius ," fliifterte ex diefem gu, wir 
müſſen an den all venfen, dag Belifar einmal nidt 
wiederfebrt von feinen Qeldenfabrten: dann mug em 
Andrer fein Heer mit fefter Hand ergreifen." 

„Ich fenne die Hand.“ 

‚Vielleicht giebt eS alsdann einen kurzen Kampf mit 
feinen in Rom belaffnen Leibwadtern: in den Thermen 
des Diokletian oder am tiburtinifden Thore. Sie miiffen 
dort in ihrem Lager erdriidt fein, ehe fle fic) recht bee 
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile 
fie, ohne Wuffehen, rings um die Thermen ber: aud 
befege mix vor Alem vas tiburtinifde Chor.“ 

woon wo aber foll id) fie fortgtehen 2" 

„Von dem Grabmal Hadrians,“ fagte Gethegus nad 
einigem Befinnen. 

„Und tie Gothen, Feldherr 2” 

„Bah! pas Grabmal ift feft, es ſchützt ſich felbft. 

Erſt miiffen vom Süden her die Stiirmenden fiber 
den Flug: und dann diefe eisglatten Wande von parifdem 
Marmor hinan, meine und des Korinthers Freure. 

Und zu dem," lächelte er, ,fteh’ nur binauf: da 


147 





oben fteht ein Heer von marmornen Göttern und 
Heroen: fle mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen 
die Barbaren. 

„Siehſt bu, — id) fagte es ja — es geht nur bier 
gegen das Sanct Pauls Thor," ſchloß er, auf das Lager 
ver Gothen deutend, aus weldjem eben eine ftarfe Ab⸗ 
theilung in dieſer Richtung aufbrad. 

Licinids gehorchte und führte alsbald dreitauſend 
Iſaurier, etwa die Hälfte der Deckung, ab: von dem 
Grabmal über den Fluß und den Viminalis hinab 
gegen die Thermen Diolletians. 

Belifar’s Armenier am tiburtinifden Thor löſte er 
dann auch durch drethundert Sfaurier und Legionare ab. 

Gethegus aber wandte fid) nad) dent falarifden Thor, 
wo jest Gonftantinus als Bertreter Belifar’s bielt. 

„Ich mug ibn aus dem Wege haben, dachte er, 
wenn die Nachricht eintrifft.” 

„Wenn du die Barbaren zuritdgeworfen,” fprad) er ibn 
an, ,wirft Du dod) wohl einen Wusfall machen miiffen? 
Weldhe Gelegenbheit, Lorbern yu fammeln, wahrend der 
Feldherr fern ift!” 

0a wohl,” rief Gonftantinus, fie follen’s erfahren, 
Dag wir fie aud ohne Beliſarius ſchlagen können.“ 

whe müßt aber rubiger zielen,“ fagte Cethegus, einem 
perſiſchen Schützen ven Bogen abnehmend. 

„Seht ven Gothen dort, den Fithrer yu Pferd! Er 
foll fallen.” ; 

Cethegus ſchoß; der Gothe fiel vom Rok, durch den 
Hals gefdofjen. 


10 * 


148 


„Und meine Wallbogen, — ihr brandt ſie ſchlecht! 

Seht ihr dort die Gide? ein Taufendfiihrer der 
Gothen fteht davor, gepangert. 

Gebt Acht!“ 

Und er richtete den Wallbogen, gielte und ſchoß: durch⸗ 
bohrt war der gepanjerte Gothe an ven Baum genagelt. 

Da fprengte ein faracenifdher Reiter heran: 

„Archon,“ redete er Conftantinus an, ‚Beſſas lage 
vid bitten, Berftarfungen an das Vivarium, vas prines 
ftinifhe Thor: die Gothen ritden an." 

Brweifelnd fah Conftantinus auf Cethegus. 

„Poſſen:“ fagte dieſer, „der eingige Angriff droht an 
meinem Thore von Sanct Paul: und das iſt gut ges 
hütet: ic) weiß es gewiß: laß Beffas fagen: er fürchte 
ſich zu früh. 

Uebrigens, im Vivarium habe ich noch ſechs Löwen, 
zehn Tiger und zwölf Bären für mein nächſtes 
Circusfeſt! 

Laßt ſie einſtweilen los auf die Barbaren! 

Es iſt auch ein Schauſpiel für die Römer dann!“ 

Aber ſchon eilte ein Leibwächter den Mons Pincius 
herab: „Zu Hülfe, Herr, zu Hülfe! Conſtantinus, dein 
eignes, das flaminiſche Thor! Unzählige Barbaren! Urſi⸗ 
cinus bittet um Hülfe!“ 

Aud dort?“ fragte ſich Cethegus ungläubig. 

„Hülfe an die gebrodine Mauer! zwiſchen dem flami⸗ 
niſchen und dem pincianiſchen Thor!” rief ein zweiter Bote 
pes Urficinus. | 


149 


„Dieſe Strede braudt ihr nicht yu decken! Ihr wift, 
fie fteht unter Ganct Peters befonderem Shug: das 
reicht!“ ſprach berubigend Gonftantinus. 

Gethegus lachelte: „Ja, heute gewiß: denn fle wird 
gar nidt angegriffen.” 

Da jagte Marcus Licinius athemlos heran. 

„Präfect, raſch auf's Capitol, von wo ich eben 
fomme. We fieben Lager ver Feinde fpeien Barbaren 
zugleich aus allen Lagerpforten: e8 vrobt ein allgemeiner 
Sturm gegen alle Thore Roms." 

„Schwerlich!“ lächelte Gethegus. 

„Aber id) will hinauf. Du aber, Mareus Licinius, 
ſtehſt mir ein für das tiburtiner Thor. 

Mein muß es ſein, nicht Beliſar's! 

Fort mit dir! Führe deine zweihundert Legionare 
dorthin!“ 

Er ſtieg zu Pferd und ritt zunächſt gegen das Capitol 
zu, um den Fuß des Viminal. 

Hier traf er auf Lucius Licinius und ſeine Iſaurier. 

Feldherr,“ ſprach ihn dieſer an, „es wird Ernſt da 
draußen. Sehr Ernſt! Was iſt's mit den Iſauriern? 
Bleibt es bei deinem Befehl?“ 

abe ich ihn guriidgenommen 2 fagte Cethegus ſtreng. 
Lucins, bu folgit mix und ihr andern Tribunen. Ihr 
Sfaurier ritdt unter eurem Häuptling Asgares zwiſchen 
vie Thermen ves Diofletian und vas tiburtiner Thor.” 

Gr glaubte an feine Gefahr fiir Rom. 


150 


Meinte er dod) gu wiffen, was allen in dtefem 
Augenblick vie Gothen wirklich beſchäftigte. 

„Dieſer Schein eines allgemeinen Angriffs fol,” dachte 
er, ,dte Byzantiner nur abbalten, ihres bedrohten Feld: 
herrn vor den Thoren gu gedenken.“ . 

Bald hatte er einen Thurm des Capitols erreicht, 
von weldem er die ganze Ebne überſchauen fonute. 

Gie war erfiillt von gothifden Waffen. 

Es war ein herrlides Schaufpiel. 

Aus allen Lagerthoren wogte vie ganze Strettmadt 
des gothiſchen Heeres heran, die ganze Ausdehnung der 
Stadt umgürtend. | 

Der Angriff follte offenbar gegen alle Thore zugleich 
unternommen werden und war nad Einem Gedanfen 
entworfen. | 


Voran in dem ganjen, zu dret Vierteln gefdloffnen 
Kreife fdritten Bogenſchützen und Sdleuderer, in leichten 
Plänklerſchwärmen, die Zinnen und Bruftwebren von 
BVertheidigern zu faubern. | 

Darauf folgten Sturmbide, Widder, Mauerbrecher 
aus rimifden Wrfenalen entnommen ober römiſchen 
Muftern, wiewohl oft ungeſchlacht genug, nachgebildet, 
mit Pferden und Rinvdern befpannt, bedient von Truppen, 
bie, ohne Angriffswaffen, nur mit breiten Schilden fid 
und die Beſpannung gegen die Gefdoffe ver Belagerten 
decken follten. 

Dict hinter thnen fdjritten vie gum eigentliden An⸗ 
griff beftimmten Rrieger: in tiefen Gliedern, mit voller 


191 





Bewaffnung, jum Handgemeng mit Beilen und ftarfen 
Meffern geriiftet, und lange, fdwere Sturmleitern 
ſchleppend. 

In großer Ordnung und Ruhe rückten dieſe drei 
Angriffslinien überall gleichmäßigen Schrittes vor: die 
Sonne glitzerte auf ihren Helmen: in gleichen Bwifden- 
räumen erſchollen die lang gezognen Rufe der gothiſchen 
Horner. 

„Sie haben etwas von uns gelernt,“ rief Cethegus 
in kriegeriſcher Freude. 

Der Mann, der dieſe Reihen geordnet hat, verſteht 
den Krieg.“ 

oer iſt es wohl?" fragte Kalliſtratos, der, in reicher 
Riifhing, neben Lucius Licinius hielt. 

Ohne Zweifel, Witichis, ver König,“ ſagte Cethegus. 

„Das hätte id) dem ſchlichten Mann mit den bes 
ſcheidnen Zügen nie zugetraut.“ 

„Dieſe Barbaren haben manches Unergründliche.“ 

Und vom Capitol herab ritt er nun, über den Fluß, 
nad ver Umwallung am pankratiſchen Thor, wo der 
nadfte Angriff gu drohen ſchien, und beftieg mit feinem 
Gefolge den dortigen Ed-Thurm. 

‚Wer ift der UWlte dort, mit dem webenden Bart, 
ver mit dem Stembeil ren Geinen voranfdreitet2 

Gr fieht aus, als hatte ihn ver Blig des Beus 
vergeffen in der Gigantenfdladt.” 

„Es ift der alte Waffenmeifter Theoderichs; er rite 
gegen vas pankratiſche Thor,“ antwortete der Prafect. 


152 





„Und wer ift der Reidhgeriiftete dort, anf dem Braunen, 
mit dem Wolfsraden auf dem Helm? Er zieht gegen die 
Portuenfis." 

„Das ift Herzog Guntharis, der Wölſung,“ ſprach 
Lucius Licinius. 

„Und ſieh, auch drüben auf der Oſtſeite der Stadt, 
über'm Fluß, ſo weit man ſchauen kann, gegen alle 
Thore, rücken Sturmreihen der Barbaren,” ſagte Piſo. 

„Aber wo iſt der König ſelbſt?“ frug Kalliſtratos. 

„Siehe, dort in der Mitte ragt die gothiſche Haupt⸗ 
fahne: dort hält er, oberhalb des pankratiſchen Thors,“ 
antwortete der Präfect. 

„Er allein ſteht regungslos mit ſeiner ſtarken Schar, 
weit, um dreihundert Schritt zurück, hinter der Linie,“ 
ſprach Salvius Julianus, der junge Juriſt. 

„Sollte er nicht mit kämpfen?“ frug Maſſurius. 

‚Wäre gegen ſeine Weiſe. 

Aber laß uns vom Thurm auf den Wall hinab 
das Gefecht beginnt,“ ſchloß Cethegus. 

„Hildebrand hat den Graben erreicht.“ 

„Dort ſtehen meine Byzantiner, unter Gregor. 

Die Gothen-Schützen zielen gut. Die Zinnen am 
pankratiſchen Thor werden leer. 

Auf, Maſſurius, ſchicke meine abasgiſchen Jäger 
und von den römiſchen Legionaren die beſten Pfeilſchützen 
dorthin: ſie ſollen auf die Rinder und Roſſe der Sturm⸗ 
böcke zielen.“ 

Bald war der Kampf auf allen Seiten entbrannt: 


153 


und mit Verdruß bemerfte Cethegus, daß vie Gothen 
überall Fortſchritte machten. 

Die Byzantiner ſchienen ihren Feldherrn zu vers 
miſſen: fie ſchoſſen unſicher und wichen von den Wällen, 
indeß die Gothen heute mit beſonderer Todesverachtung 
vordrangen. 

Schon hatten ſie an mehreren Stellen den Graben 
überſchritten und Herzog Guntharis hatte ſogar ſchon 
Leitern angelegt an den Wallen bei dem portuenfifden 
Chore, wabrend der alte Waffenmeifter einen ftarfen 
Wirderfopf Herangefdleppt und denſelben durd etn 
Schirmdach gegen die Feuergefdoffe von oben gefidert 
hatte. : 

Schon donnerten die erften Stife laut durch dads 
Getiimmel ves Kampfes gegen vie Galfen ves pantras 
tiſchen Thors. | 

Diefer wobhlbelannte Ton erfdittterte ven Präfecten, 
ver eben bier anlangte: ,Offenbar, fagte ex gu fic felbft, 
maden fie jegt bittern Ernſt, nachdem ber Scheinverſuch 
fo gut gelungen.“ 

Und wieder ein dröhnender Stok. 

Gregor, ver Byzantiner, fah thn fragend an. 

„Das darf nicht lange währen!“ rief Cethegus zürnend, 
entrig dem nadften Schützen Bogen und Rider und 
eilte auf ben Mauerkranz an vem Thore: 

‚Hieher, ihr Schützen und Schleuderer! 

Mir nach!“ rief er, „ſchafft ſchwere Steine bei. Wo 
iſt der nächſte Balliſt? 

Wo die Scorpionen? vas Schirmdach muß entzwei.“ 


146 





bleiben. Gr itberfandte den gleiden Befehl vem Prafecten 
für die Byzantiner, die diefer führte. 

Der Bote traf ihn auf den Wallen zwiſchen vem 
paulinifden und dem appifden Thor. 

„‚Beliſar meint alfo:" höhnte Cethegus, während er 
gebordte, „mein Rom ift nicht fider, wenn er e8 nidt 
bebittet: id) aber meine: Cr ift nicht ſicher, wenn 
ibn mein Rom nidt beſchirmt. 

Komm , Lucius Licinins ,“ fliifterte er diefem gu, „wir 
miiffen an den Fall venfen, daß Beliſar einmal nicht 
wiederfehrt von feinen Heldenfabrten: dann mug ein 
Andrer fein Geer mit fefter Hand ergreifen.“ 

„Ich fenne die Hand.” 

‚Vielleicht giebt eS alsdann einen kurzen Kampf mit 
feinen in Rom belaffnen Letbwadtern: in den Thermen 
des Diofletian over am tiburtinifden Chore. Sie müſſen 
Dert in ihrem Lager erdrückt fein, ehe fle fic) recht bee 
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile 
fie, ohne Wuffehen, rings um die Thermen her: aud 
befege mir vor Alem das tiburtinifde Thor.“ 

woon wo aber foll id) fie fortgiehen 2" 

„Von dem Grabmal Hadrian’ ,“ fagte Cethegus nad 
einigem Befinnen. 

„Und vie Gothen, Feldherr 2" 

Bah! pas Grabmal ift feft, es ſchützt ſich felbft. 

Erſt miifjen vom Süden her die Stitrmenden ber 
den Flug: und dann dieje eisglatten Wande von parifdem 
Marmor hinan, meine und des Korinthers Freuve. 

Und zu dem," lächelte er, ,fieh’ nur hinauf: da 





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oben ſteht ein Geer von marmornen Göttern und 
Heroen: fie mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen 
die Varbaren. 

„Siehſt bu, — id) fagte e8 ja — e8 gebt nur bier 
gegen das Sanct Pauls Thor," ſchloß er, auf das Yager 
der Gothen deutend, aus weldem eben eine ftarfe Ab⸗ 
theilung in dieſer Richtung aufbrad. 

Licinius gehorchte und führte alsbald dreitauſend 
Sjaurier, etwa die Hälfte ver Deckung, ab: von dem 
Grabmal fiber den Flug und den BViminalis hinab 
gegen die Lhermen Diollerians. 

Belifar’s Armenier am tiburtinifden Dhor löſte er 
Dann auch durch dreihundert Sfaurier und Legionare ab. 

Gethegus aber wandte fid) nad) dent falarifden Thor, 
wo jest Conftantinus als Bertreter Belifar’s hielt. 

„Ich mug ihn aus vem Wege haben, dachte er, 
wenn die Nachricht eintrifft." 

„Wenn du die Barbaren zurückgeworfen,“ fprad er ihn 
an, ,wirft Du dod) wohl einen Wusfall maden milfjen? 
Welche Gelegenheit, Lorbern zu fammeln, während der 
Feldherr fern iſt!“ 

wa wohl.“ rief Conſtantinus, fie ſollen's erfahren, 
daß wir ſie auch ohne Beliſarius ſchlagen können.“ 

whe müßt aber ruhiger zielen,“ fagte Cethegus, einem 
perſiſchen Schützen den Bogen abnehmend. 

„Seht den Gothen dort, den Führer zu Pferd! Er 
ſoll fallen.“ 

Cethegus ſchoß; der Gothe fiel vom Roß, durch den 
Hals geſchoſſen. 


10* 


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„Und meine Wallbogen, — ihr brandt fle ſchlecht! 

Seht ihr dort die Gide? ein Tanfendfiihrer der 
Gothen fteht davor, gepangert. 

Gebt Acht!“ 

Und er ridtete den Wallbogen, zielte und ſchoß: durch⸗ 
bohrt war der gepanjerte Gothe an den Baum genagelt. 

Da fprengte ein faracenifdher Reiter heran: 

„Archon,“ redete ex Conftantinus an, ,Befjas läßt 
vid bitten, Berftarkungen an das Vivarium, vas pranes 
ſtiniſche Thor: die Gothen ritden an.“ 

Zweifelnd fah Conftantinus anf Cethegus. 

„Poſſen:“ fagte dieſer, „der eingige Ungriff droht an 
meinem hore von Sanct Paul: und das ift gut ges 
hütet: ic) weiß e8 gewiß: laß Beſſas fagen: er fürchte 
ſich zu früh. 

Uebrigens, im Vivarium habe ich noch ſechs Löwen, 
zehn Tiger und zwölf Bären fiir mein nächſtes 
Circusfeſt! 

Laßt ſie einſtweilen los auf die Barbaren! 

Es iſt auch ein Schauſpiel für die Römer dann!“ 

Aber ſchon eilte ein Leibwächter den Mons Pincius 
herab: „Zu Hülfe, Herr, zu Hülfe! Conſtantinus, dein 
eignes, das flaminiſche Thor! Unzählige Barbaren! Urſi⸗ 
cinus bittet um Hülfe!“ 

Aud dort?“ fragte ſich Cethegus ungläubig. 

„Hülfe an die gebrochne Mauer! zwiſchen dent flami⸗ 
niſchen und dem pincianiſchen Thor!" rief ein zweiter Bote 
des Urficinus. . 


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Diefe Strede braucht ihr nidt zu veden! Ihr wift, 
fie fteht unter Ganct Peters befonderem Schutz: das 
reicht!“ ſprach berubigend Gonftantinus. 

Cethegus ladelte: a, heute gewiß: denn fle wird 
gar nidt angegriffen.” 

Da jagte Marcus Licinius athemlos heran. 

„Präfect, raſch aufs Capitol, von wo id eben 
fomme. Alle fieben Lager ver Feinde fpeien Barbaren 
gugleid) aus allen Lagerpforten: e8 drobt ein allgemeiner 
Sturm gegen alle Thore Roms.“ 

Schwerlich!“ lächelte Cethegus. 

„Aber ich will hinauf. Du aber, Mareus Licinius, 
ſtehſt mir ein für das tiburtiner Thor. 

Mein muß es ſein, nicht Beliſar's! 

Fort mit dir! Führe deine zweihundert Legionare 
dorthin!“ 

Er ſtieg zu Pferd und ritt zunächſt gegen das Capitol 
zu, um den Fuß des Viminal. 

Hier traf er auf Lucius Licinius und ſeine Iſaurier. 

Feldherr,“ ſprach ibn dieſer an, „es wird Ernſt da 
draußen. Sehr Ernſt! Was iſt's mit den Iſauriern? 
Bleibt es bei deinem Befehl?“ 

abe ich ihn zurückgenommen?“ ſagte Cethegus ſtreng. 
‚Lucius, bu folgſt mix und ihr andern Tribunen. Ihr 
Sfaurier rückt unter eurem Häuptling Asgares zwiſchen 
die Thermen des Diokletian und das tiburtiner Thor.“ 

Er glaubte an keine Gefahr für Rom. 


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Meinte er dod) gu wiffen, was allem tm diefem 
Uugenblid vie Gothen wirklich befdaftigte. 

„Dieſer Sdein eines allgemeinen Angriffs fol," dachte 
er, ,die Byzantiner nur abbalten, ihres bedrohten Feld: 
herrn vor den Thoren gu gevenfen." | 

Bald hatte er einen Thurm des Capitol erreidt, 
von weldem er Die ganze Ebne überſchauen fonnte. 

Sie war erfüllt von gothifden Waffen. 

Gs war ein herrlidhes Schauſpiel. 

Aus allen Lagerthoren wogte die ganze Streitmadt 
des gothifden Heeres heran, die ganze Auspehnung der 
Stadt umgiirtend. 

Der Angriff follte offenbar gegen alle Thore zugleich 
unternommen werden und war nad Cinem Gedanfen 
entworfen. 

Voran in dem ganzen, zu drei Vierteln geſchloſſnen 
Kreiſe ſchritten Bogenſchützen und Schleuderer, in leichten 
Plänklerſchwärmen, die Zinnen und Bruſtwehren von 
Vertheidigern zu ſäubern. 

Darauf folgten Sturmböcke, Widder, Mauerbrecher 
aus römiſchen Arſenalen entnommen oder römiſchen 
Muſtern, wiewohl oft ungeſchlacht genug, nachgebildet, 
mit Pferden und Rindern beſpannt, bedient von Truppen, 
bie; ohne Angriffswaffen, nur mit breiten Schilden ſich 
und die Beſpannung gegen die Geſchoſſe der Belagerten 
decken ſollten. 

Dicht hinter ihnen ſchritten vie zum eigentlichen An⸗ 
griff beſtimmten Krieger: in tiefen Gliedern, mit voller 


191 





Bewaffnung, jum Handgemeng mit Beilen und ftarfen 
Meffern geriifter, und flange, ſchwere Sturmleitern 
ſchleppend. 

In großer Ordnung und Ruhe rückten dieſe drei 
Angriffslinien überall gleichmäßigen Schrittes vor: die 
Sonne glitzerte auf ihren Helmen: in gleichen Zwiſchen⸗ 
räumen erſchollen die lang gezognen Rufe der gothiſchen 
Hörner. 

„Sie haben etwas von uns gelernt,“ rief Cethegus 
in kriegeriſcher Freude. 

Der Mann, der dieſe Reihen geordnet hat, verſteht 
ven Krieg.“ 

Wer iſt es wohl?“ fragte Kalliſtratos, der, in reicher 
Riifting, neben Lucius Licinius hielt. 

„Ohne Brweifel, Witichis, ver Konig,” fagte Cethegus. 

„Das hatte id) dem ſchlichten Mann mit den bes 
ſcheidnen Riigen nie gugetrant.” 

wDiefe Barbaren haben mandes Unergriindlide. “ 

Und vom Capitol herab ritt er nun, über den Flug, 
nad ver Umwallung am panfratifden Chor, wo der 
nadfte Angriff gu drohen fdien, und beftieg mit feinem 
Gefolge den dortigen Cds Thurm. 

oer ift ver Wlte dort, mit dem webenden Bart, 
ver mit dem Stembeil ben Seinen voranſchreitet? 

Gr fieht aus, als hatte ihn ver Blig ves Bens 
vergeffen in der Gigantenſchlacht.“ 

„Es ift der alte Waffenmeifter Theoverids; er rückt 
gegen vas panfratifde Thor," antwortete der Prafect. 


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„Und wer ift der Reidigeriiftete dort, auf den: Braunen, 
mit dem Wolfsraden auf dem Helm? Er zieht gegen die 
Portuenfis." 

„Das ift Herzog Guntharis, der Wölſung,“ ſprach 
Lucius Licinius. | 

„Und fieh, aud) dritben auf ber Oftfeite ver Stadt, 
über'm lug, fo weit man fdauen fann, gegen alle 
Chore, ritden Sturmrethen ver Barbaren," fagte Pifo. 

„Aber wo ift der Konig felbft?" frug Ralliftratos. 

„Siehe, dort in der Mitte ragt die gothiſche Haupte 
fabne: dort halt er, oberbalb des pantratifden Thors,“ 
antwortete der Prafect. . 

„Er allein fteht regungslos mit feiner ftarfen Scar, 
weit, um Dreihundert Schritt guritd, inter ver Linie,” 
{prad) Salvius Julianus, ver junge Surift. 

„Sollte ex nicht mit kämpfen?“ frug Maſſurius. 

Loare gegen ſeine Weiſe. 

Uber laf uns vom Thurm anf den Wall hinab: 
bas Gefecht beginnt,” ſchloß Cethegus. 

„Hildebrand hat den Graben erveidt.“ 

»Dort ftehen meine Bygantiner, unter Gregor. 

Die Gothen- Schiiten gielen gut. Die Zinnen am 
pantratifden Chor werden leer. 

Auf, Maffurius, ſchicke meine abasgifden Jager 
und von den römiſchen Legionaren die beften Pfeilſchützen 
dorthin: fie follen auf die Rinder und Rofje ver Sturm: 
bide zielen.“ 

Bald war ber Kampf auf allen Seiten entbrannt: 


153 


und mit Gerdrug bemerfte Cethegus, daß die Gothen 
fiberall Fortſchritte machten. 

Die Byzantiner ſchienen ihren Feldherrn zu ver⸗ 
miſſen: fie ſchoſſen unſicher und wichen von den Wällen, 
indeß die Gothen heute mit beſonderer Todesverachtung 
vordrangen. 

Schon hatten ſie an mehreren Stellen den Graben 
ũberſchritten und Herzog Guntharis hatte ſogar ſchon 
Leitern angelegt an den Wallen bei vem portuenſiſchen 
‘hore, während ver alte Waffenmeifter einen ftarfen 
Widderkopf herangefdleppt und venfelben durch ett 
Sdirmdad gegen die Feuergefdoffe von oben gefichert 
hatte. ; 

Schon donnerten die erften Stöße laut durd das 
Getiimmel ves Kampfes gegen die Balfen ves pantras 
tifden Thors. 

Diefer wohlbekannte Ton erfdhittterte ven Prajecten, 
ver eben bier anlangte: ,Offenbar, fagte er gu fich felbft, 
maden fie jegt bittern Ernft, nachdem der Scheinverſuch 
fo gut gelungen.” 

Und wieder ein dröhnender Stoß. 

Gregor, ver Byzantiner, fah ihn fragend an. 

Das darf nicht lange währen!“ rief Gethegus zürnend, 
entrif dem nächſten Schützen Bogen und Köcher und 
eilte anf den Mauerkranz an dem Chore: 

„Hieher, ihr Schützen und Schleuderer! 

Mir nach!“ rief er, „ſchafft ſchwere Steine bei. Wo 
iſt der nächſte Balliſt? 

Wo die Scorpionen? das Schirmdach muß entzwei.“ 


— 


154 


Unter dem Schirmdach aber ſtanden gothiſche Schützen, 
die eifrig durch die Schießſcharten nach den Zacken der 
Mauerzinnen lugten. 

„Es iſt umſonſt, Haduſwinth,“ ſchalt der junge 
Gunthamund, „zum drittenmal leg’ ich vergeblich an! es 
wagt ja Keiner nur die Naſe über die Bruſtwehr.“ 

„Geduld,“ fagte der Alte, „halte den Bogen nur ges 
fpannt ! 

Gs fommt fdon Ciner, den der Fürwitz plagt. 

Wud) mir leg’ einen Bogen bereit. Nur Geduld.” 

„Die bat man leidter mit deinen fiebjig als mit 
meinen zwanzig Jahren.“ 

Inzwiſchen hatte Cethegus die Wallzinne hier erreicht: 
er warf einen Blick in die Ebne: da ſah er den König, 
in der weiten Ferne, unbeweglich, im Centrum ſtehen der 
gothiſchen Scharen, auf dem rechten Tiber⸗Ufer. 

Das ſtörte und beunruhigte ihn. 

„Was hat er vor? 

Sollte er gelernt haben, daß der Feldherr nicht 
fechten ſoll? 

Komm, Gajus,“ rief er dem jungen Schützen zu, 
der ihm kühn gefolgt war, „deine jungen Augen ſehen 
ſcharf, bli’ mit mir über die Zinne hier — was treibt 
der König dort?“ 

Und er beugte ſich ither die Bruftwehr, Gajus folgte, 
eifrig fpabend, ſeinem Beifpiel. 

vest, Gunthamund!“ rief Hadufwinth unter. 

Bwei Sehnen flangen und die beiden Späher fubren 
zurück. 


155 





Gajus ſtürzte, in vie Stirn gefchoffen, nieder: und 
unter deS Prafecten Helmdach zerſplitterte klirrend ein 
Pfeil. 

Gethegus ftrid) mit der Gand über die Stirn. 

„Du lebft, mein Feldherr?“ rief Pifo, heranfpringend. 

oa, Freund. Es war gut gezielt. Wber vie Gutter 
brauden mid now: nur die Haut ift geribt,” fprad) 
Gethegus und ſchob den Helm zurecht. 


Bwilftes Capitel. 





Da flog Syphax die Mauertreppe hinauf. 

Streng hatte ihm fein Herr verboten, fic) am Kampf 
gu betheiligen: , die Barbaren follen did) mir nicht tödten 
und aud did) nicht erfennen — diz bift unerfeglid als 
Slave Matafwinthens und Rundfdafter ves Königs 
Witichis,” hatte Cethegus gefagt. 

„Wehe, wehe,“ fdrie er fo itberlaut, daß e8 feinem 
Herrn auffiel, ver des Manren Huge Rube fannte, 
„welch' ein Unglück!“ 

„Was iſt geſchehen?“ 

„Conſtantinus iſt ſchwer verwundet. Er wollte einen 
Ausfall führen aus dem ſalariſchen Thor und ſtieß ſogleich 
auf die gothiſchen Sturmreihen. 

Ein Schleuderſtein traf ſein Geſicht. 

Mit Muhe rettete man ihn auf den Wall. Dort 
fing ic) ben Ginfenden auf — er ernannte den Prafecten 
su feinem BVertreter. 

Hier ift fein Feldherrnſtab.“ 

Das ift nicht möglich!“ ſchrie Beffas, ver auf 
Syphax’ Ferfe folgte. 


157 





Er hatte in Perjon vom Prafecten neue Verftarfungen 
verfangen wollen und fam eben recht, die Nachricht gu hören. 

over ex war fdon finnlos als er's that." 

„Hätte ex dich beftellt, jedesfalls ,“ ſprach Cethegus, 
ruhig bas Scepter ergreifend und dem fdlauen Slaven 
mit einem rafden Wink ves Wuges danfend. 

Mit einem wiithenden Blide fprang Beffas von der 
Brüſtung und etlte davon. 

„Folg' thm, Syphar, und beadt’ ihn wohl," flifterte 
ver Prifect. 

Da eilte ein iſauriſcher Söldner herbet: ,,Verftirtung, 
Prafect, ans portuenfifde Thor. Herzog Guntharis 
hat zahlloſe Leitern angelegt.“ 

Da fprengte Gabao, der Führer der ‘ maurifden 
berittnen Schiigen heran: Conſtantinus ift toot. 

Vertritt du Conftantinus." 

„Beliſar vertret’ id), ſprach Cethegus ftol;: fiinfs 
hundert Armenier ziehet ab vom appifden und fdidt jie 
an's portuenfifde Thor." 

Hülfe, Hitlfe an’s appifde Thor! alle Vertheidiger 
auf den Zinnen ſind erſchoſſen!“ meldete ein perſiſcher 
Reiter, „die Vorſchanze iſt halb verloren: vielleicht iſt 
ſie noch zu halten: aber ſchwer! 

Aber unmöglich wär's, ſie wieder zu nehmen!“ 

Cethegus winkte ſeinem jungen Jurisconſulten, Sal⸗ 
pins Julianus, jest ſeinem Kriegstribun: 

„Auf, mein Juriſt: »beati possidentes«! 

„Nimm hundert Legionare und halte vie Schanze um 
jeden Preis, bis weitere Hülfe kommt.“ — 


158 


Und er fah von der Mtauerfrone wieder hinab. 

Unter feinen Füßen tobte das Gefecht, donnerte ber 
Mauerbrecher Hildebrands. 

Aber ihn Himmerte mehr die rathfelhafte Rube, in 
welder der Konig im Hintergrund unbeweglid ftand. 

„Was bat er nur vor?" 

Da drdhnte von unten ein furdtbar krachender Stok 
und Lauter Siegesjubel ver Barbaren: Cethegus braudte 
nicht gu fragen: in drei Spriingen war er unten. — 

„Das Thor ift eingeſtoßen!“ riefen ihm entfegt die 
Ceinigen entgegen. 

„Ich weiß es: jest find wir felbft der Riegel Roms.“ 
Und ven Schild fefter andritdend, trat er bart an den 
rechten Thorflügel, in welchem in der That ein breiter 
Rip flaffte; und fdon ſtieß ver Widder an die fplitterns 
den ‘Platten neben der Oeffnung. 

„Noch ein folder Stoß und das Thor liegt ganz,“ 
fagte Gregor, der Byzantiner. 

„Richtig. deßhalb varf es nidjt mehr dazu fommen. 
Her gu mir, Gregor und Lucius: ftellt eud), Milites! 
vie Speere gefallt! Fadeln und Brande! gum Ausfall! 
Winke id), fo öffnet das Thor und werft Widder und 
Schirmdach und Alles in ven Graben.” 

Du bift ſehr kühn, mein Feldherr!“ rief Lucius 
Licinius, entzückt neben ihn fpringend. 

„Ja, jetzt hat die Kühnheit Vernunft, mein Freund!” 

Sdon war die Golonne geftellt, ſchon wollte der 
Prafect vas Schwert jum Zeichen ves Angriffs erbeben, 
— va erfdoll vom Riiden her ein Larm, größer ſelbſt 


159 





als per der ftiirmenden Gothen: Wehegeſchrei und 
Pferdegetrappel: — und Beffas drängte fid) heran: er 
fate ben Arm des Prafecten: — feine Stimme verfagte. 

„Was bemmft du mid in dieſem Augenblick?“ rief 
dieſer und ſtieß ihn zurück. — 

„Beliſars Truppen,“ ftammelte entfegt der Thraker, 
aftehen ſchwer gefdlagen vor dem tiburtinifden Thor — 
fie flehen um Einlaß — wilthende Gothen binter ihnen 
— Beliſar ift in einen Hinterhalt gefallen — ev ift todt." 

‚Beliſar ift gefangen!” fdrie ein Thürmer vom 
tiburtinifden Thor, athemlos eran eilend. 

„Die Gothen! die Gothen find da! fie ftehn vor 
Dem nomentanifden und vor dem tiburtinifden Thor!” 
ſcholl's aus der Tiefe der Strafe. 

„Beliſars Fahne ift genommen! Profop vertheivigt 
feine Leiche!“ | 

Laß dad tiburtinifde Thor öffnen, Präfect!“ vrangte 
Beffas, deine Bfaurier ftehen plsglid) dort. Wer hat 
fie dorthin geſchickt? 

„Ich!“ ſagte Cethegus, überlegend. 

Sie woll'n nicht öffnen ohne deinen Befehl! rette 
doch ſeine — Beliſars! Leiche!“ 

Cethegus zauderte — er hielt das Schwert halb er⸗ 
hoben — er ſchwankte. 

„Die Leiche, dachte er, rett' id) gern.” 

Da flog Syphax heran. 

oem! ex lebt nod!" rief er feinem Germ in’s 
Obr, ic bab ihn gefeben von ver Rinne: ev regt fid 


‘ 


152. 





„Und wer ift ber Reidigeriiftete dort, auf dem Braunen, 
mit bem Wolfsrachen auf dem Helm? Er zieht gegen die 
Portuenfis.” 

„Das ift Herzog Guntharis, der Wölſung,“ fprad 
Lucius Licinins. 

„Und fieh, aud dritben auf der Oftfeite der Stadt, 
über'm Flug, fo weit man ſchauen fann, gegen alle 
Thore, ritden Sturmreihen ver Barbaren,” fagte Pifo. 

„Aber wo ift der König felbft?" frug Ralliftratos. 

„Siehe, dort in der Mitte ragt die gothifde Haupte 
fabne: dort halt er, oberhalb des pantratifden Thors,“ 
antwortete der Prafect. . 

„Er allein fteht regungslos mit feiner ſtarken Schar, 
weit, wm Ddreihundert Schritt zurück, hinter der Line,” 
fprad) Salvius Julianus, der junge Surift. 

„Sollte er nidt mit kämpfen?“ frug Maſſurius. 

„Wäre gegen feine Weife. | 

Aber lak uns vom Thurm auf den Wall hinad: 
ras Gefedt beginnt,” ſchloß Cethegus. 

„Hildebrand hat den Graben erveidt." 

„Dort ftehen meine Byzantiner, unter Gregor. 

Die Gothen Schiigen gielen gut. Die Binnen am 
pantratifden Thor werden leer. 

Wuf, Maffurius, ſchicke meine abasgifden ager 
und von den römiſchen Legionaren die beften Pfeilſchützen 
dorthin: fie follen anf die Rinder und Roffe ver Sturm: 
bide zielen.“ 

Bald war der Kampf auf allen Geiten entbrannt: 


3 


153 





und mit Verdruß bemertte Cethegus, daß vie Gothen 
überall Fortſchritte machten. 

Die Byzantiner ſchienen ihren Feldherrn zu vers 
miſſen: fle ſchofſen unſicher und widen von den Wallen, 
indeB die Gothen heute mit befonderer Todesverachtung 
vordrangen. 

Schon hatten ſie an mehreren Stellen den Graben 
überſchritten und Herzog Guntharis hatte ſogar ſchon 
Leitern angelegt an den Wallen bei vem portuenfifden 
Chore, wabrend der alte Waffenmeifter einen ftarfen 
Widderkopf herangefdleppt und denfelben durch ein 
Schirmdach gegen die Feuergefdoffe von oben gefichert 
batte. , 

Schon donnerten die erften Stöße laut durch das 
Getiimmel des Rampfes gegen die Balken des pantras 
tijden hors. 

Diefer wobhlbefannte Ton erſchütterte ven Präfecten, 
ver eben bier anlangte: ,Offenbar, fagte ev gu fich felbft, 
maden fie jegt bittern Ernft, nachdem der Scheinverfud) 
fo gut gelungen.” 

Und wieder ein dröhnender Stoß. 

Gregor, der Byzantiner, ſah ihn fragend an. 

was darf nidt lange währen!“ rief Cethegus gitrnend, 
entrig dem nadften Schiigen Bogen und Rider und 
eilte anf den Mauerkranz an vem Thore: 

Dieber, hr Sdhiigen und Schleuderer! 

Mir nad!" rief er, „ſchafft ſchwere Steine bei. Wo 
ift der nächſte Ballift? 

Wo die Scorpionen? das Schirmdach muß entzwei.“ 


154 


Unter dem Schirmdach aber ftanden gothifde Schützen, 
vie eifrig durch die Schießſcharten nad ben Baden der 
Mauerzinnen lugten. 

„Es ift umfonft, Haduſwinth,“ fdalt ver junge 
Gunthamund, „zum drittenmal leg’ ich vergeblid an! es 
wagt ja Reiner nur die Naſe iiber die Bruſtwehr.“ 

„Geduld,“ fagte ver Wte, ,balte den Bogen nur ges 
fpannt ! 

Es fommt fdon Ciner, den der Fürwitz plagt. 

Wud mir leg’ einen Bogen bereit. Nur Geduld.« 

„Die bat man leidter mit deinen fiebsig als mit 
meinen zwanzig Jahren.“ 

Inzwiſchen hatte Cethegus die Wallzinne hier erreicht: 
ex warf einen Olid in die Ebne: da ſah er den Konig, © 
in Der weiten Ferne, unbeweglid), im Centrum ftehen dev 
gothifden Scharen, auf dem rechten Liberslifer. 

Das ftirte und beunrubigte ihn. 

„Was hat er vor? 

Gollte er gelernt haben, vag der Feldherr nicht 
fedjten foll? . 

Komm, Gajus,“ rief er dem jungen Schützen zu, 
ver thm fithn g:folgt mar, ,deine jungen Augen feben 
ſcharf, blic’ nut mir über die Binne hier — was treibt 
Der König dort?“ 

Und er beugte ſich über die Bruſtwehr, Gajus folgte, 
eifrig ſpähend, ſeinem Beiſpiel. 

„Jetzt, Gunthamund!“ rief Haduſwinth unten. 

Zwei Sehnen klangen und die beiden Späher fuhren 
zurück. 


155 





Gajus ftiirzte, in vie Stirn gefdoffen, nieder: und 
unter des Prafecten Helmdach zerſplitterte flivrend ein 
Pfeil. 

Sethegus ftridh mit der Hand über die Stirn. 

„Du lebft, mein Feldherr?“ rief Pifo, heranfpringend. 

da, Freund. Es war gut gegielt. Wher die Gatter 
brauden mid nod: nur die Haunt ift geritzt,“ fprad 
Gethegus und ſchob ven Helm zurecht. 


Bwilftes Capitel. 





Da flog Syphar vie Mauertreppe hinauf. 

Streng hatte ihm fein Herr verboten, fid) am Kampf 
gu betheiligen: ,die Barbaren follen did) mir nicht tddten 
und aud did) nicht erfennen — dit bift unerfeglid als 
Slave Matafwinthens und RKundfdafter ves Königs 
Witichis, hatte Cethegus gefagt. 

„Wehe, wehe,“ ſchrie er fo überlaut, daß es feinem 
Herrn auffiel, der des Mauren kluge Ruhe kannte, 
„welch' ein Unglück!“ 

„Was iſt gefdeben 2" 

„Conſtantinus iſt ſchwer verwundet. Er wollte einen 
Ausfall führen aus dem ſalariſchen Thor und ſtieß ſogleich 
auf die gothiſchen Sturmreihen. 

Ein Schleuderſtein traf ſein Geſicht. 

Mit Muhe rettete man ibn auf ven Wall. Dort 
fing ic) den Sinkenden auf — er ernannte den Prafecten 
su feinem Vertreter. 

Hier ift fein Feldherrnſtab.“ 

„Das ift nidt möglich!“ ſchrie Beffas, ver anf 
Syphax’ Ferfe folgte. 


157 





Er hatte in Perfon vom Prafecten neue Verftartungen 
verfangen wollen nnd fam eben recht, die Nachricht zu hören. 

ober er war fdon finnlos als er's that.“ 

wpatte er dich beftellt, jedesfalls,“ fprad) Gethegus, 
ruhig das Scepter ergreifend und bem fdlauen Sflaven 
mit einem rafden Wink ves Anges dankend. 

Mit einem wiithenden Blide fprang Beffas von der 
Briiftung und eilte davon. 

„Folg' thm, Syphax, und beacht' ihn wobl," fliifterte 
ver Prafect. 

Da eilte ein ifaurifder Söldner herbei: ,,Verftartung, 
Prhfect, ans portnenfifhe Thor. Herzog Guntharis 
hat zahlloſe Leitern angelegt.“ 

Da fprengte Gabao, der Führer der ‘ maurifden 
berittnen Schützen heran: .Conftantinus ift tort. 

Pertritt du Conftantinus.” 

Oelifar vertret’ id), ſprach Cethegus ſtolz: fiinfs 
hundert Armenier ziehet ab vom appifden und ſchickt fie 
an's portuenfifde Thor.“ ; 

Hülfe, Hülfe an's appiſche Thor! alle Vertheidiger 
auf den Zinnen ſind erſchoſſen!“ meldete ein perſiſcher 
Reiter, „die Vorſchanze iſt halb verloren: vielleicht iſt 
ſie noch zu halten: aber ſchwer! 

Aber unmöglich wär's, ſie wieder zu nehmen!“ 

Cethegus winkte ſeinem jungen Jurisconſulten, Gals 
vius Julianus, jetzt ſeinem Kriegstribun: 

„Auf, mein Juriſt: »beati possidentes«! 

‚„Nimm hundert Legionare und halte vie Schanze um 
jeden Preis, bis weitere Hiilfe kommt.“ — 


158 


Und er fah von ver Dtauerfrone wieder binab. 

Unter feinen Figen tobte das Gefecht, vonnerte der 
Mauerbrecher Hildebrands. 

Aber ihn Himmerte mehr die rathfelhafte Rube, in 
welder der Konig im Hintergrund unbeweglid ſtand. 

„Was hat er nur vor" 

Da dröhnte von unten ein furdthar fracender Stoß 
und lauter Siegesjubel der Barbaren: Cethegus braudhte 
nicht gu fragen: in drei Spriingen war er unten. — 

„Das Thor ift eingeſtoßen!“ riefen ihm entfegt die 
Seinigen entgegen. 

„Ich weiß es: jegt find wir felbft der Riegel Roms.” 
Und ven Schild fefter andritdend, trat er hart an den 
rechten Thorfliigel, in welchem in der That ein breiter 
Riß flaffte; und ſchon ftieR ver Widder an die fplitterns 
den Platten neben der Oeffnung. 

„Noch ein folder Stoß und das Thor liegt ganz,“ 
fagte Gregor, ver Byzantiner. 

‚„Richtig. deßhalb darf e8 nicht mehr dazu fommen. 
Her zu mir, Gregor und Lucius: ſtellt euch, Milites! 
die Speere gefällt! Fackeln und Brände! zum Ausfall! 
Winke ich, ſo öffnet das Thor und werft Widder und 
Schirmdach und Alles in den Graben.“ 

„Du biſt ſehr kühn, mein Feldherr!“ rief Lucius 
Licinius, entzückt neben ihn ſpringend. 

„Ja, jetzt hat die Kühnheit Vernunft, mein Freund!“ 

Schon war die Colonne geſtellt, ſchon wollte der 
Präfect das Schwert zum Zeichen des Angriffs erheben, 
— va erſcholl vom Rücken ber ein Lärm, größer ſelbſt 


159 





als per der ftiirmenden Gothen: Webhegefdret und 
Pferdegetrappel: — und Beffas drangte ſich heran: er 
fafte den Arm ves Prafecten: — feine Stimme verfagte. 

a8 hemmſt du mid in diefem Augenblick?“ rief 
dieſer und ſtieß ihn zurück. — 

„Beliſars Truppen,“ ftammelte entfegt per Thraker, 
.ftehen ſchwer gefdlagen vor dem tiburtinifden Thor — 
fie fleben um Einlaß — witthende Gothen hinter ihnen 
— Belifar ift in etnen Hinterbhalt gefallen — ev ift tot.” 

Bveliſar ift gefangen!" ſchrie ein Thürmer vom 
tiburtinifden Thor, athemlos heran eilend. 

„Die Gothen! die Gothen ſind da! ſie ſtehn vor 
dem nomentaniſchen und vor dem tiburtiniſchen Thor!“ 
ſcholl's aus der Tiefe der Straße. 

„Beliſars Fahne iſt genommen! Prokop vertheidigt 
ſeine Leiche!“ 

ak das tiburtiniſche Thor öffnen, Präfect!“ drängte 
Beſſas, deine Iſaurier ſtehen plötzlich dort. Wer hat 
ſie dorthin geſchickt? 

„Ich!“ ſagte Cethegus, überlegend. 

„Sie woll'n nicht öffnen ohne deinen Befehl! rette 
doch ſeine — Beliſars! Leiche!“ 

Ceethegus zauderte — er hielt das Schwert halb ers 
hoben — er ſchwankte. 

„Die Leiche, dachte er, rett' id) gern." 

Da flog Syphar heran. 

„Nein! ex lebt nod!“ rief er ſeinem Herrn in's 
Ohr, „ich ab ihn geſehen von ver Rinne: er regt ſich 


160 





nod): aber ev ift gletd gefangen: die gothifden Reiter 
braufen heran: — Zotila, Leja, gleich find fie bet thn!" 

„Gieb Befehl, laf das tiburtiner Thor öffnen!“ 
mabnte Beſſas. 

Uber veS Prafecten Auge blitzte: fem Wntlig itbers 
flog jener Ausdruck ftoljer, kühner Entſchloſſenheit, der 
es mit Damonifder Schönheit verflaren fonnte. 

Gr fdlug mit dem Schwert an den jertritmmerten 
Thorfliigel vor fid: 

„Auf, gum Ausfall. 

Erſt Rom: dann Beliſar! 

Rom und Triumph!“ 

Das Thor flog auf. 

Die ſtürmenden Gothen, ſchon des Sieges ſicher, 
hätten Alles eher erwartet als dies Wagniß der, wie ſie 
wähnten, ganz verzagten Byzantiner. 

Sie waren ohne Fechtordnung um das Thor herum 
zerſtreut, wurden völlig überraſcht und durch den Anlauf 
ver feſt geſchloſſſen Colonne raſch in den hinter ihnen 
klaffenden Graben geworfen. 

Der alte Hildebrand wollte ſeinen Widder nicht laſſen. 

Sich hoch aufrichtend zerſchmetterte er Gregor, dem 
Byzantiner, mit ſeinem Steinhammer den hochgeſchweiften 
Helm und das Haupt. 

Aber gleichzeitig faſt ſtieß ihn ſelber Lucius Licinius 
mit dem Schildſtachel in den Graben. 

Cethegus zerhieb mit dem Schwert die Seile der 
Maſchine, die krachend auf den Alten ſtürzte. 


161 





vest Feuer in die Holjmafdinen, die nod) ftehen,” 
befahl Gethegus. 

Rafd loderten deren Balfen auf in Flammen. 

Sogleich kehrten die ſiegreichen Römer zurück in die 
Walle. 

Da rief Syphax vem PBrafecten entgegen: 

„Gewalt, Herr, Aufrubr und Empörung! 

Die Byzantiner gehorden div nicht mebr! 

Beſſas rief fie auf, das tiburtinifde Thor mit Gewalt 
zu öffnen. 

Seine Leibwächter drohen, Mareus Licinius anzugreifen 
und deine Legionare und Iſaurier zu ſchlachten durch die 
Hunnen.“ 

„Das büßen ſie!“ rief Cethegus grimmig. 

‚Wehe Beffas! Ich will's ihm gedenfen! . 

Auf, Lucius Licinius, nimm den halben Reft der 
Sfaurier ! 

Nein, nimm fie We! Whe! yu weißt wo fie ftehn: 
faſſe die Leibwächter des Thrakers von Porta Claufa ber 
im Riiden. 

Und ftehn fie nicht ab, — fo hau’ fie nieder, 
ohne Sdonung. 

Hilf deinem Bruder! 

Ich folge gleich!“ 

Lucius Licinins zauderte. 

vind das tiburtiniſche Thor?“ 

„Bleibt geſchloſſen.“ 


wind Belifar? 
Dabhn, Sin Kampf um Rom. IIT. 11 


162 


— — — 


‚Bleibt draußen.“ 
„Teja und Totila find ſchon heran.“ 
„Deſto weniger kann man öffnen. 


Erſt Rom: dann Alles Andre. 

Gehorche, Tribun!“ 

Cethegus blieb noch, die Ausflickung des pankratiſchen 
Thores anzuordnen. 

Das währte ſehr geraume Zeit. 

oie ging es, Syphar?“ fragte ev. ‚Lebt er wirk⸗ 
lich?“ — 

„Er lebt nod.” — 

„Tölpel, dieſe Gothen!“ 

Da kam ein Bote von Lucius. 

„Dein Tribun läßt melden: Beſſas giebt nicht nach: 
— ſchon iſt das Blut deiner Legionare am tiburtiner Thor 
gefloſſen. 

Und Asgares und deine Iſaurier zögern, einzuhauen. 

Sie zweifeln an deinem Ernſt.“ 

„Ich will ihnen meinen Ernſt zeigen!“ rief Cethegus, 
warf ſich auf's Pferd, verließ dieſen Theil der Stadt, 
und jagte wie der Sturmwind davon. 

Weit war ſein Weg: über die Tiberbrücke des Jani⸗ 
culum, am Capitol vorbei, über das Forum Romanum, 
durch die facra Via und den Bogen des Titus, die 
Thermen des Titus rechts laffend, über den Esquilin 
hinaus, endlich durch das eSquilinifdhe Thor an dads 
tiburtinifde Uufenthor — ein Weg vom auferften Weften 
an Den äußerſten Often der wmeitgeftredten Stadt. 


163 





Hier, inter dem Thore, ftanden dte Leibwächter 
von Beffas und Belifar mit gedoppelter Front. 

Die eine Schar ſchickte ſich an, die Legionare und 
Iſaurier des Prafecten unter Marcus Licinius an der 
Thorwache zu überwältigen und das Thor mitt Gewalt gu 
öffnen, während die zweite Fronte mit gefallten Speeren 
ver Mafje ver andern Sfauriern gegenitber ftand, welde 
Lucius vergeblid) gum Angriff befebligte. 

„Söldner,“ rief Cethegus, vas ſchnaubende Roß didht 
vor deren Linie parirend, ‚„wem habt ihr geſchworen: 
mir oder Beliſar?“ 

„Dir, Herr," fprad Wegares, ein Anfithrer, vor- 
tretend, ,aber id) dachte“ — 

Da bligte das Schwert des Prafecten und tödtlich 
getroffen ftitrgte der Dtann. 

„Zu gehorden habt ihr, eidbrüchige Schurken, nidt 
qu denfen !" 

Entfewt ftanden die Söldner. 

Aber Gethegus commandirte rubig : 

„Die Speere gefallt! gum Angriff! mir nad!“ 

Und die Sfaurier gehordten thm und nun, — ein 
Augenbli€ nod, und e8 begann tn Yom felbft der 
Kampf. . 

Aber da erfdoll von Weften, von der Ridtung des 
aurelifden Chores, her ein furchtbares, Alles übertäu— 
bendes Geſchrei: 

„Wehe, Wehe, Wes verloren! 


Die Gothen über und! 
11* 


164 


Die Stadt ift genommen!” 
Cethegus erbleichte und blidte zurück. 


Da ſprengte Kalliſtratos heran, Blut floß ihm Aber 
Geſicht und Hals. 

„Cethegus,“ rief er, „es ift aus! 

Die VBarbaren find in Rom! 

Die Mauer ift erftiegen.” 

„Wo?“ Fragte der Prafeet tonlos. 

„Am Grabmal Hadrians!“ 

„O mein Feldherr!“ rief Lucius Licinius, „ich habe 
dich gewarnt.“ | 

Das war Witichis!“ fagte Cethegus, vie Wugen zu—⸗ 
fammendriidend. 

„Woher weikt Du vas!" ftaunte Ralliftratos. 

„Genug, id) weiß es.“ 

Es war etn furchtbarer Ungenblid fiir ven Präfecten. 

Gr mufte fid) fagen, dap er, rückſichtslos feinen Blan 
jum BVerderben Beltjars verfolgend, eine Spanne eit 
Rom itberfehen hatte. 

Er biß vie Zähne in die Unterlippe. 

»Gethegus hat das Grabmal Hadrian’ entblößt! 

Cethegus hat Rom in’s BVerderben geſtürzt!“ rief 
Befjas an ver Spibe ver Letbwadper. 

Und Cethegus wird es retten!" rief diefer, ſich bod 
im Gattel aufricdtend. | 

„Mir nad, alle Sfaurier und Legionare.“ 

„Und Beliſar?“ flitfterte Sypbhar. 

‚Laßt ihn beret. 


165 





Grft Rom: yann Ales Andre! 

Golgt mir!“ 

Und im Sturmflug fprengte er zurück, ves Weges, 
ben ev gefommen. 

Nur wenige Berittne fonnten ihm folgen: tm Lauf 
eilte fein Fußvolk, Sjaurier und Legionare, nad. 


164 


Die Stadt ift genommen!” 

Cethegus erbleidte und blidte zurück. 

Da fprengte Kalliftratos heran, Blut flog ihm über 
Geſicht und Hals. 

.Gethegus ,“ rief er, „es ift aus! 

Dte VBarbaren find in Rom! 

Die Mauer ift erftiegen.” 

„Wo?“ fragte der Prafeet tonlos. 

yum Grabmal Hadvians !“ 

© mein Feloherr!" reef Lucius Licinius, „ich habe 
bid) gewarnt.“ 

Das war Witichis!“ fagte Cethegus, vie Wugen jus 
fammendritdend. 

„Woher weit Du vas!” ftaunte Ralliftratos. 

„Genug, ich weiß es.“ 

Es war ein furchtbarer Augenblick für den Präfecten. 

Er mußte ſich ſagen, daß er, rückſichtslos ſeinen Plan 
zum Verderben Beliſars verfolgend, eine Spanne Zeit 
Rom überſehen hatte. 

Er biß die Zähne in die Unterlippe. 

„Cethegus hat das Grabmal Hadrians entblößt! 

Cethegus hat Rom in's Verderben geſtürzt!“ rief 
Beſſas an der Spitze der Leibwächter. 

„Und Cethegus wird es retten!“ rief dieſer, ſich hoch 
im Sattel aufrichtend. J 

„Mir nad, alle Iſaurier und Legionare.“ 

„Und Beliſar?“ flüſterte Sypbhar. 

„Laßt ibn herein. 





165 





Grft Rom: dann Ales Andre! 

Folgt mir!" 

Und im Sturmflug fprengte er zurück, des Weges, 
ren ev gefommen. 

Nur wenige Berittne fonnten ihm folgen: im Lauf 
elte fein Fupoolf, Sfaurier und Legionare, nad. 


Dreizehntes Capitel. 





Draufen vor dem tiburtinifden Thore ward es zu 
gleider Beit filler. 

Cin Bote hatte vie gothifden Reiter yon dem itber: 
fliiffigen Gefechte abgerufer. 

Gie follten hier inne halten und alle verfiigbare 
Mannfdhaft um die Stadt und über den Flug eilig an 
nas aureliſche Thor fenden, durch weldes man fo eben 
in die Stadt gedrungen fet: dort braude man alle 
Kräfte. 

Die Reiter jagten, rechtsum ſchwenkend, nach jenem 
Thor, wo ſich jetzt Alles zuſammendrängte: aber ihr 
eignes Fußvolk, ſtürmend an den zwifchen liegenden fünf 
Thoren: der Porta clauſa, nomentana, ſalaria, pin⸗ 
ciana und flaminia, verſperrte ihnen den Weg ſo lange, 
daß ſie zu der Entſcheidung zu ſpät kamen, die am 
Grabmal des Hadrian gefallen war. 

Wir erinnern uns ver Lage dieſes Lieblingsplatzes 
des Prajecten: dem vaticanifden Hügel gegenitber, einen 
Steinwurf etwa vor dem aurelifden Thor gelegen, mit 
viefem durch Seitenmauern verbunden und ftberall, aufer 


167 


im Gilden, wo der Fluß decken follte, durch neue Walle 
geſchützt, ragte die »moles Hadriani«, ein gewaltiger 
runder Thurm oon fefteftem Ban. — 

Cine Art Hofraum umgab dad eigentlide Gebäude: 
wor der erften, äußern Dedungsmaner im Gilden flog 
ver Liber. 

Unf den Binnen diefer Außenmauer, in dem Hof: 
raum und auf ben Rinnen der Innenmauer lagerten 
fonft die Sfanrier, welche der Prafect yu übler Stunde 
binweggezogen hatte, feinen Plan gegen Belifar durchzu⸗ 
fegen. 

Auf den Rinnen der Innenmauer aber ftanden die 
zahlreichen Statuen von Marmor und Erz, deren drittes 
Hundert das Geſchenk ves Ralliftratos vervollftindigt 
batte. 

Der König der Gothen hatte fic für heute in der 
Mitte ves großen Halbkreiſes, welchen vie Barbaren aud 
um die Weftfeite, auf nem redjten Tiberufer, um die Stadt 
gezogen, auf dent Felde Nero's zwiſchen dem pantratifden 
‘alten aurelianifden) und dem (neuen) aurelianiſchen 
Thor, wo fonft nur Graf Markja von Mediolanum 
lagerte, eine weit guritdgenommene, abwartenre Stellung 
gewablt. 


Gr baute feinen Plan darauf, dak ver allgemeine 
Sturm gegen alle Thore nothwendig die Kräfte ver Bes 
lagerten werde jerfplittern miiffen: und fowie an irgend 
einem Punet durch Hinwegziehung der Vertheidiger eine 
Blöße entftehen würde, gedadjte er, fie fofort gu benützen. 


168 


In diefer Abſicht hielt er unbeweglid) im sweiten 
Creffen weit hinter den Sturmcolonnen. 

Gr hatte allen Anführern Anftrag gegeben, ihn ſchleunig 
herbeizurufen, wo fid) eine Lücke der Vertheidigung zeige 

Lange, Tange hatte er fo gewartet. 

Mandes Wort der Ungedulp hatte er von feinen 
Scharen gu tragen gehabt, welche müſſig ftehen follten, 
wabrend die Genoſſen überall im frifden BVordringen 
waren: flange, lange harrten fie auf einen Boten, der 
fie abriefe zur Theilnahme am Kampf. 

Da bemerfte endlid) des Königs fdarfes Auge felbft 
guerft, wie bon den Rinnen der Außenmauer am Grab« 
mal Hadrians die woblbefannten Feldzeichen und die 
dichten Speere der Sfaurier verſchwanden. 

Aufmerkſam blickte er hin: ſie wurden nicht abgelöſt, 
die Lücken nicht erſetzt. 

Da ſprang er aus dem Sattel, gab ſeinem Roſſe 
einen Schlag mit der flachen Hand auf den ſtolzen 
Bug, ſprach: „Nach Hauſe, Boreas!" und das kluge Thier 
lief gerade aus in das Lager zurück. 

- ,Sebt, vorwarts meine Gothen! vorwarts, Graf 
Marta!" rief der Konig, dort über den Fluß — die 
Mauerbreder laßt hier zurück: nur die Sdilde und dite 
Sturmleitern nehmt mit. Und die Beile. Boran!“ 

Und im Rauf erreidte ex den fteilen Uferhang an 
ver ſüdlichen Biegung ves Fluffes und eilte den Hiigel 
hinab. 

„Keine Brücke, König, und keine Furt?“ fragte ein 
Gothe hinter ihm. 


169 


Mein, Freund Iffamer, ſchwimmen!“ und ver König 
fprang in die gelbe ſchmutzige Fluth, daß fie ziſchend hod) 
über femem Helmbuſch zuſammenſchlug. 

In wenigen Minuten hatte er das andere Ufer er⸗ 
reicht, die vorderſten ſeiner Leute mit ihm. 

Bald ſtanden ſie hart vor der hohen Außenmauer 
des Grabmals und die Männer blickten fragend, beſorgt 
hinauf. 

‚Leitern her!" rief Witichis, ,feht ihr nicht? Die 
Vertheidiger fehlen ja! Fürchtet ihr euch vor hohen 
Steinen 2 

Raſch waren vie Leitern angelegt, raſch vie Augen: 
walle erftiegen, die wenigen Waden hinabgeſtürzt, die 
Leitern nachgezogen und an der Snnenfeite der Augen: 
maner in den Hof bhinabgelaffen. 

Der Konig war der Erfte in dem Hofraum. 

Hier freilid) wurde das Vordringen ver Gothen eine 
Weile gehemmt. ; 

Dem auf ven Rinnen der Snnenmauer ftanden, 
yom pankratiſchen Thore hieher geeilt, Quintus Pifo und 
RalliftvatoS mit hundert Legionaren und nur ein Par 
Sfauriern: und diefe ſchleuderten einen dichten Hagel von 
Speeren und Pfeilen auf die nur vereinzelt in den Hof- 
raum hinabfteigenden Gothen: aud) ihre Balliften und 
Katapulten wirkten verheerend. 

»~Sdidt um Hilfe, um Hülfe zu Cethegus! rief 
oben auf der Mauer Pifo. 

Und Ralliftratos flog davon. 


170 





Rechts und links fielen die Gothen unten im Hof 
neben Witichis. 

„Was thun?“ fragte Markja an feiner Seite. 

‚Warten, bis fte fid) verſchoſſen haben," fagte diefer 
rubig. 

„Es fann nicht lange mehr wabren. 

Gie werfen und fdieken viel gu haftig in ihrem 
Schrecken. 

Seht ihr: ſchon fliegen mehr Steine denn Pfeile. 

Und die Speere bleiben aus.“ 

„Aber die Balliſten, die Katapulten —“ 

„Werden uns bald nicht mehr ſchaden. Ordnet end 
gum Sturm. Seht, der Hagel wird ſehr ſpärlich. 
~ Go, nun die Leitern bereit und die Beile. — est, 
raf mir nad.“ 

Und in fdnellem Anlauf rannten die Gothen über 
den Hof. 

Nur wenige waren dabei gefallen. 

Und ſchon ſtanden ſie hart an der zweiten, der 
inneren Mauer: und hundert Leitern waren angelegt. 

Jetzt aber waren alle Balliſten und Katapulten Piſo's 
nutzlos geworden: denn, gum Schuß in die Weite geſpannt, 
konnten ſie nichk ohne große Mühe und lange Zeit zu 
ſenkrechtem Schuß gerichtet werden. 

Piſo bemerkte es wohl und erbleichte. 

„Wurfſpeere her! Speere! Speere! oder Alles iſt hin!“ 

„Alle verſchoſſen,“ keuchte troſtlos neben ihm der 
dicke Balbus. 


171 





Dann iſt's vorbei!" feufgte Pifo, ven rechten Arm 
todtmüde fenfend. 

~romm, Maſſurius, lag uns fliehn,“ mabnte Balbus. 

„Nein, laßt uns bier fterben," rief Pifo. 

Und ſchon tauchte ver erfte gothiſche Helm über den 
Rand ver Mauer. 

Da fdoll eS die Manertreppen von der Stadtfeite 
herauf: 

Cethegus! Cethegus der Prãfect 1" 

Und er war's; rafd fprang er auf die Zinne vor 
und hieb bem Gothen, ver eben vie Hand auf vie Brut 
webr ſtützte, ſich herauf zu fdwingen, die Hand ſammt 
dem Arme ab. — Der Mann ſchrie und ſtürzte. 

„O Cethegus,“ ſagte Piſo, „du kommſt zu rechter 
Zeit!“ 

„Ich hoffe es,“ ſprach dieſer und ſtieß die Letter um, 
die vor ihm angelegt ſtand. 

Witichis war darauf geſtanden — behend ſprang er 
hinab. 

„Aber jetzt Geſchoſſe ber, Speere, Lanzen. Sonſt 
hilft Alles nichts,“ rief Cethegus. 

„Kein Geſchoß mehr weit und breit,“ antwortete 
Balbus. 

„Du kommſt, hofften wir, mit deinen Iſauriern?“ 

„Die ſind noch weit, weit hinter mir!“ rief Kalliſtratos, 
der eben als der erſte nach Cethegus wieder erſchien. 

Und auf's neue wuchs die Zahl der Leitern und der 
aufſteigenden Helme. 

Und es wuchs die dringendſte Gefahr. 


172 , 





\ 


Wild blidte Cethegus um fid. 

„Geſchoſſe,“ rief er mit dem Fuge ftampfend, „es 
müſſen Geſchoſſe herbei! 

Da fiel ſein Auge auf die rieſige Marmorſtatue 
Zeus, des Erretters, die zu ſeiner Linken auf der Zinne 
ſtand. 

Ein Gedanke durchzuckte ihn mit Blitzesſchnelle, er 
ſprang hinzu und ſchlug mit einem Handbeil den rechten 
Arm der Statue mit ſammt dem Donnerkeil in ihrer 
Fauſt herab. 

„Zeus,“ rief er, fei mir deinen Blitz! — Was hältſt 
du ihn ſo müßig? 

Auf! zerſchlagt die Statuen: und ſchleudert ſie den 
Feinden auf die Köpfe.“ 

Und raſcher, als er dies geſagt, ward ſein Beiſpiel 
befolgt. 

Mit Aexten und Beilen fielen die geängſtigten 
Vertheidiger über die Götter und Heroen her und im 
Augenblick waren all' die herrlichen Geſtalten zertrümmert. 

Es war ein grauſenhafter Anblick: da barſt ein er: 
habner Hadrian, eine Reiterſtatue, Roß und Reiter mitten 


aus einander: da ſtürzte eine lächelnde Aphrodite in die 


Knie: da flog der ſchöne Marmorkopf eines Antinous 
vom Rumpfe und ſauſte, von zwei Händen geſchleudert, 
auf einen gothiſchen Büffelſchild. 

Und weithin ſpritzten, die Zinnen bedeckend, Splitter 
und Trümmer von Marmor und Erz, von Bronce und 
Gold. 

Krachend und dröhnend ſchlugen die gewaltigen Laſten 


173 





pon Stein und Metall von den Rinnen herab und 
zerſchmetterten die Helme und Schilde, die Panzer und 
vie Glieder der ftitrmenden Gothen und die Leitern felber, 
die fie trugen. 

Mit Granen blidte Cethegus auf vas furdtbare 
Werk ver Berftdrung, das fein Wort angeridtet. 

Aber e8 hatte -gerettet. , 

Bwilf, fünfzehn, zwanzig Leitern ftanden leer von 
den hart aufeinander folgenden Männern, die fie tur; 
zuvor ameifendicdt beſetzt batten: ebenfoviele lagen gers 
broden am Fuk der Mauer: fiberrafdt von diefem un- 
erwarteten Erz⸗ und Marmor-Hagel, widen die Gothen 
einen Wugenblid. 

, Uber gleich wieder rief fle das Horn Markja's gum 
Sturm: und wieder fauften die centnerfdweren Laften 
hernieder. 

„Unſeliger, was haſt du gethan?“ jammerte Kalli⸗ 
ſtratos und ſtarrte auf die Trümmer. 

„Das Nothwendge!“ antwortete Cethegus und ſchleu⸗ 
derte den Reſt von Zeus dem Erretter über den Wall. 

„Siehſt du, wie das traf? — zwei Barbaren auf 
Einen Schlag“ — und zufrieden blickte er hinab. 

Da hörte er den Korinther rufen: 

‚„Nein, nein. Nicht dieſen! Nicht den Apoll!“ 

Und Cethegus wandte ſich und ſah, wie ein rieſiger 
Iſaurier fein Beil gegen das Haupt des Latoniden 
ſchwang. 

„Narr, ſollen vie Gothen herauf?“ fragte der Barbar 
md bolte wieder aus. 


174 





„Nicht meinen Apollon!" wiederholte ver Hellene und 
umfdlang ben Gott ſchützend mit beiden Armen, weit 
fic vorbengend. 

Das erfah auf der nächſten Leiter Graf Marka: und 
glaubend, jener wolle die Statue auf ihn ntederfdlendern, 
fam er ihm guvor: fein Wurffpeer flog und traf den 
Griechen mitten in die Bruft. 

„Ach — Cethegus!“ feufgte er und ftarb. 

Der Prafect ſah thn fallen und prefte die Brauen 
zuſammen. 

„Rettet die Leiche und ſeine beiden Götter verſchont!“ 
ſprach er kurz — und ſtieß die Leiter um, auf der 
Marka geſtanden: mehr konnte er nicht ſagen und nicht 
thun: enn ſchon vief ibn eine meue, die drohendſte 
Gefahr. 

Witichis, von ſeiner Leiter halb herabgeſchleudert, halb 
herab geſprungen, war ſeither bart an ver Mauer ges 
ftanden unter dem Hagel der Steins und Metalltrümmer 
nad neuen Mitteln fpabend. 

Denn feit ver erfte Verfud ver Sturmleitern durd 
die unverbofften, neuen Gefdoffe, die Götter und Heroen, 
abgewiefen war, hoffte er faum nod, den Wall gu gee 
gewinnen. 

Während er ſann und ſpähte, ſchlug das ſchwere 
Marmorfußgeſtell eines Mars gradivus dicht neben ihm 
auf die Erde, prallte noch mal empor und traf dabei 
an eine Mauerplatte. 

Und ſiehe, dieſe Platte, welche ein Quader von här⸗ 
teſtem Stein geſchienen hatte, zerſprang zerbröckelnd in 


175 





Meine Stiide von Mörtel und Lehm: und an ihrer Stelle 
wurde fidtbar eine ſchmale Holzpforte, welche, von jener 
Maffe nur Loder verfleipet und verdedt, den Maurern 
unt Werfleuten gum Aysgang und Cingang gedient 
hatte, wenn fle an bem grofen Gebaube reparivten und 
nachbeſſerten. 

Kaum erſah Witichis die Holzthür, als er jubelnd 
ausrief: 

»Dierher, hierher, ihr Gothen! Beile zur Hand!" 

Und ſchon ſchlug ſeine eigne Streitaxt donnernd an 
die dünnen Bretter, welche nichts weniger als ſtark 
ſchienen. 

Verhängnißvoll drang ver neue, ſeltſame Ton an ves 
Prafeeten Ohr: er hielt oben inne in der Blutarbeit 
und laufdte. 

„Das ift Cifen gegen Holy! Bei Gafar!" fagte er 
zu ſich felbft und fprang die ſchmale Mauertreppe herab, 
die an der Snnenfeite der zweiten Mauer in den ſchwach 
durch OelsLampen beleudteten Innenraum des Grabmals 
fiibrte. 

Da dröhnte ein Schlag lauter als alle fritheren, ein 
dumpfes Krachen und belles Splittern folgte und jauchzen⸗ 
ves Siegesgefdret der Gothen. 

Wie Gethegus auf vie legte Stufe ver Treppe fprang, 
fiel bie Pforte tradend nad innen in den Hof und 
König Witidhis ward fidtbar auf ver Schwelle. 

„Mein ift Rom!" jubelte er, vas Beil fallen laſſend 
und das Schwert aus der Scheide ziehend. 

ou lügſt, Witichis! yum erſten Mal im Leben!" 


176 


vief Gethegus grimmig und fprang vor, fo gemaltig den 
ftarten Sdhildftachel ftoBend gegen des Gothen Bruft, 
daß diefer überraſcht einen Schritt zurück trat. 

Dieſen Schritt benützte der Präfect und ſtellte fich 
ſelbſt auf die Schwelle, die ganze enge Pforte füllend. 

„Wo bleiben die Iſaurier!“ rief er. 

Aber nur einen Augenblick hatte ihm Witichis Zeit 
gelaſſen, bis er ihn erkannte. 

„So treffen wir uns doch im Zweikampf um Rom. 

Und nun war das Anſpringen an ihm. 

Cethegus, bemüht die ganze Oeffnung der Pforte 
zu verſchließen, deckte mit dem Schild ſeine Linke; ſein 
rechter Arm mit dem kurzen Römerſchwert vermochte nicht 
genug, ſeine rechte Seite zu decken. 

Der Stoß ves langen Schwertes des ſtarken Gothen 
drang, nicht ſtark genug von Cethegus parirt, die 
Schuppenringe des Panzers durchſchneidend, nef in feine 
rechte Bruft. 

Cethegus wantte nad) links: fdon neigte ex fic, gu 
fallen: aber er fiel nidt. 

rom! Rom!" fagte er tonlos, und frampfhaft 
bielt er fid) nod) aufredt. 

Witichis war einen Schritt guriidgetreten, um in 
neuem UAnfprung dem gefabrliden Feind ven Reſt gu 
geben. 

Aber in dieſem Wugenbli€ erfannte ihn oben auf der 
Rinne Pifo und fdleuderte einen pradtvollen fdlafenden 
Gaun, der bereits mit abgehauenen Füßen auf vem Walle 


177 





fag, auf ren König berab; er traf die Sdulter und 
Witichis ſtürzte nieder. 

Graf Markja, Iffamer und Aligern trugen ihn aus 
dem Gefecht. 

Cethegus ſah ihn noch fallen. 

Dann brach er ſelbſt auf der Schwelle der Pforte 
zuſammen; ſchützende Arme eines Freundes fingen ihn 
auf — aber er erkannte dieſen nicht mehr: ſein Bewußt⸗ 
ſein ſchwand. 

Doch weckte ihn gleich wieder ein wohlbekannter Ton, 
ver ſeine Seele entzückte: es war die Tuba ſeiner Legio⸗ 
nare, das Feldgeſchrei ſeiner Iſaurier, welche jetzt endlich 
im Sturmſchritt eintrafen und, von den Liciniern geführt, 
in dichten Scharen ſich auf die durch den Fall ihres 
Koönigs erſchütterten Gothen ſtürzten. 

Sie drängten ſie ſiegreich zu einer (einſtweilen von 
den eingedrungnen Gothen von Innen hinaus ge⸗ 
brochnen) Breſche der erſten Mauer unter großem Bluts 
vergießen hinaus. 

Der Präfect ſah die letzten Barbaren flüchten — da 
ſchloſſen fich abermals ſeine Augen. 

„Cethegus!“ rief ver Freund, der ibn im Arme 
hielt, ,, Belifar im Sterben: und fo bift aud ru verloren?“ 

Cethegus erfannte jest vie Stimme Profeps. 

3G weiß nicht,“ fprad er mit lester raft, ,aber 
Rom, — Rom ift gerettet !” 

Und damit vergingen ihm die Sinne. 


Dabn, Gin Kampf um Rom. III. 12 


Vierzehntes Capitel. 





Mad ver Anfpannung aller Kräfte gu dem allge⸗ 
meinen Sturm und feiner Abwehr, der mit dem More 
genroth begonnen und bei fintender Gonne erft beendet 
war, trat bet Gothen und Römern eine lange Paufe der 
Erſchlaffung ein. Die drei Fithrer Belifar, Cethegus 
unt Witichis lagen Wodyenlang an ihren Wunbden das 
nieder. 

Aber noch mehr wurde die thatſächliche Waffenruhe 
veranlaßt durch die tiefe Niedergeſchlagenheit und Ent⸗ 
muthigung, welche das Heer der Germanen befallen 
hatte, nachdem der mit höchſter Anſtrengung angeſtrebte 
Sieg in dem Augenblick, da er bereits gewonnen ſchien, 
ihnen entriſſen wurde. 

Sie hatten einen ganzen Tag lang ihr Beſtes gethan : 
ihre Helden Hatten an Tapferteit gewetttifert: und dod) 
ware beide Plane, der gegen Belifar und der gegen 
die Stadt, tm Gelingen felbft nod) gefdeitert. 

Und wenn aud König Witichis in feinem ftaten 
Muthe vie Gedriidtheit ves Heeres nicht theilte, fo ers 


179 


fannte er dafür defto Marer, daß er feit jenem blutigen 
Lage das ganze Syftem der Belagerung andern mufte. 

Der Verluft ver Gothen war ungeheuer; Protop fave 
thn auf dreifigtaufend Lode und mehr als ebenfoviele 
Verwundete; fie Hatten fid) im gangen Umfreis der Stadt 
mit dugerfter Todesverachtung ven Geſchoſſen ver Bes 
fagerten ausgeſetzt und am pantratifden Thor und bet 
vem Grabmal Hadrians waren fie zu Taufenden gefallen. 

Da nun aud in den achtundſechzig fritheren Gee 
fedjten die Angretfenden immer viel mehr als die inter 
Maner und Thurm gededten Vertheidiger gelitten batten, 
fo war das grofe Heer, welches Witidhis vor Monden 
gegen die ewige Stadt gefithrt, furdtbar zuſammenge⸗ 
ſchmolzen. Dazu fam, daß ſchon feit-geraumer Reit 
Seuchen und Hunger in ihren Zelten wütheten. 

Bei dieſer Entmuthigung und Abnahme ſeiner Trup⸗ 
pen mußte Witichis den Gedanken, die Stadt mit 
Sturm zu nehmen, aufgeben und ſeine letzte Hoffnung 
— er verhehlte ſich ihre Schwäche nicht — beſtand in 
der Möglichkeit, ver Mangel werde ven Feind zur Ueber⸗ 
gabe zwingen. 

Die Gegend um Rom war völlig ausgeſogen: und 
es ſchien nun darauf anzukommen, welche Partei die 
Entbehrung länger würde ertragen oder welche ſich aus 
der Ferne würde Vorräthe verſchaffen können. 

Schwer fehlte den Gothen die an der Küſte von 
Dalmatien beſchäftigte Flotte. — 

Der Erſte, welcher ſich von ſeiner Wunde erholte, 
war der Praject. 

12* 


\ 


180 


Von ver Pforte, weldhe er mit feinem Leibe vers 
ſchloſſen, bewußtlos weggetragen, lag er anderthalb Lage 
in einem Buftand ver halb Schlaf, halb Obnmadt war. 

Wis er am Abend des zweiten Tages die Augen auf: 
ſchlug, traf fein erfter Blid auf den trenen Mauren, der 
am Fußende des Lager8 auf ver Erde fauerte und fein 
Auge von ihm wandte. Die Sdlange war um feinen 
Urm gerollt. 

die Holzpforte!“ war des Brafecten erftes, nod 
ſchwach gebaudtes Wort, , die Holjpforte mug fort — 
erfegt durd Dtarmorquadern —“ 

„Danke, dante dir, Schlangengott!“ jubelte der 
Slave, jest ift der Mann gerettet. Und aud) du felbft. 
Und ih, th, Herr, habe dich gerettet.” 

Und er warf fich mit gekreuzten Armen nieder und 
küßte nas Lagergeftell feines Herrn. — Er wagte nidt, 
deffen Füße gu beriihren. 

„Du mid) gerettet? — Wodurd 2" 

„Als id) did) fo todesbleich auf dieſe Decfen gelegt, 
habe id) den Sehlangengott herbeigeholt, did) ihm gezeigt 
und gefproden: „Du fiebft, ftarfer Gott, ves Herrn Augen 
find gefdloffen. 

Hilf, daß ev fie wieder auffdlagt. 

Bis du gebolfen, erhalft du fetne Krume Brod und 
feinen Zropfen Mild. 

Und wenn er die Augen nidt wieder aufſchlägt — 
an vem Lage, da fie thn verbrennen, verbrennt Syphar 
mit: aber du, o grofer Sdlangengott, deßgleichen. 

Du fannft helfen: alfo hilf: over brenne. “ 


181 


Go fprad ich, und er hat gebolfen.“ 

„Die Stadt ift fidher — dad fühl' toh, fonft hatte th 
nicht entfdlafen können. Lebt Beliſar? wo iſt Profop 2” 

von der Bibliothek mit deinen Tribunen. Sie er— 
warten nad des Arztes Ausſpruch nod) heute dein Er: 
wachen oder deinen —“ 

Lod? Diesmal hat dein Gott noch geholjen, Syphar. 
Laß die Tribunen ein.“ 

Bald ftanden die Licinier, Pifo, Galvius Julianus 
und einige Andre vor ihm; fie wollten bemegt an fein 
Lager eilen: er winkte ihnen Rube ju. 

„Rom dankt eud, durd mid. Ihr habt gefodten 


wie — wie Römer. Mehr, Stolzeres fann ich eud 
nidt fagen." 

Und er itherfah wie nadfinnend die Rethe, dann 
fagte er: 


wCiner fehlt mir — ah mei Rorinther! 

Die Leiche ift gerettet. Denn id) empfahl fie Pifo, 
fie und die beiden Letoiden; ſetzt ihm als Denkinal, eme 
ſchwarze Blatte von forinthifdem Marmor an die Stelle, 
wo er fiel: ftellt die Statue des Upollo über vie Afchen- 
urne und fdretbt darauf: 

Kalliſtratos von Korinth ift hier fiir Rom geftorben ; 
ex bat den Gott, ver Gott nicht ihn gerettet.“ 

Segt gebt, bald feben wir uns wieder — anf den 
Wallen. 

Syphax, nun fende mir Profop, Und bring einen 
grofen Beder Falernerwein.“ 

„Freund,“ rief er dem eintretenden Profopius ent: 


182 
gegen, ,miv ift, ich babe vor diefem Fieberſchlaf nod 
fliiftern biven: „Prokop hat den grofen Belifar gerettet.” 

Gin unfterblid Verdienſt! 

Die ganze Nadwelt wird dir's danken — fo brandy’ 
ich's nicht zu thun. | 

Seve vid) hieher und erzähle mir das Ganze — 

Uber halt: erft ſchiebe vie Siffen zurecht, daß ich 
meinen Cäſar wieder fehen fann. 

Sein Anblick ſtärkt mehr als Argueien. 

Nun fprid.“ 

Profopius fah ven Liegenden durddringend an. 

„Cethegus,“ fagte er dann, ernften Tones, ,Belifar 
weif} Wes." 

wiles?" lächelte ver Prafect, „das ift viel.“ 

„Laß den Spott und verfage Bewunderung nicht dem 
Edelſinn: du, ver du felber edel bift.” 

„Ich? Nicht daß ic) wüßte.“ 

„Sowie er zum Bewußtſein fam, Hat ihm Beſſas 
natürlich ſofort Alles mitgetheilt: hat ihm haarklein er⸗ 
zählt, wie du befohlen, das Thor geſperrt zu halten, 
als Beliſar in ſeinem Blute davor lag, den wüthgen 
Teja auf den Ferſen: daß du befohlen, ſeine Leibwächter 
nieder zu hauen, welche mit Gewalt öffnen wollten: 
jedes Wort von dir hat er berichtet, auch deinen Aus⸗ 
ruf: „Erſt Rom, dann Beliſar“: und hat deinen Kopf 
verlangt im Rath der Feldherrn. 

Ich erbebte. 

Aber Beliſarius ſprach: „er hat recht gethan! hier, 


183 





Prokop, bring ihm mein eigen Schwert und die ganze 
Rüſtung, die ich an jenem Tage trug, zum Dank.“ 

Und in dem Bericht an den Kaiſer hat er mir die 
Worte dictirt: ,Cethegus Hat Rom gerettet und nur 
Sethegus ! 

Shik ihm den Patriciat von Byzanz!“ 

„Ich danke: id habe Rom nidt flr Byzanz ge 
vettet.“ 

„Das braudft du mir nidt erft gu fagen, unattifder 
Romer.“ | 

od) bin nicht in attifeher Laune, Lebensretter ! 

Was war dein Dant 2 

„Still. Cr wei nidts davon. 

Und foll es nie erfahren.“ 

Syphax, Wein. — 

So viel Edelſinn fann id) nicht vertragen! 

Es madt mid) ſchwach. 

Nun, wie war der Reiterfpak 2” 

„Freund, das war fein Spa. 

Gondern der furdtbarfte Ernft, der mir nod) bee 
gegnet. 

Um em Haar feblte es, fo war Belifar verloren.“ 

Ja, es ift jenes Gine Gaar, um das es immer 
fehlt bet diefen Gothen! 

Dumme Tölpel find fie fammt und fonders.“ 

„Du fpridft, als war’ es dir febr eid, daß Belifar 
nicht umgefommen.“ 

emt mir ihm gefdebn. 

Sd) bab ihn dretmal gewarnt. 


184 


Er follte endlich wiffen, mas einem alten deldherrn 
ziemt und was einem jungen Raufbold.“ 

„Höre,“ ſagte Prokop, ihn ernhaft betrachtend, „du 
haſt dir ein Recht erworben, ſo zu ſprechen, vor dem 
Grabmal Hadrians. 

Früher, wenn du des Mannes Heldenthum herab⸗ 
zogſt· — 

„Dachteſt du, ich ſpräche aus Neid gegen den tapfern 
Beliſar! 

Hört es, ihr unſterblichen Götter.“ 

„Ja, zwar deine gepidiſchen Lorbern“ — 

„Laß mich mit dieſen Knabenſtreichen zufrieden! 

Freund, wenn es gilt, muß man den Tod verachten, 
ſonſt aber vorſichtig das Leben lieben. 

Denn nur die Lebendigen herrſchen und lachen, nicht 
die ſtummen Todten. 

Das iſt meine Weisheit, und nenn' es meine Feige 
heit, wenn du willft. 

Alſo — ener Ueberfall — mach's ac Wie 
ging's?“ 

„Scharf genug. 

Als wir die Gegend erkundet hatten — Alles ſchien 
frei vom Feind und ſicher zum Futter holen — da wandten 
wir die Roſſe allmälig wieder gegen die Stadt, die 
wenigen Ziegen und die magern Schafe, die wir aufe 
getrieben, in ver Mitte, Belifar voran, ver junge Severi⸗ 
nus, Sohannes und id an feiner Seite. 

Ploglid), wie wir aus dem Dorf ad aras Bacchi 
in's Freie fommen, jagen aus den Gehölzen gu beiden 


185 





Geiten ver valeriſchen Straße von links und redts 
gothiſche Reiter auf uns gu. 

Sd fah, vag fie und ftarf itberfegen waren und 
rieth die Flucht mitten durd fie hindurd auf ver Straße 
nad) Roni zu verfuden. 

Aber Beliſar meinte: ‚Viele find e8, doch nidt alls 
zuviele,“ und fprengte gegen die Ungreifer zur Linfen, 
thre Reihen gu durchbrechen. 

Dod da famen wir Abel an: die Gothen ritten beffer 
und fodten befjer al8 unfre mauretanifden Reiter: und 
ihre Führer, Totila und Hildebad — jenen erfannte 
id) an den langflatternden gelben Haaren und Ddiefen 
an der ungefdladten Größe — hielten ſichtlich ſcharf 
auf den Feldherrn felbft. . 

„Wo iſt Belifar und fein Muth?“ frie der lange 
Hildebad vernehmlich durch das Klirren der Waffen. 

‚Hier!“ antwortete Dtefer unverjiiglid): und ebe 
wir ihn abhalten konnten, bielt ex ſchon dem Rieſen 
gegeniiber. - 

Der war nist faul und hieb thm mit feinem wuds 
tigen Beil auf den Helm, dak der golone Ramm mit dem 
weigen Roßhaar⸗Büſchel zerſchmettert zur Erde rollte 
und Belifar’s Haupt bis auf den Kopf des Pferdes niever 
fubr. 

Und fdon holte jener gum gweiten, dem tödlichen 
Streiche aus: da war der junge Severinus, des Bokthius 
Sohn, heran und fing den Hieb nut dem runden Schilde 
auf. 


184 


Gr follte endlich wiffen, wads einem alten Feldherrn 
giemt und was einem jungen Raufbold.” | 

„Höre,“ fagte PBrofop, ihn ernbaft betradtend, du 
haft div ein Recht erworben, fo ju fpreden, vor dem 
Grabmal Hadrians. 

Früher, wenn du des Mannes Heldenthum herab⸗ 
zogſt· — 

„Dachteſt du, ic fprade aus Meid gegen den tapfern 
Belifar ! 

Hort e8, iby unfterbliden Götter.“ 

» da, zwar Deine gepidifden Lorbern” — 

„Laß mid) mit dieſen Knabenſtreichen gufrieden! 

Freund, wenn e8 gilt, muß man den Tod veradten, 
fonft aber vorficdtig pas Leben lieben. 

Denn nur die Lebendigen herrſchen und laden, nicht 
die ftummen Todten. 

Das iſt meine Weisheit, und nenn’ es meine Feige 
heit, wenn du willft. 

Alſo — ener Ueberfall — mach's fury! Wie 
ging’s 2" 

„Scharf genug. 

Als wir vie Gegend erfundet hatten — Alles ſchien 
{ret vom Feind und fider gum Futter holen — da wandten 
wir die Rofje allmalig wieder gegen die Stadt, die 
wenigen Biegen und die magern Schafe, die wir auf 
getrieben, in der Mitte, Belifar voran, der junge Severi⸗ 
nus, Sohannes und id) an feiner Seite. 

Plsplich, wie wir aus dem Dorf ad aras Bacchi 
in’S Freie kommen, jagen aus ven Gehölzen zu beiden 





185 





Geiten der valeriſchen Straße von linfs und redts 
gothifde Reiter auf uns gu. 

Sh fah, daß fie uns ftarf überlegen waren und 
rieth die Flucht mitten durch fie hindurd auf ver Strage 
nad Rom zu verfucen. 

Aber Belifar meinte: Viele find es, doch nicht alle 
zuviele,“ und fprengte gegen die Angreifer zur Linfen, 
ihre Reihen yu durchbrechen. 

Doc da famen wir übel an: die Gothen ritten beffer 
und fodjten bejjer al8 unfre mauretanifden Reiter: und 
ibre ihrer, Totila und Hildebad — jenen erfannte 
id) an den langflatternden gelben Haaren und diefen 
an der ungefdladten Größe — hielten ſichtlich ſcharf 
anf den Feldherrn felbft. . 

oo ift Belifar und fein Muth? ſchrie ver lange 
Hildebad vernehmlid durch das Klirren der Waffen. 

Hier!“ antwortete Ddtefer unverzüglich: und ebe 
wir ibn abbalten fonnten, bielt er fdon dem Rieſen 
gegeniiber. - 

Der war nidt faul und hieb ihm mit feinem wud 
tigen Beil auf den Helm, dak der goldne Ramm mit dem 
weigen Roßhaar⸗Büſchel zerſchmettert zur Erde rollte 
und Beliſar's Haupt bis auf den Kopf des Pferdes nieder 

Und ſchon holte jener zum zweiten, dem tödlichen 
Streiche aus: da war der junge Severinus, des Boẽthius 
Sohn, heran und fing den Hieb mit dem runden Schilde 
auf. 


186 

Aber vas Beil ves Barbaren orang durch ven Schild 
und flog nod tief in den Hals des edeln Diinglings. 

Er ſtürzte“ — 

Prokop ſtockte in ſchmerzlichen Gedanken. 

„Todt?“ fragte Cethegus ruhig. 

„Ein alter Freigelaſſner ſeines Vaters, der ihn be⸗ 
gleitete, trug ibn aus vem Gefedt. 

Dod) flav er ſchon, fo Hirt’ ich, eh ex das Dorf 
erreichte.“ 

„Ein ſchöner Tod!“ ſagte Cethegus. 

„Syphar einen Becher Wein!“ 

„Beliſar hatte ſich aber inzwiſchen aufgerafft und ſtieß 
nun in großem Zorn mit ſeinem Speer dem Gothen ſo 
gewaltig auf die Bruſiplatte ſeines Harniſches, daß er der 
Länge nach vom Pferde flog. 

Laut jubelten wir auf, aber der junge Totila“ — 

„Nun?“ 

„Sah kaum ſeinen Bruder fallen, als er ſich grimmig 
durch die Lanzen der Leibwächter Bahn brach zu Beliſar. 
Aigan, ſein Bannerträger, wollte ihn decken, aber des 
Gothen Schwert traf ſeinen linken Arm: er riß ihm 
die Fahne aus der erſchlafften Hand und warf ſie dem 
nächſten Gothen zu. 

Laut auf ſchrie Beliſar vor Zorn und wandte ſich 
gegen ihn: aber der junge Totila iſt raſch wie der Blitz 
und zwei ſcharfe Hiebe trafen, eh' er ſich's verſah, des 
Feldherrn beide Schultern: der wankte im Sattel und 
ſank langſam vom Pferd, das im ſelben Augenblick ein 
Wurfſpeer traf und niederwarf. 


187 


„Gieb vid gefangen, Beliſar!“ rief Totila. 

Der Feldherr hatte gerade nod vie Rraft, vas 
Haupt verneinend gu fdittteln, da ſank er vollends yur 
Erde. 

Raſch war ich abgeſprungen, hatte ihn auf mein 
eigen Pferd gehoben und der Sorge des Johannes 
empfohlen, der fünfzig Leibwächter um ihn ſcharte und 
ihn ſchnell aus dem Getümmel flüchtend nach der Stadt 
bin brachte.“ 

Und du?“ 

„Ich focht zu Fuß weiter. 

Und es gelang mir, da jetzt unſre Nachhut eintraf, 
— die Vorräthe in der Mitte hatten wir preisgegeben — 
das Gefecht gegen Totila zu ſtellen. 

Aber nicht auf lange. 

Denn nun war auch die zweite Schar der gothiſchen 
Reiter heran; wie der Sturmwind ſauſte der ſchwarze 
Teja herzu, durchbrach unſern rechten Flügel, der ihm 
zunächſt ſtand, von vorn, durchbrach dann meine eigne 
gegen Totila gerichtete Front von der Flanke und jer: 
fprengte unfern ganjen Schlachthaufen. 

Ich gab vas Gefedht verloren, ergriff ein ledig Roß 
und eilte dem Feldherrn nad. 

Aber aud Leja hatte die Richtung von deſſen Flucht 
erfannt und jagte uné wilthend nad. 

An ver fulviſchen Britde holte er die Bedeckung ein; 
Sohannes und id) Hatten mehr als vie Halfte der nod 
übrigen Leibwadter an rer Briide anfgeftellt, ren Ueber: 


188 





gang zu webren, unter Principins, dem tapfern Pifidier, 
und Zarmuth, dem riefigen Bfauvier. 

Dort fielen fie Wie dreißig, gulegt ancy die betden 
treuen Führer, von dem Schwerte des Teja allein, 
wie id) vernabm. 

Dort fiel vie Blithe von Beliſars Letbwadhtern : 
Darunter viele meiner nächſten Waffenfreunde, Alamun⸗ 
Darus der Garacene, Artafines der Perfer, Banter der 
Armenier, Longinus der Sfaurier, Buda und Chorſaman⸗ 
tes vie Maffageten, Kutila ver Thrafier, Hildeger der 
Vanrale, Buphrut der Maure, Theodoritos und Geors 
gios die Kappadokier. 

Aber ihr Lod erfanfte unfre Rettung. 

Wir holten bhinter ver Brite unfer bier zurückge⸗ 
laſſnes Fußvolk ein, weldes dann nod die feindliden 
Reiter fo lang befdaftigte, bis vas tiburtinifde Chor 
fich, fpat genug, dem wunden Feldherrn sffnete. 

Dann eilt’ ih, als wir ihn auf einer Sänfte Anto- 
ninens Pflege jugefandt, an vas Grabmal Hadrians, 
wo, wie es hieß, die Stadt genommen fet und fand 
did) Dem Lode nah." 

„Und was bat jest Belifar beſchloſſen?“ . 

„Seine Wunden find nidht fo ſchwer wie die Demme 
und dod) die Heilung langfamer. 

Sr hat den Gothen den Waffenftillftand gewährt, 
den fie verlangten, ihre vielen Todten gu bejtatien.“ 

Gethegus fubr auf von den Rifjen. 

„Er hatte ihn verweigern follen! 

Reine unnilge Verzögerung ver Entſcheidung mehr! 


189 





id kenne diefe gothiſchen Stiere; nun haben fie fic die 
Hörner ftumpf geftiirmt: jest find fie mito und miirbe. 

Segt fam die Beit für einen letzten Schlag, ven ih 
ſchon lang erfonnen. 

Die Hike draußen in der glühenden Ebne werden 
ihre grofen Leiber ſchlecht ertragen: ſchlechter den Hunger: 
am {dlecdteften den Durſt. — 

Denn ver Germane mui faufen, wenn er nidit 
ſchnarcht oder pritgelt. 

Nun braudt maw nur ibren vorfidtigen Kinig nod 
ein wenig einzuſchüchtern. 

Gage Velifar meinen Grug: und mein Dank fiir 
fen Schwert fet mein Rath: 

Gr folle nod heute den gefitrdteten Johannes mit 
adt Tauſend Mann vurd das Picenum gegen Ravenna 
ſchicken: die flaminiſche Straße ift fret und wird wenig 
gededt fein: denn Witichis hat vie Beſatzungen aller 
Heftungen hierher gezogen: und leichter gewinnen wir jest 
Ravenna, als vie Barbaren Rom. 

So wie aber der König Ravenna, feinen aller legten 
Hort, bedroht fieht, wird er eilen, ibn um jeden Preis 
zu retten. 

Gr wird fein Heer hinwegziehen von dieſen unein- 
nehmbaren Mauern und wieder ver Verfolgte ftatt ved 
BVerfolgers fein." 

Sethegus,” ſprach Brofop auffpringend, ,,ou bift ein 
großer Feldher.“ 

‚„Nur nebenbei, Prokopius! geh jetzt und grüße mir 
den großen Sieger Beliſar.“ 


Fünfzehntes Capitel. 





Wr vem lewten Tage des Waffenſtillſtands tonnte 
Cethegus bereits wieder auf den Wallen des Grabmals 
Hadrians erfdeinen, wo ihn feine Legionare und Bfaus 
rier mit fautem Zuruf begrüßten. 

Gein erfter Gang war zu dem Grabmal des Kalli⸗ 
ftrato8; er legte auf die ſchwarze Dtarmorplatte einer 
Kranz von Lorbern und von Rofen nieder. 

Während er von hier aus die Verſtärkung ver Be⸗ 
feftigungen anordnete, bradte ihm Syphar ein Schreiben 
pon Matafwintha. 

Es fautete lakoniſch genug: 

„Mach' bald ein Ende. 

Nicht langer fann ich dew Bammer anfebn. 

Die Veftattung von vierzig Tauſend Mannern meines 
Volks hat mir die Bruft zerriſſen. 

Die Klagelieder fchienen alle mid anzuklagen. 

Währt das nod langer, fo erlieg id). 

Der Hunger witthet furdthar tn dem Lager. 

Shre letzte Hoffnung ift eine groge Zufuhr von 
Getreide und Vieh, die aus Siidgallien unter Segel ift. 


191 





Wn den nächſten Galenden wird fle auf der Hobe 
bon Portus ertwartet. 

Hanvle vanad — aber mac’ rafd ein Ende.“ 

„Triumph,“ fprad ver Brafect, die Belagerung 
ift aus. 

Unfre Heine Flotte lag bisher faft mitgig gu Popu- 
fonium. 

Sept foll fle Arbeit finden. 

Diefe Ninigin ift vie Erinys ver Barbaren." 

Und er ging felbft gu Belifar, ver ihn mit edler 
Großheit empfing. — 

In verfelben Nacht, der legten ver Waffenrube, 
30g Johannes gum pincianifden Chore hinaus, dann 
links nad der flaminifden Strage ſchwenkend. Ravenna 
war fein Biel. 

Und eilende Boten flogen gur Gee mit rafden 
Segeln nad Populonium, wo fid) ein kleines römiſches 
Gefdwader gefammelt hatte. 

Der Kampf um die Stadt rubte, troy Wblauf ves 
Waffenftillftands , faft gang. 

Eine Woche darauf etwa, machte ver König, der 
fein Schmerzenslager gum erften Mal verließ, in Be- 
gleitung feiner Freunde ven erften Gang durd die 
Zelte. 

Drei von den ſieben vormals menſchenwimmelnden 
Lagern waren völlig verödet und aufgegeben: auch die 
übrigen vier waren nur noch ſpärlich bevölkert. 

Todmüde, ohne Klage, aber aud) ohne Hoffnung. 


Fünfzehntes Capitel. 





Wn vem legten Tage des Waffenftillftands tonnte 
Cethegus bereits wieder auf den Wallen des Grabmals 
Hadrians erfdeinen, wo ihn feine Legionare und Iſau⸗ 
rier mit [autem Zuruf begrüßten. 

Gein erfter Gang war zu vem Grabmal des Malis 
ftrato8; er legte auf die ſchwarze Dtarmorplatte einen 
Kranz von Lorbern und von Rofen nieder. - 

Während er von hier aus die Verſtärkung ver Bes 
feftigungen anordnete, bradjte ihm Syphar ein Schreiben 
von Matafwintha. 

Es lautete lakoniſch genug: 

„Mach' bald ein Ende. 

Nicht länger kann ich den Jammer anſehn. 

Die Beſtattung von vierzig Tauſend Männern meines 
Volks hat mir die Bruſt zerriſſen. 

Die Klagelieder ſchienen alle mich anzuklagen. 

Währt das noch länger, ſo erlieg ich. 

Der Hunger wüthet furchtbar in dem Lager. 

Ihre letzte Hoffnung iſt eine große Zufuhr von 
Getreide und Vieh, die aus Südgallien unter Segel iſt. 


191 





An den nadften Calenden wird fie auf der Hobe 
von Portus erwartet. 

Hanvle danach — aber mad’ rafd ein Ende.“ 

„Triumph,“ fprad) der Präfect, die Belagerung 
ift and. 

Unfre Heine Flotte lag bisher faſt müßig gu Popu- 
fontum. 

Sept foll fle Arbeit finden. 

Diefe Ninigin ift die Erinys ver Barbaren.” 

Und er ging felbft gu Belifar, ver ihn mit edler 
Großheit empfing. — 

In derſelben Nacht, der letzten der Waffenruhe, 
zog Johannes zum pincianiſchen Thore hinaus, dann 
(ints nad der flaminiſchen Straße ſchwenkend. Ravenna 
war fein Riel. 

Und eilende Boten flogen zur Gee mit rafden 
Segeln nad Populonium, wo fic ein kleines römiſches 
Gefdwader gefammelt hatte. 

Der Kampf um die Stadt rubte, troy Ablauf ves 
Waffenftillftands , faft ganz. 

Cine Wode darauf etwa, madte ver König, der 
fein Scdmerjenslager gum erften Mal verließ, in Be- 
gleitung feiner Freunde den erften Gang durd die 
Relte. 

Dret von den fieben vormals menfdenwimmelnden 
Lagern waren völlig verddet und aufgegeben: aud die 
fibrigen vier waren nur nod) ſpärlich bevölkert. 

Todmüde, ohne Klage, aber aud) ohne Hoffnung. 


192 


lagen die abgemagerten Geftalten, von Hunger and 
Fieber verzehrt, vor ihren Belten. 

Rein Buruf, tein Gruß erfreute den wadern König auf 
feinem fchmerzensreiden Gang: kaum daß fie vie müden 
Augen auffdlugen bet dem Schall der nahenden Schritte. 

Aus dem Innern der Belte drang das laute Stdhnen 
ber Kranten, ver Sterbenden, die den Wunden, dem 
Mangel, den Seuden erlagen. 

Raum fand man die hinlanglide Bahl von Gefunden, 
die nöthigſten Poſten gu begiehen. 

Die Wachen fdleppten vie Speere hinter ſich ber, 
gu matt, fie aufredt oder auf ver Schulter gu tragen. 

Die Heerfithrer famen an die Schanjen wor dem 
aurelifden Chor; im Wallgraben lag ein junger Schütz 
und faute an dem bittern Gras. 

Hildebad rief ihm ju: ,Beim Hammer! Gunthas 
mund, was ift bas? deine Sebne ift ja gefprungen, was 
ziehſt du keine andre auf?" 

„Kann nidt, Herr! vie Sehne fprang geftern bet 
meinem legten Schuß. 

Und id) und die drei Burfde neben mir, wir haben 
pie Kraft nidt, eine neue aufzuziehen.“ 

Hildebad gab ihm einen Trunk aus feiner Kürbis⸗ 
Flaſche: ,baft du auf einen Römer gefdofjen 2" 

„O nein, Herr," fagte der Mann, eine Ratte nagte 
port an dev Leidhe. 

Ich traf fie glücklich und wir theilten fie gu viert." 

„Iffaſwinth, wo ift dein Obeim Iffamer?“ fragte der 
König. 


193 


Todt, Herr. 

Gr fiel binter dir, als er did) hinweg trug. 

Vor dem verfiludten Marmorgrab.“ 

Und dein Vater Sffamuth 2 

Auch todt. 

Er vertrug’s nidt mehr, das giftige Wafer aus den 
Pfiigen. . 
Der Durſt, Konig, brennt nocd heifer als der Hunger. 

Und es will ja nicht regnen aus diefem bleiernen 
Simmel.” 

„Ihr feid Alle aus dem Athefis-Chal 2” 

Sa, Herr Rinig, vom ffinger- Berg. O welsh 
{Sftlid) Quell⸗Waſſer dort daheim!“ 

Teja fah in einiger Entfernung einen andern Krieger 
aus feiner Sturmbaube trinfen. 

Seine Riige verfinfterten fic nod) mehr. 

woe Du, Arulf!“ vief ex ihm gu, „du ſcheinſt nicht 
Durſt gu leiden?" 

„Nein, id trinfe oft,“ fprad der Mann. 

Was trinkſt du 

„Das Blut von den Wunden der Friſchgefallnen. 

Anfangs ekelt's ſehr: aber man gewöhnt's in der 
Berzweiflung.“ 

Schaudernd ſchritt Witichis weiter. 

Schick all’ meinen Wein in's Lager, Hildebad.“ 

wie Wadden follen ihn theilen.“ 

oA’ deinen Wein? 

D Konig, mein Schenkamt ift gar leicht geworden. 

Du haft nod anderthalb Rriige. 


Dabhn, Cin Kampf um Rom. LI. 13 


194 





Und Hildebrand, dein Arzt, ſprach, du follft dich 
ſtärken.“ 

„Und wer ſtärkt dieſe, Hildebad? 

Die Noth macht ſie zu wilden Thieren!“ 

„Komm mit nach Hauſe, mahnte Totila, des Königs 
Mantel ergreifend. 

Hier iſt nicht gut ſein.“ 

Sm Belt des Koönigs angelangt, ſetzten ſich bie Freunde 
ſchweigend um den ſchönen Marmortiſch, der auf goldnen 
Gefäßen ſteinhartes verſchimmeltes Brod aufwies und 
wenige Stücke Fleiſch. 

„Es war das letzte Pferd aus den königlichen Ställen, 
ſagte Hildebad, — bid auf Boreas.“ 

„Voreas wird nicht geſchlachtet! — mein Weib, mein 
Kind ſind auf ſeinem Rücken geſeſſen.“ 

Und er ſtützte das müde Haupt anf vie beiden Hände: 
eine neue ſchwere Pauſe trat ein. 

„Freunde, hob er endlich an, das geht nicht länger 
alſo. 

Unſer Volk verdirbt vor dieſen Mauern. 

Mein Entſchluß iſt ſchwer und ſchmerzlich gereift —“ 

„Sprich's noch nicht aus, o König!“ rief Hildebad. 

In wenig Tagen trifft Graf Odoſwinth von Cremona 
ein mit der Flotte: und wir ſchwelgen in allem Guten.“ 

„Er iſt noch nicht da!“ ſprach Teja. 

„Und unſer Verluſt an Menſchen, ſo ſchwer er 
iſt,“ ermuthigte Totila, wird er nicht durch friſche 
Mannſchaft erſetzt, wenn Graf Ulithis von Urbinum 
eintrifft, mit den Beſatzungen, die der König ans ben 


195 





BVeften von Ravenna bis Rom weggesogen Hat, unfre 
leeren Zelte zu füllen? 

Aud Ulithis iſt noch nicht da, ſprach Teja. 

Er ſoll noch in Picenum ſtehen. 

Und kommt er glücklich an, ſo wird der Mangel im 
Lager noch größer.“ 

„Doch auch die Römerſtadt muß faſten! meinte 
Hildebad, das harte Brod mit der Fauſt auf vem Stein⸗ 
tiſch zerſchlagend. 

Laß ſehn, wer's länger aushält!“ 

„Oft bab’ ich's überdacht in ſchweren Tagen und 
ſchlummerloſen Nächten, fuhr der König langſam fort. 
Warum? warum das Alles ſo kommen mußte? 

Nach beſtem Gewiſſen hab' ich immer wieder Recht 
und Unrecht abgewogen, zwiſchen unſern Feinden und 
uns: und ich kann's nicht anders finden, als daß Recht 
und Treue auf unſrer Seite ſtehen. 

Und wahrlich, an Kraft und Muth haben wir's 
nicht fehlen laſſen.“ 

„Du am Wenigſten,“ ſagte Totila. 

allnd an keinem ſchwerſten Opfer!“ ſeufzte der König. 


Und wenn nun doch, wie wir Alle ſagen, ein Gott 
im Himmel waltet, gerecht und gut und allgewaltig, 
warum [aft er all’ dies ungeheure, unverdiente Elend zu? 
Warum müſſen wir erliegen vor Byzanz?“ 
Wir dürfen aber nicht erliegen,“ ſchrie Hildebad. 
„Ich habe nie viel gegrübelt über unſern Herrgott. 
Aber wenn er das geſchehen ließe, müßte man Sturm 
13* 


188 


gang zu webren, unter Principins, dem tapfern Pifidier, 
und Tarmuth, dem riefigen Sfaurier. 

Dort fielen fie Wie dreißig, zuletzt auc) die beiden 
treuen Führer, won dem Schwerte des Teja allein, 
wie id vernabm. 

Dort fiel die Blithe von Beliſars Lethmachtern : 
darunter viele meiner nadften Waffenfreunde, Wlamune 
darus der Garacene, Artafines der Perfer, Ranter der 
Armenier, Longinus der Sfaurier, Buda und Chorfamans 
tes vie Maffageten, Kutila ver Thralier, Hildeger der 
Vanrale, Juphrut der Maure, Cheodoritos und Geors 
gios die Rappadofier. 

Aber ihr Lod erfaufte unfre Rettung. 

Wir holten hinter der Brücke unfer bier zurückge⸗ 
faffnes Fußvolk ein, weldes dann nod die feindlicden 
Reiter fo lang befdaftigte, bis das tiburtinifde Thor 
fic, fpat genug, dem wunden Feldherrn sffnete. 

Dann eilt’ ih, als wir ihn auf einer Sänfte Anto⸗ 
ninens Bflege gugefandt, an vas Grabmal Habdrians, 
wo, wie es hieß, die Stadt genommen fet und fand 
did) bem Lode nah.” 

„Und was hat jest Belifar beſchloſſen?“ 

„Seine Wunden find nidt fo fdwer wie die Deine 
und dod die Heilung langſamer. 

Sr bat den Gothen den Waffenftillftand gewährt, 
den fie verlangten, thre vielen Todten gu bejtatien.“ 

Gethegus fubr auf von den Kiſſen. 

„Er hatte thn vermeigern follen! 

Keine unniige Verzögerung der Entſcheidung mehr! 


189 





id kenne diefe gothifden Stiere; nun haben fle fic die 
Horner ftumpf geftitrmt: jest find fie mito und miirbe. 

Jetzt fam die Reit far einen legten Schlag, ven ih 
ſchon fang erfonnen. 

Die Hike draußen in der glithenden Ebne werden 
ihre grofen Leiber ſchlecht ertragen: ſchlechter den Hunger: 
am ſchlechteſten den Durft. — 

Denn ver Germane mug faufen, wenn er nidt 
ſchnarcht oder pritgelt. 

Nun braudht man nur ihren vorfidtigen Kinig nod) 
ein wenig einzuſchüchtern. 

Sage Beliſar meinen Grug: und mein Dank fiir 
fein Schwert fet mein Rath: 

Er folle nod heute ven gefitrdjteten Sohannes mit 
adt Taufend Mann vurd das Picenum gegen Ravenna 
ſchicken: die flaminiſche Strafe ift frei und wird wenig 
gededt fein: denn Witichis hat die Befagungen aller 
Seftungen hierher gezogen: und leidhter gewinnen wir jest 
Ravenna, als vie Barbaren Rom. 

So wie aber der Kinig Ravenna, feinen aller letzten 
Hort, bedroht fieht, wird er eilen, ihn um jeden Preis 
zu retten. 

Gr wird fein Heer hinwegziehen von diefen unein: 
nehmbaren Mauern und wieder ver Verfolgte ftatt ved 
Berfolgers fein." 

„Cethegus,“ fprad Profop auffpringend, .duw bift ein 
großer Feldher.“ 

„Nur nebenbei, Prokopius! geh jetzt und grüße mir 
den großen Sieger Beliſar.“ 


Fünfjzehntes Capitel. 





Wn vem legten Tage des Woaffenftillftands fonnte 
Cethegus bereits wieder auf den Wallen des Grabmals 
Hadrians erfdeinen, wo ihn feine Legionare und Iſau⸗ 
rier mit lautem Zuruf begriiften. 

Sein erfter Gang war zu dem Grabmal ves Ralli- 
ftrato8; er fegte auf die ſchwarze Dtarmorplatte einen 
Kranz von Lorbern und von Rofen nieder. ; 

Wahrend er von hier aus die Verſtärkung ver Bee 
feftigungen anorbdnete, bradte ihm Syphar ein Schreiben 
von Matafwintha. 

Es fautete lafonifd genug: 

„Mach' bald ein Ende. 

Nicht (anger fann ich den Jammer anfebn. 

Die Beftattung von vierzig Taufend Männern meines 
Volks hat miv die Bruft zerriſſen. 

Die Klagelieder ſchienen alle mid anzuklagen. 

Währt das nod) linger, fo erlieg id. 

Der Hunger wiithet furdtbar in dem Lager. 

Shre legte Hoffnung ift eine große Bufubr von 
Getreide und Vieh, vie aus Südgallien unter Segel ift. 


191 


An ven nächſten Galenden wird fle auf ver Hobe 
pon Portus erwartet. 

Hanvle vanad — aber mad’ rafd ein Ende.” 

„Triumph,“ fprad ver Prafect, die Belagerung 
ift ans. 

Unfre Heine Flotte lag bisher faſt müßig yu Popu- 
fonium. , 

Sept foll fle Arbeit finden. 

Diefe Königin ift die Erinys der Barbaren." 

Und er ging felbft gu Beliſar, ver ibn mit edler 
Grogbeit empfing. — 

In derfelben Nacht, ver flegten der Waffenrube, 
30g Sohannes gum pincianifden Thore hinaus, dann 
links nad der flaminifden Strafe ſchwenkend. Ravenna 
war fein Riel. 

Und eilende Boten flogen gur Gee mit rafden 
Gegeln nad Populonium, wo fic ein kleines römiſches 
Geſchwader gefammelt hatte. 

Der Kampf um die Stadt rubte, troy Wblauf ves 
Waffenftillftands , faft ganz. 

Cine Wore darauf etwa, madte ver König, der 
fein Schmergzenslager gum erften Mal verlieg, in Be- 
gleitung feiner Freunde den erften Gang durd die 
Zelte. 

Drei von den ſieben vormals menſchenwimmelnden 
Lagern waren völlig verödet und aufgegeben: auch die 
übrigen vier waren nur noch ſpärlich bevölkert. 

Todmüde, ohne Klage, aber auch ohne Hoffnung. 


192 


{agen dte abgemagerten Geftalten, von Hunger und 
Fieber vergzehrt, vor ihren Relten. 

Rein Buruf, tein Gruß erfreute den wadern Konig auf 
feinem fdmerzensreiden Gang: faum dah fie die mitden 
Augen auffdlugen bet dem Schall ver nahenden Sehritte. 

Aus dem Innern der Belte drang das lante Stdhnen 
ver Kranken, der Sterbenden, die den Wunden, dem 
Mangel, ven Senden erlagen. 

Kaum fand man die hinlanglidhe Zahl von Gefunden, 
bie ndthigften Poften gu beziehen. 

Die Wachen ſchleppten vie Speere hinter ſich ber, 
gu matt, fie aufredt oder auf der Schulter gu tragen. 

Die Heerfiihrer famen an die Schanzen voor dent 
aurelifden Thor; im Wallgraben lag ein junger Schütz 
und faute an dem bittern Gras. 

Hildebad rief ihm yu: ,Beim Hammer! Gunthas 
mund, was ift das? deine Sehne ift ja gefprungen, was 
ziehſt du keine andre auf?" 

„Kann nicht, Herr! die Sehne ſprang geſtern bei 
meinem letzten Schuß. 

Und ich und die drei Burſche neben mir, wir haben 
die Kraft nicht, eine neue aufzuziehen.“ 

Hildebad gab ihm einen Trunk aus ſeiner Kürbis⸗ 
Flaſche: „haſt du auf einen Römer geſchoſſen?“ 

„O nein, Herr," ſagte ver Mann, eine Ratte nagte 
port an der Leidhe. 

Ich traf fie glitdlid) und wir theilten fie zu viert.” 

„Iffaſwinth, wo tft dein Obeim Iffamer?“ fragte der 
König. 


193 


Todt, Herr. 

Gr fiel hinter dir, als er dich hinweg trug. 

Vor vem verfludten Marmorgrab.“ 

„Und dein Vater Bffamuth 2" 

Auch todt. 

Gr vertrug’s nicht mehr, dad giftige Waffer aus den 
Pfigen. . 

Der Durſt, Konig, brennt nod heifer als ner Hunger. 

Und es will ja nicht regnen aus diefem bleiernen 
Himmel.” 

voor feid We aus dem Athefis-Dhal 

Sa, Herr Konig, vom Sffinger- Berg. O weldh 
köſtlich Quell⸗Waſſer dort daheim!“ 

Teja ſah in einiger Entfernung einen andern Krieger 
aus ſeiner Sturmhaube trinken. 

Seine Züge verfinſterten ſich noch mehr. 

„He du, Arulf!“ rief er ihm zu, „du ſcheinſt nicht 
Durſt zu leiden?“ 

„Nein, ich trinke oft," ſprach der Mann. 

„Was trinkſt du?“ 

„Das Blut von den Wunden der Friſchgefallnen. 

Anfangs ekelt's ſehr: aber man gewöhnt's in der 
Verzweiflung.“ 

Schaudernd ſchritt Witichis weiter. 

„Schick all’ meinen Wein in's Lager, Hildebad.“ 

„Die Waden follen ihn theilen.” 

oA deinen Wein? 

D Konig, mein Sdhentamt ift gar leidt geworden. 

Du haft nod) anderthalb Rriige. 

Dahn, Gin Kampf um Rom. LI. 13 


194 





Und Hildebrand, dein Arzt, fprad), du follft dich 
ftarfen.“ 

„Und wer ftirft diefe, Hildebad? 

Die Noth macht fie gu wilben Thieren!“ 

„Komm mit nad Haufe, mabhnte Totila, ves Königs 
Mantel ergreifend. 

Hier ift nidjt gut fein." 

Sim Belt des Königs angelangt, fegten fid bie Freunde 
fdweigend um den ſchönen Marmortifd, der auf goldnen 
Gefäßen fteinhartes verfdhimmeltes Brod aufwies und 
wenige Stiide Fleifd. 

„Es war das legte Pferd ans ven königlichen Ställen, 
fagte Hildebad, — bis auf Boreas.” 

„Boreas wird nidt geſchlachtet! — mein Weib, mein 
Kind find auf ſeinem Rücken geſeſſen.“ 

Und er ſtützte das müde Haupt auf die beiden Hände: 
eine neue ſchwere Pauſe trat ein. 

„Freunde, hob er endlich an, das geht nicht länger 
alſo. 

Unſer Volk verdirbt vor dieſen Mauern. 

Mein Entſchluß iſt ſchwer und ſchmerzlich gereift —* 

„Sprich's noch nicht aus, o König!“ rief Hildebad. 

In wenig Tagen trifft Graf Odoſwinth von Cremona 
ein mit der Flotte: und wir ſchwelgen in allem Guten.“ 

„Er ift nod nidt da!" ſprach Teja. 

„Und unfer BVerluft an Menfden, fo ſchwer er 
ift,” ermuthigte Zotila, ,wird er nidt durch frifde 
Mannfdaft erfest, wenn Graf Ulithis von Urbinum 
eintrifft, mit ven Befagungen, die der Konig ans den 


195 





BVeften von Ravenna bis Rom weggezogen hat, unfre 
feeren Zelte zu füllen? 

„Auch Ulithis iſt nod) nicht da, ſprach Teja. 

Er ſoll noch in Picenum ſtehen. 

Und kommt er glücklich an, ſo wird der Mangel im 
Lager noch größer.“ 

„Doch auch die Römerſtadt muß faſten! meinte 
Hildebad, das harte Brod mit der Fauſt auf dem Stein⸗ 
tiſch zerſchlagend. 

Laß ſehn, wer's länger aushält!“ 

„Oft bab’ ich's überdacht in ſchweren Tagen und 
ſchlummerloſen Nächten, fuhr der König langſam fort. 
Warum? warum das Alles ſo kommen mußte? 

Nach beſtem Gewiſſen hab' ich immer wieder Recht 
und Unrecht abgewogen, zwiſchen unſern Feinden und 
uns: und ich kann's nicht anders finden, als daß Recht 
und Treue auf unſrer Seite ſtehen. 

Und wahrlich, an Kraft und Muth haben wir's 
nicht fehlen laſſen.“ 

„Du am Wenigſten,“ ſagte Totila. 

„Und an keinem ſchwerſten Opfer!“ ſeufzte der König. 

Und wenn nun doch, wie wir Alle ſagen, ein Gott 
im Himmel waltet, gerecht und gut und allgewaltig, 
warum läßt er all’ dies ungeheure, unverdiente Clend gu? 

Warum müſſen wir erliegen vor Byzanz?“ 

„Wir dürfen aber nicht erliegen ,” ſchrie Hildebad. 

„Ich habe nie viel gegrübelt ither unfern Herrgott. 

Aber wenn ex das gefdeben ließe, müßte man Sturm 

13* 


188 





gang zu webren, unter Principius, dem tapfern Pifidier, 
und Larmuth, dem riefigen Sfauvier. 

Dort fielen fie We dreißig, zuletzt aud) die beiden 
treuen Führer, von dem Schwerte des Teja allen, 
wie td) vernahm. 

Dort fiel vie Blüthe von Belifars Leibwächtern: 
darunter viele meiner nadften Waffenfreunde, Wlamuns 
Darus der Saracene, Wrtafines ver Perfer, Banter der 
Armenier, Longinus der Sfaurier, Buda und Chorfamans 
tes die Maffageten, Kutila ver Thratier, Hilveger der 
Vanrale, Juphrut ver Maure, Theodoritos und Geor⸗ 
gios die Rappadofier. 

Aber thy Lov erfaufte unfre Rettung. 

Wir holten hinter der Britde unfer hier zurückge⸗ 
laffnes Fußvolk ein, weldes dann nod die fembdliden 
Reiter fo lang befdaftigte, bis das tiburtinifde Thor 
fic, fpat genug, dem wunden Feldherrn sffnete. 

Dann eilt’ id, alS wir ihn auf einer Sänfte Anto- 
ninens Pflege gugefandt, an vas Grabmal Hadrians, 
wo, wie es hie, die Stadt genommen fet und fand 
bid) dem Lode nab." 

„Und was hat jest Belifar beſchloſſen?“ , 

„Seine Wunden find nidjt fo ſchwer wie die Deine 
und dod die Heilung langſamer. 

Sr hat ven Gothen den Woaffenftillftand gewährt, 
Den fie verlangten, thre vielen Todten gu bejtatien.“ 

Gethegus fubr auf von den Siffen. 

„Er hatte ibn verweigern follen! 

Keine unniige Verzögerung der Entideidung mehr! 


189 





id fenne diefe gothifden Stiere; nun haben fie fic die 
Horner ftumpf geftitrmt: jest find fie mito und miirbe. 

Jetzt fam die Beit für einen legten Schlag, ven id 
ſchon Tang erfonnen. 

Die Hike draufen im ver glihenden Ebne werden 
ihre grofen Leiber ſchlecht ertragen: ſchlechter den Hunger: 
am ſchlechteſten den Durſt. — 

Denn der Germane muß ſaufen, wenn er nicht 
ſchnarcht oder prügelt. 

Nun braucht man nur ihren vorſichtigen König noch 
ein wenig einzuſchüchtern. 

Sage Beliſar meinen Gruß: und mein Dank für 
ſein Schwert ſei mein Rath: 

Er ſolle noch heute den gefürchteten Johannes mit 
acht Tauſend Mann durch das Picenum gegen Ravenna 
ſchicken: die flaminiſche Straße iſt fret und wird wenig 
gedeckt ſein: denn Witichis hat die Beſatzungen aller 
Feſtungen hierher gezogen: und leichter gewinnen wir jetzt 
Ravenna, als die Barbaren Rom. 

So wie aber der König Ravenna, ſeinen aller letzten 
Hort, bedroht ſieht, wird er eilen, ihn um jeden Preis 
zu retten. 

Er wird fein Heer hinwegziehen von dieſen unein— 
nehmbaren Mauern und wieder der Verfolgte ſtatt des 
Verfolgers fein." 

„Cethegus,“ ſprach Prokop aufſpringend, „du biſt ein 
großer Feldher.“ 

„Nur nebenbei, Prokopius! geh jetzt und grüße mir 
den großen Sieger Beliſar.“ 


Fünfzehntes Capitel. 





Wn dem letzten Tage des Waffenſtillſtands fonnte 
Cethegus bereits wieder auf den Wällen des Grabmals 
Hadrians erſcheinen, wo ihn ſeine Legionare und Iſau⸗ 
rier mit lautem Zuruf begrüßten. 

Gein erſter Gang war zu dem Grabmal des Kalli⸗ 
ftvato8; er fegte auf bie ſchwarze Dtarmorplatte einen 
Kranz von Lorbern und von Rofen nieder. ; 

Während er von hier aus die Verſtärkung ver Bes 
feftigungen anordnete, bradjte ihm Syphax ein Schreiben 
von Matafwinthe. 

Es lautete lafonifd genug: 

„Mach' bald em Ende. 

Nicht (anger kann ich den Bammer anfehn. 

Die Beftattung von vierzig Taufend Mannern meines 
Volks hat mix die Bruft zerviffen. 

Die Klagelieder ſchienen alle mid) angullagen. 

Währt das nod) linger, fo erlieg id. 

Der Hunger wikthet furchtbar in dem Lager. 

Shre legte Hoffnung ift eine große Bufubr von 
Getreide und Vieh, die aus Südgallien unter Segel ift. 


191 


Wn den nadften Galenden wird fle auf ver Hobe 
pon Portus erwartet. 

Handle danach — aber mach’ rafd ein Ende.” 

„Triumph,“ fprad der Prafect, vie Belagerung 
ift ans. 

Unfre Heine Flotte lag bisher faſt müßig zu Popu⸗ 
lonium. 

Jetzt ſoll ſie Arbeit finden. 

Dieſe Königin iſt die Erinys der Barbaren.“ 

Und er ging ſelbſt zu Beliſar, der ihn mit edler 
Großheit empfing. — 

In derſelben Nacht, der letzten der Waffenruhe, 
zog Johannes zum pincianiſchen Thore hinaus, dann 
links nach der flaminiſchen Straße ſchwenkend. Ravenna 
war ſein Ziel. 

Und eilende Boten flogen zur See mit raſchen 
Segeln nach Populonium, wo ſich ein kleines römiſches 
Geſchwader geſammelt hatte. 

Der Kampf um die Stadt ruhte, trotz Ablauf des 
Waffenſtillſtands, faſt ganz. 

Eine Woche darauf etwa, machte der König, der 
fein Schmerzenslager gum erſten Mal verließ, in Be—⸗ 
gleitung ſeiner Freunde den erſten Gang durch die 
Zelte. 

Drei von den ſieben vormals menſchenwimmelnden 
Lagern waren völlig verödet und aufgegeben: auch die 
übrigen vier waren nur noch ſpärlich bevölkert. 

Todmüde, ohne Klage, aber auch ohne Hoffnung, 


192 


lagen die abgemagerten Geftalten, oon Hunger und 
Fieber vergzehrt, vor ihren Relten. 

Rein Zuruf, fein Gruß erfrente den wadern Konig auf 
feinem ſchmerzensreichen Gang: faum daß fie die müden 
Augen auffdlugen bet vem Sdall ver nahenden Schritte. 

Aus dem Innern der Belte orang das lante Stdhnen 
ber Kranken, der Sterbenden, die den Wunden, dem 
Mangel, det Senden erlagen. 

Kaum fand man die hinlanglide Zahl von Gefunden, 
bie nöthigſten Poſten gu begiehen. 

Die Wachen fdleppten die Speere hinter fic ber, 
gu matt, fie aufredt oder auf der Schulter gu tragen. 

Die Heerführer famen an die Schanzen vor dent 
aurelifden Thor; im Wallgraben lag ein junger Shits 
und faute an dem bittern Gras. 

Hildebad rief ihm gu: ,Beim Hammer! Gunthas 
mund, was ift das? deine Sehne ift ja gefprungen, was 
ziehſt du feine andre auf?" 

„Kann nidt, Herr! vie Sehne fprang geftern bei 
meinem lebten Schuß. 

Und id) und dte drei Burfde neben mir, wir haben 
pie Kraft nidt, eine neue aufzuziehen.“ 

Hildebad gab ihm einen Trunk aus feiner Kürbis⸗ 
Flaſche: ,baft Du auf einen Römer gefdoffen 2" 

„O nein, Herr," fagte ver Mann, eine Ratte nagte 
port an der Leidje. 

Sh traf fie glücklich und wir theilten fie gu viert." 

„Iffaſwinth, wo ift bein Obeim Iffamer?“ fragte der 
König. 


193 


Todt, Herr. 

Gr fiel hinter dir, als er vic) hinweg trig. 

Vor vem verfludten Marmorgrab.“ 

Und dein Vater Sffamuth 2" 

Auch todt. 

Er vertrug’s nidt mehr, dad giftige Wafer aus den 
Pfigen. . 

Der Durſt, Konig , brennt nod) heifer als der Hunger. 

Und es will ja nicht regnen aus diefem bleiernen 
Himmel.“ 

„Ihr feid Ae ans dem Athefis-Thal 

Sa, Herr Konig, vom Bffinger- Berg. O weld 
fHftlih Quell⸗Waſſer dort daheim!“ 

Teja fah in einiger Entfernung einen andern Krieger 
aus fener Sturmbaube trinfen. 

Seine Ritge verfinfterten ſich nod) mehr. 

wpe Du, Wrulf!” rief er ihm gu, „du ſcheinſt nicht 
Durft ju leiden?” 

„Nein, idj trinfe oft,” fprad) ver Mann. 

„Was trinkft du?“ 

„Das Blut von den Wunden der Friſchgefallnen. 

Anfangs ekelt's ſehr: aber man gewöhnt's in der 
Verzweiflung.“ 

Schaudernd ſchritt Witichis weiter. 

„Schick all’ meinen Wein in's Lager, Hildebad.“ 

„Die Wachen follen ihn theilen.” 

„All' deinen Wein? 

„O Konig, mein Sdenfamt ift gar leidt gewerden. 

Du haſt noch anderthalb Krüge. 

Dahn, Gin Kampf um Rom. III. 13433 


194 





Und Hildebrand, dein Arzt, ſprach, du follft did 
ftarfen.“ 

„Und wer ftirtt dieſe, Hildebad? 

Die Noth macht ſie zu wilden Thieren!“ 

„Komm mit nach Hauſe, mahnte Totila, des Königs 
Mantel ergreifend. 

Hier iſt nicht gut ſein.“ 

Sm Belt des Königs angelangt, ſetzten ſich die Freunde 
ſchweigend um den ſchönen Marmortiſch, der auf goldnen 
Gefäßen ſteinhartes verſchimmeltes Brod aufwies und 
wenige Stücke Fleiſch. 

„Es war das letzte Pferd aus den königlichen Ställen, 
ſagte Hildebad, — bis auf Boreas.“ 

„Voreas wird nicht geſchlachtet! — mein Weib, mein 
Rind find auf ſeinem Rücken geſeſſen.“ 

Lind er ſtützte das müde Haupt anf die beiden Hände: 
eine neue ſchwere Pauſe trat ein. 

„Freunde, hob er endlich an, das geht nicht länger 
alſo. 

Unſer Volk verdirbt vor dieſen Mauern. 

Mein Entſchluß iſt ſchwer und ſchmerzlich gereift — 

„Sprich's noch nicht aus, o König!“ rief Hildebad. 

In wenig Tagen trifft Graf Odoſwinth von Cremona 
ein mit der Flotte: und wir ſchwelgen in allem Outen.” 

„Er ift nod nicht da!" fprad Leja. | 

„Und unfer BVerluft an Menfden, fo fdwer er 
ift," ermuthigte Totila, wird er nidt durch friſche 
Mannſchaft erfegt, wenn Graf Ulithis von Urbinum 
eintrifft, mit ven Befabungen, die ver König ans den 


195 


BVeften von Ravenna bis Rom weggesogen hat, unfre 
leeren Zelte zu füllen? 

Aud Ulithis iſt noch nicht da, ſprach Teja. 

Er ſoll noch in Picenum ſtehen. 

Und kommt er glücklich an, ſo wird der Mangel im 
Lager noch größer.“ 

„Doch auch die Römerſtadt muß faſten! meinte 
Hildebad, das harte Brod mit der Fauſt auf dem Stein⸗ 
tiſch zerſchlagend. 

Laß ſehn, wer's länger aushält!“ 

„Oft hab' ich's überdacht in ſchweren Tagen und 
ſchlummerloſen Nächten, fuhr der König langſam fort. 
Warum? warum das Alles ſo kommen mußte? 

Nach beſtem Gewiſſen hab' ich immer wieder Recht 
und Unrecht abgewogen, zwiſchen unſern Feinden und 
uns: und ich kann's nicht anders finden, als daß Recht 
und Treue auf unſrer Seite ſtehen. 

Und wahrlich, an Kraft und Muth haben wir's 
nicht fehlen laſſen.“ 

„Du am Wenigſten,“ ſagte Totila. 

„Und an keinem ſchwerſten Opfer!“ ſeufzte der König. 

Und wenn nun doch, wie wir Alle ſagen, ein Gott 
im Himmel waltet, gerecht und gut und allgewaltig, 
warum läßt er all' dies ungeheure, unverdiente Elend zu? 

Warum müſſen wir erliegen vor Byzanz?“ 

„Wir dürfen aber nicht erliegen,“ ſchrie Hildebad. 

„Ich habe nie viel gegrübelt über unſern Herrgott. 

Aber wenn er das geſchehen ließe, müßte man Sturm 

13* 


196 





c 
faufen gegen den Himmel und ifm feinen Chron mit 
Keulen zerſchlagen.“ 

‚Läſtre nicht, mein Bruder!" ſprach Totila. 

„Und du, mein edler König, Muth und Vertrauen. 

Ja, es waltet ein gerechter Gott dort über den 
Sternen. 

Drum muß zuletzt die gute Gade ſiegen. 

Muth, mein Witidhis, und Hoffnung bis an’s Ende.” 

“Aber der Viefgebeugte ſchüttelte nas Haupt. 

„Ich geftehe e8 eud), id) babe aus diefem Irrſal, 
aus den fdjredliden Bweifeln an Gottes Gerechtigkeit, 
nur Ginen Ausweg gefunden. 

Es fann nidt fein, daß wir all’ died ſchuldlos leiden. 

Und da unfres Volkes Sache zweifellos geredt, fo 
muff verborgne Schuld an mir, an eurem König haften. 

Widerholt, erzählen unfre Lieder aus ver Heidengeit, 
hat fid) ein König für fein Bolt felbft den Göttern 
geopfert, wenn Unfieg, Seuche, Mißwachs dahre lang 
den Stamm verfolgte. 

Er hat die verborgne Schuld auf ſich genommen, 
die auf den Volksgenoſſen zu laſten ſchien und ſie durch 
Tod gebüßt, oder indem er ohne die Krone in's Elend 
ging, ein friedloſer Landflüchtiger. — 

Laßt mich die Krone abthun von dieſem Haupt ohne 
Glück noch Stern. 

Wählt einen Andern, dem Gott nicht zürnt: wählt 
Totila, oder — 

„Das Wundfieber faſelt noch aus dir!“ unterbrach 
ihn der alte Waffenmeiſter. 


197 


Du mit Sduld beladen! du, der Treufte von uns 
Wien ! 

Nein, ich will’s euch fagen, ihr Kinder allgujunger 
Tage, die ihr ver Vater alte Kraft mit ver Vater altem 
Glauben verloren habt, und nun feinen Croft wift fiir 
eure Herzen. 

Mich erbarmt eurer Reden ohne Buverfidt.” — Und 
feine grauen Augen lendteten im feltnem Glanze über 
die Freunde hm. 

Ales was hier auf Erden erfreut und ſchmerzt, if 
faum ver Freude nod) des Schmerzes werth. 


Nur auf Eines kommt eS hier unten an: ein treuer 
Mann gewefen fein, fein Neiding, und den Schlachttodt 
ſterben, nidt ben Strobtodt. 

Den treuen Helden aber tragen die Walfyren aus 
vem blutigen Feld auf rothen Wolfen hinauf in Odhins 
Gal, wo die Cinheriar mit vollen Bechern ibn begritfen. 

Dann reitet er alltaglich mit ihnen hinaus yu Jagd 
und Waffenfpiel beim Mtorgenlidt und wieder herein zu 
Trunf und Staldenfang in goloner Halle beim Whendlidt. 

Und fine Schildjungfrauen fofen mit den Sungen: 
und weife Vorzeitrunen raunen wir Alten mit den alten 
Helden ver Vorzeit. 


Und id) werde fie alle wieder finden, die ftarfen 
Gefellen meiner Sugend, den kühnen Winithar und 
Herm Waltharis von Aquitanien und Guntharis den 
Burgunden. 

Und ſchauen werd’ id) and ibn, deſſen Anblid id 


Fünfzehntes Capitel. 





Wn vem letzten Tage ves Waffenftillftands konnte 
Cethegus bereits wieder auf den Wallen ves Grabmals 
Hadrians erſcheinen, wo thn feine Legionare und Iſau⸗ 
rier mit fautem Zuruf begrüßten. 

Gein erfter Gang war zu vem Grabmal des Rallis 
ſtratos; er legte auf bie ſchwarze Marmorplatte einen 
Kranz von Lorbern und von Roſen nieder. 

Während er von hier aus die Verftarfung ver Bee 
feftigungen anordnete, brachte ihm Syphar ein Schreiben 
von Mataſwintha. 

Es lautete lafonifd genug: 

„Mach' bald ein Ende. 

Nicht länger kann ich den Jammer anſehn. 

Die Beſtattung von vierzig Tauſend Männern meines 
Volks hat mir die Bruſt zerriſſen. 

Die Klagelieder ſchienen alle mich anzuklagen. 

Währt das noch länger, ſo erlieg ich. 

Der Hunger wüthet furchtbar in dem Lager. 

Ihre letzte Hoffnung iſt eine große Zufuhr von 
Getreide und Vieh, die aus Südgallien unter Segel iſt. 


191 





An ven nadften Galenden wird fle auf ver Hobe 
pon Portus erwartet. 

Handle vanad) — aber mad’ rafd ein Ende.“ 

„Triumph,“ fprad ver Präfect, vie Belagerung 
tft ans. 

Unfre Meine Flotte lag bisher faſt müßig yu Popu⸗ 
fonium. 

Jetzt foll fie Arbeit finden. 

Diefe Königin ift die Erinys ver Barbaren." 

Und er ging felbft gu Belifar, ver ihn mit edler 
Großheit empfing. — 

Sn verfelben Nacht, der legten der Waffenrube, 
30g Johannes zum pincianifdhen Thore binaus, dann 
links nad) der flaminifden Strage fdwenfend. Ravenna 
war fein Riel. 

Und eilende Boten flogen zur See mit rafden 
Gegeln nad) Populonium, wo fic) ein kleines römiſches 
Gefdwader gefammelt hatte. 

Der Kampf um vie Stadt rubte, trotz Wblauf ves 
Waffenftillftands , faft gang. 

Cine Woche varauf etwa, madjte der König, der 
fein Schmerzenslager gum erften Mal verließ, in Bez 
gleitung ſeiner Freunde den erften Gang durd die 
Relte. 

Dret von ven fieben vormals menfdhenwimmelnden 
Lagern waren völlig verddet und aufgegeben: aud) die 
fibrigen vier waren nur nod) ſpärlich bevdlfert. 

Todmüde, ohne Klage. aber and) ohne Hoffnung, 


192 


{agen dte abgemagerten Geftalten, von Hunger und 
Fieber verzehrt, vor ihren Relten. 

Kein Buruf, tein Gruß erfreute den wadern Konig auf 
feinem ſchmerzensreichen Gang: kaum daß fle die müden 
Augen auffdlugen bet dem Schall ver nahenden Schritte. 

Aus dem Snnern der Belte orang das laute Stdhnen 
ber Kranfen, ver Sterbenden, die den Wunden, dem 
Mangel, den Seuchen erlagen. 

Kaum fand man die hinlanglide Babl von Gefunden, 
bie nbthigften Poſten gu begtehen. 

Die Wachen ſchleppten vie Speere inter fich her, 
gu matt, fie aufredt ober auf ber Schulter gu tragen. 

Die Heerführer famen an die Schanzen vor dem 
aurelifden Thor; im Wallgraben lag ein junger Schütz 
und faute an dem bittern Gras. 

Hildebad rief thm gu: ,Beim Hammer! Gunthas 
mund, was ift bas? deine Sebne ift ja gefprungen, was 
ziehſt du feine andre auf?" 

„Kann nidt, Herr! vie Sehne fprang geftern bei 
meinem letzten Schuß. 

Und ich und die drei Burſche neben mir, wir haben 
die Kraft nicht, eine neue aufzuziehen.“ 

Hildebad gab ihm einen Trunk aus ſeiner Kürbis⸗ 
Flaſche: „haſt du auf einen Römer geſchoſſen?“ 

„O nein, Herr," ſagte der Mann, eine Ratte nagte 
port an dev Leidhe. 

Ich traf fie glitdlid) und wir theilten fie zu viert.” 

„Iffaſwinth, wo ift dein Obeim Iffamer?“ fragte der 
König. 


193 





Todt, Herr. 

Er fiel hinter dir, als er did) hinweg trig. 

Vor dem verfludten Marmorgrab.” 

Und vein Vater Sffamuth 2" 

Auch todt. 

Gr vertrug’s nidt mehr, dad giftige Waffer aus den 
Pfitgen. . 

Der Durft , Konig, brennt nod) heifer als ver Hunger. 

Und e8 will ja nidt regnen ans diefem bleiernen 
Himmel.“ 

„Ihr feid Alle aus dem Atheſis⸗Thal?“ 

Sa, Herr Konig, vom ffinger- Berg. O weld 
köſtlich Quell⸗Waſſer dort daheim!“ 

Teja ſah in einiger Entfernung einen andern Krieger 
aus ſeiner Sturmhaube trinken. 

Seine Züge verfinſterten ſich nod) mehr. 

„He du, Arulf!“ rief er ihm zu, „du ſcheinſt nicht 
Durſt zu leiden?“ 

„Nein, ich trinke oft,“ ſprach der Mann. 

„Was trinkſt du?“ 

„Das Blut von den Wunden der Friſchgefallnen. 

Anfangs ekelt's ſehr: aber man gewöhnt's in der 
Verzweiflung.“ 

Schaudernd ſchritt Witichis weiter. 

„Schick“ all’ meinen Wein in's Lager, Hildebad.“ 

„Die Waden follen ihn theilen.” 

‚All' deinen Wein? 

© Konig, mein Sdhenfamt ift gar leidt geworden. 

Du haft nod anderthalh Rriige. 

Dabhn, Gin Kampf um Rom. LI. 13 


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Und Hildebrand, dein Arzt, fprady, du follft vic 
ſtärken.“ 

„Und wer ſtärkt dieſe, Hildebad? 

Die Noth macht ſie zu wilden Thieren!“ 

„Komm mit nach Hauſe, mahnte Totila, des Königs 
Mantel ergreifend. 

Hier iſt nicht gut ſein.“ 

Sm Belt des Kinigs angelangt, ſetzten ſich bie Freunde 
fdweigend um den ſchönen Marmortiſch, ver auf goloner 
Gefäßen fteinhartes verfdhimmeltes Brod aufwies und 
wenige Stiide Fleifd. 

„Es war das legte Pferd aus ven königlichen Ställen, 
fagte Hildebad, — bi8 auf Boreas.“ | 

» Boreas wird nidjt geſchlachtet! — mein Weib, mein 
Kind find auf feinem Rücken gefeffen.” 

Und er ſtützte das müde Haupt auf die beiden Hände: 
eine neue ſchwere Pauſe trat ein. 

„Freunde, hob er endlid) an, das gebt nicht linger 
alfo. 

Unfer Volk verdirbt vor diefen Mauern. 

Mein Entſchluß ift fewer und ſchmerzlich gereift —* 

„Sprich's nod) midt aus, o König!“ rief Hilvebad. 

Sn wenig Tagen trifft Graf Ovofwinth von Cremona 
ein mit der Glotte: und wir fdwelgen in allem Guten.” 

„Er ift nod nidt da!“ fprad Teja. 

wind unfer Berluft an Menfden, fo ſchwer er 
iſt,“ ermuthigte Totila, wird er nidt durch friſche 
Mannſchaft erjest, wenn Graf Wlithis oon Urbinum 
eintvifft, mit den Beſatzungen, die der König ans den 


195 


BVeften von Ravenna bis Rom weggesogen hat, unfre 
leeren Belte gu füllen? 

Aud Ulithis ift nod) nicht da, fprad Teja. 

Gr foll nod) in Bicenum fteben. 

Und fommt er gliidlid an, fo wird ber Mangel im 
Lager nod) größer.“ 

„Doch aud) die Römerſtadt mug faften! meinte 
Hilbebad, das harte Brod mit ver Fauft auf dem Stein: 
tiſch zerſchlagend. 

Laß ſehn, wer's länger aushält!“ 

„Oft hab' ich's überdacht in ſchweren Tagen und 
ſchlummerloſen Nächten, fuhr der König langſam fort. 
Warum? warum das Alles ſo kommen mußte? 

Nach beſtem Gewiſſen hab' ich immer wieder Recht 
und Unrecht abgewogen, zwiſchen unſern Feinden und 
uns: und ich kann's nicht anders finden, als daß Recht 
und Treue auf unfrer Seite ſtehen. 

Und wabrlid, an Kraft und Muth haben wir's 
nicht feblen laſſen.“ 

„Du am Wenigſten,“ ſagte Totila. 

„Und an keinem ſchwerſten Opfer!“ ſeufzte der König. 

Und wenn nun doch, wie wir Alle ſagen, ein Gott 
im Himmel waltet, gerecht und gut und allgewaltig, 
warum läßt er all' dies ungeheure, unverdiente Elend zu? 

Warum müſſen wir erliegen vor Byzanz?“ 

„‚Wir dürfen aber nicht erliegen,“ ſchrie Hildebad. 

„Ich habe nie viel gegrübelt über unſern Herrgott. 

Aber wenn er das geſchehen ließe, müßte man Sturm 

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6 
laufen gegen den Himmel und ihm feinen Chron mit 
Reulen zerſchlagen.“ 

‚Läſtre nidt, mein Bruder!“ fprad Totila. 

nUnd du, mein edler König, Muth und Vertrauen. 

Ja, es waltet ein gerechter Gott: dort fiber den 
Sternen. 

Drum muß zuletzt vie gute Sache fiegen. 

Muth, mein Witichis, umd Hoffnung bis an’s Ende.” 

Aber ver Tiefgebeugte fciittelte vas Haupt. 

„Ich geftehe es euch, ich babe aus diefem Irrfal, 
aus den ſchrecklichen Zweifeln an Gottes Gerechtigkeit, 
nur Einen Ausweg gefunden. 

Es kann nicht ſein, daß wir all' dies ſchuldlos leiden. 

Und da unſres Volkes Gade zweifellos gerecht, fo 
muß verborgne Schuld an mir, an eurem Köonig haften. 

Widerholt, erzählen unſre Lieder aus der Heidenzeit, 
hat ſich ein König für ſein Volk ſelbſt den Göttern 
geopfert, wenn Unſieg, Seuche, Mißwachs Jahre lang 
den Stamm verfolgte. 

Er hat die verborgne Schuld auf ſich genommen, 
die auf den Volksgenoſſen zu laſten ſchien und ſie durch 
Tod gebüßt, oder indem er ohne die Krone in's Elend 
ging, ein friedloſer Landflüchtiger. — 

Laßt mich die Krone abthun von dieſem Haupt ohne 
Glück noch Stern. 

Wählt einen Andern, dem Gott nicht zürnt: wählt 
Totila, oder — 

„Das Wundfieber faſelt noch aus dir!“ unterbrach 
ihn der alte Waffenmeiſter. 


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Du mit Sduld beladen! du, ber Treuſte von uns 
Wien ! 

Nein, id will’s end fagen, ihr Rinder alltzujunger 
Tage, die ihr der Väter alte Kraft mit der Väter altem 
Glauben verloren habt, und nun keinen Troſt wißt für 
eure Herzen. 

Mid erbarmt eurer Reden ohne Zuverſicht.“ — Und 
ſeine grauen Augen leuchteten in ſeltnem Glanze über 
die Freunde hin. 

‚„Alles was bier auf Erden erfreut und ſchmerzt, if 
faum der Freude nod) des Schmerzes werth. 


Nur auf Cines fommt e8 hier unten an: ein treuer 
Mann gewefen fein, fein Neiding, und den Schlachttodt 
fterben, nicht ben Strobtodt. 

Den treuen Helden aber tragen die Waltyren aus 
dem biutigen Feld auf rothen Wolfen hinauf in Odhins 
Sal, wo die Cinheriar mit vollen Bedern ihn begrüßen. 

Dann reitet er alltiglid mit ihnen hinaus yu Jagd 
und Waffenfpiel beim Morgenlicht und wieder herein zu 
Trunf und Sfaldenfang in goloner Halle beim Abendlicht. 

Und ſchöne Schildjungfrauen fofen mit den Sungen : 
und weife Vorzeitrunen raunen wir Alten mit den alten 
Helden der Vorzeit. 

Und ich werde fie alle wieder finden, die ftarfen 
Gefellen meiner Jugend, den kühnen Winithar und 
Herm Waltharis von Aquitanien und Guntharis ven 
Burgunden. 

Und fdjauen werd’ td aud) ihn, deffen Anblick ich 


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lange begehrt: Herrn Beowulf, den Geaten, und ans 
grauen Urtagen den Cherusken, der guerft die Römer 
ſchlug, von bem nod) die Sanger der Sachſen fingen 
und fagen. 

Und wieder trag’ id) Schild und Speer meinem 
Herm, dem König mit ven Adleraugen. 

Und fo leben wir fort in alle Ewigkeit in Licht und 
heller Freude, vergeffen ber Erde hier unten und alles 
ibres Webs.“ 

Ein fin Geridt alter Heide, lächelte Totila. 

Wenn uns aber das nicht mehr tröſtet fitr wirkliches, 
herznagendes Leid? 

Sprich du dod aud, Teja, du finftrer Gait. 

Was ift vein Gedanke bet diefen unfern Leiden ? 

Mie fehlt uns vein Schwert: was verfagft du dein 
Wort 2 

Was fdhweigt dein triftender Harfenfdlag, du lievers 
fundiger Sanger 2" 

Mein Wort,“ fagte Teja anfftehend, mein Wort 
und Gedante wire euch vielleicdht ſchwerer gu tragen als 
all’ vied Leid. 

Lak mic) nod) ſchweigen, mein fonnenbeller Totila. 

BVielleidht fommt nod) der Lag, da ih div Antwort 
gebe. 

Vielleicht aud gur Harfe fpiele, wenn dann nod eine 
Saite daran halt.” 
Und er ſchritt aus dem Zelte. 
Denn draußen in dem Lager hatte ſich ein wirrer, 


199 


räthſelhafter Larm von rufenden, fragenden Stimmen 
erboben. 

Die Freunde ſahn ihm ſchweigend nad. 

„Ich weiß wohl, was er denft, fagte der alte Hilde. 
brand endlich. 

Denn id fenne ihn vom Rnaben auf: Er ift nicht 
wie Andre. 

Aud) im Nordland denfen mande fo, die nidt an 
Thor und Odhin glauben, fondern nur an die oth 
und ihre eigne Kraft und Stärke. 

Es ift faft gu ſchwer für ein Menſchenherz. 

Und glitdlid) — glitdlid) macht e8 nicht, wie er zu 
denken. | 

Mid) wunbdert, dak er fingt und Harfe fdlagt 
dabei.“ 

Da riß Teja, wieder eintretend, die Zeltvorhänge 
auf: ſein Antlitz war noch bleicher als zuvor: ſeine 
dunkeln Augen blitzten: aber ſeine Stimme war ruhig 
wie ſonſt, da er ſprach: 

„Brich das Lager ab, König Witichis. 

Unſere Schiffe find bei Oſtia in der Feinde Hand 
gefallen. 

Sie haben Graf Odoſwinth's Kopf in's Lager ges 
ſchickt. 

Und ſie laſſen auf den Wällen Roms, vor den Augen 
unſrer Wachen, von den gefangnen Gothen die erbeuteten 
Rinder ſchlachten. 

Große Verſtärkungen aus Byzanz unter Valerian und 


198 





lange begehrt: Herrn Beowulf, ven Geaten, und ans 
grauen Urtagen den Cherusken, der guerft die Römer 
ſchlug, won dem nod) bie Ginger der Sachſen fingen 
und fagen. 

Und wieder trag’ id) Schild und Speer meinem 
Herm, dem Konig mit den Adleraugen. 

Und fo leben wir fort in alle Ewigkeit in Licht und 
beller Freunde, vergeffen der Erde hier unten und alles 
ibres Webs.“ . 

Sin ſchön Gedidt, alter Heide, lächelte Lotila. 

Wenn uns aber das nicht mehr troftet fitr wirkliches, 
hergnagendes Leid? 

Sprid du vod) aud), Teja, du finftrer Galt. 

Was ift vein Gedanfe bei diefen unfern Leiden? 

Mie fehlt uns dein Sdwert: was verfagft du dein_ 
Wort 2 

Was ſchweigt dein trbftender Harfenfdlag, du levers 
fundiger Sänger?“ 

Mein Wort, fagte Teja aufftehend, mein Wort 
und Gedanke ware euch vielleidht ſchwerer gu tragen als 
all’ dies Leid. 

Lak mid) nod) ſchweigen, mein fonnenheller Totita. 

Vielleicht kommt nod) der Tag, da ich dir Antwort 
gebe. 

Vielleicht aud) zur Harfe fpiele, wenn dann nod eine 
Catte daran halt." 
Und ev fdritt aus dem Zelte. 
Denn draußen in dem Lager hatte fic) ein wirrer, 


199 





rathfelbafter Lärm von rufenden, fragenden Stimmen 
erhoben. 

Die Freunde ſahn ihm ſchweigend nach. 

„Ich weiß wohl, was er denkt, ſagte der alte Hildes 
brand endlid. 

Denn ich fenne ibn vom Knaben auf: Cr ift nicht 
wie Andre. 

Aud im Nordland denfen mandje fo, die nidjt an 
Chor und Odhin glauben, fondern nur an die Noth 
und ihre eigne Kraft und Stärke. 

Es ift faft zu fdjwer für ein Menſchenherz. 

Und glücklich — glücklich macht es nidt, wie er zu 
denken. 

Mich wundert, daß er ſingt und Harfe ſchlägt 
dabei.“ 

Da riß Teja, wieder eintretend, die Zeltvorhänge 
auf: ſein Antlitz war noch bleicher als zuvor: ſeine 
dunkeln Augen blitzten: aber ſeine Stimme war ruhig 
wie ſonſt, da er ſprach: 

„Brich das Lager ab, König Witichis. 

Unſere Schiffe ſind bei Oſtia in der Feinde Hand 
gefallen. 

Sie haben Graf Odoſwinth's Kopf in's Lager ge⸗ 
ſchickt. 

Und ſie laſſen auf den Wällen Roms, vor den Augen 
unſrer Wachen, von den gefangnen Gothen die erbeuteten 
Rinder ſchlachten. 

Große Verſtärkungen aus Byzanz unter Valerian und 


200 





Euthalius: Hunnen, Sclavenen und Anten, hat eine ſegel⸗ 
reide Flotte aus Byzanz in den Liber gefithrt. 

Denn der blutige Johannes hat das Picenum durch⸗ 
gogen —“ 

„Und Graf UWUltthis 

„Er hat Ulithis gefdlagen und getddtet, Ancona 
und Wriminum ‘genommen. 

Und —" 

„Iſt das nod) nicht Wes?" rief der König. 

mein, Witichis! Eile thut noth! 

Gr bedroht Ravenna: er fteht nur nod wenige 
Meilen von der Stadt.” 


Sechzehntes Capitel. 





Wn Tage nad vem Cintreffen diefer fiir die Gothen 
fo verbangnipvollen Nadridten, hatte Witichis die Bes 
lagerung Roms aufgegeben und fein tief entmuthigtes 
Heer aus den vier nod iibrigen Lagern herausgezogen. 

Gin volles Jahr und neun Tage hatie vie Einſchließung 
gemabrt. 

So viel Muth und Kraft, fo viele Wnftrengungen 
und Opfer waren vergeblid) gewefen. 

Schweigend gogen die Gothen an ven ftoljen Wallen 
voriiber, an denen ihy Olid und ihre Macht zerſchellt 
waren. 

Schweigend trugen fie vie höhnenden Worte, welde 
Romer und „Romäer“ (Byzantiner) ihnen won den 
fidern Zinnen herab zuriefen. 

Ihr Zorn und ihre Trauer waren zu groß, um durch 
ſolchen Spott getroffen zu werden. 

Aber als Beliſar's Reiterei, aus dem pincianiſchen 
Thore brechend, die Abziehenden verfolgen wollte, wurde 
ſie grimmig zurückgewieſen. 

Denn Graf Teja führte die gothiſche Nachhut. 


202 





So 30g das Heer von Rom auf der flaminifden 
Straße durch Picenum in rafden Märſchen, (obwohl den 
von den Feinden befegten Plagen Narnia, Spoletium und 
Perufium ausgemiden werden mufte,) nad Ravenna, 
wo Witidhis zur redten Beit cintraf, die gefährliche 
Stimmung ver Bevilferung, welde auf die Kunde von 
rem Unglitd ver Barbaren fdon mit dem drohenden 
Sohannes in geheime Verhandlungen getreten war, i 
unterdrücken. 

Johannes zog ſich bei der Annäherung der Gothen 
in ſeine letzte wichtige Eroberung Ariminum zurück. 

In Ancona lag Konon, der Nauarch Beliſars, mit 
den thrakiſchen Speerträgern und mit Kriegsſchiffen. 

Der König führte aber keineswegs ſein ganzes, von 
der Belagerung Roms aufgebrochnes Heer nach Ravenna, 
ſondern hatte unterweges viele Mannſchaften in Feſtungen 
vertheilt. 

Eine Tauſendſchaft ließ er unter Gibimer in Cluſium 
in Tuſcien, eine andre in Urbs Vetus unter Albila, eine 
halbe in Tudertum unter Wulfgis: in Auximum vier 
Tauſendſchaften unter Graf Wiſand, dem tapfern Bane 
dalarius: in Urbinum zwei unter Morra: in Caefena 
und Monsferetrus je eine halbe. 

Hildebrand entfandte er nad) Verona, Totila nab 
Carvifium und Teja nad Ticinum, da aud) der Nordoften 
rer Halbinfel durch byzantiniſche, von Iſtrien aus dros 
hende Xruppen gefährdet wurde. 

Gr that dies übrigens noc) aus andern Oriinden. 


203 





Ginmal, um Veltfar auf dem Wege nad Ravenna 
aufzuhalten. 

Dann, um im Fall einer Einſchließung nicht wieder 
fobald durch die groffe Angahl bes Heeres dem Manyel 
ausgefetzt gu fem. 

Und endlich, um fir den namlichen Fall die Belagerer 
auch vom Rücken und zwar von mehreren Seiten her 
beunruhigen gu können. 

Sein Plan war zunächſt, die ſeinem Hauptſtützpunct 
Ravenna drohende Gefahr abzuwenden, und ſich mit 
ſeinen zerrütteten Streitkräften auf die Vertheidigung zu 
beſchränken, bis fremde Hülfstruppen, langobardiſche und 
fränkiſche, die er erwartete, ibn in den Stand ſetzen 
würden, wieder das offne Feld zu halten. 

Aber vie Hoffnung, Belifar auf feinem Wege nad 
Ravenna durch viefe gothifden Burgen hingubalten, er- 
füllte fich nicht. 

Er begnügte ſich, ſie durch beobachtende Truppen ein⸗ 
zuſchließen und zog ohne Weiters gegen die Hauptſtadt 
und den letzten bedeutenden Waffenplatz der Gothen. 

„Habe ich das Herz zum Tode getroffen,“ ſagte er, 
„werden ſich die geballten Fäuſte von ſelbſt öffnen.“ 


Und ſo dehnten ſich alsbald um die Königsſtadt 
Theoderichs in weit geftredtem Bogen vie Zelte der 
Byzantiner, an allen drei Landfeiten, von ver Hafenftavt 


204 


Glaffis an bis gu den Candlen und Bweigarmen des 
Padus, welde im Weften befonders die Vertheidigung 
der Feſtungslinien bildeten. 


Zwar hatte die alte, vornehme Stadt damals ſchon 
viel verloren von dem Schimmer, in welchem ſie ſeit 
zwei Jahrhunderten faſt ſtrahlte als Reſidenz der Impe⸗ 
ratoren: und auch das letzte Abendroth, welches die glor⸗ 
reiche Regierung Theoderichs über ſie gebreitet, war 
ſeit dem Ausbruch des Krieges verſchwunden. 


Aber gleichwohl. Welch andern Eindruck muß damals 
die immer noch volkreiche, dem heutigen Venedig gleichende 
Waſſer⸗Stadt gemacht haben als heute, wo es den 
Wandrer aus den ausgeſtorbnen Straßen, den leeren 
Plätzen, den einſam ſchweigenden Baſiliken nicht minder 
melancholiſch anhaucht als draußen, vor den Mauern 
der Stadt, wo ſich weithin die sre Sumpflandſchaft der 
Padusniederungen dehnt, bis fie in den Schlamm des 
weit 3uriidgetretenen Meeres auslaufen. 


Wo einft in ver Hafenftadt Claffis gu Wafer und 
gu Lande geſchäft'ges Leben wogte, wo die ſtolzen Triremen 
ver faiferliden Ravenna-Flotte tief ſchaukelnd ſich wiegten, 
ba liegen jegt fumpfige Wiefen, in deren hohem Schilf und 
Riedgras verwilderte Büffel grafen; verfumpft die Straßen, 
verfandet der Hafen, verfdollen das Volk, vas hier 
freudig geberrfdt — nur ein riefiger runder Thurm ans 
ver Gothenjeit fteht nod neben der allein erhaltnen, ein⸗ 
famen Bafilita Gan Apollinare in Clafje fuori, welche, 
von Witidhis begonnen, von Juftinian vollenvet, nun 


205 





eine Stunde fern von aller Menfdenwohnung auf der 
fumpfigen Ebne trauernd ragt. 

Die ſtarke Seefeftung galt damals für uneinnehmbar : 
parum batten fie feit dem Ginfen ihrer Macht die Raifer 
gur Refidens gewablt. 

Die Süd⸗Oſt⸗Seite deckte das ramals nod bis an 
und in ibre und der Hafenftadt Mauern fpitlende Meer. 

Und um alle dret Landfeiten atten Natur und Kunft 
ein labyrinthiſches Netz von Canälen, Graben und 
Sümpfen des vielarmigen Padus geſponnen, in welchem 
ſich der Belagerer rettungslos verſtricken mußte. 

Und dieſe Mauern! noch jetzt erfüllen ihre gewaltigen 
Reſte mit Staunen; ihre coloffale Dicke und — weniger thre 
Höhe als — die Anzahl von ſtarken Rundthürmen, welche 
von ihren Zinnen noch heute (1863) aufſteigen, trotzten 
vor der Erfindung der Feuerwaffe jedem Sturm, jedem 
gewaltſamen Angriff. 

Nur durch Aushungerung hatte nach faſt vierjährigem 
Widerſtand der große Theoderich dieſe letzte Zuflucht 
Odovakars bezwungen. 

Vergebens hatte Beliſar verſucht, gleich nach ſeiner 
Ankunft die Stadt mit Sturm zu nehmen. 

Kräftig ward fein Angriff abgewieſen und die Bes 
lagerer muften fid) begniigen, die Feftung enge gu ume 
fclieBen und, wie einft ber Gothenkönig, durch Mangel 
gur Uebergabe yu nothigen. 

Dem aber fonnte Witichis getroft entgegen febn. 

Denn er hatte mit ver Vorſicht, vie ihm eigen, in 
viefem feinem Haupt-Bollwerf, ſchon vor dem Aufbruch 


206 


nad Rom, Vorrathe aller Urt, namentlid aber Getreide, 
tn augerordentlider Dtenge in befonders von ihm (mit 
Benugung und in den Raumen des ungeheuren Marmor⸗ 
Circus des Theodofius) erbauten Korn⸗Speichern von 
Holzgezimmer aufgehauft. Dieſe ansgedehuten Holz 
bauten, grade gegenitber dem Palaft und der Bafilifa 
Sancti Apollinaris, waren ves Königs Stolz, Freude 
und Troſt. 

Nur Weniges von diefen Nahrungsmitteln hatte man 
durch Das von den Feinden durdftreifte Land nad) dem Lager 
vor Rom fithren können: und bei einiger Sparfameit 
reichten dieſe Magazine ohne Zweifel fiir die Bevölkerung 
und das nicht mehr zahlreiche Heer leicht noch zwei und 
drei Monate aus. 

Bis dahin aber war das Eintreffen eines fränkiſchen 
Hülfsheeres in Folge der auf's Neue angeknüpften Ver⸗ 
handlungen ſicher zu erwarten. 

Und dieſer Entſatz mußte nothwendig die Aufhebung 
der Belagerung herbeiführen. 

Dies wußten oder ahnten doch Beliſar und Cethegus 
ſo gut wie Witichis: und raſtlos ſpähten ſie nach allen 
Seiten, ein Mittel zu finden, den Fall der Stadt zu 
beſchleunigen. 

Der Präfect ſuchte natürlich vor Allem ſeine geheime 
Verbindung mit der Gothenkönigin zu dieſem Zwecke zu 
benutzen. 

Aber einmal war der Verkehr mit derſelben jetzt ſehr 
erſchwert, da die Gothen alle Ausgänge der Stadt ſorg⸗ 
fältig überwachten. 


207 


Und dann ſchien aud) Matafwintha wefentlich verändert 
und feineswegs mehr fo bereit und willfabrig, fic als 
Werkzeug gebrauchen gu laffen, wie ehedem. 

Sie hatte eine raſche Vernidtung oder Demilthigung 
ves Konig’ erwartet. 

. Das lange Hingdgern ermildete fie: und gugleid batten 
vie grofen Leiden ihres Volleys in Kampf und Hunger 
und Krankheit angefangen, fle zu erfdjiittern. 

Dazu fam endlid, daß die traurige Verwandlung 
in Dem fonft fo fraftigen und gefundfreudigen Weſen 
des Königs, der ftille, aber tiefe und finftre Gram, 
ber itber feiner Geele lag, madtig an ihrem Herzen 
ritttelte. | 

Wenn fie aud) mit ber ganzen Ungeredtigheit des 
Schmerzes, mit vem bittern Stolz gekränkter Liebe ihn 
verflagte, daß ex ihr Herz verworfen und dod, um der 
Krone willen, mit Gewalt ihre Hand erjwungen hatte, 
und wenn fie ihn dafür aud) mit der ganjen leiden⸗ 
ſchaftlichen Gluth ihres Wefens gu haffen glaubte und 
gum Theil aud) wirklich hagte, fo war dod) diefer Haß 
nur untigefdlagne Liebe. 

Und alé fie ihn nun von dent fdweren Unglitd der 
gothifden Waffen, von dem Fehlſchlagen all’ feiner 
Plane — an weldhem ihr heimtückiſcher Verrath fo 
grofen Antheil trug, — tief, bis zur krankhaft⸗ſchwer⸗ 
milthigen Verjinfterung ves Geiftes, zu marternder Selbſt⸗ 
peinigung niedergebeugt fab, fo wirkte diefer Anblick 
gewaltig auf ihre aus Harte und Gluth feltjam gemifdte 
Natur, 


Siebzehntes Capttel. 





Hitvebad, ungeduldig über das lange Mußigliegen, 
hatte aus dex ihm, gu befonderer Chhut anvertrauten 
Porta Faventina mit Tagesanbrud einen heftigen Ansfall 
auf das byzantiniſche Lager gemadt, anfangs in unge⸗ 
ftiimem Anlauf rafde Vortheile errungen, einen Theil 
ber Belagerungswerkeuge verbrannt und ringsum Schrecken 
verbreitet. 

Er hatte unfeblbar nod) viel größern Schaden ans 
geridjtet, wenn nidjt ber raſch herbei eilende Beliſar on 
viefem Tage all’ feine Feldherrnfdaft und all fein Heldens 
thum zugleich entfaltet hatte. 

Ohne Helm und Harnijd, wie er vom Lager aufs 
gefprungen, hatte er fid) zuerſt feinen eignen flichenven 
Borpoften, dann den gothifden Berfolgern entgegens 
geworfen und durch äußerſte perſönliche Anftrengung und 
Aufopferung vas Gefecht yum Stehen gebradt. 

Darauf aber hatteer mit feinen beiven Flanten fo geſchickt 
manövrirt, daß Hildebads Rückzug ernſtlich bedroht war 
und tie Gothen, um nicht abgeſchnitten zu werden, all’ 


211 


ihre errungenen Vortheile aufgeben und fdleunigft in die 
Stadt guritd eilen mußten. 

Gethegus, der mit fetnen Bfanriern vor ver Porta 
Honoriana lag und gur Hilfe herbeifam, fand das Treffen 
ſchon beendet und fonnte nidt umbin, nachher Belifar 
in feinem Zelte aufzuſuchen und ihm, als Feldherrn wie 
alg Krieger, femme Anerfennung andszufpreden, ein Lob, 
bas Antonina begiertg einfog. 

‚Wirklich, Belifarius,” ſchloß ver Prafect, Kaiſer 
Suftinian fann dir das nidt vergelten.” 

„Da fpridft du war,” antwortete Velifar ſtolz: „er 
vergilt mir nur durch feine Freundfdaft. 

Gir feinen Feldherrnftab könnte id nidt thun, was 
id) für ihn ſchon gethan habe und nod) immer thue. 

Ich thu's, weil id) thn wirklich liebe. | 

Denn er ift ein groper Mann mit allen feinen 
Sdwaden. 7 

Wenn er nur Eins nod lernte: mir vertrau’n. Wher 
getroft — er wird’s nod) lernen.” 

Da fam Brofop und bradte einen Brief von Byzanz, 
per fo eben von einem faiferliden Gefandten überbracht 
worden. 

Mit freudeftrablendem Antlig fprang Belifar, aller 
Müdvigkeit vergeffen, vom Polfter auf, küßte die purpurnen 
Schnüre, durchſchnitt fle dann mit bem Dold und öffnete 
Das Sdreiben mit ven Worten: 

Von meinem Herrn und RKaifer felbft! Wh, nun wird 
ex mir die Leibwadter fenden und den lang geſchuldeten 
Gold, ven ich Awarte, und das vorgefdoffne Gold." 

14% 


212 


Und er begann zu leſen. 

Wufmertfam beobadteten ihn Antonina, Profop und 
Gethegus: feine Züge verfinfterten fic) mehr und mehr: 
feine breite Bruft fing an fic) wie in ſchwerem Nrampf 
gu eben: die beiden Hände, mit welchen er das Schreiben 
hielt, zitterten. 

Beforgt trat Antonina beran: aber ehe fie fragen 
fonnte, ſtieß Belifar einen dumpfen Schrei der Wuth 
aus, fdjleuderte das kaiſerliche Schreiben anf die Erde 
und ftiirgte auger fic, aus dem Gezelt; etlend folgte ihm 
feine Gattin. 

„Jetzt Darf ibm nur Antonina vor die Augen,” fagte 
Profop, ven Brief aufhebend. 

„Laß fehn: wobl wieder ein Stuclein kaiſerlichen 
Dankes,“ — und er las: 

„Der Eingang iſt Phraſe, wie gewöhnlich — aba, 
jetzt kommt es beſſer: | 

„Wir finnen gleichwohl nicht verbeblen, dag wir, 
nad) deinen eignen fritheren Berithmungen, eine rafdere 
Beendigung des Krieges gegen dieſe Barbaren erwartet 
batten und glauben aud, daß eine ſolche bet grifrer 
Anftrengung nicht unmiglid) gemefen ware. Deßhalb 
finnen wir aud) deinem widerbolt geäußerten Wunſche 
nicht entfpreden, dir deine itbrigen fiinftanfend Dtann 
Leibwächter, die nod in Perjien ftehn, fowie die vier 
Gentenare Goldes nadgufenden, welche in deinem Palafte 
in Byzanz legen. 

Allerdings find betbe, wie du in deinem Briefe ziem⸗ 
lich itberfliiffigermagen bemerfft, dein Gigenthum: und 


213 


dein in demfelben Brief geduerter Entſchluß, ou wolleft 
dieſen Gothentrieg bet vermaliger Erſchöpftheit ves taifer- 
fiden Seckels aus eignen Mitten zu Ende fithren, ver- 
vient, daß wir thn als pflichtgetreu bezeichnen. 

Da aber, wie du in gleidem Briefe ridtiger hingu- 
gefiigt, all bein Hab’ und Gut deines Raifers Majeſtät 
gu Dienften fteht und faiferlidje Majeſtät die erbetne 
Verwendung deiner Garden und deines Goldes in Stas 
lien für überflüſſig balten mug, fo haben wir, demer 
Buftimmung gewiß, anderweitig darüber verfligt und 
bereits Xruppen und Shige, zur Beendung des Perfer- 
frieg8, deinem Gollegen Narſes ithergeben.” — 

wa, unerhört!“ unterbrad ſich Prokop. 

Cethegus lächelte: Das iſt Herrendank für Sklaven⸗ 
dienſt.“ 

„Auch das Ende ſcheint hübſch, fuhr Prokopius 
fort. — 

„Eine Vermehrung deiner Macht in Italien aber 
ſcheint uns um ſo minder wünſchbar, als man uns 
wieder täglich vor deinem ungemeſſenen Ehrgeiz warnt. 

Erſt neulich ſollſt du beim Weine geſagt haben: das 
Scepter ſei aus dem Feldherrnſtab und dieſer aus dem 
Stock entſtanden — gefährliche Gedanken und ungezie⸗ 
mende Worte. 

Du ſiehſt, wir ſind von deinen ehrgeizigen Träumen 
unterrichtet. 

Diesmal wollen wir warnen, ohne zu ſtrafen: aber 
wir haben nicht Luſt, dir noch mehr Holz zu deinem 
Feldherrnſtab zu liefern: und wir erinnern dich, daß die 


214 


ftolzeft ragenden Wipfel bem kaiſerlichen Blig am Näch⸗ 
ften ſtehn.“ 

as ift ſchändlich!“ rief Prokop. 

„Nein, das ift fdlimmer: e8 ift dumm!“ fagte Ce⸗ 
thegus. Das heißt die Treue felbft gum Aufruhr 
peitſchen.“ 

„Recht haſt du,“ ſchrie Beliſar, der, wieder herein⸗ 
ſtürmend, dieſe Worte noch gehört hatte. 

„Oh, er verdient Aufruhr und Empörung, der un⸗ 
dankbare, boshafte ſchändliche Tyrann.“ 

„Schweig! Um aller Heilgen willen, du richteſt dich 
zu Grunde!“ beſchwor ihn Antonina, die mit ihm wieder 
eingetreten war und ſuchte, ſeine Hand zu faſſen. 

„Nein, ich will nicht ſchweigen,“ rief der Zornige, 
an der offnen Zeltthür auf und niederrennend, vor 
welder Beffas, Acacius, Demetrius und viele andre 
Heerjiihrer mit Staunen laufdend ftanden. 

„Alle Welt foll’s hören. 

Gy ift etn undanfbarer, hetmtitdifder Tyram! 

Ja Du verdienteft, daß icy dich ſtürzte! 

Dak ich div thite nach vem Argwohn deiner fal⸗ 
ſchen Seele, Suftinianus !” 

Gethegus warf einen Blick auf die draußen Stehens 
ven: fie Hatten offenbar Wes vernommen: jegt, eifrig 
Antoninen winkend, trat er an den Cingang und zog 
die Vorhange zu. 

Antonina dankte ihm mit einem Blide. 

Gie trat wieder zu ihrem Gatten: aber diefer hatte 
fic) jest neben dem Zeltbett auf die Erde geworfen, 


215 





ſchlug die geballten Fäuſte gegen feine Bruft und ſtam⸗ 
melte ; 

„O Juſtinianus, hab’ id das um did verdient? 

O zu viel, gu viel!" 

Und plötzlich brad der gewalt’ge Dtann in einen 
Strom von ellen Thränen aus. 

Da wandte ſich Cethegus verächtlich ab: Leb wohl,” 
fagte er leife zu Prokopius, „mich efelt 8, wenn Män⸗ 
ner heulen.“ 


Achtzehntes Capitel. 





Yn ſchweren Gedanten fdjritt ver Prafect aus dem 
Belt und ging, das Lager umwandelnd, nad der ziem⸗ 
lid) entlegnen Verſchanzung, mo er mit feinen Sfauriern 
fid) eingegraben hatte vor dem Thor des Honorius. 

G8 war auf der Süd-Seite der Stadt, nabe dem 
Hafenwall von Claffis, und der Weg fithrte gum Theil 
am Meeresftrand entlang. 

So febr den einfamen Wanderer in diefem Angen- 
bid der große Gedante, der der Pulsſchlag feines Lebens 
geworden war, beſchäftigte, fo ſchwer die Unberedjenbar- 
feit Belifars, dieſes gefühlsüberſchwänglichen Gemüths—⸗ 
menſchen, und die Spannung wegen der Antwort der 
Franken gerade jetzt auf ihm laſtete — doch ward ſeine 
Aufmerkſamkeit, wenn auch nur vorübergehend, auf den 
außergewöhnlichen Character der Landſchaft, des Himmels, 
der See, der ganzen Natur abgezogen. 

Es war October — aber die Jahreszeit ſchien ſeit 
langen Wochen ihr Geſetz geändert zu haben. 

Seit zwei Monden faſt hatte es nicht geregnet: ja 


7 


217 





fein Gewölk, fein Streif von Nebel hatte fic) in dies 
fer fonft fo dünſtereichen Gumpflandfdaft gezeigt. 

Jetzt plötzlich — e8 war gegen Sonnenuntergang — 
bemerfte Gethegus im Often, ither bem Meere, am fern: 
ften Horizont, eine einjelne rundgeballte, rabenſchwarze 
Wolfe, die feit kurzem aufgeftiegen fein mufte. 

Die untertaucdende Gonnenfdeibe, obwohl frei von 
Nebeln, zeigte keine Strablen. 

Kein Lufthauch kräuſelte die bleierne Fluth des Meeres. 

Keine noch ſo leiſe Welle ſpielte an den Strand. 

In der weitgeſtreckten Ebene regte ſich kein Blatt 
an den Olivenbäumen. 

Ja nicht einmal das ſchwankende Schilf in den 
Sumpfgräben bebte. 

Rein Laut eines Thieres, fein Vogelflug war vers 
nebmbar: und ein frembdartiger, erftidender Qualm, wie 
Schwefel, ſchien dritdend über Land und Meer gu [tegen 
und bemmte das Wthmen. 

Maulthiere und Pferde fdlugen unrubig gegen die 
Bretter der Planfen, an welden fie im ager angebunden 
waren. — 

Cinige Kamele und Dromedare, welde Belifar aus 
Afrila mitgebradt, withlten den Kopf in den Gand. — 

Schwer bellommen athmete ver Wanderer mehrmals 
auf und blidte befrembet um fic. | 

„Das ift ſchwül: mie vor dem Wind des Toded" - 
in den Wiiften Aegyptens,“ fagte er au fic) felber. — 

„Schwül überall — augen und innen --. 


218 





Auf wen wird fid ver fang verfparte Grol der 
Natur und Leidenſchaft entladen 2" 

Damit trat er in fein Relt. 

Syphar fprad gu ihm, „Herr, war’ id) daheim, ich 
glaubte heute: der Gifthaud ved Wiiftengottes fet un 
Anzug“, und er reichte ihm einen Brief. 

G8 war die Antwort des Franfentinigs! 

Haftig rip Sethegus vas grofe, prunfende Sigel auf. 

„Wer hat ihn gebracht?“ 

„Ein Gefandter, der, nachdem er ven Prifecten nicht 
getroffen, ſich gu Belifar hatte fithren laſſen. 

Er hatte den nadften Weg — den durch's Lager — 
verlangt." 

Deßhalb hatte ihn Cethegus verfeblt. 

Er las begierig: 

Theudebald, der Konig der Franfen, Cethegus dem 
Brafecten Roms. 

Kluge Worte haft du uns gefdrieben. 

Nod) klügere nidt der Schrift vertraut, fondern uns 
durch unfern Major Domus fund gethan. 

Wir find nicht übel geneigt, danach gu thun. 

Wir nehmen deinen Rath und pie Gefdente, die 
ibn begleiten, an. 

Den Bund mit ven Gothen hat ihr Unglitd get8Rt 

Dies, nicht unfern Rücktritt, mögen fie verklagen. 

Wen ver Himmel verlakt, von dem follen auch bie 
Menſchen laffen, wenn fie fromm und flug. 

Bwar haben fie uns den Sold fiir das Hilfsheer 
in mebreren Centenaren Goldes vorausbezablt. 


219 


Allein das biltet in unfern Augen fein Hindernif. 

Wir bebhalten diefe Schätze als Pfand, bis fie uns 
vie Stidte in Sitdgallien abgetreten, weldje in die von 
Gott umd der Natur dem Reid der Franken vorgezeich⸗ 
nete Gebietsgrenje fallen. | 

Da wir aber ven Feldzug bereits vorbereitet und 
unfer tapferes Heer, das ſchon den Kampf erwartet, nur 
mit gefabriidem Murren die Langeweile ves Friedens 
tragen würde, find wir gewillt, unfere ſiegreichen Scharen 
gleichwohl fiber die Wlpen gu fciden. 

Nur anftatt für: gegen bie Gothen. 

Uber fretlid), aud) nicht fiir ven Kaiſer Iuftinianns, 
der uns fortwabrend den Königstitel vorenthalt, fic auf 
feinen Münzen Herrn von Gallien nennt, uns feine Golds 
miingen mit eignem Bruſtbild pragen laffen will und uns 
nod) andere höchſt unertraglide Rranfungen unferer Ehre 
angethan. 

Wir geventen vielmehr, unfere eigne Macht nad 
Stalien auszudehnen. 

Da wir nun wohl wiffen, dak des Kaiſers ganje 
Stärke in dieſem Lande auf feinem Feldherrn BVelifar 
berubt, diefer aber eine große Zahl alter und neuer 
Beſchwerden gegen ſeinen undanfbaren Herrn zu führen 
hat: ſo werden wir dieſem Helden antragen, ſich zum 
Kaiſer des Abendlandes aufzuwerfen, wobei wir ihm ein 
Geer von hunderttauſend Franken⸗Helden gu Hilfe fenden 
und uns dafür nur einen Heinen Theil Staliens vom 
Meere hin bis Genua abtreten laffen werden. 


220 


Wir halten fiir unmöglich, daß ein Sterblicer diefes 
Anerbieten ablehne. 

Halls du gu diefem Plane mitwirten willft, verheißen 
wir dir eine Gumme von zwölf Centenaren Goldes und 
werden, gegen eine Rückzahlung von zwei Centenaren, 
beinen Namen in die Lifte unferer Tifdhgenoffen auf⸗ 
nebmen. 

Der Gejandte, der dir dieſen Brief gebradht, Herzog 
Liutharis, hat unfern Antrag Belifar mitgutheilen.“ 

Mit Anftrengung hatte Cethegus yu Ende gelefen. 

Jetzt fubr er anf. 

„Ein folder Antrag gu diefer Stunde: — in diefer 


Stimmung: — er nimmt ibn an! 
Kaifer des Abendlandes mit hunderttanfend Franken⸗ 
Kriegern! 


Er darf nicht leben.“ — 

Und er eilte an den Eingang ſeines Zeltes. 

Dort aber blieb er plötzlich ſtehen: 

„Thor, der ich war! lächelte er kalt. 

Heißblütig noch immer? Er iſt ja Beliſar und nicht 
Cethegus! 

Er nimmt nicht an. 

Das wäre, wie wenn der Mond ſich gegen die Erde 
empören wollte, als ob der zahme Haushund plbtzlich 
zum grimmigen Wolfe würde. 

Er nimmt nicht an! 

Aber nun laß ſehen, wie wir die Niedertracht und 
Gier dieſes Merowingen nutzen. 

Nein, Frankenkönig,“ und er lächelte bitter auf den 


221 





gufammengefnitterten Brief, ,fo lang Gethegus lebt, — 
nicht einen Fuß breit von Staliens Boden.“ 

Und einen rafden, heftigen Gang durch's Belt. 

Einen zweiten langfamern. 

Und einen dritten —: nun blieb er ſtehen —: und 
über ſeine mächtige Stirn zuckt' es hin. 

„Ich hab' es!“ frohlockte er. 

„Auf, Syphar, rief er, geh' und rufe mir Prokop.“ — 

Und bei einem neuen Durchſchreiten des Gemachs 
fiel ſein Blick auf den zur Erde gefallenen Brief des 
Merowingen. 

„Nein,“ lächelte er triumphirend, ihn aufhebend, ,nein, 
Frankenkönig, nicht ſoviel Raum als dieſer Brief be⸗ 
deckt, ſollſt du haben von Italiens heiliger Erde.“ 

Bald erſchien Prokop. 

Die beiden Männer pflogen über Nacht ernſte, ſchwere 
Berathung. 

Prokop erſchrak vor den ſchwindelkühnen Plänen des 
Prafecten und weigerte fic) lange, darauf einzugehn. 

Aber mit überlegner Geiftesmadht hatte ihn ver ges 
waltige Mann umflammert und bielt ihn eifern feft mit 
zwingenden Gedanten, ſchlug jeden Cinwand, nod) eh’ er 
ausgefproden, mit fiegender Ueberredung nierer und 
ließ nidt eber ab, feine unzerreißbaren und didten 
Haden um den BWiderftrebenden zu ziehen, bis dem Cin- 
gefponnenen die Straft des Widerftandes verfagte. — 

Die Sterne erblicen und das erfte Tagesqrauen 
erhellte den Often mit blafjem Streif, als Profopius von 
dem Freunde Abſchied nahm. 


222 





„Cethegus,“ fagte er aufftehend, „ich bewundere did. 

War’ id) nicht Belifars, — id) möchte dein Geſchichts⸗ 
ſchreiber fein.“ , 

„Intereſſanter wire e8," fagte der Präfect rubig, ,aber 
ſchwerer.“ 

„Doch graut mir vor der ätzenden Schärfe deines 
Geiſtes. 

Sie iſt ein Zeichen der Zeit, in der wir leben. 

Sie iſt wie eine blendendfarbige Giftblume auf einem 
Sumpfe. 

Wenn ich denke wie du den Gothenkönig durch 
fein eigen Weib gu Grunde gerichte — —" 

‚„Ich mußte dir das jetzt ſagen. Leider bab’ ih in 
letter Beit wenig von meiner fdinen Berbiindeten ges 
hort." 

„Deine BVerbiindete! 

Deine Mittel find’ — 

„Immer zweckmäßig.“ 

„Aber nicht immer — 

Gleichviel, ich gehe mit dir: — noch eine Strecke 
Weges, weil ich meinen Helden aus Italien fort haben 
will, ſobald als möglich. 

Er ſoll in Perſien Lorberen ſammeln, ſtatt hier 
Dornen. 

Aber ich gehe nicht weiter mit dir als bis —" 

„Zu deinem Riel, das verfteht ſich.“ 

„Genug. Sd) ſpreche fofort mit Wntoninen: id 
sweifle nicht am Erfolg. 

Sie langweilt ſich hier auf's Tödtlichſte. 


223 





Sie brennt vor VBegierde, in Byzanz nicht nur fo 
manden Freund wieder gu finden, aud) die Feinde ihres 
Gatten gu verderben.” 

„Eine gute fdledte Frau." 

Aber Witichis? 

Meinſt du, er wird eine Empörung Beliſars für 
möglich halten?“ 

„König Witichis iſt etn guter Soldat und ſchlechter 
Pfydologe. 

Ich kenne einen viel ſchärfern Kopf, der's dod) einen 
Angenblid fiir möglich hielt. 

Und du jeigft ihm ja Wiles ſchriftlich. 

Und jetzt gerade, da er von den Franken im Stid 
gelaffen ift, geht ihm das Wafjer an ven Hale — er 
greift nad jedem Strohhalm. 

Daran alfo zweifle ich nicht — verfidre dich nur 
Antoninens” — 

„Das laß meine Gorge fein. 

Bis Mittag hoff’ id) als Gefandter in Ravenna eins 
zuziehn.“ 

„Wohl — dann vergiß mir nicht, die ſchöne Königin 
gu ſprechen.“ 


Neunzehntes Capitel. 


Und Mittags ritt Prokop in Ravenna ein. 

Gr trug vier Briefe bei ſich: den Brief Juftinians 
an Belifar, vie Briefe ves Frankenkönigs an Cethegus 
und an Belifar und einen Brief Belifars an Witichis. 

Diefen letztern hatte Profop gefdrieben und Cethegus 
batte ihn Ddictirt. 

Der Gefandte hatte keine Whnung, tn welder Geelens 
verfafjfung er den König ver Gothen und feine ſchöne 
Königin antraf. 

Der gefunde, aber einfadhe Sinn bes Konigs hatte 
ſchon feit geraumer Reit begonnen, unter dem Drud une 
ausgefegten Ungliids gwar nidt gu verjagen, aber fid 
zu verdiiftern. 

Die Crmordung feines einjigen Kindes, bas herz⸗ 
zerfleifdyende Losreißen von feinem Weibe Hatten ihn 
ſchwer erſchüttert — aber er hatte es getragen fir den 
Sieg ver Gothen. 

Und nun war Ddicfer Sieg hartnäckig ausgeblieben. 

Cros allen Anftrengungen war vie Sache feines 
Volkes mit jedem Monat feiner Regierung tiefer gee 


225 





fallen: mit einziger Ausnahme ves Gefedhts bei dem 
Bug nad Rom hatte ihm nie das Glück gelächelt. 

Die mit fo ftoljen Hoffmungen unternommene Bes 
lagerung von Rom hatte mit vem Verluft von drei 
Bierteln feines Heers und traurigem Rüchzug geendet. 

Nene Unglücksſchläge, Nachrichten, vie betaubend wie 
Kenlenſchläge auf ven Helus in vichter Folge fic drängten, 
mebrten fetne Niedergeſchlagenheit und fteigerten fie ju 
Dumpfer Hoffnungsloſigkeit. 

Saft ganz Stalien, auferhalh Ravenna, ſchien Tag 
für Lag verloren gu geben. 

Schon von Rom aus hatte VBelifar eine Flotte gegen 
Genua gefendet, unter Mundila, vem Heruler und 
Ennes, dem Iſaurier: ohne Schwertſtreich gewannen 
deren gelandete Lruppen ven feebeherrfdenden Hafen 
und von da ans faft gang Ligurien. 

Nady dem widtigen Mtediolanum lud fle Datius, der 
Biſchof viefer Stavt, felbft: won dort aus gewannen 
fie BVergomum, Gomum, Novaria. 

Andrerfeits ergaben fic die entmuthigten Gothen in 
Glufium und dem balbverfallnen Dertona den Belagerern 
und wurden gefangen aus Stalien gefiihrt. 

Urbinum ward nad. tapferm Widerſtand von den 
Byzantinern erobert, ebenfo Forum Cornelii und die 
ganze Landfdaft Wemilia urd) Johannes den Blutigen: 
vie Verſuche der Gothen, Ancona, Ariminum und Medios 
(anum wieder gu nehmen, fdjeiterten. 

Nod ſchlimmere Botfdaften aber trafen bald des 
Königs weides Gemiith. 

Dahn, Cin Kamyj um Rom. III. 15 


226 





Denn ingwifden wüthete ver Hunger in den weiten 
Landfdaften Aemilia, Picenum, Tufcien. 

Dem Pfluge feblten Manner, Rinder und Roſſe. 

Die Leute fliicdteten in die Berge und Wilber, 
bufen Brod anus Cideln und verfdlangen das Gras 
und Unfraut. 

BVerheerende Krankheiten entftanden aus der mangelns 
ben oder ungefunden Nahrung. 

Sn Picenum allein erlagen fünfzig Taufend Menfdjen, 
nod) mebr jenfeits des jonifden Meerbufens in Dal⸗ 
matien, dem Hunger und den Senden. 

Bleich und abgemagert wankten die nod) Lebenden 
vem Grabe gu: wie Leder ward die Haut und fdwarg, 
die glithenden Augen traten aus dent Ropf, die Cinges 
weide brannten. 

Die As-Vögel verfdmabten die Leichen diefer Peſt⸗ 
Opfer: aber von Menſchen ward bas Menfdenfleifd gierig 
gegeffer. 

Mütter tdpteten und verzehrten ihre neugebornen 
Kinder. 

Sn einem Gehöft bet Ariminum waren nur nod zwei 
römiſche Weiber itbrig. 

Diefe ermordeten und verjehrten nad einander fiebs 
zehn Menſchen, weldje vereingelt bet ihnen Unterkunft 
geſucht. 

Erſt der Achtzehnte erwachte, bevor ſie ihn im Schlaf 
zu erwürgen vermochten, tödtete die werwölfiſchen Un⸗ 
holdinnen und brachte das Schickſal der früheren Opfer 
an's Licht. 


227 


Endlich fdjeiterte andy die auf Langobarden und 
Franken gefeste Hoffnung. 

Die Lewteren, welde groge Gummen fiir das zu— 
gefagte Hülfsheer empfangen batten, verharrten in 
ſchweigender Rube. 

Die ungeftiim zur Eile, zur Erfüllung der vers 
fprodnen und vorausbezahlten etftungen mahnenden 
Boten ves Königs wurden gu Mettis, Aurelianum und 
Paris fefigehalten: feinerlet Antwort fam von Ddiefen 
Höfen. 

Der Langobardenkönig Audoin aber ließ ſagen: er 
wolle nichts entſcheiden ohne feinen kriegsgewaltigen Sohn 
Alboin. 

Dieſer jedoch ſei mit großem Gefolge auf Abenteuer 
ausgezogen. 

Vielleicht komme derſelbe ſelbſt einmal nach Italien 
— er ſei mit Narſes eng befreundet. 

Dann werde er das Land ſich anſehn und ſeinem 
Vater und Volke rathen, welche Beſchlüſſe ſie über dies 
Land Italia fafjen ſollten. 

Tapfer widerſtand zwar noch das wichtige Auximum 
monatelang allen Anſtrengungen des ſtarken Belagerungs⸗ 
heeres, welches Beliſar ſelbſt, begleitet von Prokop, vor 
die Mauern geführt hatte und während der Einſchließung 
befehligte. 

Aber es zerriß dem König das Herz, als ihm durch 
einen Boten (der nur mit Mühe und verwundet ſich 
purd) die Reihen beider einfdlieRenden Heere in das drei 
Tagreifen entfernte Ravenna ſchlich) der helrenmilthige 

° 15* 


222 





~Sethegus," fagte er aufftehend, ich bewundere did. 

Wir’ id) nicht Beliſars, — icy möchte vein Geſchichts⸗ 
ſchreiber fein.“ ; 

„Intereſſanter ware es,“ fagte der Prafect rubig, aber 
ſchwerer.“ 

„Doch graut mir vor der ätzenden Schärfe deines 
Geiſtes. 

Sie iſt ein Zeichen der Zeit, in der wir leben. 

Sie iſt wie eine blendendfarbige Giftblume auf einem 
Sumpfe. 

Wenn id) denke wie du den Gothenkönig durch 
fein eigen Weib gu Grunde gerichtet — —" 

„Ich mußte dir bas jetzt ſagen. Leider hab’ ich in 
letzter Zeit wenig von meiner ſchönen Verbündeten ge⸗ 
hört.“ 

„Deine Verbündete! 

Deine Mittel find’ — 

„Immer zweckmäßig.“ 

„Aber nicht immer — 

Gleichviel, ich gehe mit dir: — noch eine Strecke 
Weges, weil ich meinen Helden aus Italien fort haben 
will, ſobald als möglich. 

Er ſoll in Perſien Lorberen ſammeln, ſtatt hier 
Dornen. 

Aber ich gehe nicht weiter mit dir als bis —“ 

„Zu deinem Biel, das verfteht ſich.“ 

„Genug. Ich fpredje fofort mit Antoninen: id 
zweifle nidt am Erfolg. 

Sie langweilt fid) hier auf's Tödtlichſte. 


223 





Gie brennt vor Begterde, in Byzanz nidt nur fo 
manden Freund wieder gu finden, auc) die Feinde ihres 
Gatten zu verderben.“ 

„Eine gute ſchlechte Frau." 

Aber Witichis? 

Meinſt du, er wird eine Empörung Beliſars für 
möglich halten?“ 

„König Witichis iſt ein guter Soldat und ſchlechter 
Pſychologe. 

Ich kenne einen viel ſchärfern Kopf, der's doch einen 
Augenblick für möglich hielt. 

Und du zeigſt ihm ja Alles ſchriftlich. 

Und jetzt gerade, da er von den Franken im Stich 
gelaſſen iſt, geht ihm das Waſſer an den Hals — er 
greift nach jedem Strohhalm. 

Daran alſo zweifle ich nicht — verſichre dich nur 
Antoninens” — 

„Das laß meine Sorge ſein. 

Bis Mittag hoff' ich als Geſandter in Ravenna ein⸗ 
zuziehn.“ 

„Wohl — dann vergiß mir nicht, die ſchöne Königin 
gu ſprechen.“ 


Neunzehntes Capitel, 


Und Mittags ritt Profop in Ravenna ein. 

Gr trug vier Briefe bei fic): ven Brief Juſtinians 
an Belifar, die Briefe ves Frankenkönigs an Cethegus 
und an Beliſar und einen Grief Belifars an Witichis. 

Diefen legtern hatte Profop gefdrieben und Cethegus 
batte ihn dictirt. 

Der Gefandte hatte feine Ahnung, in welder Seelen⸗ 
verfaffung er den König ver Gothen und feine ſchöne 
Königin antraf. 

Der geſunde, aber einfache Sinn bes Konigs hatte 
ſchon feit geraumer Beit begonnen, unter dem Drud une 
ausgefebten Ungliids gwar nicht gu vergagen, aber fid 
qu verdüſtern. 

Die Ermordung feines einzigen Kindes, bas herz⸗ 
jerfleifdende Losreifen von feinem Weibe Hatten ihn 
ſchwer erſchüttert — aber er hatte e8 getragen fir den 
Sieg ver Gothen. 

Und nun war Ddiefer Sieg bhartnadig ansgeblieben. 

Troy allen Anftrengungen war vie Gade feines 
Bolles mit jedem Monat feiner Regierung tiefer ges 


225 


fallen: mit eingiger Ausnahme ves Gefedhts bet dem 
Bug nad) Rom hatte ihm nie das Glück gelächelt. | 

Die mit fo ſtolzen Hoffnungen unternommene Bes 
lagerung von Nom hatte mit dem Berluft von drei 
Bierteln feines Heers und traurigem Rückzug geendet. 

Neue Unglitdsfdlage, Nachrichten, die betaubend wie 
Keulenfdlage auf den Helm in dichter Folge fid vrangten, 
mebrten fetne Miedergefdlagenheit und fteigerten fie zu 
Dumpfer Hoffnungslofigfeit. 

Saft gang Stalien, außerhalb Ravenna, fdien Tag 
fiir Lag verloren gu geben. 

Schon von Rom aus hatte Belifar eine Flotte gegen 
Genua gefendet, unter Mundila, dem Heruler und 
Ennes, dem Bfanrier: ohne Schwertſtreich gewannen 
deren gelandete Sruppen den feebeherrfdenden Hafen 
und von da ans fat gang Ligurien. 

Nach vem widtigen Mtediolanum Iud fle Datius, der 
Biſchof viefer Stavt, felbft: von dort aus gewannen 
fie Bergomum, Comum, Novaria. 

Andrerfeits ergaben ſich die entmuthigten Gothen in 
Cluſium und bem halbverfallnen Dertona den Belagerern 
und wurden gefangen aus Stalien gefiihrt. 

Urbinum ward nad). tapferm Widerſtand von den 
Byzantinern erobert, ebenfo Forum Cornelii und die 
ganze Landſchaft Wemilia durch Sohannes den Blutigen : 
vie Berfude der Gothen, Ancona, Ariminum und Medio⸗ 
fanumt wieder gu nebmen, ſcheiterten. 

Nod) fdlimmere Botfdaften aber trafen bald des 
Königs weiches Gemiith. 

Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 15 


228 


Graf Wifand ver Bandalarius die folgenden Worte 
fandte : 

„Als du mir Auximum anvertrauteft, fagteft du: 
id) follte damit die Schlüſſel Ravennas, ja des Gothen⸗ 
reidjes bitten. 

Ich follte männlich widerftehen, dann würdeſt du 
bald mit all’ deinem Heer zu wunfrem Entſatz heran⸗ 
geben. 

Wir haben mannlich widerftanden Belifar und dem 
Hunger. 

Wo bleibt dein Entſatz? 

Wehe, wenn du redt gefproden und mit unfrer 
Veſte jene Sdliiffel in der Feinde Hande fallen. 

Deßhalb fomm und hilf — mehr um des Reichs, 
al8 unfrer willen.” 

Diefem Boten folgte bald ein gweiter, ein mit vielem 
Golde beftodner Soldat der Belagerer, Burcentius: fein 
Auftrag lautete — mit Blut mar ver kurze Brief ges 
ſchrieben. — 

„Wir haben nur mehr das Unkraut zu eſſen, das aus 
den Steinen wächſt. Länger als fünf Tage können wir 
uns nicht mehr halten.“ 

Der Bote fiel auf der Rückkehr mit der Antwort 
des Königs in die Hand der Belagerer, welche ihn im 
Angeſicht der Gothen vor den Wällen von Auximum 
lebendig verbrannten. 

Ach und der König konnte nicht helfen! 

Nod immer widerſtand das Häuflein Gothen m 
Auximum, obwohl thnen Velifar durch Zerſtörung der 


229 


Wafferleitung das Waffer abfdnitt und den legten Brunnen, 
ver ihnen geblieben und nidt absugraben war, durd 
Leiden von Menſchen und Thieren und Kalfldfungen 
vergiftete. 

Sturmangriffe {lug Wifand immer nod) blutig ab: 
nar durch Aufopferung eines Leibwächters entging ete 
mal Belifar hiebei dem gang naben Lode. 

Endlich fiel guerft Cafena, die letzte gothifde Stadt 
in der Aemilia, und dann Fäſulä, weldes Cyprianus 
und Suftinus belagerten. 

- Mein Fafula!" rief ver König, als er es erfubr 
— denn er war Graf diefer Stadt gewefen und didt 
vabei lag das Haus, das er mit Rauthgundis bewohnt 
hatte. .Die Hunnen hanfen wohl an meinem zerſtörten 
Herd!“ 

Als aber die gefangne Beſatzung von Fäſulä den Bee 
lagerten in Auximum in Ketten vor Augen geführt und 
von dieſen Gefangnen ſelbſt jeder Entſatz von Ravenna 
her als hoffnungslos bezeichnet wurde, da nöthigten den 
Bandalarius ſeine verhungerten Scharen zur Uebergabe. 

Er ſelbſt bedang ſich freies Geleit nach Ravenna aus. 

Seine Tauſendſchaften wurden gefangen aus Italien 
geführt. | ° 

Sa, fo tief gefunfen war Muth und BVolfsgefithl 
ver endlich Begwungnen, daß fie unter Graf Sififrid von 
SGarfina gegen die eignen VollSgenoffen Dienfte nahmen 
unter Belifars Fabnen. 

Der Sieger hatte Auximum ftark befest und alsbald 
vie bisherigen Belagerer diefer Vefte guritdgefiihrt m vas 


230 


Lager vor Ravenna, wo er CGethegus ven bieher ans 
vertrauten Oberbefehl wieder abnahm. 

8 war, als ob ein Fluch an vem Haupte des Gothen- 
finigs afte, auf dem fo ſchwer die Rrone laftete. 

Da er nun den Grand feines Mißlingens feiner 
Schwäche, feinem BVerfehn auf feiner Seite zuſchreiben, 
da ev ebenfo wenig an dem guten Recht ver Gothen 
gegen die Byzantiner gweifeln und da feine einfache 
Gottesfurdht in diefem Ausgang nidts andres als das 
Walten ves Himmels erbliden fonnte, fo fam er auf 
ven quälenden Gedanfen, es fet um feiner unvergebnen 
Sündenſchuld willen, daß Gott vie Gothen züchtige: 
eine Borftellung, welche die Anſchauungen des die 
Beit bebervfdenven alten Teftaments thm nicht minder 
nabe legten als viele Züge der alten germantfden 
Königsſage. 

Dieſe Gedanken verfolgten unabläſſig den tüchtigen 
Mann und nagten Tag und Nacht an der Kraft ſeiner 
Seele. 

Bald ſuchte er im ſelbſtquäleriſchen Grübeln jene 
ſeine geheime Schuld zu entdecken. 

Bald ſann er nach, wie er den ihn verfolgenden 
Fluch wenigſtens von ſeinem Volke wenden könne. 

Längſt hätte er die Krone einem Andern abgetreten, 
wenn ein ſolcher Schritt in dieſem Augenblick nicht ihm 
und Andern als Feigheit hätte erſcheinen müſſen. 

So war ihm auch dieſer Ausweg — der nächſte 
und liebſte — aus ſeinen quälenden Gedanken vere 


ſchloſſen. 


231 





Gebeugt ſaß jept oft ver fonft fo ſtattliche Mann, 
blidte {ange ſtarr und fdmeigend vor fid bin, nur 
manchmal das Haupt ſchüttelnd over tief aufſeufzend. 

Der taglide Anblid viefes ftillen, ſtolzen Leivens, 
dieſes ſtummen und hülfloſen Croulvens eines nieder⸗ 
drückenden Geſchickes blieb, wie wir geſehen, nicht ohne 
Eindruck auf Mataſwintha. 

Auch glaubte ſie ſich nicht darin getänſcht zu haben, 
daß ſeit geraumer Zeit ſein Auge milder als ſonſt, mit 
Wehmuth, ja mit Wohlwollen auf ihr geruht habe. 

Und ſo drängte ſie theils uneingeſtandne Hoffnung, 
welche ſo ſchwer erliſcht im liebenden Herzen, theils 
Reue und Mitleid mächtiger als je zu dem leidenden 
König. 

Oft wurden ſie jetzt auch durch ein gemeinſames 
Werk der Barmherzigkeit vereint. 

Die Bevolferung von Ravenna hatte in den letzten 
Woden angefangen, wabrend die Belagrer von Ancona 
aus das Meer beherrſchten und aus Galabrien und 
Gicilien reide Vorräthe begogen, Mangel gu leiden. 

Mur die Reidjen vermodjten nod) vie hohen Preife 
des Getreides gu begablen. 

Des Königs milves Herz nahm feinen Wnftand, aus 
rem Ueberflug feiner Magazine.’ weldje, wie gefagt, die 
peppelte Bett bis gu dem Einireffen ver Franken auss 
zureichen verfpraden, aud) an die Armen der Stadt 
wohlibatige Vertheilungen gu maden, wenn er feine 
gothifden Tauſendſchaften verforgte: aud) boffte er auf 
eine groge Menge von Getreidefchiffen, welde vie Gothen 


232 





in ben oberen Padus⸗Gegenden auf diefem Flufſe zu⸗ 
ſammen gebracht batten und in die Stadt gu ſchaffen 
tradteten. 

Um aber jeden Mißbrauch und alles Uebermaß bei 
jenen Gpenden fernjubalten, ithermadte ver König ſelbſt 
viefe Wustheilungen: und Matafwintha, welde thn eine 
mal mitten unter den bettelnden und vanfenden Haufen 
angetroffen, batte fic) neben ihn auf die Marmorſtufen 
ver Bafilifa von Ganct Wpollinaris geftellt und ihm ge 
holfen, die Körbe mit Brod vertheilen. 

Es war em {diner Anblid, wie bas Par, ex yur 
Redhten, die Königin zur Linfen, wor ver Kirchenpforte 
ftanden und itber die Stufen hinab dem fegenrufenden 
Volt die Spende reidten. 

Während fie fo ftanden, bemerfte Matafmintha unter 
per drangenden, fluthenden Volksmaffe, — denn es war 
viel Landvolf ja aud) von allen Seiten vor den Schrecken 
des Krieges in die rettenden Mauern zuſammengeſtrömt, — 
auf der unterften Stufe der Bafilifa feitwarts ein Weib 
in fdlichtem, braunem, halb über den Kopf gezognem 
Mantel. 

Dies Weib vrangte nicht mit den Andern die Stufen 
hinan, um aud) Broo für fich yu fordern: fondern 
lehnte, vorgebeugt, den Kopf auf die linfe Hand und 
diefen Arm auf einen hohen Sarfophag geftiigt, binter 
ver Eckſäule der Bafilifa und blidte fdarf und unvere 
wandt auf die Königin. 

Mataſwintha glaubte, das Weib fet etwa von Furcht 
oder Scham oder Stolz abgehalten, ſich unter die tedern 


233 





Bettler gu bringer, welde auf den Stufen ſich ftiefen 
und drängten: und fle reidte Afpa einen befondern Korb 
mit Brod, hinabzugehn und ihn der Frau zu reiden. 

Sorglich bemüht hanfte fie mit mildem Blick und 
mit den beiden weigen Händen thatig das duftenve 

Als fie auffah, begeqnete fle bem Auge ves Königs, 
welded, fanft und freundlich gerithrt, wie nod) nie, auf 
ihr gerubt hatte. — 

Heiß ſchoß ihr vas Blut in vie Wangen und fie 
gudte leiſe und fentte die ſchönen Wimpern. 

Als fie wieder auffah und nad) dem Weib im braunen 
Mantel blidte, war diefe verfdwunden. 

Der Platz am Sarfophag war leer. 

Gie hatte, während fie den Korb fiillte, nicht bee 
mertt, wie ein Mann mit einem Bilffelfell und einer 
Sturmbaube, dev hinter der Frau ftand, fie beim Arme 
gefaßt und mit fanfter Gewalt hinweggeführt hatte. 

„Komm,“ hatte er gefagt, ,bier ift fein guter Ort 
für did.“ 

Und wie im waden Traum hatte das Weih geant- 
wortet : 

det Gott, fie ift wunderſchön.“ 

„Ich dante dir, Matafwintha!” fprad der König 
freundlicy, als die fiir heute beftimmten Spenden ver- 
theilt waren. | 

Der Blid, ver Ton, pas Wort drangen tief in 
iby Herz. 


234 


Mie hatte ex fle bieher bet ihrem Namen genannt, 
immer nur die Königin in ihr gefehn und angefproden. 

Wie begliidte fie ras Wort aus feinem Munde — 
und wie fdwer laſtete doc) zugleich diefe Milde auf ihrer 
ſchuldbewußten Seele! 

Ofſenbar hatte ſie ſich zum Theil ſeine wärmere 
Stimmung durch ihr werkthätiges Mitleid mit den Armen 
erworben. 

„O ex iſt gut," ſagte fle, halb weinend vor Er⸗ 
regung, id) will auch gut fein.“ 

Wis fie mit diefem Gedanken in den Borhof des 
iby angewiefenen linfen Flügels des Palaftes trat — 
Witichis bewohnte den redjten — eilte thr Afpa geſchäf⸗ 
tig entgegen. 

„Ein Gejandter aus vem Lager,“ fliifterte fie der 
Herrin eifrig gu. 

„Er bringt geheime Botfdhaft vom Präfecten — 
einen Brief, von Syphax Hand, in unfrer Sprache — 
er barrt auf Untwort" — 

Nag," rief Matafwintha, die Stirne furdend, „ich 
will nichts hören, nichts lefen. 

Aber wer ſind dieſe?“ 

Und ſie deutete auf die Treppe, die aus der Vor⸗Halle 
in ihre Gemächer jiihrte. 

Da kauerten auf den rothen Steinplatten Weiber, 
Kinder, Kranke, Gothen und Italier durcheinander, in 
Lumpen gehüllt — eine Gruppe des Elends. 

„Bettler, Arme, ſie liegen hier ſchon den ganzen 
Morgen. Sie ſind nicht zu verſcheuchen.“ 


235 


„Man ſoll fle nicht verſcheuchen!“ ſprach Mata⸗ 
ſwintha, näher tretend. 

„Brod, Königin! Brod, Tochter ver Amelungen!“ 
riefen mehrere Stimmen ihr entgegen. 

„Gieb ihnen Gold, Aſpa, Alles, was du bei dir 
trägſt und bole — 

„Brod! Brod! Königin, nicht Gold! um Gold iſt 
fein Brod mehr zu haben in der Stadt.“ 

voor des Königs Speichern wird e8 umfonft ver: 
theilt. 

Sd fomme gerade davon her, warum wart iby nicht 
Dort?" 

„Ach Königin, wir können nidt durchdringen,“ 
jammerte eine hagre Frau. 

„Ich bin alt und meine Tochter hier iſt krank und 
jener Greis dort iſt blind. | 

Die Gefunden, die Sungen ftogen uns zurück. 

Dret Lage haben wir's umfonft verſucht: wir dringen 
nicht durch.“ 

„Nein, wir hungern, grollte ver Alte. 

O Theoderid), mein Herr und König, wo bift tu? 

Unter deinem Gcepter batten wir vollauf — 

Da famen vie Armen und Siechen nicht gu kurz. 

Aber dieſer Ungliidstinig —“ 

„Schweig,“ fprad Matafwintha, ,der Konig, mein 
Gemahl" — und hier flog ein wunderfdines Moth 
fiber ihre Wangen — ,thut mehr als thr verbdient. 

Wartet hier, id) ſchaffe eud Brod. 

Folge mix, Aſpa.“ 


236 





Und raſch ſchritt fle binweg. 

„Wohin eilft du?“ fragte die Sklavin flaunend. 

Und Diatafwintha ſchlug den Schleier fiber thr Ants 
lig, al8 ſie antwortete: 

„Zum Konig!“ 

Als fie das Vorgemach ves Witichis erreicht, bat fie 
der Thürſteher, ver fie mit Befrembden erfannte, zu ver⸗ 
weilen. 

„Ein Abgefandter Belifars habe geheime Audienz; 
ex fei fon lange im Gemad und werde e8 bald vers 
laſſen.“ 

Da öffnete ſich die Thüre — und Prokop ſtand 
zögernd auf der Schwelle. 

„König der Gothen,“ ſprach er, ſich nochmals wendend, 
„iſt das dein letztes Wort?“ 

„Mein letztes, wie's mein erſtes war,“ ſprach der 
König voller Würde.“ 

„Ich gönne dir noch Zeit — ich bleibe noch bis 
morgen in Ravenna.“ — 

oon jest an bift pu mir als Gaſt willfommen, 
nicht mehr als Gefandter.“ 

„Ich widerhole: fat die Stadt mit Sturm, fo 
werden alle Gothen, die höher als Belifars Schwert, 
getintet — er hat's gefworen — Weiber und Kinder 
alg Sflaven verfauft — 

Du begreifft: Belifar fann femme Barbaren brauchen 
im ſeinem Stalien — 

Dich mag ver Tod ves Helden locken: aber bedenfe 
vie Hillflofen — ihy Blut wird vor Gottes Thron —“ 


237 


„Geſandter Belifars, ihr fteht in Gottes Hand wie 
wir; lebewohl.“ 

Und fo madtig wurden diefe Worte gefprocden, dak 
ver Byjantiner gehen mufte, fo ungern er e8 that. 

Die ſchlichte Würde diefes Mannes wirkte ftart 
auf ihn. 

Aber auch auf die Lauſcherin. 

Als Prokop vie Thitre ſchloß, fab er Mataſwintha 
vor ſich ſtehn und trat bewundernd einen Schritt zurück, 
geblendet von ſoviel Schönheit. 

Ehrerbietig begrüßte er ſie. 

„Du biſt die Königin der Gothen!“ ſagte er, ſich 
fafſend, ,du mußt es fein.” 

wd bin's!“ fagte Matafwintha, batt’ id Das nie 
vergeſſen.“ 

Und ſtolz rauſchte ſie an ihm vorüber. 

„Augen haben dieſe Germanen, Männer und Weiber,“ 
fagte Profop im Hinausgehen, ,wie ich ſie nie geſehn.“ 


Bwansigftes Capitel. 





Matafwintha war ingwifden ungemeldet bei ihrem 
@Gatten eingetreten. 

Witichis hatte alle Gemader, welche die Amelungen, 
Theoderich, Athalarid, Amalafwintha bewohnt, (fle lagen 
im Mittelbau des weitliufigen Palaftes) unberührt ge 
faffen und einige auch frither fdyon von tht, went er 
pie Wade am Hofe hatte, bewohnte Raume im redten 
Flügel bezogen. 

Er hatte die Gold- und Purpurinſignien der Amaler 
nie angelegt und aus ſeinen Zimmern allen koͤniglichen 
Pomp entfernt. 

Ein Feldbett auf niedern Eiſenfüßen, auf welchem 
fein Helm, fein Schwert und mehrere Urkunden lagen, 
ein flanger Gichentifd) und wenig Holggerath ftanden 
in dem einfaden Gelaß. 

Gr hatte fid) nad) des Gefandten Cntfernung, ers 
ſchöpft, mit dem Rücken gegen die Thür in einen Stubl 
geworfen und ftiigte das mitre Haupt in beiden Handen 
auf den Tiſch. 


239 


So hatte er den leicht fdwebenden Schritt ver Cine 
tretenden nicht bemerft. 

Matafwintha blieb, wie gebannt, an der Sdwelle 
ſtehn. 

Sie hatte ihn noch niemals aufgeſucht. 

Ihr Herz pochte mächtig. 

Sie konnte ihn nicht anſprechen: ſie konnte nicht 
näher treten. 

Endlich ſtand Witichis mit Seufzen auf. 

Da ſah er die regungsloſe Geſtalt an der Thüre 
ſtehn. 

„Du hier Königin?“ ſprach er ſtaunend und trat ihr 
einen Schritt entgegen. 

„Was kann dich zu mich führen?“ 

„Die Pflicht — das Mitleid“ — ſagte Mataſwintha 
raſch. 
„Sonſt hätte ich nicht — — ich habe eine Bitte an 
dich.“ 

„Es iſt die erſte,“ ſagte Witichis. 

„Sie betrifft nicht mid” — fiel ſie ſchnell etn — 

88 bitte dich um Brod für Arme, Kranke, welche“ — 

Da reichte ihr der König ſchweigend die Rechte hin. — 

Es war das erſte Mal: ſie wagte nicht, ſie zu faſſen: 
und hätte es doch, o wie gerne, gethan. | 

Go fate er felbft ihre Hand und drückte fie leicht. 

„Ich dante dir, Matafwintha, und bitte dir ein Une 
redjt ab. 

Du Haft dennod ein Herz fiir vein Voll und feine 
Leiden. 


240 


Ich hatte das nie geglanbt: id babe bart von dit 
gedacht.“ 

„Hätteſt du von jeher anders von mir gedacht — es 
wäre vielleicht Manches beſſer.“ 

„Schwerlich! 

Das Unglück heftet ſich an meine Ferſen. 

Eben jetzt — du haſt ein Recht, es zu wiſſen — 
brach meine letzte Hoffnung: 

Die Franken, auf deren Hülfe ich hoffte, haben uns 
verrathen. 

Entſatz iſt unmöglich: die Uebermacht der Feinde 
durch den Abfall der Italier allzugroß. 

Es bleibt nur noch ein letztes: ein freier Tod.“ 

aR mid) thn mit dir theilen,“ rief Mataſwintha, 
und ihre Augen leuchteten. 

„Du? nein; die Tochter Theoderichs wird ehren⸗ 
volle Aufnahme finden am Hofe von Byzanz. 

Man weiß, daß du gegen deinen Willen meine 
Königin geworden — 

Du kannſt dich laut darauf berufen.“ 

„Nimmermehr!“ ſprach Mataſwintha begeiſtert. 

Witichis fuhr, ohne ihrer zu achten, in ſeinen Ge⸗ 
danken fort: 

„Aber die Andern! 

Die Tauſende! die Hunderttauſende von Weibern, 
von Kindern! 

Beliſar hält, was er geſchworen! 

Es iſt nur Eine Hoffnung noch für ſie — eine 
einzige! 


241 


Derm — alle Mächte der Natur verſchwören ſich 
gegen mid). 

Der Padus ift pliplid) fo feidt geworden, daß 
zweihundert Getreideſchiffe, die id) erwartete, nicht rafd 
genug den Fluß herab gebracht werden fonnten: die 
Byzantiner haben fle anfgefangen. 

Sh habe nun um Hillfe an den Weftgothenfinig ge: 
ſchrieben: er foll fetne Flotte fenden. 

Die unfre ift ja in Feindes Hand! 

Dringt fie in den Hafen, fo fann darauf entfliehn, 
was nidjt fedten fann und nicht fterben foll. 

And on fannft dann, wenn du es vorziehſt, nad 
Spanien entfliehn." . 

vod) will mit dir —, mit end) fterben.“ 

von wenig Woden tinnen die weftgothifden Segel 
vor der Stadt erſcheinen. 

Bis dahin reiden meine Magazine — der lebte 
Troſt. 

Doch, das mahnt mich an deinen Wunſch — 

Hier iſt der Schlüſſel zu dem Hauptthor der Speicher. 

Ich trag' ihn Tag und Nacht auf meiner Bruſt. 

Bewahre ihn wohl: — er verwahrt meine letzte 
Hoffnung. 

Er ſchließt das Leben von vielen Tauſenden ein. 

Es war meine einzige Mühewaltung, die nicht frucht⸗ 
los blieb. 

„Mich wundert,” fiigte er ſchmerzlich hingu, „daß niche 
vie Erde ſich aufgethan. hat oder Feuer vom Himmel ges 
fallen ift, biefe meine Bauten zu verfdlingen.“ 

Dahn, Gin Kampf um Rom. III. 16 


242 


Und er nahm ven ſchweren Schlüſſel ans dem Brule 
fag feines Wammfes. 

„Hüt' ihn wohl, es ift mein letzter Schatz, Matas 
ſwintha.“ 

„Ich danke dir, Witichis — König Witichis —“ fagte 
fie, verbeſſernd, und griff nach bem Schlüfſel, aber ihre 
Hand jitterte. | 

Gr fiel. 

„Was ift dir,” fragte der König, den Schlüſſel ihr 
in die Rechte dritdend, — fie ftedte ihn in den Gürtel 
ibres weißſeidnen Unterfletbes — „du zitterft? 

Bift du krank?“ fete er beforgt hinzu. 

„Nein — es ift nidts — 

Aber ſieh mich nicht an ſo — ſo wie jetzt und wie 
heute morgen —" 

„Vergieb mir, Königin,“ fagte Witichis, fic) abwendend. 

Meine Blide follten vid) nicht franfen. 

Ich hatte viel, recht viel Gram in diefen Tagen. 

Und wenn id nadfann, mit welder Schuld ih all 
vied Unglitd verdient haben könnte“ — feine Stimme 
wurde weid). 

Dann? o reve!" bat Matafwintha bingeriffen. 

Denn fie gweifelte nicht mehr an dem Sinn ſeines 
unausgeſprochnen Gedankens. 

„Dann hab' ich, unter all' den ringenden Zweifeln, 
oft auch gedacht, ob es nicht Strafe ſei für eine harte, 
harte That, die ich an einem bergen Geſchöpf bes 
gangen. 

An einem Weibe, vas ids meinem Bolt geopfert —* 


243 





Und unwillkürlich fah ev im Gifer feiner Rede auf 
pie Hörerin. 

Matafwinthens Wangen erglühten: ſie faßte, ſich auf⸗ 
recht zu halten, nach der Lehne des Stuhles neben ihr. 

„Endlich — endlich erweicht ſein Herz und ich — 
was habe id) ihm gethan!“ dachte fie ,und Gr bereut. —“ 

„Ein Weib,“ fubr ex fort, „das unſäglich um mid) ge- 
fitten, mebr als Worte fagen können.“ — 

„Halt em!" fliifterte fie fo leife, daß er es nidt vers 
nahm. 

„Und wenn ich dich in dieſen Tagen um mich walten 
ſah, weicher, milder, weiblicher als je zuvor — 

Dann rührteſt du mein Herz mit Macht: und Thränen 
brangen in meine Augen.“ — 

„O Witichis!“ handte Matajwintha. 

„Jeder Ton deiner Stimme ſogar drang tief in 
meine Geele. 

Denn du mabhnft mid vann fo ganz, fo berger: 
ſchütternd an —“ 

„An wen?“ fragte Mataſwintha und wurde leichen⸗ 
blaß. 

nud an fie, die id) geopfert! 

Die Aes um mid gelitten, an mein Weib Rauth- 
gundis, die Geele meiner Seele.“ 

Wie lange hatte er den geliebten Namen nidht mehr 
faut gefproden ! 

Sekt fiberwaltigte ihn bei diefem lang die Macht 
pes Schmerzes und ver Sehnſucht: und in den Stubl 
finfend bedeckte er fein Geficht mit beiden Händen. 

16* 


244 


Es war gut. 

Denn fo bemerfte er nicht, wie es blitzähnlich durch 
vie Geftalt der Königin zuckte, ihr ſchönes Antlitz fid 
mebujenbaft verzerrte. 

Dod) hörte er einen dumpfen Sdlag und wandte fid. 

Matafwintha war yu Boren gefunten. 

Ihre linte Hand HMammerte ſich in die durchbrochne 
Rücklehne des Stuhls, an vem fie ntedergeglitten war, 
während vie Rechte fich feft auf ven WMofaitboden 
ftemmte. 

Shr bleidhes Haupt war vorgebengt, das pradjtvoll 
rothe Haar fluthete, loSgeriffen ans dem Scheitelband, itber 
ihre Sehultern: ihve ſcharf geſchnittnen Nüſtern flogen. 

„Königin!“ rief er hingueilend, fie aufzuheben, ,was 
hat did) befallen 2” 

Wher ehe er fte berithren tonnte, fdnellte fie wie eine 
Schlange empor und ridtete fid) hod auf: 

„Es war eine Schwäche,“ fagte fie, die jest vorbei: 
— leb wohl!" 

Wankend erreichte fie die Thür und fiel vraufen bes 
wußtlos in Aſpa's Arme. 


Unterdeffen hatte fich das unheimliche drohende Ane 
feben ver ganjen Natur nod) gefteigert. 

Die Heine, rundgeballte Wolfe, welche Cethegus 
am Lage zuvor bemerft, war ver Vorbote einer unge⸗ 


245 


heuren ſchwarzen Wolfenwand gewefen, weldye die Nacht 
fiber aus tem Often aufgeftiegen war, jedoch feit dem 
Morgen unbeweglich, wie Verderben briitend, über bem 
Meere ftand und die Halfte des Horizonts bedeckte. 


Aber im Süden brannte die Sonne mit unerträg— 
lid) ſtechenden Strablen aus dem unbewölkten Himmel. 


Die gothifchen Wachen batten Helm und Harniſch 
abgelegt: fie festen ſich lieber den BPfeilen der Feinde 
alg dieſer unleidliden Hitze aus. 

Rein Lüftchen regte fid) mebr. 

Der Oftwind, der jene Wolkenſchicht heranfgefithrt, 
war pliglidy gefallen. 

Unbeweglid, bleigrau lag das Meer: die Ritters 
pappeln im Schloßgarten ftanden regungslos. 

Aber in vie Tags zuvor ebenfall8 verftummte Thiers 
welt war Angſt und Unrube gerathen. 

An vem eigen Gand der Küſte Hin flatterten 
Schwalben, Möven und Sumpfyvögel unfider, ziellos, 
hin und her, ganz nieder an der Erde hinſtreichend und 
manchmal ſchrille Rufe gellend. 

In der Stadt aber liefen die Hunde winſelnd aus 
den Häuſern: die Pferde riſſen ſich in den Ställen los 
und ſchlugen, ungeduldig ſchnaubend, dröhnenden Hufes 
um ſich; kläglich ſchrieen Ragen, Eſel und Maulthiere 
und von den Dromedaren Beliſars raſten und ſchäum⸗ 
ten ſich drei zu Tode in wüthenden Anſtrengungen, zu 
entkommen. — 

Es neigte jetzt gegen Abend. 


246 


Die Gonne drohte, alsbald unter den Horizont zu 
finfen. 

Auf dem Forum des Hercules ſaß ein Bürger von 
Ravenna auf ver Mtarmorftufe vor feinem Haufe. 

Er war ein Winzer und fdenfte, wie der verdorrte 
Rebenzweig über fetner Thür jeigte, in feinem Haufe 
felbft von feinem Gewächs. 

Cr blidte nad) dem drohenden Wettergewölk. 

„Ich wollte, es fime Regen," feufzte er. 

„Kömmt nidt Regen, fo kömmt Hagel und zerſchlägt 
vollends, was an Wachsthum draufen die Roffe der 
Feinde nod nidjt gerftampft haben.“ 

„Nennſt du vie Truppen unfres Raifers Feinde 2“ 
fliifterte fein Sohn, ein römiſcher Patriot. 

Uber leife. 

Denn eben bog um die Ee eine gothiſche Runde. 

„Ich wollte, der Orcus verſchlänge fle alle miteinander, 
Grieden und Barbaren ! 

Die Gothen haben wenigftens immer Durft. 

Siehſt du, da kömmt der lange Hildebadus, der ift 
ver Durftigften Ciner. 

Sollte mid) wundern, wenn er heute nicht trinfen 
wollte, da die Steine berften möchten vor Trockenheit.“ 

Hildebad hatte die nächſte Wade abgelöſt und 
fdlenderte nun fangfam eran, den Helm im inten 
Arm, die lange Lange läſſig über der Schulter. 

Er fdritt an ver Weinfdente vorbet, gu großem 
Befremben~ ihres Herrn, bog in die nächſte Seitengaffe 
und ftand bald vor einem hohen und diden Rundthurm, 


247 


— er hieß der Thurm ves Aëtius —, in veffen Schatten 
oben auf vem Walle ein ſchöner junger Gothe auf und 
nieder ſchritt. 

Lange, hellblonde Loden viefelten auf feine Schultern: 
und das jarte Weiß und Roth feines Gefichts, wie die 
milden blauen Augen gaben thm ein faft mädchenhaftes 
Anfebn. 

„He, Fridugern,“ rief ihm Hildebad hinauf, „huiweh! 

Blitzjunge, hältſt du's nod) immer aus anf dieſem 
Bratroſt da oben? 

Und mit Schild und Panzer — uf!“ 

„Ich habe die Wache, Hildebad!“ ſagte der Jüngling 
ſanft. 

„Ach, was Wade! 

Glaubft vu, bet diefer Schmelzofenhitze wird Belifar 
ftitrmen ? 

Ich fage viv, der ift froh, wenn er Luft bat und 
verlangt heute fein Blut. 

Komm mit: id) fam did) zu holen — der dice Ba: 
pennate auf dem Herculesplag hat alten Wein und 
junge Töchter — laß uns beide zu Munde führen.“ 

Der junge Gothe ſchüttelte die langen Locken und 
ſeine Stirn faltete ſich. 

„Ich habe Dienſt und keinen Sinn für Mädchen. 

Durſt habe ich freilich — ſchicke mir einen Becher 
Wein herauf.“ 

„Ach, richtig, bei Freia, Venus und Maria! du haſt 
ja eine Braut über den Bergen am Danubius! 

Und du glaubſt, die merkt es gleich und die Treue 


248 


fet gebroden, wenn bu hier einer Römerdirne in die 
Kohlenaugen gudft. 

DO lieber Freund, bift du nod jung! 

Nun, nun, mits fiir ungut. 

Mir fann’s ja recht fein. 

Biſt fonft ein guter Gefell und wirft ſchon nod 
Glter werden. 

Ich fcide dir vom rothen Maſſiker heraus — da 
fannft du dann allen ANgunthens Mtinne trinfen.” 

Und er wanbdte fid und war rafd in der Schenke 
verſchwunden. 

Bald brachte ein Sklave dem jungen Gothen einen 
Becher Wein; dieſer flüſterte: „All Heil, Allgunthis!“ und 
leerte ihn auf einen Zug. 

Dann nahm er die Lanze wieder auf die Schulter 
und ging auf der Mauer auf und nieder, langſamen 
Schrittes. 

„Von iby ſinnen und träumen darf ich wenigſtens,“ 
ſagte er, „das wehrt kein Dienſt. 

Wann werd' ich ſie wohl wieder ſehn?“ 

Und er ſchritt weiter: und blieb dann gedankenvoll 
im Schatten des mächtigen Thurmes ſtehn, der ſchwarz 
und drohend auf ihn nieder ſah. 

Bald nach Hildebad zog eine andre Schar Gothen 
vorbei. 

Sie führten in der Mitte einen Mann mit vers 
bundenen Augen und ließen thn zur Porta - Honorii 
hinaus. 


249 


Es war Profop, ver vergeblid nod) die feftgeftellten 
bret Stunden gewartet hatte. 

G8 war umfonft: feine Botfdhaft vom König fam: 
und mißmuthig verlieR der Gefandte die Stadt. 

Des Prafecten fener Plan war, fo fdien e8, an 
ber fdlicten Witrde bes Gothenkönigs gefdeitert. — 

Und nod eine Stunde verging. 

Es war duntler, aber nidt kühler geworbden. 

Da erhob fic vom Meere pliglich ein ftarfer Wind: 
ftoR aus Süden: er ſchob die ſchwarzen Wolfenballen 
mit rafender Gile nad Jorden. 

Gie lagerten jest didjt und fdwer über der Stadt. 

Aber aud vas Meer, der Gildoften, ward dadurd 
nicht fret. 

Denn eine gweite, gleiche Wolfenmauer war dort 
emporgeftiegen und hatte fic unmittelbar an die erjte 
gefdlofjen. 

Der ganze Himmel über Meer und Land war jest 
Gin ſchwarzes Gewölbe. 

Hildebad ging, weinmüde, nach ſeinem Nachtpoſten an 
der porta Honorii: 

„Noch immer auf Wache, Fridugern?“ rief er dem 
jungen Gothen hinauf. 

„Und noch immer kein Regen! 

Die arme Erde! 

Wie ſie dürſten muß! ſie dauert mich! 

Gute Wache!“ 

In den Häuſern war es unleidlich ſchwül: denn der 
Wind kam aus den heißen Sandwüſten Afrika's. 


250 


Die Leute brangten fich, gedngftigt von bem drogen: 
ren Ausſehen ves Himmels, hinaus in’s Freie, gogen in 
ridten Haufen durd die Stragen oder lagerten ſich in 
Gruppen in ven BVorhallen und Säulengängen der 
Bafilifen. 

Auf den Stufen von Ganct Apollinaris drängte fid 
piel Volt zuſammen. 

Und e8 ward, obwohl erft Sonnenuntergangsgeit, 
pod) völlig dunkle Nacht. — 

Auf dem Ruhebett in ihrem Schlafgemach lag Mata⸗ 
ſwintha, die Königin, mit todesbleichen Wangen, in 
ſchwerer Betäubung. 

Aber ohne Schlaf. 

Die weitgeöffneten Augen ſtarrten in die Dunkelheit. 

Nicht eine Silbe hatte ſie auf Aſpa's ängſtliche 
Fragen geſprochen und zuletzt die Weinende mit einer 
Handbewegung entlaſſen. 

Unwillkürlich kehrten in ihrem monotonen Denken 
die Worte wieder: 

Witichis — Rauthgundis — Mataſwintha! 

Mataſwintha — Rauthgundis — Witichis! 

Lange, lange lag fie fo und nichts ſchien den une 
aufhörlichen Kreislauf dieſer Worte unterbreden zu 
können. 

Da plötzlich fuhr ein rother Strahl grell und blendend 
durch das Gemach und im ſelben Augenblick ſchmetterte 
ein furchtbarer Donnerſchlag, ein Donner, wie fle ihn 
nie vernommen, grollend, fnatternd, praſſelnd, fradend 
itber die bebende Stadt. 


251 





Der Angftfdret ihrer Frauen ſchlug an ihr Dir: 
e fubr empor. 

Sie febte fid) aufredjt auf dem Rubebett. 

Afpa hatte ihy das Obergemand abgenonmmen. 

Gie trug nur nod) das weiffeidne Unterfleid: fie 
arf die wallenden Wogen ihres pradtvollen Haares 
ber die Schultern und laufdte. 

G8 war eine bange Stille. 

Lind nod) ein Blig und nod ein Donnerſchlag. 

Cin Windſtoß riß beulend das Fenfter von Milch— 
(a8 auf, das nad) dem Hofe führte. 

Matafwintha ftarrte in die Finfternig hinaus, die 
‘Bt jeden Uugenbli€ von grellen Bligen unterbrodjen 
urde. 

Unaufhörlich rollte der Donner, felbft vas furcht— 
are Geheul des Sturmes überdröhnend. 

Dex Kampf der Clemente that ihr wohl. 

Sie laufdte begterig, auf vie Linke geftitgt und mit 
er Rechten langfam über die Stirne ftreichend. 

Da eilte Aſpa herein mit Licht. 

Es war etne Fadel, deren Flamme im einer gefdlognen 
Masfugel brannte. 

»Ronigin, du — 

Aber, bei allen Göttern, wie ſiehſt du aus. 

Wie eine Lemure. 

Wie die Rachegöttin!“ 

wd wollte, id) ware es,“ ſagte Mataſwintha — es 
sar das erſte Wort feit langen Stunden, — ohne den 
Sid vom Fenfter gu wenden. 


252 





Und Blig auf Blig und Sdhlag auf Slag. 

Afpa ſchloß vas Fenfter. 

„O Königin, die Chriftinnen unter deinen Dtagden 
fagen: Das fet das Ende der Welt, das da fomme, und 
ver Sohn Gottes fteige nieder anf feurigen Wolfen, gu 
vidten die Lebendigen und die Todten. 

Hub, weld’ ein Blig! 

Und nod) tein Tropfe Regen. 

Nie hab’ ich fold) ein Unwetter gefebr. 

Die Götter zürnen ſchwer.“ 

„Wehe, wem ſie zürnen. 

©, ich beneide ſie, die Götter. 

Sie können haffen und lieben, wie's ihnen gefällt. 

Und zermalmen ben, der fie nicht wieder liebt.“ 

wid Herrin, id) war auf der Strafe: ich fomme 
grade zurück. 

Wes Volk ſtrömt in vie Kirchen mit Beten und 
Gingen, den Himmel yu verſöhnen. 

Ich bete gu Kairu und Aftarte — 

Herrin, beteft du nicht and)? 

Ich flude ! 

Das ift and) gebetet.” 

„Oh, weld etn Donnerfdlag! frie die Sklavin und 
ftitrgte gitternd in die Rnie’. 

Der dunfelblaue Mantel, den fie trug, glitt von ihren 
Schultern. 

Der Blitz und Donner war ſo ſtark geweſen, daß 
Mataſwintha aus den Kiſſen geſprungen und an's Fenſter 
geeilt war. 


253 


„Gnade, Gnade, ihr grofen Götter! erbarmt end 
per Mtenfdjen !“ flebte die Afrifanerin. 

„Nein,. keine Gnade! 

Fluch und Verderben über die elende Menſchheit! 

Ha, das war ſchön! 


Hörſt du, wie ſie unten heulen vor Angſt auf der 
Straße? 

Noch Einer, und noch ein Strahl! 

Ha, ihr Götter, wenn ein Himmelsgott oder 
Himmelsgötter ſind — nur um eins beneid' ich euch —: 
um die Macht eures Haſſes, um euren raſchen, geflügel⸗ 
ten, tödtlichen Blitz! 

Ihr ſchwingt ihn mit der ganzen Wuth und Luſt 
eures Herzens und eure Feinde vergehn: und ihr lacht 
dazu — der Donner iſt euer Gelächter! 

Ha, was war das?“ 

Gin Blitz und ein Donner, der alle frühern über— 
traf, judte und fradte. 

Afpa fuhr vom Boden auf. 

„Was ift das fiir ein grofes Haus, Aſpa? die runfle 
Maffe uns gegenitber? 

Der Blig hat wohl gezündet — brennt es 2" 

„Nein, Dank den Göttern! es breunt nidt! 

Der Blitz hat fie nur beleuchtet. 

Es find vie Rornfpeider des Königs.“ 

„Ha, habt ihr fehl gebligt, thy Götter?“ 

So ſchrie die Königin. 

„Auch vie Sterbliden fithren ven Glig ver Bache." 


254 


Und fie fprang vom Fenfter binweg, — und dads 
Gemad war plötzlich dunkel. 

„Königin — Herrin — wo biſt — wohin biſt du 
verſchwunden?“ rief Aſpa. 

Und ſie taſtete an den Wänden. 

Aber das Gemach war leer: und Aſpa rief umſonſt 
nad ihrer Herrin. — — 

Unten auf der Straße wogte nach der Baſilika von 
Ganct Apollinaris hin ein frommer Zug. 

Ravennaten und Gothen, Kinder und Greife, ſehr 
viele Frauen: Knaben mit Fadeln ſchritten voran, hinter 
ibnen Priefter mit Kreuzſtangen und Fahnen. 

Und purd) tas Brüllen ves Donner und durd das 
Pfeifen ves Sturmes fdoll die alte. feierlich ergreifende 
Weife : 

dulce mihi cruciari, 
parva vis doloris est: 

malo mori quam foedari: 
major vis amoris est. 


Die Antwort aber des gweiten Halbdors lautete: 


parce, judex, contristatis 
parce pecatoribus, 
- qui descendis perflammatis 
ultor jam in nubibus. 


Und der Bittgang verfdwand in der Kirche. 

Aud die nächſten Aufſeher ver Kornſpeicher ſchloſſen 
ſich dem Zuge an. 

Auf ven Stufen ver Baſilika, gerade der Thitr der 


2595 \ 





Speicher gegenitber, ſaß das Weib im braunen Mantel: 
til und furchtlos im Aufruhr der Elemente, die Hanvde 
tit gefaltet, aber ruhig im Schos liegend. 

Der Mann in ver Sturmbaube ftand neben ihr. 

Cine gothifde Frau, die in die Kirche eilte, erfannte 
le im Schein eines Bliges. 

„Du wieder hier, Landsmannin ? 

Ohne Obdach? 

Ich habe dir doch oft genug mein Haus angeboten! 

Du ſcheinſt fremd hier in Ravenna?“ 

Ich bin fremd. 

Doch hab' ich Obdach.“ 

Komm mit in die Kirche und bete mit uns.“ 

„Ich bete bier.” 

„Du beteft? 

Du fingft nicht und fpridft nicht 

„Gott hart mid dod.“ 

„Bete dod) für die Stadt. 

Sie fürchten, es fomme das Ende der Welt.” 

„Ich fiirdte e8 nidt, wenn es fommt.” 

Und bete für unfern guten König, der uns Brod 
iebt alle Lage." 

vod) bete für thn." 

Da tinte der waffenflirrende Schritt von zwei 
jothifdjen Runden die ſich an der Bafilifa kreuzten. 

„Ei fo donnre, bis du ſpringſt,“ ſchalt der Führer der 
inen Gar, aber brumme mir nicht in meinen Befehl. 

Haltet an." | 

Wifand, du biſt's? 


2686 





Wo iſt der König? 

Wud in der Kirche?“ 

„Nein, Hildebad, auf ven Wallen.“ 

„Recht fo, da gehört er bin! 

Vorwarts, Heil dem Konig." 

Und die Schritte verballten. 

Da fam ein rimifder Lehrer mit einigen feiner 
Schüler vorbet. 

„Aber, Magiſter,“ mahnte der jüngſte, „ich dachte, 
du wollteſt in die Kirche? 

Warum führſt du uns ſonſt aus dem Hauſe m’'s 
rete bet diefem Unwetter?“ 

„Das fagte id) nur, um end und mid ans dem 
Haufe zu bringen. 

Was Kirde! 

Ich fage dir, je weniger ih Dächer und Mauern 
um mid) wei, Ddefto wohler ift mir. 

Sd führ' eud) auf die grofe, freie Wiefe im der 
Vorftart. 

Ich wollte, wir batten Regen. 

Ware rer Vefuvius nahe genug, wie in meiner 
Heimat, id) vadte, Ravenna werde heut' ein zweites 
Herculaneum. 

Ich fenne folde Luft, wie fie heute weht — id) traue 
nicht!“ 

Und ſie gingen vorüber. 

„Willſt du nicht mit mir gehn, Frau?“ ſprach der 
Mann in der Sturmhaube au ver Gothin. 





257 





Ich muß ſehen, Dromon, unſern Gaſtfreund, jetzt zu 
treffen: ſonſt kommen wir dieſe Nacht wieder nicht unter 
Obdach. 

Ich kann dich nicht allein lafſen im Dunkeln. 

Du haſt kein Licht bei dir.“ 

„Siehſt du nicht, wie mir die Blitze leuchten? 

Geh' nur, ich komme nach. 

Ich muß noch was zu Ende denken —, zu Ende 
beten.“ 

Und die Frau blieb allein. 

Sie preßte beide Hände feſt gegen die Bruſt und 
ſah gegen den ſchwarzen Himmel: leiſe nur bewegten 
ſich ihre Lippen. 

Da war es ihr, als ſähe ſie in den Hoch-Gängen, 
Gallerien und Ober⸗Hallen des gewaltigen Holzbau's der 
Speicher, die in dunkeln Maſſen ihr gegenüber lagen, 
aus dem ſteinernen Rundbau des Circus ragend, ein 
Licht auftauchen und hin und wieder, auf und abwärts 
wandeln. 

Es mußte wohl eine Täuſchung durch die Blige 
fein. 

Denn jedes frei getragne Licht hatte ber Wind in 
den nach Außen offnen Gallerien verlöſcht. 

Aber nein: es war doch ein Licht. 

Dem in regelmäßigen Zwiſchenräumen wechſelte fein 
Aufleuchten und ſein Verſchwinden, wie wenn es haſtigen 
Schrittes entlang den Gängen mit ihren verdeckenden 


Pfeilern und Halbmauern getragen würde. 
Dahn, Cin Kampf um Rom. TI. 17 


258 


Scharf fah vie Frau nad dem wedfelnden Lidt und 
Schatten — — 

Aber plötzlich — o Entſetzen — fuhr ſie empor. 

Es war ihr: als ſei die Marmorſtufe, auf der fie 
gefeſſen, ein ſchlafend Thier geweſen, das, plötzlich er⸗ 
wachend, ſich leiſe regte, lebendig wurde — und ſchwankte, 
— ſtark, — von der Linken zur Rechten. — 

Blitz und Donner und Sturm ruhten auf einmal. — 

Da ſcholl aus den Speichern ein ſchriller Schrei. 

Hell aufflammte das Licht und verſchwand plötzlich. — 

Aber auch die Frau auf der Straße ſtieß einen leiſen 
Angſtruf aus. 

Denn jetzt konnte ſie nicht mehr zweifeln: die Erde 
bebte unter ihr! — | 

Gin leiſes Buden: und plötzlich zwei, drei ftarfe 
Stipe: als hebe ſich wellenfarmig ver Boden von der 
Vinten zur Rechten. 

Aus der Stadt her tönte Angſtgeſchrei. 

Aus den Thüren der Baſilika ſtürzte in Todesangſt 
die laut kreiſchende Schar der Beter. — 

Noch ein Stoß! — 

Die Frau hielt ſich mit Mühe aufrecht. — 

Und fernher, von der Außenſeite der Stadt, ſcholl 
ein gewaltiges dumpfes Krachen, wie von maſſenhaft 
ſtürzenden, ſchweren Laſten. 

Ein furchtbares Erdbeben hatte Ravenna heim⸗ 
geſucht. 


Ginundpwansighes Capitel. 


Wahrend vie Frau fic) in ver Ridtung jenes dumpfen 
SAHlages wandte, drehte fie einen Wugenblid ven Speichern 
den Rücken. | 

Aber raf wandte fie fid) dieſen wieder yu. 

Denn es war ihr, als fei eine ſchwere Thüre zu⸗ 
gefallen. 

Scharf blidte fie bin. 

Dod in der tiefen Finſterniß fonnte thy Auge nichts 
wahrnehmen. 

Nur ihr Ohr hörte etwas ſacht an der Außenmauer 
des Gebaudes dahin raſcheln. 

Und ſie glaubte, ein leiſes Seufzen zu vernehmen. 

„Halt,“ ſchrie die Frau, „wer jammert da?“ 

„Still, ſtill,“ flitfterte eine feltfame Stimme, vie Erde 
Gat darüber — vor Abſcheun — ſich geſchüttelt, gebebr. 

Die Erde bebt — die Lodten ftehen auf. — 

Es kommt der jiingfte Lag, — der vedt Alles auf. — 

Bald wird er's wiffen. — 

Oh. —" 


260 





Und ein tief gejogner Klagelaut — und ein Raufder 
von Gewändern — und Stille. 

„Wo bift du? bift du wund?“ rief die Fran taftend. 

Da gudte ein beller Blig, — der erfte fett bem 
Erdſtoß — und zeigte, wor ihren Füßen liegend, einc 
verhüllte Geftalt. 

Weife und dunfelblaue Frauenkleider. — 

Das Weib langte nad) dem Arm der Liegenden. 

Aber rafd fprang diefe bet ver Berithrnng auf und 
war mit einem Schrei im Dunfel verſchwunden. 

Das Ganze war fo raſch und ungebeuerliG wie ein 
Traumgeſicht: nur eine breite golone Armfpange, mit emer 
grünen Schlange von Smaragden, die in ihrer Gand 
juriidgeblieben, war ein Pfand ver Wirklichkeit diefer 
unheimlichen Erſcheinung. 





Und wieder tönten die ehrnen Schritte der gothiſchen 
Wachen. 

„Hildebad, Hildebad, zu Hülfe!“ rief Wiſand. 

„Hier bin id) — was iſt? wohin ſoll ich?“ fragte 
dieſer mit ſeiner Schaar entgegen kommend. 

„An das Thor des Honorius! 

Dort iſt die Mauer eingeſtürzt und der vicke Thurm 
des Aẽëtius liegt in Trümmern. — 

Zu Hülfe, in die Lücke!“ 

„Ich komme — — armer Fridugern.“ 





261 


In vem gleiden Augenblick ſtürmte draugen im Lager 
dex Byzantiner Cethegus ver Prifect in das Feldherrn⸗ 
gelt Belifar’s. 

Er war in voller Rüſtung, der purpurduntle Rog: 
ſchweif flatterte um feinen Helm. 

Geine Geftalt war hod) aufgerichtet. 

Feuer leuchtete in feinen Wugen. 

„Auf! was faumft du, Feldherr Buftinians? 

Die Mauern deiner Feinde ſtürzen von felber ein. 

Offen liegt vor dix deS lebten Gothenkönigs letzte 
Burg. — 

Und du? was thuft pu in veinem Belt? — —“ 

„Ich verebre die Größe des Allmächtigen!“ fagte 
Belifar mit edler Rube. 

Antonina ftand neben thm, den Arm um feinen 
Maden gefdlungen. — 

Cin Betſchemel und ein hohes Kreuz yeigte, in 
weldem Chun die wilde Gluth des Prafecten das Paar 
geſtört. 

„Das thu' morgen. — Nach dem Sieg. 

Jetzt aber: ſtürme!“ 

Jetzt ſtürmen!“ ſprach Antonina, „welcher Frevel! 

Die Erde bebt in ihren Grundveſten, erſchüttert und 
erſchreckt. 

Denn Gott der Herr ſpricht in dieſen Wettern!“ 

ag ihn ſprechen! 

Wir wollen handeln. 

Beliſar, der Churm des Aëtius und ein gutes Stiid 
Mauer ift eingeftitrt. 


262 


Ich frage did), willft du ſtürmen?“ 

„Er hat nidt Unrecht,“ meinte Velifar, im bem dte 
Rampfluft erwadte. — 

„Aber es ift finftre Nacht. — —, 

om Finftern find’ id den Weg zum Sieg und in 
tas Herz von Ravenna. 

Aud lendten die Blige.“ 

„Du bift ja ploglich ſehr fanmpfeseifrig ,” zogerte 
Belifar. 

wa, denn jegt hat's Sermunft it tampfen. 

Die Barbaren ſind verblüfft. 

Sie fürchten Gott und oetgcfen ihrer Feinde. 

Im gleichen Augenblick eilten Profop und Marcus 
Lieinius in das Zelt. 

‚Beliſar,“ meldete der erſte, „der Erdſtoß bat deine 
Zelte am Nordgraben umgeſtürzt und eine halbe Cohorte 
Illyrier darunter begraben!“ 

„Hülfe, Hitlfe! meine armen Lente!“ rief Beliſar 
und etlte aus dem Relte. 

„Cethegus,“ bericdhtete Marcus, ,aud eine Cohorte 
deiner Sfaurier liegt unter ihren Belten verſchüttet.“ 

Aber ungeduldig, den Helm ſchüttelnd, frug der Pri 
fect: ,was ift mit dem Wafjer in vem gothifden Graben 
por dem Aétiusthurm? hat ver Erdfpalt es nicht vere 
ringert?“ 

„Ja, das Waſſer iſt verſchwunden — der Graben iſt 
ganz trocken. 

Horch, das Wehegeſchrei! Deine Iſaurier find’s:. fle 


263 


ftdhnen nnd wimmern unter der Berſchüttung und ſchreien 
um §iilfe. 

wag fie ſchreien!“ ſprach Gethegus. Der Graben 
ift wirklich troden ? 

So lag zum Sturm blafen. 

Folge mix mit allen Söldnern, die nod) leben.” 

Und unter Blig und Donner, die jest wieder uns 
aufhirlich raften, eilte der Prafect zu feinen Schanzen, 
wo feine rimifden Legionare und der Reſt der Sfaurier 
unter Waffen ftanden. 

Raſch itberfah er fie: e8 waren viel gu wenige, um 
mit ibnen allein die Stadt zu nehmen. ; 

Aber er wufte, dak etn giinftiger Erfolg alsbald 
Belifar mit fortreifen würde. 

wtidter, Fadeln ber!“ rief er und trat mit etner 
Pedhfadel in der Linfen vor die Fronte feiner rimifden 
Legionare. | 

„Vorwärts,“ befahl er, ,die Schwerter heraus!“ 

Aber fein Arm rührte fid. 

Spradlos vor Staunen und mit Granen blidten 
Alle, anch die Führer, and) die Licinter, auf den dämoni⸗ 
fen Mann, der im Aufruhr ver ganjen Natur nur 
an fein Riel dadte und die Elemente, die Schrecken 
Gottes, nur als Mtittel anfah zu femem Zweck. 

aun, babt ihr anf mid) zu boven, oder anf den 
Donner?” rief er. 

„Feldherr,“ mabnte ein Genturio vortretend, „ſie 
beten. 

Denn vie Erde bebt.” 


264 


„Glaubt ihr, Stalia wird ihre Kinder verfdlingen? 

Nein, thr Römer, feht: ver Boden felbft von Italien 
erbebt fic) gegen die Barbaren. 

Gr bäumt fid), fprengt ihr Bod) und ihre Dtanern 
fallen. 

Roma! Roma aeterna !“ 

Das zündete. 

Es war eines jener chfarifden Worte, weldje die 
Männer und die Waffen fortreifen. 

»Roma! Roma aeterna!” riefen guerft die Licinier 
dann die Taufende der römiſchen Singlinge: und durd 
Nacht und durch Grauen, durch Blig und Donner und 
Sturm, folgten fie vem Prafecten, deſſen dämoniſcher 
Sdhwung fie mit fortriß. 

Die Begeifterung lieh ihnen Fliigel. 

Rafd waren fie über den breiten Graben hinweg, 
vem fie fonft faum gu naben gewagt. — 

Cethegus der erfte am jenfeitigen Mand. — 

Die Fadeln hatte der Sturm gelöſcht. — 

Sm Finſtern fand er ven Weg. 

„Hieher, Licinius,“ rief er, ,mir nad! bier muß die 
Wide fein.“ : 

Und er fprang vorwärts, rannte aber gegen einen 
barten Körper und taumelte zurück. 

„‚Was ift das?" fragte Lucius Licinius Hinter ihm, 
„eine zweite Mauer?“ 

„Nein,“ ſprach eine ruhige Stimme von drüben, ,aber 
gothiſche Schilde.“ 


265 





„Das ift der König Witichis,“ fagte ver Prafect 
grimmig und mak mit bittrem Hak die dunfeln Geftalten. 

Cr hatte auf Ueberraſchung gezählt. 

Seine Hoffnung war getäuſcht. 

Patt’ id ihn,” fprad er grimmig in fid hinein, 
ex follte nicht mehr ſchaden.“ 

Da wurden von riidwarts viele Fackeln fidtbar und 
die Crompeten fdhmetterten. 

Belifar führte fein Heer gum Sturm gegen den 
Mauerſturz. 

Prokop erreichte den Präfecten: „Nun, was ſtockt ihr? 

Halten euch neue Wälle auf?“ 

„Ja, lebendige Walle. 

Da ſtehen ſie,“ und der Präfect deutete mit dem 
Schwert. 

Unter den nod fallenden Trümmern, dieſe Gothen! — 

Nun wahrlich!“ rief Prokop: 

ysi fractus illabatur orbis, 
impavidos ferient ruinae! « 

Das ſind muthige Männer.“ 

Aber jetzt war Belifar mit ſeinen dichten, zum An⸗ 
griff bereiten Scharen heran. 

Einen Augenblick noch, — nur die Führer eilten 
nod, Befehle ertheilend hin und wieder, — einen Augen: 
bli nod und ein furdthares Morden mufte beginnen. 

Da erglithte plötzlich der ganze Horizont über der 
Stadt. 

Cine Flammenfaule ſchoß hoch empor, - und zahlloſe 
Funken ftoben nieder. — 


bBweiundzwanigſtes Capttel. 





Der Konig hatte ven Schutz ver Mauerlücke am 
Thurm ves Wétins Hildebad übertragen und war fofort 
auf die Brandftatte geeilt. 

Als er dort eintraf, fand er das Feuer im Erldſchen 
— aber nur aus Mangel an Mabhrung. 

Der ganze Inhalt der Speicher, fammt beren Bretters 
geriiften, und dem Dah, Alles was durd Feuer zerſtör⸗ 
bar, war bid auf den legten Splitter und das legte 
Korn verbrannt. 

Nur die nadten, ruß⸗ und rauchgeſchwärzten Stein⸗ 
mauern ded urfpriingliden Marmorbaus, des Circus des 
Theovofius, ftarrten nod gen Himmel. 

Cin Mal des Bligftrahls war an ihnen nicht wahr⸗ 
gunebmen. | 

Das Feuer mute fehr lange Beit von Innen 
heraus, wo der Blitz ven Holzbau entgiindet haben 
modte, unvermerft fortgeglimmt fein und fic) über alle 
Innenräume ves Holzbaus ſchleichend verbreitet haben. 

Wis Flammen und Raud) aber gu ven Dachlücken 
herausſchlugen, war alle Hülfe gu ſpät. 


269 


Rradhend war bald darauf der Reft des Holsbaues 
zuſammengeſtürzt: die Einwohner batten vollauf zu thun, 
die nächſten, thetlweife ſchon vom Feuer ergriffenen Häu⸗ 
fer zu vetten. 

Dies gelang mit Hülfe ves MRegens, welder fur; 
vor Tagesanbrud endlich einfiel und dem Sturm, fowie 
bem Blitz und Donner ein Ende madte. 

Uber ftatt ver Speicher beleudtete die aufgehende 
Gonne, als fie das Gewölk jerftreute, nur einen troſt⸗ 
lofen Hanfen Schutt und Afdhe in der Mitte des Marmor⸗ 
Rundbaus. 

Sdweigend, mit tief gefenttem Haupt, lehnte der 
Konig lange Zeit dieſen Ruinen gegenither an einer 
Giule ver Bafilifa. 

Ohne Regung, nur mandmal den Mantel anf der 
madtig arbettenden Bruft gufammen drückend. 

Im Aunblick diefer Trimmer war ein ſchwerer Ent: 
{Glug in ihm gereift. 

Jetzt ward eS grabesftill in feinem Inner. 

Uber um ihn her auf dem Plage wogte das Elend 
der verzweifelnden Armen von Ravenna betend, fluchend, 
weinend, ſcheltend. 

„O, was wird jetzt aus uns!“ 

„O, wie war das Brod ſo weiß, ſo gut, ſo duftend, 
bas id) nod) geſtern hier erhielt.“ 

„O, was werden wir jest effen.” 

Bay, der Konig muß aushelfen.“ 

wa, der Konig mug Rath ſchaffen. 

„Der König?“ 


270 


wd, der arme Mann, woher foll er’s nehmen 
wat er dod felbft nichts mebr.“ 
„Das tft feine Gade." 
„Er allein hat uns in all die Moth gebracht.“ 
„Er ift an Alem Schuld.“ 
„Was hat er die Stadt nidt lang vem Kaiſer über⸗ 
geben.“ 
wa wobl, ihrem rechtmäßigen Hern!“ 
„Fluch den Barbaren!“ 
„Sie ſind an Allem Schuld.“ 
‚Nicht alle, nein, der König allein. 
Seht ihr's denn nicht? 
Es iſt die Strafe Gottes!“ 
„Strafe? wofür? 
Was hat er verbrochen? 
Gr gab vem Volke von Ravenna Brod!“ 
„So wißt ihr's nidt? Wie fann der Ehe⸗Schaͤnder 
Gnade Gottes haben? 
Der fiindige Mann bat ja zwei Weiber zugleich! 
Der ſchönen Matafwintha hat ibn geliiftet. 
lind er ruhte nit, bis fie fein eigen war. — 
Gein ehlich Weib hat er verftogen.“ 
Da ſchritt Witichis unwillig vie Stufen herab. 
Shn efelte ves Volfes. 
Aber fie erkannten feinen Schritt. 
„Da ift der Konig! 
Wie finfter er blickt,“ riefen fie durcheinander und 
widen zur Seite. 


„O, ich fürchte thn nidt. 


di 


— 
fe) 


271 


Ich fürchte den Hunger mehr als feinen Born. 

Schaff' uns Brov, Kinig Witichis 

Hörſt du's, wir hunger!" ſprach ein zerlumpter 
Alter und faßte ihn am Mantel. 

„Brod, König!“ 

.Guter König, Brod!" 

‚Wir verzweifeln!“ 

„Hilf uns!“ 

Und wild drängte ſich die Menge um ihn. 

Ruhig, aber kräftig machte ſich Witichis frei. 

„Geduldet euch,“ ſprach er ernſt. 

„Bis die Sonne ſinkt, iſt euch geholfen.“ 

Und er eilte nach ſeinem Gemach. 

Dort warteten auf ihn mehrere Diener Mataſwinthens 
und ein römiſcher Arzt. 

Here," ſprach dieſer mit beſorgter Miene, „die 
Königin, deine Gemahlin iſt ſehr krank. 

Die Schrecken dieſer Nacht haben ihren Geiſt ver: 
wirrt. 

Sie ſpricht wirre Fieberreden. 

Willſt du fie nicht ſehen?“ 

Midt jetzt, ſorgt fiir fe.” 

„Sie reichte mir," fubr ver Arzt fort, „mit größter 
Angſt und Sorge dieſen Schlüſſel. 

Er ſchien ſie in ihren Wahnreden am Meiſten zu 
beſchäftigen. 

Sie holte ihn unter ihrem Ropffifjen hervor. 


272 


Und fie ließ mid) ſchwören, ihn nur in deme Hand 
gu geben, er fet von höchſter Wichtigkeit.“ 

Mit einem bittern Lächeln nahm der Rinig den 
Schlüſſel und warf ihn zur Seite. 

„Er ift e8 nicht mebr. 

Geht, verlakt mid und fendet meinen Schreiber.“ 

Cine Stunde fpater ließ Profop den Prafecten in 
ras Belt ves Feldherrn eintreten. 

Als er eintrat, rief ihm Belifar, ver mit haſt'gen 
Schritten auf und nieder ging, entgegen: Das Cunt 
von einen Plänen, Prifect! 

Bon deinen Miinften! von deinen Lilgen! 

Ich hab’ es immer gefagt: vom Lügen kömmt Vers 
berben: und td) verftehe mid) nicht d'rauf! 

O, warum bin id dir gefolgt! 

Jetzt fted’ id) in Noth und Schande!“ 

„Was bedeuten diefe Tugendreden?“ fragte Cethegus 
feinen Freund. 

Diefer reidhte ihm einen Brief. wties. Diefe Bare 
baren find unergritndlid) in ihrer grofartigen Cinfalt. 
Gie ſchlagen ven Teufel durch Rindesfinn ; lies.“ 

lind Gethegus las mit Staunen. 

„Du Haft mir geftern drei Dinge gu wiffen gethan: 

Da vie Franken mid verrathen haben. 

Daf du im Bund mit den Franken das Weſtreich 
deinem undanfbaren Kaiſer entrelRen willft. 

Dag du uns Gothen freien Abzug ber die Alpen 
ohne Waffen anbieteſt. 

Darauf habe ich dir geſtern geantwortet, die Gothen 





273 


geben nie ihre Waffen ab und raumen nicht Stalien, 
vie Eroberung und Crbfdaft ihres grofen Königs: eber 
fal’ id bier mit meinem ganjen Heer. 

Go habe id) geftern gefproden. 

So fprede id) heute nod, obwohl fic) Feuer, Wafer, 
Luft und Erde gegen uns empirten. 

Aber was id) immer dunkel gefiihlt, hab’ id) heut’ 
Nacht unter den Flammen meiner Vorrithe flar erfannt: 
e8 liegt ein Fluch anf mir. 

Um meinetwillen erliegen vie Gothen. 

Ich bin das Unglück meines Bolts. 

Das foll nidt (anger alfo fein. 

Nur meine Krone verjperrte einen ehrenvollen Aus⸗ 
weg: fie foll’s nicht mehr. 

Du erbebft vid) mitt Recht gegen Buftinian, den 
treulofen und undanfbaren Mann. 

Er ift unfer Feind wie deiner. 

Wobhlan: ſtütze did), ftatt auf etn Heer der falſchen 
Granfen: auf das ganze Voll ver Gothen, deren Kraft 
und Treue dir befannt. 

Mit jenen follft du Stalien theilen: mit uns kannſt 
du es ganz bebalten. 

Lak mid) den Erſten fein, ver dich begrüßt wie als 
Raifer des Abendlands fo als Konig ver Gothen. 

Alle Rechte bleiben meinem Volf, du trittit einfad) 
an meine Stelle. 

Ich felber fege dir meine Krone auf das Haupt und 
wahrlich: fein Juſtinian foll fie div entreifen. 

Dahn, Cin Rampj um Rom. LL. 18 


274 





Berwirfft bu viefen Antrag: fo mache vid gefaßt auf 
einen Kampf, wie du nod) feinen gekämpft. 

Sd brede dann mit fiinfigtaufend Gothen in vem 
Lager. 

Wir werden fallen. 

Aber aud) vein ganzes Heer. 

Eins oder das Andre. 

Sd) hab's gefdworen. 

Wähle. 

Witichis.“ 

Einen Augenblick war ver Präfect auf's Furchtbarſte 
erſchrocken. 

Raſch hatte er einen forſchenden Blick auf Beliſar 
geworfen. 

Aber dieſer Eine Blick beruhigte ihn wieder ganz. 

„Er iſt ja Beliſar,“ ſagte er ſich abermals. 

„Aber gefährlich iſt es immer, mit dem Teufel ſpielen. 

Welche Verſuchung! —“ 

Er gab den Brief zurück und ſagte lächelnd: 

„Welch ein Einfall! 

Wozu doch die Verzweiflung führt.“ 

„Der Einfall,“ meinte Prokop, „wäre gar fo übel 
nicht, wenn —.“ 

„Wenn Beliſar nicht Beliſar wäre,“ lächelte Cethegus. 

„Spart euer Lachen,“ ſchalt dieſer. 

„Ich bewundre den Mann. 

Und es darf mich nicht mehr beleidigen, daß er mich 
der Empörung fähig hält. 

Hab' ich es ihm doch ſelber vorgelogen.“ 


275 





Und er ftampfte mit dem Fug. 

Rathet jegt und belft! 

Denn ihr habt mich in diefe leivige Wahl geffthrt. 

Sa fagen fann ich nicht. 

Und fag’ id) nein: — darf ich des Raifers Heer als 
vernichtet anfeb’n. 

Und mug obenein befennen, dak ic) die Empdrung 
nur erfogen." ; 

Sethegus fann fdweigend nad, das Rinn mit der 
infen langfam ftreidend. 

Plötzlich durchblitzte ihn ein Gedanke. 

Ein Strahl der Frende flog verſchönend über ſein 
Geſicht: „ſo kann ich ſie beide verderben!“ 

Er war in dieſem Augenblick ſehr mit ſich zufrieden. 

Aber erſt wollte er Beliſar ganz ſicher machen. 

„Du kannſt vernünftigerweiſe nur zwei Dinge thun,“ 
ſagte er zaudernd. 

„Rede: id) ſehe weder eins nod) das andre.“ 

„Entweder wirklich annehmen —" 

„Präfect,“ rief Beliſar grimmig und fuhr an's Schwert. 

Prokop hemmte erſchrocken ſeinen Arm. — 

„Keinen ſolchen Scherz mehr, Cethegus, fo lieb dir 
dein Leben.” . 

oder,” fubr diefer rubig fort, „züͤm Gein an: 
nebmen. 

Ohne Schwertſtreich einziehn in Ravenna. 

Und — — die Gothenfrone fammt dem Gothen⸗ 
tinig nad) Byzanz ſchicken.“ 

Das ift glänzend!“ rief Prokop. 


276 





„Das ift Verrath!“ rief Velifar. 

„Es ift beides,” fagte Cethegus rubig. 

„Ich könnte dem Gothenvolf nidt mehr in tie Augen 
ſehn.“ 

„Das iſt auch nicht nöthig. 

Du führſt den gefangnen König nach Byzanz. 

Das entwaffnete Volk hört auf, ein Volk zu ſein.“ 

„Nein, nein, das thu' ich nicht.“ 

„Gut. So laß dein ganzes Heer Teſtamente machen. 

Leb wohl, Beliſar. 

Ich gehe nach Rom. 

Ich habe durchaus nicht Luſt, fünfzigtauſend Gothen 
in Verzweiflung kämpfen zu ſehen. 

Und wie wird Kaiſer Juſtinianus den Verderber 
ſeines beſten Heeres loben!“ 

„Es iſt eine furchtbare Wahl,“ zürnte Beliſar. 

Da trat Cethegus langſam auf den Feldherrn zu. 

„Beliſar,“ ſprach er mit gemüthvoller, tief aus ber 
Bruſt geſchöpfter Stimme: ,du haſt mid oft für deinen 
Feind gehalten. 

Und ich bin zum Theil dein Gegner. 

Aber wer kann neben Beliſar im Feld geſtanden ſein, 
ohne den Helden zu bewundern?“ 

Und ſeine Weiſe war fo feierlich und ſalbungsvoll, 
wie man fie nie an dem ſarkaſtiſchen Präfecten fab. 

Belifar war ergriffen und felbft Profop erftaunte. 

„Ich bin dein Freund, wo id es fein fann. 

Und will dir diefe Freundſchaft in diefem Augenblict 
durch meinen Rath bewähren. 


207 


Glaubft pu mir, Beliſarius?“ 

Und er legte die linfe Hand auf des Selden Schulter, 
bot ihm treuherzig die Rechte, und ſah ihm tief in's 
Auge. 

Ja,“ ſagte Beliſar, „wer könnte ſolchem Blick miß⸗ 
trauen.“ 

„Siehe, Beliſar, nie hat ein edler Mann einen 
mißtrauiſchern Herrn gehabt als Du. — 

Der letzte Brief des Kaiſers iſt vie ſchwerſte Kränkung 
deiner Treue.“ 

Das weiß der Himmel." 

„Und nie bat ein Mann,“ — hier fagte er thn an 
beiden Handen — ‚herrlichere Gelegenheit gehabt, das 
ſchnödſte Mißtrauen zu befdamen, fid auf's Glorreidfte 
zu rächen, ſeine Treue ſonnenklar zu zeigen. 

Du biſt verläumdet, du trachteteſt nach der Herrſchaft 
des Abendlandes. 

Wohlan, bei Gott: du haſt ſie jetzt in Händen. 

Zieh' in Ravenna ein, laß dir von Gothen und 
Italiern huldigen und zwei Kronen auf dein Haupt ſetzen. 

Ravenna dein, dein blindergebnes Heer, die Gothen, 
die Italier — wahrlich, du biſt unantaſtbar. 

Juſtinian muß zittern zu Byzanz und ſein ſtolzer 
Narſes iſt ein Strohhalm gegen deine Macht. 

Du aber, der du all' dies in Händen haſt, — du legſt 
all' die Macht und all' die Herrlichkeit deinem Herrn zu 
Füßen und ſprichſt: 

Siehe, Juſtinianus, Beliſar iſt lieber dein Knecht 
als der Herr des Abendlands. 


276 


„Das ift Verrath!” rief BVelifar. 

„Es -ift beides," fagte Cethegus rubig. 

„Ich könnte dem Gothenvolk nidt mehr in tie Augen 
ſehn.“ 

„Das iſt auch nicht nöthig. 

Du führſt den gefangnen König nach Byzanz. 

Das entwaffnete Volk hört auf, ein Volk gu fein.“ 

„Nein, nein, das thu’ id nicht.” 

„Gut. So lak dein ganzes Geer Teftamente maden. 

Leb wohl, Belifar. 

Ich gehe nad Rom. 

Ich habe durchaus nicht Luft, fiinfigtaufend Gothen 
in Bergweiflung kämpfen gu feben. 

Und wie wird Raifer Suftinianus den Verderber 
ſeines beften Heeres {oben |” 

„Es ift eine furdjtbare Wahl,“ zürnte Beliſar. 

Da trat Cethegus langſam auf den Feldherrn zu. 

„Beliſar,“ ſprach ex mit gemüthvoller, tief aus der 
Bruſt geſchöpfter Stimme: „du haſt mich oft für deinen 
Feind gehalten. 

Und ich bin zum Theil dein Gegner. 

Aber wer kann neben Beliſar im Feld geſtanden ſein, 
ohne den Helden zu bewundern?“ 

Und ſeine Weiſe war fo feierlich und ſalbungsvoll. 
wie man ſie nie an dem ſarkaſtiſchen Präfecten ſah. 

Beliſar war ergriffen und ſelbſt Prokop erſtaunte. 

„Ich bin dein Freund, wo ich es ſein kann. 

Und will dir dieſe Freundſchaft in dieſem Augenblic 
durch meinen Rath bewähren. 


277 





Glaubft pu mir, Beliſarius?“ 

Und er legte die linfe Hand anf des Selden Schulter, 
bot ihm treuherzig die Rechte, und ſah ihm tief in's 
Auge. 

Ja,“ ſagte Beliſar, „wer könnte ſolchem Blick miß⸗ 
trauen.“ 

„Siehe, Beliſar, nie hat ein edler Mann einen 
mißtrauiſchern Herrn gehabt als Du. — 

Der letzte Brief des Kaiſers iſt die ſchwerſte Kränkung 
deiner Treue.“ 

„Dab weiß der Himmel.“ 

„Und nie hat ein Mann,“ — hier faßte er ihn an 
beiden Händen — ,herrlichere Gelegenheit gehabt, das 
ſchnödſte Mißtrauen zu beſchämen, ſich auf's Glorreichſte 
zu rächen, ſeine Treue ſonnenklar zu zeigen. 

Du biſt verläumdet, du trachteteſt nach der Herrſchaft 
res Abendlandes. 

Wohlan, bei Gott: du haſt ſie jetzt in Händen. 

Zieh' in Ravenna ein, laß dir von Gothen und 
Italiern huldigen und zwei Kronen auf dein Haupt ſetzen. 

Ravenna dein, dein blindergebnes Heer, die Gothen, 
vie Italier — wahrlich, du biſt unantaſtbar. 

Juſtinian muß zittern zu Byzanz und ſein ſtolzer 
Narſes iſt ein Strohhalm gegen deine Macht. 

Du aber, der du all' dies in Händen haſt, — du legſt 
all’ die Macht und all’ vie Herrlichkeit deinem Herrn gu 
Füßen und fpridft: 

Siehe, Juſtinianus, Belifar ift lieber dein Knecht 
als ver Serr des Abendlands. 


278 


So glorreth, Belifar, ward Treue nod nie auf 
Erden erprobt.“ , 

Cethegus hatte das Herg feines Herzens getroffen. 

Sem Auge leuchtete. 

‚Recht haft bu, Gethegus, fomm an mein Herz, hab’ 
Dant. 

Das ift grok gedacht. 

OD, Suftinian, du follft vor Sdam vergebhn !“ 

Cethegus entzog fic) Der Umarmung und ſchritt zur 
Thüre. 

Armer Witichis,“ flüſterte Prokop ihm yu; er wird 
dieſem Muſterſtück von Treue aufgeopfert. — 

Jetzt iſt er verloren.“ 

wa," ſagte Cethegus, „er iſt verloren, gewiß.“ 

Und draußen vor dem Zelt warf er den Mantel 
über die linke Schulter und ſprach: 

weber gewiſſer noch du ſelber, Beliſar.“ 


In ſeinem Quartier trat ihm Lucius Licinius gerüſtet 
entgegen. 

„Nun, Feldherr,“ fragte er, ,die Stadt iſt noch nicht 
übergeben. Wann geht's zum Kampf?“ 

„Der Kampf iſt aus, mein Lucius. 

Leg’ deine Waffen ab und gitrte did, gu reifen. 

Du gebft nod heute mit geheimen Briefen von 
mir ab." 

wan wen 


279 





wan den Rafer und die Raiferin.” 

„Nach Byzanz?“ 

„Nein, zum Glück find fie ganz nab, in ven Bädern 
von Epidaurus. 

Eile dich. 

In fünfzehn Tagen mußt du zurück ſein, nicht 
einen halben fpater. 

Staliens Schickſal harrt auf veine Wiederfunft.“ 


Sowie Profop miinvlid die Antwort Belifar’s dem 
Gothentinig überbracht, berief vdiefer in feinen Palaft 
pie Führer des Heeres, die vornehmften Gethen und 
eme Anzahl von vertrauten einfach Freien, theilte ihnen 
das Geſchehene mit und forderte ihre Buftimmung. 

Wohl waren fie anfangs mächtig überraſcht: und ein 
Schweigen des Staunens folgte auf feine Worte. 

Endlich fprad Herzog Gunthari8, mit Rührung auf 
den Konig blidend: 
| „Die legte deiner Königsthaten, Witichis, ift fo edel, 

ja edler als alle deine fritheren. 

Dich bekämpft gu haben werd’ ic) ewig berenen. 

Ich habe mir lange gefdworen, e8 ju fiihnen, indem 
id) dir Blindlings folge. 

Und wahrlich: in diefem Fall halt pu gu entſcheiden: 
denn du opferft das Höchſte: eine Krone. 

Soll aber ein Andrer als du König fein, — letdter 


280 


migen die Walfungen einem Fremden, einem Belifar al’ 
einem Gothen nachſtehn. 

Und ſo folg' ich dir und ſage: ja, du haſt gut und 
groß gehandelt.“ 

„Und ich ſage nein! und tauſendmal nein!“ rief 
Hildebad. 

Bedenkt, was ihr thut! 

Ein Fremder an der Spitze der Gothen!“ 


„Was iſt das Andres, als was andre Germanen vor 
uns gethan, Quaden und Heruler und Markomannen?“ 
ſagte Witichis ruhig, „ja was Andres, als was unſre 
glorreichſten Könige und ſelbſt Theoderich gethan? 

Sie leiſteten dem Kaiſer Waffendienſt und erhielten 
dafür Land. 

So lautet der Vertrag, nach dem Theoderich Italien 
von Kaiſer Zeno nahm. 

Ich erachte Beliſar nicht geringer als Zeno und mich 
wahrlich nicht beſſer als Theoderich.“ 

„Ja, wenn es Juſtinian wäre,“ fügte Guntharis bei. 

„Nie unterwerf' ich mich dem feigen und falſchen 
Tyrannen. 

Aber Beliſarius iſt ein Held. — 

Kannſt du das leugnen, Hildebad? 

Haſt du vergeſſen, wie er dich vom Gaul gerannt?“ 

„Schlag mich der Donner, wenn ich's ihm vergeſſe. 

Es iſt das Einzige, was mir an ihm gefallen hat.“ 

„Und das Olid iſt mit ihm, wie mit mir das Un- 
glück war. 


281 


Und wir bleiben frei wie bisher und ſchlagen nur 
fine Schladten gegen Byzanz. 

Er wird uns Rade ſchaffen an dem gemeinfamen 
Feind.“ 

Und faſt alle Verſammelten ſtimmten bei. 

„Nun, id kann end nicht in Worten widerlegen.“ 
rief Hildebad. — 

Bon je hab’ id die Bunge ungefüger, als die Art 
gefiibrt. — 

Wber id) fühl' es deutlich: thr habt Unrecht. — 

Hätten wir nur den ſchwarzen Grafen hier: der 
würde ſagen können, was ich nur ſpüre. 

Mögt ihr's nie bereuen! 

Mir aber ſei's vergönnt, aus dieſem ungeheuerlichen 
Miſchreich davon zu gehn. 

Ich will nicht leben unter Beliſar. 

Ich zieh' auf Abenteuer in die Welt: mit Schild und 
Speer und groben Hieben kömmt man weit.“ 

Witichis hoffte, den treuen Geſellen in vertrautem 
Geſpräch wohl noch umzuſtimmen. 

Er fuhr jetzt in der Sache fort, die ihm ſo ſehr am 
Herzen lag. 

oor Allem hat ſich Beliſar Schweigen ausbedungen, 
bis er Ravenna beſetzt hat. 

Es ſteht zu fürchten, daß einige ſeiner Heerführer 
mit ihren Truppen von einer Empörung gegen Juſtinian 
nichts wiſſen wollen. 

Dieſe, ſowie die verdächtigen Quartiere von Ravenna. 


282 





niiiffen von den Gothen und den verliffigen Anhängern 
Beliſar's umftellt fein, ehe die Entſcheidung fällt.“ 

„Hütet euch,“ warnte Hildebad, „daß ihr nicht ſelbſt 
in dieſe Grube fallt! 

Wir Gothen ſollen uns nicht auf's Fein⸗Spinnen 
verlegen. 

's iſt, wie wenn der Waldbär auf das Seil ſteigt — 
er fällt doch über kurz oder lang. 

Lebt wohl — mög' es beſſer ausfallen als ich ahne. 

Ich gehe, von meinem Bruder Abſchied zu nehmen. 

Der, wie ich ihn kenne, wird wohl mit dieſem 
Römer⸗Gothen⸗Staate ſich verſöhnen. 

Der ſchwarze Teja aber, vent’ ic), zieht mit mir 
davon.“ — 


Am Abend durchlief die Stadt das Gerücht von einer 
Capitulation. 

Die Bedingungen waren ungewiß. 

Aber gewiß war, daß Beliſar auf Verlangen des Königs 
große Vorräthe von Brod, Fleiſch und Wein in die Stadt 
ſchickte, welche an die Armen vertheilt wurden. 

„Er hat Wort gehalten!“ ſagten dieſe und ſegneten 
den König. 

Dieſer erkundigte ſich nun nach dem Befinden der 
Königin und erfuhr, daß ſie ſich langſam wieder beruhige 
und erhole. 


283 





„Geduld: — ſprach Witichis aufathmend — anc) fie 
wird bald fret und meiner lerig.“ 

Es dunkelte bereits, als eine ftarfe Scar berittner 
Gothen fid) aus der innern Stadt nad ver Mauerliide 
am Thurm des Aëtius wandte. — 

Gin flanger Reiter voran: dann eine Gruppe, welche 
auf quergelegten angen eine mit Tüchern und Mänteln 
verhüllte Laft in ſchweren Kiſten trug. 

Dann ver Reft der ftart geriifteten Männer. 

„Auf mit dem Ytothriegel! rief ver Führer, wir 
wollen binans." 

wou biſt es, Hildebad?“ rief rer Wade haltenve 
Graf Wifand, und gab Befehl gu öffnen. 

„Weißt dw ſchon, vie Stadt wird morgen übergeben. 

Wo wilt du bin?" 

„In die Freiheit!“ rief Hildebad und gab feinem 
Rok die Sporen. 


Dreiundpwansigftes Capitel. 





Mehrere Tage waren vergangen, bis die Konigin 
Matafwintha ſich aus den wirren ieberphantafien und 
aus dem von wilden Träumen gequalten Schlummer, 
ver auf diefelben gefolgt war, erhoben hatte. 

Theilnahmslos und ftumpf ftand fie der ganjen 
AuKenwelt und den gewaltigen Entſcheidungen gegenitber, 
welde fid) damals vorberetteten. : 

Gie ſchien feine Empfindung mehr zu haben, ald 
nas eine Gefiihl ihrer ungebenern frevelhaften Thaten. 

Und rafd hatte fid) ver wild frohlodende Triumph 
des Haffes, mit weldem fie die Fadel in der Hand durd 
pie Nacht geftiirmt war, in zerftdrende Rene, in Graven 
und Entſetzen verwandelt. 

Sn vem Augenblid, ba fie die arge That gethan, 
hatte fie der Erdſtoß in die Kniee geworjen: und thr von 
allen Leidenfdaften erregter Ginn, ihy im Moment des 
vollendeten Frevels erwachendes Gewiffen glaubte, vie Erde 
wolle fic iiber ihre Unthat empören: und fie fah die Mache 
des Himmels herembreden über ihr ſchuldiges Haupt. 

Und als fie nun, in ihrem Gemache wieder angelangt, 


285 


alsbald die Lohe, welche ihre Hand entzündet, riefengrog 
emporfteigen fab, als fie tas taufendftimmige Wehegeſchrei 
ter Ravennaten und Gothen vernahm, da fdien jere 
Flamme an ihrem Herzen zu nagen und jeve ver flagenden 
Stimmen fie 3u verfluden. 

Sie verlor ras Bewuftfein: fie brach zuſammen 
unter den Folgen ihrer That. 

Als fie vie Befinnung wieder gefunden und fic alle 
malig des Geſchehenen wieder erinnert hatte, war die 
Kraft ihres Haffes gegen ven König villig gebrodjen. 

Shre Seele war gefnict. 

Rieffte Rene über ihre That, zitternde Scheu, je 
wieder vor fein Antlig treten gu follen, erfiillte fie ganz. 

Um fo mehr, als fie felbft wufte und von allen 
Seiten vernahm, wie ver Untergang ver Magazine den 
Rénig zur CErgebung an feine Feinde zwingen werre. 

Ihn felbcr fah fie nidt. 

And als ex einmal einen Augenklid Beit fand, per: 
{anlid nad ihrem Buftand in ihren Gemadern ſich yu 
erfundigen , befdiwor fie die ftaunente Aſpa, um feinen 
Preis den Konig vor ihr Untlig treten zu laffen: obs 
wohl fie wieder feit mebreren Tagen das Lager verlaffen 
und haufig arme Leute aus ver Stadt empfangen hatte, 
ja vie Darbenden auffordern ließ, fic bet ihr gu 
melden. 

Sie pflegte dann eigenhändig die für ſie und ihren 
Hof beſtinmten Speiſen und mit maßloſer Freigebigkeit 
Schmuck, Gold und Koſtbarkeiten an ſie zu vertheilen. 

Solchen Beſuch eines Bettlers erwartete ſie, als ein 


Dreiundpwansigftes Capitel. 





Mehrere Tage waren vergangen, bis die Konigin 
Matafwintha fid aus den wirren Fieberphantafien und 
aug dem von wilden Träumen gequalten Schlummer, 
ber auf diefelben gefolgt war, erhoben hatte. 

Theilnahmslos und ftumpf ftand fie der ganjen 
AuKenwelt und den gewaltigen Cntfdeidungen gegeniiber, 
welde fic) damals vorbereiteten. ; 

Gie ſchien feine Empfindung mehr zu haben, ald 
pas eine Gefiihl ihrer ungeheuern frevelhaften Thaten. 

Und raſch hatte fid) ver wild frohlodende Triumph 
des Haffes, mit weldem fie die Fadel in ver Hand durd 
vie Nacht geftiirmt war, in zerſtörende Rene, in Granen 
und Entfesen verwandelt. 

Sn dem Wugenblid, va fie die arge Tha gethan, 
hatte fie der Erdſtoß in vie Kniee geworfen: und ihr von 
allen Leidenſchaften erregter Ginn, ihr im Moment ves 
vollenteten Frevels erwachendes Gewiffen glaubte, die Erde 
wolle fic) iiber thre Unthat empören: und fie fab die Rache 
des Himmels hereinbreden über thy fchuldiges Haupt. 

Und als fie nun, in ihrem Gemache wieder angelangt, 


285 


alsbald die Lohe, welde ihre Hand entzündet, rieſengroß 
mporfteigen fab, als fie tas taufendftimmige Wehegeſchrei 
vr Ravennaten und Gothen vernahm, da fdien jeve 
Flamme an ihrem Herzen yu nagen und jede ver flagenden 
Stimmen fie gu verfluden. 

Sie verlor ras Bewuftfein: fie brad) zuſammen 
unter den Folgen ihrer That. 

Als fie die Befinnung wieder gefunden und fic all 
malig res Gefdehenen wieder erinnert hatte, war die 
Kraft ihres Gaffes gegen ven König villig gebrodjen. 

Shre Seele war gefnidt. 

Tieffte Reue über ihre That, gitternte Scheu, je 
wieder vor fein Antlig treten gu jollen, erfiillte fie ganz. 

Um fo mebr, al8 fie felbft wufte und von allen 
Seiten vernahm, wie der Untergang der Magazine den 
König zur Ergebung an feine Feinde zwingen werde. 

Ihn felber ſah fie nidt. 

Auch als er einmal einen Augenblid Beit fand, per- 
ſönlich nad ihrem Buftand in ihren Gemächern ſich gu 
erkundigen, beſchwor fie die ftaunenve Ufpa, um feinen 
Preis den Konig vor ihr Antlig treten zu laffen: ob- 
wohl fie wieder feit mehreren Tagen das Lager verlafjen 
und häufig arme Leute aus der Stadt empfangen hatte, 
ja die Darbenden anffordern ließ, fic) bet ihr gu 
melden. 

Sie pflegte dann eigenhandig die fiir fie und ihren 
Hof beftimmten Speifen und mit maflofer Freigebigkeit 
Schmuck, Geld und Koftbarfeiten an fie yu vertheilen. 

Colden Befud) eines Bettlers erwartete fie, als ein 


286 


Mann in braunem Mantel und einer Sturmbaube 
widerholt und dringend fie um die Gnade gebeten hatte, 
fie möchte nicht ihm, fondern einer armen Frau ihres 
Bolfes die Gunft einer Unterredung ohne Beugen ges 
währen. 

„Es gelte des Königs Heil: es gelte zu warnen vor 
thätigem überführbarem Berrath, der feine Krone, viele 
leicht fein Leben, bedrobe. 

Matafwintha gemabhrte eifrig die Bitte. --- 

Modte es ein Srrthum, ein Vorwand fein: ſie 
urfte nidt mehr abweifen, was aud nur mit dem 
Vorwand fener Rettung an fte trat. 

Auf Sonnenuntergang beftellte fie nas Weib. — 

Die Gonne war gefunten. 

Der Süden fennt faft feine Dämmerung. 

Es war finfter beinahe, als der don lange im Vorſal 
harrenden Frau eine Slavin wintte. 

Die Königin, tranf und fdjlaflos des Nachts, habe 
erft gur adten Stunde Schlummer gefunden. 

Shen erft erwacht fet fle febr ſchwach. 

Gleichwohl folle vie Bittende vorgelaffen werden, da 
e8 rem König gelte. 

„Iſt das aber aud) gewiß wahr?“ forfdte die Stlavin. 

Midht unniig möcht' ih meine Herrin mühen:“ 
— e3 war Afpa — , wenn ihr nur Gold damit erliften 
wolltet, fagt e8 mir fret. 

Shr follt mehr haben als ihr begehrt — nur ſchont 
meine Herrin. 

Gilt es vem König wirklid 2“ 


} 


287 





C8 gilt dem König!“ 

Seufzend führte Afpa vie Frau in das Gemad 
Ratafwinthen’s. 

Diefe erhob ſich, das Haupt und Haar von dichtem 
Tud umwunden, gang in leidtes, weißes Kranfengewand 
gefleidet, im Hintergrund des großen Gemades von dem 
Lager, an weldem ein runder Moſaiktiſch ſtand. 

Die golone Ampel, welche her demfelben in die Wand 
eingelaffen war, brannte bereits mit mattem Vidt. 

Aber fie blieh anf rem Rand ves Lagers mide figen. 

Tritt naber," fprad fie. 

„Es gilt bem König? warum zögerſt du? 

Rede.” 

Das Weib veutete auf Afpa. 

note tft verſchwiegen und tren.“ 

„Sie ift ein Weib.” 

Auf einen Wink Matafwinthen’s entfernte fic) ungern 
bas Marden. 

»Amelungentodter — id) wei}: nur ded Reides Noth, 
nidt Liebe, hat did) gu ihm gefithrt. — 

(Wie wunderſchön fie ift, obzwar todesblag !) 

Dod, Gothenfsnigin bift bu: feine Königin — ob 
bu ibn aud nicht liebſt: — fetn Reich, fein Sieg muß 
pir dad Höchſte fein.” 

Matafwintha griff nad) der Goldlehne des Lagers. 

„So denkt jede Vettlerin im Gothenvolk!“ ſeufzte fie. 

Su ihm fann ich nicht ſprechen. 

Ans eignen Grilnden. 


288 





So fpred’ ich denn zu dir, der es am Meiſten 
guftebt, ihn vor BVerrath gu warnen. Höre mid.” 

Und fie trat naber, fdarf auf die Königin blickend. 

„Wie feltfam, ſprach fie zu fich felbft. „Welche Aehn- 
lidjfeit der Geſtalt.“ 

„Verrath! Noch mehr Verrath?“ 

„So ahnſt auch du Verrath?“ 

„Gleichviel. Von wem? 

Von Byzanz? 

Von Außen? 

Von dem Präfecten?“ 

„Nein,“ ſprach das Weib kopfſchüttelnd. 

„Nicht von Außen. 

Von Innen. 

Nicht von einem Mann. 

Von einem Weib.“ 

„Was redeſt du?“ ſprach Mataſwintha, noch bleicher 
werdend. 

„Wie kann ein Weib —“ 

„Dem Helden ſchaden? 

Durch hölliſche Bosheit des Herzens! 

Nicht mit Gewalt. 

Mit Liſt und Verrath. 

Vielleicht bald mit heimtückiſchem Gift, wie ſchon 
geſchehn — mit heimtückiſchem Feuer.“ 

„Halt em!" 

Mataſwintha, die ſich erhoben hatte, wankte zurück 
an den Moſaiktiſch, ſich daran lehnend. 

Aber das Weib folgte ihr, leiſe flüſternd: 


289 





‚Wiſſe das Unglaublide, das Schändliche! 

Der Konig glaubt und das Boll: der Blige ves 
Himmels habe fein Korn verbrannt. 

3d aber weiß es beffer. 

Hind aud) Gr foll es wifjen. 

BWiffen, gewarnt durd deinen Mund, zu erforfden 
und gu entwaffnen die Bosheit. 

Ich fah in jener Nacht eine Fadel durch vie Speiders 
gange eilen und ein Weib hat fie hineingefdleudert. 

Du fdauderft? 

Sa, en Weib. 

Du wilft hinweg? 

Nein, hive nur noch ein Wort. 

Dann will ich did lafjen. 

Den Namen? . 

Sh weiß ihn nicht. 

Uber fie brad vor mir jufammen und entfam mir: 
dod verlor fie als Wahrzeiden, als Erkennungszeichen — 
diefe Sdhlange von Smaragd.” | 

Lind die Frau trat hart an den Tiſch, dict unter 
ben Schein der Ampel, ven Armreif erhebend. 

Da fubr die Gepeinigte hod) empor. 

Vor vas Antlig hob fie die beiden nadten Arme. — 

Bon der haftigen Bewegung fiel vie Kopfhülle. 

Shr rothes Haar fluthete nieder und durch das Haar 
hindurch fdimmerte an threm linfen Arm eine Goldfpange 
mit fmaragdner Schlange. 

Da!” frie das Weib laut auf. ,Bei'm Gott der 


Treue! 
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 19 


290 





ou! Du felber bift’s! 

Seine Réinigin! 

Gein Weib hat ihn verrathen! 

Fluch itber vid)! Das foll er wiffen'” . 

Mit gellendem Auffdret fiel Mtatafwintha auf ihr 
Antlig in vie Kiſſen zurück. 
Der Schrei bradjte Aſpa ans rem Nebengemad yur 
Stelle. 

Uber als fie eintrat, war die Königin fdon allein. 

Der Vorhang des Cingangs raufdte. 

Die VBettlerin war verfdwunden. 





Vierundwanzigſtes Capitel. 





Am andern Morgen fdon ſahn vie Ravennaten mit 
Staunen Profop, Johannes, Demetrius, Beſſas, Ucacius, 
Vitalius und eine Reihe andrer belifarifder Heerfithrer in 
ten Palaft des Königs ziehn. 

Sie beriethen dort mit ihm die naberen Bedingungen 
und die Formen der Uebergabe. 

Unter ven Gothen verlautete einftweifen nur: der 
Friede fei geſchloſſen. 

Die beiden Hauptwünſche, um deren willen das Volk 
den ganzen ſchweren Kampf getragen, würden erreicht: 
ſie würden frei ſein und im ungetheilten Beſitz des ſchönen 
Südlands bleiben, das ihnen ſo theuer geworden war. 

Das war weitaus Mehr als nach dem ſchlimmen Stand 
der gothiſchen Sache ſeit dem Abzug von Rom und dem 
unvermeidlich gewordnen Verluſt von Ravenna zu evs 
warten war. 

Und vie Haupter der Sippen und fonft die einflup- 
reidhften Männer im Heere, weldje jest von dem bevor⸗ 
ftehenden Schritt Belijar’s verftandigt wurden, billigten 
vollſtändig die befdloffnen Beringungen. 

19° 


292 





Die Wenigen, welde die Buftimmung weigerten, 
erbielten freien Whjug aus Ravenna und Italien. 

Aber aud abgefehen hiervon, wurde das in Ravenna 
ftehende Gothenheer nad allen Richtungen zerſtreut. 

Witichis ſah die Unmiglicfeit ein, in der ausgefognen 
Landfdhaft auger den Truppen BVelifar’s mit defjen Vor⸗ 
rathen aud) nod bas gothifde Heer und die Bevölkerung 
gu verforgen: und fo bewilligte er die Forderung Beliſar's, 
daß die Gothen, in Gruppen von Hunderten und Tanfens 
den, gu allen Thoren der Stadt hinaus gefiihrt und in 
allen Ridtungen nad ihren Heimftatten entlafjen würden. 

Beliſar fiirdhtete ven Ausbruch gothiſcher Versweiflung, 
wenn Der arge Verrath, den man gegen fie vor hatte, 
rudtbar würde: und er wünſchte deßhalb vie Vertheilung 
des aufgeldften Heeres. 

War er einmal im fidern Befig von Ravenna, fo 
hoffte ex etwaige Erhebungen auf dem fladen Lande 
leicht gu Dampfen. . 

Und Tarvifium, Verona und Licinum, die legten 
feften Plage ver Gothen in gang Stalien, fonnten dann 
nidt lange mehr feiner gefanunten gegen fle gewendeten 
Macht widerftehen. 

Dte Ausfithrung dieſer Maßregeln erforderte mehrere 
Lage Beit. 

Erft als nur mehr wenige Mann Gothen in Ras 
penna verfammelt waren, beſchloß Belifar ſeinen Einzug. 

Und aud) von diefem geringen Reft wurde die Halfte 
in das byzantiniſche Lager verlegt, die andre Halfte in 
ven Qluartieren der Statt vertheilt unter rem Vorwann, 


_ 293 





ven etwaigen Widerftand von hartnadigen Anhängern 
Juftinian’s gu brechen. 

Was aber die Ravennaten und die in den Plan 
nidt eingeweihten Gothen am Meiſten wunderte, war, 
daß nad) wie vor die blaue gothifde Fahne auf den 
Binnen ves Palaftes webte. 

Freilich ftand ein Lanzenträger Belifar’s dort oben 
bet ihr Wache. 

Denn aud ver Palaft war fdon voll von Byzan⸗ 
tinern. 

Gegen einen etwaigen Verſuch des Prafecten, fid 
wie in Rom durd Befesung der widtigften PBuncte yum 
Herm ver Stadt gu mtaden, hatte Belifar vorfidtige 
Maßregeln getroffen. 

Cethegus durchſchaute fie und lächelte. 

Gr that nichts dagegen. 

Am Morgen ves gum Einzug beftimmten Tags trat 
Gethegus in glanjender Rüſtung in das Belt Beliſars. 

Gr traf nur Prokop. 

„Seid ihr bereit?“ fragte er. 

Vollſtändig.“ 

„Welches iſt der Moment?“ 

„Der Augenblick, in dem ver König im Schloßhof 
zu Pferde ſteigt, uns entgegenzureiten. 

Wir haben Alles bedacht.“ 

‚Wieder einmal Alles?" lächelte ver Präfect. 

„Eins habt ihr mir vod) nod) übrig gelaſſen. 

Es wird nicht ausbleiben, daß die Barbaren, ſowie 


— 


294 


unfer Blan gelungen und befannt ift, im ganzen Land 
in beller Wuth auflodern werden. 

Mitleid und Rachedurft fiir ihren König könnten fie 
zu febr wilben Thaten führen. 

Die ganze Begeifterung für Witidhis und die Ents 
riiftung gegen uns würde nun im Reim erftidt, und die 
Wothen faben fic) nicht von uns, fondern von ihrem 
Kinig verrathen, wenn diefer felbft fcbriftlid) bezeugen 
wiirbe, er habe die Stadt nicht an Beliſar al’ Gothen- 
fonig und Rebellen gegen Buftinian, fondern einfach an 
den Feldherrn Suftinian’s übergeben. 

Sene Empörung Beliſar's, die ja aud) wirklich aus. 
bleibt, erfdeint dann den Gothen als eine bloke von 
ihrem König erfonnene Lüge, die Sdande der Ergebung 
ihnen ju verbiillen.“ 

„Das ware vortrefflich; aber Witichis wird das nicht 
thun.“ 

‚Wiſſentlich ſchwerlich. 

Aber vielleicht unwiſſentlich. 

Ihr habt ihn den Vertrag doch nur im Original 
unterſchreiben laſſen?“ 

„Er hat nur einmal unterſchrieben.“ 

„Dieſe Urkunde iſt in ſeinem Beſitz? 

Gut, ich werde ihn hier dies von mir aufgeſetzte 
Duplicat unterzeichnen laſſen, anf dak aud) Belifar, “ lächelte 
er, „das werthvolle Schriftſtück befige.“ 

Prokop blidte hinein. — 

„Wenn er das unterzeichnet, hebt fic) freilich fein 
gothifd) Sdywert mebr für ihn. 


299 


Uber —“ 

‚Laß die Aber mid) befiegen. 

Entweder unterfdretbt er heute fretwillig, im Drang 
des Augenblids, ohne yu lefen* — | 

Oder?“ 

„Oder,“ vollendete Cethegus finſter, .er unterſchreibt 
fpater. 

Unfreiwillig. 

3h eile voraus. 

Entfduldige, wenn ich euern Triumphzug nidt bes 
gleite. 

Meinen Glückwunſch an Beliſar.“ 

Aber da trat Beliſar in das Zelt. 

Antonina folgte ihm. 

Gr war nicht geriiftet und blidte düſter vor ſich bin. 

wile, Feldherr,“ mahnte Profoy, Ravenna harrt 
ibres Befiegers. Der Einzug —" 

„Nichts von Einzug,“ ſprach Beliſar grimmig. 

Ruf' die Soldaten ab. 

Mich reut der ganze Handel.“ — 

Cethegus blieb an dem Ausgang des Zeltes ſtehn. 

„Beliſar!“ rief Prokop entſetzt, „welcher Danton hat 
dir das eingeblafen 2" 

„Ich!“ fagte Antonina ftoly, ,was ſagſt du nun 2 

woo) fage, Daf grofe Staatémanner feine Frauen 
haben follten!" rief Brofop argerlid. 

pelifar entbedte mir erft in dtefer Nacht ener Vor⸗ 
baben. 

Und ich bab’ ibn unter Thränen —“ 


296 





„Verſteht ſich,“ brummte Profop, „die fommen ftets 
zu vedjter eit." | 
wUnter Thranen befdworen, abzuſtehn. 

Sd fann meinen Helden nidt von fo ſchwarzem Vers 
rath befledt ſehn.“ 

„Und ich wills nicht fein. 

Lieber reit' ich beſiegt im Orcus ein, denn alſo 
als ein Sieger in Ravenna. 

Meine Briefe an ven Kaiſer find nod nicht abge⸗ 
gangen — | 

Alfo iſt's nod eit.“ 

ein,” fagte Cethegus herriſch, von der Thür in’s 
Belt fdreitend. 

„Zum Glück fiir vid iſt's nicht mehr Beit. 

Wiffe: ich habe fdon vor act Tagen an den Raifer 
gefdrieben, ihm Wes mitgetheilt und Glück gewünſcht, 
dak fein Felbbery ohne minbdeften Verluft Ravenna gee 
wonnen hat und ber Krieg beendet.“ 

„Ha, Prafect," rief Belifar. 

ou bift ja fehr dienftfertig. 

Woher viefer Cifer 2 

„Weil id) Beliſarius fenne und feinen Wantelmuth. 

Weil man vid) gu vdeinem Glide zwingen mug. 

Und weil id) ein Ende diefes Srieges will, der mein 
Stalien zerfleiſcht.“ 

Und vrohend trat er gegen die Frau eran, welde 
aud jest der dämoniſchen bebherrfdenden Gewalt feines 
Blides nicht gu entgehen vermodte. 

„Wag' e8, verſuch es jest! 





297 


Tritt zurück, enttäuſche Witihis und opfre einer 
Grille deines Weibes Ravenna, Stalien und vein Heer. 
Siehe gu, ob dir vas Juſtinianus je vergeben fann. 

Auf Antonina’s Seele viefe Schuld! 

Hord), die Trompeten rufen: rüſte vid! 

Gs bleibt dir feine Wahl!“ 

Und er eilte hinaus. 

Beſtürzt fah ihm Antonina nad. 

„Prokop,“ fragte fie Dann, „weiß es ber Rafer wirt- 
lich ſchon?“ 

„Und wenn er es nod) nidt wiigte, — gu Viele find 
fdon in das Geheimniß eingeweiht. 

Nachträglich erfährt er jedesfalls, daß Ravenna und 
Italien ſein war, und — daß Beliſar um die Gothen⸗ 
krone, die Kaiſerkrone warb. 

Nur daß er fie erlangt und — abliefert, kann ihn 
rechtfertigen vor Juſtinian.“ 

„Ja,“ fagte Beliſar fenzend, ,er hat Recht. 

Es bleibt mix feine Wahl." 

So geh,“ fprad) Antonina eingeſchüchtert. 

Mir aber ſei's erlaſſen, bet dieſem Einzug dich zu 
begleiten: — es iſt ein Schlingen⸗Legen, kein Triumph!“ 


Die Bevöllerung von Ravenna, wenn and im Un⸗ 
flaren über vie näheren Veftimmungen, war dod) gewiß, 
daß dex Friede gefdloffen und den langen und ſchweren 
Leiden ves verheerenden Kampfes ein Ende gemacht fei. 


298 


Und vie Viirger hatten in aufathmender Freunde über 
diefe Erldfung vie Trümmer, welche das Erdbeben anf 
fehr viele Straßen geworfen, hinweggeräumt und ibre 
befreite Stant feftlich geſchmückt. 

Laubgewinde, Fahnen und Leppiche zierten die 
Strafen, vas Voll orangte ſich anf den grofen Fora, 
in den Lagunen-Gandlen und in den Badern und Bafi- 
lifen in freudiger Bewegung, begterig, den Helden Velifar 
und das Heer gu ſehen, welde fo lange ihre Mauern 
bedrobt und endlich die Barbaren iiberwunden Hatten. 

Schon zogen ftarfe AWbtheilungen von Byjantinern 
ftol; und triumpbivend ein, während die in ſchwachen 
Zahlen iberall zerſtreuten gothiſchen Poſten mit Schweigen 
und mit Widerwillen die verhaßten Feinde in die Reſidenz 
Theoderichs einrücken ſahen. 

In dem ebenfalls reich geſchmückten Königs-Palaſt 
verſammelten ſich die vornehmſten Gothen in einer Halle 
neben den Gemächern der Königs. 

Dieſer bereitete ſich, als die für den Einzug Beliſars 
anberaumte Stunde nahte, die königlichen Kleider anzu⸗ 
legen — mit Befriedigung, denn es war ja das letzte Mal, 
daß er die Abzeichen einer Würde tragen, ſollte, die 
ihm nur Schmerz und Unheil gebracht. 

„Geh, Herzog Guntharis.“ ſprach er zu dem Wölſung, 
„Hildebad, mein ungetreuer Kämmerer, hat mid) verlaſſen. 

Vertritt du dies eine Mal ſeine Stelle: die Diener 
werden dir im Königsſchatz die goldne Truhe zeigen, 
welche Krone, Helm und Purpurmantel, Schwert und 
Schild Theoderichs verwahren. 


299 





Ich werde fie heute zum erften und letztenmal anlegen, 
fie dem Selden abyuliefern, der fie nicht unwürdig tragen 
wird. 

Was giebt es dort fir Lärm!“ 

Derr, en Web,” antwortete Graf Wijand, „eine 
gothijde Bettlerin: 

Sie hat fid) ſchon dretmal herangedrangt. 

Sie will ihren Namen vir nur nennen! 

Weiſt fie hinans! —“ 

Nein, fagt ihr, id) will ſie hören — heute Abend 
fol fie im Palaſt nad mir fragen.“ 

Als Guntharis vas Gemach verlaffen, trat Beffas 
ein mit Gethegus. 

Der Prafect hatte diefem, ohne ihn einzuweihen, das 
Duplicat der Capitulation iibergeben, welches ver Gothen- 
finig nod unterfdreiben follte. 

Aus diefer unverdadtigen Hand, glaubte er, witrde 
jener die Urkunde arglofer nehmen. 

Witichis begrüßte die Cintretenden. 

Bei dem Anblick des Prafecten flog iiber fein Antlig, 
das heute heller als ſeit langen Monden glingte, ein 
dunkler Schatte. 

Doch bezwang er ſich und ſprach: 

sou bier, Präfect von Rom? 

Anders hat diefer Kampf geendet als wir meinten! 

Sedod, du fannft aud) damit zufrieden fein. 

BWenigftens fein Griechentaifer, fein Sujtinianus wird 
dein Rom bebherrfden." 

lind foll es nidjt, fo lange id) lebe.“ 


300 


„Ich fomme, König ver Gothen," fiel Beffas ein, 
wit den Vertrag mit Beliſar zur Unterfdrift vorgulegen.” 

„Ich bab’ ihn fdon unterfdrieben.“ 

„Es ift die für meinen Herm beftimmte Doppelſchrift.“ 

„So gieb,” fprad Witidhis und wollte das Pergament 
aus des Byzantiners Hand nehmer. | 

Da trat Herzog Guntharis mit den Dienern eil- 
fertig in's Gemad: 

‚Witichis,“ rief er, der Königsſchmuck ift vere 
ſchwunden.“ 

‚Was iſt dase" fragte Witichis. 

„Hildebad allein führte die Schlüſſel davon.“ 

„Die ganze Gold⸗Truhe, auch noch andre Truhen 
ſind fort. 

In der leeren Niſche, da ſie ſonſt ſtanden, lag dieſer 
Streif Pergament. 

Es find die Schriftzüge von Hildebad's Schreiber.“ 

Der König nahm und las. 

„Krone, Helm und Schwert, Purpur und Schild 
Theoderich's ſind in meinem Gewahrſam. 

Wenn Beliſar ſie will, ſoll er ſie von mir holen.“ 

„Die Rune H — für Hildebad.“ 

„Man muß ihn verfolgen,“ ſagte Cethegus finſter, 
„bis er ſich fügt.“ 

Da eilten Johannes und Demetrius herein. 

„Eile dich, König Witichis,“ drängten ſie. 

„Hörſt du die Tubatöne? 

Beliſar hat ſchon die Porta des Stilicho erreicht.“ 

„So laßt uns gehn,“ ſprach Witichis, ließ fid von 





301 


pen Dienern den Purpurmantel, welden fie ftatt ves 
verſchwundenen mitgebradt, um die Schultern werfen und 
driidte einen golbnen Reif anf das Haupt. 

Statt des Sdrwertes reidte man ihm ein Scepter. 

Und fo wandte er fic) zur Thür. 

„Du Haft nicht unterfdrieben, Herr," mahnte Befjas. 

„So gieb,“ und er nahm die Schrift jest aus der 
Hand ves Byzantiners. 

„Die Urkunde ift ſehr lang,” fagte er bineinblidend 
and bob an 3u leſen. 

n@ile, Rinig,” mabnte Sohannes. 

‚Zum Lefen ift nicht mehr Beit,“ fagte Cethegus 
gleichgültig, und reidte ihm pte Schilffeder von dem 
Lifd. 

„Dann aud nidt mehr zum Schreiben,“ antwortete 
ver Konig. 

OU weift: th war ein Konig nad Bauernart, wie 
die Lente fagten. 

Bauern unterfdreiben feine Beile, che fie genau ges 
leſen: geben wir." 

Und lächelnd gab er die Urtunde an den PBrifecten 
und fdjritt binaus. 

Die Byyantiner und alle Anwefenden folgten. 

Cethegus driidte das Pergament zuſammen: 

„Warte nur,“ flifterte er grimmig, „du fellft rod 
nod unterfdreiben.” 

Langfam folgte er den Wndern. 

Die Halle vor dem Gemad ves Königs war bereits 
Leer, 


302 

Der Prafect fdritt hinaus auf ven gewölbten Bogen 
gang, der im Biered den erften Stod des Palaftes um⸗ 
gab und deſſen byzantinifd + romanifde Rundbogen den 
freien Blid in den weiten Hofraum gewährten. 

Der weite Hofraum war von VBewaffneten dicht gee 
fit. | 

An allen vier Thoren ftanden die Lanjentrager Be⸗ 
liſars 

Cethegus lehnte hinter einem Bogenpfeiler und ſprach, 
dem Gang der Ereigniſſe folgend, mit ſich ſelbſt: 

„Nun, Byzantiner genug, um ein kleines Heer ge⸗ 
fangen zu nehmen! 

Freund Prokop iſt vorfichtig — 

Da! — Witichis erſcheint im Portal — 

Seine Gothen ſind noch weit hinter ihm auf der 
Treppe. 

Des Königs Pferd wird vorgeführt. — 

Beſſas hält dem König den Bügel. — 

Witichis tritt heran, er hebt den Fuß. — 

Jetzt ein Trompetenſtoß — 

Die Treppenthüre des Palaſtes fällt zu und ſchließt 
die Gothen in den Treppenbau. 

Auf dem Dache reißt Prokop das Gothenbanner 
nieder. — 

Johannes faßt ſeinen rechten Arm, brav Johannes. — 

Der König ruft: „Verrath, Verrath!“ 

Er wehrt ſich mächtig. — 

Aber der lange Mantel hemmt ihn. — 

Da, da, er ſtrauchelt. — 


303 


Gr ſtürzt gu Boren. — 
Da liegt vas Reich der Gothen.” — — — 


„Da liegt Das Reid der Gothen!” 

Mit viefen Worten begann aud) Profop die Sige, 
welde ex an diefem Whend in fein Tagebud) eintrug: 

| „Ein widtig Sti Weltgeſchichte hab’ id) heut bei 

Lage machen helfen und zeichne ich nun Nachts bier ein. 

Wis id) heute das römiſche Heer feinen Einzug 
balten fab in die Thore und Königsburg von Ravenna, 
fam mir abermals der Gedanfe: nicht Tugend oder 
Bahl oder Verdienft entſcheidet den Erfolg in ver Gee 
ſchichte. 

Es giebt eine höhere Gewalt, die unentrinnbare 
Nothwendigkeit. 

An Zahl und an Heldenthum waren uns die Gothen 
überlegen: und ſie haben es nicht fehlen laſſen an irgend 
denkbarer Anſtrengung. 

Die gothiſchen Frauen in Ravenna ſchmähten ihren 
Männern laut in's Angeſicht, als ſie die kleinen Ge— 
ſtalten, die nicht zahlreichen Scharen unſerer einziehenden 
Truppen ſahen. 

Summa: in gerechteſter Sache, in heldenmüthigſter 
Anſtrengung kann ein Mann, kann ein Boll doch er- 
liegen, wenn übermächtige Gewalten entgegen treten. 
welche durchaus nicht immer das beſſere Recht für ſich 
haben. 


302 

Der Prafect ſchritt hinaus auf den gewölbten Bogen 
gang, der im Biered den erften Stod des Palaftes um⸗ 
gab und deffen byzantiniſch-romaniſche Rundbogen den 
freien Blid in den weiten Hofraum gewährten. 

Der weite Hofraum war von VBewaffneten vidt ge- 
füllt. 

An allen vier Thoren ſtanden die Lanzenträger Be⸗ 
liſars 

Cethegus lehnte hinter einem Bogenpfeiler und ſprach, 
dem Gang der Ereigniſſe folgend, mit ſich ſelbſt: 

„Nun, Byzantiner genug, um ein kleines Heer ge⸗ 
fangen zu nehmen! 

Freund Prokop iſt vorſichtig — 

Da! — Witichis erſcheint im Portal — 

Seine Gothen ſind noch weit hinter ihm auf der 
Treppe. 

Des Königs Pferd wird vorgeführt. — 

Beſſas hält dem König den Bügel. — 

Witichis tritt heran, er hebt den Fuß. — 

Jetzt ein Trompetenſtoß — 

Die Treppenthüre des Palaſtes fällt zu und ſchließt 
die Gothen in den Treppenbau. 

Auf dem Dache reißt Prokop das Gothenbanner 
nieder. — 

Johannes fat ſeinen rechten Arm, brav Johannes. — 

Der König ruft: „Verrath, Verrath!“ 

Er wehrt ſich mächtig. — 

Aber der lange Mantel hemmt ihn. — 

Da, da, er ſtrauchelt. — 


303 


— zu Boren. — 
Da liegt vas Reid) der Gothen.” — — — 


„Da liegt Dad Reid) der Gothen!" 

Mit diefen Worten begann aud) Profop die Gage, 
welde er an diefem Abend in fein Tagebud) eintrug: 

| „Ein widtig Stück Weltgeſchichte hab’ id) heut bet 

Lage machen helfen und zeichne ich nun Nachts bier ein. 

Wis id) heute dad römiſche Heer feinen Einzug 
balten fal im die Thore und Königsburg von Ravenna, 
fam mir abermals ver Gedanke: nidt Tugend oder 
Bahl over Verdienſt entfdeidet den Erfolg in ver Gee 
ſchichte. 

Es giebt eine höhere Gewalt, die unentrinnbare 
Nothwendigkeit. 

An Zahl und an Heldenthum waren uns die Gothen 
fiberlegen: und fie haben es nicht fehlen laſſen an irgend 
renfbarer Anſtrengung. 

Die gothiſchen Frauen in Ravenna ſchmähten ihren 
Männern laut in's Angeſicht, als ſie die kleinen Ge— 
ſtalten, die nicht zahlreichen Scharen unſerer einziehenden 
Truppen ſahen. 

Summa: in gerechteſter Sache, in heldenmüthigſter 
Anſtrengung kann ein Mann, kann ein Volk pod) er- 
liegen, wenn übermächtige Gewalten entgegen treten, 
welche durchaus nicht immer das beſſere Recht für ſich 
haben. 


304 


Mir ſchlug vas Herz im Bewußtſein des Unredts, 
al8 id) das Gothenbanner heute niederriß und den Gold- 
vraden Suftinians an feine Stelle febte, die Fahne ded 
Unredt8 erhob her dem Banner des Redjts. 

Nicht vie Geredhtigheit, eine unfrem Denfen un- 
durchdringbare Nothwendigheit beherrſcht die Gefdide der 
Menſchen und der Völker. 

Aber den rechten Mann madt das nidt irre. 

Denn nist was wir ertragen, erleben und erleiden 
— wie wir e8 tragen, das madt den Mann gum 
Helden. 

Ehrenvoller ift ver Gothen Untergang denn unſer 
Sieg. 

Und dieſe Hand, die ſein Banner herabriß, wird den 
Ruhm dieſes Volkes aufzeichnen fiir die tommenden Ges 
ſchlechter. 

Jedoch, wie immer dem ſei: — da liegt das Reich 
der Gothen.” — 


Finfundswansigftes Capitel. 


Und fo ſchien es. 

Auf vas Gliidlidfte war, Dank den Maßregeln 
Profops, ver Streich gelungen. 

$m Augenblid, va auf vem Thurme ves Palaftes 
pie Fahne ver Gothen fiel und der Konig ergriffen ward, 
ſahen fid) die überraſchten Gothen überall im Schloßhof, 
im den Strafen und Lagunen der Stadt, im Lager von 
weit fiberlegenen Rraften umftellt: ein Redjen von Lanjen 
ftarrte ihnen itberall entgegen: faft ausnahmslos legten 
die Betaubten vie Waffen nieder: — vie Wenigen, welde 
Widerftand verjucdten, — fo vie nächſte Umgebung des 
Königs — wurden niedergeftofen. 

Witichis felbft, Herzog Guntharis, Graf Wifan, 
Graf Markja und die mit ihnen gefangenen Grofen des 
Heeres wurden in getrennten Gewahrſam gebradt, ver 
König im den Zwinger Theoderichs“: einen tiefen, ftar- 
ten Thurm ves Palaftes felbft. 

Belifars Bug von vem Thore Stilido’s nad vem 
Yorum des Honorius wurde nidt geſtört. 


Sm Palaft angelangt, berief er ven Senat, vie Des 
Dahn, Sin Rampf um Rom. LIL 20 


306 


curionen der Stadt, und nabm fie in Cid und Pflicht 
fiir Kaiſer Suftinianus. 

Profopius wurde mit den goldenen Seblitffeln von 
Neapolis, Rom und Ravenna nad Byzanz gefendet. 

Gr follte ausführlichen Beridt erftatten und fiir Bes 
lifar Verlangerung des Amtes erbitten bis gur demnadft 
gu erwartenden völligen Berubigung Staliens und hierauf, 
wie nad) Dem Bandalentrieg, die Ehre des Triumphes, 
unter Wuffithrung bes gefangenen Königs ver Gothen 
im Hippodrom. 

Denn Belifar fah den Krieg für beendet an. 

Gethegus theilte beinah diefen Glauben. 

Dod) firdtete er in den Provinzen den Ausbruch 
gothiſchen Bornes fiber den geiibten Verrath. 

Er forgte daher dafür, daß über die Art ves Falles 
ver Stadt vorlaufig feine Kunde durd die Thore drang : 
und er ſuchte eifrig im Geifte nad einem Mittel, den 
gefangenen König felbft als ein Mittel gur Dampfung 
des etwa neu auflodernden ationalgefithls gu vere 
werthen. — ; 

Aud) bewog er Beliſar, Hildebad, der in der Ridtung 
nad Larvifium entfommen war, durch Akacius wit den 
perfifden Reitern verfolgen yu laſſen. 

Vergebens verſuchte er, die Königin zu fpredjen. 

Gie hatte fic) feit jener Nacht ver Schrecken nod 
immer nidt ganz erbolt und ließ Niemand vor. 

Aud) die Nachricht von dem Falle ver Stadt hatte 
fie mit bumpfem Schweigen hingenommen. 


307 





Der Profect beftellte ihr eine Ehrenwache — um fid 
ihrer gu verfidern. 

Denn er hatte nod grofe Blane mit thr vor. 

Danu fandte er ihr vas Schwert des gefangenen 
Königs und fdjrieb ihr vabei: 

Mein Wort ift geldft. 

Konig Witichis ift vernidtet. 

Du bift gerächt und befreit. — 

Run erfiille and) du meine Wünſche.“ 

Einige Lage daranf beſchied Belifar, feines treuen 
Berathers Profop beraubt, ven Prafecten zu fic) m den 
rechten Flügel des Palaftes, wo er fein Quartier auf: 
gefdlagen. 

Unerhörte Meuterei!“ rief er dem Gintretenden ents 
gegen. 
Was iſt gefdeben ?" 

wou weift, id) habe Beſſas mit den laziſchen Söld⸗ 
nern in die Schanze des Honorius gelegt, einen der 
widtigften Puncte der Stadt. 

Ich vernehme, dak der Geift siefer Truppen unbots 
magig — ih rufe fle ab und Beſſas —“ 

Nun?“ 

„Weigert den Gehorſam.“ 

hue Grund? Unmöglich!“ 

Lacherlicher Grund! 

Geftern iff der letzte Tag meiner Amt8gewalt abs 
gelaufen.“ 

aun? 

20* 


308 


‚Beſſas erflart, feit lester Mitternacht hätt' id) thm 
nichts mehr gu befehlen.“ 

„Schändlich. Wher er ift im Redt.“ 

our Recht ? 

Sn ein paar Tagen trifft ves Raifers Antwort ein, 
auf mein Geſuch. 

Natürlich ernennt er mich, nach dem Gewinn von 
Ravenna, auf's Neue zum Feldherrn, bis zur Beendigung 
des Krieges. 

Uebermorgen fann die Nachricht da fem.“ 

Vielleicht ſchon früher, Beltfar. 

Die Leuchtthurmwächter von Claſſis haben ſchon ber 
Gonnenaufgang ein Schiff angemeldet, das yon Aris 
minum ber nabt. 

Es foll eine faiferlide Trireme fein. 

Seve Stunde fann fie einlaufen. 

Dann [Aft fid) der Knoten von felbft.“ 
~ 06 will ihn aber guvor durdbauen. 

Meine Leibwadter follen vie Schanze ſtürmen und 
Beffas ven halsftarrigen Kopf —" 

Da eilte Johannes athemlos herein. 

„Feldherr,“ meldete er, „der Kaiſer! 

Der Kaiſer Juſtinianus ſelbſt ankert ſo eben im 
Hafen von Claſſis.“ 

Unmerklich zuckte Cethegus zuſammen. 

Sollte ein ſolcher Blitzſtrahl aus heiterer Luft, eine 
Laune des unberechenbaren Deſpoten, nach ſolchen Mühen, 
das faſt vollendete Gebäude ſeiner Pläne gerade vor der 
Bekrönung niederwerfen? 


309 


Uber Beliſar fragte mit leudhtenden Augen: der 
Raifer 2 

Woher weißt du? — 

„Er ſelbſt kommt, dir für deine Siege zu danken. — 

Solche Ehre ward nod feinem Sterblichen zu Theil. 

Das Schiff von Ariminum trägt die kaiſerliche Prä⸗ 
ſenzflagge. 

Purpur und Silber. 

Du weißt, das bedeutet, daß der Kaiſer an Bord.“ 

„Oder ein Glied ſeines Hauſes!“ verbeſſerte Cethe⸗ 
gus in Gedanken, aufathmend. 

„Eilt in den Hafen, unſern Herrn zu empfangen,“ 
mahnte Beliſar. — 


Sein Stolz und ſeine Freude wurden enttäuſcht, als 
ihnen auf dem Wege nach Claſſis die erſten ausgeſchifften 
Höflinge begegneten und im Palaſt Quartier forderten, 
nicht für den Kaiſer ſelbſt, ſondern für deſſen Neffen, 
den Prinzen Germanus. 

„So ſendet er doch den Erſten nach ihm ſelbſt,“ 
ſprach Beliſar, ſich ſelber tröſtend im Weitergehen zu 
Cethegus. 

8 iſt der edelſte Mann am Hof. 

Unbeſtechlich, geredjt und unverfithrbar rein. 

Gie nennen ihn: ,die Lilie im Sumpf'. 

Aber du hörſt mich nicht!“ 


310 





woergied, td bemerfe dort im Gedränge, unter den 
eben Gelandeten, meinen jungen Freund Licinius.“ 

„Salve Cethege!“ rief dieſer ſich Weg zum Pra- 
fecten bahnend. 

„Willkemmen im befreiten Italien! 

Was bringſt bu von der Raiferin’? fragte er flüſternd. 

„Das Abfdiedswort: Nike (Victoria)! und diefen 
Brief," fliifterte ner Bote ebenfo leife. — 

weber,” und feine Stirne furdte fid) — „ſchicke mid 
nie mehr gu diefem Weibe.“ 

„Nein, nein, junger Hippolytos, ich venfe, es wird 
nte mebr nöthig fein.” 

Damit batten fie die Steindamme ves Hafens ers 
reidjt, deſſen Stufen fo eben ver kaiſerliche Pring hinan⸗ 
ftieg. 

Die edle Erfcheinung, von einem reid) gefdmitdten 
Gefolg umgeben, ward von den Truppen und dem rafd 
zuſammenſtrömenden Boll mit Jubelruf und faiferliden 
Ehren empfanger. 

Cethegus faßte ibn ſcharf in’s Auge. 

„Das bleide Antlig iſt nod bleicher geworden,“ 
ſagte er zu Licinius. 

„Ja, man ſagt: die Kaiſerin hat ihn vergiftet, weil 
fie ihn nicht verführen fonnte.“ 

Der Prinz, nad allen Seiten dankend, hatte jest 
Beliſarius erreidt, der ihn ehrfurdtsvoll begritftte. 

„Gegrüßt aud vu, Belifarius,“ erwiderte er ernft. 

„Folge mir fogleid in den Palaſt. 

Wo ift Cethegus per Prafect 2 


311 





Wo Beffas? 

way Cethegus,” fagte ex deffen Hand ergreifend, „ich 
frene mid, den größten Mann Staliens wieder zu feben. 

Du wirft mid alsbald gu ver Enkelin Theoveridhs 
begleiten. 

Shr gebithrt mein erfter Gang. 

Ich bringe ihr Geſchenke Juſtinians und meine 
Huldigung. 

Sie war eine Gefangene in ihrem eigenen Reid. 

Gie foll eine Königin fein am Hofe zu Byzanz.“ 

„Das foll fie,“ dachte Cethegus. 

Er verneigte ſich tief und ſprach: 

„Ich weiß: du kennſt die Fürſtin ſeit lange: ihre 
Hand war dir beſtimmt.“ 

Eine raſche Gluth flog über des Prinzen Wange. 
Leider nicht ihr Herz. 

Ich ſah ſie hier, vor Jahren, am Hofe ihrer Mutter: 
und ſeitdem hat mein inneres Auge nichts mehr als ihr 
Bild geſehen.“ 

wa, fle iſt das ſchönſte Weib der Erde,” ſagte der 
Prafect, ruhig vor ſich hin ſehend. 

„Nimm dieſen Chryſopas zum Dank fiir dieſes Wort,“ 
ſagte Germanus und ſteckte einen Ring an des Präfecten 
Finger. 

Damit traten ſie in das Portal des Palaſtes. 

wept, Mataſwintha,“ ſprach Cethegus zu ſich ſelbſt, 
„jetzt hebt dein zweites Leben an. 

Sh tenne tein römiſch Weib — Ein Mädchen vielleicht 


312 


ausgenommen, das id) fannte, — welches folder Bere 
fudjung wider(tehen fdnnte. 

Soll diefe rohe Germanin widerſtehen? — 

Sowie ſich der Prinz von den Mühen der Seefahrt 
einigermaßen erholt und die Reiſekleider mit einem Staats⸗ 
gewand vertauſcht hatte, erſchien er an der Seite des 
Präfecten in dem Thronſal des großen Theoderich im 
Mittelbau des Palaſtes. 

An ven Wänden der ſtolz gewölbten Halle hingen 
noch die Trophäen gothiſcher Siege. 

Ein Säulengang lief an drei Seiten des Sales hin: 
in der Mitte der vierten erhob ſich der Thron Theoderichs. 

Mit edlem Anſtand ſtieg der Prinz die Stufen hinan. 
Cethegus blieb mit Beliſar, Beſſas, Demetrius, Akacius, 
Johannes und zahlreichen andern Heerführern im Mittel⸗ 
grund. 

„Im Namen meines kaiſerlichen Herrn und Ohms 
nehme ich Beſitz von dieſer Stadt Ravenna und von 
dem abendländiſchen Römerreich. 

An dich, Magiſter Militum, dies Schreiben unſeres 
Herrn, des Kaiſers. 

Erbrich und lies es ſelbſt der Verſammlung vor. 

So befahl Juſtinianus.“ 

Beliſar trat vor, empfing knieend den kaiſerlichen 
Brief, küßte das Siegel, erhob ſich wieder, öffnete und las: 

„Juſtinianus, der Imperator der Römer, Herr des 
Morgen⸗ und des Abendreichs, Beſieger der Perſer und 
Saracenen, der Vandalen und Alanen, der Lazer und 
Sabiren, der Hunnen und Bulgaren, der Avaren und 


313 





Sklavenen und gulegt ver Gothen, an Beliſar den Gon: 
fularen, ehemals Magifter Militum. 

Wir find durch Cethegus ven Prafecten von den 
Vorgingen unterridtet, die jum Fall von Ravenna 
geführt. 

Sein Bericht wird, auf ſeinen Wunſch, dir mitgetheilt 

werden. 
Wir aber können ſeine darin ausgeſprochene gute 
Meinung von dir und deinen Erfolgen wie von deinen 
Mitteln mit nichten theilen: und wir entheben dich deiner 
Stelle als Befehlshaber unſeres Heeres. 

Und wir befehlen dir angeſichts dieſes Briefes ſofort 
nach Byzanz zurückzukehren, um dich vor unſerem Throne 
zu verantworten. 

Einen Triumph wie nach dem Vandalenkrieg können 
wir dir um ſo weniger gewähren, als weder Rom noch 
Ravenna durch deine Tapferkeit gefallen. ſondern Rom 
durch Uebergabe, Ravenna durch Erdbeben, den Zorn 
Gottes fiber vie Ketzer und höchſt verdadtige Verhand- 
lungen, deren Unfduld du, des Hochverraths angeflagt, 
vor unferem Thron erweifen wirſt. 

Da wir, eingevent fritherer Verdienfte, nidt ohne 
Gehör vid) verurtheilen wollen, — denn Morgenland 
und AWbendfand follen uns fiir ferne Zeiten feiern als 
pen Raifer vex Geredtigheit — fehen wir von der Vers 
haftung ab, die deine Antlager beantragt. 

Ohne Ketten — nur in den Feffeln deines dich ſelbſt 
anflagenden Gewiſſens — wirft du vor unfer faiferlices 
Antlitz treten.“ 


314 





Da wantte Velifar. 

Er fonnte nicht weiter leſen: er bededte dad Gefidt 
mit den Handen: das Schreiben entfiel ihm. 

Beſſas hob es auf, küßte e8 und [a8 weiter. 

„Zu deinem Nadfolger tm Heerbefehl ernennen wir 
ten Strategen Beffas. 

Ravenna iibertragen wir dem Archon Sohannes. 

Die Stenerverwaltung bleibt, trog der wider ihn von 
den Staliern erhobnen höchſt ungerecten lagen, dem m 
unſrem Dienft fo eifrigen Logotheten Alerandros. 

Bu unfrem Statthalter aber in Stalien ernennen 
wit den hochverdienten Prafecten von Rom, Cornelius 
Cethegus Céfarius. 

Unfer Neffe, Germanus, mit taiferlider Vollmacht 
ausgeriiftet, baftet mit ſeinem Haupt dafitr, dich unver⸗ 
weilt nad) unfrer Flotte auf der Höhe von Ariminum 
zu bringen, auf welder did) Areobindos nad) Byzanz 
fiibren wird." 

Germanus erhob fic und befahl Allen, bis auf Beli 
fav und Gethegus, ven Gal gu verlaffen. 

Darauf ftieg er vie Stufen bes Thrones herab und 
{dritt auf Beliſar gu, der nicht mehr wahrnabm, was 
um ibn ber gefdabh. 

Gr ftand unbeweglid), das Haupt und den linker 
Arm an eine Gaule gelehnt und ftarrte zur Erde. 

Der Pring fate feine Rechte. 

„Es ſchmerzt mid), Belifarvius, ver Träger folder 
Botſchaft gu fein. 

Ich übernahm den Wuftrag, weil ihn em Freund 


315 





milder als einer der vielen Feinde, die ſich dazu drangten, 
ausführen fanz. 

Uber id) verhehle dir nicht: diefer vein legter Sieg 
bebt die Ehre deiner frühern auf. 

Rie Hatte id) von vem Helden Belifar fold) Lügen⸗ 
ſpiel erwartet. 

Cethegus hat ſich ausgebeten, daß fein Bericht an 
den Kaiſer dir vorgelegt werde. 

Er iſt deines Lobes voll: hier iſt er. 

Ich glaube, es war die Kaiſerin, welche Juſtinians 
Ungnade gegen dich entzündet hat. 

Aber du hörſt mich nicht —“ 

Und er legte die Hand auf ſeine Schulter. 

Beliſar fchitttelte vie Berührung ab. 

wag mid, Knabe — du bringft mir — du bringft 
mir den edjten Dank der Kronen.” 

Vornehm ridtete ſich Germanus auf. 

Oelifar, bu vergiffeft wer ich bin und wer du biſt.“ 

Oh nem, id bin ein Gefangner und du bift mein 
Wächter. 

Ich gehe ſofort auf dein Schiff — erſpare mir 
nur Ketten und Bande.” 


Erſt ſpät konnte ſich der Präfeet von dem Prinzen 
losmachen, der in vollſtem Vertrauen die Angelegenheiten 
des Staates und ſeine perſönlichen Wünſche mit ihm bes 
ſprach. 


316 


Gr eilte, fo wie er in feinen Gemächern, die er 
ebenfalls im Balafte bezogen, allen war, den thm von 
Lucius Licinius mitgetheilten Brief ver Kaiferin gu lefen. 

Er lautete: 

„Du haſt gefiegt, Gethegus. 

Wis id) dein Sehreiben empfing, gedacht' ih alter 
RBeiten, da deine Bricflein in diefer Chiffrefdrift an Theo⸗ 
Dora nicht von Staaten und Rriegen handelten, fondern 
von Küſſen und Rofen —“ 

„Daran müſſen fie immer erinnern,“ unterbrad fid 
der Prafect. 

„Aber aud) in diefem trodnen Briefe erfannte ich die 
Unwiderftehlichtert jenes Geiftes, der einft die Frauen 
von Byzanz nod) mehr al8 deine Jugendſchönheit zwang. 

Go gab id denn aud diesmal den Wünſchen des 
alten Freundes nad, wie einft denen des jungen. 

Ad, id) dachte gern unfrer Sugend, der ſüßen. 

Und id) erfannte wohl, vag Antoninens Gemabl 
alzufeft in Zukunft ftehn witrde, wenn er Ddiesmal 
nidht fiel. 

So raunte ich denn — wie du gefdrieben — dem 
Raifer in die Obren: 

‚„Allzugefährlich fet ein Unterthan, der ein ſolches 
Spiel mit Kronen und mit Aufruhr treiben könne. 

Reinen Feldherrn diirfe man lange folder Verfucdung 
ausſetzen. = 

Was er dieSmal gegaulelt, könne ex ein andermal 
im Ernſt verfudjen. : 


_ 317 





Diefe Worte wogen fdwerer als alle Siege Velifars, 
md alle meine, d. h. deine Forderungen, gingen durd). 

Denn Mißtraun ift die Seele Suftinians. 

Gr traut nur einer Treue anf Erden — der Theo: 
dora’. 

Dein Bote Licinius ift hübſch — aber unliebens- 
wirdig: er hat nur Rom und Waffen in Geranfen. 

Ad, Cethegus, mein Freund, es lebt feine Jugend 
mehr wie Die unfre war. 

„Du haſt gefiegt, Cethegus" — weift du nod) den 
Abend, va ich div dieſe Worte fliifterte? — Wher ver: 
gif nidt, wem du den Sieg verdankſt. 

Und merfe dir. Theodora läßt fide nur folang fie 
felber will als Werkzeug brauden. 

Vergiß das nie.“ 

„Gewiß nicht,“ fagte Cethegus, vas Schreiben forge 
faltig jerftdrend, ,du bift eine gu gefährliche Verbündete, 
Sbheodora, — nein, Damonodora! — laf fehn, ob du 
unerfegbar bift. — 

Geoulb — in wenig Woden ift Mataſwintha in 
Byzanz.“ — 


Sedoundpwansigftes Capitel. 





Der Rundthurm, in deffen tiefen Gewölben Witichis 
gefangen fag, lag an dem redten Eckflügel ves Palaftes, 
veffelben Querbaues, in weldem er als König gewohnt 
und geberrfdt hatte. 

Der Churm bildete mit feiner Eiſenthür den Whe 
ſchluß eines langen Ganges, welder von einem Hof 
aus, zur Redjten lief und von diefem Hof wieder durch 
eine ſchwere Eiſenpforte abgeſchloſſen war. 

Gerade dieſer eiſernen Hofpforte gegenüber lag im 
Erdgeſchoß auf der linken Seite des Hofes die kleine 
Wohnung Dromons, des Carcerarius oder Kerlermeiſters 
des Palaſtes. 

Sie beſtand aus zwei kleinen Gemächern: das erſte, 
von dem zweiten durch einen Vorhang getrennt, war 
ein bloßes Vorzimmer. 

Das zweite Gemach gewährte durch ein logenartiges 
Fenſter den Ausblick auf den Hof und den Rundthurm. 
Beide waren von einfachſter Einrichtung: ein Strobe 
lager im Snnengemad und zwei Stithle und Tifde im 


319 





Aeußern nebft ven Schlüſſeln an den Wanden waren 
ihr ganzes Gerãth. 

Und auf der Holzbank an jenem Fenſter ſaß Tag 
und Nacht, unverwandt den Blick auf die Mauerlücke 
heftend, aus welcher allein Luſt und Licht in des Königs 
Kerlker fiel, ſchweigend und ſinnend ein Weib. — 

Es war Rauthgundis. 

Niemals ließ ihr Auge von jenem kleinen Spalt im 
Thurm. 

wenn dort,” ſagte fle ſich, „dort hängt aud fein 
Blick, vorthin fdwebt feine Sehnſucht.“ 

And wenn fie mit Wadhis, ihrem Begleiter, oder 
mit dem Rerfermeifter, der fie beherbergte, ſprach, wandte 
fle das Auge nidt von dem Thumm. 

Es war, als ob ber Bann ihres Blides Unheil von 
vem @efangnen abbalten könne. 

Lange, Lange war fie hente wieder fo gefeffer. 

Es war dunfler Abend geworden. 

Drohend und finfter ragte der gemaltge Thurm und 
warf einen breiten Schatten fiber den Hof und diefen 
linfen Flügel ded Palaftes. 

„Dank dir, gittiger Himmelsherr,“ ſprach fie. 

wand deine ſchweren Schläge treiben jum Heil. 

War’ ich in die elfen ver Skaranzia, auf den 
boben Arn, gum Vater, wie id mir ausgefonnen, — 
nie hatte id) von bem Gang des lends hier vers 
nommen. 

Over dod) viel gu fpit. 

Uber mid zog die Sehnſucht nad ver Todesftitte 


322 





„Ich fage, du mußt jet and einmal tidtig eſſen 
und trinfen. 

Sonft verlaffen dich die Kräfte. 

Und du wirft fie brauden, arme Frau.” 

„Ich werde fle haben.“ 

„So nimm wenigftens einen Becher Wein.” 

„Von Dtefem 2 

Nein, er ift für ihn allein.” 

Und fie trat in das innere Gemach juritd, wo fie 
ihren alten Platz einnabm. 

„Der Krug reidjt ja nod lang," fuhr der alte Dromon 
für fid) fort. 

„Und id fiirdte: wir müſſen thn bald retten. wenn 
ev gerettet werden foll. 

Da kömmt Wadis. 

Wenn ex nur gute Nachricht bringt, fonft —“ 

Wachis trat ein. 

Gr hatte feit vem Beſuch bet der Kinigin die Sturm: 
haube und feinen Mantel mit Gewandern Dromons 
vertauſcht. 

„Gute Botſchaft bring ich,“ ſprach er im Eintreten. 

„Aber wo wart ihr vor einer Stunde? 

Ich pochte vergeblich.“ 

„Wir waren beide ausgegangen, Wein gu kaufen.“ 

„Ach ja, deßhalb duftet das ganze Gemach ſo ſtark 
— was ſeh ich? 

Das iſt ja alter, köſtlicher Falerner! 

Womit haſt du den bezahlt?“ 


323 





„Womit?“ widerholte der Altey mit dem ebelften 
Golde ver Welt 

Und femme Stimme bebte vor Rithrung. 

wd) erzählte ihr, dag ver Prifect ihn abfidtlid 
Mangel leiden laffe, daß er elend werde. 

Seit vielen Tagen hat man mir gar feine Ration 
fav thn gegeben. 

Sd habe ihn, gegen mein Gewiffen, nur dadurch 
erhalten, daß id) den andern Gefangnen an dem Ihren 
abbrach.“ 

Das wollte ſie nicht. 

Sie ſann nach und fragte dann: 

„Nicht wahr, Dromon, die reichen Römerinnen bes - 
zahlen immer noch das gelbe Haar der Germaninnen 
fo hoch? 

„Und ich, in meiner Einfalt nichts ahnend, ſage ja.“ 

Und ſie geht hin und ſchneidet ſchweigend ihre reichen, 
ſchönen, goldbraunen Flechten und Zöpfe ab und bringt 
ſie mir. 

Und damit ward der Wein bezahlt.“ 

Da ſtürzte Wachis in das nächſte Gemach, warf ſich 
vor ihr nieder und bedeckte den Saum ihres Gewandes 
mit Rifjen. 

„O Herrin” — rief er mit verſagender Stimme — 
goldne, goldtrene Frau!“ 

„Was treibſt bu, Wachis? fteh auf und erzähle.“ 

Ja erzähle,“ ſprach Dromon hinzutretend, ,was rath 
mein Sohn?“ 

„Wozu brauchen wir ſeinen Math? 


324 


Ich, ich alletn will e8 vollenden.“ 

„Sehr nöthig brauden wir ihn. 

Der Prafect hat aus allen jungen Ravennaten, nad 
dem Mufter der römiſchen, neun Cohorten Legionare ge: 
bildet und meinen Paulus aud eingeretht. 

Bum Glück hat er diefen Legionaren die Bewadung 
der Stadtthore anvertraut. — 

Die Byzantiner fliegen draugen im Hafen, feine 
Sfaurier bier im Palaſt.“ 

„Die Thore nun,“ fuhr Wadhis fort, werden gur 
Nacht forgfaltig gefperrt. 

Aber vie Mauerlücke am Thurme ves Actius ift 
immer nod nicht ausgebaut. 

Nur vie Wachen ftehen dort.“ 

„Wann trifft meinen Gobn die Wade?” 

„In gwet Tagen: die dritte Nachtwache.“ 

„Allen Heiligen fet Dank. 

Biel (anger durft’ es nicht währen — ich fürchte — 

Und er ſtockte. 

20082 ſprich,“ mahnte Rauthgundis entſchloſſen. 

„Ich kann Alles hören.“ 

„Es iſt am Ende beſſer, du weißt es. 

Denn du biſt klüger und findiger als wir beide. 

Und findeft eher Rath als wir. 

Ich fürchte: fie haben’s ſchlimm mit ihm vor. 

So lange Beliſar hier befahl, ging e8 ihm nod gut. 

Uber feit der fortgebracht und der Prafect, der ſchweig⸗ 
fam falte Damon, Herr im Palaft ift, hat’s ein gefähr⸗ 
lid) Anfebn. 


325 


Alle Tage beſucht ex ihn felbft im Kerker. 

Und fpridt fang und eifrig und drohend im ijn 
hinein. 

Ich habe oft im Gang gelauſcht. 

Er muß aber wenig ausrichten. 

Denn der Herr giebt ihm, glaub' ich, gar keine 
Antwort. 

Und wenn ver Prafect heraus fommt, blickt er fo 
finfter wie — wie der König ver Schatten. 

Und feit ſechs Tagen erhalte id) feinen Wein und 
feine Gpeifen fitr ihn als ein fleines Stitd Brod. 

Und vie Luft da unten ift fo moderdumpf wie im 
Grabe.“ 

Rauthgundis ſeufzte tief. 

Und geftern, als ver Brafect herauf fam, — er fab 
grimmiger al8 je darein — da fragte er mid) —“ 

tun? fprid) e8 aus, was e8 aud) fet!" 

„Ob die Foltergerdthe in Ordnung feien." 

Rauthgunvdis erbleidte, aber fie fchwieg. 

Der Neiding!“ rief Wachis, was haft ou” — 

„Sorget nidt, Cine Weile hat’s nod) gute Wege. 

Clariſſimus, antwortete id," — und e8 ift die reine 
Wahrheit — , die Sdrauben und die Zangen, die 
Gewidte und die Stacheln und der ganze faubere Apparat 
{tegt in ſchönſter Ordnung alles beifammen." 

„Wo?“ fragte er. 

Im tiefen Meer. 

Sh felbft hab’ ihn, ſchon anf König Theoderichs 
Befehl, hineingeworfen. 


326 


Denn wiffet, Fran Rauthgunvdis: ewer Herr hat 
einmal, ba er nod einfacer Graf war, mid) gerettet, 
va die Geräthe an mir felbft verfudt werten follten. 

Da wurde auf fein Bitten das Foltern völlig abs 
gethan: id) ſchulde ihm mein Leben und meine heilen 
lieder. 

Und barum wag’ id) mit Freunden meinen Hals 
für thn. 

Und will aud, wenn’s nidt anders geht, gern diefe 
Stadt mit eud) verlaffen. 

Aber lange dürfen wir nidt fiumer. 

Denn ver Prafect bedarf nicht meiner Bangen und 
Sdrauben, wenn er Cinem das Mark aus dem Leibe 
qualen will. 

Ich fürcht' ihn, wie den Teufel.” 

„Ich bag’ ihn, wie die Lüge,“ fagte Rauthgundis 
grimmig. 

„Darum müſſen wir rafd fein, eb’ ex fetne ſchwarzen 
Gedanfen vollfithren fann. 

Denn er finnt Urges gegen den guten Konig. 

Sd wei nicht, wads er nod Weiter von dem armen 
@Gefangnen will. 

Ulfo srt und merkt euch meinen Plan. 

Sn der dritten Nacht, wann mein Paulus die Wade 
hat, wenn ic) ihm den Nachttrunk bringe, fdliefe id 
ihm die Retten (08, werfe ihm meinen Mantel ber und 
fibre ihn aus dem Rerfer und dem Gang in den Hof. 

Von va kömmt er ungebindert bis an das Thor des 
Palaftes, wo ihn die Thorwache um die Lofung fragt. 


327 


Diefe werd’ th ihm fagen. 

Sft ex auf ver Strage, dann rafd an ven Thurm 
des Wétins, wo ibn mein Paulus die Mauerlücke paffiren 
lãßt. 

Draußen im Pinienwald, im Hain der Diana, we⸗ 
nige Sdritte vor dem Thore, wartet Wachis auf ihn, 
per ihn auf Wallada hebt. | 

Begleiten aber darf ihn Miemand. 

Aud du nicht, Rauthgunvis. 

Gr flieht am fiderften allein.” 

‚Was liegt an mir! 

Frei foll er fein, nicht noch einmal an mid) gebunden. 

Du nennft meinen Namen gar nidt. 

Sh hab’ ihm nur Unglück gebracht. 

Ich will ihn nur nod einmal feben, von diefem 
Fenſter aus, wenn er in die Freiheit tritt.“ 


- Der Prafect fonnte fid) in diefen Fagen im Voll⸗ 
gefithle ver Macht. 

Er war Statthalter von Stalien: in allen Stadten 
wurden auf feine Anordnung die Vefeftigungen geflidt 
und verſtärkt, vie Biirger an die Waffen gewöhnt. 

Die Bertreter von Byzanz vermodten ihm in feiner 
Weife Gegengemidht gu balten. 

Shre Heerfithrer fatten fein Gliid, vie Belagerungen 
von Tarvifium, Verona und Ticinum madten feine 


Fortſchritte. 


328 


Und mit Vergniigen vernahm Cethegus, daß Hilbes 
bad, deſſen Schar ſich durch Zulauf unterweges anf 
etwa ſechſshundert erhöht, den Akacius, der ibn mit tauſend 
Perſer⸗Reitern eingeholt und angegriffen, blutig zurück⸗ 
geſchlagen hatte. 

Eine ſtarke Abtheilung von Byzantinern aber, die 
ibm von Mantua aus entgegen rückte, verlegte ihm alle 
Wege — er wollte nad Larvifium gu Lotila — und 
ndthigte ihn, fid) in das nod) von den Gothen unter 
Thorismuth beſetzte Caftell von Caftra Nova zu werfen. 

Hier hielten ihn die Byzantiner eingefdlofjen, vers 
mochten aber nidjt den feften Bau gu nehmen und fdon 
jah ver Prafect vie Stunde fommen, da ihn Afacius gu 
Hülfe rufen witrde, ven Gothen, ver thm dann nicht 
mebr entrinnen fonnte, zu vernichten. 

Es freute thn, daß die Kriegsmadt von Byzanz feit 
Belifars Cntfernung fid) offen vor gang Stalien als 
unfabig erwies, den letzten Widerftand der Gothen gu 
bredjen. « 

Und die Harte der byzantiniſchen Finangverwaltung, 
welde Belifar itherall, wo er einjog, mit fic) fitbren 
mußte — er fonnte die auf Befehl ves Kaiſers geitbte 
Ausſaugung nidjt hindern — erweckte ober fteigerte in ben 
Stadten und auf dem fladen Lande die Wbneigung gegen 
die Oftrdmer. 

Cethegus hütete fic) wohl, wie BVelifar gethan, den 
Gvgften Uebergriffen der Beamten Suftinians 3u webren. 

Gr fah es mit Freude, daß in MNeapolis, im Rom 


329: 


widerholt pas Volk gegen die Bedvritder in offnem Auf—⸗ 
ruhr empor loderte. 

Waren die Gothen vollends vernichtet, der Byzantiner 
Macht verächtlich, ihre Tyrannei verhaßt genug geworden, 
dann konnte Italien aufgerufen werden, frei zu ſein und 
der Befreier, der Beherrſcher hieß Cethegus. 

Dabei verließ ihn nur die Eine Beſorgniß nicht — 
denn er war fern von Unterſchätzung ſeiner Feinde, — 
rer Gothenkrieg, deſſen letzte Funken nod) nicht ausge⸗ 
treten, könne nochmal aufflammen, geſchürt durch die 
nationale Entrüſtung über den geübten Verrath. 

Schwer fiel dem Präfecten in's Gewicht, daß die 
tiefſtgehaßten Führer der Gothen, daß Totila und 
Teja nicht mit im Netze zu Ravenna waren gefangen 
worden. 

Um ver Gefahr jener nationalen begeiſterten Erhebung 
zuvor zu kommen, trachtete er ſo eifrig, dem gefangnen 
Gothenkönig die Erklärung zu entreißen, er habe ſich 
und die Stadt zuletzt ohne Hoffnung und Bedingung 
unterworfen, und er fordre die Seinen auf, den ausſichts⸗ 
loſen Widerſtand aufzugeben. 

Und and das Caſtell, in welchem der Kriegsſchatz 
Theoderichs geborgen lag, ſollte ihm ſein Geſangner an⸗ 
geben. 

Auch in jener Zeit war ein ſolcher, ſchon um fremde 
Fürſten und Söldner zu gewinnen und anzuziehen, von 
höchſter Bedeutung. 


Verloren ihn die Gothen, ſo verloren ſie die letzte 


330 
Hoffnung, ihre geſchwächte Kraft urd frembe Waffen zu 


ergänzen. 

Und viel lag dem Präfecten daran, jenen als unermef- 
lid) reid von der Sage gepriefenen Hort nidt in die Hände 
der Brzantiner fallen gu laffen, deren Geldnoth und daber 
verurfadte Tyrannei ein widtiger BundeSgenoffe feiner 
Plane war: fondern thn ſich felbft gu ſichern, — and 
feine Mittel waren ja nidt unerſchöpflich. 

Aber all fein Bemühen ſchien an ver Unerſchütterlich⸗ 
feit fetned Gefangnen gu ſcheitern. 


Siebenundwanjigſtes Capitel. 





Die Makregeln zur Befreiung des Königs waren 
getroffen. 

Rauthgundis war mit Wachis hinausgegangen, ſich das 
Walddickicht genau einzuprägen, wo der treue Freigelaſſne 
mit dem treuen Roß Dietrichs von Bern ihrer warten ſollte. 

Und mit der Ruhe, welche die Vollendung aller Vor⸗ 
bereitungen ſtarkem Sinn gewährt, war die Gothin nach 
der Wohnung des Kerkermeiſters zurückgekehrt. 

Aber fie erbleichte, als dieſer ihr wie verzweifelt 
entgegenſtürzte und ſie über die Schwelle in das Gemach 
zog. 

Dort warf er ſich vor ihr nieder, ſchlug die Bruſt 
mit den Fäuſten und raufte ſein graues Haar. 

Lange fand er keine Worte. 

‚Rede,“ gebot Rauthgundis und preßte die Hand auf 
das wild pochende Herz, „iſt er todt?“ 

„Nein, aber die Flucht iſt unmöglich! 

Alles dahin! Alles verloren! 

Bor einer Stunde fam der Präfect und ſtieg gu dem 
König binab. 


332 


Wie gewöhnlich ſchloß id) ihm felbft dite beiven Chitren, 
die Gangthür und die RKerferpforte, auf — da —" 

Nun?“ 

„Da nahm er mir die beiden Schlüſſel ab: er werde 
fie fortan ſelbſt verwahren.“ 

„Und du gabſt ſie ihm?“ knirſchte Rauthgundis. 

‚Wie konnt' id fie weigern! 

Ich wagte das Aeußerſte. 

Sch hielt fie zurück und fragte: ,O Herr, vertrauſt 
du mir nicht mehr?“ 

Da warf er mir einen ſeiner Blicke zu, die Leib und 
Seele wie ein Meſſer trennen können. 

„Von jetzt an — nicht mehr!“ ſprach ex und riß mir 
die Schlüſſel aus der Hand.“ 

„Und du ließeſt es geſchehen! 

Doc freilich! Was iſt dir Witichis 2 

„O Herrin, du thuſt mir weh und unrecht! 

Was hätteſt du an meiner Stelle thun können? 

Nichts andres!“ 

„Erwürgt hätt' ich ihn mit dieſen Händen! 

Und nun? 

Was ſoll jetzt geſchehn?“ 

„Geſchehn? Nichts! 

Nichts kann geſchehen.“ 

„Er muß frei werden. 

Hörſt du, er muß!“ 

„Aber Herrin! Ich weiß ja nicht wie.“ 

Rauthgundis ergriff ein Beil, das an dem Herde lehnte. 

„Erbrechen wir die Thüren mit Gewalt.“ 


333 





Dromon wollte ihr die Art entwinden. 

„Unmöglich! Dide Cifenplatten ! “ 

“So rufe den Unbold. 

Sage, Witichis verlange ihn gu ſprechen. 

Und vor der Gangthür erſchlag id) ihn mit diefem 
Beil.” 

„Und dann? 

Du rafeft! 

Lak mid hinaus. 

Ich will Wadhis abrufen von feiner nuglofen Wacht.“ 

„Nein, ich fann’s nicht denfen, dag eS heut' nidt 
werden fol. 

Vielleicht kömmt diefer Leufel von felbft wieder. 

„Vielleicht“ — ſprach fie nadfinnend. 

„Ha,“ ſchrie ſie plötzlich, „gewiß, das iſt's. 

Er will ihn ermorden! 

Er will ſich allein zu dem Wehrloſen ſchleichen. 

Aber weh' ihm, wenn er kommt! 

Die Schwelle jener Gangthür will ich hüten wie ein 
Heiligthum, beſſer als meines Kindes Leben. 

Und weh ihm, wenn er ſie beſchreitet.“ 

Und fle drückte ſich hart an die Halbthür des Ge⸗ 
maches Dromons und wog das ſchwere Beil. 

Aber Rauthgundis irrte. 

Nicht um ſeinen Gefangnen zu tödten, hatte der 
Prafect vie Schlüſſel an ſich genommen. 

Gr war mit pemfelben in den linfen, den Südbau 
des Palaſtes gefdritten. 

Spät am Nachmittag trat Cethegus — er kam 


334 





aus dem Kerker des Königs — m das Gemach 
Matafwinthens. 

Die Rube ves Todes und die Erregung des Fiebers 
wedjfelten im der feelifd) Tieferkrankten fo oft, fo rafd, 
vag Ufpa nur mit Thränen erfiillten Angen nod auf 
ihre Herrin fab. 

„Zerſtreue,“ fprad Cethegus, „ſchönſte Tochter der 
Germanen, die Wolken, die auf deiner weißen Stirn 
lagern und höre mich ruhig an.“ 

„Wie ſteht es mit bem König? 

Du läſſeſt mich ohne Nachricht. 

Du verſprachſt, ihn frei zu geben nach der Ent⸗ 
ſcheidung. 

Ihn über die Alpen führen gu laſſen. 

Du hältſt dein Wort nicht.“ 

„Ich habe das verſprochen — unter zwei Bedingungen. 

Du kennſt ſie beide, und haſt die Deine noch nicht 
erfüllt. 

Morgen kommt der kaiſerliche Neffe Germanus zurück 
von Ariminum, — dich nach Byzanz zu führen: — du 
giebſt ihm Hoffnung, ſeine Braut zu werden. 

Die Che mit Witichis war erzwungen und nidtig.” 

„Ich fagte div ſchon: nein, niemals !“ 

„Das thut mir leid — um meinen Gefangnen. 

Denn ebher nicht fieht er vas Licht ber Sonne, bis 
Du mit Germanus auf dem Wege nad Byzanz.“ 

„Niemals.“ 

„Reize mich nicht, Mataſwintha! 

Die Thorheit des Mädchens, das ſo theuren Preis 


330 





einft um einen Areskopf bezahlt. ift, denk' ich. fiber. 
wunden. 

Dasfelbe Geſchöpf bat den Ares der Gothen ja ſeinen 
Geinden verrathen. 

Aber ehrft du noch wirklich den Mädchentraum, fo 
rette den einft Geliebten.” 

Matafwintha fdiittelte das Haupt. 

wit babe dich bisher als eine Freie, als Königin 
bebandelt. 

Grinnere mid nidt, daß du fo gut wie er in meiner 
Gewalt. 

Du wirft dieſes edlen Prinzen Gemabhlin — bald 
feine Wittme — und Buftinian, Byzanz, vie Welt liegt 
Dir zu Füßen. 

Tochter Amalaſwinthens — ſollteſt du nicht die 
Herrſchaft lieben 2" 

wd) liebe nur —! Niemals !" 

„So mug id) dich swinger !" 

Sie ladte: „Du? mich? zwingen?“ 

3a, id) did) gwingen. 

(Sie liebt ihn nod immer, den fle zu Grunde ge= 
richtet!) 

Die zweite Bedingung nämlich iſt: daß der Ge— 
fangne dieſen leer gelaffnen Namen ausfüllt — es iſt 
der Name des Schatz⸗Schloſſes der Gothen — und dieſe 
Erklaͤrung unterſchreibt. 

Er weigert ſich mit einem Trotz, der anfängt, mich 
zu erbittern. 


336 


Giebenmal war id) bet thm — ich, der Sieger — 
er hatte nod fein Wort fiir mid. 

Mur dads erfte Mal, da erhielt id) einen Blid — fir 
den er allein den ftoljen Kopf verlieren mußte.“ 

„‚Nie giebt er nad." 

„Das fragt {id dod). 

Auch Felfen zermürbt beharrlicer Tropfenfall. 

Aber ich kann nicht lange mehr warten. 

Heute früh kam Nachricht, daß der tolle Hildebad in 
wüthigem Ausfall Beſſas ſo geſchlagen, daß er kaum die 
Einſchließung noch aufrecht hält. 

Ueberall flackern gothiſche Erhebungen empor. 

Ich muß fort und ein Ende machen und dieſe Funken 
auslöſchen mit vem Waſſer der Enttäuſchung, beffer als 
mit Blut. 

Dazu muß id) des gefangnen Königs Erlãrung und 
Schatz⸗Geheimniß haben. 

Ich ſage dir alſo: wenn du bis Morgen Mittag 
nicht des Prinzen Begleiterin nad Byzanz und mir vor⸗ 
her nicht die Unterſchrift des Gefangnen verſchaffſt, die 
Echtheit von dir ſelbſt bezeugt, ſo werd' ich den Ge⸗ 
fangnen — — ich ſchwöre es dir beim Styr, — werd’ 
ich den Gefangnen —“ 

Entſetzt von ſeinem furchtbar drohenden Ausdruck 
fuhr Mataſwintha von ihrem Sitz empor und legte ihre 
Hand auf ſeinen Arm. 

„Du wirſt ihn doch nicht tödten?“ 

„Ja, das werd' ich. 

Ich werd' ihn erſt foltern. 


337 


Dann blenden. 

Und dann tédten." 

nem, nein!" fdrie Matafwintha auf. 

wa, id) hab's befdjloffen. 

Die Henfer ftehen bereit. 

Und du wirft thm das fagen: dir, diefer händeringen⸗ 
ven BVergweiflung wird er glauben, dak es Ernſt. 

Du vielleicht rührſt ihn: mein Anblick hartet feinen 
Trop. 

Gr wähnt vielleidt nod, in Belifars, ves Weid)s 
herzigen, Hand zu fein. 

Du wirft ihm fagen, in weffen Gewalt ‘er ift. 

Hier vie beiden Pergamente. 

Hier vie Schlüſſel — du follft deine Stunde fret 
wählen — gu feinem Rerfer." 

Cin Strahl freudiger Hoffnung bligte aus Matas 
ſwinthens Geele durch thr Auge. 

Gethegus bemerfte e8 wohl. 

Uber rubig lächelnd ſchritt er hinaus. 


Dahn, Gin Kampf um Rom. IT. 22 


Adtundpwansiaftes Capitel. 





Bato, nachdem ver Prefect vie Königin verlaſſen, 
war e8 dunkel geworden über Ravenna. 

Der Himmel war dict mit zerrißnem Gewölk bee 
vet, weldjes heftiger Wind an dem Neumond voriiber 
jagte, fo daß kurzes, ungewiſſes Licht mit defto tieferem 
Dunfel wedhfelte. 

Dromon hatte feinen Whendrundgang in den Gellen 
ver übrigen Gefangnen vollendet und fam müde und 
traurig in fetn Vorgemach zurück. 

Er fand fein Licht brennend. 

Mit Mithe nur nahm er Rauthgundis wabhr, welde 
nod) immer reglos an der Halbthür lehnte, das Beil in 
ver Hand, ven Blick auf die Gangthiir gebeftet. 

„Laß mid) Vict fdlagen, Frau, den Sienfpan im 
Herd-Cifen entziinden: und theile das Nachtmahl mit mtv. 
Romm, du harreft bier umfonft.“ 

ein, fein Lidt, fein Feuer in dem Gemach! Ich 
jebe fo Sefjer, wa8 draugen im Hofe, tm Mondlicht 
nabt." 


339 


„Nun fo fomm wenigſtens bierherein und rube auf 
dem Dreifug. Hier ift Brod und Fleiſch.“ . 

„Soll ih effen, wabrend er Hunger leidet?“ 

„Du wirft erliegen! 

Was denkſt, was finnft du den ganjen Whend?* 

„Was id) denle?“ widerbolte Rauthgundis, immer 
binausblidend : 

oon! 

Und wie wir fo oft gefcfien in dem Saulengang vor 
unfrem fddnen Haufe, wenn der Brunnen plätſcherte 
in dem Garten und die Cicaden jirpten auf den 
Biumen. 

Und die thle Nachtluft ſtrich fret um fein liebes 
Haupt. . 

Und ich ſchmiegte mic) an feine Schulter. 

Und wir fpraden nicht. 

Und oben gingen die Sterne mit Schweigen. 

Und wir laufdten den vollen, tiefen Athemzügen des 
Rindes, das eingefdlafen war auf meinem Schos, die 
Händchen, wie weide Feffeln, um den Arn ves Vaters 
geſchlungen. 

Jetzt trägt ſein Arm andre Feſſeln. 

Eiſenfeſſeln trägt er, — die ſchmerzen — —“ 

Und ſie drückte die Stirn an das Eiſengitter, feſt 
und feſter, bis ſie ſelbſt Schmerz empfand. 

„Herrin, was quälſt du dich? 

Es iſt doch nicht zu ändern!“ 

„Ich will es aber ändern! 

Ich muß ihn retten und — 

22* 


340 


Ha, Dromon, hieher! 

Was ift vase fliifterte fle und wies in den Hof. 

Der Alte fprang gerdufdlos an thre Sette. 

Jn vem Hofe ftand eine hohe, weiffe Geftalt, ote 
fautlo8 an der Mauer dahin glitt. 

Rafd nur, aber fdarf, fiel vas Mondlicht darauf. 

„Es ift etne Lemure! 

Gin Schatte der hier Ermordeten,“ ſprach der Alte 
bebend. 

„Gott und vie Heiligen ſchützet mich!“ 

Und er befreuzte fid) und verbiillte das Haupt. 

Mein,” ſprach Rauthgundis, die Todten kommen 
nidjt wieder vom Jenſeits. 

Sest ift’8 verfdwunden — 

Dunfel ringsum — 

Ha, da bridt ver Mond durch — da tft e8 wieder! 

G8 fdwebt voran gegen die Gangthitr. 

Was fdhimmert da roth im weifen Licht? 

Ha, dads ift die Königin — ihr rothes Haar! 

Sie halt an ver Gangthitr. 

Sie ſchließt auf! 

Gie will thn im Schlaf ermorden!" 

„Weiß Gott, es ift die Königin! 

Aber ihn ermorden! 

Wie finnte fie!" 

„Sie könnte ed! 

Aber ſie ſoll es nicht, ſo wahr Rauthgundis lebt. 

Ihr nach! 

Ein Wunder thut uns ſeinen Kerker auf! 


341 


Aber leife! 

Leiſe!“ 

Und ſie trat aus der Halbthür in den Hof, das Beil 
in der Rechten, vorſichtig den Schatten der Mauer 
ſuchend, langſam, auf den Zehen ſchleichend. 

Dromon folgte ihr auf dem Fuße. 

Inzwiſchen hatte Mathaſwintha vie Gangthür auf—⸗ 
geſchloſſen und ihren Weg erſt viele Stufen hinab, dann 
durch den ſchmalen Gang, mit den Händen taſtend, gue 
riidgelegt. 

Nun erreidte fle die Pforte ves Kerkers. 

Leife erſchloß fie aud) diefe. 

Durd einen ausgehobnen Biegelftein hod) oben im 
Thurm fiel ein ſchmaler Streif ves Mondlidis in das 
enge Quadrat. 

Es zeigte ihr den Gefangnen. 

Gr fag, den Riiden gegen vie Thüre gemandt, das 
Haupt auf vie Hände geftiigt, reglos auf einem Steins 
blod. 

Bitternd lehnte fic) Matafwintha an vie Pfoften der 
Pforte. 

Eiskalte Luft ſchlug ihr entgegen. 

Sie fror. 

Ste fand keine Worte: vor Grauen. 

Da ſpürte Witichis an dem Windzug, daß die Pforte 
geöffnet worden. 

Er hob das Haupt. 

Aber er ſah nicht um. 


342 


‚„Witichis — König Witichis“ — ftammelte endlid 
Mataſwintha — „ich bin's. Hörſt du mich?“ 

Aber der Gefragte rührte ſich nicht. 

„Ich komme, dich zu retten — fliehe! Freiheit!“ 

Aber der Gefangne ſenkte wieder das Haupt. 

woh ſprich! — of ſieh nur auf mid!“ — 

Und fie trat ein. 

®erne hatte fie feinen Arm berithrt, feine Hand 
gefaft. 

Sie wagte es nod) nidht. 

„Er will dic) tidten — qualen. 

Gr witd e8 thun, — wenn du nicht fliehſt.“ 

Und nun gab ihr Verzweiflung den Muth, näher gu 
freten. 

ou follft aber fliehn! 

Du follft nicht fterben! 

Du follft gerettet fetn — durch mid! 

Sh flehe vid an — fliehe! 

Du hirft mid nidt! 

Die eit drangt! 

Einſt follft vu Wes wiffen! 

Nur jest flich in Freiheit und Leben. 

Sd habe vie Sehliiffel per Rerkerpforte und der 
®angthiir! flieh!“ 

Und nun fafte fie ſeinen Arm, wollte ihn entpors 
reißen. 

Da klirrten ſeine Ketten an den Armen, an den 
Füßen. — 

Er war an den Steinblock feſtgeſchloſſen. — 


343 


„Oh, was ift das?" rief fle und fiel in die Rniee. 

„Stein und Eiſen.“ fagte er tonlos. 

wtafy mid). 

Sd gehöre dem Tove. 

Und bielten mid aud dieſe Vande nicht — id folgte 
Dir dod) nidt! 

Buriid in die Welt? 

Die Welt ift etne große Lüge. 

Wes ift Lage." 

„Du haft edt! fterben tft beffer. 

Laß mid fterben mit dir. 

Und verjeih mir. 

Denn aud ich habe dir gelogen.“ 

„Es mag wobl fein. 

Es wundert mid nidt.“ 

„Aber du mußt mir nod) vergeben, ehe wir fterben. 

Ich habe vid gehaßt — ich habe gejubelt über deinen 
MNiedergang — id) habe — of, eB ift fo ſchwer gu 
ſagen! 

Ich habe die Kraft nicht, es zu geſtehn. 

Und doch muß ich deine Verzeihung haben — und 
miift’ id) fie mir erſtehlen. 

Vergieb mir — reidhe mir die Hand gum Zeichen, 
dag du mir verzeihſt.“ 

Aber Witichis war in ſein Brüten zurück geſunken. 

„Oh, id) flehe did) an — verzeihe mir, was immer 
id dir mag gethan haben.” 

„Geh — warum foll id) dir nicht verzeihn? 

Du biſt wie We! nicht beffer, micht ſchlimmer!“ 


344 


„Nein, td) bin böſer als Wile. 

Und vod beffer. 

Wenigftens elender. 

Wiffe venn: td) habe did) gehaft, ja, aber nur, weil 
Du mid) von dir geſtoßen! 

Du ließeſt mid) nicht detn Leben theilen, — vers 
zeihe mir. — 

Gott, ich will ja nur mit dir ſterben dürfen. — 

Reich mir einmal noch die Hand, zum Zeichen, daß 
du mir verzeihſt.“ 

Und ſie ſtreckte kniend, flehend, beide Hände zu ihm 
empor. 

Der König erhob das Haupt. 

Der Grundzug ſeines Weſens, die tiefe Herzensgüte, 
regte ſich in ihm und übertönte den eignen dumpfen 
Schmerz. 

„Mataſwintha,“ ſagte er, und erhob die kettenklirrende 
Hand, „geh', es erbarmt mich dein. 

Laß mich allein ſterben. 

Was immer du an mir gethan — geh hin,— td 
babe dir verziehn.“ 

„Oh Witichis!“ handte Matafwintha und wollte 
feine Hand ergreifen. 


Uennundzwanzigſtes Capitel. 





Aber heftig fühlte fle fic hinweg geriffen. 

„Nachtbrennerin, nte foll er dir vergeben! 

Komm Witichis, mein Witidis. 

Folge mir! du bift fret.” 

Der Kinig fprang auf, von diefer Stimme wie aus 
Betäubung gewedt. 

„Rauthgundis! 

Mein Weib! ja du logſt nie! 

Du biſt getreu. 

Ich hab' dich wieder.“ 

Und tief aufathmend, jauchzend aus voller Bruſt, 
breitete er die Arme aus. 

Sein Weib flog an ſeine Bruſt und ſie weinten 
beide ſüße Thränen der Liebe und der Freude. 

Mataſwintha aber, die ſich erhoben hatte, wankte 
gegen die Mauer. 

Sie ſtrich ſich langſam die rothen, losgegangnen 
Haare aus der Stirn und blickte auf das Par, das 
ver Mondſtrahl, ver durch vie Thurmluke fiel, bell bes 
leuchtete. 


346 


‚Wie er fie liebt! 

Ihr, ja ihr würd' er foigen in Freiheit und Leben. 
Aber er muß ja bleiben! 

Und ſterben — mit mir.“ — 

„Säumt nicht länger!“ mahnte von der Kerkerthüre 
die Stimme Dromons. 

„Ja, raſch fort, mein Leben!“ rief Rauthgundis. 
Sie zog einen kleinen Schlüſſel aus dem Buſen und 
taftete an ben Ketten, ded Schloſſes kleine Oeffnung 
ſuchend. 

Bie? ſoll ich wirklich nochmal hinaus?“ fragte der 
Gefangne, halb in ſeine Betäubung zurück ſinkend. 

„Ja, hinaus in Luft und Freiheit,“ rief Rauthgundis 
und warf die losgeſchloſſnen Armfeſſeln zur Erde. 

„Hier Witichis, eine Waffe! Ein Beil! 

Nimm!“ 

Begierig ergriff der gothiſche Mann die Art und 
holte kräftig damit aus: „Ah! die Waffe thut dem Arm, 
der Seele wohl!“ 

„Das wußte ich, mein tapfrer Witichis!“ rief Rauth⸗ 
gundis, kniete nieder und ſchloß die Kette auf, die ſeinen 
linken Fuß an den Steinblock gefeſſelt hielt. 

„Nun ſchreite aus! 

Denn du biſt frei.“ 

Witichis that, das Beil in der Rechten hebend, hoch 
ſich reckend, einen Schritt gegen die Thüre. 

„Und ſie darf ſeine Ketten löſen!“ flüſterte Mata⸗ 
ſwintha. 

„Ja, frei!“ ſprach Witichis, hoch aufathmend. 


her 


~ 


347 





Ich will fret fein und mit dir gehen.” 

„Mit ihr will er geben!” rief Mtatafwintha und 
warf fid) den Gatten in den Weg. 

‚Witichis — [eb wohl — geh! — 

Mur fage mix nochmal — dak du mir vergiehft.” 

„Dir vergeben?“ rief Rauthgundis. 

Nie! Riemals ! 

Sie hat unfer Reich zerſtört. 

Sie hat did verrathen. 

Nicht ver Blig ves Himmels — ihre Hand hat 
deine Gpeider verbrannt!” 

O fo fet verfludjt!" rief Witidis. 

„Hinweg von dieſer Sdlange der Hille! 

Und fie von dev Pforte hinweg ſchleudernd, ſchritt 
er fiber die Schwelle, gefolgt von Rauthgunvis. 

„‚Witichis!“ rief Matafwintha fic) aufraffend. 

„Halt! Halt an! 

Hire mid nur nod einmal! 

Witichis!“ 

„Schweig!“ ſprach Dromon, ihren Arm ergreifend. 

„Du wirſt ibn verderben.“ 

Aber Mataſwintha, ihrer nicht mehr mächtig, riß 
ſich los und folgte, die Stufen hinauf in den Gang. 

„Halt!“ rief ſie, „Witichis! 

Du darfſt nicht ſo hinweg. 

Ou mußt mir verzeihn.“ 

Da brach ſie ohnmächtig zu Boden. 

Dromon eilte an ihr vorbei, den Fliehenden nach. 


348 





Aber fdon hatte das gellende Rufen den Mann des 
leifeften Schlafes geweckt. 

Cethegus trat, das Schwert in der Hand, nur halb 
gegürtet, aus ſeinem Schlafgemach auf den Gang, 
deſſen offne Logen in den viereckigen Palaſthof blickten 

„Wachen,“ rief er, „unter die Speere!“ 

Auch Soldaten waren aufmerkſam geworden. 

Kaum hatten Witichis, Rauthgundis und Dromon 
den Gang und die Gangthüre durchſchritten und, grade 
dieſer gegenüber, die Gemächer Dromons erreicht, als 
ſechs iſauriſche Söldner laut lärmend in den Gang 
hinein ſtürmten. 

Raſch ſprang Rauthgundis aus ver Halbthür, ſprang 
auf die ſchwere eiſerne Gangthüre zu, warf ſie klirrend 
ins Schloß, drehte den Schlüſſel um, und zog ihn 
heraus. 

„Die ſind geborgen und unſchädlich!“ flüſterte ſie. 

Schnell eilten nun die beiden Gatten von dem Gemache 
Dromons dem großen Ausgang zu, der aus dem Schloß⸗ 
hof auf die Straße führte. 

Mit gefälltem Speer trat hier der letzte Mann der 
Wache, der hier zurückgeblieben, ihnen entgegen. 

„Gebt die Loſung,“ frug er. Rom und — 

ade!" ſprach Witichis und ſchlug ibn mit dem 
Beile nteder. 

Laut fdreiend fiel der Söldner, und warf nods den 
Speer ven Fliidtigen nad: er durchbohrte den letzten 
der Dret — Dromon. 

Ueber die Marmorftufen ves Palaftes auf vie Straße 


349 


hinab fpringend, hörten die Gatten nod) die eingefperrten 
Soldaten donnernd gegen die fefte Cifenthitre ſchlagen, 
aud einen lauten Befehlruf hirten fie nod: 

„Syphar! mein Pferd!“ 

Dann nahm ſie Nacht und Dunkel auf. 

Wenige Minuten arauf ſchimmerte der Palaſthof 
von Fackeln: und Reiter flogen nach allen Thoren der 
Stadt. 

„Sechs Tauſend Solidi wer ihn lebend, drei Tauſend 
wer ihn erſchlagen bringt!“ rief Cethegus, — ſich in den 
Sattel ſeines ſchwarzen Hengſtes ſchwingend. 

„Nun auf, ihr Söhne des Winvdes, Eat und 
Mundzuch, Hunnen und Maſſageten. 

Jetzt reitet, wenn ihr je geritten!“ 

weber wohin, Herr?“ frug Syphax, an ſeines Herrn 
Seite aus dem Palaſtthor ſprengend. 

„Das iſt ſchwer rathen. 

Aber alle Thore ſind geſchloſſen und beſetzt. 

Sie können nur etwa zu den Mauerbreſchen bins 
ang.“ 

„Zwei groge Manerbrefden finds." 

„Sieh dort den Supiter, Der eben aus der Wolfe 
tritt im Oſt. 

Gr winkt mir. 

Oft nicht dort —?“ 

„Der Mauerfturzy am Xhurme ves Wetius." 

„Gut! dort hinaus! 

Sd folge meinem Stern!" — — — 


390 





Glücklich Hatten inzwiſchen die Gatten, Hindurd) gee 
faffen von Paulus, dem Sohn des Dromon, die nur halb 
ausgefüllte Manerliide durcheilt und in dem nahen Pinien: 
Hain der Diana Wacdhis, den Getrenen, und zwei Pferde 
gefunden. 

Wallada nahm die Gatten auf ven Rücken — 

Der Freigelaſſne ritt raſch voran, dem Ufer des hier 
ſehr breiten Fluſſes zu. 

Witichis hielt Rauthgundis vor ſich, hinter dem Hals 
des Roſſes. 

„Mein Weib! mit dir hatte ich Alles verloren! 

Leben und Lebensmuth. 

Aber nun will ich's noch einmal wagen um das 
Reich. 

O wie konnte ich dich von mir laſſen, du Seele 
meiner Seele.“ 

„Dein Arm iſt wund vom Druck der Kette! 

So! leg ihn hier auf meinen Nacken, o du mein 
Alles.“ 

„Vorwärts, Wallada! Raſch! es gilt das Leben.“ 

Da bogen ſie aus dem Dickicht des Hains in's 
Freie. 

Das Ufer des Fluſſes war erreicht. 

Wachis trieb ſein bäumendes Pferd in die dunkle 
Fluth. 

Das Thier ſcheute und widerſtrebte. 

Der Freigelaſſne ſprang ab. 

„Er geht ſehr tief, ſehr reißend. 

Es iſt Hochwaſſer ſeit drei Tagen. 


3951 


Die Furth ift nicht zu brauchen. 

Die Gaule miiffen ſchwimmen und ftarf rechts abs 
wirts wird’s uns reißen. 

Und es find Felfen im Flug. 

Und das Mondlicht wechſelt fo oft und taufdt.” 

Und rathlos priifte er am Ufer hin und ber. 

„Horch, was war das?" fragte Rauthgundis. 

„Das war nidt der Wind in den Steineiden." 

„Pferde ſind's,“ fagte Witichis. 

„Sie nahen in Eile. 

Ja, wir ſind verfolgt. 

Waffen klirren. 

Da — Fackeln 

Jetzt hinein in den Strom auf Leben und Sterben. 

Aber leiſe!“ 

Und er führte ſein Pferd am Zügel in die Fluth. 

‚Kein Bodengrund mehr. 

Die Gäule müſſen ſchwimmen. 

Halte dich feſt an der Mähne, Rauthgundis. 

Vorwärts, Wallada!“ 

Schnaubend, zitternd, blickte das Thier in die ſchwarze 
Fluth. — Die Mähne flog wirr kopfüber — die Vorder⸗ 
füße vorgeſtreckt, den Hinterbug zurückgehemmt. 

„Vorwärts, Wallada!“ 

Und leiſe rief Witichis dem treuen Roß in's Ohr: 

„Dietrich von Bern!" 

Da fete vas edle Thter in ftokem Sprung will 
fabrig in die Fluth. 

Schon jagten die verfolgenden Reiter aus dem Wald, 


352 





voran Gethegus, ihm zur Seite Syphar, eine Fadel 
hebend. 

„Hier, im Uferfand, verſchwindet die Spur, 0 
Herr." | 

„Sie find im Waffer! 

Vorwarts, ihr Hunnen !“ 

Aber die Reiter gogen die Zügel an und rithrten 
fid) nicht. 

„Nun, Ellak? was zögert ihr? 

Sofort in die Fluth!“ 

„Herr, das können wir nicht. 

Ehe wir zur Nachtzeit in fließend Waſſer reiten, 
müſſen wir Phug, den Waſſergeiſt, um Verzeihung 
bitten. 

Wir müſſen erſt zu ihm beten.“ 

‚Betet nachher, wenn iby drüben ſeid, fo lang ihr 
wollt, nun aber —“ 

Da fubr ein ftarferer WindftoR über den Flug und 
verlöſchte alle Fadeln. — 

Hod) auf raufdte die Fluth. 

„Du fiebft, o Herr, Phug zürnt.“ 

„Still! ſaht ihr nichts? 

Da unten, links?“ 

Der Mond war ans dent jagenden Gewölk ge⸗ 
taucht. — 

Er zeigte Rauthgundis helles Untergemand — den 
braunen Mantel hatte ſie verloren. 

„Zielt raſch, dorthin.“ 

„Nein, Herr! Erſt ausbeten.“ — 


353 





Da war eS wieder dunkel am Himmel, — 

Mit einem Flud) rif dem Hunnen-Hauptling Cethegus 
Bogen und Köcher von ver Schulter. 

„Nun raſch vorwärts!“ rief leife Wachis, der ſchon 
faſt das rechte Ufer gewonnen hatte, zurück — „ehe der 
Mond aus jener ſchmalen Wolfe tritt. 

„Halt, Wallada!“ rief Witichis, abſpringend, die 
Laſt zu erleichtern, und ſich an der Mähne haltend. 

da iſt em Fels! 

Stoße vid) nicht, Rauthgundis.“ — 

Roß, Mann und Weib ſtockten einen Augenblick an 
dem ragenden Stein, wo in gurgelndem, tiefem Wirbel 
das Waſſer reißend zog. 

Da ward der Mond ganz frei. 

Hell beleuchtete er vie Fläche des Stroms urd die 
Gruppe am Felfen. 

„Sie find es!“ rief Cethegus, ver ſchon den gee 
fpannten Langbogen bereit hielt, gielte und ſchoß. 

Schwirrend flog ver lange, ſchwarz gefiederte Pfeil 
von der Sebne. 

Rauthgundis!“ rief Witichis entfegt. — 

Denn fie gudte gufammen und fan’ nad vorwärts 
auf die Mähne des Roſſes: aber fie Hagte nidt. — 

wOift Du getroffen 2” 

Ich glaube. 

Laß mid bier. 

Und rette dic." 

„Niemals! Lak did) ftilgen.“ 

„Um Gott, Herr, duckt end)! taucht! fte zielen!“ 

Dahn, Ein Kampf um Rom. TIL 93 


354 





Die Hunnen Hatten jest ausgebetet. 

Gie ritten bis hart an den Strom, bis in fein 
Uferwaffer, bogenfpannend und jielend. 

ag mid, Witichis!  Flieh, ich fterbe hier.” 

Nein, ich laſſe vid) nie mehr!“ 

Gr wollte fie aus rem Sattel beben und fie auf dem 
Stein bergen. 

Sn hellem Mondlicht ftand die Gruppe. 

„Gieb did) gefangen, Witichis!“ rief Cethegus, fein 
Roß bis an den Bug in vas Waſſer fpornend. 

„Fluch itber did), du Lügner und Meiding.“ 
- Da fhwirrten zwölf Pfetle auf emmal. 

Hod) auf fprang das RoR Cheoderids und verfant 
fiir immer in die Tiefe. 

Aber aud) Witidhis war auf ven Cod getroffen. 


Bet dir!" — hauchte nod) Rauthgundis. 
Heft mit beiden Armen umfing fie Witichis. — — 
„Mit dir!” 


Umfdlungen verſchwanden fie im Flug. 
Sammernd rief drüben Wachis im Schilf ves Ufers 
nod) dretmal ihren Namen. 
Er erbielt feine Antwort. 
Da jagte er davon in die Macht. 
„Schafft die Leiden an’s Land!" befabl Cethegus 
piifter, fein Roß wendend. 
Und die Hunnen ritten und ſchwammen bis an den 
Stein und fudten. 
Uber fie ſuchten vergebens. 
Der rajdhe Strom hatte fie mit fort geriffen und 


355 


pie wieder vereinten Gatten mit fic) hinaus getragen 
in's tiefe, frete Meer. 


Am gletden Tage war Pring Germanus von Ari- 
minum in den Hafen von Ravenna zurückgekehrt, bereit, 
demnächſt Matafmintha nah Byzanz gu führen. 

Diefe war aus ibrer Betäubung erft durd die 
Hammerfdlige ver Werkleute gewedt worden, welde das 
Mauermerf neben ver Gangthür durchbrachen, die ein: 
gefperrten Söldner gu befreien. 

Man fand die Fürſtin auf den Rerferftufen zu—⸗ 
fammengebrodjen. 

Sie ward in vollem Fieber in ihre Gemächer hinauf 
getragen, wo fle auf den PBurpurpolftern ofne Laut und 
Regung, aber mit ftarr geöffneten Augen lag. 

Gegen Mittag ließ ſich Cethegus melden. 

Sein Blick war finfter und drobend, fein Antlig 
pon eifiger Ralte. 

Er trat dicht an iby Lager. 

Matafwintha fal ihm in's Wuge. 

„Er ift todt!“ fagte fie dann ruhig. 

„Er wollte es nidjt anders. 

Gr — und du. 

Dir Vorwürfe maden ift swedlos. 

Aber du fiehft, was das Ende wird, wenn du mir 
entgegen handelſt. 

. 23 * 


354 





Die Hunnen batten jest audsgebetet. 

Sie ritten bis hart an den Strom, bis in fein 
Uferwaffer, bogenfpannend und jielend. 

rag mid, Witichis!  Flieh, icp fterbe bier." 

„Nein, ich laſſe did) nie mebr!" 

Er wollte fie aus rem Gattel beben und fie auf vem 
Stein bergen. 

Sn hellem Mondlicht ftand vie Gruppe. 

„Gieb vid gefangen, Witichis!“ rief Gethegus, fetn 


Roß bis an den Bug in das Wafer fpornend. 


„Fluch über did), du Lügner und Neiding.“ 
Da ſchwirrten zwölf Pfeile auf einmal. 

Hoch auf ſprang das Roß Theoderichs und verſank 
für immer in die Tiefe. 

Aber auch Witichis war auf den Tod getroffen. 


Bei dir!" — hauchte nod) Rauthgundis. 
Feſt mit beiden Armen umfing ſie Witichis. — — 
„Mit dir!“ 


Umſchlungen verſchwanden ſie im Fluß. 

Jammernd rief drüben Wachis im Schilf des Ufers 
noch dreimal ihren Namen. 

Er erhielt keine Antwort. 

Da jagte er davon in die Nacht. 

„Schafft die Leichen an's Land!“ befahl Cethegus 
düſter, ſein Roß wendend. 

Und die Hunnen ritten und ſchwammen bis an den 
Stein und ſuchten. 

Aber ſie ſuchten vergebens. 

Der raſche Strom hatte ſie mit fort geriſſen und 


355 


pie wieder vereinten Gatten mit ſich hinaus getragen 
in's tiefe, freie Meer. 


. Unt gletden Tage war Pring Germanus von Ari- 
minunt in den Hafen von Ravenna zurückgekehrt, bereit, 
demnächſt Matafmintha nad Byzanz zu fithren. 

Diefe war aus threr Betaubung erft durch die 
Hammerſchläge ver Werkleute gewedt worden, welde das 
Mauermerf neben der Gangthiir durchbrachen, die ein: 
gefpercten Siloner gu befreien. 

Man fand die Fürſtin auf den Merferftufen zu—⸗ 
fammengebrodjen. 

Sie ward in vollem Fieber in ihre Gemader hinauf 
getragen, wo fie auf den Burpurpolftern ohne Laut und 
Regung, aber mit ftarr gedffneten Wugen lag. 

Gegen Mittag ließ fic) Cethegus melden. 

Sein Blick war finfter und drohend, fein Antlig 
von eifiger Kälte. 

Gr trat dicht an ihr Lager. 

Matafwintha fal ihm in’s Auge. 

„Er ift todt!" fagte file dann rubig. 

„Er wollte e8 nidjt anders. 

Gr — und du. 

Dir Vorwiirfe maden ift swedlos. 

Aber du fiebft, was pas Ende wird, wenn du mir 
entgegen handelſt. 

. 23 * 


396 





Das Gefdret von feinem Untergang wird unfehlbar 
die Barbaren in neue Wuth treiben. 

Schwere Arbeit haft vu mir geſchaffen. 

Denn nur ou Haft ihm Fludt und Tod bereitet. 

Das Mtindefte, was du yur Sithne thun fannft, ift: 
meinen zweiten Wunſch erfiillen. 

Pring Germanus ift gelandet, did) abjubolen. 

Du wirft ihm folgen." 

„Wo iſt die Leiche? 

‚Nicht gefunden. 

Der Strom hat ihn davon getragen. 

Ihn und — vas Weib.“ 

Mataſwinthens Lippe zuckte. Noch im Tode! 

Sie ſtarb mit ihm?“ 

weap dieſe Todten! 

In zwei Stunden werde ich mit dem Prinzen wieder 
kommen. 
Wirſt du bis dahin bereit fein, ihn gu begrüßen? 

„Ich werde bereit ſein.“ 

„Gut. Wir wollen pünktlich fein.” 

Auch ich. 

Aſpa, rufe alle Sklavinnen herbei. 

Sie ſollen mich ſchmücken: Diadem, Purpur, Seide.“ 

„Sie hat den Verſtand verloren,“ ſagte Cethegus im 
Hinausgehen. 

ber die Weiber find zäh. 

Sie wird ihn wieder finden. 

Gie finnen fort leben mit aus ver Bruſt geriffnem 
Herzen." 


357 





Und er ging, Den ungeduldigen Pringen gu vertriften. 

Vor Ablanf der bedungnen Beit fam eine Slavin, 
beide Ptanner zur Königin zu entbieten. 

Germanus eilte mit rafdem Fuße Aber vie Sdwelle 
ihres Gemaches. 

Aber gefeſſelt von Staunen blieb er ſtehen. 

So ſchön, ſo prachtvoll hatte er die Gothenfürſtin 
nie gegeſehn. 

Sie hatte das hohe, goldne Diadem auf das leuchtende 
Haar geſetzt, welches, gelöſt, in zwei dichten Wellen auf 
ihre Schultern und von den Schultern bis über den 
Rücken floß. 

Das Unterkleid, von ſchwerſter weißer Seide mit 
goldnen Blumen durchwirkt, war nur unterhalb der 
Kniee ſichtbar. 

Denn Bruſt und Schos bedeckte der weite Purpurmantel. 

Ihr Antlitz war marmorweiß, ihr Auge loderte in 
geiſterhaftem Glanz. 

„Prinz Germanus,“ rief fie dem Eintretenden ents 
gegen, „du haſt mir von Liebe geredet? 

Aber weikt du, was du gereret? 

Lieben ift fterben.” 

Germanus fah fragend auf Cethegus. 

Diefer trat vor. 

Gr wollte fpreden. 

Aber Matafwintha hob mit heller Stimme wieder an: 

„Prinz Germanus, fie rühmen did den Feinftgebildeten 
an einem weifen Hof, wo man fic bt in fpiger Räthſel 
Rathung. | 


358 


Auch ich will dtr eine Rathfelfrage ftellen: — ſieh yu, 
ob du fie löſeſt. 

Laß div nur belfen dabei von dem Mugen Prafecten, 
ver fid) fo gang auf Menſchengemüther verfteht. 

Was ift vas? 

Weib und dod) Mädchen? 

Wittwe und ded) nie Weib ? 

Vermagſt e8 nidjt gu deuten? 

Haft Recht. 

Der Tod nur löſt alle Räthſel.“ 

Rafd) sur Seite warf fie den Purpurmantel. 

Cin breiteds, ftarfes Schwert bliste. 

Mit beiden Hanvden ſtieß fie ſich's tief in die Bruſt. 

Aufſchreiend fprangen Germanus von vorne, Aſpa 
von rückwärts hinzu. 

Schweigend fing Cethegus vie Sinlende auf. 

Sie ſtarb, ſowie er das Schwert aus der Wunde zog. 

Er kannte das Schwert. 

Er hatte ſelbſt ihr es einſt geſendet. 

Es war das Schwert des Königs Witichis. 


Sedstes Such. 


Sotila. 


Heil, daß uns diefer Sonnen-Jüngling lebt. 
Markgraf Rüdeger von Bedhelaren 
I. Aufgug, 1. Ecene. 


Erfte Abtheifung. 


Grftes Capitel. 





Wenige Tage nad dem Tode Matafwinthens und 
ver Wbreife des tieferſchütterten Prinzen fam eine Botfdaft 
aus Gaftra nova, welde den Aufbrud byjzantiniſcher 
Truppen von Ravenna nothwendig madte. 

Hildebad war durd) flüchtige Gothen, weld fic) durch 
pie Linien der Belagerer gefdlicen, von der verrathes 
rifden Gefangennebmung des Königs unterridjtet worden. 

Da lieR er durch Gefangne, die er fret gab, Belifar 
und Gethegus, jeden einjeln oder beide gufammen, wie 
fie wollten, gum Zweikampf laden, ,wenn fte eine Ader 
von Muth, einen Tropfen von Ehre im Leibe triigen.” 

«Cr glaubt Belifar nod) im Lande und fdeint ibn 
nidt eben gu fürchten,“ fagte Beſſas. 

Hier lage ein Mittel,“ erwiderte Cethegus lauernd, 
wen ungeftimen Raufbold yu verderben. 

Aber fretlid, Muth gehsrt dazu. 

Muth, wie ihn Beliſar gehabt.“ 


362 





„Du weikt, id weide thm aud darin nicht." 

„Gut,“ fprad Cethegus, ,folge mir in mein Gemad. 

Ich will dir Rath und Mittel zeigen, den Riefen gu 
vernichten. 

Du ſollſt vollbringen, was Beliſar mißlang.“ 

Bu fic) ſelber aber ſprach er: ,,Beffas iſt gwar em 
löblich ſchlechter Feldherr: aber Demetrius fein beffrer, 
und leichter gu letter. 

Und Beffas ſchuld' id) noch Vergeltung fiir das tiburs 
tinifche Thor yu Rom.“ 


Nicht ohne Grund hatte der Prafect gefitrehtet, der 
ſchon faft erlofdne Widerftand ver Gothen werde fid 
new beleben bet der Kunde von der hinterliftigen Bers 
nidtung ded Königs. 

Mit jedem Mittel hatte er daher jene Erflarung von 
Witihis ergwingen wollen, welche jede Begeifterung der 
Rache erftidt haben würde. 

Noch war an den alten Hildebrand zu Verona, an 
Lotila nad Tarvifium und an Teja gu Teinum keine 
genauere Nachricht gelangt. 

Nur die Kunde, dak Ravenna gefallen, ver König 
gefangen fet, hatte fie erreidt. 

Dunfel verlautete vabei von Verrath. 

Und der Sdmerz und Zorn der Freunde ließen es 


363 


fid) nicht nehmen: mit rechten Dingen könne nicht die fefte 
Stadt, ver wadre König, erlegen fein. 

Statt fie gu entmuthigen, verftarfte bas Unbeil die 
Kraft ihres Wirerftands. 

In wiederbolten gliidliden Ansfallen fdwidten fie 
bie Belagerer. : 

Und diefe faben fic) fchon faft gendthigt, vie Cin- 
ſchließung aufzugeben. 

Denn die Anzeichen einer höchſt bedeutſamen Verän⸗ 
derung der Verhältniſſe in ganz Italien ſtrömten von allen 
Seiten auf ſie ein. 

Dieſe Veränderung war ein ſich raſch vollziehender 
Umſchwung in Stimmung und Geſinnung der römiſchen 
Bevölkerung, wenigſtens des geſammten Mittelſtandes: 
der Kaufleute und Handwerker in den Städten, der 
Bauern und Colonen auf dem flachen Lande. 

Die Italier hatten überall die Byzantiner jubelnd 
als Befreier begrüßt. 

Aber nach kürzeſter Zeit legte ſich dieſer Jubel. 

Im Gefolge Beliſars zogen ganze Scharen von 
Finanzbeamten aus Byzanz, von Juſtinian geſendet, fo- 
fort die Früchte des Kampfes zu erndten, und die immer 
leeren Kaſſen des Oſtreichs mit den Reichthümern Italiens 
zu füllen. 

Mitten in den Leiden des Krieges begannen und 
betrieben dieſe Eifrigen ihr Werk. 

Sowie Beliſar eine Stadt beſetzt hatte, ſo berief der 
mit eingerückte Logothetes (Kaſſenrechnungsführer) alle 
freien Bürger in die Curie oder auf das Forum, ließ 


364 


vie Birger fih felbft nah dem Vermögen in feds 
Claſſen theilen und forderte nun je die drmere Claffe auf, 
pie nadft höhere nad ihren Vermögen gn ſchätzen. 

Auf Grund diefer Schätzung legten dann die kaiſer⸗ 
liden Beamten jeder Claffe eine möglichſt hod gegriffne 
Steuer auf. 

Und ba fie, ſchon durch die Vorenthaltung, Bere 
kürzung, Verzögerung bet dem niemals piinctlid) bezahlten 
Gehalte faſt darauf angewieſen, ſtets neben den Caſſen 
des Kaiſers die eigne Taſche zu füllen bedacht waren, 
wurde der Druck unerträglich. 

Die Logotheten waren nicht zufrieden mit den hohen 
Steuerſätzen, welche ver Kaiſer fiir drei Jahre voraus⸗ 
bezahlt verlangte, mit der beſondren, jeder befreiten Stadt 
Italiens auferlegten „Freiheits, Dank⸗ und Freuden⸗ 
Schatzung“: — neben den ſtarken Contributionen und 
Requiſitionen, welche Beliſar und ſeine Heerführer zur 
Verpflegung des Heeres ausſchreiben mußten — denn von 
Byzanz kam weder Geld noch Vorrath — verlegten ſich 
jene Finanzkünſtler darauf, mit beſonderen Mitteln den 
reicheren Bürgern noch beſondere Zahlungen abzundthigen. 

Sie ſtellten überall Revifionen ver Steuerliſten an, 
entdeckten Rückſtände aus der Zeit der Gothen⸗Könige 
oder gar nod) aus ben Tagen Odovakars und ließen der 
Bitrgern nur vie Wahl zwiſchen ungehenren Abfindungs⸗ 
{ummen oder ungeheuren PBroceffen mit dem Fiscus 
Suftinians, der faft mod nie einen Proceß verloren. 

Waren aber die Stenerliften unvollftindig oder zerſtört 
— was haufig genug in diefen Sabren ver Kämpfe 


365 


gefdeben — fo reconftruirten die Rechnungéfithrer fie 
nad eigner Willkür. 

Kurz, alle Ginangliinfte, welche die Provingen ded 
Oſtreichs gu Grunde ridteten, wurden feit Beliſars Landung 
in ganz Stalien geübt, ſoweit die faiferliden Waffen 
reidten. . 

Ohne Ruckſicht auf die Moth ves Krieges fpannten 
die Steuer⸗Executoren dem Bauer das pfliigende Rind 
ans dem Pflug, nahmen dem Handwerler das Gerath 
aus ver Werkltatt, vem Raufmann die Waren aus der 
Dalle. 

In manden Stadten erhob fic) das Voll, vie Steners 
liften verbrennend, in hellem Aufruhr gegen feine 
Peiniger, vie freilich alsbald in größeren Scharen mit 
ftvengerer Harte widerfebrten. 

Mit afrifanifden Bluthunden jagten die mauretanis 
ſchen Reiter Suftinian’s die vergweijelnden Bauern aus 
ifren Waldverfteden, wobhin fie fic gefliictet, den 
Stenererhebern gu entrinnen. 

Gethegus aber, der allein in der Stellung gewefen 
wire, Abhülfe gu verfuden, fah dem Wen gu mit 
berechnender Ruhe. 

Ihm war es erwünſcht, daß Italien ſchon vor 
Beendung des Krieges die Tyrannei von Byzanz fühlbar 
kennen lernte. 

Deſto leichter würde er es mit fortreißen können, 
fich zu erheben mit eigner Kraft und nach den Gothen 
auch die Byzantiner abzuſchütteln. 

Mit Achſelzucken hörte er vie Klagen ver Städte⸗ 


366 





deputationen an, die fetne Vermittlung anriefen und gab 
pie lakoniſche Antwort: 

„Das iſt byzantiniſch Regiment — ihr müßt euch 
dran gewöhnen.“ 

„Nein,“ hatten die Abgeordneten von Rom gerufen, 
das Unerträgliche gewöhnt man nicht. 

Und der Kaiſer könnte ein Unerhörtes erleben, das 
er ſich nicht träumen läßt.“ 

Dies Unerhörte konnte ſich Cethegus nur als die 
Erhebung Italiens zur Selbſtändigkeit denken: er kannte 
kein Drittes. 

Aber er irrte. 

So klein er von ſeiner Zeit und ſeinen Landsleuten 
dachte, — er hatte geglaubt, ſie durch ſein Beiſpiel ge⸗ 
hoben zu haben. 

Jedoch den Gedanken: „Freiheit und Crnenerung 
Italiens,“ ſeinem Geiſt ſo geläufig, ja ſo nothwendig wie 
der Bruſt das Athmen — dies Geſchlecht vermochte ihn 
nicht mehr zu faſſen. 

Nur zwiſchen verſchiednen Herren ſchwanken und 
wählen konnten ſie. 

Und da das Sod von Byzanz ſich als unertragbar 
erwies — fing man an, wieder der milden Gothen: 
herrfdjaft gu gebdenfen: eine Möglichkeit, die dem 
Prafecten gar nicht in die Gevanken gerieth. 

Und dod fant es fo. 

Vor Tarvifium, Licinum und Verona geſchah ſchon 
jept im Kleinen, auf dem flachen Lande, was fich im 
Großen in den Städten wie Neapolis und Bom vor 


367 





bereitete: die italiſche Landbevdlferung erhob fic gegen 
vie byzantinifden Beamten und Soldaten wie vie Be- 
wohner jener bret Städte in jeder Weife die gothifden 
Befagungen unterſtützten. 

Go wurden die Belagerer von Larvifium genöthigt, 
ihre Angriffe aufgugeben und fid) auf Vertheidigung thres 
Lagers gu befdranten, nachdem Totila in einem Ausfall, 
unterftitgt von bewaffneten Golonen des Flachlands, 
ihre Werke gum großen Theil zerſtört hatte. 

Aus der Landſchaft zog er nun Vorrathe und Streiter 
in feine Befte. 

Mit froherem Herzen alB feit fehr flanger eit hielt 
Totila femen Abendrundgang auf den Wallen von 
Larvifiun. 

Die Sonne, welche hinter den venetifden Bergen 
niederfant, vergoldete die Ebne vor ihm und rothe Wolfen 
flogen freundlid) an dem Himmel bin. 

Mit geriihrtem Hergen ſah er, wie vie Bauern von 
per Umgegend von Tarviſium durch das gesffnete Thor 
ftrSmten und feinen ausgehungerten Gothen Brod, Fleiſch, 
Kafe, Wein zutrugen, während diefe in's Freie eilten 
und nun G@ermanen und Stalier, mit verfdlungnen 
Armen, vie jingft gemeinfam über die verhaften Feinre 
erfochtnen Bortheile gemeinfam feterten. 

Und follte e8 denn unmiglid fein," fagte der Sieger 
gu fid) felbft, „dieſe Eintracht gu erhalten, zu ermeitern 
fiber das game and? 

Miiffen denn diefe Balter beharren in unverſöhnlichem 
Zwieſpalt? 


368 





Wie ſchön fteht beiden viefe Freundfdaft ! 

Haben nicht anc wir gefeblt, fie als Feinde, als 
Befiegte zu bebandeln? 

Mit Argwohn ift man ihnen begegnet, ftatt mit 
ebrendem BVertrauen. 

Shren Geborfam haben wir verlangt, nicht ihre 
Liebe gefudht. 

Und pdiefe wire wohl des Suchens werth gemefen. 

War fie gewonnen — nie hatte Byzanz hier Fuh 
gefaßt. 

Die Löſung meines Gelübdes — Baleria — ſie 
wäre nicht ſo unerreichbar fern. 

Wär' mir es noch vergönnt, auf meine Weiſe nach 
jenem Ziele gu ringen!“ — 

Da unterbrach ſein Denken und Träumen ein Bote 
von den vorgeſchobnen Wachen mit der Meldung, die 
Feinde hätten ihr Lager eilig geräumt und ſeien in 
vollem Abzug nach Süden, gegen Ravenna —: auf der 
Straße von Weſten her wirble Staub —: ein ftarfer 
Haufe Reiter nae, vermuthlid) Gothen. 

Grjreut, aber nod) zweifelnd nahm Totila die Nachricht 
auj: ex traf alle Vorkehrungen wider eine Rriegslift 

Dod) in der Macht wurden feine Zweifel geldſt. 

Cr wurde gewedt mit der Nachricht eines gothiſchen 
Gieges und des Cintveffens der Sieger. 

Gr eilte in nen Vorſal und fah Hildebrand, Teja, 
Thorigmuth und Wadis. 

Mit vem Buruf „Sieg! Sieg!" begriiften ibn die 
Freunde: und Teja und Hiltebrand meldeten, daß and 


369 





bei Ticinum und Verona vas Landvolf ſich gegen die 
Byzantiner erhoben und ihnen geholjen habe, die Bes 
fagerer gu itberfallen und, nad) Zerſtörung ihrer Werte, 
jum Abzug gu swinger. 

Wher bei diefem Bericht lag dod) in Teja’s Auge und 
Stimme mod) tiefere, als die gewohnte Schwermuth. 

„Was aft pu meben dieſer Freude Trauriges zu 
finden 2" fragte Zotila. 

.„Des beften Mannes ſchmähliches Verderben!" wd 
ex wintte Wachis, welder nun die Leiden und den Tod 
pes Königs und feines Weibes erzählte. 

vom Röhricht des Fluſſes,“ ſchloß er, , war id) den 
Pfeilen der Hunnen entgangen. So feb’ ich nod. 

Aber nur yu dem Einen Ende, meinen Herrn, meine 
Herrin gu rächen an ihrem Verrvather und Mörder, vem 
Prafecten.“ 

stein, mir ift bed Brafecten Haupt verfallen!“ 
fprad) Leja. | 

„Das nadfte Recht auf ibn," fagte Hildebrand, „haſt 
bu, Totila. 

Denn einen Bruder Haft du an ihm gu rächen.“ 

„Mein Bruder Hildebad!“ rief Totila, was ift mit 
ihm 2" 
„Schändlich ermorbdet ift er, Herr," fprad) Lhorismuth, 
„von dem Brafecten!. Vor meinen Augen! Und id) fonnt’s 
nidjt wenden.“ 

» Mein ſtarker Hildebad todt!“ klagte Totila. „Rede!“ 

„Der Held lag mit uns in rer Burg Caftra Nova 


bet Mantua. 7 
Tabhn, Cin Kampf um Rom. UL 24 


370 


Das Gerücht vom ſchmählichen Untergang des Königs 
atte uns erreidt. 

Da forderte Hildebad beide, Velifar und Gethegue, 
gum Bweifampf. 

Bald darauf erfdien ein Gerold, meldend, Belifar 
habe die Forderung angenommen und erwarte deinen 
Bruder gum Kampf auf der Chne gwifden unferem Wall 
und ihrem Lager. 

Srohlodend eilte vein Bruder hinaus, wir Reiter 
alle folgten. 

Wirklich ritt aus dem Belte in feiner gofonen Rüſtung, 
mit gefdloffnem Helm und weifem Roßſchweif, mit dem 
runden Buckelſchild, uns allen wohlbekannt, Belifarius. 

Nur zwölf Reiter folgten ihm. 

Alen voran auf feinem Rappen Cethequs, der 
Prafect. 

Die andern Byzantiner hielten vor ihrem Lager — 
Hildebad befahl mir, mit elf Reitern thn tn gleichem 
Abftand gu folgen. 

Die beiden Kampfer begriiften fic) mit bem Speere: 
vie Tuba tönte und Hildebad fprengte auf feinen 
Gegner 108. ; 

Sm Augenblid flog diefer durchſtoßen vom Pferd. 

Dein Bruder, völlig unverlegt, fprang ab, mit vem 
Ausruf: „Das war fein Stok ves VBelifar!" und öffnete 
dem Sterbenden den Helm. 

„Beſſas!“ rief er und fab, ergrimmt ither den BVetrug, 
gegen die Feinde. 

La winkte ver Prafect. 


371 


Die zwölf mauriſchen Reiter fdhleuderten ihre Speere — 
unt ſchwer getroffen ſtürzte etn Bruder zuſammen.“ 

Cotila verhüllte fen Haupt. 

Teja trat ihm theilnehmend naber. 

„Hör' zu Ende,” fprad) Thorismuth. 

„Da ergriff uns, die wir den Mord mit angefehn, 
grimmiger Schmerz. 

Wiithend warfen wir uns auf die Feinde, welde, anf 
unfre Entmuthigung hoffend, aus dem Lager gedrungen 
waren. 

Rad wildem, heißemn Kampf ſchlug ſie unſer Ingrimm 
in die Flucht. 

Nur ſeines Obllenrappens Schnelligkeit hat den von 
meinem Wurfſpeer an der Schulter verwundeten Präfecten 
gerettet. 
Mit leuchtenden Augen ſah dein Bruder noch unſern 
Sig. 

Gr ließ fic) die Truhe, die er aus Ravenna entfiihrt 
pom Schloß herab bringen, öffnete und fprad) gu mir: 
Kronhelm, Schild und Schwert Theoderich’s. 

Bring’ fie metnem Bruder!" 

Und mit legtem Athem fprad) er: 

„Er foll mic) rächen und das Reid erneuen. 

Gag’ ihm, —- id) ab’ ihn febr geliebt!“ 

Damit fiel ex zurück auf feinen Schild und feine 
treue Seele war rabin.” 

tein Bruder! o mein lieber Bruder!“ flagte Totila. 

Gr lehnte jid) an die Saule. Thranen bracen aus 
ſeinen Augen. 

24* 


3/2 


Wohl ihm, dev nod weinen kann!“ fprad Teja leife. 

Cine Paufe des Schmerzes trat ein. 

„Gedenke deiner Eid⸗Pflicht!“ rief endlich Hildebrand. 

„Er war zwiefad dein Bruder! 

Du mut thn rächen!“ 

oa," rief Lotila auffpringend: — und nnvoiliteli 
ri er das Schwert aus der Scheide, defen Griff ihm 
Teja hinreichte. 

ww will ibn rächen!“ 

Es war das Schwert Theoderich’s. 

„Und das Reich ernenen!” ſprach feierlich, ſich hoch⸗ 
aufrichtend, der alte Hildebrand und drückte feſt die 
Krone auf Totila's Haupt. 

„Heil dir, König der Gothen!“ 

Totila erſchrak. 

Er griff raſch mit der Linken nach dem goldnen 
Reif. 

‚Was thut ihr?“ 

„Das Rechte! 

Der Sterbende hat Weiffagung geſprochen. 

Qu wirft das Reid) ernenen. 

Drei Siege rufen vid), den Kampf aufzunehmen. 

Gerenfe ves Blut « Cids. 

Nod) find wir nicht wehrlos. 

Sollen wir die Waffen aus der Hand legen? fle vor 
Verrath und Tiide ftrecen 2" 

„Nein,“ rief Totila, das wollen wir nidt! 

Und woblgcthan ift's, etnen König wablen, als 
Zeichen neuer Hoffnung! — 


373 


Uber hier fteht Graf Leja, witrdiger, bemabrter denn 
meine Sugend. 

Wählt Teja.“ 

„Mich als Bürgen der Hoffnung! 

Mein!“ fagte diefer, bas Haupt ſchuttelnd. 

„Erſt trifft vie Reihe did! 

Dir hat der Bruder ſterbend Schwert und Krone 
geſendet. 

Trage ſie glücklich. 

Iſt dies Reich zu retten — wirſt du es retten. 

Iſt es nicht zu retten, — ſo muß noch ein Rächer 
Rbrig fem! — 

„Jetzt aber," fiel Hildebrand ein, jest gilt es, 
Siegeszuverficht in alle Herzen ſchimmernd ausſtreuen. 

Das ift dein Amt, Totila. 

Sieh, leuchtend taucht der junge Lag empor. 

Der Gonne frithefte Strablen breden in die Halle 
und fiiffen glänzend deine Stirn. 

Das ift em Götterzeichen. 

Heil, Rinig Totila — du follft vas Gothenreich 
crnei'n.“ 

Und der Fiingling drückte fic) den Kronhelm feft auf 
bas goldene Lodenbaupt und fdmang vas Schwert 
Rheoveridhs bligend der Morgenſonne entgegen. 

wa,” rief er, ,wenn Menſchenkraft es mag — id 
will vied’ Reid) erneuen.“ 


Bweites Capitel. 





Und König Totila hat fein Wort gehalten. 

Nod einmal hat er die Macht ver Gothen, deren 
ganzer Halt in Stalien bet fener Grhebung zuſammen⸗ 
gefdrumpft war auf bret fleine Städte mit wenigen 
Tanfenden von Bewaffneten, gewaltig aufgerichtet: ge⸗ 
waltiger als fie zur Beit Theoderichs geweſen. 

Gr vertrieh die Byzantiner aus allen Stadten ver 
Halbinfel: mit Einer verhängnißvollen Ausnahme. 

Er gewann die Inſeln Sardinien, Sicilien, Corſica 
zurück. 

Ja, noch mehr: ſiegreich überſchritt er die alten 
Grenzen des Reichs und, da der Kaiſer hartnäckig die Aner⸗ 
kennung des gothiſchen Reiches und Beſitzſtandes verwei⸗ 
gerte, trugen, ihn gu zwingen, des Gothenkönigs Flotten 
bis tief in die Provinzen des oſtrömiſchen Reiches Schreck 
und Zerſtörung. 

Italien aber gewann unter ſeinem milden Ccepter, 
unerachtet des nie völlig erlöſchenden Krieges, eine Blüthe 
wie in den Tagen Theoderichs. 


375 


Und es ift begeichnend, dag die Cage der Gothen und 
Stalier den glidliden König bald al8 einen Enkel des 
Numa Pemypilius oder des Litus oder Theoderids, bald 
alg deffen zur Wiederbherftelung und Beglückung feines 
Reiches in jugendlider Geftalt auf vie Erde zurück— 
gefehrten Genius feierte. 

Wie der Wufgang ver Morgenfonne aus dunklem 
Nachtgewölk, Licht und Segen bringend und unwirere 
ſtehlich, wirkte feine Erhebung. 

Die finſtern Schatten wichen Schritt für Schritt vor 
ſeinem Nahen: Glück und Sieg flogen vor ihm her und 
bie Chore ver Städte, die Herzen der Menſchen erſchloſſen 
fid) vor ihm faft ohne Wirerftand. 

Die Genialitat ves Feldherrn, ves Herrſchers und 
bes Menſchen, welche in diefem blonden Biingling gee 
ſchlummert hatte, die nur von Cinjelnen, von Theoderich 
unt Leja, geahnt, von niemand in ihrem ganzen Umfang 
erfannt war, entfaltete fid) nun glangend, da fie vollen 
Gliigel-Raum erhalten. 

Das Heiter-Sugendlide feines Wefens war in den 
fdweren Prüfungen diefer Jahre, in den Schmerzen, rie 
ex gu Meapoli8 vor Rom erduldet, in der fortwabrenten 
Entbehrung der Geliebten, welde ihm jerer Sieg der 
Byzantiner jerner rückte, gwar nicht ausgeldfdt, jerod 
in ernftere Männlichkeit vertieft worden. 


Aber jener ſchimmerhelle Grundjug feines Wefens 
war gcblieben und warf ben Rauber rer Unmuth, der 
herzgewinnenden Liebengwiirdigfeit über all fein Thun. 


376 





Getragen won ber eigenen Idealität wandte er fid 
vertranend iiberall an das Ideale in den Menſchen. 

Und unwiderftehlid fanden die meiften, fanden alle 
nicht von iiberlegenen feindfeligen Dämonen beherrſchten 
Menſchen feine zuverſichtliche Berufung auf vas Ele 
und Schöne. 

Wie vas Licht erhellt, was es berithrt, fo fchien die 
Hochherzigkeit viefes lichten Königs ſich feinem Hof, femer 
Umgebung mitzutheilen und aud) die Gegner verſöhnend 
zu ergretfer. 

„Er ift unwiderfteblid) wie der Gonnengott,” riefen 
pie Stalier. . 

Naber betradtet lag vas Geheimniß feiner grofen 
und rafden Erfolge in der genialen Runft, mit welder 
ex, jugleid) bem innerften Impuls feiner Natur folgend, 
bie neu vorgefunde Verbitterung der Stalier fiber den 
Drud der Byzantiner überall gum Umfdlag, sur Sym⸗ 
pathie mit feiner, mit ber gothifden Milde zu fteigern 
unt umzulenken verftand. 

Wir fahen, wie diefe Stimmung das Landvelf, die 
reidjen Raufleute, die Handwerfer in den Städten, dte 
Colonen und fleinen und mittleren Bitrger, alfo weitaws 
bie Mehrzahl ver Bevölkerung bereits ergriffen hatte. 

Die Perfenlichleit des jungen Gothenfinigs zog fie 
dann vollends von den byzantiniſchen Drangern ab, von 
welden auc) das Waffenglück gewiden ſchien, feit vie 
Gothen mit dem helljaudyenden Schlachtruf: ,Totila!” im 
ven Kampf eilten. 

Freilich blich eine Meine Minderzahl unbeugfam: vie 


377 





rechtgläubige Rirde, vie feinen Frieden mit den Ketzern 
fannte, ftarre Republicaner, und der Kern der Katakomben⸗ 
verſchwoͤrung: die ſtolzen römiſchen Wnelegefdledter, die 
Sreunde ves Prafecten. 

ber viefe Meine Zahl fam bet vem Abfall ver Maſſe 
ves Bolles nicht in Betracht. 

Die erfte That des neuen Königs war der Erlaf 
eines Manifeftes an vie Gothen und an die Stalier. 

Jenen wurde genau dargethan, wie der Fall Ravenna’s 
und der Untergang des Konigs Witidhis nur das Werk 
fiberlegener Lige, nidjt Aberlegener Kraft gewefen: und 
eingeſchärft wurde ihnen die Pflidt ver Race, welde 
bereit® drei Siege erbffnet batten. 

Die Stalier aber wurden aufgerufen, nun, naddem 
fie erfahren, welchen Taufd fie durd den Whfall yu By⸗ 
zanz gemadt, gu ihren alten Freunden zurückzukehren. 

Dafür verhieR der König nicht nur volle Amneftie, 
aud Oleidftelung mit ven Gothen, Aufhebung aller 
bisherigen gothifden Vorredte, namentlid) Bildung eines 
eignen italifdjen Heeres und, was durch ven Gegenſatz 
befonders wirtte: Befreiung alles italt{den Bodens und 
Vermigens von jever Steuer bis zur Beendung des 
Rrieges. 

Cine Mafregel hidfter Kiugheit war es ferner, daß, 
pa ver Adel byzantinifd, die Colonatbevilferung gothifd 
gefinnt war, jeder rimifde Cole, der fid) nidt binnen 
pret Woden den Gothen ftellte und unterwarf, ſeines 
Grundeigenthums ju Gunften feiner bisherigen Colonen 
verluftig erflart wurde. 


378 





Und enbdlid) feste der König auf jede Dtifch-Che 
swifden Gothen und Römern eine hohe, ans dem Könige⸗ 
ſchatz zu zahlende Pramie und verfprad Anfiedlung res 
Pares auf confiscirtem Grundbeſitz römiſcher Cenatoren. 

„Italia,“ ſchloß das Manifeft, .blutend ans den Wane . 
ven, welde die Tyrannei von Byzanz ihr gefdlagen, 
foll fic) erheben unter meinem Schilde. 

Helft uns, Söhne Stalia’s, unfere Brilder, von diefem 
beiligen Boden die gemeinfamen Feinde, die Hunnen und 
Sfythen Juftinians, vertreiben. | 

Dann foll im neuen Reid der Stalier und Gothen, 
gexeugt aus italifder Schönheit und Bildung, ans 
gothifder raft und Treue, ein neues Voll erftehen, 
deßgleichen an Adel und Herrlichkeit nod nie vie Welt 


geſchaut.“ 


Ale Cethegus der Präfect auf ſeinem Feldbett gu 
Ravenna, wo ihn die Wunde feſſelte, morgens vom Schlaf 
erwachend, die Nachricht erfuhr von Totila's Erhebung, 
ſprang er mit einer Verwünſchung aus den Decken. 

„Herr,“ warnte ibn der griechiſche Arzt, Du mußt 
vid) ſchonen und —“ 

„Hörſt du nicht? 

Totila trägt die Gothenkrone. 

Jetzt iſt nicht Zeit, ſich zu ſchonen. 

Meinen Helm, Syphar.“ 


379 


Und er rig Lucius Licinius, der die Botfdhaft ges 
bracht, das Manifeft aus der Hand und (a8 begierig. 
. waft Dad nicht lächerlich? 
Nicht Wabhnfinn 2” frug diefer. 
„Wahnſinn iff e8, wenn die Römer nod Römer 
find. 
Aber find fie’s nod ? : 
Sind fie es nicht mehr: — dann fdaffen wir — 
und nidt der Barbarenfiirft — ein Wert ves Wahns. 
Diefe Probe darf gar nicht gemacht werren. 
Im Keim mu diefe neue Gefahr yertreten werden. 
Der Streich gegen den Woel und fiir vie Colonen 
ift ein Meiſterſtück. 
Gr darf nidt Beit haben, yu wirken. 
Wo ift Demetrius?” 
„Schon geftern Abend aufgebroden, Totila entgegen. 
Du febliefft, ver Arzt verbot, vid) zu wecken. 
Aud) Demetrius verbot es." 
pLotila König, und ihr laßt mid) ſchlafen! 
Wißt ihr nicht, daß dieſer Blondkopf der Genius 
des Gothenvolles iſt? 
Demetrius will ſich den Lorber allein holen. 
Wie ſtark iſt er? 
„Den Gothen mehr als zweimal überlegen: Zwölf⸗ 
tauſend gegen Fünftauſend.“ 
‚Verloren iſt Demetrius. 
Auf, zu Pferd. 
Bewaffnet Alles, was eine Lanze tragen kann. 
Laßt nur die Wunden auf ven Wallen. 


380 





Diefer Brand Totila muß erftidt werren im erſten 
Rniftern. 

Gonft löſcht ihn fein Ocean von Blut mehr aus. 

Meine Waffen, yu Pferd.” | 

„So hab ich den Präfecten nie gefehen,” fagte Lucius 
Licinius gu dent Wrst. 

„Es ift wohl das Fieber? 

Er erbleichte.“ 

„Er iſt fieberfrei.“ 

„Dann faß ich's nicht. 

Denn Furcht kann es nicht ſein. 

Syphar, laß uns ihm folgen.“ 

Raſtlos trieb Cethegus ſeine Scharen vorwärts. 

So raſtlos, daß nur ein kleines Reitergefolge mit 
ſeinem Ungeſtüm und Pluto, ſeinem raſchen and uner⸗ 
müdlichen Rappen, Schritt halten fonnte. 

In weiten Zwiſchenräumen folgten Marcus Licinius, 
Maſſurius mit des Cethegus Söldnern, und Balbus mit 
den in Eile bewaffneten Bürgern von Ravenna. 

Denn wirklich nur Greiſe und Kinder hatte Cethegus 
neben den Wunden in der feſten Stadt zurückgelafſen. 

Endlich hatte rer Prafect wenigftens Fühlung mit 
Dem Nachtrab des byzantinifden Feldherrn gewonnen. 

Totila 30g von Tarvifium her nach Siden gegen 
Ravenna. 

Zahlreiche Haufen bewaffneter Stalter, aus den 
Provinzen Ligurien, BVenetien, Wemilia ftieBen gu ihm, 
turd fein Manifeft aufgerufen, gu neuer Hoffnung und 
neuen Entſchlüſſen. | 


381 





Gie verlangten, ſeine erſte Schlacht gegen die By⸗ 
jantiner mit fdlagen gu dürfen. 

„Nein,“ hatte Totila ihren Führern erwidert, „erſt 
nad ber Schlacht fat euren legten Entſchluß. 

Wir Gothen fedten allein. 

Siegen wir, fo mögt ihr uns folgen. 

Gallen wir, fo foll euch nidt der Byzantiner Rache 
treffen. 

Wartet ab.“ 

Die Verbreitung fold hochſinniger Entſcheidung zog 
neue Scharen gu den Gothen heran. 

Totila’s Heer aber verftirtte fic) von Stunde zu 
Stunde auf vem Marſche auch urd gothifde Krieger, 
weld, einzeln oder in Heinen Scharen, aus der Gefangen⸗ 
ſchaft entfommen, oder aud aus ibren früher erreidten 
Verfteden wieder aufbrachen, nachdem fte den Verrath 
an Witichis und die Erhebung eines neuen Königs, das 
Piederaufflammen ves Rrieges erfubren. 

Bei ver Eile, mit welder Totila vorwärts drangte, 
vie frifdhe Begeifterung feiner Scharen nod unverkühlt 
git verwerthen, und bei dem Cifer, mit welchem Demetrius 
ihm entgegen flog, um ihn allein gu ſchlagen, ſtießen 
pie beiden Heere bald aufeinanvder. 

Bet Pond Padi war es. 

Die Byzantiner ftanden in ver Ebene: fic batten den 
Glug, ven fie erft mit der Halfte ihres Fußvolkes über—⸗ 
ſchritten batten, binter fid. 

Da. erfdienen die Gothen auf den ſanft geneigten 
Höhen. den Rücken nad) Rordwefter. 


382 





Die untergehende Gonne blendete vie Byzantiner. 

Totila itherfah von vem Hiigel, vicht vor den Feinven, 
veren Stellung. 

Mein ift ber Sieg!" rief er jauchgend, 30g das 
Schwert und jagte mit feiner Reiterei anf die Feinde 
hernieder, wie ver Falke auf feine Bente fragt. 

Sethegus hatte bald nad) Gonnenuntergang mit 
feinen Reitern das legte, verlaffne Lager ter Byzantiner 
erreicht. 

Da jagten ihm ſchon die erſten Flüchtlinge entgegen. 

„Wende dein Roß, Präfect,“ rief ihm der erſte 
Reiter zu, der ihn erkannte, „und rette dich. 

Totila über uns! Er hat Artabazes, dem tapferſten 
Führer der Armenier, mit eigener Hand Helm und Kopf 
durchhauen.“ 

Und unaufhaltſam jagte der Flüchtling weiter. 

„Ein Gott vom Himmel führte die Barbaren!“ 
ſchrie ein Zweiter. Wes verloren! 

Der Feldherr gefangen! Alles in wilder Flucht.“ 

„Unwiderſtehlich iſt dieſer König Totila!“ rief ein 
Dritter, und wollte an dem Brifecten vorbet, Der den 
Weg verfperrte. 

„Sag's in ver Halle weiter!" ſprach Cethegns und 
ſtieß ihn nieder. 

Vorwärts!“ 

Aber kaum ausgeſprochen, nahm er ten Befehl 
zurück. 

Denn ſchon flutheten in dichten Maſſen die geſchlagnen 


383. 


Byzantiner, den ganjen Wald erfitllend, zurück und ibn 
entgegen. 

Der Prafect erfannte: unmöglich war's mit feinent 
Häuflein die Fludt ver Taufende aufzuhalten. 

Cine Beit lang fah er unſchlüſſig vem Gewoge zu. 

Schon wurden rie gothiſchen Verfolger in der Ferne 
ſichtbar. 

Da erreichte ihn verwundet Vitalius, ein Heerführer 
des Demetrius. 

„O Freund,” rief ihn dieſer an. Da iſt fein 
Halten mehr! 

Das fluthet fort bis Ravenna.“ 

wd glaub’ es ſelbſt,“ ſprach Cethegua. 

„Sie werden die Meinen eher mit fic) fortreifen 
al8 ſtehen.“ - 

„Und dod) verfolgt uns nur die Hälfte ber Sieger, 
unter Teja und Hildebrand. 

Der Konig wandte nod auf vem Schlachtfeld um. 

Ich fah thn abziehen. 

Er fdwentte nad Südweſten.“ 

„Wohin?“ frug Gethegus aufmerkſam, „ſag' nods 
mal an! ; | 

Sn welder Richtung?“ 

„Nach Siidweften bog er aus!" 

Ex will nad Rom!" rief Cethegus und riß den 
Hengit herum, dak er bod) baumend ftieg. 

„Folgt mir! zur Küſte!“ 

„Und das geſchlagne Heer? ohne Führer!“ rief Lucius 
Licinius, ſieh, wie fie fliehen!“ 


384 


„Laß fle fliehen! 

Ravenna ift feft! 

G8 wird fld alten. 

Hirt ihr denn nicht? 

Der Gothe will nach Rom! 

Wir müſſen vor ihm dort ſein. 

Folgt mir! an die Küſte, der Seeweg iſt fret! 
Nach Rom!“ 


Drittes Capitel. 





Lieblich iſt — und weit berühmt ob ſeiner Lieblich⸗ 
keit — das Thal, in welchem die Paſſara von Norden 
her in die von Weſten nach Südoſten eilende Atheſis 
rinnt. 

Wie eine vorgebeugte, nach dem ſchönen Südland 
ſehnende Geſtalt, neigt ſich in der Ferne auf dem rechten 
Ufer die Mendola herab. 

Hier, oberhalb des Einlaufs der Paſſara, lag die 
römiſche Siedelung Manſio Majä. 

Noch etwas weiter flußaufwärts auf beherrſchendem 
Fels die Burg Teriolis. 

Heute heißt — von einer Berg⸗, Muhr“ oder „Mar“ 
(Rutſche) — die Stadt Meran. 

Die Burg hat der Grafſchaft Tirol ven Namen 
gegeben. 

„Manſio Majä“ klingt heute nod) fort in dem Orte 
Mais, vem villenreiden. 

Damals aber fag in vem Caftrum Teriolis oft: 
gothiſche Befagung: wie in all den alten rhätiſchen Gelfen- 
neftern am UWthefis, Sfarcus und Oenus zur Nieder— 

Dabhn, Cin Kampf um Rom, IIT. 95 


386 


haltung ber nur balb unterworfnen Cueven, Wlamannen 
und Marfomannen oder, wie fie bereits genannt wurden: 
„Bajuvaren“, welde in Rhätien, am Licus und am 
untern Lauf ded Oenus fagen. 

Aber auch abgefehen von ver Beſatzung ver Caftelle 
waren gerade bier in dem frudtreiden milden Thal, 
auf den nicht allzu ſchroffen, meideretden Berghöhen oft. 
gothiſche Sippen in groger Zahl angefiedelt worden. 

Nod) heute zeidynet die Bauern vom Meraner, 
Ultner und Garnthal eine feltne, edle, ernfte Schönheit 
aus. Biel feiner, vornehmer und overtiefter ald rer 
bajuvariſche Schlag an Sun, Led) und Iſar find die 
ſchweigſamen Leute. 

Mundart und Sage beftatigen die Annahme, dak 
hier ein Reft verfdonter Gothen forthlitht. 

Denn vie Amelungenfage, Dietrich von Bern und 
rer Rofengarten lebt nod in den Ortsnamen und der 
Ueberfieferung ves Volks. 

Auf einem ver höchſten Berge an dem linken Ufer 
ver Athefis hatte fid) voveinft ver Gothe Iffa niederge- 
laffen: fein Geſchlecht baute da fort. 

Der „Iffinger“ heißt heute nod der Berg. 

Wuf vem Südabhang in halber Hohe des. Berges 
war die fdlidjte Siedelung errichtet. 

Der gothifde Cinwanderer hatte bereits Culturen 
bier angetroffen. 

Das rhätiſche Wlpenbaus, das fdon Druſus vor: 
gefunten, als er die rafenifden Bergvölker bezwang 
charakteriſtiſch und wohlgeeignet für die Alpen, hatte auf 


387 


den Höhen teine Aenderungen erfabren durch die rimifde 
Eroberung, welde im Thal ihre Villen baute und anf 
ben beberrfdenden Felshügeln thre Wartthiirme. 

Die gang romanifirten Bewohner ves Etſchthales 
waren nad) der oftgothifden Cinwanderung ruhig in 
ihren Sitzen geblieben. 

Denn nicht hier, fondern weiter sftlid), von der Gave 
her, ither den Sfonjo, waren die Gothen in der Halb- 
infel eingedrungen und erft, naddem Ravenna und 
Ovowatar gefallen, hatte Theoderich in friedlid) geregelter 
Ordnung feine Sdaren aud über Norditalien und das 
Etſchland verbrettet. 

Spo hatten and Sffa und die Seinen auf vem da- 
mals nod) rafenifd benannten Berg fic) mit den vor: 
gefundnen römiſchen Anfaffigen friedlid) getbeilt. 

Gin Drittel von Aderland, Wiefe und Wald, den 
vritten Theil von Haus, Sklaven und Vieh hatte aud 
bier, wie überall, ver gothifde Anlömmling vom römiſchen 
Wirth in Anſpruch genommen. 

Im Lauf der Jahre jedod) hatte der römiſche Hoſpes 
piefe nabe unfreiwillige Nadbarfdaft mit den Barbaren 
unbequem gefunden. 

Gr überließ ven Gothen gegen dreißig Pare der 
ausge;eidneten, aus Pannonien mit gefiihrten Rinder, 
welde der Germane fo trefflich gu züchten verftand, den 
Reft feines Cigens auf vem Berge und 30g fic) weiter 
gen Sliven, wo die Römer dichter neben etnander 
fagen. — 

25* 


388 


Go war nun der Berg der Sffinger ganz germanifd 
geworden. 

Denn plötzlich hatte einmal der jetzige Herr auch die 
wenigen römiſchen Sklaven verkauft und neue Knechte 
und Mägde germaniſchen Stammes, gefangne Gepiden. 
angeſchafft. 

Dieſer jetzige Herr ver Siedelung hieß wieder Iffa, 
wie der Ahn: er lebte einſam, ein ſilberhariger Mann: 
ein Bruder, ſein Weib und eine Schwiegertochter waren 
vor langen Jahren durch einen Bergſturz begraben worden. 

Ein Sohn, ein jüngerer Bruder und deſſen Sohn 
waren König Witichis' Waffenruf gefolgt und nicht wieder 
gekehrt von der Belagerung Roms. 

So waren ihm nur ſeine beiden Enkelkinder ge⸗ 
blieben, des gefallnen Sohnes Knabe und Mädchen. — 

Die Sonne war prachtvoll niedergegangen hinter den 
Bergen, welche in weiter duftiger Ferne den Süden und 
Weſten des unvergleichlichen Etſchthales begrenzen. 

Warmer rothgoldner Schimmer lag über dem mürben 
Porphyr der Berge, daß er erglühte wie dunkelrother 
Wein. 

Da ſtieg langſam, Schritt vor Schritt, immer wieder 
anhaltend und, die Hand über die Augen gelegt, in den 
flimmernden Sonnenuntergang ſchauend, ein Kind, — 
oder war es ſchon ein Mädchen? — eine Schar 
Lämmer vor ſich her treibend, den Raſenhang hinan, auf 
deſſen Höhe ſeitab vom Wohnhaus die Stallungen 
lagen. 

Sie ließ ihren Schutzbefohlnen immer wieder Zeit, 


389 


mit wiblerifdem Bahn die würzigen Alpenkräuter gu 
rupfen auf threm Wege und fdlug mit der Hafelgerte, 
bie fie ftatt des Hirtenftabes trug, den Tact gu der 
uralten und etfaden Melodie des Lieddyens, das fie 
letfe fang: 

wtiebe Lämmer, 

Laßt euch feiten 

Von der Hirtin 

Hand, gehorſam, 

Wie des Himmels 

Lichte Lämmer, 

Wie die Sterne 

Still und ſtäte, 

Fromm und friedlich 

Ihrem hehren 

Hirt gehorchen: 

Mühlos meiſtert, 

Mühlos muſtert 

Sie Herr Mond.“ 


Sie ſchwieg nun und ſah mit vorgebeugtem Köpfchen 
in die tief eingeſchnittne Schlucht zu ihrer Linken, welche 
der bier abwärts ſchießende Wildbach in den Hang ge⸗ 
furcht hatte: jetzt, im Sommer, war er nur halb gefüllt: 
drüben ſtieg die Anhöhe wieder ſteil empor. 

oo ex nur iſt?“ fragte fie. 

„Sonſt flettern feine Biegen immer fdjon den Hang 
herab zurück, wenn die Gonne ju Golde gegangen. 

Bald welfen meine Blumen.“ 


390 


Und fle fegte fim nun auf einen Steinblod am 
Wege, liek die Lammer nod grafen, flegte die L afele 
gerte neben ſich und ließ einen Schurz von Schaffell, 
weldhen fie bisher mit der inten aufgenommen hatte, 
nieder gleiten: pa fielen die ſchönſten Blumen ver Alpen 
in Didjten Flocken vor ihr nieder. 

Sie begann einen Sranz zu fledten. 

„Der blaue Speif fteht feinem braunen Haar am 
beſten,“ fagte fie etfrig windend. 

„Ich werde viel frither müde, wenn ich allein treibe, 
als wenn er dabet ift. 

lind boc flettern wir dann viel höher. 

Möchte wohl wiffen, wie das kommt. 

Und wie mid die nadten Fike brennen! 

Sd könnte wohl einmal Hinabfteigen i in den Wilde 
bad), fie zu kühlen. 

Und da febe ich thn aud) gleich, wenn er drüben 
auf den Hang tretbt. 

Die Sonne ftidht nidt mehr.“ 

Und fie ftreifte das breite grofe Ritrbisblatt ab, 
welches fie bisher ftatt eines Hutes getragen. 

Da ward rie fdimmernde Farbe des ganz weiß—⸗ 
blonden Haares fidthar, das fie, von den Schläfen gus 
rück geftricen, mit einem rothen Bande binter dem Wirbel 
zufammengebunden und bisher unter dem wmgebognen 
Blatt geborgen hatte. 


Wie eine Fluth von Gonnenftrablen riefelte e8 nun 
iiber ihren Naden, den nur ein weifes Wollenhembd bes 


391 





deckte, das, um die Hüften mit breitem Ledergurt ju: 
fammen gebalten, nur wenig über tie Kniee reidte. 

Gie mak vie Linge ihres Kranzes an dem eignen 
Haupt. 

„FFreilich,“ fagte fle, fein Kopf ift größer! 

Noch dieſe Alpenrofen dazu!“ 

Und nun verknüpfte ſie die beiden Enden des Kranzes 
mit zierlichem Bandgras, ſprang auf, fchüttelte die letzten 
Blumen aus dem Lederſchurz, nahm den Kranz in die 
Linke und wandte ſich, den ſteilen Abhang hinab zu ſteigen, 
an deſſen Fuß der Bach an das Geſtein toſte. 

ein, bleibt nur bier oben und wartet! 

Aud vu bleib, Weiß-Elbchen, Liebling. 

Gleich fomm’ ich wieder." 

Und fie trieh die Lammer zurück, welche ihr folgen 
wollien und nun blökend der Herrin nadfaben. 

Behend Eletterte und fprang die Woblgeitbte den 
fteinigen Abhang der Schlucht hinab, bald fic) mit den 
Händen an zähem Geſträuch, Seidelbaft und Goldweide, 
haltend, bald kühnlich von Stein zu Steinplatte ſpringend. 

Unter ihrem Sprung bröckelte das mürbe Geſtein 
und die Trümmer polterten hinab — da, als ſie den 
Rollenden nachhüpfte, hörte ſie plötzlich von unten ein 
ſcharfes, drohendes Ziſchen. 

Und eh' ſie wenden konnte, bäumte ſich, wohl von 
einem Stein unſanft aus der Sonnung geſtört, eine 
große kupferbraune Schlange hoch gegen ſie empor. 

Das Kind erſchrak, die hurtigen Kniee verſagten und 
laut aufſchreiend rief ſie: 


386 


haltung ber nur halb unterworfnen Cueven, Alamaunen 
und Marfomannen cder, wie fie bereits genannt wurden: 
„Bajuvaren“, welde in Rhätien, am Licus und am 
untern Yauf des Oenus fafen. 

Aber aud abgefehen von ver Befagung ver Caftelle 
waren gerade bier in dent frudtreiden milden Lal, 
auf den nicht allju ſchroffen, weidereiden Berghöhen oft 
gothifde Sippen in großer Zahl angefiedelt worden. 

Nod) heute zeidynet die Bauern vom Meraner, 
Ulmer und Sarnthal eine feltne, edle, ernfte Schönheit 
aus. Biel feiner, wornehmer und vertiefter al8 ver 
bajuvarifde Schlag an Sun, Led und Iſar find die 
ſchweigſamen Leute. 

Mundart und Gage beftatigen die Annahme, dak 
hier ein Reft verſchonter Gothen forthlitht. 

Denn die Amelungenfage, Dietrid) von Bern und 
rer Rofengarten lebt nod in den Ortsnamen und der 
Ueberlieferung des Volks. 

Auf einem der höchſten Berge an dem linken Ufer 
ver Atheſis hatte ſich voreinſt ver Gothe Iffa niederge⸗ 
laſſen: ſein Geſchlecht baute da fort. 

Der „Iffinger“ heißt heute nod) ver Berg. 

Auf vem Südabhang in halber Hike des. Verges 
war die ſchlichte Siedelung errichtet. 

Der gothiſche Einwanderer hatte bereits Culturen 
hier angetroffen. 

Das rhätiſche Alpenhaus, vas ſchon Druſus vor: 
gefunden, ald er die raſeniſchen Bergvdlfer bezwang 
charakteriſtiſch und woblgectgnet für die Alpen, hatte anf 


387 


den Höhen keine Aenderungen erfahren durd) die römiſche 
Croberung, welche im Thal ihre Villen baute und anf 
den Seberrfdenden Felshügeln ihre Wartthiirme. 

Die ganz romanifirten Bewohner ves Etſchthales 
waren nad der oftgothifdben Cinwanderung ruhig in 
ihren Sitzen geblieben. 

Denn nicht hier, fondern weiter stlid, von der Gave 
her, fiber den Iſonzo, waren die Gothen in ver Halb- 
inſel eingedrungen und erft, nadjdem Ravenna und 
Opovaltar gefallen, hatte Theoderich in friedlid) geregelter 
Oronung feine Scharen and ither Morditalien und dads 
Etſchland verbreitet. 

So batten auc) Sffa und die Seinen auf vem da— 
mals nod rafenifd) benannten Berg fic) mit den vor: 
gefundnen römiſchen Anfaffigen friedlich getheilt. 

Ein Drittel von Aderland, Wiefe und Wald, den 
vritten Theil von Haus, Slaven und Vieh hatte aud 
bier, wie überall, ver gothiſche Ankömmling vom römiſchen 
Wirth in Anſpruch genommen. 

Im Lauf der Sabre jedod) hatte der römiſche Hofpes 
viefe nabe unfreiwillige Nachbarſchaft mit den Barbaren 
unbequem gefunden. 

Gr überließ ven Gothen gegen dreifig Pare der 
ausge;eidyneten, aus Bannonien mit gefiihrten Minder, 
welde der Germane fo trefflid) gu züchten verftand, den 
Reft feines Cigens auf dem Berge und 30g fid) weiter 
gen Silden, wo die Römer dichter neben einander 
jagen. — 

25* 


388 


Go war nun der Berg der Iffinger ganz germanifd 
geworden. 

Denn plötzlich hatte einmal der jetzige Herr auch die 
wenigen römiſchen Sklaven verkauft und neue Knechte 
und Mägde germaniſchen Stammes, gefangne Gepiden, 
angeſchafft. 

Dieſer jetzige Herr der Siedelung hieß wieder Iffa, 
wie ver Ahn: ev lebte einſam, ein ſilberhariger Mann: 
ein Bruder, ſein Weib und eine Schwiegertochter waren 
vor langen Jahren durch einen Bergſturz begraben worden. 

Ein Sohn, ein jüngerer Bruder und deſſen Sohn 
waren König Witichis' Waffenruf gefolgt und nicht wieder 
gekehrt von der Belagerung Roms. 

So waren ihm nur ſeine beiden Enkelkinder ges 
blieben, des gefallnen Gohnes Snabe und Darden. — 

Die Gonne war pradtooll niedergegangen binter den 
Bergen, welde in weiter duftiger Ferne den Süden und 
Weften des unvergleidhliden Etſchthales begrenzen. 

Warmer rothgoloner Schimmer lag ther dem miirben 
Porphyr ver Berge, daß er erglithte wie dunfelrother 
Wein. 

Da ftieg langfam, Schritt vor Schritt, tmmer wieder 
anhaltend und, die Hand über die Augen gelegt, im den 
flimmernden Gonnenuntergang fdauend, ein Rind, — 
oder war es ſchon ein Mädchen? — eine Scar 
Lammer vor fic) her tretbend, den Rafenbang binan, anf 
deffen Hohe feitah vom Wobhnhaus pie Stallungen 
lagen. 

Sie liek ihren Schutzbefohlnen immer wieder eit, 


389 


mit wähleriſchem Zahn die würzigen Wlpentrauter zu 
rupfen auf ihrem Wege und ſchlug mit der Haſelgerte, 
die ſie ſtatt des Hirtenſtabes trug, den Tact zu der 
uralten und einfachen Melodie des Liedchens, das ſie 
leiſe ſang: 

‚Liebe Lämmer, 

Laßt end) leiten 

Von der Hirtin 

Hand, gehorſam, 

Wie des Himmels 

Lichte Lammer, 

Wie vie Sterne 

Still und ftate, 

Fromm und friedlid 

Ihrem hehren 

Hirt gebhorden: 

Mühlos meiftert, 

Mihlos muftert 

Gie Herr Mond.“ 


Sie ſchwieg nun und fah mit vorgebeugtem Köpfchen 
in Die tief eingeſchnittne Schlucht gu ihrer Linfen, welche 
Der bier abwarts ſchießende Wildbad in den Hang ge— 
furdt hatte: jest, tm Sommer, war ev nur halb gefiillt: 
drüben ftieg die Anhöhe wieder {teil empor. 

„Wo ex nur ift?” fragte fie. 

„Sonſt flettern feine Ziegen immer fdon den Hang 
berab zurück, wenn die Gonne zu Golde gegangen. 

Bald welfen meine Blumen." 


390 


Und fie feste fic) nun auf einen Steinblod ant 
Wege, liek vie Lanmmer nod) grafen, legte die Lafele 
gerte neben fid) und ließ einen Schurz von Schaffell. 
welden fie bisher mit der Vinfen aufgenommen hatte, 
nieder gleiten: da fielen die ſchönſten Blumen ver Wlpen 
in dichten Flocken wor ihr nieder. 

Sie begann einen Kranz 3u fledten. 

Der blaue Speik fteht fetnem braunen Haar am 
beften ,“ fagte fie etfrig windend. 

„Ich werde viel früher müde, wenn id allein treibe, 
alg wenn er dabei ift. 

Und dod) flettern wir dann viel höher. 

Möchte wohl wiffen, wie das fommt. 

Und wie mid die nadten Füße brennen! 

Ich finnte wohl einmal hinabſieigen i in den Wild⸗ 
bach, ſie zu kühlen. 

Und da ſehe ich ihn auch gleich, wenn er drüben 
auf den Hang treibt. 

Die Sonne ſticht nicht mehr.“ 

Und ſie ſtreifte das breite große Kürbisblatt ab, 
welches ſie bisher ſtatt eines Hutes getragen. 

Da ward rie ſchimmernde Farbe des ganz weife 
blonden Haares fidtbar, das fie, von den Schläfen gue 
rück geftrichen, mit einem rothen Bande inter vem Wirbel 
zuſammengebunden und bisher unter dem umgebognen 
Blatt geborgen hatte. 


Wie eine Fluth von Gonnenftrablen riefelte es nun 
iiber ihren Raden, den nur ein weißes Wollenhemd bee 


391 





vedte, das, um die Hüften mit breitem Levergurt zu— 
fammen gebalten, nur wenig itber rie Rnice reidte. 

Sie maf die Lange ihres Kranzes an dem eignen 
Haupt. 

„Freilich,“ fagte fle, ,fein Kopf ift größer! 

Noch viefe Alpenrofen dazu !" | 

Und nun verfniipfte fle die beiden Enden des Kranzes 
mit zierlichem Bandgras, fprang auf, ſchüttelte die lesten 
Blumen aus dem Lederfdurz, nahm den Kranz in die 
Linfe und wandte fic), den fteilen Abhang hinab zu fteigen, . 
an deffen Fuß ver Bad an das Geftein tofte. 

Mein, bleibt nur bier oben und wartet! - 

Aud du bleib, Weiß-Elbchen, Liebling. 

Gleich fomm’ ich wieder." 

Und fie trieb vie Lammer zurück, welde ihr folgen 
wollen und nun blökend der Herrin nachſahen. 

Behend fletterte und fprang die Wohlgeübte den 
fteinigen Wbhang ver Schlucht hinab, bald fid) mit den 
Händen an zähem Geftraud, Seidelbaft und Goldweide, 
haltend, bald kühnlich von Stein zu Steinplatte fpringend. 

Unter ihrem Sprung bridelte vas mürbe Geftein 
und Die Trümmer polterten hinab — da, als fie den 
Rollenden nachhüpfte, hörte fie ploplid) von unten ein 
ſcharfes, drohendes Ziſchen. 

Und eh' ſie wenden konnte, bäumte ſich, wohl von 
einem Stein unſanft aus der Sonnung geſtört, eine 
große kupſerbraune Schlange hoch gegen ſie empor. 

Das Kind erſchrak, die hurtigen Kniee verſagten und 
laut aufſchreiend rief ſie: 


392 


„Adalgoth, gu Hilfe! gu Hülfe!“ 

Auf diefen Angſtſchrei folgte fofort als Antwort ein 
beller Ruf: 

‚Alarich! Alarich!“ was wte ein Sdhladtruf flang. 

Es tnadte in den Gebüſchen zur Rechten, Steine 
rollten den Hang hinab und pfeilgefdwind flog gwifden 
rie züngelnde Schlange und das angftlich weidende 
Marden ein fdlanfer Bube in jzottigem Wolfsolies. 

Hod) fdwang er den ftarfen Bergftod gleid einem 
Speer und fo woblgesielt war fein Stoß, dak vie Cifen- 
fpige den fdmalen Kopf der Schlange in die Erde 
bobrte. 

Shr flanger Leib ringelte gudend um den töodtlichen 
Shaft. 

Sotho, vu bift vod heil?“ 

„Dank dir, du Treuer!“ 

„Dann lag mid) den Sehlangenfprud fpreden, fo 
lang die Matter noch gudt — das bannt ihre Gefippen 
auf drei Stunden tm Umkreis. 

Und er fprad, die dret erften Finger der redten 
Hand wie beſchwörend erhoben, den uralten Spruch: 


„Warte, du Wolf-Wurm! 
Bapple, Gezücht! 

Beife den Boden, 
Giftigen Geifers ; 
Manner und Maide 
Sollft pu nidt fehren: 


393 


Rieder, yy Neiding, 

Du nichtige Natter, 

Rieder sur Nacht: 

Dod ob den Häupten 

Schuppiger Schlangen 

Schreitet das ſchimmernde Gothengeſchlecht 


8 


Viertes Capitel. 





Wis ex gu Ende gefprocen und ſich neigte, die 
todte Schlange gu prilfen, drückte ihm rafd die Gerettete 
ihren Kranz auf das goldbraune, kurzkrauſe, didte Haar. © 

„Heil, Held und Helfer! 

Gieh, der Siegeskranz war fdon vorher gewunden. 

Gia, wie ſchön fteht div die blaue Rrone.” 

Und fie ſchlug freudig bewundernd die Hände jue 
fammen. 

„Du bluteft am Fuge!" fprad er beforgt, lah mig 
pie Wunde faugen — wenn did der Giftwurm gee 
biffen |“ 

„S' ift nur ein ſcharfer Stein. 

Möchteſt wohl Lieber vu fterben !“ 

„Für Tid), Gotho, wie gerne dod! 

Aber unſchädlich ware das Gift im Munde. 

Nun, laf viv die Wunde wafden: ih habe nod 
Gffig und Waffer hier in der Kürbisflaſche. 

Und dann leg’ id) dir Salvei vrauf oder heilſame 
Wegewarte." 


395 


Und zärtlich drückte er fie nieder auf das Gejtein, 
fniete vor iby, bob den nadten Fuß forgfam in feine 
Imfe Hand und pflegte ihn, die Miſchung aus dem 
Kugelkürbis drauf träufend. 

Dann ſprang er auf, ſuchte auf dem Raſen und 
fam bald mit den gefundnen Kräutern zu ihr zurück, mit 
pen Lederriemen, die er fid) vom eignen Fue löſte, die 
Blatter forgfam über die Heine Wunde bindend. 

„Wie gut du bift, Lieber!“ fagte fie, fein Haupt 
ſtreichelnd. 

„Nun laß dich tragen — nur den Hang hinauf! 
bat er. 

Ich halte dich ſo gern auf meinen Armen.“ 

„Was nicht gar!“ lachte ſie aufſpringend. 

„Bin kein wundes Lamm! 

Sieh, wie ich laufen kann. 

Aber wo find deine Ziegen?“ 

„Dort kommen fie aus den Wachholderbüſchen. 

Sh rufe fie!“ . 

Und er fegte das Hirtenrohr an den Mund und 
blies einen ſchrillen Ton, den Bergftod im Kreiſe über 
vem Haupte fdwingend. 

In eilfertigen Sprüngen famen die ftarfen Ziegen 
berber — fie fcheuten die Strafe! 

Und aus der Tafde einen diinnen GStreifen Cal; 
auf die Erbe ftreuend, welchen vie Thiere, gierig ledend, 
verfolgten, fdjritt ev nun, ven Arm jartlid) um res 
Mädchens Nacken gelegt, den Hang hinauf. 

Sag mir nur, Lieber,” fragte fie, oben angelangt 


396 





und die Lammer verfammelnd, „weßhalb bu heute wieder 
den Draden anfprangf{t mit bem Ruf: „Alarich! Wlaridy 

Wie neulich, da du miv den Steinadler von Weiß⸗ 
Elbchen fcheuchteft, das er fdon im den Fängen hatte.“ 

„Das ift mein Schlachtruf.“ 

„Wer hat ihn did gelehrt?” 

Der Ahn, da ex mid) gum erften Mal mit nahm 
auf vie Wolfsjagd — als ich mir hier dads VlieR von 
Meifter Isgrimms Rippen holte. | 

Da fpradh er, als ih ,Sffa, Offa!" ſchreiend, — 
ebenfo, wie id) ihn rufen hörte, — auf den Wolf, der 
nidjt mehr entweiden fonnte und fic) mtr ftellte, mit 
bem Schwerte fprang: 

„Du mugt nist „Iffa!“ rufen, Adalgoth, wie id. 

Wenn vu Held oder Ungethier angebft, ruf du nur: 
Alarich!“ 

Das bringt dir Sieg." 

„Heißt aber dod Feiner unfrer Ahnen und Gefippen 
fo, Bruder! 

Wir fennen doch ihre Namen alle.“ 

Und nun hatten fie vie Stallungen erreicht, die 
Thiere hineingetrieben und fic) vor der Thüre des Wohn⸗ 
haufes, vor dem offnen Fenfter, auf die Holzbank geſetzt, 
welde vie Vorderſeite des Hauſes auf beiden Seiten der 
Hausthitre unyog. 

„Da ift,” zählte das Mädchen nachdenkend auf, 
„Iffamer, unſer Vater, Wargs der Ohm, den der Berg 
verſchüttet hat, Iffa der Ahn, Iffamuth, der andre Ohm, 


397 


Sffajwinth, deſſen Sohn, unfer Vetter, und Iffarich, der 
Großahn und wieder Sffa — aber fein Alarich.“ 

nnd dod ift mir nod wie ein Dammertraum aus 
der Beit, da ich guerft auf dem Berg umber gu laufen 
anfing, aus der Beit vor dem großen Bergfall, der den 
ftarfen Oheim Wargs begrub, als hatte id) den Namen — 
oft gehört. 

Und er gefallt mir. 

Und der Ahn hat mir erzählt von einem Helden: 
finig dieſes Namens, der zuerſt vor allen Helden die 
Romaburg bezwang: — du weit: die Stadt, von welder 
unfer Vater und der Obeim Iffamuth und der Vetter 
Sffafwinth nicht wieder gefehrt find, — und der dann frith 
verftarb, wie Sigfrid, der Schlangentödter und Balthar, 
ber Hetdengott. 

Und fein Grab ift in einem tiefen Fluß. 

Da liegt er, anf goldnem Schild, unter feinen 
Schaätzen: und hohes Schilf wogt darüber hin. 

Und nun hat fid ein andrer König aufgethan, der 
heißt Totila, wie die Heer-Männer, welde die Beſatzung 
briiben in Schloß Teriolis ablöſten, erzählten. 

Der ſoll ſein wie jener Alarich und wie Sigfrid und 
wie der lichte Sonnengott. 

Und id), hat der Ahn geſagt, ſoll aud ein Kriegs— 
mann werden: und einſt hinabziehn zu König Totila und 
unter die Feinde ſtürmen mit dem Ruf „Alarich, Alarich!“ 

Und es iſt mir auch ſchon lange verleidet, dies 
Umherſteigen hier auf dem Berg und das Ziegenhüten, wo 
fen Feind gu bekämpfen iſt als ver Wolf und höchſtens 


398 


ein Gar, der vie Trauben und die Honigwaben bes 
nafdt. : 

Und ihr Ale lobt mein Harfenfdlagen und meine 
Lieder. 

Aber id) fpitre, dak es damit nicht viel ift und dak 
id) von dem Alten nichts mebr darin lernen fann. 

Und ic) möchte dod) nod) viel ſtolzre Weifen fingen. 

Und id fann gar nidt genug erzählen hören von 
pen Heermannern drüben in der Burg von den Siegen 
des Sonnenkönigs Totila. 

Neulich hab’ id) dem alten Hunibad, ven der König 
zur Pflege feiner Wunden hieher in die Rube gefdidt 
hat, den ſchönſten Berghirfd geſchenkt, ven id) erlegt, 
vafitr, dag er mir die Sdlacht an der Padusbritde gum 
dritten Mal erzählt. 

Und wie König Totifa felbft den finftern Höllen⸗ 
könig, den ſchrecklichen Cethegus, überwindet. 

Und ich habe ſchon ein Harfenlied davon gedichtet, 
das hebt an: 

„Zittre und zage, 

Zäher Cethegus: 

Nicht taugt dir die Tücke: 
Teja, der Tapfre, 
Zertrümmert den Trotz dir: 
Und taghell emportaucht, 
Wie Maiglanz und Morgen 
Aus Nacht und aus Nebel, 
Der leuchtende Liebling 
Des Himmels⸗Herrn: 


399 


Der ſchimmernd⸗ſchöne, 
Der kühne König.“ 

Aber weiter geht es noch nicht. 

Und ich kann auch nicht allein weiter dichten. 

Ich brauche einen kundigen Meiſter für Wort und 
Harfe. 

Und auf den Speer⸗Schwinger Teja, den ſie den 
ſchwarzen Grafen nennen und der wunderbar die Harfe 
ſchlagen ſoll, möcht' ich auch ein halbfertiges Lied 
vollenden. | 

‘Und id) wire fdon lang — aber das fag’ th nur 
pir — davon gegangen, obne den Whn gu fragen, der 
immer nod fagt: ich bin gu jung. 

Wenn mid Cins nicht hier hielte.“ 

Und er fprang baftig auf. : 

„Was denn? Bruder,” fragte Gotho, rubig figen 
bleibend und ihn aus ihren grofen bell-blauen Augen voll 
anfebend. 

„Ja, wenn du’s nicht weißt,“ — fprad) ev faft zornig, 
»fagen Fann ich's dir nidt. 

Sd mug hinüber und neue Pfeilfpigen ſchmieden in 
der Schmiedhütte. 

Gieb mir nod einen Rug, fo! 

Und nun laß dir nody einen anf jedes Auge legen! 
Und einen auf das lidte Haar! 

Fahr wohl, lieb Schwefterlein, bis gum Nachtmal.“ 

Und er eilte hinweg von ihr nad) einem Neben- 
gebäude, vor deffen Thür ein Schleifſtein und allerlei 
Urbeitsgerath ftand. 


398 


ein Bar, ver die Tranben und die Honigwaben bes 
nafdt. 

Und ihr We lobt mein Harfenfdlagen und meine 
Lieder. 

Aber id fpiive, dak e8 damit nidt viel ift und daß 
id) von Dem Wlten nichts mehr darin lernen fann. 

Und id) midjte dod) nod) viel ftolgre Weifen fingen. 

Und ich fann gar nicht genug ergablen hören von 
ven Heermannern drüben in der Burg von den Siegen 
des Sonnenfinigs LTotila. 

Neulid) hab’ id) dem alten Hunibad, den der Konig 
zur Pflege feiner Wunden hieher in die Rube gefdidt 
hat, den ſchönſten Berghirſch gefdentt, ven ich erlegt, 
dafür, Dak er mir die Sdladht an der Padusbritde zum 
Dritten Mal erzählt. 

Und wie König Totila ſelbſt den finſtern Höllen⸗ 
könig, den ſchrecklichen Cethegus, überwindet. 

Und ich habe ſchon ein Harfenlied davon gedichtet, 
das hebt an: 

„Zittre und zage, 

Zäher Cethegus: 

Nicht taugt dir die Tücke: 
Teja, der Tapfre, 
Zertrümmert den Trotz dir: 
Und taghell emportaucht, 
Wie Maiglanz und Morgen 
Aus Nacht und aus Nebel, 
Der leuchtende Liebling 
Des Himmels⸗Herrn: 


399 





Der ſchimmernd⸗ſchöne, 
Der kühne König.“ 

Aber weiter geht es noch nicht. 

Und ich kann auch nicht allein weiter dichten. 

Ich brauche einen kundigen Meiſter für Wort und 
Harfe. 

Und auf den Speer⸗Schwinger Teja, den ſie den 
ſchwarzen Grafen nennen und der wunderbar die Harfe 
ſchlagen ſoll, möcht' ich auch ein halbfertiges Lied 
vollenden. | 

‘Und ich ware ſchon fang — aber das fag’ id) nur 
bir — davon gegangen, ohne den Whn gu fragen, der 
immer nod fagt: id bin gu jung. 

Wenn mid Cins nicht bier hielte.“ 

Und er fprang baftig auf. : 

„Was denn? Bruver,” fragte Gotho, rubig figen 
bleibend und ihn aus ihren großen bell-blanen Augen voll 
anfebenb. 

„Ja, wenn du's nicht weißt,“ — ſprach er faft zornig, 
„ſagen kann ich's dir nicht. 

Ich muß hinüber und neue Pfeilſpitzen ſchmieden in 
der Schmiedhütte. 

Gieb mir noch einen Kuß, ſo! 

Und nun laß dir noch einen auf jedes Auge legen! 
Und einen auf das lichte Haar! 

Fahr wohl, lieb Schweſterlein, bis zum Nachtmal.“ 

Und er eilte hinweg von iby nach einem Nebens 
gebäude, vor deſſen Thür ein Sebleifftein und allerlei 
Arbeitsgerath ftand. 


400 


Gotho ftiigte rie Wange auf vie Hand und fab vor 
fic) bin, dann fagte fie laut: 

„Ich kann's nidt rathen. 

Denn mic würd' er ja mit nehmen, natitrlid. 

Wir könnten ja gar nidt leben obne einander.“ 

Gie ftand mit einen leichten Seufzer auf und wandte 
fid) Dem Wiesgrund neben dem Hauſe yu, nach dem 
Linnen zu fehen, das dort zur Bleide lag. 

Aber im Wohnhaus hinter dem offnen Fenfter erhob 
fid) jetzt der alte Offa. 

Gr hatte Wes mit angebirt. 

Das thut fein gut mehr!" fprad er, fid lebbeft 
den Kopf reibend. 

„Hab's immer nicht über das Herz gebracht, die 
Kinder zu trennen. 

Waren ja Kinder! 

Hab' immer noch ein Weilchen gewartet. 

Und jetzt hätt' ich gar ſchon bald ein Weilchen zu 
lang gewartet. 

Fort mit dir, jung Adalgoth!“ 

Und er trat aus dem Wohnhaus und ſchritt lang⸗ 
ſam hinüber in die Schmiede. 

Er fand den Knaben in eifriger Arbeit. 

Mit vollen Backen blies er in die Kohlengluth am 
Schmiedeherd und hielt dann die ſchon roh bearbeiteten 
Pfeilſpitzen hinein, ſie zu erweichen und hämmerbar zu 
glühen. 

Dann griff er mit der Zange die Spike heraus, 


401 


fegte fle auf den Schmied⸗Knecht, ven Amboß, und 
hämmerte zierlich ihre Spigen und Widerhaken zurecht. 

Er nickte nur ſtumm dem eintretenden Großvater zu, 
ohne ſich in der Arbeit ſtören gu laffen. 

Tapfer hieb er auf den Amboß, daß die Funken 
ſprũhten. 

„Nun, dachte der Alte bei ſich, jetzt denkt er doch 
nur an Pfeil und Eiſen.“ 

Aber plötzlich ſchloß der junge Schmied mit einem 
ſauſenden Streich, warf den Hammer weg, ſtrich ſich 
über die glühende Stirn und fragte, raſch gegen Iffa 
ſich wendend: 

„Ahn, woher kommen die Menſchen?“ 

„Jeſus, Wodan und Maria!“ rief der Alte und trat 
erſchrocken einen Schritt zurück. 

„Bub, wie kommſt bu anf ſolche Gedanken?“ 

„Die Gedanken kommen gu mir: — nicht ih zu 
ihnen. 

Ich meine nämlich die erſten Menſchen, vie Aller: 
erſten. 

Der lange Hermegiſel da drüben in Teriolis, der 
aus der Arianerkirche zu Verona davon gelaufen iſt und 
ſchreiben und leſen kann, ſagt: der Chriſtengott habe in 
einem Baumgarten einen Mann aus Lehm gemacht und 
aus deſſen Rippe, da er ſchlief, ein Weib. 

Das iſt zum Lachen. 

Denn aus einer noch ſo langen Rippe kann man 


fein nod fo kleines Mädchen machen.“ 
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 26 


402 


„Ja, ich glaub’s aud nicht!“ geftand der Alte, nach⸗ 
denklich. 

v8 iſt ſchwer vorzuſtellen. 

Und ich erinnere mich: 

Mein Vater hat einmal geſagt, an einem Abend am 
Herdfeuer: die erſten Menſchen ſeien auf den Bäumen 
gewachſen. 

Der alte Hildebrand aber, der ſein Freund war, 
obzwar tüchtig älter — und der von Tridentum her auf 
einem Streifzug gegen die wilden Bajuvaren hier einge⸗ 
kehrt war, und der zunächſt am Herde ſaß — denn es 
war noch früh im Jahr und ſehr rauh und kalt —, der 
ſagte: mit den Bäumen, das ſei richtig. 

Aber nicht gewachſen ſeien die Menſchen darauf, 
ſondern zwei Heidengötter — Dämonen nennt ſie Herme⸗ 
giſel — haben einſt am Meeresufer den Eſchenbaum 
und die Erle liegend gefunden: und aus ihnen bildeten 
ſie Mann und Weib. 

Es geht auch noch ein altes Lied davon. 

Hildebrand wußte noch ein par Worte daraus. 

Mein Vater ſchon nicht mehr.“ 

„Das will ich ſchon lieber glauben! 

Aber jedesfalls waren da Anfangs der Menſchen 
ſehr wenige?“ 

„Gewiß.“ 

„Und es gab nur Eine Sippe anfangs?“ 

„Sicher!“ 

„Und die Alten ſtarben meiſtens vor den Jungen“ 

„Freilich.“ 


403 





„Dann will id Dir was fagen, — Obm. 

Dann muften die Menſchen entweder ausfterben. 

Over, da fie nod da find, — und ſiehſt du, da 
wollt’ id) drauf hinaus, — muften Bruder und Sdwefter 
fic) oft heirathen, bis mebrere Sippen entftanden.“ 

„Adalgoth, dic reiten die Elben, du redeft wirr.“ 

„Ganz und gar nidt. 

Und kurz und gut: wenn’s frither gefdehen fonnte, 
fann’8 aud heute nod gefdjeben. | 

Und ih will meine Schweſter Gotho jum Weibe 
baben.“ 

Der Alte fprang auf ihn gu und wollte ihm den 
Mund verbalten. 

Aber der Fiingling wich ihm ane. 

„Ich weiß ſchon Wiles, was du fagen willſt. 

Hier famen die Priefter von Tridentum wohl bald 
pabinter. 

Und dann des Königs Graf. 

Aber id fann ja mit ihr in ein fernes Land ziehen, 
wo uns Jiemand fennt. 

Und fie geht ſchon mit, bas wei id." 

„So! das weigt Du aud) fdon 2?" 

oa, dad weiß id." 

Aber das weit du nod) nidt,” fprad nun ernft 
und entfdeidend der Alte, „daß diefe Nacht vie leste iſt, 
bie du bier gubringft auf vem Berg ver Offinger. 

Auf, Woalgoth, ich gebiete div: dein Whn und dein 
Muntwalt. 

Du haft eine Chrenpflidt, vie Pflicht heiliger Rade, 

26 * 


404 





zu erfüllen am Hofe Konid Totila's und in ſeinem 
Heer: einen heiligen Auftrag des Oheim Wargs, der 
unter'm Berg verfchüttet liegt — einen Auftrag deines — 
Ahns. 

Du biſt nun reif und ſtark genug, ihn zu erfüllen. 

Morgen, mit dem erſten Tagesgrauen, brichſt du auf 
nad Süden, nad Italia, wo König Totila das Unrecht 
ſtraft, dem Recht zum Siege hilft und den Neiding 
Cethegus niederkämpft. 

Folg' mir in meine Kammer. 

Dort hab' ich dir ein Kleinod einzuhändigen von 
Oheim Wargs und manches Wort nod auf ven Weg 
gu geben. 

Mand Wort ves Rathes und der Rare. 

Vor Gotho aber fdweige. 

Mad’ iby vas Herz nicht ſchwer. 

Befolgft du meine und deines Oheims Worte, wirft 
vu ein ftarfer, freudiger Held werden an Konig Toti⸗ 
la's Hof. 

Und dann, aber aud nur dann, wirft bu aud Sotho 
— wiebderfeben.“ 

Tief ernft, bleid) geworden folgte der Jüngling vent 
Ahn in vas Haus. 

Lang fprachen fie dort leife in des Alten Kammer. — 

Bei dem Nachtmal feblte Adalgoth. 

Gr habe fic, mehr müde als hungrig, fdon ſchlaſen 
gelegt, ließ er der Schweſter ſagen durch den Ahn. 

Aber nachts, da ſie ſchlief, trat er auf leiſen Zehen 
in ihr Gemach. 


405 


Der Mond warf einen zarten Strahl auf ihr engels 
haftes Angefidt. 

Auf der Schwelle blieb er ftebn. 

Nur die Redte ftredte er nach ihr aus. 

„Ich feh did) wieder,” fprad er, meine Gotho!“ 

Und er überſchritt bald die Schwelle des jdjlidjten 
Alpenhaufes. ; 

Nod begannen kaum vie Sterne gu bleichen: frifd, 
ftablend, webte die Nachtluft ves Berges um feine 
Schläfe. 

Er ſah in den ſchweigenden Himmel. 

Da ſchoß ein Stern in hohem Bogen über ſein 
Haupt. 

Gen Silden flog er nieder. 

Da erhob der Jüngling den Hirtenftab in der 
Tedhten : 

.dorthin rufen mid die Sterne! 

Nun wahre did, Neiding Cethegus!“ 


Finftes Capitel. 





Der Prifect hatte nad ver Schlacht an der Padus 
britde Boten feinen nadriidenden Scharen entgegen ges 
fchidt, welde zunächſt femme Soldner, dann and die 
langfamer folgenden SGiirger von Ravenna nad diefer 
Stadt zurück wiefen. | 

Die fliichtenden Truppen des Demetrius überließ er 
ihrem Schickſal. : 

Totila hatte alle Feldjeidhen und Fahnen der zwölf 
Taufend erbentet, ,was ben Römern nie zuvor gefdab, “ 
ſchreibt Profopius zürnend. 

Cethegus ſelbſt eilte mit ſeinem geringen Gefolge 
quer durch die Aemilia an die Weſtküſte von Italien 
die er bei Populonium erreichte, beſtieg ein raſches Kriegs⸗ 
ſchiff und ließ ſich von einem ſtarken Nordnordweſt, den, 
wie er ſagte, die alten Götter Latiums geſendet, nach 
dem Hafen von Rom, Portus, tragen. 

Auf dem Landweg hätte er nicht mehr durchdringen 
können: denn nad dem Sieg Totila's an der Padus- 
brite fiel ganz Tuscia und ganz Valeria den Gothen 
gu: das Fladland ritdhaltlos: und aud die State. 


407 


woelche nicht ftarfe byzantiniſche Befagung in Baum 
Dielt. 

Bei Mucella, einen Tagmarſch von Florenz, fdlug 
ver König nodmal ein ſtarkes Heer der Byzantiner unter 
elf uneinigen Führern, weldje die kaiſerlichen Beſatzungen 
der tuscifden State gufammengerafft batten, thm den 
Weg gu verlegen. Mit Mühe entfam ver Oberfeldherr 
Suftinus nad Florentia. | 

Der Konig behandelte feine zahlreichen Gefangnen 
mit folder Güte, daß febr viele derfelben, Stalier und 
kaiſerliche Söldner, in feine Dienfte traten. . 

Und nun waren alle Strafen von Mittelitalien bes 
det von neu gu den Waffen eilenden Gothen und von 
Golonen, welde, unter deren Anfiihrung, Totila's 
Märſchen gegen Rom folgten. 

Qn diefer Stadt angelangt, hatte Cethegus fofort 
alle Unftalten zur Vertheidigung getroffen. 

Denn im Fluge nabte nun, nad dem gweiten Siege, 
bet Mucella, Konig Totila, anfgehalten faft nur nod 
purd die Huldigungen der Stavte und Caftelle auf feinem 
Wege, welde wetteifernd ihm und jubelnd die bet feinem 
Einritt befranjten Thore erſchloſſen. 

Die wenigen Burgen, welche, von ſtarken byzan⸗ 
tiniſchen Beſatzungen gehalten, widerſtanden, wurden 
eingeſchloſſen von kleinen Abtheilungen, welche Totila 
aus Italiern bildete, durch wenige gothiſche Kerntruppen 
zuſammengehalten. 

Er konnte dies, da ſeine Macht während des Marſches 


Fünftes Capitel. 





Der PBrafect hatte nad ver Schlacht an ver Padus. 
britde Boten feinen nadriidenden Scharen entgegen ges 
ſchickkt, welche zunächſt femme Söldner, dann and die 
langfamer folgenden Bürger von Ravenna nad diefer 
Stadt zurück wiefen. 

Die flüchtenden Cruppen des Demetrius überließ er 
ihrem Schidfal. 

Totila hatte alle Feldjeichen und Fahnen der zwölf 
Taufend erbeutet, ,was den Römern nie zuvor gefdah, “ 
ſchreibt Profopius zürnend. 

Cethegus ſelbſt eilte mit ſeinem geringen Gefolge 
quer durch die Aemilia an die Weſtküſte von Italien 
die er bei Populonium erreichte, beſtieg ein raſches Kriegs⸗ 
ſchiff und ließ ſich von einem ſtarken Nordnordweſt, den, 
wie er ſagte, die alten Götter Latiums geſendet, nach 
dem Hafen von Rom, Portus, tragen. 

Auf dem Landweg hätte er nicht mehr durchdringen 
können: denn nad dem Sieg Totila's an der Padus⸗ 
brite fiel gang Tuscia und gan; Valeria ven Gothen 
gu: das Fladhland rückhaltlos: und aud die Städte 


407 





welche nicht ftarfe byzantiniſche Befabung in Baum 
hielt. 

Bei Mucella, einen Tagmarſch von Florenz, ſchlug 
der König nochmal ein ſtarkes Heer der Byzantiner unter 
elf uneinigen Führern, welche die kaiſerlichen Beſatzungen 
der tusciſchen Städte zuſammengerafft hatten, ihm den 
Weg zu verlegen. Mit Mühe entkam der Oberfeldherr 
Suftinus nad Florentia. 

Der Konig behanvdelte feine zablreiden Gefangnen 
mit folder Güte, daß ſehr viele derfelben, Stalier und 
kaiſerliche Goldner, in feine Dienfte traten. . 

Und nun waren alle Strafen von Mittelitalien be- 
dedt von new gu den Waffen eifenden Gothen und von 
Golonen, welde, unter deren Anfiihrung, Totila’s 
Marden gegen Rom folgten. 

Sn diefer Stavt angelangt, hatte Gethegus fofort 
alle Unftalten gur Vertheidigung getroffen. 

Denn tm Fluge nabte nun, nad dem gweiten Siege, 
bei Mtucella, König Totila, aufgebalten faft nur nod 
durch die Huldigungen der Stavte und Gaftelle auf feinem 
Wege, welche wetteifernd ihm und jubelnd die bei feinem 
Ginritt bekränzten Thore erſchloſſen. 

Die wenigen Burgen, welche, von ſtarken byzan⸗ 
tiniſchen Beſatzungen gehalten, widerſtanden, wurden 
eingeſchloſſen von kleinen Abtheilungen, welche Totila 
aus Italiern bildete, durch wenige gothiſche Kerntruppen 
zuſammengehalten. 

Er konnte dies, da ſeine Macht während des Marſches 


408 


auf Rom von allen Seiten, einem Strome gleid, groge 
und Heine Zuflüſſe von Gothen und Staliern erbielt. 

Bu Taufenden eilten die italifden Golonen, die er 
fret erklärt, gu feinen Fahnen. 

In fleinen Städten erhoben ſich die Bürger gegen 
die byzantiniſche Beſatzung, entwaffneten ſie oder zwangen 
ſie zum Abzug. 

Ja ſogar Söldner Beliſar's, welche ſeit deſſen Ent⸗ 
fernung Monate lang von den kaiſerlichen Logotheten 
keinen Sold erhalten hatten, boten nun den Gothen 
ihre Waffen an. 

So war es ein ſehr anſehnliches Heer von Gothen 
und Italiern, welches Totila, wenige Tage nach dem 
Eintreffen des Präfecten, vor die Thore Roms führte. 

Mit lautem Jubel wurden bald darauf in dem 
gothiſchen Lager der tapfre Wölſung Herzog Guntharis, 
Wiſand der Bandalarius, Graf Markja und der alte Grippa 
begrüßt, deren Auswechſelung gegen ven an der Paduse 
Briide gefangnen faiferliden Oberfeloherrn und mebhrere 
feiner Heerfithrer Totila bei Conftantianus und Jo⸗ 
Hannes, ven Befehlehabern von Ravenna, erwirkt hatte. 

Auf Gethegus aber fiel nun die faft unldsbare Auf⸗ 
gabe, feine grogartig angelegten Befeſtigungen hinlänglich 
zu bemannen. 

Fehlte ihm vod nicht blos vas ganze Heer Belifar’s, 
— aud) der größte Theil ver eignen Söldner, welde erft 
allmalig auf dem Geeweg von Ravenna her in dem 
Hafen Portus eintrafen. 

Um ben ganzen Kreis vex weiten Umwmallung aud 


409 





mir nothditrftig gu decken, mußte Cethegus den römiſchen 
Legionaren nidt. nur ungewohnte und unerwartete Ans 
firvengungen unabgeliften Wachdienſtes zumuthen, — er 
mupte and deren Zahl durch Gewaltmaßregeln erhöhen. 

Bom ſechzehnjährigen Knaben bis gum ſechzigjährigen 
Greiſe rief er „alle Söhne des Romulus, Camillus und 
Caſar gun den Waffen, die Heiligthümer der Väter gu 
ſchirmen wider die Barbaren". 

Aber fein Aufruf wurde faum gelefen und verbreitet 
und führte ibm nur wenige Freiwillige zu, während er 
mit Sngrimm fah, wie das Manifeſt ves Gothentdnigs, 
welches jede Nacht an vielen Stellen ither die Mtauern 
flog, itberall umlief und vor dichten Gruppen verlefen 
wurde: fo daß er gornig befahl, jeden mit Einziehung des 
VermBgens oder Verfnedtung zu ſtrafen, ver das Manifeſt 
aufhbbe, anſchläge, vorlafe, verbreite. | 

Aber es lief dod) fiberall um: und feine in allen 
Regionen ver Stadt aufgelegten Liften der Freiwilligen 
blieben leer. 

Da fdidte er feine Iſaurier in alle Haufer und 
ließ Knaben und Greife mit Gewalt auf vie Walle 
fdleppen: bald war er mehr gefitrdtet, ja gehaft als 
geliebt. 

Nur feine eiferne Strenge und das allmalige Cin- 
treffen feiner ifaurifden Söldner bielt nod die Unzu— 
friedenhett ber Romer nieder. 

Jn vem Gothenlager aber überholte eine Glidsbot- 
ſchaft die Andre. 


410 





Teja und Hildebrand atten die Byzantiner bis vor 
vie Thore von Ravenna verfolgt. 

Diefe Stadt vertheidigten der wieder freigegebue 
Demetrius und Johannes ver Blutige, und die Hafens 
ftadt Gonftantianus gegen Hildebrand, der Ariminum 
im Vorüberziehen gewonnen, da die Bürger die armenis 
ſchen Söldner des Urtafires entwaffneten und die Thore 
öffneten. 

Teja aber ſchlug und tödtete im Zweikampf den 
tapfern byzantiner Feldherrn Verus, der mit auserleſenen 
piſidiſchen und kililiſchen Söldnern thm den Uebergang 
des Santernus verwehren wollte, durchzog gang Nord⸗ 
italien, das Manifeft Totila’s in der Linken, das drohende 
Schwert in der Redten: und in wenigen Woden waren 
alle State und Burgen bis auf Mediolanum yur Unters 
werfung gewonnen oder gefdredt. | 

Totila aber, durch die Erfahrungen der erften Bes 
lagerung gewivigt, wollte fein Heer einem Sturm auf 
pie furchtbaren Werle ves Prafecten nicht ausfegen und 
aud) feine künftige Hauptſtadt nidt den Zerſtörungen 
ftiirmender Einnahme preisgeben. 

Auf hölzernen Briiden, auf finnenen Flügeln gelang’ 
id) nad) Rom!" fo rief ex eines Tages Herzog Guntharis 
ju, überließ diefem die Einſchließung der Stadt, brad anf 
mit Der ganzen Reiterei und etlte nad) Neapolis. 

Sn diefem Hafen lag, ſchwach bemannt, eine kaiſer⸗ 
liche Flotte. 

Einem Triumphzug, nicht einem Feldzug, glich Totila's 
Marſch auf der appiſchen Straße durch Unteritalien. 


411 





Diefe Gegenden, weldhe am Langften unter dem 
Doche der Byzantiner litten, waren am Meiften beret, 
Mun die Gothen als Befreier gu begriigen. 

Mit Blumengewinden zogen die Sungfrauen von 
Terracina dem ſchönen Gothenkönig entgegen. 

Das Volk von Minturnä fuhr, ihm zum Empfang, 
einen vergoldeten Wagen hinaus, hob ihn vom weißen 
Roß und zog ihn auf dem Wagen jubelnd in die Thore. 

„Sehet hin:“ — ſcholl es in den Straßen von Caſi⸗ 
linum, einer alten Cultſtätte der campaniſchen Diana, — 
Phobus Apollo iſt niedergeſtiegen vom Olymp und halt 
befreienden Einzug in der Stadt ſeiner Schweſter.“ 

Die Bürger von Capua aber baten ihn, die erſten 
Goldmiinjen feines Königs⸗Namens in ihrer Münze gu 
pragen mit der Umfdrift: »Capua revindicatac. 

Go ging es fort bis Neapolis: diefelbe Straße, welche 
ex dereinft, ein Flüchtling, verwundet, in nächtlicher Haft 
guriidgelegt. 

Der Befehlshaber der armenifden Söldner in der 
Start, einer ſehr tapfern, aber fdwaden Scar der 
Arfative Phaza, wagte nicht, ver Bevölkerung fiir den 
Fall einer Belagerung zu traven. | 

Gr fithrte feine Lanzentrager und bewaffnete Biirger 
pon Reapolis dem König zur offnen Feldfdjladt entgegen. 

Da, vor dem Beginn ves Gejechts, ritt ein Metter 
auf weifem Roß aus ver Sehladtreihe der Gothen, 
nahm den Helm von Haupt und rief: 

Kennt iby mid nicht mehr, ihr Manner der parthenos 
paifden Stadt? 


1 


412 


Sd bin Totila. 

Shr habt mid geliebt, da ich der Seegraf eures 
Hafens war. 

Shr follt mich fegnen als euren Konig. 

Gedenkt ihr nidt mehr, wie id eure Weiber und 
Kinder auf meinen rettenden Schiffen geflüchtet vor den 
Hunnen Belifars? 

Vernehmt: dieſe eure Frauen und Tider, fle 
find abermalé in meiner Hand: nidt als Schitelinge, 
alg ®efangene. — 

Nad) Cuma habt ihr fie gebracht, in das fefte Schloß, 
fie vor den Byzantinern gu ſchützen, vielleicht ang 
por mir. 

Wiffet aber: Cuma hat ſich mir ergeben: und alle 
borthin Geflüchteten find in meine Gewalt gefallen. 

Mean rieth mir: fle als Geifeln gu behalten, eud und 
bie anbdern Stidte gur Ergebung zu gwingen. 

Das widerftrebt mir. 

Frei liek ich fie alle — nad) Rom hab’ ich die Frauen 
der römiſchen Senatoren geleiten laſſen. 

Nur eure Weiber und Kinder, ihr Männer von 
Neapolis, hab’ ich in mein Lager fommen laffen: nicht als 
Geifeln, nidt als Gefangene: — als meine Gifte. — 

Sebet hin: — dort ſtrömen fle aus meinen Belten. — 

Oeffnet die Arme, fle yu empfangen — fie find frei. 

Wollt ihr jest gegen mid) fampfen? 

Ich fann’s nidt glauben! 

Wer ift ber erfte unter euch, der zielt auf dicfe 
Bruft 2 


413 





Und weit ſchlug er den weißen Mantel auseinander. 

weil Rinig Totila dem Gittigen!” war die jubelnde 
Antwort. 

Und das heigblittige Völklein warf die Waffen nieder, 
Ftrdmte heran und begrüßte jubelnd die befreiten Frauen 
und Kinder und küßte dem jungen König den Saum 
pes Mantels und die Fife. 

Der Filhrer der Söldner ritt gu ihm heran. 

„Meine Langen find umringt und gu fdwad, allein 
gu fampfen. . 

Hier, o Rinig, nimm mein Schwert: id) bin dein 
Gefangner.“ 

„Nicht alfo, tapfrer Arſakide! 

Du biſt unbeſiegt: — deßhalb auch ungefangen. 
Zieh' ab, wohin du willſt, mit deiner Schar.“ 

wd) bin beſiegt und gefangen durch deines Herzens 
Hohheit und deiner Augen lichten Glanz: — verſtatte, 
bag wir fortan für deine Fahne fechten.“ 

Eine auserleſne Kriegerſchar war ſo Totila gewonnen, 
die fortan treu bei ihm aushielt. 

Unter einem Regen von Blumen hielt er ſeinen 
Einzug durch die Porta nolana. 


Noch bevor Aratius, der Admiral der Flotte im 
Hafen, die Anter feiner Kriegsſchiffe lidten fonnte, war 
deren Bemannung von-den zahlreichen Matroſen der 
vielen neben ihnen liegenden Handelsfdiffe der Kaufleute, 
alter Bewunderer und dankbarer Schiiglinge Totila's, 
fiberwaltigt und die Führer gefangen. 


414 


Ohne Blutvergieken hatte fich der Gothenkönig eine 
Flotte und die dritte Stadt des Reides gewonnen. 

Aber von vem Feftmal, das ihm am Abend die 
jubelnde Stadt bereitete, ftabl er leife fic) hinweg. 

Mit Staunen erfannten gothifde Wadjen in ver Stille 
per Nacht ihren Konig, ohne Gefolge, in altem, halb eins 
geſtürztem Lhurmgemauer hart am capuanifden Thor 
neben einem uralten Olivenbaum verfdwinden. — 

Am andern Tag erfdjien ein Decret Totila’s, welches 
bie Frauen und Mädchen der Juden von Neapolis fiir 
immer von dem bisher entridteten Ropfgeld befreite, 
und, während ihnen font unterfagt war, öffentlich 
Schmuck yu zeigen, verftattete, als Chrengetden auf dem 
Bruftgewand ein golones Herz gu tragen. — 

Sn dem dicht verwadjenen Gartden aber, in weldem 
verwilderter Ephen und Rofen das hohe Steinkrenz und 
einen tief eingefunfenen ©rabftein völlig überwachſen 
hatten, erhob fid) in Bälde ein Gedenkſtein von edelftem 
ſchwarzen Marmor mit ver einfadhen Auffdrift: ,Dtiriam 
Valeria.” — 

Und niemand lebte in Neapolis, der das gu deuten 
wußte. 


Sechstes Capitel. 





Bon allen Seiten ſtrömten nun aus Campanien und 
Samnium, Bruttien und Lucanien, Apulien und Calas 
hrien Wbgefandte der Stavte nad) Neapolis, ven Gothen⸗ 
fonig als Befreier in ihre Mauern gu laden. 

Auch vas widtige und ftarfe Benevent ergab ſich 
und die benadbarten Felten Asculum, Canufia und 
Udheruntia. 

Nad Tanfenden zählten die Falle, in welden in 
viefen Landfdaften die Colonen in die Landereien ihrer 
gefallnen, entflohnen, nad) Byzanz oder Rom gewanderten 
Herren eingewiefen wurden. 

Auger, Kom und Ravenna waren von grofen Plagen 
jest nur nod Florentia unter Suftinus, Spoletium unter 
Bonus und Herodianus, Perufia unter dem Hunnen 
Ulougant in den Handen der Byzantiner. ” 

In wenigen Tagen hatte der feefundige König, durch 
viele Stalier aus vem Süden der Halbinfel verſtärkt, feine 
eroberte Flotte new bemannt und fithrte fie, in vollent 
Sdhmud ver Segel und Flaggen, aus dem Hafen, indeß 


416 


rie Reiterei feines Heeres auf vem Landweg (der Via 
appia) gegen Norden jog. 

. Rom war vas Biel ver Schiffe und der Reiter: 
wabrend Leja, nachdem er alles Land gwifden Ravenna 
und dem Liber gemonnen — die feften Burgen Petra 
und Gaefena fielen ohne Schwertſtreich — oder unters 
worfen und gefidert: die Aemilia und beide Tuscien, (das 
annonarifdhe und fuburbicarifde,) auf der Bia flaminia 
mit einem Dritten Gothenheer gegen die Stadt des Ces 
thegus heranzog. 

Der Prafect erfannte: nun ward es grimmiger Ernft. 

Und grimmig, gleid vem in feiner Hable angegriff: 
nen Drachen, wollte er fid) webren. 

Mit ſtolz zufriednem Blid maß er vie Schanzen und 
Walle, fein ungeheures Werk: und gu den Waffenfreunden, 
welde die Anniberung ver Gothen beunrubigte, fprad er: 

„Getroſt! an dieſen Mauern follen fie gum gweiten 
Mal zerfdellen.“ 

Aber nicht fo rubig wie feine Reden und Mienen 
war im tiefften Snnern fein Geift. 

Nicht, daß er fein Thun jemals berent, feinen Gee 
panfen je al8 unausfithrbar erfannt hatte. 

Aber daß fein Werk, nad widerholtem Seheitern der 
Vollendung fo nabe gefithrt, nun nad Totila’s Erhebung 
abermals fo fern vom Ziele ſchien, — diefe Empfin⸗ 
bung wirfte auf die eiferne Kraft aud des Cethegus. 

„Der Gropfe höhlt zuletzt den Fels!" antwortete er, 
alé ihn Licinius einmal fragte, weßhalb er fo finfter ſehe. 


417 





wind dann — id kann nicht mebr fdjlafen wie 
ebedem." 

„Seit wann?“ 

„Seit — Totila! — 

Dieſer blonde Königsknabe hat mir den Schlummer 
geſtohlen.“ 

So ſicher und überlegen ſich der Präfect gegenüber all' 
ſeinen Feinden und Gegnern gefühlt hatte — die leuch— 
tende, offne Natur, die Sigfrid-Natur dieſes Jünglings 
und ihre ſpielend gewonnenen Erfolge reizten ſeinen Haß 
ſo ſchwer, daß ihm manchmal in heißer Leidenſchaft die 
überlegne Eiſesruhe ſchmolz, — während Totila dem 
Allgefürchteten mit einer Siegeszuverſicht entgegen trat, 
als könne es ihm gar nicht fehlen. 

„Er hat Glück, dieſer Milchbart!“ knirſchte Cethegus, 
als er die ſpielende Eroberung von Neapolis erfuhr. 

„Glück wie Achilleus und Alexandros. 

Aber vortrefflicherweiſe werden ſie nicht alt, dieſe 
ewigen Jünglinge! 

Das weiche Gold dieſer Seelen zermürbt — wir 
Klumpen von gediegenem Erz halten länger. 

Ich habe dieſes Schwärmers Roſen und Lorbern ge- 
ſehen: mir iſt, bald ſeh' ich auch ſeine Cypreſſen. 

Es kann nicht ſein, daß ich dieſer mädchenhaften 
Seele erliege. 

Das Glück trug ibn raſch und ſchwindelhoch empor. 

Plötzlich und ſchwindelhoch wird er auch fallen. 


Trägt es ihn noch über die Zinnen meines Rom? — 
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 27 


418 


Sliege nur, junger Barus, mithelos, im warmiten 
Sonnenſchein. 

Ich klimme, Schritt für Schritt, durch Blut und 
Kampf, empor im Schatten. — 

Aber hoch aufathmend werd' ich oben ſtehn, wenn 
dir der verrätheriſche Sonnenkuß des Glücks das Wachs 
in den kühnen Fittigen geſchmolzen hat. 

Wie ein fallender Stern wirſt du unter mir erlöſchen.“ 

Aber es hatte nicht das Anſehen, als ob dies ſchon 
bald geſchehen ſolle. 

Sehnlich erwartete Cethegus das Eintreffen einer 
ſtarken Flotte aus Ravenna, welche ihm den Reſt ſeiner 
Söldner und Alles, was daſelbſt von Legionaren und von 
dem Heere des Demetrius entbehrlich war, mit reichen 
Mundvorräthen zuführen ſollte. 

Waren dieſe Verſtärkungen eingetroffen, konnte er 
das murrende letzte Aufgebot der Römer von ſeinem un⸗ 
erträglichen Dienſt entlaſſen. 

Seit Woden hatte ev die immer drohender vere 
bitterten Einwohner auf diefe Flotte vertriftet. 

Endlich war fie von Oftia her durch etnen voraus⸗ 
geſchickten Schnellſegler verfitndet worden. 

Sethegus ließ die Nachricht oon Herolden, unter 
Tubaſchall, purd alle Strafen rufen, liek verkiinden: an 
ben nächſten Iden des Octobers würden adjttanfend Birger 
von den Wallen an ihren Herd entlaffen: er lief doppelte 
Wein-Rationen auf ven Mauern vertheilen. 

Un ven Boden des Octobers deckte vichter Rebel Oftia 
und das Peer. 


419 


Wm Tage nad ven Sven flog ein Heines Segelbot 
con Oftia nad Portus, in den Hafen von Rom. 

Geine zitternde Bemannung, Legionare aus Ravenna, 
verfinbeten : 

Rinig Totila habe mit der Flotte aus Neapolts die 
ravennatifden Triremen im Schutze vidten Rebels iber= 
fallen: von den achtzig Schiffen zwanzig verbrannt oder 
in der Grimd gebohrt, ſechzig aber mit allem Seevolk 
und Mundvorrath genommen. 

Gethegus wollte e8 nidt glauben. 

Gr fprang an Bord feines eigenen Schnellrudrers 
„Sagitta“ und flog ben Tiber hinab. | 

Aber mit Noth entfam er ven Sdhiffen des Königs, 
welde bereits den Hafen Portus fperrten und kleine 
Krenzer Tiber aufwarts fdidten. 

Jn höchſter Cile lieR nun der Präfect einen doppel⸗ 
ten Strom⸗Riegel, den erften aus gefappten Maſten, 
ben gweiten aus Gifentetten, einen Pfeilſchuß weiter oben, 
wieder quer über ben Tiber werfen, wie ibn Belifar bei 
per erften Belagerung hatte fertigen laffen. 

Den Raum gwifden dem unteren, dem Balken⸗, und 
dem oberen, dem Gifen-Riegel, fitllte er mit emer großen 
Zahl Heiner Bote aus. 

Sawer empfand Cethegus dte volle Wucht jenes 
Schlages. 

Nicht nur waren ſeine heiß erſehnten Verſtärkungen 
in Feindes Hand gefallen: nicht nur mußte er den ihn 
verfluchenden Römern, ſtatt ver verſprochenen Erleich⸗ 
terung, noch ſchwerere Laſten auflegen: — denn auch 

27* 


420 





die Flußſeite mute nun gegen die unablaffigen Durd- 
bruchsverſuche der gothiſchen Schiffe gededt werden — 
mit leiſem Grauen fah Cethegus unaufhaltbar näher und 
naber dringen den furdtbarften Feind — den Hunger. 

Die Wafjerftrake, auf welder er, wie frither Velifar, 
alle Vorräthe reidlich gugefithrt hatte, war gefperrt. 

Stalien hatte feine dritte Flotte mebr. 

Die von Neapolis und die von Ravenna blofirte 
unter gothifden Wimpeln Rom. 

Die legten Reiter aber, welde Marcus Licinius auf 
Kundfdaft und Fouragirung die flaminifde Straße hinauf 
geſchickt, jagten erſchrocken zurück und meldeten: ein ftarfes 
Gothenheer, gefithrt von dem Favdhtertijen Leja, ride 
im Gilmarfd beran. 

Seine Vorhut ftehe ſchon in Reate. 

Tags darauf war Rom auch von der letzten, der 
Nordſeite, her eingeſchloſſen und beſchränkt auf ſeine 
eigenen Kräfte: ſeine Bürger. 

Dieſe aber waren ſchwach genug, ſo ſtark auch die 
Mauern des Präfecten und ſein Muth. 

Mod) durch Wochen, nod) durch Monate hielt des 
Cethegus eiſerner Zwang die Verzagenden gegen ihren 
Willen aufrecht. 

Aber ſchon erwartete man nicht durch Sturm. durch 
Hunger den baldigen Fall. 

Da trat ein Allen unerwartetes Ereigniß ein, das 
die Hoffnungen der Belagerten neu belebte und des jungen 
Königs Genius und Glück auf harte Probe ſtellte: auf 
dem Kriegsſchauplatz erſchien nochmal — Beliſarius. 





Siebentes Capitel. 





Wis in dem goldenen Palafte per Cäſaren zu Bys 
zanz nad einander die ſchlimmen Nachrichten eintrafen 
von den Niederlagen an der Padusbrücke und bei Mucella, 
von der neuen Belagerung Roms, von dem Verluſt von 
Neapolis und des größten Theils von Italien, — da wurde 
Kaiſer Juſtinian, der das Abendland ſchon wieder mit 
dem Oſten vereinigt geſehen, furchtbar aus ſeinen Träu⸗ 
men geweckt. 

Leicht war es damals den Freunden Beliſars, den 
Beweis zu führen: die Abberufung dieſes Helden ſei der 
Grund aller Mißerfolge. 

Klar lag es vor Augen: ſo lang Beliſarius in Italien, 
Sieg auf Sieg: ſowie er den Rücken wandte: Schlag 
auf Schlag des Unheils. 

Die byzantiniſchen Heerführer in Italien ſelbſt er⸗ 
kannten nun offen an, daß ſie Beliſar zu erſetzen nicht 
vermochten. 

„Ich vermag nicht,“ ſchrieb Demetrius aus Ravenna, 
„vor Totila das offene Feld zu halten, kaum dieſe 
Feſtung der Sümpfe zu behaupten. 


422 


Neapolis ift gefallen. 

Rom fann fallen jeden Tag. 

Gende uns wieder den löwenkühnen Mann, ren 
wir in eitler Ueberbebung erfeben gu können wabnten, 
ver Vandalen und Gothen Befieger." 

Und Belifar, objwar er fic) hod verſchworen, nie 
wieder Ddiefem Kaiſer des Undanks au dienen, hatte alle 
Unbill augenblids vergeffen, als Duftinianus ibn wieder 
lächelnd anblidte. 

Und al er ihn vollends — nad) dem Fall von Nea⸗ 
polis — untarmte und ,fein treues Schwert˖ nannte, — 
nie hatte er in Wahrheit an feine Untrene geglaubt, nur 
feine königgleiche Stellung nicht dulden wollen — da 
war Belifarius von Antonina und Prokop nidht mehr 
zurückzuhalten. 

Da aber der Kaiſer die Koſten ſcheute einer zweiten 
Unternehmung gegen Italien, neben denen des Perſer⸗ 
krieges, welchen Narſes glücklich, aber koſtſpielig, in Afien 
führte, ſo geriethen Geldgeiz und Ehrgeiz in ſeiner Bruſt 
in einen Widerſtreit, welcher vielleicht länger gedauert 
hätte, als der Widerſtand von Rom und von Ravenna, 
wenn ihm nicht Prinz Germanus und Beliſar durch 
einen gemeinſchaftlichen Vorſchlag einen Ausweg gewieſen. 

Den edlen Prinzen trieb die Sehnſucht, Ravenna 
und das Grab Mataſwinthens zu beſuchen und die Un—⸗ 
vergeßene an dem rohen Barbarenvolk zu rächen. 

Denn Cethegus hatte ihm als Erklärung des tragiſchen 
Ausgangs der Unvergleichlichen angegeben: die erzwungene 
Ehe mit Witichis habe ihren Geiſt zerrüttet. 


423 


Belifar aber fand es unerträglich, durch Totila’s 
Grfolge all’ feine eigenen Siege in Frage geftellt au 
feben. 

Denn, war ein Volk wirklidd kberwunden, — fo 
fragten fetne Meider am Hofe, — welches binnen eines 
Sahres ſich fo glänzend wieder erhoben hatte? 

Gr hatte fein Wort gegeben, vie Gothen vernidten 
gu können — bas wollte er einldfen. ~ 

So madjten Germanus und Beliſar dem Kaiſer den 
Vorſchlag, Stalien auf ihre RKoften für thn erobern 3u 
wollen. 

Der Pring bot fein ganzes Vermögen zur Ausriiftung 
einer Flotte, Belifar alle feine new verſtärkten Leibwächter 
und Lanzentraäger. 

„Das iſt ein Vorſchlag nach dem Herzen Juſtinians!“ 
rief Prokop, als Beliſar ihm davon ſprach. 

einen Solidus aus ſeiner Taſche und vielleicht eine 
Provinz nebſt Lorberen für die Erde und gottgefälliger 
Ketzervertilgung für Theodora und den Himmel, ohne 
Auslagen! 

Sei gewiß: er nimmt es an und giebt euch ſeinen 
vãterlichen Segen mit. 

Sonſt aber nichts. 

Ich weiß es: du biſt ſo wenig zu halten wie Balan, 
dein Scheck, wenn die Trompete bläſt. 

Sch aber werde nicht zuſehen, wie du kläglich erliegſt.“ 

„Erliegen? Weßhalb, du Rabe des Unheils?“ 

„Diesmal haſt du die Gothen und Italien gegen 
bid. 


424 





Du Haft jene aber nicht vernidtet, da du Stalien 
für dich hatteſt.“ 

Aber Beliſar ſchalt ſeine Feigheit und ging alsbald 
mit Germanus in See. 

Der Kaiſer gab ihnen wirklich nichts mit als ſeinen 
Segen und den großen Zeh des heiligen Mazaſpes. — 

Hoch auf athmeten die Byzantiner in Italien bei 
der Nachricht, daß eine kaiſerliche Flotte bei Salona in 
Dalmatien gelandet ſei. 

Und ſelbſt Cethegus, zu welchem Kundſchafter die 
Botſchaft getragen, ſeufzte: ,Beffer Beliſar in Rom als 
Totila.“ 

Auch der Gothenkönig war ſchwer beſorgt. 

Er mußte vor Allem die Stärke von Beliſars Heer 
zu erkunden ſuchen, um danach ſeine Beſchlüſſe einzu⸗ 
richten, — etwa gar die Einſchließung Roms aufzugeben, 
um dem mächtigen Entfagheer entgegen zu ziehen. 

Von Salona ſegelte Beliſar nach Pola, wo er Schiffe 
und Mannſchaft muſterte. 

Dort kamen zu ihm zwei Männer, welche ſich als 
heruliſche Söldner zu erkennen gaben, alſo gothiſch, aber 
aud) ſehr gut lateiniſch ſprachen, und erklärten: fie ſeien 
Boten von Bonus, dem einen Befehlshaber von Spoles 
tium. 

Glücklich hätten ſie ſich durch die gothiſchen Linien 
geſchlichen: und ſie drängten den Feldherrn zu raſchem 
Entſatz. 

Sie baten um genaue Auskunft über ſeine Stärke, 

die Zahl ſeiner Segel, Reiter und Fußtruppen, um 


425 


durch genane Nachrichten den finfenden Muth per Bes 
lagerten gn beben. | 

„Ja, meine Freunde,“ fprad Belifar, , ihr müßt 
ſchon Ciniges hinzufügen in eurem Bericht. 

Denn die Wahrheit ift, daß mid) der Kaiſer gan; 
auf die eigene Kraft angewiefen bat.” 

Ginen Tag fang zeigte Belifar ven beiden Boten 
Flotte, Lager und Heer. 

Sn per Nacht darauf waren fie verſchwunden. 

G8 waren Thorismuth und Aligern gewefen, welde 
König Lotila, der fie ausgefendet hatte, getreulidh die 
gewünſchte Wusfunft hinterbrachten. 

Das war übel von Anfang an. 

Und auch der ganze Verlauf des Feldzuges entſprach 
nicht dem Ruhm des tapfern Feldherrn. 

Zwar gelang es, in die Hafenſtadt von Ravenna 
einzulaufen und dieſe Stadt mit neuen Vorräthen zu 
verſehen. 

Aber noch am Tage der Ankunft brach, in einem 
Anfall ſeines alten Leidens, Prinz Germanus an dem 
Sarkophage Mataſwinthens zuſammen. 

In den Gruftgewölben des Palaſtes, neben ihres 
. jugendfiden Bruders, neben König Athalarichs Leiche, 
hatte man ſie beigeſetzt. 

Germanus ſtarb: und er ward nach ſeinem letzten 
Wunſche beſtattet an der ſchönen, nie erreichten Geliebten 
Seite. 

Aber in einer kleinen unſcheinbaren Niſche der Gruft 


426 





rubte nod ein Herz, vas tren fiir die Königin Schönhaar 
geſchlagen. 

Aſpa, vie Numiderin, hatte die geliebte Herrin nicht 
überlebt. 

„In meiner Heimat, hatte ſie geſagt, ſpringen die 
Dienerinnen der Sonnengöttin oft freiwillig in den 
Scheiterhaufen, drin rie Gottheit verſinkt. 

Auch Aſpa's Sonnengöttin, die ſchone, ſchimmernde, 
gütevolle iſt verſunken. 

Aſpa lebt nicht verlaſſen und in kaltem Dunkel fort. 
Aſpa folgt ihrer Sonne nach.“ 

Hügelhoch hatte ſie ſtark duftende Blumen in der 
Gebieterin Todtengemach — höher noch, als da derſelbe 
kleine Raum zu ihrem Brautgemach gedient hatte — ge⸗ 
häuft und unbekannten Räucherſtoff aus afrikaniſchem 
Harz entzündet, deſſen betäubender Geruch die andern 
Sklavinnen verſcheuchte. 

Sie aber blieb die Nacht über in dem engen Todten⸗ 
gemach. 

Am andern Morgen ſtahl ſich Syphar, gelockt durch 
den alt vertrauten, aber gefährlichen Duft, in Erinnerung 
heimiſcher Opfergebräuche, leis heran. 

Er drang endlich in das wie ein Grab ſchweigende 
Gemach. — 

Zu den Füßen Mataſwinthen's, das Haupt unter 
Blumen vergraben, fand er ihre Antilope todt. 

„Sie ſtarb,“ ſprach er zu Cethegus, „ihrer Göttin nach. 
Nun hab ich nur noch dich auf Erden. —“ 


427 


Nad ver Beftattung des Germanus brad) Belifar 
mit Der gangen Flotte von Ravenna auf. 

Wber gleid vas nachfte Unternehmen, ein BVerfucd, 
Pifaurum gu Hberfallen, fceiterte mit blutigen Verluften. 

BVielmehr liek König Totila, nun über die geringe 
Truppenzahl Belifar’s unterridtet, faft unter deſſen 
Augen, durch kühne entfendete Streiffdaren unter Wifand 
gu Lande, welde einige Segel unterſtützten, an eben jenem 
Küſtenſtrich Firmum wegnehmen. 

Die Byzantiner Herodian und Bonus übergaben an 
Graf Grippa das wichtige Spoletium, nach Ablauf der 
Friſt von dreißig Tagen, binnen welcher ſie noch Cntfag 
von Beliſar gebofft. 

Sn Affifium befebligte Siſifrid, ein gothiſcher Uebers 
laufer, ber in den Tagen von Witichis’ Unftern fid 
Belifar angefdloffen hatte. © 
- Der Mann wußte, was ihm bevorfiand, wenn er in 
Hilbebrand’s Hunde fiel, der ihn in Perſon belagerte: 
— ber grimme Hag hatte den Wten von der Cin: 
ſchließung Ravenna’s zu diefer Wufgabe herangelodt. 

Der Gothe vertheidigte vie Stadt hartnadig. 

Uber als ihm bet einem Ausfall vie Stetnaxt ves 
alten Waffenmeifters das Haupt zerſchmettert hatte, 
zwangen vie Biirger ver Stadt die thrakiſche Beſatzung 
zur Ergebung. 

Viele vornehme Italier, Glieder des alten Katakomben⸗ 
bundes, dreihundert illyriſche Reiter und erleſene Leib⸗ 
wächter Beliſar's hatten die Beſatzung gebildet. Grippa 
führte ſie gefangen dem König zu. 


428 


Gleich darauf fiel Placentia, die leste Stadt der 
Aemilia, welde nod Me faracenifde Beſatzung fiir den 
Raifer gehalten hatte: fie ergab fic) bem Grafen Marfja, 
der das kleine Belagerungsheer befebligte. 

Sn Bruttien aber ergab fid) das fefte Ruscia, der 
widitige Hafenort für Thurii dem kühnen Aligern. 

Belifar vergweifelte nun daran, auf dem Landweg 
gegen Rom vorzudringen. 

Er verſuchte jest, von der ‘fteigenden Poth der 
Stadt vernehmend, ohne weiteren Verzug, Rom von 
ver Geefeite her Entfak gu bringen und die Einſchließung 
purd) vie Gothenfdiffe gu fprengen. 

Aber auf ver Hohe von Hydrunt, bet Umfeglung der 
Siidfpige Galabriens, jerftreute ein furdtbarer Sturm 
feine Gchiffe: er felbft wurde mit einigen Triremen tief 
ſüdlich, bis nad Sicilien, verfdlagen. 

Und der größte Theil feiner Segel, welder in der 
Bucht bei Croton Zufludt gefudt, wurde hier von einem 
gothifden Gefdywader, bas der König von Rom ents 
gegengefdidt und bet Squillactum in Hinterbhalt gelegt 
hatte, itberfallen und genommen: — eine febr bedentende 
Verſtärkung der gothiſchen Seemacht, welche, wie wir 
fehen werden, dadurch tn den Stand geſetzt wurde, bald die 
Byzantiner in thren Inſeln und Küſtenſtädten, angreifend, 
aufzuſuchen. 

Seit dieſem Schlag war die von Anfang zu geringe 
Streitkraft Beliſars völlig ohnmächtig. 

Alle Feldherrnkunſt und Kühnheit vermochte nicht, 
die fehlenden Schiffe, Krieger, Roſſe zu erſetzen. 


429 


Die Hoffnung, daß fic) Stalien, wie bet dem erften 
Feldzug, dem Feldherrn des Kaiſers zuwenden werde, 
ſchlug völlig fehl. 

So mißlang das Unternehmen vollſtändig, wie uns 
Prokop in ſchonungsloſen Worten überliefert hat.” 

Auf die Bitten um Verſtärkung antwortete der 
Raifer gar nidt. 

Auf die dann dringend widerholte Bitte Wntoninens 
um Erlaubniß gur Rückkehr erwiderte die Raiferin nur 
mit dem höhniſchen Beſcheid: man wage nidt zum 
gweiten Mal durch Whberufung den Helden in dem Lanje 
fetner Siege gu unterbredjen. 

Go verbradte Belifar bet Sicilien eine qualvolle 
Beit ver That⸗ und Rath-Lofigfeit. 


Achtes Capitel. 





Inzwiſchen aber ſtieg in dem belagerten Rom die 
Noth und die Erſchöpfung der Bürger auf den höchſten 
Grad. 

Der Hunger lichtete die ohnehin ſo dünne Beſatzung 
der weiten Wälle. 

Umſonſt that der Präfect fein Aeußerſtes. 

Umſonſt griff er zu allen Mitteln, bald der Ueber⸗ 
redung, bald der Gewalt. 

Umſonſt verſchwendete er fein Gold, neue Lebens⸗ 
mittel in die Stadt zu ſchaffen. 

Denn bis auf die letzten Körner faſt waren die 
Getreide-Vorräthe aufgezehrt, welche er anus Sicilien hatte 
kommen und auf dem Capitole bergen laſſen. 

Unerhörte Belohnungen verhieß er jedem Schiff, 
dem es gelänge, ſich mit Vorräthen durch die Flotte des 
Königs zu ſtehlen, jedem Söldner, der es wagte, ſich 
durch die Thore und die Zelte der Belagerer hinaus und 
mit Mundvorrath zurück zu ſchleichen. 

Die Wachſamkeit Totila's war nicht zu täuſchen. 


431 


Anfangs hatte einzelne goldgierige Waghälſe des 
Prafecten Lohn zur Nacht hinaus gelockt. 

Als aber Graf Teja jeden Morgen darauf über die 
Wälle bei'm flaminiſchen Thor ihre Köpfe ſchleudern ließ, 
verging auch den Begehrlichſten die Luſt. 

Theuer wurde das As der gefallnen Maulthiere ver⸗ 
kauft. 

Um das Unkraut und die Brenneſſeln, die ſie gierig 
aus ven Schutthaufen rupften, ſchlugen ſich die hungern— 
den Weiber. 

Der Hunger hatte längſt gelehrt, das Uneßbare gierig 
zu verſchlingen. 

Und nicht mehr zu zählen waren die Ueberläufer, 
welche aus den Häuſern, von den Mauern gu den Gos 
then eilten. 

Teja gwar wollte diefe mit, SpeersReden zurück⸗ 
getrieben wiffen in die Stadt, —* früher zum Fall 
zu bringen. 

Totila aber befahl, ſie Alle aufzunehmen, zu ſpeiſen 
und nur darüber fürſorglich zu wachen, daß ſie nicht 
durch plötzliche, maßloſe Befriedigung des maßloſen Heike 
hungers, wie anfangs oft geſchehen war, dem Tode ver⸗ 
fielen. 

Cethegus verbrachte nun jede Nacht auf den Wällen. 

In wechſelnden Stunden beging er ſelbſt, mit Speer 
und Schild, muſternd die Wachen, aud) wohl eine Schild⸗ 
wade ablöſend, welder Schlaf und Hunger den Lanjen- 
ſchaft aus ter Hand ju löſen drohten. 

Solch' Beiſpiel wirkte dann freilich wieder eine Weile 


432 





ermannend auf die Tüchtigen: begeiftert ftanden and 
jest die Licinier und Pifo und Salvius Julianus ju 
rem Prafecten und die blind ergebenen Dfaurier. 

Nicht aber alle Römer: fo nicht Balbus, der Schlemmer. 

dein, Piſo,“ fagte diefer einft, ,ich halte es nicht 
langer mehr ans. 

Es ift nidt in Menſchenart. 

Wenigftens nicht in meiner. 

Heiliger Lucullus! Wer hatte das je von mir ges 
glaubt. 

Ich gab neulich meinen allerletzten, größten Diaman⸗ 
ten fiir einen halben Stein-Marder hin.“ 

„Ich weiß die Beit,“ lächelte Piſo, „da du den Kod 
in Eiſen ſchmieden ließeſt, hatte er den Meerkrebs eine 
Minute zu lang ſieden laſſen.“ 

wo Meerkrebs! 

Bet der Barmherzigkeit ves blaſſen Heilands! 

Wie kannſt vu vies Wort, dies Bild herauf be- 
ſchwören! 

Meine ganze unſterbliche Seele geb' ich fir eine 
Scheere, ja fiir den Schweif. 

Und niemal8 audsfdlafen! 

Wet nicht ver Hunger, wedt vas Wadter- Horn.“ 

„Sieh den Prafecten an! 

Seit vierzehn Tagen hat er nidt vietzehn Stunden 
geſchlafen. 

Er liegt auf dem harten Schild und trinkt Regen⸗ 
waſſer aus dem Helm.“ 

Der Präfect! 


433 


Der braucht nicht gu effen. 

Er zehrt von feimem Stolz, wie der Bar von feinem 
Bett, und faugt an feiner Galle. 

Iſt ja nights an ihm als Sehnen und Muskeln, 
Stolk; und Hak! 

Ich aber, ach ich hatte fo lieblid) weifes Fett anges 
Hauft, daß mid) im Schlaf vie Mäuschen anbiffen: fie 
bielten mic) fiir einen fpanifden Maſtſchinken. 

Weikt du das Neuefte ? 

Im Gothenlager ift heute eime ganze Herve feifter 
Rinder eingetrieben worden — Lauter apuliſche: Lieblinge 
der Götter und Menſchen!“ 

Am andern Morgen friih fam Pifo mit Salvins 
Julianus, den Prafecten yu weden, ver auf dem Wall 
an ber Porta portuenfis fag, nahe vem gefährdetſten 
Punct, dem Strom- Riegel. 

Vergieb, ich ſtöre did) im feltnen Schlaf —“ 

Ich ſchlief nicht. 

Ich wachte. 

Melde, Tribun.“ 

„Balbus iſt mit zwanzig Bürgern heute Nacht von 
ſeinem Poſten entflohen. 

An Seilen haben ſie ſich herabgelaſſen an der 
Porta Latina. 

Dort brüllten die ganze Nacht die apuliſchen Rinder. 

Ihr Ruf war, ſcheint's, unwiderſtehlich.“ 

Aber das Lächeln verging dem Satirenſchreiber, als 
ihn der Blick des Cethegus traf. 

Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 28 





434 


„Ein Kreuz, dreißig Fuß hod, wird erridtet vor 
vem Hauſe ded Balbus an der Via facra. | 

Seter Ueberlaiufer, der wieder in unfre Hand fallt, 
wird daran geſchlagen.“ 

„Feldherr, — Kaiſer Conftantinus bat die Rreu- 
zigungsſtrafe abgefdafft, gu Ehren des Heilands," warnte 
Galvius Julianus. 

„So fithr’ ich fie wieder ein, gu Ehren Roms. 

Sener Raifer hielt wohl nicht fiir möglich, daß ein 
römiſcher Ritter und Tribun vie Stadt Rom um einen 
Braten verrathen werbe.“ 

„Aber nod mebr! 

Sd kann die Thurmwache nidt mehr beftellen an 
per Porta pinciana. 

Bon den ſechzehn Legionaren find neun hungertodt 
over hungerkrank.“ 

„Das gleide faft meldbet Marcus Licinius von der 
Porta tiburtina,” fiigte Julianus bei. 

„Wer foll wehren ver iberall her drohenden Gefahr?“ 

wd! Und der Muth ver Romer. 

Geh! laß durch Herolde alle Biirger und Alles, was 
nod in den Haufern ift, berufen auf das Forum ros 
manunt.” 

„Herr, e8 find nur nod Weiber, Kinder und Kranke —* 

„Gehorche, Tribun!“ 

Und finſtern Blickes ſtieg ver Prafect vom Wall, 
ſchwang fid) auf Pluto, fein edles, ſchwarzes, ſpaniſches 
RoR und zog langfam, von einer Scar berittner Iſau⸗ 
rier gefolgt, iiberall die Wachſamkeit der Poften, die 


435 


Bahl dex Truppen priifend, auf den weiteften Wegen 
burd einen grofen Theil ber Stadt: zugleich dadurch 
pew Herolden und den Biirgern Beit verftattend, yu 
rufen und gu folger. 

So ritt er auf langem Wege das rechte Tiberufer 
aufwãrts. 

Aus den Häuſern ſchlich nur ſpärlich zerlumptes 
Volk, die Reiter anſtarrend in dumpfer Verzweiflung. 

An der Brücke des Ceſtius erſt wurden die Haufen 
dichter. 

Cethegus hielt ſein Pferd an, die dort aufgeſtellten 
Wachen zu muſtern. 

Da eilte plötzlich aus der Thür eines niedrigen 
Hauſes ein Weib, mit fliegenden Haaren, ein Kind auf 
dem Arm. 

Ein älteres zerrte an den Lumpen ihres Gewandes. 

„Brod? Brod? ſchrie fie. 

„Ja, werden Steine zu Brod durch Thränen? 

O nein! Sie bleiben hart! 

Hart wie — ha, hart wie jener da! 

Seht Kinder: das iſt der Präfect von Rom. 

Der dort, auf dem ſchwarzen Roß, mit dem purpurnem 
Helmbuſch, mit dem furchtbaren Blick! 

Aber ich fürchte ihn nicht mehr. 

Seht Kinder: ver hat euren Vater auf die Walle 
geywungen, Tag und Nacht, bid er umfiel, todt. 

Sludh dir, Prafect von Rom!" 

Und fie ballte die Faufte gegen den unbeweglid 
haltenden Reiter. 

23 * 


436 


„Brod, Mutter! 

Gieb uns zu eſſen!“ heulten die beiden Kinder. 

„Zu eſſen bab’ ich nicht für euch, aber gu trinken 
vollauf! Hier!“ ſchrie das Weib, umklammerte das 
ältere Kind mit der Rechten, drückte das kleinere mit der 
Linken feſter an die Bruſt und ſchwang ſich mit beiden 
Kindern über das Geländer in die Fluth. 

Ein Schrei des Entſetzens, gefolgt von Flüchen, lief 
durch die Menge. 

„Sie war wahnſinnig!“ ſprach ver Präfect mit lauter 
Stimme und ritt weiter. 

„Nein, fle war die klügſte von und Allen!“ ants 
wortete eine Stimme aus ber Menge. 

„Schweigt! 

Ihr Legionare, laßt die Tuba ſchmettern! 

Vorwärts! auf das Forum!“ befahl Cethegus und 
ſauſend ſprengte die Reiterſchar davon. 

Und über die fabriciſche Brücke, durch das carmen⸗ 
taliſche Thor, gelangte der Präfeet an den Fuß des 
capitoliniſchen Hügels auf das Forum romanum. 

Leer ſah der weite Raum aus: nicht gefüllt durch 
die paar tauſend Menſchen, welche in elenden Kleidern 
auf den Stufen der Tempel und Hallen kauerten oder 
ſich mühſam an Speeren und Stäben aufrecht hielten. 

„Was will der Präfect?“ 

„Was kann er nod) wollen?“ 

weir haben nichts mehr als unſer Leben.“ 

„Grade das will er —" 


437 


‚„Wißt ihr ſchon? vorgeftern hat fid aud) Centum: 
cella an ver Küſte den Gothen ergeben.” 

»da, die Birger haben die Sfaurier des Prafecten 
iberwiltigt und die Thore geöffnet.“ 

„O, könnten wir's nad thun.“ 

„Bald miiffen wir’s thun, fonft iſt es zu fpat.“ 

„Mein Bruder fiel geſtern todt um, die gefodten 
Brennneffeln nod tim Munde: er fonnte fie nidt mehr 
verſchlingen.“ 

„Auf dem Forum Boarium ward geſtern eine Maus 
in Gold aufgewogen.“ 

„Ich bezog heimlich eine Woche gebratnes Fleiſch von 
einem Mezger — roh wollte er's nicht liefern —“ 

„Sei froh! Sie ſtürmen ja das Haus, wo ſie Bra⸗ 
tendunſt riechen —" 

Aber vorgeſtern ward er zerriſſen vom Volk auf 
der Straße. 

Er hatte bettelnde Kinder in ſein Haus gelockt — 
ihr Fleiſch hatte er uns verkauft.“ 

„Der Gothenkönig aber, wißt ihr, wie der mit ſeinen 
Kriegsgefangnen umgeht?“ 

pote ein Vater mit feinen hülfloſen RKindern.“ 

»die Meiften treten fofort in ſeine Dienfte.” 

wa, aber die, melde es nidt wollen, verfieht er 
mit Reifegeld —“ 

Oa, UND mit Reidern und Schuhen und Lebensmitteln.” 

„Die Wunden und Rranfen werden gepflegt.” 

„Und er läßt fle durch Wegtundige bis an bie Miften- 
ſtädte geletten.“ 


438 





wud die Meberfabrt in’s Oſtreich auf Kauffahrer⸗ 
ſchiffen bat ev ihnen fdjon bezahlt.“ 

„Seht, da fteigt der Prafect von dem ſchwarzen Roß.“ 

‚Wie Pluto fieht er aus.“ 

‚„Nicht Princeps fenatus mehr, princeps infecorum." 

„Seht — feinen Blick!“ 

walt: und dod) wie Flammenpfeile.“ 

oa, meine Dtubme hat Red. 

So fann nur bliden, wer fein Herz mehr bat.” 

„Das ift was Altes. 

Strigen und Lamien haben ihm Nachts das Heyy 
ausgefreſſen.“ 

‚Was nicht gar! 

Es giebt gar keine Lamien. 

Aber den Teufel giebt es: denn der ſteht in der Bibel. 

Und er hat ein Bündniß mit ihm geſchloſſen. 

Der Numider, der dort ſein ſchwarzes Roßz am 
Biigel Halt, iſt ver Bote der Hölle, ver ihn überall 
beglettet. 

Reine Waffe fann dem Prafecten die Haut rigen. 

Nicht Nachtwachen nod) Hunger verfpitrt er. 

Aber er fann aud) mie mehr ladeln. 

Denn er hat feine Seele ver Hille verpfindet.” 

„Woher weißt du's?“ 

„Der Diakon von Sanct Paul hat's uns neulich Alles 
gedeutet. 

Und Sünde iſt es, einem ſolchen länger zu dienen. 

Hat er doch auch unſern Biſchof Silverius dem 
Kaiſer verrathen und in Ketten über's Meer geſchickt.“ 


439 


„Und hat er dod) neulich fechzig Priefter, redtglaubige 
und arianifde, alS des BVerraths verdächtig ans der 
Stadt gemiefen." 

„Das ift wabr.” 

„Er mug aber aud dem Lenfel gelobt haben, alle 
Oualen fiber Rom und die Romer gu bringen.“ 

„Aber wir wollen’s nidt mehr dulden.“ 

‚Wir find fret, ex hat's un oft gefagt. 

Ich will ihn fragen, mit weldem Redht —“ 

Aber mitten im Wort verftummte der tapfere Redner: 
— ein Blid des Prafecten hatte ihn getroffen, ver im 
Emporfteigen zur Rednerbühne die kleine murrende 
Gruppe fireifte. 

„Quiriten,“ bob er an, „ich rufe end We auf, 
Legionare gu werden. 

Hunger und — ſchmählich gu fagen von römiſchen 
Männern — Verrath lidten die Reihen unfrer Wachen. — 

Hort iby die Hammerfdlage ? 

Gin Kreuz wird gesimmert fitr die Ueberlaufer. — 

Nod) größere Opfer fordert Rom von den Römern. 

Denn ihr habt feine Wahl. 

PBiirger anderer State möchten ſchwanken gwifden 
Uebergabe und Untergang. 

Wir, erwachſen im Schatten ves Gapitols, haben 
diefe Wahl nist. Hier gehn vie Schauer von mehr 
al8 taufendjabrigem Heldenthum. 

Hier tann fein feiger Gedanke laut werden 

Shr könnt nicht wieder vie Barbaren ihre Roffe 
binden feben an die Säulen des Trajan. 


440 





Cine (este Anftrengung gilt es. 

Früh reift vas Heldenmark in den Knaben des 
Romulus und Cafar: ‘fpat weidt vie Kraft aus den 
tibertrinfenden Dannern : . 

Ich rufe die Knaben vom zwölften, die Danner 
bis gum achtzigſten Jahre auf die Walle. 

Stil! murrt nicht! 

Ich werde meine Tribunen mit den Lanjentriigern 
von Haus zu Haus geben faffen: mur um gu bindern, 
daß nidt allguzarte Knaben, alu müde Greife gu den 
Waffen greifen. 

Was murrt ihr da drüben? 

Weiß jemand beffern Rath der Vertheidigung ? 

Gr gebe thn: laut, von diefem Platz herab, den ih 
ihm Dann räumen werde.“ . 

Da ward es {til an der Stelle, wohin der Blick 
tes Prafecten geblitt. 

Aber hinter thm erhob fich, bet denen, die fein Auge 
nidt banbigen fonnte, grollendes Gemurmel. 

worn |" 

„Uebergabe!“ 

„Friede!“ 

„Brod!“ 

Cethegus wandte ſich. 

„Schämt ihr euch nicht? 

So viel habt ihr ertragen, eures Namens würdig. 

Und nun, da es noch kurze Zeit gilt, auszuharren. 
wollt ihr erlahmen? 

Jn wenigen Tagen bringt Beliſar Entſatz.“ 


441 


„Das haſt du uns fdon fiebenmal gefagt.“ 

nnd nad) dem fiebten Male verlor Belifar faft 
alle Schiffe.“ 

„Die belfen jest mit, unfern Hafen fperren.” 

wou follft uns eme Frift, ein Ende fegen dieſes 
Elends. Denn mid) erbarmt e8 dieſes Volks.“ 

„Wer Lift put" fragte Gethegus den unſichtbaren 
Redner. 

„Du kannſt fein Römer fein.” 

„Ich bin Pelagius der Diakon, ein Chriſt und ein 
Prieſter des Herrn. 

Und ich fürchte nicht die Menſchen, ſondern Gott. 

Der König der Gothen, obwohl ein Ketzer, ſoll ver⸗ 
ſprochen haben, in allen Städten, die ſich unterwerfen, 
die Kirchen, welche ſeine Mitketzer, die Arianer, den 
Rechtgläubigen entriſſen, zurück zu geben. 

Schon dreimal ſoll er Herolde an die Bürger Roms 
geſendet haben mit gütigſten Bedingungen: — man hat 
ſie nie zu uns ſprechen laſſen.“ — 

„Schweig, Prieſter. 

Du haſt kein Vaterland als den Himmel, keinen 
Staat als das Reich Gottes, kein Volk als die Gemeinde 
der Heiligen, kein Heer als die Engel. 

Beſtelle du dein himmliſch Reich. Männern über⸗ 
laß' das Reich der Römer.“ 

„Aber der Mann Gottes hat Recht.“ 

Eine Friſt!“ 

„Einen nahen Termin!“ 

‚Bis dabin wollen wir nod ausharren.“ 


442 


„Doch verläuft er ohne Entſatz“ — 

„Dann Lebergabe ! 

Dann öffnen wir die Thore.“ 

Aber diefen Gedanken ſcheute Cethegus. 

Wußte er dod, feit langen Woden ohne alle Kunde 
pon der Außenwelt, durchaus nidt, wann etwa Belifar 
por der Tibermiindung erfdeinen fonnte. 

„Wie?“ rief er. ,Goll id euch eine Frift ſetzen, 
wie lang iby nod) Römer fein wollt und von wann ab 
Memmen und Slaven ? 

Die Chre fennt feine Lermine." 

„So ſprichſt du, weil du felbft nicht mehr an Ents 
fas glaubjt." 

„So fpreche id, weil id an Euch glaube.“ 

Aber wir wollen e8 fo. 

Wir Wie. 

Hörſt du? 

Du fprach(t ja immer von der rimifden Freibeit. 

Wohlan, find wir fret oder dir verfallen, wie deine 
Siloner ? 

Hörſt vu? 

Wir fordern einen Termin. 

Wir wollen es!" 

Wir wollen es!“ widerbolte ver Chor. 

Da fdollen, ehe Cethegus erwidern konnte, Tubas 
rufe von der Sitdoftede des Forum her: von der facra 
Via ftrimten Vol! und Bewaffnete gemifdht heran, in 
ihrer Mitte zwei Reiter in fremden Waffen. 


Neuntes Cayitel. 





Lucius Lieinius fprengte ihnen allen voraus, fprang 
ab und flog die Rednerbühne hinan. 

win Herold ver Gothen! 

Ich fam gu ſpät, ihn wieder, wie fonft, abzuweiſen. 

Die verhungernden Legionare am tiburtiniſchem Thor 
lieBen ihn herein.“ 

„Nieder mit ihm! 

Er darf nidt reden,“ ſprach Cethegus, fprang die 
Tribiine herab und 30g das Schwert. 

Aber die Menge errieth ihn. 

Subelnd, ſchützend umdrängte fie den Herold. 

„Friede! Heil! Brod!" 

„Friede! Hört den Herold!“ 

„Nein, Hort ihn nicht,“ donnerte Cethegus. 

Wer ift Prafect von Rom ? 

Wer vertheidigt viefe Stadt? 

3h: Cornelius Cethegus Caefarius. 

Und id) fage: hört ihn nidt.“ 

Und mit vem Schwert warf er fic) vorwarts. 

Aber dict, wie ein Bienenfdwarm, geballt, hemmten 


444 





Weiber und Greife feinen Weg, während die Bes 
waffneten Den Herold ſchützend umwogten. 

„Sprich, Bote, was bringft du?“ forfdten fie. 

„Frieden und Erlöſung,“ rief Thorismuth und ſchwenkte 
feinen weißen Stab. 

Lotila, der Stalter und der Gothen König, entbietet 
eud) Huld und Grug und fordert frees Geleit, end 
Widhtiges gu finden und den Frieden.“ 

„Heil ihm!“ 

„Hört ihn!“ 

„Er ſoll kommen!“ 

Cethegus war eilig zu Pferd geſtiegen und ließ ſeine 
Tubablafer vie Schlachtfanfare ſchmettern. 

Da wurde es ſtill auf dem Forum. 

„Höre, Herold: ich, der Befehlshaber dieſer Stadt, 
verweigere das Geleit. 

Jeden Gothen, der die Stadt betritt, werd' ich als 
Feind behandeln.“ 

Aber da erſcholl tauſendſtimmiges Geſchrei der Wuth. 

Ein Bürger erklomm die Rednerbühne. 

„Conelius Cethegus, biſt du unſer Tyrann oder 
unſer Beamter? 

Wir ſind frei. 

Und oft haſt du's gerühmt: das Höchſte iſt in Rom 
des römiſchen Volkes Majeſtät. 

Wohlan, das römiſche Volk befiehlt, ven Köonig gu 
hören. 

Befiehlſt du vas nicht, Volk von Rom?“ 

„Wir wollen ed!" 





445 





„Es ift Geſetz,“ brüllten vie Quiriten. 

Haſt du's vernommen? 

Willſt du dem Volk von Rom gehorchen oder trotzen.“ 

Cethegus ſtieß das Schwert in die Scheide. 

Thorismuth ſprengte davon, ſeinen König zu holen. 

Der Präfect winkte die jungen Tribunen an ſich heran. 

„Lucius Licinius,“ befahl er, „auf's Capitol. 

Salvins Julianus, du deckſt den untern, ven Balken⸗ 
Stromriegel. 

Quintus Piſo, du deckſt den oberen, den Ketten⸗ 
Riegel. 

Marens Licinius, du pattft > pie Schanze, die den Wufs 
gang vom Forum gum capitolinifden Hügel und mein 
Haus beſchützt. 

Der Reft ver Söldner ſchart ſich dicht hinter mir.“ 

„Was willſt du, Feldherr?“ fragte Lucius Licinius, 
ehe er davon eilte. 

„Die Barbaren überfallen und verderben.“ 

Es waren etwa noch fünfzig Reiter und hundert 
Lanjentrager, welche nach Entſendung der Tribunen 
hinter dem Präfecten hielten. 

Nach kurzer banger Spannung ſchmetterte das 
gothiſche Heerhorn die heilige Straße herauf. 

Und von dorther bogen auf das Forum ein Thoris⸗ 
muth und ſechs Hornblafer, Wifand, ver Bandalarius, 
mit der blauen Königsfahne der Gothen, der König 
zwiſchen Herzog Guntharis und Graf Teja und nod 
etwa zehn Heerfithrer und Reiter, faft alle ohne Waffen: 
nur Leja zeigte deutlid) das breite, das gefürchtete Beil. 


446 





Wis eben der Bug ſich aus vem Lager der Gothen 
in Bewegung gefebt hatte, durch's metronifde Thor in 
bie Stadt gu reiten, fithlte fic) Herzog Guntharis am 
Mantel gefaft: er fah neben feinem Pferd einen Knaben 
oder Slingling mit kurzkrauſem, goldbraunem Haar und 
blauen Augen und einem Hirtenſtock in ver Hand. 

„Biſt du der König? 

Nein, du bift es nit. 

Und jener dort? dad ift der tapfere Leja, der ſchwarze 
Graf, wie ihn die Lieder nennen.“ 

„Was willft du, Burfde, von dem Konig 2 

„Ich will fiir ihn fedjten unter feinen Heerlenten.“ 

„Du bift nod gu jung und jart. 

Geh’ und fomm’ nad gwet Gommern wieder: und 
hüte verweilen die Ziegen.“ 

„Ich bin nod) jung: aber nicht mehr ſchwach. 

Und Riegen hab’ ich mir genug gebittet. 

Ha, ich ſeh's: dad ift ver König.“ 

Und er trat vor Lotila und neigte ſich gierlid) und 
fprad : , 

„Mit Gunſt, Herr Konig.“ 

Und er langte nad) des Pferdes Biigel, e8 gu führen: 
alg müßte das alled fo fein. 

Und der König fah mit Wobhlyefallen auf ihn berab 
und lächelte thm zu. 

Und der Rnabe führte fein Pferd am Baum. 

Guntharis aber fprad) vor ſich hin: ,Diefes Knaben 
Antlitz habe ich ſchon gefeben. 

Nein, er gleicht ihm nur, —: doch ſolche Aehnlich⸗ 


447 





feit fab id) nod) nie: und wie adelig ded jungen Hivten 
Haltung!“ 

„Heil König Totila! Frieden und Heil,“ jauchzte 
dem Gothen⸗König das Volk entgegen. 

Der junge Zügelführer aber ſah empor in des 
Königs ſchimmervolles Antlitz und ſang leiſe, aber mit 
ſilbertöniger Stimme, zu ihm hinauf: 


„Zittre und zage, 

Baber Cethegus: 

Nicht taugt dir die Tücke! 
Es trümmert den Trotz dir 
Teja, der Tapfre: 

Und Tag⸗hell empor taucht, 
Wie Maiglanz und Morgen 
Aus Nacht und aus Nebel, 
Der leuchtende Liebling 
Des Himmels⸗Herr'n: 

Der ſchimmernd ſchöne, 
Der kühne König. 

Ihm öffnen ſich alle 

Die Thürme, die Thore, 
Die Hallen und Herzen: 
Ihm weicht, überwunden, 
Wuth, Winter und Weh.“ 


Auf den Wink von des Königs Hand trat Stille ein. 

Aber dieſen erwarteten Augenblick nutzte Cethegus. 

Er trieb ſeinen Rappen vorwärts in vie Vollsmenge 
und rief: 


446 





Wis eben der Bug ſich ans dem Lager der Gothen 
in Bewegung gefegt hatte, durch's metroniſche Thor in 
vie Stadt gu reiten, fithlte fid) Herzog Guntharis am 
Mantel gefaft: er fah neben feinem Pferd einen Knaben 
over Jüngling mit kurzkrauſem. goldbraunem Haar und 
blauen Augen und einem Hirten(tod in der Hand. 

‚Biſt Du der Konig? 

Nein, du bift es mid. 

Und jener dort? das ift Der tapfere Leja, ber ſchwarze 
Graf, wie ihn die Lieder nennen.“ 

„Was willft bu, Burfde, vom dem König?“ 

od) will fiir ifn fedjten unter feinen Heerleuten.“ 

vou bift nod) gu jung und zart. 

Geb’ und fomm’ nad) zwei Gommern wieder: und 
hitte verweilen die Biegen.” 

„Ich bin nod jung: aber nicht mehr ſchwach. 

Und Biegen hab’ id) mir genug gebittet. 

Ha, ich ſeh's: dad ift ber König.“ 

Und er trat vor Totila und neigte ſich gierlid) und 
ſprach: 

„Mit Gunſt, Herr König.“ 

Und er langte nach des Pferdes Zügel, es zu führen: 
als müßte das alles ſo ſein. 

Und ver König ſah mit Wohlgefallen auf ihn herab 
und lächelte ihm gu. 

Und ver Knabe fithrte fein Pferd am Baum. 

Guntharis aber fprad vor fid hin: „Dieſes Knaben 
Antlig habe ich ſchon gefeben. 

Mein, er gletht ihm nur, —: doch ſolche Aehnlich⸗ 


447 





feit fab id) nod nie: und mie adelig des jungen Hirten 
Haltung!“ 

„Heil König Totila! Frieden und Heil,“ jauchzte 
dem Gothen⸗König das Volk entgegen. 

Der junge Zügelführer aber ſah empor in des 
Königs ſchimmervolles Antlitz und ſang leiſe, aber mit 
ſilbertöniger Stimme, gu thm hinauf: 


„Zittre und zage, 

Biber Cethegus: 

Nicht taugt dir die Tücke! 
Es trümmert den Trotz dir 
Teja, der Tapfre: 

Und Tag-hell empor taucht, 
Wie Maiglanz und Morgen 
Aus Nacht und aus Nebel, 
Der leuchtende Liebling 
Des Himmels⸗Herr'n: 

Der ſchimmernd ſchöne, 
Der kühne König. 

Ihm öffnen ſich alle 

Die Thürme, die Thore, 
Die Hallen und Herzen: 
Ihm weicht, überwunden, 
Wuth, Winter und Weh.“ 


Auf den Wink von des Königs Hand trat Stille ein. 

Aber dieſen erwarteten Augenblick nutzte Cethegus. 

Er trieb ſeinen Rappen vorwärts in vie Volksmenge 
und rief: 


448 





„Was willft du, Gothe, in diefer meiner Stadt?” 

Nad einem lodernden Blid wandte fid) Totila von 
thm ab: 

„Mit hm ved’ id nur mehr mit dem Schwert, dem 
ſechsfachen Lügner, dem Mörder! 

Bu dir ſprech' ich, unſeliges, bethörtes Vol! von Ftom. 

Der Schmerz um euch zerreißt mein Herz. 

Sd fam, ener Elend gu enden. 

Obne Waffen bin ich gefonmmen. 

Denn beffer als Schwert und Schild ſchützt mich des 
Rimervolfes Ehre.“ | 

Gr hielt inne. 

Cethegus unterbradh ihn nicht mebr. 

„Quiriten, wohl habt iby felbft erfannt: längſt 
fonnt id mit meinen Tauſenden euere Mauern ſtürmen. 

Denn ihr habt nur nod Steine, feine Manner 
mebr darauf. 

Uber fiel Rom durch Sturm, ging Rom in Flam- 
men auf. 

Und id) gefteh’s: lieber will ich niemals Bom be 
treten al8 Rom jerftdren. 

Ich will end) nicht vorhalten, wie ihr Theoderichs und 
der Gothen Gitte vergolten. 

Habt ihr die Tage vergeffen, da ihr danfbar Münzen 
ſchlugt mit der Umfchrift: „Roma feliz? 

Wahrlich, ihr feid genug geftraft. 

Schwerer geftraft durch Hunger und Peſt und Bys 
gang und jenen Damon als euch jemals unſere ftrengfte 
Strafe getroffen hatte. 


449 


Mehr als adjttaufend Männer von euch, Weiber 
und Kinder ungezählt, find erlegen. , 

Eure verddeten Häuſer ſtürzen ein. 

Gierig rafft ihr das Gras, das in euren Tempeln 
wächſt. 

Hohläugig ſchleicht durch eure Gaſſen die Verzweiflung. 

Menſchenfleiſch, der eignen Kinder Fleiſch, haben 
hungernde Mütter, römiſche Mütter verſpeiſt. 

Und bis heute konnte man euren Widerſtand be— 
klagen, aber bewundern. 

Von heut' ab iſt er Wahnſinn. 

Eure letzte Hoffnung war Beliſar. 

Wohlan: Beliſar iſt heimgefahren von Sicilien nach 
Byzanz. 

Er giebt euch auf.“ 

Cethegus ließ die Trompeten ſchmettern, das Geheul 
des Volkes zu übertönen. 

Lang vergeblich. 

Endlich drangen die ehernen Tubaſtimmen durch. 

Als es ſtiller ward, rief der Präfect: 

„Gelogen! 

Glaubt nicht fo plumper Lüge!“ 

„Haben euch je die Gothen, hab' ich euch je gelogen, 
iby Römer? 

Aber nur euren eignen Augen und Ohren ſollt ihr 
glauben. 

Vowrwärts mit dir, Mann: nun ſprich. 

Rennt iby ihn 2" 

Dahn, Cin Kampf um Rom. III. 29 


450 





Cin Byjantiner, in reider Rilftung, ward von den 
gothifdjen Reitern vorgefithrt. 

„Konon!“ 

„Beliſars Nauarch!“ 

voit kennen ibn!" rief die Menge. 

Cethegus aber erbleichte. 

„Ihr Männer von Rom,“ ſprach der Byzantiner, 
»Belifar, ver Magiſter Militum, hat mid) an den König 
Totila gefdidt. 

Heute traf ich ein. 

Belifar mute von Sicilien nad) Byzanz zurück. 

Er hat ſcheidend Bom und Italien der befannten 
Güte König Tottla’s empfoblen. 

Das mein Auftrag an ihn und an end.” 

„Wohlan,“ fiel Cethegus dröhnend ein, „und ift ed 
fo: dann ift der Zag gefommen, gu zeigen, ob ihr Ris 
mer feid oder Baſtarde. 

Hort e8 und wit es wohl! 

Cethegus ver Prafect ergiebt fic und fein Rom nie, 
niemals den Barbaren. 

O, gedentt der Zeiten nur nod einmal, da id 
euch Wes war. 

Da thy meinen Namen neben Shrine, por den 
Heiligen genannt. 

Wer hat end) Jahre lang Arbei, Brot, und — 
was mehr iſt — Waffen gegeben? 

Wer hat euch geſchirmt — Beliſar oder Cethegus? 
— als dieſer Barbaren fünfzehn Myriaden vor euren 
Wällen lagen? 


461 


Wer hat Rom mit ſeinem Herzblut gerettet vor 
König Witichis? 

Wohlan, zum letzten Male ruf ich euch zum Kampf. 

Hört mich, ihr Enkel des Camillus. 

Wie er die Gallier, die ſchon die Stadt gewonnen, 
vom Capitol herab hinweg gefegt, mit der Kraft des 
römiſchen Schwertes, ſo will ich dieſe Gothen hinweg 
fegen. 

Schart euch um mich! Zum Ausfall! 

Und erprobt, was Römerkraft vermag, wenn ſie 
Cethegus führt und die Verzweiflung. 

Wäaͤhlt!“ 

a wählt!“ rief Totila, ſich hod) erhebend in den 
Bügeln. 

„Wählt zwiſchen ſichrem Untergang und ſichrer 
Freiheit. 

Folgt ihr noch einmal dieſem Wahnwitzigen, kann 
ich euch nicht mehr ſchützen. 

Hört hier Graf Teja von Tarent zu meiner Rechten. 

Ihr kennt ihn, denk' ich. 

Ich kann euch nicht länger ſchützen.“ 

„Nein,“ rief Teja, das mächtige Schlacht-Beil er⸗ 
hebend, „dann keine allzugnädige Gnade mehr, bei'm Gott 
des Haſſes. 

Verwerft ihr dieſe allerletzte Gunſt: kein Leben wird 
verſchont in dieſen Mauern. 

Ich hab's geſchworen und Tauſende mit mir!“ 

„Ich biete euch volles Vergeſſen eurer Schuld und 
will euch ein milder König ſein. 

29* 


452 





Fragt in Meapolis, ob ich's verftebe. 

Wählt awifden mir und dem PBrafecten.“ 

„Heil König Totila! 

Zum Tode den Präfecten!“ ſcholl es einſtimmig in 
der Runde. 

Und, wie auf ein gegebenes Zeichen, warfen ſich die 
Weiber und Kinder, mit erhobenen Händen, wie anbetend, 
auf die Kniee vor dem König, während alle die Tauſende 
von Bewaffneten drohend, fluchend ihre Speere und 
Schwerter wider den Präfecten erhoben und mancher 
Wurfſpieß gegen ihn flog: — es waren die Waffen, die 
er ihnen ſelbſt geſchenkt. 

„Hunde ſind es! 

Nicht Römer!“ 

So ſprach Cethegus im tiefſten Zornesdrang und riß 
ſein Roß herum. 

„Auf's Capitol!“ 

Und in gewaltigem Satz, hochausgreifend, ſprang ſein 
edler Rappe über die Reihe der knienden, kreiſchenden 
Frauen hinweg, durch den Hagel von Geſchoſſen, welche 
ihm jetzt die Römer nachſchleuderten, die wenigen Bee 
herzten niederreitend, welche mit Lanzen ihm den Weg 
verrennen wollten. 

Bald war ſein rother Helmbuſch verſchwunden. 

Sauſend folgten ihm ſeine Reiter. 

Die Lanzenträger wichen langſam, in guter Ordnung, 
manchmal wendend und die Speere fallend. 

So erreichten fie die hohe Schanze, welche, beſetzt 


453 


bon Mtarens Licinius, den Aufgang auf das Capitol und 
den Weg gu des Prafecten Hauſe fperrte. — 

„Was zunächſt? Sollen wir folgen?“ fragten die 
Römer den Konig. 

„Nein! Halt! 

Alle Thore reißt auf. 

Wagen mit Brot und Fleiſch und Wein ſtehen bereit 
in unſern Lagern. 

Dieſe fahrt in alle Regionen der Stadt. 

Speiſet und tränket drei Tage lang das Volk von Rom. 

Meine Gothen überwachen und verhüten das Unmaß.“ 

„Und der Präfect?“ fragte Herzog Guntharis. 

„Cethegus Cäſarius, ver Ex⸗Präfect von Mom, wird 
dem Gott ver Rade nicht entgehn!“ rief Totila fid 
wendend. 

„Und nicht mir!“ rief der Hirtenknabe. 

„Und nicht mir!" ſprach Leja, und fprengte davon. 


Behntes Capitel. 





Die meiften Regionen von Wom waren vurd die 
Entfdheibung auf dem Forum romanum in die Hand 
ber Gothen gefallen. 

Was Cethegus nod) befewt hielt, war nur der Stadt 
theil auf dem rechten Tiberufer vom Grabmal Hadrians 
im Norden bis yur Porta portuenfis im Silden, bet 
welder ither den Fluß der Riegel oon Maſten und 
dahinter ein zweiter von ftraffgefpannten Setten ge⸗ 
zogen war. 

Auf dent linken Tiberufer hatte ver Präfect nur 
nod) Den fleinen, aber beherrſchenden Abſchnitt weftlid) vom 
Forum romanum inne, deffen Mittelpunkt das Capitol 
bildete: abgegrenst durch Mauern und hohe Schanzen, 
weldje fic) von bem Tiberufer an den Fug des capitos 
linifden Hiigels und um Ddiefen öſtlich her bis an das 
Forum Trajans im Norden erftredten. während fle im 
Rücken, im Weften ves Capitols, zwiſchen dem Cirens 
flaminius und dem Theater deS Marcellus, jenen preis⸗ 
gebend, Ddiefed nod einſchließend, bis an die fabricifde 
Bride und die Tiberinfel reidten. 


455 





Der Reſt des Tages verging den befreiten Römern 
in der Stadt mit jubelnden Felten bei Schmaus und 
Gelag. . 

Auf ven Hauptplagen ver ihm geiffneten Regionen 
ließ der Rinig de achtzig vierfpannigen Wagen voller 
Borraithe auffabren. 

Und um fie ber lagerte fic) auf den Steinen und 
raſch gezimmerten Banfen das bungernde Voll, Gott, 
ven Heiligen und vem ,beften König“ danfend. 

Der Prafect hatte fofort bie Thore, welche won 
jenem gothifd gewordnen Theil ver Stadt durch rie 
Mauern⸗ und Sdangenrethen in fein Rom fiihrten, zu— 
mal die Ruginge vom Forum romanum jum Capitol, 
dann die porta flumentana, carmentalis und ratumena, 
forgfaltig verrammeln laſſen und die geringe, ihm vers 
bltebene Mtannfdaft mit rafdem Feldherrnblid auf die 
widtigften Puncte verthetlt: war es dod) ungefabr der- 
felbe Theil won Rom, den er ſchon früher, unter unr 
gegen Belifar, befegt gehalten - hatte. 

„Salvius Julianus erhalt nod) hundert Sfaurier fiir 
pen Balten-Riegel im Flug! 

Die abasgiſchen Pfeilfdiigen etlen yu Pifo an den 
lug an dem Kettenriegel. 

Marcus Licinius bleibt an der Sdanje beim Forum." 

Aber da meloete Lucius Licinius, ver Reſt ver Lez 
gionare, welder an der CEntfdeioung auf dem Forum 
romanum nidt hatte theilnehmen können, weil er da- 
malg in bem nun abgefperrten Theil der Start auf 
Wache fland, werde ſehr fdrwierig. 


456 


„Ah,“ rief Gethequs, der Dunft ver Braten, wm 
welde ihre BVettern ba unten die römiſche Ehre vers 
fauft haben, fteigt ihnen figelnd in die Naſen. 

Od fomme.” 

Und er ritt auf’s Capitol, wo diefe Legionare, etwa 
fiinfhundert Dtann, in Reih und Glied aufgeftellt, in 
finftrer, drobender Haltung ftanden. 

Langfam, prilfenden Auges ritt Cethegus die Front 
entlang. 

Endlich fprad er: 

„Euch wollte id) den Ruhm zuwenden, die Laren 
und Penaten ves Capitols gegen die Barbaren gu vers 
theidigen. 

Ich hörte gwar: ihr gieht die Rinderkeulen da 
unten vor. 

Aber id) will’s nicht glauben von end. 


Shr werdet den Mann nidt verlaffen, der end 
nad) Sabrhunbderten wieder fampfen und fliegen gee 
lebrt bat. 

Wer's mit Cethegus halt und mit vem Capitol — 
dev bebe das Schwert.“ 

Aber feiner rithrte fid. 

„Der Hunger ift ein ftartrer Gott, als der capitos 
liniſche Jupiter,” fagte ex verächtlich. 

Da trat ein Genturio vor. 

„Es ift nidt ras, PBrafect von Rom. 

Aber wir wollen nicht fedjten gegen unfre Vater 
unt Briider, welde nun auf Geite ver Gothen ſtehen.“ 


457 





„Als Geifeln follte id) euch bebalten für eure Bater 
und Brüder. 

Und ihnen, wenn fie ftiirmen, eure Köpfe entgegen 
werfen. 

Wber ich beforge: es hielte fie nidt auf in ihrer 
Begeifterung, die aus dem Magen kömmt. 

Geht! ihr feid nidt wiirdig, Rom zu retten! 

Auf, Lieinius, mit dem Thor! 

Lak fie bem Capitol den Ritden wenden — und 
ver Ehre!“ 

Und die Legionare zogen ab: bi8 auf etwa hundert 
Mann, die unſchlüſſig ftehen blieben, an ihre Speere 
gelehnt. 

„Nun? was wollt ihr noch hier?“ rief Cethegus, 
dicht an ſie heran reitend. 

„Sterben mit dir, Präfect von Rom!" rief Einer. 

Und die Andern widerholten: 

„Sterben mit dir!“ 

wy danke euch! 

Siehſt du, Licinius, hundert Römer! 

Sind ſie nicht genug, um neu ein Römerreich zu 
gründen? 

Euch geb' id) den Ehrenplatz: ihr ſchirmt vie Schanze, 
bie ich mit Julius Cafars Namen geſchmückt.“ 

Er fprang vom Pferd, warf die Biigel Syphax ju, 
rief feine Tribunen näher an fid) eran und fprad: 

„Nun hört meinen Plan!“ 

„Du haft ſchon deinen Plan? 

wa, wit greifen an! 


488 


Wie ich die Barbaren kenne, ſind wir heute Nacht 
vor jedem Angriff ſicher. 

Sie haben eine Stadt gewonnen zu drei Vierteln. 

Dieſer Sieg muß erſt in hunderttauſend Räuſchen 
gefeiert werden, ehe ſie an das letzte Viertel denken. 

Um Mitternacht wird vas ganze Heer von gold: 
lodigen Helden und Säufern in Subel, Wein und Schlaf 
begraben fein. 

Und die bungrigen Ouiriten da unten werben ihnen 
heute nidt nachſtehen an Völlerei. 

Seht, wie fie ſchmauſen und fpringen, mit Kränzen 
geſchmückt. 

Und nur ein kleiner Theil ver Barbaren erſt iſt in 
die Stadt gerückt. 

Das iſt unſre Siegeshoffnung! 

Um Mitternacht brechen wir aus allen unſern Thoren 
auf ſie nieder — ſie verſehen ſich keines Angriffs ſolcher 
Minderzahl — und ſchlachten ſie im Schlaf.“ 

Dein Plan iſt todeskühn,“ ſprach Lucius Licinius. 

„Doch wenn wir fallen — das Capitol wird unſer 
Leichenſtein.“ 

„Du lernſt von mir," lächelte Cethegus: — ‚die 
Worte, wie die Streiche. 

Mein Plan iſt verzweifelt. 

Aber er iſt der einzig mögliche. 

Jetzt — die Wachen ſind beſtellt? — gehe ich in 
mein Haus und ſchlafe zwei Stunden. 

Niemand wecke mich vorher. 

Nach zwei Stunden weckt mid." 


459 


„Du kannſt jest ſchlafen, Feldherr?“ 

„Ja, id) mug. 

Und id) hoffe: id) ſchlafe gut. 

Ich muß mid, wadend und fdlafend, in mir felbft 
verfammeln — nad dem id das Forum romanum dem 
Varbarentinig gerdumt. 

Das war yu viel! 

Das heiſcht Crholung! 

Syphax, id) frug ſchon geftern: ift fem Wein mehr 
aufgutretben , rechts vom Liber?" 

„Ich forfdte, Herr: 

Nur in den Tempeln eures Gottes. 

Aber er ift, fo fagten eure Hrieſter, bereits geweiht, 
beſtimmt zum Wunder des Altars.“ 

„Das wird ihn nicht verdorben haben. 

Nehmt ihn den Prieſtern fort. 

Vertheilt ihn unter die hundert Römer auf der 
Schanze des Cäſar. 

Es iſt der einzige Dank, der mir zu ſpenden ge⸗ 
blieben.“ 

Und langſam ritt er, gefolgt von Syphax, ſeinem 
Hauſe zu. 

Bor dem Haupteingang hielt er an: auf Syphar 
Ruf erfdien ver Roßwärter Thrax. 

Cethegus fprang ab und klopfte des edeln Rappen 
Bug. | 

Der nadfte Ritt wird fdarf, mein Pluto, ob zum 
Sieg over in die Flucht. 


460 


Gebt ihm vas weife Brod, das fir mid gefpart 
ward." 

Das Pferd ward in die Stale neben dem Haupt⸗ 
gebaude abgefithrt. 

Die Mtarmorraufen waren leer. 

Pluto theilte den weiten Stall nur nod) mit des 
Syphax Braunen. 

Alle andern Roffe des Prafecten waren gefdladhtet 
und von den Söldnern verzehrt. 

Durd das pradtvolle Veftibulum und Atrium ſchritt 
ver Hausherr in die Vibliothel. 

Der alte Oftiariug und Schreibſtlave Fidus, der 
ven Speer nicht mehr tragen fonnte, war der einjige 
Diener im Haufe. 

Wie andern Sflaven und Freigelaffnen lagen anf 
ven Wallen — lebend oder todt. 

„Reiche mir die Molle mit vem Cafar Plutardhs! 

Und den grogen, mit Amethyften befegten Becher — 
freilid) wird’s faum des Zaubers ber Steine beditrfen! 
— voll Waffer aus dem Springbrunnen.“ 

Nod) weilte der Prafect in vem Bücherſal. 

Den Randelaber, mit köſtlichem Nardenöl gefüllt, 
hatte der Alte, wie in den Tagen des Friedens, ents 
zündet. 

Cethegus warf einen langen Blick auf die Büſten, 
Hermen, kleinen Statuen, deren dunkle Schatten das 
Licht ſcharf auf den Eſtrich von koſtbaren Moſaiken legte. 

Da prangten ſie faſt Alle, die Helden Roms in Krieg 


461 


und Frieden, in fleinen Marmorbiiften auf Godeln und 
Fußgeſtellen mit kurzen Undeutungen der Namen. 

Bon den mythifden Rinigen an dard die lange 
Reihe ver Gonfuln und Gafaren bis auf Trajan, Ha: 
brian und Gonftantin. 

Gine befondere dicht gedvangte Gruppe bildeten ie 
eignen Ahnen der ‚Cethegi“. 

Sdon war vas leere Poftament an die Wand ges 
feftigt, welches dereinft fetne Biifte aufmehmen follte. 
vie letzte an dtefer Seite des Gales. 

Denn er war der Lebte feines Stammes. 

Uber gur Linken zeigte fid) noc, zur Fortfesung bes 
ftimmt, ein ganjer Bogengang mit leeren Nifden. 

Nicht Che, aber Adoption follte ves Cethegus Namen 
weiter fithren in glangendere Sabrhunderte. — 

Zu feinem CErftaunen fah ex, an der Reihe der 
Biiften langfam, gedanfenvoll vorüber fdreitend, auf dem 
leeren Godéel, der dereinſt feine Büſte aufnehmen follte, 
ein foldes Bruftbild heute ftehen. 

a8 bedentet das?" fragte er. 

wpebe die Lampe hieher, Alter. 

Welche Biifte fteht an meinem Plas 2" 

woergieb, o Herr! 

Das Poftament des Einen, da oben, von den gan; 
Ulten, muß reparirt werden. 

Sd mufte es abnehmen. 

Und da hob ich die Bitfte, damit fie einftweilen 
nidt gu Schaden fomme, auf diefen leeren Godel." 


Leuchte! 


462 


Nod höher! 

Wer mag e8 fein?" 

Und Gethegus {a8 auf ver Bitfte vie kurzen Worte: 

„Tarquinius Superbus, Tyrann von Rom, ftarb, 
wegen unertraglidber Gewalt von ven Bürgern vertrieben, 
ferne ber Stadt im Gril. 

Bur Warnung fpaterer Gefdledter.” 

Cethegus felbft hatte — in jeiner Sugend — diefe 
Inſchrift verfagt und unter die Büſte ſetzen laffen. 

Rafd hob er nun den Ptarmorfopf berab und ftellte 
thn abfeit nieder. 

„Fort mit dem Omen,” fprad) er. 

Sn ernfter Vertiefung trat er in das Studir⸗Gemach. 

Helm, Schild und Schwert lehnte er an das Lager. 

Der Sflave entgiindete die auf vem Schildplatt⸗Tiſch 
ftehende Lampe, bradjte den Becher und vas verlangte 
Bud) und ging. ° , 

Ceihegus ergriff vie Rolle. — 

Aber er legte fie wieder weg. 

Die Crgwingung der Rube verfagte ihm diesmal 
Dod). | 

Gie war zu unnatiirlid. 

Auf rent r8mifden Forum tranten die Quiriten nit 
pen Barbaren auf vas Heil ves Gothentinigs, auf den 
Untergang des Brafecten von Rom, des princeps Ses 
natus ! 

Sn zwei Stunden wollte er den Verſuch wagen, Rom 
den Germanen 3u entreifen. 

Gr fonnte nidt vie kurze Paufe mit Widerholung 


a 


463 





einer Btographie ausfüllen, welde er halb auswendig 
wufte. 

Gr trank heißdurſtig Waffer aus vem Beder 

Dann warf er ſich auf das Lager. 

War es en Omen?” fragte er ſich. 

„Aber es giebt fein Omen für den, der nidt daran 
glaubt. 

„Ein Wahrzeichen nur gilt: fir vie Erde ver Heimat 
zu kämpfen.“ 

Sagt Homer. 

Freilich, Cethegus kämpft nicht nur für die Erde 
der Heimat. 

Gr kämpft faſt nod) mehr für ſich. 

Aber, hat es nicht dieſer Tag beſchämend gezeigt? 

Rom iſt Cethegus: und Cethegus iſt Rom. 

Nicht jene Namen⸗vergeßnen Römer. 

Rom iſt heute nod viel mehr Cethegus als — das 
mals Rom Gafar gewefen. 

War er nidt aud ein Tyrann im Sinne ver Dhoren 2" 

Und er fprang unrubig wieder auf und trat an die 
Goloffalftatue des großen Whnberrn heran. 

„Göttlicher Julius, fInnte id) beter: — heute witrd’ 
id) beten — beten gu div. 

Gilf, vollende veines Enfels Wert! 

Wie ſchwer, wie blutig, wie hart hab’ id) gerungen 
feit jenem Zage, da mir guerft aus deinem Marmor⸗ 
haupt der Gedanke ver Erneuerung deines Pom ents 
gegen fprang: fertig, in Waffen klirrend, wie Pallas 
Athene aus dem Haupte des Reus! 


458 


Wie id) vie Barbaren fenne, find wir heute Nacht 
por jedem Angriff ficer. 

Gie haben eine Stadt gewonnen ju dret Vierteln. 

Diefer Sieg muß erft in Hunderttaufend Räuſchen 
gefeiert werden, ebe fie an das legte Biertel denken. 

Um Mitternacht wird vas ganze Heer von gold: 
fodigen Helden und Säufern in Subel, Wem und Schlaf 
begraben fein. 

Und die bungrigen Ouiriten da unten werben ihnen 
heute nidt nachſtehen an Völlerei. 

Seht, wie fie ſchmauſen und fpringen, mit Kränzen 
geſchmückt. 

Und nur ein kleiner Theil der Barbaren erſt iſt in 
die Stadt gerückt. 

Das iſt unſre Siegeshoffnung! 

Um Mitternacht brechen wir aus allen unſern Thoren 
auf ſie nieder — ſie verſehen ſich keines Angriffs ſolcher 
Minderzahl — und ſchlachten ſie im Schlaf.“ 

„Dein Plan iſt todeskühn,“ ſprach Lucius Licinius. 

„Doch wenn wir fallen — das Capitol wird unſer 
Leichenſtein.“ 

„Du lernſt von mir," lächelte Cethegus: — die 
Worte, wie die Streiche. 

Mein Plan iſt verzweifelt. 

Aber er iſt der einzig mögliche. 

Jetzt — die Wachen ſind beſtellt? — gehe ich in 
mein Haus und ſchlafe zwei Stunden. 

Niemand wecke mich vorher. 

Nach zwei Stunden weckt mich.“ 


459 


edu fannft jest ſchlafen, Feldherr?“ 

a, id) mug. 

Und ich hoffe: id) ſchlafe gut. 

Ich muß mid, wachend und fdlafend, in mir felbft 
verfammeln — nad) dem id) das Forum romanum vem 
Sarbarentinig geraumt. 

Das war zu viel! 

Das heiſcht Crholung! 

Syphar, id) frug ſchon geftern: ift fem Wein mehr 
aufzutreiben, rechts vom Liber 2“ 

„Ich forfdte, Serr: 

Nur in den Tempeln eures Gottes. 

Uber er ift, fo fagten eure Hrieſter, bereits geweiht, 
beſtimmt zum Wunder des Altars.“ 

„Das wird ihn nicht verdorben haben. 

Nehmt ihn den Prieſtern fort. 

Vertheilt ihn unter die hundert Romer auf der 
Schanze des Cafar. 

Es ift ver eingige Danf, der mir gu fpenden ges 
blieben .“ 

Und langfam ritt er, gefolgt von Syphax, fetnem 
Haufe gu. | 

Vor vem Haupteingang hielt er an: auf Syphay 
Ruf erfdien ver Rokwarter Thrax. 

Sethegus fprang ab und klopfte des edeln Rappen 
Bug. 

Der nächſte Ritt wird fdarf, mein Pluto, ob gum 
Gieg oder in die Flucht. 


460 


Gebt ihm das weiße Brod, das fiir mich gefpart 
yard.” 

Das Pferd ward in die Stille neben dem Haupt: 
gebaude abgefithrt. 

Die Dtarmorraufen waren leer. 

Pluto theilte den weiten Stall nur nod mit des 
Syphax Braunen. 

Ale andern Roſſe ves Prafecten waren geſchlachtet 
und von den Söldnern verzehrt. 

Durd das pradtvolle Veftibulum und Atrium ſchritt 
ver Hausherr in vie Bibliothek. 

Der alte Oftiariug und Schreibſtlave Fidus, der 
ven Speer nicht mehr tragen fonnte, war der einjige 
Diener im Haufe. 

We andern Sflaven und Freigelaffuen lagen auf 
ven Wallen — lebend oder todt. 

„Reiche mir die Rolle mit vem Cäſar Plutardhs! 

Und den grogen, mit Amethyften befesten Becher — 
freilich wird's faum des Zaubers der Steine beditrfen! 
— voll Waffer ans dem Springbrunnen.“ 

Nod weilte der Prafect in vem Bücherſal. 

Den Kandelaber, mit köſtlichem Nardendl gefüllt, 
hatte der Wlte, wie in den Tagen des Friedens, ents 
zündet. | 

Cethegus warf einen langen Blick auf die Bilften, 
Hermen, einen Statuen, deren dune Schatten dads 
Lit ſcharf anf den Eftrid) von foftbaren Moſaiken legte. 

Da prangten fie faft Alle, vie Helden Roms in Krieg 


461 


und Frieden, in fleinen Marmorbiiften auf Godeln und 
Fußgeſtellen mit kurzen Andeutungen der Namen. 

Bon den mythiſchen Rinigen an dard die lange 
Reihe der Confuln und Cäſaren bis auf Trajan, Ha: 
brian und Gonftantin. 

Gine befondere dicht gedrängte Gruppe bildeten die 
eignen Ahnen der ,,Cethegi’. 

Schon war vas leere Poftament an die Wand ge- 
feftigt, welches dereinft fetne Büſte aufmehmen follte. 
vie letzte an dieſer Seite bes Gales. 

Denn er war der Lewte feines Stammes. 

Uber gur Linken zeigte fic) nod, zur Fortfesung bes 
ftimmt, ein ganzer Bogengang mit leeren Niſchen. 

Nicht Che, aber Adoption follte des Gethegus Namen 
weiter führen in glangendere Jahrhunderte. — 

Zu femem Crftaunen fah ex, an dev Reihe ver 
Biiften langfam, gedanfenvoll vorüber ſchreitend, auf dem 
leeren Godel, ver dereinft feine Büſte aufnehmen follte, 
ein ſolches Bruſtbild heute ftehen. 

tas bebdentet das?" fragte er. 

wpebe die Lampe bieher, Alter. 

Welche Biifte fteht an meinem Blah 2" 

Vergieb, o Herr! 

Das Poftament des Einen, da oben, von den ganz 
Ulten, muß reparirt werden. 

Ich mute es abnebmen. 

Und va bob id) die Bitfte, damit fie einftweilen 
night zu Schaden fomme, auf diefen leeren Godel.” 


Leuchte! 


462 


Nod haber! 

Wer mag eB ſein?“ 

Und Cethegus las anf der Bilfte vie kurzen Worte: 

„Tarquinius Superbus, Tyrann von Rom, ftarb, 
wegen unertraglider Gewalt von den Bürgern vertrieben, 
ferne der Stadt im Gril. 

Bur BWarnung fpiterer Gefdledter." 

Gethegus felbft hatte — in feiner Jugend — bdiefe 
Inſchrift verfaßt und unter die Büſte fegen flaffen. 

Rafd hob er nun den Marmorfopf herab und ftellte 
thn abfeit nteder. 

„Fort mit Dem Omen," fprad er. 

In ernfter Vertiefung trat er in das Studir-Gemad. 

Helm, Schild und Schwert lehnte er an das Lager. 

Der Slave entziindete die anf vem Schildplatt⸗Tiſch 
ftehende Lampe, bradjte den Becher und vas verlangte 
Bud und ging. ° , 

Ceihegus ergriff die Rolle. — 

Aber er legte fie wieder weg. 

Die Erywingung ver Rube verfagte ihm diesmal 
pod). 

Gie war zu unnatiirlid. 

Auf Dem römiſchen Forum tranfen die Quiriten mit 
pen Barbaren auf das Heil des Gothentinigs, anf den 
Untergang ves Prafecten von Rom, des princeps See 
natus ! 

In zwei Stunden wollte er den Verfud) wagen, Rom 
den Germanen zu entreifen. 

Gr fonnte nicht vie kurze Panfe mit Widerholung 


a 


463 


einer Biographie ausfüllen, welde er halb auswendig 
wußte. 

Er trank heißdurſtig Waſſer aus dem Becher 

Dann warf er ſich auf das Lager. 

„War es ein Omen?“ fragte er ſich. 

„Aber es giebt kein Omen für den, der nicht daran 
glaubt. 

„Ein Wahrzeichen nur gilt: für die Erde der Heimat 
zu kämpfen.“ 

Sagt Homer. 

Freilich, Cethegus kämpft nicht nur für die Erde 
der Heimat. 

Gr kämpft faſt nod) mehr für fid. - 

Aber, hat es nicht dieſer Tag beſchämend gezeigt? 

Rom iſt Cethegus: und Cethegus iſt Rom. 

Nicht jene Namen⸗vergeßnen Römer. 

Rom iſt heute noch viel mehr Cethegus als — da⸗ 
mals Rom Cäſar geweſen. 

War er nicht aud ein Tyrann im Sinne der Thoren?“ 

Und er fprang unrubig wieder auf und trat an die 
Coloffalftatue des großen Whnberrn eran. 

„Göttlicher Julius, finnte id) beten: — heute würd' 
id) beten — beten ju dir. 

Gilf, vollende deines Enkels Werk! 

Wie ſchwer, wie blutig, wie hart hab’ ich gerungen 
feit jenem Lage, da mir guerft aus deinem Marmor⸗ 
haupt ver Gedante der ~Erneuerung deines Pom ents 
gegen fprang: fertig, in Waffen flirrend, wie Pallas 
Athene aus dem Haupte des Bens! 


464 


Wie hab’ ich gefampft mit vem Schwert und rem 
mehr ermüdenden Gedanten Tag und Nacht! 

Und mar id fiebenmal gu Boden gerungen von ver 
Uebermadt zweier Völker, hab’ id) mich fiebenmal wieder 
empor gerafft: unbezwungen und unverjagt! 

Vor einem Bahr fdien mir das Biel fo nabe. 

Und jest, bente Nacht, mug id um die lebten 
Häuſer Roms, um mein Haus, um mein Leben timpfen 
mit dieſem Rnaben im blonden Haar. 

Wir’ es venfbar ? 

Sollt’ th erliegen müſſen? 

Nad fo viel Arbeit? 

Nad ſolchen Chaten 2 

Vor dem OGliidftern eines Jünglings? 

Soll es denn wirklich unmöglich fein, and) fiir deinen 
Enkel unerzwingbar, dak ein Mann fein Bolt erfege, 
bis er e8 ernenen, bid es ſich felbft erneuen fann? 

Daß ein Mtann der Barbarene und der Grieden- Welt 
objiege ? . : 

Soll nicht Cethegus das Rad der Dinge erft halten 
und dann rückwärts roflen können? 

Muß ich erliegen, weil id allein ftehe, ein Feldherr 
ohne Heer, ein Mann ohne Voll an feiner Schulter? 

Gol id) weiden müſſen aus deinem, aus meinem 
Rom ? 

Ich kann e8, id) will es nidt denken! 

Hat nicht aud) dein Stern fic) verdunfelt fur; vor 
Pharſalus? 


465 


Und ſchwammſt du nidt blutend, das Leben gn 
retten, unter bundert Pfeilen ber den Mil? 

Und dod) baft du's vollbradt. 

Und jogft tm Triumphe wieder ein in deinem Rom. 

Nicht ſchlimmer wird es mir, deinem Enkel, ergebn! 

Mein, ic) merde mein Pom nidt verlieren. 

Nicht mein Haus, nit dies dein göttergleiches Bild, 
pas mir oft, mie den Cbriften ihres Kreuzes Anblid, 
Xroft uud Hoffnung gefpendet. | 

Und bem gum Wabhrzeidhen — bletbe dir anver- 
traut, mas unter deinem Schild am Sicherſten geborgen: 
— wo auf Erden ware Sicherheit, wenn nicht bet div? 

Gs war eine Stunde der Verzagtheit, ba ich diefe 
Geheimniſſe und manden Schatz Syphax gum Vergraben 
in Der Erde anvertrauen wollte. 

Geht Rom, vies Haus, dies Heiligthum mir ver- 
loren, — mögen and dtefe Aufzeichnungen verloren fein. 

Und dann — wer wird die-Chiffrenfdrift entgiffern 2 

Nein, wie bie Briefe, vas Tagebud, follft pu mir 
aud diefe Schätze wahren.“ 

Und ex zog ein ziemlich grofes Lederfadden, das er 
unter dem Banger und der Tunica auf ver Brut gee 
tragen, bervor. 

Roftbarfte Perlen und edelfte Coelfteine hatte er darin 
verborgen. 

Dann rührte er an die Feder an den linken Rippen 
ver Statue, unterhalh ves Schildrandes. 

Und er holte aus der ſchmalen Oeffnung, die fid 
aufthat, ein längliches Käſtchen von Elfenbein mit 

Dabn, Gin Kampf um Rom. IIL 30 


466 





funftooll geſchnitzten Geftalten und mit goldenem Ber: 
ſchluß, welches allerlei Aufzeichnungen in Heinen Papyros⸗ 
rollen enthielt. 

Er legte das Säckchen in dies Käſtchen. 

„Hier, großer Ahnherr: wahre mir Geheimniſſe und 
Schätze. 

Bei wem ſollten fie ſicher ſein, wenn nicht bet dir? — 

Damit ſchloß er wieder die Klappe, welche nun nicht 
durch die ſchmalſte Fuge eine Oeffnung verrieth. — 

„Unter deinem Schild! 

An deinem Herzen! 

Bum Pfande, daß id) dir vertraue und meinem 
cäſariſchen Olid. — 

Daß ich nicht von dir, von Rom abzudrängen bin. — 

Wenigſtens nicht auf die Dauer! 

Müßte ich ſelbſt weichen, — ich kehre wieder. 

Und wer ſucht meine Schätze und meine Gebeint- 
niffe bet bem todten Cäſar! 

Hüte fie mir.” 

Wire das Waſſer in dem Amethyftenteldh ſchwerſter 
Wein gewefen, ver Trunk hatte nicht berauſchender ers 
regen können als dieſes ringende Gefpradh- halb Selbſt⸗ 
geſpräch, halb Zwiegeſpräch mit der wie ein Dämon 
verehrten Statue. 

Die übermenſchliche Anſpannung aller Kräfte des 
Geiſtes und des Leibes in den letzten Woden: das flegs 
lofe Ringen des heutigen Tages auf dem Forum: der 
fofort nach dem Grliegen neu gefafte, faft vergweifelte 
Plan: die Spannung, mit der defjen Ausfithrung herbei⸗ 


467 


geſehnt wurde, hatte in dems eiſernen Mann die Er— 
regung und zugleich die mühſam bekämpfte Erſchöpfung 
auf's Aeußerſte geſteigert. 

Er dachte, ſprach und handelte wie im Fieber. 

Ermüdet warf er ſich auf's Lager gu Füßen der 
Statue. 

Und faft im Augenblid befiel ihn Schlaf. 

Aber e8 war nidt der Schlaf, wie er ihn nach jeder 
Schuldthat, vor jeder drohenden Gefahr bisher gefunden: 
bie Frucht feiner gewaltigen, allen Crregungen über—⸗ 
legenen Natur. ) 

Unrubig war dieſer Schlaf. 

Qualvoll vurd wedfelnde Träume, welche, haftig wie 
vie Gedantenfludt des Fieberfranfen, emanbder jagten. — 

Endlich fam State m die Gefidte ves Traumenden. 

Gr fah vie Gajarftatue, yu deren Füßen er lag, 
wadfen und wadfer. 

Immer höher ragte das majeſtätiſche Haupt. 

Son hatte fie das Dad des Hauſes durchdrungen. 

Das Haupt mit vem Lorberkranz verſchwand jenfeit 
des Nachtgewölks hod in den Sternen. 

„Nimm mid) mit dir!" bat Cethegus. 

Aber der Halbgott erwiderte: „Ich ſehe dic) faum 
aus meiner Höhe. 

Du bift gu fein! 

Du fannft mir nicht nadfolgen.” 

Da ſchien vem Traumenden plötzlich krachend ein 
Donnerſtreich das Dad feines Haufes zu treffen. 

Und in fdmetternden Schlägen ficlen die Balfen 

30* 


468 





fiber ihm gufammen, unter den Trümmern dieſes Ge: 
maces ibn begrabend. 
Wud) vie Cafarftatue fchien zerfdlagen gn ſtürzen — 
Nod) immer hallten die Schläge — 
Auf fprang Gethegus und fah um fid. 


Glftes Capitel. 





Mod hallten die dröhnenden Schläge. 

Sie waren wirklich — nidt geträumt! 

Aber fie ſchmetterten gegen die Thüre feines Hauſes. 

Cethegus ergriff Helm und Schwert. 

Da flogen Syphar und Lucius Licinius in vas 
Gemad. 

auf, Feldherr!“ 

uf, Cethegus!“ 

„Es können nod nicht zwei Stunven fein. 

In zwei Stunden erft wollt’ ich angreifen —* 

„Ja, aber die Gothen! 

Sie famen uns zuvor! 

Sie ſtürmen!“ 

woerderben itber fie! 

Wo ftiirmen fie 2" 

Und fdon war Gethegus an der Hausthitre. 

„Wo ſtürmt der König?“ 

wan der Hafenftadt. 

Am Strom: Riegel. 

Er hat Brander den Flug hinanfgefdidt. 


470 





Dromonen mit brennenden Chiirmen auf Ded, voll 


Harz, Ped) und Schwefel. 


Der erfte Riegel, ver Balkenriegel, und alle Sdifje 


Dabinter ftehn in Flammen! 


Dt 


fa) 


Salvius Julianus ift vermundet und gefangen. 
Da, fieh die Lobe fteigen tm Südoſt.“ 

„Der Rettenriegel — Halt er noch 2" 

Nod halt er! 

„Aber wenn er reißt?“ — 

„Bin id, wie einmal ſchon, der Riegel Roms! 
Vorwärts!“ 

Syphar führte den ſchnaubenden Rappen vor. 
Cethegus ſchwang ſich hinauf. 

„Da rechts hinab! 

Wo iſt dein Bruder Marcus?“ 

win der Schanze beim Forum.” 

Da ftiefen fie auf Siloner, Bfaurier und Abasgen, 
von der Hafenftadt her flüchteten. 

„Flieht!“ riefen diefe. 

„Rettet den Präfecten!“ 

„Wo iſt Cethegus?“ 

„Hier, — um euch zu retten! 

Wendet euch! 

Zum Fluß!“ 

Er ſprengte voran: der Flammenſchein der brennen⸗ 


den Balken und Schiffe bezeichnete das Ziel. 


Am Ufer des Fluſſes angelangt, ſprang er vom 


Pferd. 


471 





Syphar barg es forgfaltig in einer leeren Waren- 
halle. . 
„Fackeln ber! : 
In vie Bote! 
Dort liegt ein Dugend Heiner Nachen! 
Längſt bereitet fiir ſolche Gefahr. 
Alle Pfeilſchützen hinein! 
Mir nach! 
Licinius, du in's zweite Bot. 
Rudert bis an die Kette! 
Legt euch hart oberhalb an die Kette. 
Wer der Kette, den Fluß herauf, nahe kommt, — 
ein Hagel von Pfeilen über ihn. - 
Sie können ſeitwärts nicht landen unterhalb der 
Rette. | 
Die thurmbohen Wallmauern geben links und rechts 
ſenkrecht in ven Flug. 
Sie müſſen hierher, an die Rette!“ 
Schon atten fid) eingelne kleine Kähne ver Gothen 
su nahen verfudt. 
Aber die einen wurden vom Feuer ded Balkenriegels 
und der Bote ergrifjen. 
Andere ſchlugen in vem Gedring, in ver Duntel- 
heit, um. 
ines, das bis anf halbe Pfeilſchußweite dem furdtbar 
befegten Rettenriegel genaht war — trieb wieder fteuer: 
los ſtromabwärts: alle Lente der Bemannung warer 
ven Pfeilen erlegen ber Wbasgen. 
„Seht ihr! 


472 





Da ſchwimmt ein Schiff ver Todten! 

Harret aus! 

Nichts ift verloren! 

Aber ſchafft Fadeln, Brande herbet. 

Entzündet dort die Schiffswerft. 

Feuer gegen Feuer!“ 

„Sieh dorthin, Herr! warnte Syphax, ver nidt 
pon feiner Ferſe wid. 

Oa, Da ſchwimmt die Entſcheidung heran.“ 

Es war ein pradtooller Anblid. 

Die Gothen Hatten erfannt, daß durch Meine Nachen 
die Riegeltette nicht gu überſchreiten war. 


Da atten fie von der brennenden Ballenfette mit — 


Beilhieben fo viel hinweg gehauen, bak in der Mitte 
ves Fluſſes fnapp genitgender Raum fret wurde, zwiſchen 
ven brennenden Balten-Enden ein großes, ein Kriegs⸗ 
ſchiff hindurch zu ftenern. 

Aber mit der Kraft der Ruder allein durch die nahen 
Flammen langſam ſtromaufwärts dringen, dem Pfeil⸗ 
regen der Abasgen ausgeſetzt, — das konnte für das große 
Schiff nod) ſchlimmer als für den „Nachen der Todten“ 
enden. 

Zaudernd hielten vie Gothen unterhalb ver brennen- 
ven Balfen. 

Da plötzlich erhob fid) ein ftarfer Südwind, die 
Wellen ves Fluffes aufwarts fraufelnn. 

„Spürt thr den Hauch? 

Das ift ves Siegesgottes Athent. 

Dre Segel gehißt! 


473 





Run folgt mir, meine Gothen,” fo rief eine froh⸗ 
lodende Stimme. 

Die Segel flogen empor und fpannten weit die 
Gliigel des gewaltigen Königsſchiffes der Gothen, des 
wilden Schwans“. 

Und ein prachtvoller Anblick war es nun, als das 
mãchtige Fahrzeug, mit aller Leinwand fliegend und von 
hundert Ruderern geſchoben, den Strom herauf kam, 
von beiden Seiten ſchauerlich beleuchtet durch die brennen⸗ 
den Balken und Bote der Römer. 

Mit ungeſtümer, verderbendrohender Eile trieb das 
Schiff ſtromaufwärts. 

Zu beiden Seiten des Oberdecks, hoch über dem ge⸗ 
ſchloſſnen Unterdeck der Ruderknechte, knieten, dicht geſchart, 
gothiſche Krieger, die Schilde dicht aneinander gedrängt: 
eine eherne Schirmwand wider die Pfeile. 

An dem Schiffſchnabel vorn erhob ſich ein rieſiger 
Schwan mit hochgewölbten Schwingen. 

Zwiſchen dieſen Schwingen aber, auf des Schwanes 
Rücken, ſtand König Totila, pas Schwert in ver Rechten. 

Vorwärts!“ befabl er. 

„Zieht, thy Ruderer! 

Mit aller Kraft! 

Haltet ench bereit, ihr Gothen.” 

Cethegus erfannte die jugendliche hohe Geftalt. 

Gr erfannte fdon aud) vie Stimme. 

„Laßt das Schiff nur eran. 

Gang nabe. 

Auf zwanzig Schritt. 


474 





Dann erft fdtekt. 
Noch nicht. 

Jetzt. 

Jetzt! Pfeile los!“ 

„Deckt euch, ihr Gothen!“ 

Ein Hagel von Pfeilen ſchlug gegen das Schiff. 

Aber an der Schildburg prallten ſie machtlos ab. 

‚Verflucht!“ rief Piſo hinter dem Präfecten. 

„Sie wollen die Kette ſprengen durch des Schiffes 
Stoß. 

Und ſie werden es ſicher, fielen auch alle Mann 
auf Led. 

Die Ruderer find ja unerreidbar. 

Und unverwundbar ift dtefer Südwind.“ 

„Feuer in die Gegel! 

Feuer auf das Schiff! 

Branve herbei!“ befahl Cethegus. 

Smmer naber raufdte ver drohende Schwan. 

Immer näher drohte der verderblide Prall gegen die 
ſtraff gefpannte Rette. 

Schon erreidjten nun die gefdleuderten Brande das 
Schiff. 

Giner flog in das Segel ves Fockmaſtes: es brannte 
rafd) auf: dann erlofd es. 

Cin zweiter — Cethegus hatte ihn felbft geſchleudert | 
— ftreifte des Gothenfinigs langes flatterndes Goldhaar. 

Neben ihm fiel der Brand nieder. 

Gr hatte es nicht bemerft. 





478 





Da ſprang ein Knabe hinzu, der, ſtatt aller Schutz⸗ 
und Trutzwaffen, nur einen derben Hirtenſtecken führte. 

Mit ven Füßen trat er den Brand aus. 

Die andern Brande prallten von ven Schilden in’s 
Waffer und verlofden. 

Nur acht Schritte nod war ver Vorderſtachel rer 
Galeere von der Rette entfernt. 

Die Ramer bebten wor dem Anprall. 

Da trat Gethegus gang vor, an die Spite feines 
Bots, einen ſchweren Wurffpeer erhebend und ſorgfältig 
zielend. 

„Gebt acht,“ ſagte er. 

„Sowie der König der Barbaren ſtürzt — raſch 
neue Brande.“ 

Mie hatte der waffentundige Mann beffer gesielt. 

Run nod einmal ven Speer zurück ziehend ſchleuderte 
ex ihn mit der ganjen Rraft feines Haffed und ſeines 
Arms. 

Athemlos harrte feine Umgebung. 

Aber der König ſtürzte nicht. 

Gr hatte den Rielenden ſcharf erfannt. 

Gleichwohl warf ex ven langen, fdmalen Schild 
nieder. 

Er ſah der Spitze des Speeres entgegen mit zurück— 
gehaltner ſchildloſer Linken. 

Sauſend kam der Speer geflogen, gerade in der 
Höhe, wo aus dem Panzer der nackte Hals ſich hob. 

Hart am Leibe erſt fing ihn der König mit der 
linken Hand und: — — warf ihn ſofort auf den Werfer 


476 





suritd: ev traf den Prafecten m den linfen Arm, ober⸗ 
halb ved Schildes: Cethegus fiel in’8 nie. 

Sm gleiden Augenblid traf der StoR ves Schiffes 
vie ftraffe Mette. 

Sie barft. 

Die Rimerbote, die an derfelben gerubt, ſchlugen um, 
aud) das bes Cethegus, oder ˖ſchoſſen meiſterlos den Flug 
herab. 
„Sieg!“ jauchzte Totila. 

„Ergebt euch mir, ihr Söldner.“ 

Cethegus erreichte ſchwimmend, blutend, das linlke 
Tiberufer. 

Er ſah wie das Gothenſchiff zwei kleine Bote herab 
ließ, in deren Eines der König ſprang. 

Er ſah, wie eine ganze Flotille leichter gothiſcher 
Fahrzeuge, unter dem Schutz der Königsgaleere herauf ge⸗ 
fegelt, nun ebenfalls vie Reihe der Bote ſeiner Pfeilſchützen 
durchbrach und auf beiden Ufern Mannſchaften landete. 

Gr fah, wie feine AWbhasgen, fitr den Nahekampf 
weber geritftet nod) geftimmt, in Scharen ſich einzelnen 
ſchwertſchwingenden Gothen ergaben. 

Sr fah, wie von dem Königsſchiff aus nun ein 
Pfeilregen vie Vertherdiger des linfen Ufers traf. 

Gr fab, mie das kleine Bot des Königs fid vem 
Ufer näherte, wo er, waffertriefend, ftand. 

Gr hatte ren Helm im Wafjer verloren, den Schild 
fallen laſſen, um rafder das Land gu geminnen. 

Mit vem Schwert wollte er fic) dem eben landenden 
König entgegen werfen. 





477 





Da fireifte ein Gothenpfeil feinen Hals. 

»Setroffen, Haduſwinth,“ jauchzte ein junger Schütze, 
woeffer al8 vamals am Dtarmorgrab." 

„Brav, Gunthamund.“ 

Cethegus wantte. 

Syphar fing ihn auf. | 

Gleichzeitig legte fic eine Hand auf feine Sehulter. 

Gr erfannte Mavens Licinius. 

du bier! 

Wo find deine Krieger? 

Todt,“ fagte Marcus. 

„Die hundert Römer fielen auf ver Schanze. 

Teja, ver ſchreckliche Teja, hat fie geſtürmt. 

Die Halfte deiner Dfaurier fiel auf vem Wege nad) 
_ dem Capitol. | 

Der Reft halt nod vie Pforte des Capitols und 
die Halb⸗Schanze vor deinem Hauſe. 

Ich fann nidt mebr. 

Teja’ Beil orang durd) meinen Schild in die 
Tippen. 

Leh wohl, o großer Cethegus! 

Rette das Capitol. 

Aber: fiehe hin. 

Teja ift raſch.“ 7 

Und Marcus fant gu Boden. 

Flammen fdlugen hod) in die Nacht vom capitolint- 
fen Berg. 

„Hier am Glug tft nichts mebr gu retten,” ſprach 
ver Prafect mühſam. 


__478 





Denn fein Blutverluft war grok und ſchwächte iba 
raſch. 

Sh rette das Capitol! 

Dir, Pifo, befehl' ih den Barbaren⸗Konig. 

Du haſt ſchon einen Gothenfinig auf der Sehwelle 
Rom's getroffer. . 

Triff einen Bmeiten! Und triff ihn tödtlich! 

Du, rade deinen Bruder, Lucius. 

Folge mix nicht.“ 

Cethegus warf noch einen grimmigen Blick auf den 
König, um deſſen Füße fic) flehend die Abasgen drängten. 

Tief ſeufzte er auf. 

„Du wankeſt, o Herr?“ frug Syphar ſchmerzlich. 

„Rom wankt!“ anwortete Cethegus. 

„Auf's Capitol!" 

Lucius Licinius drückte ſeinem ſterbenden Bruder 
noch einmal die Hand. 

a folge ihm dod,” fagte er dann. . 

Gr ift wund.” 

Während Cethegus, Syphax und Lucius Gicinius i in 
Nacht verſchwanden, duckte fid) Pifo hinter die Säule 
einer Bafilifa, an welder hart vorbet ver Weg den 
Fluß aufwarts fithrte. | 

Inzwiſchen hatte ber König die. fidy thm ergebenden 
Abasgen ſeinen Gefolgen überwieſen. 

Er machte einige Schritte ſtromaufwärts und wies 
mit dem Schwert nach den Flammen, die vom Capitol 
aufſtiegen. 


479 | 





Dann. wandte er fig, das Antlig vem Flug und 
ben fangfamer landenden Gothen zu gefebrt. 

Vorwärts,“ mahnte er. „Eilt. 

Es gilt löſchen da oben. 

Der Kampf iſt aus. 

Nun, ihr Gothen, ſchirmt, erhaltet Rom. 

Denn es iſt euer.“ 

Dieſen Augenblick erſah Piſo. 

„Helfer Apollo,“ dachte er, „traf je mein Jambus, 
jetzt lag mein Schwert treffen.“ 

Und hinter der Säule hervor ſprang er mit ge— 
zücktem Schwert auf den König, der ihm den Rücken 
zuwandte. 

Uber wenige Zoll vor des Königs Leib ließ er, laut 
aufſchreiend, die Klinge fallen. 

Ein derber Stockhieb hatte ſeine Hand gelähmt. 

Gleich darauf ſprang ein junger Hirt an ihm empor 
und riß ihn nieder. 

Der Sieger kniete ihm auf die Bruſt. 

„Gieb dich, römiſcher Wolf!“ rief eine helle Knaben⸗ 
ſtimme. 
„Ei Piſo, ver Jambenpoet . . 

Gr iſt dein Gefangner, Knabe,“ ſprach der König, 
der nun herzugetreten war. 

„Und ſoll ſich löſen mit ſchwerem Gold. 

Wer aber biſt du. junger Hirt, mein Zügelführer?“ 

dein Lebensretter ift er, o Herr," fiel rer alte 
Haduſwinth ein. 

‚„Wir faben den Romer auf dich ſtürzen. 


480 


Aber wir waren gu welt guriid, dir gu rufen oder 
zu elfen. 

Dem Knaben danken wir dein Leben.“ 
© , Wie heißt du, junger Held 2 

Adalgoth.“ 

„Was ſuchſt du bier?” 

„Cethegus den Neiding, den Präfecten von Rom! 

Wo iſt er, Herr König? 

Das fage du mir. 

Hieber, auf das Schiff, ward id) gewiefen. 

Hier, birt’ ich, werd’ er deinem Anfturm webren.” 

„Er war bier. 

Gr ift entfloben. 

Wohl in fein Haus.“ 

»LWilft du mit dieſem Steden den Höllenkönig be- 
zwingen?“ frug Hadufminth. 

ein,” rief Avalgoth, ,nun hab’ id ja etn Schwert.“ 

Und er hob vom Boden feines Gefangnen Waffe, 
ſchwang fie empor und war in Nacht verfdwunden. 

Lotila übergab Pifo ven Gothen, die nun in didten 
Scharen auf beiden Seiten des Fluſſes gelandet waren. 

„Eilt,“ widerholte er. 

„Rettet Das Capitol, bas die Römer verbrennen." 


Bwilftes Capitel. 





Inzwiſchen hatte der Präfect vas Flußufer verlaffer 
und den Weg nad vent Capitol eingefdylagen. 

Durd vie Porta trigemina gelangte er nad) dem 
Forum boarium. 

An dem Sanustempel traf er auf ein Volksgedränge, 
pas ibn eine Weile aufhielt. 

Trog fetner Verwundung war er fo geeilt, dak thm 
Licinins und Syphax kaum gu folgen vermochten. 

Piderholt hatten fie ihn aus den Augen verloren. 

Erſt jest bolten fie thn ein. 

Sr wollte nun durd die Porta carmentalts eilen und 
fo die Rückſeite des Capitols gewinnen. 

Aber er fand e8 fdon dicht von Gothen befet. 

Darunter war Wachis. 

Der erfanute thn von fern. 

„Rache fiir Rauthgundis!" vief er 

Cin fdwerer Stein traf ves Präfecten helmlejes 
Haupt. - 

Er wandte fid) und flob. 

Dabhn, Gin Kampf um Rom. IT. 


482 


Nun erinnerte er fid einer Manerjentung nordöſtlich 
pon jenem Thor. 

Dort wollte er verfuden, fiber den Wall zu fteigen. 

Wis er fic aber dem Mauerrand nährte, ſchlugen 
abermals die Flammen auf vem Capitole hod empor. 

Drei Manner fprangen thm gegeniiber über Ddie 
Manerfentung. 

Es waren Sfaurier. 

Gie erfannten ihn. 

„Flieh', o Herr! 

Das ganze Capitol ift verloren! 

Der ſchwarze Gothentenfel !“ 

„Hat er, — hat Leja den Brand geftiftet?” 

„Nein: wir felbft zündeten eine Holzſchanze an, Darin 
fid) vie Barbaren feftgefest. 

Die Gothen löſchen.“ 

„Die Barbaren retten mein Capitol.” 

Bittern Schmerzes voll ſtützte ſich Cethegus auf den 
Speer, den ein Soldner dem Wankenden reidte. 

„Nun mug id) nod in mein Haus." 

Und er wandte fid nad Rechts, anf vem nadften 
Weg ven Haupteingang feines Hanfes zu erreichen. 

„O Herr, vas ift gefährlich!“ warnte einer der 
Söldner. 

„Bald werden die Gothen auch dort ſein. 

Ich hörte, wie der ſchwarze Gothenfürſt immer nach 
dir rief und fragte. 
Er ſuchte dich überall auf dem Capitol. 

Bald wird er dich in deinem Hauſe fuchen.“ 


483 


„Ich muß nod einmal in mein Haus!" 

Aber faum hatte er ein par Schritte vorwärts ges 
madt, als eine Scar Gothen, mit Römern gemifd, 
mit Fackeln und Brinden, von der Stadt her, ihm ges 
rade entgegen fam. 

Die Vorder(ten, e8 waren Römer, erfannten ihn. 
der Brafect !" 

„Der BVerderber Roms !“ 

„Er hat das Capitol angiinden laſſen!“ 

„Nieder mit thm!“ 

Pfeile, Steine, Speere flogen ihm entgegen. 

Gin Söldner fiel, zwei entflohn. 

Cethegus traf ein Pfeil: er drang ihm nuv leidt in 
linke Schulter. 

Er riß ihn heraus. 

„Ein Römerpfeil! mit meinem Stempel,“ lachte er auf. 
Mit Mühe entkam er in's Dunkel der nächſten 
ſchmalen Gaſſe. 

Vor ſeinem Hauſe lärmte nun der Haufe, vergeblich 
bemũht, die mächtige Hauptthüre zu ſprengen. 

Ihre Schwerter und Speere reichten dazu nicht aus. 

Cethegus vernahm es wohl und die Rufe des Zorns 
über das vergebliche Mühen. 

„Die Thür iſt feſt!“ ſagte er ſich. 

„Bevor fie eindringen, bin ich lange wieder ans dem 
Hauſe.“ 

Durch die enge Seitengaſſe gelangte er an den 
Hintereingang ſeines Hauſes, drückte an eine geheime 

31* 


di 


ra) 


484 





Feder, trat in den Hof, und eilte, die Thüre offen laffend, 
in das Gebiude. - | 

„Horch!“ da donnerte von dem Hauptthore her em 
ganz andres, ein gewaltigeres Schlagen al8 bisher. 

„Eine Streitart!" fagte Cethegus. 

„Das ift Teja.” ; 

Gethegus eilte an eine fdmale Mauerliide, welde 
pon dem Eckgemach auf vie Hauptitrage einen Blick ges 
wabrte. 

G8 war Leja. 

Sein ſchwarzes, langes Haay flatterte um das unbes 
helmte Haupt. 

Sn ver Linken trug er eimen aus dem Feuer des 
Capitols gerafften Brand. 

Sn der Redjten vas gefitrdtete Schlachtbeil. 

Ueber und über war er mit Blut befprigt. 

„Cethegus!“ rief er faut bet jedem Schlag feines 
Beils wider vie ächzende Hausthür. 

„Cornelius Cethegus Cäſarius! 

Wo biſt du? 

Ich ſuchte did) im Capitol, Präfeet von Rom! 

Wo biſt du? 

Muß Teja dich an deinem Hausherd ſuchen?“ 

Da hörte der lauſchende Cethegus eilende Schritte 
hinter ſich. 

Syphar hatte das Haus erreicht und war durch die 
Hinterthür ihm gefolgt. 

Er erblickte ſeinen Herrn. 


„Flieh', o Herr! 


485 





Oh vede deine Schwelle mit meinem Leib.” 

Und er eilte an ihm voriiber, urd eine Reihe von 
Gemadern, an die Hauptthüre. 

Cethegus wandte fid) nad rechts. 

Raum fonnte er fic) nod aufrecht balten. 

Gr erreidte nod den Reusfal. 

Hier fant er zuſammen. 

Dod augenblidith fprang er wieder anf. 

Denn fradend und fdmetternd fdoll es vom Haupt⸗ 
eingang ber. 

Das fefte Thor war endlich eingefdlagen. 

Dröhnend fiel e8 nad innen: und Teja betrat das 
Haus feines Feindes. 

Auf ver Schwelle fprang ihm, aus gedudt fanernder 
Stellung auffdnellend wie ein Panther, der Maure 
an Den Hals, mit der Linfen feine Gurgel umtrallend, 
in der Rechten blitzte das Meſſer. 

Aber der Gothe liek vie Wet fallen: ein Rud feiner 
Rechten und wie eine fortgefdleuderte Rugel flog der 
Angreifer zur Seite, die Thitre hinaus und rollte die 
Stufen hinab anf vie Strafe. 

„Wo bift bu, Cethegus?“ fdoll nun Teja’s Stimme 
naher und näher dringend im Atrium, im Veftibulum. 

Ginige Thüren, welde der Schreibſklave Fidus ver: 
viegelt hatte, fprengte rafd) fein Beil. 

Nur wenige Sdritte trennten die beiden Manner. 

Mühſam hatte fic) Cethegus bis in die Mitte des 
Beusfals gefdleppt. 

Gr hoffte immer nod) vas Schreibgemach erreiden 


486 





und aus der Cäſarſtatue die anvertrauten Schriften und 
Schätze nehmen zu können. 

Da krachte nochmals eine geſprengte Thür und 
Cethegus hörte Teja's Stimme aus dem Schreibgemach. 

„Wo biſt du, Cethegus, Hausherr?“ 

Athemlos lauſchte Cethegus. 

Gr hörte, wie in der Bibliothek ver Teja nach—⸗ 
dringende Haufe die Whnénbilder und die Büſten zer⸗ 
ſchlug. 

„Wo iſt dein Herr, Alter?“ rief Teja's Stimme. 

Der Sklave hatte ſich in das Schreibgemach ge⸗ 
flüchtet. 

„Ich weiß es nicht, bet meiner Seele.“ 

„Auch bier nicht? 

Cethegus, Feigling! 

Wo ſteckſt du?“ 

Da hatte auch vie Menge offenbar vas Schreibgemach 
erreicht. 

Cethegus vermochte nicht mehr zu ſtehen. 

Er lehnte ſich an den marmornen Jupiter. 

„Was wird mit dem Hauſe?“ 

„‚Verbrannt wird es!“ antwortete Leja. 

„Der König hat das Brennen verboten,“ mahnte 
Thorismuth. 

„Ja! dies Haus aber hab ich mir vom König erbeten. 

Es wird verbrannt und der Erde gleich gemacht. 

Nieder mit dem Tempel des Teufels! 

Nieder mit ſeinem AWllerbeiligften -- dem Götzen 
hier!“ 


487 


Und ein furdtbarer Schlag erſcholl. 

Krachend, ſchmetternd ſtürzte die Cäſarſtatue in vielen 
Trümmern anf ven Moſaikboden. 

Goldſtücke, Käſtchen, Capſeln rollten umher. 

nay, der Barbar!" ſchrie Cethegus außer ſich. 

Und Alles vergeſſend wollte er mit dem Schwert in 
das Schreibgemach ſtürmen. 

Da fiel er bewußtlos auf das Antlitz nieder zu Füßen 
der Jupiterſtatue. 

„Horch, was war das?” fragte eine Knabenſtimme. 

Die Stimme des Prafecten!" rief Leja und rif 
vie Thüre anf, welche das Sdreibgemad von bem Reuss 
jal trennte. 

Mit vem Brande vorleudtend und hod) die Streit. 
axt fdwingend fprang er in den Gal. 

Aber der Sal war leer. 

Cine Blutladhe fag zu den Füßen des Supiter und 
eine breite Blutfpur fiibrte von da an dads Fenfter, 
weldes in ten Hofraum blidte. 

Der Hof war leer. 

Nacheilende Gothen aber fanden die Heine Hofpforte 
gefdloffen und gwar von Außen. 

Der Schlüſſel ftedte auf der Strafenfeite im Schloß. 

Als man mit Mtithe nad flanger Arbeit aud) diefe 
Thiire gefprengt — gleidettig faſt hatten andre Gothen, 
aus dem Haupteingang auf die Strafe und um die 
Ecke ves Haufes eilend, die fdmale Seitengaffe erreicht 
— und die Gaffe mit deren Gebäuden abfudte, fand 


486 _ 





und aus der Cäſarſtatue die anvertrauten Schriften und 
Schätze nehmen gu können. 

Da krachte nodmalé eine gefprengte Thür und 
Cethegus hirte Teja’s Stimme aus dem Schreibgemach. 

„Wo bift pu, Gethegué, Hausherr?“ 

Athemlos lauſchte Cethegus. 

Er hirte, wie in ver Bibliothel der Teja nad 
bringende Haufe die Ahnenbilder und die Büſten zer⸗ 
ſchlug. 

„Wo iſt dein Herr, Alter?“ rief Teja's Stimme. 

Der Sklave hatte ſich in das Schreibgemach ge⸗ 
flüchtet. 

„Ich weiß es nicht, bei meiner Seele.“ 

„Auch bier nicht? 

Cethegus, Feigling! 

Wo ſteckſt vue 

Da hatte aud vie Menge offenbar vas Schreibgemach 
erreicht. 

Cethegus vermochte nicht mehr zu ſtehen. 

Er lehnte ſich an den marmornen Jupiter. 

„Was wird mit dem Hauſe?“ 

„Verbrannt wird es!“ antwortete Leja. 

„Der König hat das Brennen verboten,“ mahnte 
Thorismuth. 

„Ja! dies Haus aber hab ich mir vom König erbeten. 

Es wird verbrannt und der Erde gleich gemacht. 

Nieder mit dem Tempel des Teufels! 

Nieder mit ſeinem Allerheiligſen -- dem Götzen 
hier!“ 


487 





Und ein furdtbarer Schlag erſcholl. 

Krachend, ſchmetternd ſtürzte die Cäſarſtatue in vielen 
Trümmern auf den Moſaikboden. 

Goldſtücke, Käſtchen, Capſeln rollten umher. 

„Ah, ver Barbar!" ſchrie Cethegus außer ſich. 

Und Alles vergeſſend wollte er mit dem Schwert in 
das Schreibgemach ſtürmen. 

Da fiel er bewußtlos auf das Antlitz nieder zu Füßen 
der Jupiterſtatue. 

Horch, was war vas?" fragte eine Knabenſtimme. 

Die Stimme des Prafecten!" rief Teja und rig 
bie Thüre auf, welche das Schreibgemach von dem Zeus⸗ 
jal trennte. 

Mit vem Brande vorleudtend und hoch die Streit⸗ 
axt ſchwingend ſprang er in den Sal. 

Aber der Sal war leer. 

Eine Blutlache lag zu den Füßen des Jupiter und 
eine breite Blutſpur führte von da an das Fenſter, 
welches in den Hofraum blickte. 

Der Hof war leer. 

Nacheilende Gothen aber fanden die kleine Hofpforte 
geſchloſſen und zwar von Außen. 

Der Schlüſſel ſteckte auf der Straßenſeite im Schloß. 

Als man mit Mühe nach langer Arbeit auch dieſe 
Thüre geſprengt — gleichzeitig faſt hatten andre Gothen, 
aus dem Haupteingang auf die Straße und um die 
Ecke des Hauſes eilend, die ſchmale Seitengaſſe erreicht 
— und die Gaſſe mit deren Gebäuden abſuchte, fand 


488 





man nur an der Ede das Schwert des Präfecten, weldes 
Tidus, ver Sdhreibfflave, erfannte. 

Ginfter blidend nahm es Teja und febrte im das 
Schreibgemach zurück. 

Xeft Alles ſorgſam auf, was des Priifecten Götzen⸗ 
ftatue barg. 

Hirt ihr, Alles. 

Schreibereien zumal und bringt fie dem König — 
wo ift der König?“ 

‚„Aus dem Capitol 30g er mit Römern und Gothen 
in das Heiligthum Ganct Peters, dort mit allem Bolf 
das Danfkgebet gu fpredjen.” — 

„Gut, fudt ihn in der Kirche und bringt ihm Wes. 

Dazu ves Entflohnen Sdywert. 

Eagt: Leja ſchickt ihm das.” 

„Soll geſchehn. 

Du aber — gehſt du nicht mit zum König und in 
pie Kirche?“ 

‚„Nein.“ 

„Wo verbringſt vu die Siegesnacht und ben Dank⸗ 
gottesdienſt?“ 

„Auf den Trümmern dieſes Hauſes!“ ſprach Teja. 

Und er ſtieß den Brand in die Purpurteppiche des 
Lagers. 


488 





man nur an ber Ede das Schwert des Präfecten, welches 
Fidus, der Schreibſtlave, erfannte. 

Ginfter blidend nabm es Teja und febrte in das 
Schreibgemach zurück. 

Left Alles ſorgſam auf, was des Präfecten Götzen⸗ 
ſtatue barg. 

Hört ihr, Alles. 

Schreibereien zumal und bringt ſie dem König — 
wo iſt der König?“ 

„Aus dem Capitol zog er mit Römern und Gothen 
in das Heiligthum Sanct Peters, dort mit allem Bol 
das Dankgebet gu fpredjen.” — 

„Gut, fudt ihn in der Rirde und bringt ihm Alles. 

Dazu des Entflohnen Schwert. 

Sagt: Teja fcidt ihm das." 

„Soll gefdebn. 

Du aber — gebft du nicht mit gum König und in 
vie Kirche?“ 

‚„Nein.“ 

„Wo verbringſt du die Siegesnacht und den Dante 
gottesdienſt?“ 

„Auf den Trümmern dieſes Hauſes!“ ſprach Teja. 

Und er ſtieß den Brand in die Purpurteppiche des 
Lagers. 


Sin Kampf um Rom. 


— — 


Viceter Band. 


— 


Ein Kampf um Hom. 


PPP OP 8* 


Hiftorifdher Roman 
vor 


Jelix Dahn. 


Motte: 
Wenn etwas ift, gewalt’ger alé dad Schichſal. 
Co ih's dex Muth, der'e unerichittert tragt.- 
Seibel. 
Bierter Band. 


Wit zwei Karten. 


Siebente Auflage. 
— wvꝰD — — 


Leipzig, 
Druck und Verlag vor Breitkopf und Hartel. 
1880. 


Ueberfegungsrecht vorbebalten. 





Sedstes Bud. 


STotila. 


Bwette Abthetinng. 


„Heil, daß und diefer Sonnen-Fiingling lebt.“ 


Martgraf Rüdeger von Bedelaren 
I. Aufjug, 1. Scene. 


Dahn, Ein Kampf um Rom, LV. 1 


Sweite Abtheilang. 


Grftes Capitel. 





Und fortan hielt König Totila Hof gu Rom herrlich 
und in Freuden. 

Des Krieges fdwerfte Aufgabe fdjien gethan. 

Nad dem Falle von Rom sHffneten die meiften Heinen 
Feſtungen an der Milfte oder im Gebirg des Apennin 
die Thore, nur wenige muften belagert und erobert 
werden. 

Dazu fandte der Konig feine Feldherrn aus: Teja, 
Guntharis, Grippa, Marka, Wligern: während er felbft 
zu Rom die fdwere, die ftatsmannifde Wufgabe über⸗ 
nabm, das durd) langjdbrigen Rrieg und Wufftand gers 
riittete Reich gu berubigen, neu gu ordnen, beinabe neu 
zu griinden. . 

Sn alle Landfdaften und Städte fandte er feine 
Herzoge und Grafen, in allen Gebteten ves Staatslebens 
des Königs Gedanfen auszuführen: gumal aud) die 

| 1* 


= 


4 





Stalier zu ſchützen wider die Rachſucht ver ftegretden 
®othen. 

Denn er hatte eine allumfaffende Ammeftie vom 
Capitol herab verkündet: mit Ausnahme eines eingigen 
Hauptes: ves Exrprafecten Cornelius Cethegus Cäſarius. 

Neberall ließ er bie zerftdrten Rirden, der Ratho- 
lifen wie der Arianer, wieder Herftellen, überall die 
Grundbefisverhaltniffe pritfen, die Steuern new vertheilen 
und berabfegen. 

Die fegensreiden Früchte vtefer Mühen  blieben 
nidt aus. 

Schon feitdem Cotila die Krone aufgefegt und fein erftes 
Manifeſt erlaffen, batten vie Stalier in allen Landfdaften 
vie lang verfaumte Feldarbeit wieder aufgenommen. 
Ueberall waren die gothifden Krieger angewiefen, ſich 
jeder Stdrung hierin gu enthalten, Störungen durd die 
Byzantiner nad) Kraften abguwebren. 

Und eine wunderfame Fruchtbarkeit ber Gefilde, ein 
Herbft-Segen an Getreide, Wein und Oel, wie feit 
Menfdrenaltern unerhirt, ſchien fidtharlid) die Gnade 
bes Himmels fiir den jungen König gu beseugen. 

Die Kunde von der Cinnahme von Neapolis wnd 
Rom durchflog das ftaunende Abendland, welches bereits 
das Gothenreich in Stalien als erlofden betrachtet hatte. 

Mit danfbarer Bewunrerung erzählten die Kanflente, 
welche ver kräftige Rechtsfdus, vie Sidjerung der Lands 
ftragen durch umbergiehende Sajonen und Reitergefdmader, 
ver See durch die immer wachſame Flotte der Gothen wieder 
in die verddeten Städte und Hafen der Halbinfel 30g, von 


‘ 


5 


der Gerechtigkeit und Milde des königlichen Jünglings, 
von dem Flor ſeines Reichs, von dem Glanze ſeines 
Hofs zu Rom, wo er die aus Flucht und Empörung 
zurück kehrenden Senatoren um ſich verſammelte und 
dem Vollke reiche Spendungen und ſchimmervolle Circus⸗ 
feſte gab. 

Die Könige der Franken erkannten den Umſchlag ver 
Dinge: ſie ſchickten Geſchenke: — Totila wies ſie zurück, 
fie ſchickten Geſandte: Totila ließ fie nicht vor. 

Der König der Weſtgothen bot ihm offen Waffen⸗ 
bündniß gegen Byzanz und die Hand ſeiner Tochter; 
die avariſchen und ſtlaveniſchen Rauber an der Oſtgrenze 
wurden gezüchtigt: mit Ausnahme der wenigen noch be⸗ 
lagerten Plätze, Ravenna, Peruſium und einigen kleinen 
Caſtellen, waltete Friede und Ruhe im ganzen Gothen⸗ 
reich, wie nur in den goldenſten Tagen von Theoderichs 
Regiment. 

Dabei verlor aber der König die Weisheit der Mäßigung 
nicht. 

Er erkannte, trotz ſeiner Siege, die drohende Ueber⸗ 
iegenheit des oſtrömiſchen Reiches und ſuchte ernſtlich 
Friede mit dem Kaiſer. 

Er beſchloß, eine Geſandtſchaft nach Byzanz zu ſchicken, 
welche den Frieden auf Grund von Anerkennung des 
gothiſchen Beſitzſtandes in Italien anbieten follte; auf 
Sicilien, wo kein Gothe mehr weilte, — nie waren die 
gothiſchen Siedelungen auf dem Eiland zahlreich geweſen 
— wollte er verzichten: ebenſo auf die von den Byzan⸗ 
tinern beſetzten Theile von Dalmatien; dagegen ſollte 


6 





per Raifer vor Alem Ravenna raumen, weldes feine 
Kunſt oder Ausdauer der gothifden Belagerer gu ges 
winnen vermodt hatte. 

Als ven geeignetiten Trager dtefer Gendung des 
Griedens und der Verſöhnung faßte der Konig den Mann 
in's Auge, welder durch Anfehen und Würde der Perfon, 
durch hohen Ruhm der Weisheit aud im Oſtreich ge- 
tragen, durd Liebe yu Stalien und den. Gothen aus⸗ 
gezeidynet war — den ehrwürdigen Gaffiodor. © 

Obwohl fi ver fromme Greis feit Jahren von ven 
Staatsgeſchäften zurück gejogen hatte, gelang e8 der 
Beredtfanifeit bes jungen Königs, ihn zu bewegen, fiir 
jenen hohen, gottgefalligen Bwed, die Cinfamfeit feiner - 
Kloſterſtiftung zu verlafjen und die Mühen und Gefahren 
einer Reiſe nach Byzauz zu übernehmen. 

Jedoch unmöglich konnte er dem alten Mann die 
Laſt einer ſolchen Sendung allein aufbürden: er ſuchte 
nad einem jugendkräftigen Gefährten von ähnlicher Milde 
chriſtlicher Geſinnung, nach einem zweiten Apoſtel des 
Friedens. — 

Wenige Wochen nach der Einnahme von Rom, trug 
ein königlicher Bote folgendes Schreiben über die cotti⸗ 
ſchen Alpen in die Provence: 


„An Julius Manilius Montanus Totila, 
ven fie ver Gothen und Italier König nennen. 


Komm, mein geliebter Freund, komm zurück an 
meine Brujt! 
Sabre find verftriden: viel Blut, viele Thranen fine 


7 


gefloffen: in Schreck und in Freude hat fic) mebr ald 
einmal Wiles um mic ber verwandelt, feit id div gum 
legten Mal vie Hand gedritct. 

Alles hat ſich verwandelt wm mid ber: aber nidts 
in mix, nichts gwifden dir und mir. 

Nod verehre id) alle die Götter, an deren Altaren 
wit gemeinfam in den erften Lraumen der Jugend ge- 
opfert, find aud) diefe Getter mit mir felbft gereift. 

Du wideft vom italifden Boden, als Bosheit, Ge- 
walt, Verrath, alé alle dunkeln Mächte darauf wiitheten. 

Giehe: fie find verfdwunden, hinweg gehaudt, bins 
weg gefonnt: fernab ziehen grollend die befiegten Das 
monen: ein Regenbogen wölbt ſich ſchimmernd über 
rieſem Reich. 

Mid aber hat, nachdem beſſere Kräfte glücklos, fieg: 
los erlegen, mich hat der Himmel begnadigt, das Ende 
des furchtbaren Gewitterſturms zu ſchauen und die Sat 
zu ſtreuen einer neuen Zeit. 

Komm nun, mein Julius: Hilf mir jene Träume er- 
füllen, die du dereinſt als Träume belächelt. 

Hilf mix, aus Gothen und Italiern ein neues Miſch— 
volt f{djaffex, bas beider Vorzüge vereint, das beider 
Fehler ausſchließt. 

Hilf mir erbauen ein Reich des Rechts und des 
Friedens, der Freiheit und der Schönheit, geadelt durch 
italiſche Anmuth, getragen durch germaniſche Kraft. 

Du haſt, mein Julius, der Kirche ein Kloſter gebaut: 
— hilf mir nun, der Menſchheit einen Tempel bauen. 

Einſam bin ich, Freund, auf ver Hohe des Glücks. 


8 





Einſam harrt tie Braut dev vollen Löſung des Ge⸗ 
lübdes entgegen. 

Den trenen Bruder hat mix ver Krieg geraubt. 

Willft vu nicht fommen, mein diosfurifder Bruder? 

Sn zwei Monaten warte ih dein im Kloſter zu Tas 
ginae mit Baleria." 

Und Julius (a8: und mit gerithrter Geele fprad 
er nor fid) bin: 

„Moin Freund, id komme.“ 


She König Totila von Rom nad Taginä anforad, 
beſchloß er, eine Schuld tiefen Dankes abgutragen, mud 
ein Verhältniß witrdig, das heißt ſchön, zu geftalten, das 
bisher feiner nad) Harmonie verlahgenden Seele nidt 
entfprad : fein Verhältniß yu dem erften Helden feined 
Volks, yu Leja. 

Tie waren feit frither Knabenzeit befreundet. 

Obwohl Teja um mebrere Jabre alter, hatte er 
vod) die Liefe des Jüngern unter der glingenden Hille 
bes Frohfinns von je erfannt und geebrt. 

Und ein gemeinfamer Bug jum Schwungvollen und 
Sdealen, ja ein gewiffer Stolz und Hochſinn hatte fie 
frith gu etnander gezogen. 

Spater freilid) hatte entgegengefegtes Gefdid die 
von Anfang verfdhieden angelegten Naturen weit aus- 
einander geführt. 


9 


Die fonnenbelle Art des Cinen war wie blendende 
Verlegung grell in das nadtige Dunkel des andern ge- 
fallen. 

Und Totila hatte in rafder Jugendluſt das Dilfter 
des Schweigfamen, das er in feinem Wefen nicht be- 
griff, im ſeinen Urfachen nidt fannte, nad) widerbolten 
warmen BVerfuden der Umftimmung, als franfhaft von 
ſich fern gebalten. 

Des miloren Julius, obswar aud ernfte, aber fanftre 
Weife, dann die Liebe, hatte ven Freund aus der 
Knabenzeit zurückgedrängt. 

Aber die letzten reifenden Jahre ſeit ‘dem nadtigen 
Blut- und Bruder⸗Bund, die Leiden und Gefabren feit 
dem Tod ves Valerius und Miriams, dem Brand von 
Neapolis, der Noth vor Rom, vem Frevel yu Ravenna 
und Gaftra Nova und zuletzt die Pflichten und Sorgen 
des Königthums Hatten den Jüngling, den ungedulbdig 
fröhlichen, fo voll gereift, bag er Dem dunklern Freunde 
voll geredjt werden fonnte. 

Und was hatte diefer Freund geleiftet, feit jener 
Bundes⸗Nacht! 

Wenn die andern Alle müde erlahmten: Hildebads 
Ungeſtüm, Totila's Schwung, Witichis' ruhige Stäte, 
ſelbſt des alten Hildebrand eiſige Ruhe — Teja hatte 
nie geſeufzt und immer gehandelt, nie gehofft und immer 
gewagt. 

Bu Regeta, vor Rom, nad Ravenna’s Fall und 
wieder vor Rom — was hatte ex nicht geleiſtet! Was 
ſchuldete ihm das Reid! 


10 





Und er nahm keinen Danf. 

Wie eine Kranfung hatte er e8 abgewiefen als ihm 
ſchon Witichis vie Herzogswürde, Gold und Land bot. 

Cinfam, ſchweigend ſchritt er melandolifd durch die 
Strafen Roms, im Sonnenfdein von Totila’s Nähe 
ver letzte Schatte. 

Die ſchwarzen Augen tief gefentt, ftand er gunddft 
an des Königs Thron. 

Wortlos ſtahl er ſich von des Königs Feſten. — 
Nie kamen Rüſtung und Waffen von ſeinem Leibe. 

Nur im Kampfe lachte er manchmal, wenn er mit 
ven Tod verachtender oder den Tod ſuchender Kühnheit 
in die Speere der Byzantiner fprang: dann ſchien ihm 
wohl 3u fein: dann war Wes an ihm Leben, Raſchheit 
und Feuer. 

Man wußte im SGothenvolf, zumal Totila wußte es 
noch aus früheſter Jünglingszeit, daß die Gabe des 
Geſanges in Ved und Wort dem ſchwermuthvollen Hel⸗ 
Den eigen war. 

Aber feit er aus feiner Gefangenfdaft in Griedens 
land zurückgekehrt war, hatte man nie ihn bemegen 
können, eines feiner glilhenden, tief verhaltnen Lieder 
anzuſtimmen vor Andern: dod) wufte man, daß die 
tleine dreieckige Harfe feine Gegleiterin in Krieg und 
Frieden war, ungjertrennlid) wie fein Schwert an ihn 
gebunden. 

Und in der Schlacht im Anſturm hörte man ihn 
wohl manchmal wilde abgeriſſene Zeilen ſingen zu dem 
Tact der gothiſchen Hörner. 


11 





Und wer ihn in der Macht befdltch, die er gern tm 
Oreien, swifden der Wildniß von weißem Marmor und 
punflem Gebüſch, in den römiſchen Ruinen, verbradte, 
per modte wohl manchmal eine verlorne Weife feiner 
Harfe erlanfden, zu der er trdumerifde Worte fang. 

Fragte ihn aber Ciner, — was felten gewagt wurde, 
— was ihm feble, fo wandte er fic) ſchweigend ab. 

Einmal nad der Cinnahme Roms antwortete er Hers 
30g Guntharis auf die gleide Frage: Der Kopf de3 
PBrafectern.“ 

Der Cimige, mit dem er häufiger verfehrte, war 
Analgoth, deſſen er fic) in jiingerer Beit angenommen. 

Der junge Hirt war vom König zu feinem Herold 
und gum Mundſchenk erhöht worden, gum Dank fiir feine 
kühnen und rettenden Thaten bet der Erſtürmung des 
Tiberufers. 

Gr hatte eine ftarfe Anlage gum Gingen und Sagen 
mit gebradt, obzwar mit geringer Schulung. 

Teja hatte Freude an feiner Gabe gefunden: und 
man fagte, er lehre ihn gebeim feine itberlegne Runft, 
obwobl fie gu einanver ftimmten wie Nadt und Morgen: 
glanz. 
„Eben drum,“ hatte Teja geſagt, als ihm ſein 
tapfrer Vetter Aligern dies vorhielt. 

„Und es muß doch noch was übrig bleiben, wenn 
die Nacht verſank.“ — 

Der König fühlte: das Einzige was dieſem Mann 
zu bieten war, hatte Er zu bieten: aber nicht Gold, 
Land und Würden. 


12 





Cines Ahends — ſchon traten die Sterne aus dem 
rafd) dunfelnden Himmel — madte fic) der Konig anf 
von dem Abendgelage in femem Palaft, (rem Hans ver 
Pincter, in welchem Beliſarius gewohnt hatte,) obne 
Begleitung den fdenen Helden gu fuchen in der Wildniß 
von Geftein und Lorber, welde die Garten ves Salluft 
erfiite und wo Leja, wenn er in Rom war, zu hauſen 
pflegte. 

Avalgoth, der Mundſchenk, hatte fid) fir ben Abend 
Urlaub von des Königs Tafel erbeten: dieſer ervieth, 
daß er die Duntelnden Stunden, wie fo oft, bet dem duns 
feln Harfenmeifter verbringen werbde. 

Der König wußte daher, er werte Teja in fetner 
Warten: Wilonig finden. 

Wirklich weilten Lehrer und Schiller diefe Nacht 
unter dem Schatten uvalter römiſcher Pinien und Cys 
prefjen, gothifder Harfenfunft pflegend. 

Mun hord einmal, Graf Teja,” hob ver JZüngling 
an, ,was id) Da aus deinen neulid) angefangnen Zeilen 
weiter erfonnen babe. . 

Bet vir ift wieder alles fo traurig! 

Das Ende ver hoffnungslofe Sprung in den Stront! 

Ich habe pas viel (uftiger gewendet.“ 

„Wenn's nur aud fo wahr iſt.“ 

„Ei, wenn's nur ſchön ift! Und wabr! ift denn 
nur Das wahr, was traurig ift?" 

„Leider: ja." | 

„Giebt's feine Freunde in ver Welt? 

„O ja! Aber fie wabrt nicht fang. 


13 


Der Ausgang ift immer — Untergang.” 

„Nun, aber dod) oft erft recht fpat. 

Und was zwiſchen Aufgang und Untergang liegt — 
hat das feinen Werth? | 

Iſt's nicht aud ein Gang." 

„Ja: es foll fein: Heldengang.“ 

„Nun, fo höre nur. 

Ich habe deinen Aufgang beibehalten: in der Mitte 
Trauergang: dann Siegesgang — 

Aber deinen Untergang hab' ich weggelaſſen. 

Bei dir ſpringen ſie hoffnungslos in den Iſterſtrom. 

Ich aber habe unſern alten Waffenmeiſter Hilde⸗ 
brand“ — 

„Wenn er doch endlich Ravenna hätte!“ 

„Und unſeren großen König Dietrich als Rind, als 
geretteten Erben, habe ich ihn hinein gebracht. 

Und das Ganze will ich nächſtens bei einem großen 
Königsfeſt dem lieben Herrn vorſpielen. 

Aber wohl verſtanden: — ich hab' es in der neuen 
Kling⸗Weiſe geſetzt, die Du mid) gelehrt haſt und die 
viel mehr das Ohr gewinnt und die Seele befängt, als 
der alte Stabreim, nach dem unſere Heldengeſänge und die 
Vorzeit⸗Sprüche geſetzt find. 

Woher haſt du nur die Kling-Weiſe am Schluß 
der Zeilen genommen?“ 

die Mönche fingen fo die lateiniſchen Lieder und die 
Priefter in der Kirche: ic) hörte eS einmal, Abends, im 
Dammerlidt in der Bafilifa Ganct Peters: vie Vorhange 
ber Kirche waren zurückgeſchlagen: vas Ubendlidt fluthete 


14 





träumeriſch herein: die Kerzen am Altay gaben ihren 
rothen Schein dazu: Weihrauchwollen gogen duftend da- 
zwiſchen und unfidtbare Priefterfuaben fangen mit bellen 
Stimmen aus der Krypta, wo fle emen Todten bargen. 
Da zuerſt hörte ich den Klang, der gleich ift und dod 
wieder nidt ganz gleid): und zauberhaft umfing der Wohl⸗ 
fang mein Gehör: und ich verfudte in unfrer Sprache 
das Gleiche nachzubilden: und fiebe da: wunderbar 
gelang es.“ 

„Ja, es paffen die Schlußklänge zuſammen mie — 
wie der Helm auf das Haupt — wie dad Schwert in die 
Scheide. 

Wie Lippe auf Lippe im Kuß.“ 

„Ei, weißt du and) davon ſchon? Das iſt früh!“ 

„Ich habe nur meine ſchöne Schweſter Gotho geklüßt,“ 
ſagte der Jüngling erröthend. 

Mun aber der Gleichklang! Für Bieles iſt er wohl 
lieblich. Aber du mußt der Väter Weiſe nicht gang 
verſäumen: den Runen⸗heiligen Stabretm.“ 

„Ja, fiir Manches iſt er wie angeboren und viel 
fraftiger geeignet al8 der hinſchmelzende Klangreim. 

Weikt du, wenn die Stibe, die flarfen, ſtolz ane 
ftimmen, fo mahnt es mid) miadtig des wehenden 
Windes, der im Walde durch die Wipfel dahin wogt, 
beugend und biegend Baum nad Baum.” 

Div, lieber Knabe, hat der Gott ves Gefangs wirklich 
vie Lippen berührt. 

Aud) wenn du's nicht weit und willft, überkömmt 


15 





vid) der Schrittgang des Wobhllauts, wie die Reve ihn 
heiſcht und der Sinn ibn erfebnt. 

Mun fage: wie lautet mein Lied von ver Gothen- 
Treue in deiner Verjiingung 2" 

nod) fange an, wie du: 


„Erſchlagen war mit dem halben Heer 
Der König ver Gothen, Theodemer.“ 


Und fo fort. 

Wher wenn fie dann ate vergweifeln und hoffnungs⸗ 
los in den Strom fpringen wollen, dann lömmt bei mir 
vie Hoffnung, vie Erlöſung, der Blick in die gerettete 
Butunft. Namlid fo: 


„Erſchlagen war mit vem halben Heer 
Der Konig ver Gothen, Theodemer.“ 


Die Heunen jaudyten auf blutger Wal: 

Die Geier ſtießen herab zu Thal. 

Der Mond fcien hell, ver Wind pfiff falt — 
Die Wilfe heulten im Föhren⸗Wald. 


Drei Manner ritten durch's Heidegefild, 
Den Helm zerſchroten, jerhadt ven Schild. 


Der Erfte über dem Sattel quer 
Trug feines Königs zerbrochnen Speer. 


Der Rweite des Königs Kronhelm trug, 
Den mitten durd) ein Schlachtbeil fdlug. 


16 





Der Dritte barg mit trenem Arm 
Gin verhilt Gebeimnig im Mantel warm. — 


Go famen fle an den Sfter tief: — 
Und ver Erſte hielt mit dem RoR und rief: 


„Ein zerhau'ner Helm, — ein zerbadter Speer — 
Von vem Reide der Gothen blieb nicht mehr!“ 


Unr ver Zweite fprad: ,In die Wellen dort 
Verſenkt ven traurigen Gothenhort: 


Dann fpringen wir nad von dem Uferrand — 
Was faumeft du — Meifter Hilvebrand 2 


„Und tragt ihr des Königs Helm und Speer — 
Shr treuen Gefellen: — id trage Mehr!“ 


Auf ſchlug er feinen Mantel weid : 
wh trage der Gothen Hort und Reid! 


Und habt Shr gerettet Speer und Kron’: — 
Ich abe gerettet — des Königs Sobn! 


Crwade mein Knabe: id grüße did: 
Du Kinig ver Gothen — Bung Dieterich !* 


wo{t aud) gar nicht itbel. Aber wabr ift —“ 

„Wahr ift wohl nur, was dir in Gefichten der hidften 
Trauer nabt? 

Sage, wie geht jenes andre, bas Traumgedicht weiter? 

8 tft fen Traum gan}. 

Und fein Gedicht gang. 


17 


Sd fiirdte, e8 wird die ganze Wahrheit. “ 

„Wie War eB Dodd)?" 

„Ich hatte vor dem Cinfdlafen fang an Gelimer, ven 
letzten König der Vandalen gedadht, den tapfern Mann, 
rem zuletzt nichts geblieben von feinem fdhimmervollen 
Reid) als vie Garfe, darauf ev in den FelSgebirgen 
Ufrifa’s fetne Trauer fang. 

Allmälig verſank id) in letjen Schlummer: oder dod 
in Traum. | 

Da fah id) vor mir eine Landfdaft Campaniens: 
ſchön, wie kaum eine andre diefes wunderſamen Landed. 

Die Budt von MNeapolis, vie blanen Wogen von 
Baja, fonnenbeglangt im Bordergrund. 

Sm Hintergrund ver gewaltige Berg mit dem Feuer- 
Ahem und ver Raudhwolfe" — 

oie heift er dod)?" forfdjte begierig der Hirt. 

„Mons Vefuvius. 

„Von feinen Schluchten aber herab ftieg, traurig, dod) 
tores-trogig, eine Kriegerſchar in unfern, in den gothifden 
Waffen: blutbededt, die Helme verhau'n, die Schilde 
durchſtoßen. 

Und ſie trugen auf eichenen Speeren einen todten 
Mann — ihren König.“ 

„Totila?“ fragte erſchrocken der Jüngling. 

„Nein, beruhige dich,“ antwortete Teja, mit einem 
ſchwermüthigen Lächeln, „ſchwarz waren die Locken des 
bleichen Todten. 


Und quer durch die ehrfurchtvoll ſtaunenden Feinde 
Dahn, Cin Kampf um Rom. 1V 2 


18 





zogen fie, langfam, in feierlidhem Trauer⸗Schritt, an die 
Küſte rer Gee. 

Dort fag eine ftolje, gewaltige Flotte: nicht der 
Gothen und nidt der Grieden: mit ragenden Drachen⸗ 
bauptern am Bug ver Sdiffe. 

Auf viefen Schiffen follte der Todte geborgen werden. 

Dabei aber vernahm id die Worte ves Tranerliedes, 
nes Todtengefangs fiir den König. 

Und fie lauteten : 


„Gebt Raum, ihr Valter, unferm Schritt! 
Wir find die legten Gothen: 
Wir tragen feine Krone mit — 
Wir tragen einen Todten. 
Mit Schild an Schild und Speer an Speer 
Wir giehn nad Nordlands Winden, . 
Bis wir im fernften grauen Meer 
Die Inſel Thnle finden. 
Das foll ver Treue Snfel fen — 
Dort gilt nod) Gin und Ehre:* — — 


Go viel vernahm id) von dem Todten-Gefang. — 

Da wedte mid) das Heer-Horn der gothifden Wache, 
weldje der forgfame König Nachts vurd die Strafen 
ziehen läßt. 

Du aber merke dir dieſen Anfang: vielleicht kommt 
der Tag, da du's zu Ende ſingſt. 

Du haſt ja in kurzer Zeit ſo viel gelernt, daß 
ru bald harfenkund'ger und liedkund'ger biſt denn id.” 


19 


„Wenn Du mid uur aud lehren könnteſt, folde 
Streiche gu führen wie du." 

„Das wächſt mit den Sabren, ja mit pen Wodjen. 
Du haſt genug gethan fiir deine fiebsehn Sabre. 

Ware dem wadern Witihis ein Helfer zur Seite 
gefprungen, ehe der rimifde Dichter den Stein auf thn 
warf im Grab Hadvians, wie du dem Maienfinig Lotila 
den von dem gleichen Mann drobenden Stoß haſt ab- 
gewebrt, fo atten wir damals fdon Rom gewonnen 
und den Prafecten verjagt, ver uns leider entfam.“ 

oa, leider! Weikt du: das Abentexer, das mir in 
jener Nacht aufgeftogen, in des PrGfecten Haufe, das 
fhwebt mir fdon lang in Gedanfen. Das gabe ein 
rwounderbares Lied — feblt leider nur der Slug.” 

arte nur. Vielleicht erlebft du ihn. Dann braudft 
du thn nicht gu erdichten. 

Uebrigens zog ich ſchon am Morgen nach jener 
Siegesnacht in des Präfecten Haus zur Verfolgung der 
flüchtigen Legionare aus. Ich weiß daher gar nicht, wie 
Alles kam. Erzähle mir.“ 


— — —— — — 


2¢ 


Bweites Capitel. 


— — — 


tun fo bere. 

Nachdem ich den Prafecten nicht am Tiber und nidt 
im Capitol gefunden, fuchte ich ibn mit dir an feinem 
Herd. 

Und fand nur feines Blutes Spur und fein Schwert. 

Als vu aber feinen Götzen zertrümmert und fein 
Haus verbrannt und Wiles gufammenbrad), bis i die 
Kellergewölbe, da fand id, nachſpürend, in dem Gebalt 
unter dem Godel der Marmorſtatue abermals einen holen 
Raum: mit Gol, Geftein und allerlet Gefdreibjel ane 
gefüllt. 

Ich brachte das Ganze auf einem breiten Schild dem 
König. 

Und der ließ ſeine Buchleſer darin forſchen und 
wühlen und las ſelbſt darin. Und rief plötzlich: „alſo 
Alarich der Balthe unſchuldig!“ 

Und Tags darauf, da ich zu einem Königsherold aus⸗ 
erkoren, war mein erſt Geſchäft, umherzureiten in den 
Straßen Roms, auf weißem Roß, mit dem goldnen 


21 





Heroldftah, und ausjurufen unter aller Gothen und 
Römern: 
„Adalgoth, des Königs Herold, ruft! 

Gefunden ward in des Expräfecten Haws, durch Adal: 
goth’s, des Hirtentnaben Gand, Beweis und Sdrift, 
daß Herzog Wlarich, ver Balthe, der wor zwanzig Sabren 
um Hodverrath gum Lode verurthetlt ward, unfdul- 
Dig war.” 

„Wie ward das entdedt?” 

„Cethegus hatte in Gebeimfdrift, welde König 
Totila entziffern ließ, felbft im fetnem Tagebuch ver: 
zeichnet, daß er de Verhaßten durch Briefe, die er in 
des getäuſchten Königs Hand fpielte, ven Balthen des 
Hodverraths verdadtigt. Der Stolze, Hochgemuthe reizte 
dann durd Trop ven Wmaler und verfdwand zuletzt 
plötzlich, aus dem Rerfer, Niemand wufte, wie und 
wobin. 

Und weiter batt’ id) auszurufen in den Strafen: 

»Unfduldig ift Wlarid) der Balthe.“ 

Gein Eigen, das der Staat eingezogen, wird ihm 
zurückgeſtellt. 

Ihm oder ſeinem echten Erben. 

Das Herzogthum, das er geführt, das Herzogthum 
Apulia, wird ihm zurückgegeben. 

Ihm oder ſeinem echten Erben. 

Es melde ſich laut an des Königs Thron Herzog 
Alarich oder ſein echter Erbe. 

Gold und Gabe, Echt und Eigen, Vieh und Fahr⸗ 
niß, Wagen und Waffen, Geſchmuck und Geſchmeide, 


22 





Neder und Erbe, Rinder und Roffe und das reide 
apuliſche Herjogthum, es werde dem Balthen, dem 
Balthen-Erben. | 

Wo ift Wlarid? Wo fein Erbe? 

Und wie id zogen die Königsherolde durch alle 
Strafen und Städte Italiens, rufend und forfdend 
nad Herzog Alarich vem Balthen und feinem echten 
Erben. 

Und weißt du: es ware doch wunderſchön, wenn fie 
den verſchollnen, landflüchtigen, alten Mann irgendwo 
fänden und wir ihn wieder mit Glanz und Ehren ein⸗ 
führten in ſein ſchönes Herzogthum.“ 

„Und da er dem Hirtenknaben die Rettung ſeiner Ehre, 
ſeines Rechts verdankt — dürfte er ihm wohl ſchenken ein 
ſchönes Schloß, etwa am blauen Meer, am Berge Gar⸗ 
ganus, nicht wahr, unter Lorber und Myrthen?“ 

„Nein, daran hab ich noch nicht gedacht.“ 

„Aber ſchwerlich lebt er noch, dev alte Herzog.“ 

„Nun, dann finden wir vielleicht den Jungen. 

Herzog Guntharis ſagte mir, er habe den hohen 
Balthenhelden noch wohl gekannt: der ſei mit einem 
Knäblein in das Elend gegangen. 

Und obwohl ſein Haus, die Wölſungen, mit den 
Balthen erblichen Haver hegte, müſſe er vod ſagen: 
er habe nie an die Schuld des ſtolzen Mannes geglaubt, 
der ein Hauptfeind der Wälſchen war und ihnen lang 
ein Dorn im Auge. 

Und nie habe er ein ſchöner Kind geſehen, als jenes 
vierjährige Knäblein. 


23 


Ich mug nun immer naddenfen: wo der wohl bin 
gefommen fein mag? 

Und wie der ftaunende Augen maden wir, wenn 
er, Der vielleidt in irgend einer fleinen Stadt fid) vers 
borgen Halt, unter falfdem Namen, — denn die Vers 
bannung traf bet Todesſtrafe vas ganze Geſchlecht — 
wenn Der den Königsherold durch vie Straßen feine Bes 
rufung zum goltnen Reif ves Herzogs von Wpulien 
fiinden hort. 

Das gabe gar einen ſchönen Schluß gu einer ,Bale 
then+ Sage" oder ,andflitdter= Lied". Was meinft vu? 
„Das Lied vom landverbannten Herzogsſohn“: es flingt 
nicht übel!“ ~ . 

„Bei div Elingen alle Lieder glücklich aus!“ 

„Nun aber fage miv nod) den Anfang des andren 
Gefanges, den du felbft, erwadt von jenem Traumgeſicht, 
geſetzt.“ 

„Ja, denn das Todtenlied, das hab' ich nur im 
Traum gehört, nicht ſelbſt erſonnen. 

Aber nad) vem Erwachen führte id) mir jene wohl⸗ 
bekannte Landſchaft vor Augen am Veſuvius, gerade ge- 
genüber dem Mons Lactarius, dem Milchberg: eine wun: 
rerbare Felfenfdludt, gebildet von dem Auswurf ded 
Feuerbergs: falt gewordnes ſchwarzes Feuer: fteil ragen 
Die Sdhroffen: nur ein fdmaler Bugang, den ein Mann 
mit einem Childe leicht verfperren und ftundenlang ver- 
theidigen könnte wider jede Uebermadt —“ 

„Du denkft bet jedem Berg und Thal gleich, wie 
man fie ftitrmen und vertheidigen mag." 


24 





„Und da kamen mir von ſelbſt die Worte: 


„Wo die Lavaklippen ragen 
An vem Yue ves Veſuvs, 
Durd) die Nadtluft hart man lagen 
Tine tiefen Wehe⸗Rufs. 


Schafer, Rauber nidt nod) Baner 
Dringet in die Bergſchlucht etn: 

Und es fdhwebt ein banger Schauer 
Briitend ob dem dunkeln Stein. 


Tobte hier in Vorzeit-Lagen 

Sidon vie Schlacht im Völker⸗Groll? 
Over wird fie erft gefdlagen, 

Die den Ort verew’gen foll?* — — — 


Und ex griff auf per Harfe langfam einige Accorde : 
— Avalgoth antwortete, leife, wie dads Edo. 

Diefe Tine waren e8, welche Rinig Totila als un- 
ſichtbare Wegfithrer heran [eiteten. 

Sn dicht verwadfnen Pfaden folgte der König nun 
den Klängen, welde aus vem Dunkel einer Cypreſſen⸗ 
gruppe her, Icife, in unregelmagigen Zwiſchenräumen, 
unterbroden von halb gefungnen, halb gefprodnen 
Worten, von zwei deutlich unterſcheidbaren Seitenin⸗ 
ftrumenten ausflingend, vom Nachtwind ihm augetrager 
wurde. 

Unbemerft war Lotila, aud) von dem fanften Mond⸗ 
licht nidjt verrathen, durch die zerfallnen Manern, 


25 





welde die weitlaufigen Anlagen umgeben, in die halb 
verwilderten Lorber⸗ und Gyprefjen-Gange gelangt, melde 
in dad Innere der Garten führten. 

Teja vernahm die Schritte des Nahenden und legte 
pie Harfe nieder. 

„Es ift ber Konig,” fagte ev: id) fenne feinen 
Gang. — 

„Was ſuchſt du hier, mein König?“ 

„Ich fude did), Teja," antwortete diefer. 

Teja fprang auf von der gefallnen Gaule, darauf 
er fag. 

„So gebt’s gum Kampf 

Mein," fagte Totila, „doch verdien’ id) diefen Bor: 
wurf.“ 

Er faßte ihn bei der Rechten und zog ihn liebevoll 
wieder auf den Marmorſitz, fic neben ihm nieder 
laſſend. 

„Ich ſuche nicht dein Schwert, ich ſuche dich. 

Ich brauche dich, aber nicht deinen Arm: — dein 
Herz. 

Nein, bleibe nur, Adalgoth: du darfſt und ſollſt es 
hören, wie man den ſtolzen Mann, „den ſchwarzen Grafen“ 
lieben muß.“ 

„Das weiß ich ſeit ich ihn geſehn. Er iſt wie der 
Dunkelwald, durch deſſen Wipfel geheimnißvolles Rauſchen 
geht: voll Schauer und voll Reiz zugleich.“ 

Teja heftete einen langen Blick auf den König aus 
ſeinen großen, traurigen Augen. 


26 





Sieh, mein Freund, fo viel ift mix geworren, fo 
Reiches hat ver gnadige Himmelsgott mir zugewenret! 

Cin halbverlornes Reid) hab’ ich zurück gewonnen — 
foll id) nicht aud) guritd gewinnen können des Freundes 
halbverlornes Her; ? 

Greilid): der Freund hat vas Beſte gethan bei ver 
Wiedergewinnung des Reichs — er muß auch hier das 
Befte thun. 

Was hat mir vein Herz entfremret ? 

Verzeih mix, wenn ich, wenn mein ſtrahlendes Glück 
vid) gefrantt. 

Ich wei, wem id) die Krone dante: und id) fann 
fie nicht mit Freude tragen, wenn nur dein Schwert, 
nidjt aud) dein Herz; mein eigen. 

Wir waren Freunde, Leja, ehedem — o laf uns 
wieter Freunde fein, denn id) fann did) nicht entbebren.“ 

Und er wollte den Arm um feinen Maden fdlingen. 

Aber Leja faßte feine betden Hände und drückte fie. 

„Dieſer nadtige Gang ebrt dic) mehr als bein 
Siegesgang durch Stalien. 

Die Thrane, die id) im deinem Auge zittern fah, 
ift mehr werth als vie evelfte Perle veiner Krone. 

Vergieh Du mir — ich hatte dir Unrecht gethan. 

Das Glück und dein Helles fröhliches Blut haben 
Dod) deinem Herzen nicht geſchadet. 

Sd habe dir nie gezürnt: id) habe vich ftets geliebt: 
und mit Schmerzen hab’ ich's empfunden, wie unfere 
Wege immer weiter ausetnander gingen. 

Henn im Grunde gehörſt du ded) gu mix: näher 


27 


al8 zu dem waderen Witichis: naber als zu vent leib—⸗ 
(iden Bruder." ) 

„Ja, thy gehört zuſammen,“ fprad Adalgoth, wie 
Licht und Sdhatte.” 

‚Wir empfinden gleich rafd, gleid feurig," fagte Der 
König. 

„Wenn Witichis und Hildebad.“ fuhr Teja fort, den 
geraden Heerweg gingen mit ſtätem Schritt — uns beide 
will der ungeduldige Schwung ſtets wie mit Flügeln 
durch die Lüfte tragen. 

Und weil wir ſo zuſammen gehören, darum ſchmerzte 
es mich, daß du in deinem ſonnigen Glück zu glauben 
ſchienſt: jeder, der nicht lachen könne, wie du, ſei ein 
kranker Thor. 

O mein König und mein Freund: es giebt Geſchicke, 
Schmerzen und Gedanken, — wer die einmal getragen. 
empfunden und gedacht, der hat des Lächelns holde Kunſt 
für immerdar verloren.“ 

Totila ſprach voll ernſter Achtung: 

„Wer ſo heldenſtark wie du jeder höchſten vebens⸗ 
Pflicht genügt, ven darf man beklagen, aber nicht ſchel⸗ 
ten, wenn er des Lebens Freuden ſtolz verſchmäht.“ 

„Und du haſt geglaubt, ich grolle deinem Glück oder 
deiner heiteren Art? 

O Totila, nicht Groll, ach Wehmuth iſt's, mit der 
ich dich und deine Art betrachte. 

Wie uns ein Kind zu Wehmuth rühren kann, das 
da wähnt, Sonne, Leng und Leben währen ewig und 
Winter, Nacht und Tod nicht kennt. 


28 





Du vertrauft dem Sieg und Glück ves Freud’ gen 
in der Welt. 

Sd aber hire ftets ben Flügelſchlag ves Schickſals, 
das, erbarmungslos und taub für Fluch, Gebet und 
Dank, dahin rauſcht fiber die Scheitel ber Menfden und 
ihre Werke.“ 

Und er blidte vor ſich hin in die Macht, als ere 
ſpähe er den Schatten ver heranſchreitenden Zukunft. 

wa, ja," fagte der junge Mundſchenk, ,dbnlid 
lautete ein alter Spruch, welden Sffa anf dem Berge 
fang: er hatte thn vom Obeim Wargs gelernt: 


Auf Olid ift und Unglid 
Die Welt nicht geridtet. 
Das haben nur thorig 
Die Mtenfden erdadt. 
Es will ſich ein ewiger 
Wilke vollenven: 
Ihm vient der Gehorfam, 
Shm dient aud der Trop." 


„Aber.“ fragte der iingling, nadvenflid, „wenn 
wir mit befter Kraft das Unvermeidlide nicht wenden 
mögen, warum regen wir dann iiberhaupt die Hande? 
Warunt erwarten wir dann nicht in dumpfem Briiten, 
was da fommt? Worin ift dann der Unterſchied ges 
legen gwifden Held und Feigling 2" 

Midst tm Sieg ift er gelegen, mein Adalgoth! Su 
ver Art res Ringens und Tragens! 


29 


Nicht vie Gerechtigkeit entfdeidet vie Gefchide der 
Belfer, fondern die Nothwendigkeit. 

Oft ſchon ift ver beffere Mann, das edlere Gefdledt 
Dem Gemeineren erlegen. 

Wohl ift aud) Crelfinn und Edelart eine Gewalt. 

Uber fie find nicht immer ftarf genug gegen die 
Uebermadt anderer dumpfer Gewalten. 

Edelſinn und Edelart und Heldenthum fann immer 
den Untergang wether, verherrliden, nicht aber immer 
thn wenden. 

Und nur das ift ber lebte Troſt: nidt was wir 
tragen, wie wir's tragen verleiht die höchſte Ehre und 
oft gebithrt der Lorber nicht dem Sieger, mehr dem bee 
fiegten Helden.” 

Der Konig ſtützte fich nachdenklich auf fein Schwert 
und ſah zur Erde. 

„Wie viel mußt du gelitten haben, Freund,” ſprach 
ev dann innig, ,bi6 du gu fold’ ſchwarzem Irrthum 
gelangt biſt! 

Du haſt ja deiner Gott im Himmel verloren! 

Mix ware vas viel arger als hatte ich die Gonne 
am Himmel eingebüßt — als ware ich erblinret. 

Sd könnte nicht mehr athmen, könnte ich nicht mehr 
glauben an den geredten Gott, der vom Himmelsthore 
aus herabfdaut auf die Shaten der Menſchen und der 
bie reine, gute Gace zum Siege führt.“ 

„Und Konig Witichis, was hatte ex verbroden, der 
Mann fonder Mal und Makel? 

Und ich felbft und“ — er ſchwieg. 


30 





„Dein Leben ift mir verhüllt fett unferer Trennung 
in frithfter Jünglingszeit“ — 

„Genug davon fiir heut,“ fprad Teja. 

„Mehr hab’ ih dicfe Nacht von tief Innerem aufe 
gededt als fonft in Sabren. 

Es fommt wohl nod die Stunde, aufyudeden, was 
id erlebt unr gedacht. 

Sd möchte,“ fagte er, ber Adalgoths Loden ftreidend, 
»vem jingften und beften Ginger unſeres Boles nicht 
gu frith pen bellen Lon feiner Seiten verdüſtern.“ 

„Wohl,“ fprad der König, aufftehend. „Dein 
Schmerz ift mir hetlig. 

Uber id) bitte, laß uns die ernente Freundſchaft 
pflegen. 

Ich gehe morgen nad) Taginä gu meiner Braut. 

Begleite mid —: wenn dich's nicht frank, mid glide 
lid gu febn mit emer Römerin.“ 

„O nein — e8 rührt mid) — e8 mabnt mid an.... 
— 3h gebe mit dir." — 


Drittes Capitel. 





Bato vavauf traf ver König mit Graf Teja, Adal 
goth und zahlreichem Gefolge in dem Städtlein Tagina 
ein, oberhalb deffen fic) auf fteiler, dichtbewaldeter Fels⸗ 
höhe das Rlofter ver Valerier erhob, in weldem Valeria 
nod) immer ihren Wufenthalt fortfepte. 

Der Ort hatte feine Schauer für fie verloren: nidt - 
nur purd) aufere, durch innere Gewöhnung: ihre Seele 
gerieth, widerftrebend, aber ſicher, unter die Cinflitffe ver 
exnften Mächte diefer Statte. 

Wis file dem König bet deffen Eintritt in den Kloſter⸗ 
garten entgegen fam, ſchien ihm ihre Farbe viel bleicher, 
iby Gang viel langfamer als fonft. 

„Was iſt mit vir? ſchalt ex zärtlich. 

„Als unſer Gelübde faſt nicht mehr erfüllbar ſchien, 
da hielteſt du Muth und Hoffnung hoch. 

Und nun, da der Geliebte die Krone dieſes Reiches 
trägt und faſt nur in Einer Stadt noch der Feind den 
Boren Italiens tritt, jest willſt du ſinken und ver— 
zagen?“ 


32 





„Nicht verzagen, Freund,“ fprad Valeria ernft. 
Aber Entfagen. Nein, hive mid nur in Geduld. 

Weßhalb verfdwieg(t du mir, was ganz Stalien vox 
feinem König weiß und wiinfdt? 

Der Konig ver Weftgothen gu Toletum hat dir fein 
Waffenbündniß gegen Byzanz und feiner Tochter Hand 
geboten. 

Das Reich wünſcht und erwartet, daß du beides 
annimmſt. 

Ich will nicht ſelbſtiſcher ſein, denn jene hochſinnige 
Tochter eures Volks, Rauthgundis, ves Bergbauern 
Kind, von der ſchon eure Sänger ſingen und ſagen auf 
den Straßen. 

Und ich weiß: auch du kannſt Opfer bringen, wie 
jener ſchliche Mann, der euer glückloſer König war." 

„Ich hoffe, daß ich's könnte, müßt' es ſein. 

Zum Glück aber muß es nicht ſein. 

Ich brauche fremde Hülfe nicht. 

Bid’ um dich. Oder vielmehr blick' einmal hinaus 
über dieſe Kloſtermauern. 

Nie hat das Reich geblüht wie jetzt. 

Noch einmal biete ich dem Kaiſer die Hand zum 
Frieden. 

Weiſt er ſie abermals zurück, dann entbrennt ein 
Kampf, wie er ihn noch nicht geſehn. 

Bald muß Ravenna fallen: — wahrlich, meine Macht 
und mein Muth ſind nicht zum Entſagen angethan. 

Die Luft in dieſen Mauern hat endlich deine feſte 
Kraft erweicht. 


33 


Du follft mir fort von hier: — wähle dir die ſchönſte 
Stadt Staliens zum Wufenthalt — lag’ ung dein Batere 
Haus in Neapolis ernenen.” 

„Nein. Lak’ mid) bier. Ich liebe nun diefen Ort 
und feine Rube.“ 

„Es ift die Rube des Grabes! 

Und weift du wohl, dag div entfagen bem Gedanken 
meines Lebens entfagen hieße? 

Du bift mir das lebendige Symbol all’ meiner Plane = 
du bift mix Stalia felbft. | 

Du follft ves Gothentsnigs eigen werden: völlig, 
unentreigbar. 

Und Gothen und Stalier follen fid) ihren Konig und 
thre Königin zum Vorbild nehmen: fie follen ein’ und 
glücklich werden wie wir. 

Nein — feinen Cinwand — feinen Buweifel mehr! 
Go erftid’ id ihn.” 


Und er umarmte und fiifte fie. — 


Ginige Tage darauf traf Sulius Mtontanus, von 
Genua und Urbinum her, ein. 

Der Konig ging ihm mit feinem Gefolge vor dem 
Kloſtergarten entgeger. 

Lange hielten fic) die Breunde fpradlc3 umfangen. 

Teja ſtand an ihrer Seite und betradjtete fie mit 


ernftem Blide. 
Dabhn, Cin Kampf um Rom. IV. 3 


34 





„Herr,“ fliifterte Adalgoth, wer iſt ber Dann mit 
ben tief fiegenden Auger. 

Cin Mind 2" 

„Innerlich, nidt von Augen!“ 

„Ein fo junger Mann mit dem Blick ved Alters! 
Weißt vu, wem ev gleid fieht? 

Dem Bilde dort auf Goldgrund im vem Mofters 
gang." 

wa wohl: dent fanjten, traurigen Gaupte dort, dem 
Apoftel Johannes.“ 

dein Brief,“ fprad Sulins, ,fand mich ſchon ents 
ſchloſſen, hieher zu kommen.“ 

„Du wollteſt mid — Valeria fuchen 2” 

„Nein, Totila: ich fam, mich prüfen und weihen gu 
laſſen von Caſſiodor. 

Der fromme und heilige Mann, der unſer Jahr⸗ 
hundert mit ſeinen Wundern erfüllt, Benedict von Nurſia, 
hat ein Kloſter gegründet, das mid) mächtig angiebt.* 

„Julius, das darfſt du nicht! 

Welch ein Geiſt der Flucht aus der Welt hat meine 
Nächſten ergriffen. 

Valeria: — du: und Teja.“ 

„Ich fliehe nichts,“ ſagte dieſer, „nicht einmal die 
Welt.“ 

„Wie kommſt du,“ fuhr der König fort, den Freund 
am Arme gegen den Eingang des Kloſters führend, „in 
Der Blüthe ver Jahre gu dieſem Gedanken ves Selbſt⸗ 
mords? 

Siehe, dort naht Valeria. 


30 





Gie mug mir elfen, dich belehren. 

© hatteft bu je bie tebe gefannt — du würdeſt 
nidt der Welt ven Rücken wenden.” 

Sulius lächelte und ſchwieg. 

Ruhig fate er Valeria’s freudig gebotne Hand und 
ſchritt mit ihr in die Kloſterthür, wo ihnen Caffiodor 
entgegen fam. — 

Nur mit Miihe gewann vie Beredfamfeit ves Königs 
rem Freunde das Verjpreden ab, nad einigen Tagen 
ven greifen Gaffiodor nad Byzanz gu begleiten. 

Julius fdeute ven Glanz. ven Lärm, die Sünde 
des Raiferhofs, bis endlid) ras Beifpiel Caſſiodors ihn 
überwand. 

„Ich meine,” ſchloß der König, ,man kann in der 
Welt mehr gottgefällige Werke thun, als im Kloſter. 

Ein ſolches frommes Werk iſt dieſe Geſandtſchaft, 
welche zwei Reichen neuen Krieg erſparen ſoll. 

„Gewiß,“ ſagte Julius. „Der König und Held kann 
Gott dienen wie der Mönch. 

Ich tadle deine Art des Dienſtes nicht: — laß mir 
die meine. 

Und mir iſt: dieſe unſre Zeit, da eine alte Welt 
unter ſchweren Schauern verſinkt und eine neue unter 
rauhen Stürmen aufſteigt, da alle Laſter des verfaulten 
Heidenthums mit aller Wildheit ver Barbaren ſich vers 
miſchen, da Ueppigkeit, Fleiſchesluſt und blut'ge Gewalt 
pas Morgen⸗- und das Abend-Land erfüllen, — da iſt es 
wohl gethan, weltferne Stätten zu gründen, wo Armuth, 
Reinheit und Demuth wohnen dürfen.“ 

3* 


36 





„Mir aber ſcheinen Prat, LiebeSglitd und freudger 
Stolz feine Siinde vor dem Himmelsgott. 

Was meinft du von unfrem Streit, Freund Teja 

„Er hat keinen Ginn fiir mid,“ fprad viefer ruhig. 
„Denn ener Gott ift nidt ver Meine. Aber fdweigt 
davon. Dort nabt Valeria.” 


Am Abend wor der Abreife ver beiden Gefandten 
nad) Firmum, wo fle fidh nad Byzanz einſchiffen follten, 
fiibrte Caffiopor die Greunde nod) nad einer Capelle, 
weldje er, dicht bet vem Rlofter, auf der gerade gegen- 
fiber ragenden hohen Felstuppe des namliden Berges 
erbaut hatte. 

„Es wird dir dort gefallen, mein Totila,” hatte 
Valeria gefagt. 

Vor Sonnenuntergang gerade erreidten die Freunde 
pen Gipfel des einfam ragenden, runden Felsfopfes. 

Diefer, mitten in dem Hiigelgrund gu fteiler Hobe 
auffteigend, gewährte ben freieften Anbli€ über das 
blithende picentinifde Land. 

Sm Norden und Often begrenzten den Blid die 
pradjtoollen Serraffen des Apennins mit jenen claffifden, 
ftilvollen, grofartig rubigen Formen, wie fie nur der 
italifdjen Landſchaft eigen. 

Sn Weften ſchimmerte im Glanz der ſinkenden 
Gonne, wie cin foftbarer goldner Giirtel, durch dad 


37 


Grün ver Gefildbe ver Flug Clafius, in welden hier 
pie beiden kleineren, Sibola und Rafina, münden. 

Sm Gilden glingte aus ven Bergen von Muceria 
her der Linia- Flug durch üppiges Gelande. 

Denn unter diefem lachenden Himmel hatte eine 
reide Werndte, das Wunderjahr Totila’s, vie Spuren ber 
fritheren BVerwiiftung und Verddung rafd und völlig 
vermifdt: viele hunderte von weißen Marmor⸗vVillen, 
von Sdliffern, von Wohn- und Wirthfdaftsgebaiuden 
faufdten aus dem Dunfelgriin des Lorbers, aus bem 
Silbergrau der Oliver, aus bem endloſen Gerant der 
Reben. | 

Gin uralter Wartthurm, vielleicht aus vorrömiſcher 
Beit, ragte an vem Südabfall des Hangs: deffen Gee 

maner fomwie der ganze Hiigelritden war von Epheu, 
Feigen, Wein, Caftanien in reizender Verwildrung itbers 
zogen. 

Die Sonne aber, welche nun raſch verſank, warf 
ein glühendes dunkelrothes Licht, warf einen Purpur⸗ 
mantel über die weite Ebne, indeß auf den fernen Höhen⸗ 
zügen, den plaſtiſch klaren, dem Terraſſenbau der ita⸗ 
liſchen Natur, eine violette Duftſchicht lag. 

Ueberraſcht, geblendet ſtanden Alle. 

Niemand fand die Worte für ſo viel Schönheit. 

„So was dergleichen ahnte id) in Italia,“ flüſterte 
Adalgoth gu Graf Leja, „wenn ich vom Iffinger oder 
gar von der Mentula gen Südweſten ſah. Aber es iſt 
doch viel ſchöner als ich geahnt.“ 

Der König aber rief: „Und hab' ich nun nicht recht, 


38 





Teja, daß ic) dies Land liebe wie eine Brant? daß id 
e8 unferm Volk erhalten will um jeden Preis? 

Wahrlid, diefer Ort ift vie befte Rechtfertigung 
meines Trachtens! 

Himmliſche Lüfte, - goldenes Licht umſchweben die 
Stitte!" — — 

Und mit lebhaftem, gerithrtem Blick fubr ex fort: ,ja 
hier, ihy Freunde, hier, Caffiodor, will id) dereinſt 
begraben fein!“ 

Und er legte bie Rechte auf einen uralten mächtigen 
Sarkophag von verwittertem, dunklem Marmor: der 
Dedel veffelben lag zerbrochen daneben auf der Erde: 
wild’ wudernder Epheu hatte bas Innere des Sarges 
gam, erfüllt. 

„Welch ſchönes Zufammentreffen,” fprad Caffiodorius 
ern{thaft. 

„Weißt Du, wie diefer Ort feit Alters heißt? 

Spes bonorum, „der Guten Hoffnung”. 

Und weißt ru, wer, der Sage nad, in diefem Sarge 
gerubt ? 

Gin anverer weifer, mildfeliger Friedensfürſt: ure 
fpriinglid) wohl ein uralter tuétifder König: fpliter bat 
pie Sage des Landvolfs Numa Pompilins, den giitigen, 
daraus gemadt. 

Gin uraltes Heiligthum ves Friedens, eine Statte 
des Gegens und der Bufludt haben ſchon die Heiden 
hier verehrt: meine neugebaute Gapelle babe id) bet dem 
Ausbrud ves Krieges Emmanuel dem Friedensgott gee 
weiht. 


39 


Höchſte Chre würde e8 meiner einen Capelle, 
wollteft Du, Friedens⸗-⸗König, fie gu deiner MRubeftatte 
wählen.“ 

ein," rief Totila, ‚vergieb mir, ehrwürdiger Vater! 
Nicht in der dumpfen Krypta deines Baus, — hier, unter 
dem blauen Dach des auſoniſchen Himmels, hier will 
ich ruhn,“ — und er ſchlug auf den Sarkophag. — 

„Auf dieſer lichten Höhe, umſpült vom goldnen Licht, 
überragt von nickendem Lorber, unter der Vögel ſüßem 
Geſang. 

Ich werde mich wohl vertragen mit den Manen des 
Friedenskönigs. 

Hört, ihr meine Freunde, das iſt mein Wille. 

Höre du zumal: deſſen Jugend uns alle überleben 
muß, Adalgoth, mein Liebling!“ 

Ber denkt an bie Nacht bet heller Mittagefonne!* 
rief Adalgoth. 

ote Whnungsvollen,” fagte Teja. 

„Seht, wie rafd vie Gonne verfdwand und iby 
warmes, freudiges Goldlicht. 

Cine Purpurdede, wie ein rothes, blutiges Leidentuch, 
vedt ſchon das Bhal von Tagina. 

Und die veildhenblauen Schatten find fdon faltes 
Schwarz geworden und fallen pliglid) herein! Go rafd! 

Und rafder nod, als in Ddiefem Land die Nacht, 
bridt ein, in allen Landern, das Sdhidfal und ber Tod.“ 


Viertes Capitel. 





- Un rem gleicen Abend, da Wdalgoth im Gefolge 
bes Königs vie Gonne finfen fah ber das mittelitaltfde 
Land auf der spes bonorum, ftand aud) in ſchimmer⸗ 
vollem Gonnenuntergang auf dem Südabhang des Ifing⸗ 
berges auf ihren Stab gelehnt Gotho, vie Hittin. — 

Um fie her hüpften und weideten die Schafe und 
drängten fid) allmaltg mitde gufammen um die Hüterin, 
ver Heimfehr nad) dem Senn⸗Haus gewartig und bee 
gterig- 

Aber fle harrten und blökten umfonft. , 

Denn vas ſchöne Kind beugte fich von mofigem Stein 
an dem Mand ves filberflaren Gebirgsquells emfig vor: 
‘in ihrer Leder⸗Schürze lagen gehäuft die ſchönen, würzig 
duftenden Blumen ver Berghalde: ver Chymian, die 
Wegrofe, vie Münze, die am feudhten Saume des Rinne 
jal8 fprieft, und der tiefblaue Engian. 

Und fie fann und fprad mit fic ſelbſt und mit 
ihren Blumen und den hurtig enteilenden Wellen. 

Und fie warf die Blumen in den rinnenden Onell: 


41 


bald einzeln, bald fleine Sträuße und halbfertige 
Kaine. — — 

wie viele,” fagte das Rind vor fid hin in die Wellen 
und warf die langen, gelben Zöpfe über die Schultern, 
wwie viele von euch bab’ ic) ſchon ausgefentet, ihn gu 
griigen ! 

Denn nad Süden ift er gegogen und nad Süden 
binab rinnen dieſe fdnellen Wafer. 

Aber id) weiß nicht, ob ihr's beftellt: — denn er 
ift immer nod nicht heim gefommen. : 

Shr aber, wie thr eud) hebt und fentet im Tanz rer 
Wellen, ihr winket miv, euch zu folgen. 

Sa, wer euch folgen könnte! 

Over ven Fiſchlein, bie da hinab ſchießen wie punfle 
Pfeile! 

Over den flinken Bergſchwalben, vie durch die Luft 
ſchwirren, frei wie die Gedanken! 

Oder den rothbeſchwingten Abendwolken, wenn Re der 
Bergwind rajd gen Silden tragt! 

Aber am Sicherſten fande thn freilich pas Der der 
Sucherin felber, dürft' ich, die Halde verlaffend, ibm folgen 
in’8 ferne, in’8 fonnige Land. — — 

Aber was follte id) da unen? 

Die Hirtin unter den Männern des Krieges, unter 
ren Eugen Frauen des Hofs! 

Und ich feb’ thn ja dod) wieder! | 

So fider ich die Sonne dod) wiederſehe, ob fie vers 
ſchwand hinter jenen Bergen. 

Man weiß, man fieht fie wieder. 


42 





Und dennod: — Sehnfucht füllt vie Reit bon ihrem 
Sheideftrahl bis yu ihrem Wiedergrug.“ 

Da tinte vom Senn-Haus her ein weit vernehmlicher, 
rauher Schall: ein Stoß in das gewundne Widderhorn. 

Gotho fah auf: e8 war dunfler geworden: fie fab 
{don durch die offne Thür das rothe Herdfeuer glühn. 

Die Schafe erwiderten das wobhlbefannte Beichen mit 
(auterem Blöken, vie Ripfe gegen tas Senn⸗Haus und 
tie Stalle reckend. 

Der braune, gottige Hund fprang bellend, mahnend 
an ihr hinauf. 

„Ich gehe ſchon,“ lächelte ſie, die Mahner beſchwichtend. 

„Ach, — eher werden die Schafe der Weide ſatt, als 
die Schäferin ihrer Gedanken. 

Nun vorwärts, Weik-Eljden! Jetzt biſt ou ſchon 
ſtattlich!“ 

Und ſie ſchritt den Hang hinab, der Thalmulde 
zwiſchen den beiden Berghäuptern zu, in welcher das 
Haus und die Ställe Schutz fanden vor Wind und 
Lawinen. 

Hier blendete nicht mehr der Glanz der Sonne. 

Schon wurden vie Sterne fichtbar. 

Gie fah innig hinauf. 

„Sie find fo ſchön, weil er fo oft fle angeblidt.” 

Da ſchoß ein Stern und fiel raſch gegen Süden. 

„Er ruft mid! dorthin,“ ſprach Gotho gufammenbebend. 

„Wie gern würd' id) ihm folgen !“ 

Und rafder trieb fle die Schafe an, werforgte fie in 


43 





vem Stalle und fdritt in das große, einjige Gemach 
des Erdgeſchoſſes im Wohnhaus. 

Da fand fie den Großvater ffa ausgeftredt auf dem 
Steinſimms nahe an dem Herdfener, die Füße zugedeckt 
mit zwei grogen Barenfellen. 

Er ſah bleicher und alter als fonft. 

„Setze did) hier neben mid, Gotho,“ fagte er „und 
trink, hier iſt Milch mit Honig gemiſcht — und höre 
mir zu. 

Die Zeit iſt nun gekommen, von der ich dir lange 
geſagt. 

Wir müſſen ſcheiden. 

Ich fahre heim. 

Vor meinen müden alten Augen flimmert nur mehr 
trũb bein liebes Angeſicht. 

Und als ich geſtern noch ſelbſt zum Quell hinunter 
ſteigen wollte, Waſſer zu ſchöpfen, brachen mir die Kniee. 
— Da fpiirte ih: es iſt nahe. 

Und ich ſchickte den Gaisbuben-hinüber nad Teriolis 
mit Botſchaft. 

Du aber ſollſt nicht zugegen ſein, wenn die Seele 
aus des alten Iffa Munde fährt. 

Es iſt nicht ſchön, das Menſchen⸗Sterben — ich 
meine den Stroh⸗Tod. 

Und du haſt noch nichts Trauriges geſehn. 

Der Schatte ſoll nicht fallen auf dein junges Leben. 

Morgen vor Hahnenkrat kommt der tapfre Hunibad 
herüber von Teriolis, dich abzuholen — er hat mir's 
zugeſagt. 


44 





Bwar nod) nicht find feine Wunden ausgeheilt: — 
er ift nod) ſchwach — aber er fagt: es läßt ibn nid 
mehr in Muße fliegen, da, wie es heift, her Kampf bal 
wieder [08 geht mit den Feinden. 

Er will zu Kinig Totila nad Rom. 

Und dahin mußt and du mit widt’ger Botfdaft. 

Und er foll dein Wegfdirmer und Wegführer fein. 

Pinte fefte Cohlen aus Buchenrinde unter detue 
Füße: denn weit ift rein Weg. 

Und Brun, ter Hund, mag euch beide begleiten. 

Und nimm vie Taſche dort aus ftartem Riegenterer, 
darin find feds Goldftiide nod von — von Aralgoths — 
pon eurem Vater: — fie find Adalgoths: — aber du 
rarfft fdon ravon gebrauden — fie werden reichen bid 
Rom. 

Und nimm dir ein Bündel duftigen Berghen's vom 
Iffinger-Hang mit und lege nachts den Kopf darauf: 
fo wirft Du beffer ſchlafen. 

Und haft pu nun Bom gefunden und das goldne 
Haus ves Königs darin und trittit du ein im feinen 
Sal, fo fiehe, welder ver Manner einen golonen Reif 
um Die Gtirne tragt und von weffen Brauen e8 milde 
nieter glänzt wie Morgenliddt von den Berghöhen — 
der, ift tann König Totila. 

Und dann beuge bas Haupt vor ihm: — aber nur 
ein wenig, und nidt die Kniee: denn du bift eines 
freien Gothen freies Rind. 

Und dann übergiebſt bu dem König diefe Rolle, die 


45 





ih bier fett vielen Sommern getrenlid) verwahrt: — fie 
ift von Obeim Wargs, den ver Berg begraben hat.” 

Und der Alte hob einen Riegel ans dem fteinernen 
Unterbau, welder den Gerdfodel mit dem hart geftampften 
Erdboden verband, und Holte aus vem dunfeln Raum 
eine Papyrosrolle hervor, die forgfaltig verfdnitrt und 
verfigelt, in ein gleichfalls befdriebnes und mit feltjamen 
Sigeln darüber gefeftigtes Pergament gefdlagen -war. 

„Hier,“ fagte er, ,,died8 Gefdyreibfel wahre gut. 

Dies Ueugere, was da auf der CfelShaut fteht, vas 
hab’ ih dem langen Hermegifel dritben in Majä, der 
ſchreiben kann, vorgefprodjen, gu ſchreiben: er bat mir 
geſchworen, Davon zu fdweigen, und er hat's gebalten: 
nun fann er gar nidt mehr reden unter dem Rirdengang 
bervor, wo fie thn begraben. 

Ou aber und Hunibad — thr könnt nicht lefen. 

lind das ift gut. | 

Denn gefabrlid) könnt e8 werden fitr did) und — 
einen Andern, wenn friiher, bevor der milde und ges 
reste König Totila vavon erfabrt, die Leute erfithren, 
was die Rolle da weiß. 

Bumal vor den Walfden birg die Rolle. 

Und frage in jeder Stadt, wo du eingiebft, ob fie berge 
Cornelius Cethegus Cafarius, den Prafecten von Rom. 

Und fagen die Thorwächter ja, — dann wende dich auf 
dem Abſatz und, wie mitre du bift und fo fpat ſchon 
die Nachtſtunde oder fo glühheiß ver Mittag, — wandre 
davon, bis du drei Wafer zwiſchen dir aft und dem 
Mann Cethegus. 


46 





Und nicht minder als dies Gefdreibfel — du flebft, 
id) drückte ftatt des Sigel Baumharz darauf, wie es 
aus ren Tannen trauft und unfere Hausmarfe rigt’ id 
drein, wie fte unfer Vieh und Fahrniß trägt — nidt 
minder wahre bie’ — dies alte, theure Bold." 

Und er fangte aus tem Hoblranm die Halfte eines 
breiten Goldreifs, wie fie die Gothen Helden um die 
nadten Arme trugen. 

Ehrfurchtsvoll küßte er das Gold und die wuvoll- 
ftandige Runenſchrift varauf. 

„Das ftammt nod) von Theoderich, dem grofen König, 
und von ihm — meinem theueren — Sohne Wargs. 

Merke: — bas gehört Adalgoth. 

Und ift fein allerbeftes Erbe. 

Die andre Halfte ves Ringe’ — und ved Spruches 
varauf — hab’ id) vem Rnaben mitgegeben, da ich ihn 
fort geſandt. 

Und hat ver Rdnig vas Gefdyreibfel gelefen und ift 
Adalgoth in ver Mahe — wie er fein mug, wenn er 
meine Gebote befolgt — dann rufe vx Avalgoth berber 
und fiiget Halbring an Halbring und heiſchet des Königs 
Sprud). 

Gr foll tug und far und mild und alldurchſchauend 
jetn, wie der Sonnenſchein 

Gr wird ben rechten Spruch finten. 

Gindet ev ihn nidt, dann findet ihn Reiner. 

Nun lege mir nod) einen Kuß auf jedes meiner ſehe⸗ 
müden Augen. 

Und “nun gehe bald gum Frühſchlaf. 


47 





Und ver Himmel>Fiirft und alle feine lichten Wugen, 
Gonne, Mond und Sterne, mögen ſchau'n auf deinen 
Weg. 
Und baft pu Avalgoth gefunden und lebft du mit 
ihm in den kleinen Gemächern der dumpfen Haufer, in 
den engen Städte⸗Straßen, und wird e8 eud) dort unten 
yu Hein und gu dumpf und gu eng, — dann denft an 
eure Rindertage bier auf dem hohen Sffing. 

Und es wird eud) anwebn wie friſche Bergluft.“ 

Sdweigend, ohne Widerrede, ohne Furdt, ohne 
Frage harte und gehorchte das Hirtentind. 

„Fahr wohl, Großvater!“ fagte fie, ihn anf die 
Augen fiffenv. 

Dant für viel Lieb’ und Treue.“ 

Aber fie weinte nit. 

Sie wufte nidt was Sterben ift. 

Und fie trat von ihm weg auf die Sdwelle des 
Sennhauſes: und fie blidte hinaus in die nun tief ernft 
gewordne Berglandfdaft. 

Kar war der Himmel, die Gipfel ver Verge ringsum 
glingten tm Mondlicht. 

‚Lebt wohl,“ fprad fie, ,du Sffinger! und du, 
Wolfshaupt! Und du, alter Itiefenfopf! 

Und du va drunten, hell auffdhimmernde Paffara! 

Wißt ihr's ſchon? 

Morgen gehe ich von euch Allen. 

Aber ich gehe gern. 

Denn ich gehe zu ihm!“ 


Fiinftes Capitel. 





Und nad vielen Woden tamen Caſſiodor und Fulins 
zurück von Byzanz und brachten — fetnen Frieden. 

Caſſiodor ging fogleid) nad der Landung zu Grim: 
pufium, Welt⸗ und Wege⸗müde, in fein apuliſch Kloſter, 
Sulius allein die Beridterftattung an den Konig in Rom 
überlaſſend. 

Totila empfing ihn auf dem Capitol, in Beiſein der 
erſten Heerführer. 

„Anfangs,“ erzählte dieſer, ,waren die Ausſichten 
günſtig genug. 

Der Kaiſer, welcher früher gothiſche Geſandte von 
Witichis gar nicht vor ſein Angeſicht gelaſſen, konnte dem 
größten Gelehrten des Abendlandes, konnte Caſſiodors 
Weisheit, Frömmigkeit und Milde ſeinen Palaſt nicht 
verſchließen. 

Wir wurden ehrenvoll und freundlich empfangen. 

Gewichtige Stimmen, fo Tribonianus und Prokopius, 
ſprachen für den Frieden im Rathe des Imperators, 
der ſelbſt dazu geneigt ſchien. 


49 


Seine beiden grofen Feldherrn, Narſes und Belifar, 
beſchäftigten zugleich an verfdiedenen Puncten der ftets 
bedrohten Oſtgrenze des Reich die Kämpfe mit Perfern 
und mit Garacenen. 

Die Unternehmungen in Stalien und Dalmatien 
aber batten fo große Opfer gefoftet, und fo lange Beit 
gewabrt, daß bem Raifer ver Gothenfrieg verleidet war. 

Bwar gab er den Gedanten der Wiedergewinnung 
Staliens wohl fdwerlid) ganz auf. 

Aber er erfannte die Unmöglichkeit ver Durchführung 
flix bie nadfte Zufunft. 

Gr ging daher gern auf die Friedensverhandlungen 
ein und nahm unfere Borfdlage sur Ermagung ent⸗ 
gegen: thm ſchwebte zunächſt fretlid) nod, wie er und 
fagte, eine vorlaufige Theilung der Halbinfel bis an 
ven Padus vor: das weitaus größte Stiid des Landes 
im Gilden diefed Fluffes follte bem Raifer, dad Gebiet 
im Norden ven Gothen zufallen. 

Mit guten Ausfidten Hatten wir eines Mittags den 
Kaiſer und den Palaft verlaffen. 

Die Audienz war giinftiger ausgefallen als alle 
{ritheren. 

Aber am Abend des gleicen Tages wurden wir 
überraſcht durch den Curo-palata Marcellus, welder uns 
von den Palaft-Stlaven die üblichen Wbfdjtedsgefdente 
überreichen ließ: — dad unverfennbare Zeichen des Abs 
bruds der Verhandlungen. 

Beſtürzt über viefe plötzliche Wendung,“ fubr Julius 
in ſeinem Bericht fort, „beſchloß Caſſiodorius, Zeichwehl. 

Dahn, Cin Kampf um Rom, IV. 


30 


um bes Friedenswerkes willen, dad Aeußerſte yu wagen: 
namlid, nad) Ueberreichung rer Abſchiedegeſchente. noch 
eine Audienz bei dem Kaiſer zu ſuchen. 

Der hochangeſehne Tribonianus, von jeher ein Geq⸗ 
ner dieſes Krieges und Caſſiodors verehrungsvoller 
Freund, ließ ſich bewegen, für uns um dieſe unerhörte 
Gnade nachzuſuchen. 

Die Antwort war vie höchſt ungnädige Drohung der 
Verbannung, wenn er nod einmal gegen den Har ane 
gedeuteten kaiſerlichen Willen Etwas erbitten werre. 

Nie, niemalS werde der Raifer mit den Barbaren 
Frieden fdliegen, bid fle nidt jede Scholle ded Reiches 
verlaffen: nie werde er die Gothen in Stalien anders 
penn al8 Feinde betradhter. 

Vergebens bemühten wir uns," ſchloß Julius feine 
Erzählung, ,etne Urjache des plötzlichen Umſchwungs gu 
entdecken. 

Nur das erfuhren wir, daß nad unferer Mittagk⸗ 
Audienz die Kaiſerin, welche jetzt vielfach leidend ſein 
ſoll, ihren Gemahl zur Tafel in ihre Geniächer gee 
laden. 

Aber es ſteht feſt, daß vie Kaiſerin, früher befannt- 
lid) die eifrigſte Schürerin des Krieges, ſeit gerammer 
Zeit nicht mehr für den Kampf, ſondern für den Frieden 
ſprach.“ 

„Und was,“ fragte der König, der ernſt, aber cher 
drohend als beſorgt, der Erzählung zugehört hatte — 
„was verſchafft mir die Ehre einer ſolchen Umſtimmung 
der Circus⸗Dirne?“ 


51 


wean fliftert: fiir ir Geelenbeil tmmer mebr bes 
forgt, will fie alle Geldmittel nicht mehr auf ven Rrieg 
verwendet wiffen, deffer Wusgang fie faum nod) gu ers 
feben hofft, fondern auf Stirdenbauten, zumal anf 
Vollendung der Sopbhientirde — mit deren Grundriß anf 
ver Bruft will fie begraben fein." 

„Wohl als mit ihrem Schild gegen den Born des 
Herrn bei ver Wuferftehung ver Todten! 

Die Dirne will ven lieben Gott mit den hundert 
Kirchen entwaffnen und mit den bezahlten Roftenreds 
nungen befteden. Welchen Wahnſinn brittet viefer Glaube 
aus," fprad) finfter für fid) Leja. 

„Und fo fanden wir feinerlet Spur. 

Denn feine Spur darf ic) e8 nennen, was nur wie 
ein Schatte, obencin vielleidht eines Srrthums Schatte, 
an mir vorüber bufdjte.” 

„Was war vas?" forfdte Teja aufmertfam. 

„Als id) ſpät Abends den Palaft verließ, Tribonians 
ungiinftigen Befdeid bet mir ermagend, ward eine vere 
golvete Sänfte ver Raiferin von deren fappadofifden 
Sflaven rafd von dem Viereck ver Garten her — dads 
ift Theodora’s Palaft — an mir vorüber getragen. 

* Der vergitterte Laden ward etwas in vie Hohe gee 
ſchoben von dem Getragenen — id fah hin: und es war 
mir als erfenne id) —“ 

„Nun?“ fragte Leja. 

„Meinen unfel’gen vaterliden Freund, den verfdollnen 
Cethegus ," ſchloß Sulius traurig. 

„Schwerlich,“ meinte der Konig. 

4* 


46 





Und nicht minder al8 dies Geſchreibſel — du ſiehſt, 
id) vriidte ftatt des Sigels Baumharz darauf, wie cs 
aus ren Tannen trauft und unfere Hausmarke rit’ id 
brein, wie fte unfer Vieh und Fahrniß tragt — nidt 
minder wabre died’ — died alte, theure Wold.“ 

Und er fangte aus tem Hoblranm vie Hilfte eines 
breiten Goldreifs, wie fie vie Gothen-Helden um die 
nadten Arme trugen. 

Chrfurdhtsvoll küßte ex das Gold und die unvoll- 
ſtändige Runenfdrift darauf. 

„Das ſtammt nod von Theoderich, dem großen König, 
und von ihm — meinem theueren — Sohne Wargs. 

Merke: — das gehört Adalgoth. 

Und iſt ſein allerbeſtes Erbe. 

Die andre Hälfte ves Ringes — und ves Spruches 
Darauf — hab’ id) dem Knaben mitgegeben, da id) ihn 
fort gefandt. 

Und hat der König das Gefdhretbfel gelefen und ift 
Adalgoth in ver Nahe — wie er fein mug, wenn ex 
meine Gebote befolgt — dann rufe du Avalgoth herbert 
und füget Halbring an Halbring und heiſchet des Konigs 
Spruch. 

Er ſoll klug und klar und mild und alldurchſchaueud 
ſein, wie der Sonnenſchein 

Er wird den rechten Spruch finden. 

Findet er ihn nicht, dann findet ihn Keiner. 

Nun lege mir noch einen Kuß auf jedes meiner ſehe⸗ 
müden Augen. 

Und “nun gehe bald gum Frühſchlaf. 


47 





Und ver Himmel-Fiirft und alle feine lichten Wugen, 
Gonne, Mond und Sterne, migen fdau'n auf deinen 
Weg. 

Und haft du Adalgoth gefunden und lebft du mit 
ihm in den Heinen Gemadern der dumpfen Haufer, in 
pen engen Städte⸗Straßen, und wird e8 end dort unten 
gu fein und gu dumpf und zu eng, — dann denkt an 
eure Rindertage bier auf dem hohen Sffing. 

Und e8 wird euch anwehn wie friſche Bergluft.“ 

Schweigend, obne Widerrede, ohne Furdt, ohne 
rage Harte und gebordte das Hirtenfind. 

„Fahr wohl, Großvater!“ fagte fie, ihn auf die 
Augen tiiffend. 

Dank für viel Lieb’ und Treue.“ 

Aber fie weinte nidt. 

Gie wufte nidt was Sterben iſt. 

Und fie trat von ihm weg anf die Sdwelle des 
Gennhaufes: und fie blidte hinaus in die nun tief ernſt 
gewordne Berglandſchaft. 

Klar war der Himmel, die Gipfel ver Verge ringsum 
glangten im Mondlidt. 

‚Lebt wohl,“ fprad fie, ,du Sffinger! und du, 
Wolfshaupt! Und du, alter Itiefenfopf ! 

Und du da drunten, bell aufſchimmernde Paſſara! 

Wißt ihr's ſchon? 

Morgen gehe ich von euch Allen. 

Aber ich gehe gern. 

Denn ich gehe zu ihm!“ 


Fünftes Capitel. 





Und nad vielen Woden tamen Caffioror und Zulius 
guriid von Byzanz und brachten — feinen Frieden. 

Gaffiodor ging fogleich nad der Landung zu Bram: 
duſium, Welt- und Wege-mitde, in fein apulifd Kloſter, 
Sulius allein die Beridterftattung an den König in Rom 
überlaſſend. 

Totila empfing ihn auf dem Capitol, in Beiſein der 
erſten Heerführer. 

„Anfangs,“ erzählte dieſer, ‚„waren die Ausſichten 
günſtig genug. 

Der Kaiſer, welcher früher gothiſche Geſandte von 
Witichis gar nicht vor ſein Angeſicht gelaſſen, konnte dem 
größten Gelehrten des Abendlandes, konnte Caſſiodors 
Weisheit, Frömmigkeit und Milde ſeinen Palaſt nicht 
verſchließen. 

Wir wurden ehrenvoll und freundlich empfangen. 

Gewichtige Stimmen, fo Tribonianus und Profopius, 
ſprachen für den Frieden im Rathe des Imperators, 
der ſelbſt dazu geneigt ſchien. 


49 


Seine beiden grofen Feldherrn, Narſes und BVelifar, 
beſchäftigten zugleich an verfdhiedenen Puncten der ftets 
bedrohten Oftgrenze des Reich die Kämpfe mit Perfern 
und mit Garacenen. 

Die Unternehmungen in Stalien und Dalmatien 
aber batten fo groge Opfer gefoftet, und fo lange Beit 
gewabrt, daß dem Raifer der Gothenfrieg verleidet war. 

Bwar gab er den Gedanfen der Wiedergewminnung 
Staliens wohl ſchwerlich ganz auf. 

Aber ex erfannte die Unmiglicdleit der Durchführung 
flix die nadfte Zutunft. 

Er ging daher gern auf die Friedensverhandlungen 
ein und nahm unfere Vorſchläge zur Erwagung ent: 
gegen: ihm ſchwebte zunächſt fretlid) noch, wie er uns 
fagte, eine vorldufige Theilung ver Halbinfel bis an 
Den Padus vor: das weitaus grifte Stück des Landes 
im Gilden diefed Fluffes follte bem Raifer, das Gebiet 
im Morden den Gothen gufallen. | 

Mit guten Ausſichten hatten wir eines Mittags den 
Raifer und den Palaft verlafjen. 

Die Audienz war giinftiger ausgefallen als alle 
{ritheren. 

Aber am Abend des gleiden Tages wurden wir 
überraſcht durch den Curo-palata Marcellus, welder uns 
yon den Palaft-Stlaven die üblichen Abſchiedsgeſchenke 
überreichen ließ: — das unverfennbare Beichen des Ab— 
bruds ver Verhandlungen. 

Beſtürzt über viefe pliplide Wendung,” fuhr Julius 
in ſeinem Bericht fort, „beſchloß Caſſiodorius, Zeichwohl. 

Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 


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um des Friedenswerkes willen, das Aeußerſte yu wagen: 
nämlich, nad Ueberreidung rer mb chiedegeſchenle nod) 
eine Audienz bei vem Raifer yu ſuchen. 

Der hodangefehne Tribonianus, von jeher ein Gegs 
ner Ddiefes Krieges und Gaffiodors verehrungévoller 
Hreund, ließ fic) bemegen, fiir uns um diefe unerhörte 
Gnade nachzuſuchen. 

Die Antwort war die höchſt ungnädige Orohung der 
Verbannung, wenn er nod einmal gegen den Mar ans 
gedeuteten kaiſerlichen Willen Etwas erbitten werre. 

Nie, niemalS werde ver Raifer mit den Barbaren 
Frieden ſchließen, bis fie nidt jede Scholle des Reiches 
verlaſſen: nie werde er vie Gothen in Italien anders 
penn als Feinde betradhten. 

Vergebens bemilhten wir uns," ſchloß Julius feine 
Erzählung, „eine Urſache des pldgliden Umſchwungs gu 
entdecken. 

Nur vas erfuhren wir, dak nach unſerer Dtittags- 
Audien; vie Raiferin, welche jest vielfach leidend fem 
fol, ihren Gemabhl zur Tafel in ihre Gemadher gee 
faden. 

Aber es ftcht feft, daß die Kaiferin, frither Sefannte 
lid) Die eifrigfte Schürerin bes Krieges, fett geranmer 
Reit nicht mehr für den Kampf, fondern fiir den Frieden 
ſprach.“ 

„Und was," fragte der König, ver ernſt, aber eher 
drohend als beſorgt, der Erzählung zugehört hatte — 
„was verſchafft mir die Ehre einer ſolchen Umſtimmung 
ver Circus⸗Dirne?“ 


51 


„Man flüſtert: für ihr Seelenheil immer mehr be— 
ſorgt, will ſie alle Geldmittel nicht mehr auf den Krieg 
verwendet wiſſen, deſſen Ausgang fie kaum nod. gu ers 
leben hofft, ſondern auf Kirchenbauten, zumal auf 
Vollendung der Sophienkirche — mit deren Grundriß auf 
der Bruſt will ſie begraben ſein.“ 

„Wohl als mit ihrem Schild gegen den Zorn des 
Herrn bei der Auferſtehung der Todten! 

Die Dirne will den lieben Gott mit den hundert 
Kirchen entwaffnen und mit den bezahlten Koſtenrech⸗ 
nungen beſtechen. Welchen Wahnſinn brütet dieſer Glaube 
aus," ſprach finſter fiir ſich Teja. 

„Und ſo fanden wir keinerlei Spur. 

Denn keine Spur darf ich es nennen, was nur wie 
ein Schatte, obenein vielleicht eines Irrthums Schatte, 
an mir vorüber huſchte.“ 

„Was war pas?" forſchte Teja aufmerkſam. 

‚Als id) ſpät Abends ven Palaſt verließ, Tribonians 
ungünſtigen Beſcheid bei mir erwägend, ward eine vers 
goldete Sänfte der Kaiſerin von deren kappadokiſchen 
Sklaven raſch von dem Viereck der Gärten her — das 
iſt Theodora's Palaſt — an mir vorüber getragen. 
Der vergitterte Laden ward etwas in die Höhe gee 
fdoben von dem Getragenen — td) fah hin: und e8 war 
mir als erfenne ich —" 

wun?" fragte Leja. 

„Meinen unfel’gen vaterliden Freund, den verfdollnen 
Cethegus,“ ſchloß Sulius traurig. 

„Schwerlich,“ meinte der Konig. 


52 





„Er ift gefallen. €8 war wohl Tinfdung, daß 
Leja in feinem Haufe nod femme Stimme yu vernehmen 
glaubte.“ 

„Ich Diefe Stimme miffennen! Und fein Schwert, 
das Uvalgoth an der Stragen+ Ede fand?“ 

„Kann früher, kann bet dem Forteilen des Mannes 
nad) dem Tiber aus feinem Haufe verloren fein. 

Deutlich fah ih ihn dort auf feinem Schiff die 
Vertheidigung feiten. 

Der Speerwurf gegen meinen Hal war mit des 
Haffes befter Kunſt und Kraft gefithrt. 

Ich traf ihn, id fah’s, mit dem guriidgefdlenderten 
Speer. 

Aud ſagte mir Gunthamund, der treffliche Schutz 
er ſei gewiß, ihn getroffen zu haben am Halſe. 

Man fand am Flug ſeinen purpurgefaumten Mantel, 
von vielen Pfeilen durdlidert und von Blut gang Mere 
ſtrömt.“ 

„Er iſt wohl dort geſtorben,“ ſprach Julius tief 
ernſt. 

„Seid ihr fo gute Chriſten,“ fragte Teja ‚und wißt 
nidt, dag ber Teufel unfterblid ift 2 

„Mag fein," fprad der König, aber aud das 
Licht!“ 

Und mit drohenden Brauen fuhr er fort: 

„Auf, mein tapfrer Leja, jetzt giebt es neue Arbeit 
für dein Schwert. 

Hirt, Herzog Gunthari8, Wiſand, Grippa, Markja. 


53 


Aligern, Thorismuth, Adalgoth — bald hab' ich vollauf 
zu ſchaffen für euch Alle. 

Ihr habt's gehört: Kaiſer Juſtinian verweigert uns 
den Frieden und Italiens ruhigen Beſitz. 

Offenbar darum, weil er uns filr gu friedlich hält. 

Gr meint: e8 finne ihm nie fdaden, uns zu Feinden 
zu baben. , 

Schlimmſten Falls fagen wir rubig, feine Angriffe 
abwartend, in Stalien. 

Und Byzanz tinne jederjeit den Wugenblid wabhlen, 
uns angugreifen, fo oft ven Verſuch widerbholend, bis 
er gelingt. 

Wobhlan: zeigen wir ihm, dag wir als unverſöhnte 
Feinde gefabrlid) werden können. 

Dak es wohl gerathen fein mag, uns Stalien fried- 
lid gu belafjen, um uns nidt jum Angriff gu reizen. 

Cr will uns nidt tn Stalten leben laffen? 

Wobhlan, er foll vie Gothen wieder, wie unter Alarid 
und Theoderich, im eignen Lande feben. 

Cinftweilen nur dies: Lenn vas Geheimniß ift der 
Mutterfdos ves Siegs: auf linnenen Flügeln, auf 
hölzernen Briiden dringen wir, wie in Rom, im das 
Herz des Oſt⸗Reichs ein. | 

Jetzt, Suftinianus, ſchirm' den eignen Herd!" 


— — — — —— 


Sedjstes Capitel. 





Geraume Beit nachdem die Ahweifung der Friedens⸗ 
vorfdlige nad) Rom gelangt war, finden wir in dem 
Speifegemad) eines einfach, aber gefdmadvoll gebauten 
und eingeridteten Haufes auf dem Forum Strategit yn 
Byzanz, das, nahe gelegen dem unvergleidliden Küſten⸗ 
faum des ,golonen Horns", den Blick über vie Meerenge 
hin und auf die jenfeitige, pradjtooll angelegte Nenftart 
„Juſtiniana“ gemabrte, zwei Manner in vertrautem Gee 
ſpräch. 

Der Herr des Hauſes war unſer alter — und hoffent⸗ 
lich nicht unlieber — Bekannter Prokopius, der nun⸗ 
mehr in hohem Anſehen als Senator gu Byjzanz lebte. 

Er ſchenkte ſeinem Gaſt eifrig ein, aber er bediente 
ſich dabei der linken Hand. 

Der rechte Arm verlief in einen verhüllien Stumpf. 

„Ja,“ ſagte er, „bei jeder Bewegung mahnt mich 
der fehlende rechte Vorderarm an eine Thorheit. 

Zwar ich bereue die Thorheit nicht: ich folgte ihr 
abermals und koſtete es die Augen aus dem Kopf. 

Sie war eine Thorheit des Herzens. 


59 


Und Cine foldje gu haben ift des Menſchen größtes 
Glück. 

Zu Frauenliebe hab ich's nie recht gebracht. 

Meine Liebe heißt und hieß: — Beliſarius! 

Ich erkenne recht gut — du brauchſt nicht ſo höhniſch 
den Mund zu verziehn, Freund — ich durchſchaue recht 
gut die Schwächen und Unvollkommenheiten meines 
Helden. 


Aber das iſt gerade das Süße an ver Herzensthor⸗ 
eit: fie liebt die Fehler des Geltebten mit, ja mehr als 
andrer Leute Vorzüge. 


Und ſo denn — um's kurz zu machen — warnte 
ih bet vem letzten Perferfrieg den Mann mit dem 
LBwenmuth und mit dem Rindesherzen wieder einmal, 
mit geringer Bededung durd einen unficren Wald gu 
reiten. 

Bei Dara war's. 

Natürlich that er's nun erſt recht, der dumme, liebe 
Thor. 

Und natürlich ritt Prokopius, der kluge Thor, nun 
auch mit. 

Und es kam Alles, wie ich vorausgeſehen und ge⸗ 
ſagt. 

Der ganze Wald ward auf einmal lebendig von lauter 
Perſern. 

Es war, als ſchüttelte der Wind ſein dürres Laub 
von den Wipfeln., 


Aber alle Blatter waren Pfeile und Speere. 


56 


Es ging wieder gan; wie vor dem tiburtiniſchen 
Thor. 

Balan, der trete Sched, that dort feinen letzten 
Sprung. 

Gefpidt von Speeren brad er todt zuſammen. 

Ich hob den Helden auf mein eigen Rog. 

Dabei hieb aber ein Perferfiirft, ver faft fo lang 
war wie fein Name — A°Apraftaranfalanes hieß der 
liebe Dtann — anf ven Magifter Dtilitum einen Hied, 
den id) in der Gile nur mit dem rechten Arm anffangen 
fonnte —: denn mein Schild dedte den Feldherrn gegen 
einen Garacenen. 

Der Hieb war gut: traf er Belifars helmlofes 
Haupt, — e8 mare gefpalten gewefen wie eine Klaff⸗ 
Muſchel. 

So ſchnitt er mir nur den Vorderarm ſo haarſcharf 
ab, als wär' er nie angewachſen geweſen.“ 

‚Beliſarius natürlich entkam und Prokopius natiite 
lich ward gefangen,“ ſagte der Gaſt, kopfſchüttelnd. 

„Beides richtig, o du Gebietiger des Scharffinns, 
wie dich mein Freund Adraſtaranſalanes nennen würde. 

Aber derſelbe Mann mit dem langen Leibe, Säbel 
und Namen — auf deſſen Widerholung yu nicht be 
ftehen wirft — war fo geriihrt oon meiner Elephanten⸗ 
haften Großherzigkeit', wie er fic) ausdrückte, daß er mid 
alsbald ohne Lodfegeld fret ließ: nur einen Ring, ber an 
einem Ginger meiner ehemaligen redten Hand ftedte, 
erbat er fid): gum Anventen, wie er fagte. 


57 





Seitdem iſt es mit den Kriegsfahrten vorbei,“ fuhr 
Prokop ernſter fort. 

„Ich erblicke aber in dem Verluſt der Schreibhand 
auch eine Strafe. 

Ich habe manches unnütze oder nicht ganz aufrichtige 
Wort damit geſchrieben. 
Freilich: träfe gleiche Strafe alle Schriftſteller von 
Byzanz, es gäbe keinen zweiarmigen Menſchen mehr, der 
ſchreiben kann. 

Es geht nun etwas langſamer mit dem Schreiben 
und müheſchwerer. 

Und das iſt gut. 


Man überlegt dann länger bei jedem Wort, ob es 
der Mühe lohnt und ob es zu rechtfertigen iſt, es nieder 
zu ſchreiben.“ 

„Ich babe mit wahrem Genuß,“ ſagte ver Gaſt, 
„deinen Vandalenkrieg, Perſerkrieg und, ſoweit er vollen⸗ 
det iſt, den Gothenkrieg geleſen. 

Es war bei meiner langwierigen Heilung mein 
Lieblingsbuch. 

Aber mich wundert, daß du nicht zu unſrem Freunde 
Petros, zu den ultziagiriſchen Hunnen und ven Berg⸗ 
werken von Cherſon, geſchickt wurdeſt. 

Wenn Juſtinian die Urkundenfälſchung fo ſchwer be- 
ftraft, — wie fdwer mug er erft die Wahrhaftigkeit in 
Geſchichtsurkunden ftrafen !. 

Und du haſt feinen Wankelmuth, feinen Geiz, feine’ 
Seblgriffe in Wahl der Feldherrn und Beamten fo 


58 





ſchoönungslos gegeifelt — mid) wundert, daß du nod 
ungeftraft bift." 

„O id) bin nit ungeftraft,“ ſprach grimmig der 
Hiftorifer. 

„Er ließ mir den Kopf: aber er wollte mir die Ehre 
nehmen. 

Und nod mehr fie, diefe fine Tenfelin. 

Denn id hatte angedentet, daß Suftinian ganz in 
ihrem Gängelbande gebt. 

Und gleich leidenſchaftlich will fle diefe Herrſchaft fort: 
fesen und — verbergen. 

So ließ fie mid) fommen, al8 meine Bücher erfdienen 
waren. 

Als id eintrat und diefe Blatter auf ihrem Sdofe 
liegen fab, dachte id): Udraftaranfalanes nahm die Hand, 
vie es gefdrieben, died Weih nimmt ven Ropf, der e8 
gedacht. 

Aber ſie begnügte ſich, mir von der Kline her den 
kleinen goldnen Schuh zum Kuſſe darzureichen, lächelte 
ſehr ſchön und ſprach: 

„Du ſchreibſt griechiſch wie fein Andrer, Prokopius. 
in unſrer Zeit. 

So ſchön und ſo wahr! 

Man hat mir gerathen, dich zu den ſtummen Fiſchen 
im Boſporos zu verſenken. 

Aber der Mann, der am Beſten die Wahrheit ſagte, 
wo fie ung bitter klang, wird aud die- Wahrheit ſagen, 
wo fie uns lieblich flingt. 


39 


Der befte Fadler Suftinians wird fein befter Lob- 
redner werden. | 

Deine Strafe fiir dein Bud her Iuftinians RKriegs- 
werfe fet — ein Bud) fiber Suftinians Friedenswerke. 

Du ſchreibſt im faiferlichen Auftrag ein Bud) über 
ves Raifers Bauwerke. 

Du fannft nidt leugnen, dak er darin Grofartiges 
geleiftet bat. 

Wäreſt du ein befferer Surift als vid) dein Lager⸗ 
leben bei dem grogen Belifar hat leider! werden faffen, — 
Du müßteſt fein groRartigftes Dtofaif-Bau-Werk, feine 
Pandekten, ſchildern. 

Aber dazu reicht deine Rechts⸗-Bildung nicht aus, 
tapfrer Schild⸗Knappe Beliſars. 

(Und jie hatte recht, ber ſchöne Damon!) 

Du wirft alfo die Bauwerke Suftinians fdreiben, du 
fefbft ein Iebend Denkmal feiner Grogmuth. 

Denn du wirft geftehn: fiir viel gelindre Dinge hat 
unter friiheren aifern mander Schriftſteller Augen, 
Naſe und Anvderes verloren, was nicht angenehm zu ents 
bebren ift. 

Golde Dinge hat fic) nod tein Imperator fagen 
faffen und ven Freimuth obenein durd) neve Aufträge 
belobnt. 

Sollten dir aber freilid) die Bauwerke“ Buftinians 
nidt gefallen, fo wilrdeft du diefe Gefdmadlofigfeit 
nidt lange itberleben, beforge ic): — die Götter witrden 
folden Undank durch rafden Lod beftrafen. 

Gieh, viefe Belohnung habe id) vir ausgewirkt, — 


60 





Suftinian wollte did) nur zum Genator ernennen — Das 
mit Du Dod) Redt behältſt mit deiner Behauptung von 
Theodora’s verderblidem und allbeberrfdendem Einfluß.“ 

Und nodmals ein Kuß ihres Fußes, wobei fie 
mir, muthwillig ſchäkernd, den kleinen, goldnen Schuh 
auf den Mund ſchlug. — 

Ich hatte vor der Audienz mein Teſtament gemacht. — 

Nun fiehft du alfo, wie diefer Dämon in Weibers 
geftalt fid) an mir radt! 

Man fann ja wirklich vie Bauten Guftinians niche 
ſchelten: man fann fie nur verſchweigen oder — Icben. 

Schweige id, foftet’s mein Leben. 

Rede id) und lobe id) nidt, foftet’s mein Leben und 
meine Wahrhaftigkeit. 

Ich muh alfo loben over fterben. 

Und fo ſchwach bin id,” ſeufzte der Hausherr, .daß 
id) {teber lobe und lebe.“ 

„Soviel Thukydides und Lacitus genoffen, — troden 
und fliiffig’ — fprad der Gaſt und fdentte beider 
Becher voll — ,und dod) fein Thukydides oder Tacitus 
geworden.“ 

„Ich ließe mir lieber die linke Hand aud noch ab⸗ 
hauen von meinem langnamigen Freund, als dieſe Ban⸗ 
werke damit zu ſchreiben!“ 

„Behalte die Hand! 

Und fdreibe mit derfelben, nad der offnen Lobfdrift 
rer Bauwerle: — eine Gebeimfdrift der Schandwerle 
Suftinians und Theodora's.“ 

Profopius fprang auf. 


61 
\ 

„Das ift teuflifd! aber grog! 

Der Rath ift deiner wikrdig, Freund. 

Dafür fdenfe ich dir eine der neun Muſen des 
Herodot in meinem Keller, — mein ltefter, lauterſter, 
edelfter Trank. — | 

O, man foll ftaunen über diefe Geheimſchrift. 

Has Unglück ift nur: ich kann das Aeußerſte von 
Mord und Schmuz gar nidt ergablen. 

Der Ekel bradte mid um. 


Und man wird fdon das, was id) erzablen fann, 
fay maflos itbertrieben halten. 

, Und was wird die Nachwelt fagen von Prolopius, 
ber ihr einen Panegyrikus, eine Kritik, und eine Mags 
ſchrift aber Suftinian iberliefert 2" 

„Sie wird fagen: er war der größte Geſchichtsſchreiber, 
aber and) der Sohn und das Opfer, ded Kaiſerreichs 
Byzanz. 

Räche dich, ſie ließ dir deinen geſcheuten Kopf und 
deine linke Hand: 

Wohlan, deine Linke ſoll ja nicht wiſſen, was vor⸗ 
dem deine Rechte ſchrieb. 

Zeichne das Bild dieſer Kaiſerin und ihres Gatten 
für alle kommenden Geſchlechter auf! 

Dann haben nicht ſie geſiegt mit ihren Bauwerken, 
ſondern du mit deiner Geheimgeſchichte. 

Den maßvollen Freimuth wollte ſie ſtrafen: nun 
ſtrafe du ſie durch maßloſe Enthüllung der Wahrheit. 

Jeder rächt ſich durch ſeine Waffe: der Stier durch 


62 





bas Horn, ver Krieger durch das Sdwert, der Schrift⸗ 
fteller purd) die Feder." 

„Zumal,“ fprad Profop, ,,wenn ihm uur die Linke 
blieb. 

Sd) danke und folge vdeinem Rath, Cethegus: id 
werde al8 Rade fiir vie Banwerke die ‚Geheimgeſchichte“ 
ſchreiben. 

Aber nun iſt das Erzählen an dir. 

Ich weiß den Gang der Dinge durch Briefe und 
mündlichen Bericht der aus Rom Entflohnen ober vor 
Totila frei gegebnen Legionare bis zu der Stunde, da 
du zuletzt in deinem Hauſe geſehen, ja, wie man ſagt, 
in deinem Hauſe gehört wardſt. 

Erzähle nun, du Stadtpräfect ohne Stadt.” 

„Sogleich,“ ſprach Cethegus. 

„Sage mir nur nod: wie ging es mit Beliſarius 
weiter in dem letzten Perferfeldgug 2” 

„Nun, wie gewöhnlich. 

Das ſollteſt du gar nicht mehr fragen müſſen! 

Beliſar hatte vie Feinde wirklich geſchlagen und war 
eben daran den Perſerkönig Chosrogs, des Kabades Sohn. 
zu dauerndem Frieden zu nöthigen. 

Da erſchien in ſeinem Lager Areobindos, der Schnecken⸗ 
pring, mit einem hinter Beliſars Rücken yu Byzanz bee 
willigten Waffenftillftand auf ein halbes Faby. 

Suftinian hatte längſt Verhandlungen mit Chosroés 
angefniipft: er braudjte gerade Geld: ex ftellte fich wieder, 


63 


al8 ob er Belifarius nicht traue, und lie fiir fiinfs 
bundert Gentner Gold den Perferfsnig entſchlüpfen, als 
wir eben das Ney über ihm zuſammenſchlagen wollten. 

Narfes war klüger. - 

Mls ver Schnedenpring yu thm fam, anf ven fara- 
ceniſchen Theil des Mriegsfdauplages, erflarte er: der 
Bote miiffe ein Fälſcher oder verritdt fein, nabm ihn ges 
fangen und fiihrte ven Krieg fort bis er die Saracenen 
völlig gefdlagen hatte. 

Dann ſchickte er den kaiſerlichen Boten mit einer 
Entfduldigung nad) Byzanz: die befte Entfduldigung 
aber waren die Schlüſſel und Schätze von fiebsig Burgen 
und Stadten, welde er dem Feind während ves von 
Belifar befolgten Waffenſtillſtands enfriffen hatte.” 

„Dieſer Narſes ift —“ 

„Der größte Menſch der Zeit,“ ſagte Prokop. 

„Auch den Präfecten von Rom nicht ausgenommen. 

Denn er will nicht, wie vdiefer, ras Unmögliche. — 

Wir aber, das heißt Belifar und ver Krüppel Pro- 
fop, wir fehrten, tmmer grollend und ſcheltend und immer 
pureltren und nie gewipigt, den Waffenftillftand mit 
Zähneknirſchen haltend, nad Byzanz zurück. Und barren 
nun bier neuer Auftrage, Lorbern und Fuftritte. 

Gliiliderweife hat Antonina ihre Neigungen fiir 
Blumen und Verfe anderer Manner anfgegeben: und fo 
{ebt denn das Chepar, der Löwe und die Taube, gang 
gliidlid) bier in Byzanz. 

Belifar natürlich Tag und Nacht nur finnend, wann 


Stebentes Capitel, 





Cethegus that einen tiefen Bug ans bem vor ihm 
ftehenden Becher, der in getriecbenem Golde einen Thurm 
Darftellte. ; . 

Gr war weſentlich verandert feit jener Nacht zu Rom. 

Schärfer waren die Furchen an ven Schläfen: nod 
fefter gefdlofjen ber Mund: die Unterlippe herb empor 
gehoben: feltner fpielte- jeneS tronifde Lächeln um die 
Mundwinkel, bas ihn verjiingte und verſchönte. 

Die Augen waren nun gewöhnlich halb geſchloſſen. 

Nur manchmal öffneten fie fic voll, ven gefürchteten 
Bli¢ zu fprithen, ver nod) grimmiger durchbohrend traf. 

Nicht alter, aber eiferner, ſchärfer, fdonungelofer 
nod fdien er geworbden. : 

„Du fennft," bob ex an, den anf der Dinge bis 
zum Fall von Mom. 

Ich fah in jener Nacht fallen die Stadt, vas Capi 
tol, mein Haus, meinen Cäſar. 

Der tradende Sturz dieſes Bilves ſchmerzte brens 


nender al8 die Pfeile der Gothen und felbft ver Römer. 
Dabhn, Cin Kampf um Rom. IV. 5 


66 





Die Sinne ſchwanden mir vor Schmerz und Born, 
al8 id) ben Mörder meines Cafar ftrafen wollte. 
Sd brad in der Bibliothek an der Statue des Bens 


zuſammen. 
Ich erwachte wieder durch den kühlen Hauch der 
Nachtluft und des Tiberſtroms, — — der fdjon einmal, 


por zwanzig Jahren, den Todwunden neu belebt.“ 

Eine finſtre Wolle zog über die mächtige Stirn. 

„Davon ein andermal vielleicht — vielleicht auch 
nie,“ ſprach er, eine Frage ſeines Wirthes abſchneidend. 

„Diesmal hatter mich gerettet Lucius Licinins — 
fein Bruder ift fiir Rom und mid) gefallen — und der 
treue Maure, der wie durch ein Wunder dem ſchwarzen 
Wütherich Leja entgangen war. 

Bur BVorderthitre von diefem hinausgeſchleudert — 
in feiner Gier, den Herrn zu erreichen, nahm fic der 
Barbar nicht die Reit, den Diener gu morden — eilte 
er an die Hinterthitre. 

Dort traf er auf Lucius Licinins, welder, von mir 
getrennt durch die Vollshaufen, erft jest mem Haus von 
ver Geitengaffe her erreidte. 

Beide eilten nun durch die geöffneten Thitren anf 
ber Spur meines Bluteds bis in den Zeus⸗Sal mir nar. 

Dort fanden fie mich bewuftlos: und batten gerade 
nod Zeit, mid) in meinem Mantel wie eine leblofe 
Ware zum Fenfter hinaus in den Hof hinab 3u laffen. — 

Syphar war zuerſt hinabgefprungen und fing mid 
im Herabgleiten auf aus ren Ganden des Tribuns. 

Diefer fprang nad und nun trugen fle mid in 


X 


67 





meinem Mantel raſch aus der Hinterthür des brennen⸗ 
den Hauſes hinab an den Fluß. 

Dort war es nun ziemlich leer. 

Denn alle Gothen und die gothenfreundlichen Römer 
waren dem König auf das Capitol gefolgt, dort den 
Brand zu löſchen. 

Er hatte ausdrücklich befohlen — ich hoffe zu ſeinem 
blutigen Verderben! — alle Nicht⸗Kämpfenden zu vers 
ſchonen und nicht zu behelligen. 

So ließ man denn auch meine beiden Träger überall 
durch mit ihrer Laſt. 

Man glaubte, ſie trügen einen Todten. 

Und ſie glaubten es ſelbſt eine Zeit lang. 

Im Fluß fanden ſie einen leeren Fiſcherkahn voller 
Netze. 

Sie legten mid hinein — Syphax warf meinen 
blutigen Mantel mit dem purpurnen Abzeichen des 
„princeps Senatus“ auf das Ufer, die Feinde gu täuſchen 
— bedeckten mich mit Segeltüchern und Netzen und 
ruderten den Fluß hinab, durch die noch immer brennen⸗ 
den Nachen hindurch. 

Hinter dieſen erwachte ich: Syphar wuſch mir die 
Stirn mit Tiberwaſſer. 

Mein erſter Blick fiel auf das brennende Capitol. 

Sie ſagen, mein erſter Ruf war: „Umkehren! das 
Capitol!“ 

Und mit Gewalt mußten ſie den Fieberwirren halten. 

Mein erſter klarer Gedanke natürlich war: ,,Wiedere 
kehr! Widervergelten! Wiedergewinnung Roms!“ 


ae, 


68 





Sm Hafen Portus trafen wir etm italiſches Getreides 
ſchiff. 

Darauf waren ſieben Ruderer. 

Meine Retter hielten an dem Schiff, ſich Brod und 
Wein zu erbitten. 

Denn beide waren auch verwundet. 

Da erkannten mich die Ruderer. 

Einer wollte mich gefangen den Gothen ausliefern, 
hoher Belohnung gewiß ... 

Aber die andern ſechs waren alte Schanzarbeiter von 
mir an dem Grabmal Hadrians: id hatte fie Jahre 
lang genährt. 

Sie erſchlugen den ſiebenten, der laut die Gothen 
heran rief, und fie verſprachen Lucins, mid) gu retten, 
wenn fie trgend vermöchten. 

In hohen Getreidehaufen bargen fle mid vor den 
gothifden Wachtſchiffen, welde die Ausfahrt des Hafens 
hüteten. 

Lucius und Syphar ruderten mit in Schiffertracht. 

So entkamen wir. 

Aber am Bord dieſes Schiffes war ich dem Tode 
nah durch meine Wunden. 

Nur des Mauren Pflege und die Seeluft hat mich 
gerettet. 

Tage lang, ſagen fle, ſprach ich nur die Worte: 
wom, Capitol, Cäſar.“ 

Gelandet auf Sicilien bei Panormos im Schutz der 
Byzantiner, genas id) raſch: mein alter Freund Cyprianns, 
der mich einſt zu Ravenna in den Palaſt Theoverichs 


69 


eingelaffen, ba id) Prafect von Rom werden follte, 
enpfing mid) dort al8 Hafen-Ardon. 

Raum genefen, ging id) von Gicilien nad) Rleinafien 
oder wie ihr fagt, Wfiana, auf meine Güter — du weift, 
id) hatte herrliche Latifundien bet Gardes, Philadelphia 
und Tralles.“ — 

„Du haſt fie nicht mehr, — die ſäulenreichen Villen?“ 

„Ich verkaufte ſie Alle. 

Denn ich mußte doch ſofort auf's Neue Söldner 
werben, Rom und Italien zu befrein.“ 

„Tenax propoſiti!“ rief ſtaunend Prokopius. 

„Du haſt die Hoffnung noch nicht aufgegeben?“ 

„Kann ich mich ſelbſt aufgeben? 

Mit dem Erlös — er war nicht klein: die Villen 
an der Küſte bei Epheſos und Jaſſos ließ Furius Ahalla 
kaufen — ging ich zu meinen alten Gaſtfreunden im 
Lande der Iſaurier, Armenier und Abasgen. 

Einen Iſaurerfürſten mußte ich todtſchlagen, weil er 
nachts mein Zelt überfiel und mein Gold ohne andere 
Gegenleiſtung als einen Dolchſtoß gewinnen wollte. 

Darauf warb ich der Söldner eine gute Zahl. 

Aber freilich: Narſes hat ſie theuer gemacht, er ver⸗ 
wöhnt ſie und verdirbt das Geſchäft. 

Sie ſterben nicht mehr ſo billig wie früher. 

Er hat viele tapfre Häuptlinge für ſich gewonnen. 

Ich mußte mid) nod) nad) andern Völkern umthun. 

Nun ſitzt da unten in Pannonien ein nicht gar 
volkreicher, aber ſehr wilder und tapfrer Germanenſtamm, 
den ich durch deine Schilderungen, o Vortrefflicher, erſt 


⸗ 


70 





recht entdeckkt — durch feine blutigen Rriege mit den 
Gepiden befannt." 

„Ah,“ rief Profop, ,,die wilden Langobarden ! 

Gott Gnade deinem Stalien, wenn die je einen Fuß 
hinein ſetzten. 

Der Langobarde iſt wie der Wolf im Vergleich mit 
bem Schäferhund, dem Gothen, gegen das goldoließige 
Sdaf Italien.“ 

„Rom foll aber felber wieder die alte Wölfin werden. 

Sd wiirde fie {don wieder hinaus fdaffen aus meinem 
BVaterland, vie Barbaren ves Alboin! 

Bu diefen Langbarten — denn das foll de Namens 
Ginn fein — hab ih Licinius auf Werbung gefdidt. 

Mich freut e8 ganz befonders,“ ſchloß er grimmig, 
»Sermanen durch Germanen gu verderben. 

Rom gewinnt bei jeder Wunde, die fic Langobarde 
und Gothe hauen.“ 

„Du haſt die Weisheit des Tiberius aus deinem 
Tacitus gelernt. 

Aber laß den Tacitus ſtehn — er iſt zu herbe. 

Hier iſt ein ausgezeichnetes Getränk: Ammianns — 
Marcellinus ! 

Wirklich ein geiſtreicher Geſell!“ 

„Wie wird man dereinft ,Profopius’ beim Trinfen 
beurtheilen 2 

„Bauwerke,“ fagte diefer: „muffig.“ 

„Perſer- und Bandalen+ Krieg": „goldklar“, ſprach 
Cethegus. 


71 





„Gothenkrieg — gu fauer," meinte deren Berfaffer 
den Mund vergtehend. 

„Aber Geheimgeſchichte“: lächelte Cethegus, —, prickelnd: 
— am Schluß der Malzeit nur tropfenweis zu ſchlürfen.“ 

„Bah, ein Brechmittel,“ ſagte Prokop, ſich ſchüttelnd. 

„Ich ſelbſt aber," fuhr Cethegus fort, „eilte hierher in 
die Höhle eures — ſoll ich ſagen: Löwen?“ 

„Das wäre zu viel geſagt,“ meinte Prokop: „ſelbſt in 
den Bauwerken ſoll keine ſolche Lüge ſtehn.“ 

„Nun alſo: eures Fuchſes oder Hamſters. 

Denn ich bin nicht ſo kühn wie der große Beliſarius, 
mir einzubilden, mit Söldner⸗Haufen allein die Gothen 
zu beſiegen. 

Dieſe Barbaren haben das unverſchämte Glück, ein 
Volk zu ſein. 

Ihr König iſt ihres Volksthums lebendiges Symbol. 

Es iſt aber ſehr ſchwer, ein Volk zu beſiegen. 

Auch ein ſo plumpes, thöriges, dumpfes Volk wie 
dieſe Barbaren.“ 

„Namentlich,“ ſprach Prokop beipflichtend, „ein Volk bes 
ſiegen — ohne cin Volk.“ 

‚„Aber Byzanz iſt, wenn fein Volk, ein Staat. 

Dieſer Staat ohne Volk kann das Volk ohne Staat 
vernichten. 

Denn das iſt ja kein Staat, was dieſe Gothen ihr 
Neich“ nennen. 

Es iſt nur die ſeßhaft gewordene Horde. 

Haben ſie nicht unter jenem Witichis drei Heere in 
Waffen gegeneinander gehabt! 


72 





Golder Thorheit, Unreife, Barbaret ift and das 
Byzanz deiner Geheimgeſchichte nod Aberlegen. 

Raifer Juftinian hat ja fein Wort verpfandet, Italien 
gu befreien. 

Wohlan, er foll gemahnt werden, es gu löſen. 

Ich will ihn mahnen, fo lange bis er's thut.“ 

„Da wirft du lang nod) mabnen miiffen.“ 

„So ſcheints. Religion, Ruhm, Gold, nichts ſcheint 
thn mehr zu rühren. 

Lah ſehn, ob nicht die Furcht ihn rührt.“ 

„Die Furcht? Vor wem?“ 

„Vor Cethegus — und vor dem — Unbekannten. 

Ungenanntes Grauen iſt ſtets das Stärkſte. — 

Natürlich hoffte ich lebhaft auf die Kaiſerin. 

Wir kannten uns in der Jugendzeit. — 

Und wir wußten unſre Vorzüge gu ſchätzen ſchon da⸗ 
mals. — 

Sie war das ſchönſte Weib, das ich — bis damals 
— geſehn. 

Und ich — nun: ich —“ 

„War Cethegus,“ ſagte Prokop. 

„Aber bei aller alten Neigung, die ſie nicht ver⸗ 
leugnete, als ich nun wieder vor ſie trat: die Kaiſerin 
war nicht für meinen Krieg. 

Ich verſtehe ſie darin nicht recht. 

Sie hält es plötzlich für chriſtlicher, Kirchen zu bauen 
als Städte zu verbrennen. 

Woher dieſe Wandlung? 

Sie ift doch nod zu jung für die allgemeine Wande⸗ 


73 





rung ihresgleichens von — nun, ſagen wir: von Kypros 
nach Golgatha.“ 

„So weit du nicht,“ fiel Prokop ein, ,was außer 
Suftinian und div — verzeih: Rom geht vor Byzanz: 
was auger dir und Suftinian — das ganze Oftreid) weiß? 

Die. fine Kaiſerin ift frank, ift innerlich vergehrt 
von einem furdtbaren Leiden. . 

Du ftaunft? 

Sa, fie ertrdgt nicht nur, fie verbirgt e8 aud) mit 
unerreidter Willensfraft wor Suftinian. 

Denn diefer größte und kleinſte aller Selbftlinge haft 
vie Kranfen: er kann nidts in feiner Mabe haben, was 
an Leiden und Sterben mabnt. 

So gewaltig ihn bie Kaiſerin beherrſcht, — id bin 
gewiß, entdedte er iby Leiden, er fchidtte fie, zärtlich bee 
forgt, zur Heilung im die fernfte Stadt ves Reiches. 

Hat er es dod mit Germanus ähnlich gemacht, den 
er aufrichtig geliebt. 

Darum trägt die Kaiſerin Höllenqualen mit lächeln⸗ 
dem Munde. 

Furchtbar ſollen ihre Nächte ſein. 

Aber bei Tage, in der Nähe des Kaiſers, an der 
Tafel, in ver Kirche, bei den Circusfeften birgt fie ihre 
Schmerzen mit übermenſchlicher Kraft. 

Aud ihre Schönheit hat faum merklich gelitten. 

Denn unerſchöpflich ift das Arſenal ihrer Schönheits⸗ 
künſte. 

Nur noch zarter iſt ſie geworden. 
Aber faſt noch gewaltiger an beherrſchendem Geiſt.“ 


72 





Solder Thorheit, Unreife, Barbaret ift aud) das 
Byzanz deiner Geheimgefdichte noc Aberlegen. 

Raifer Suftinian bat ja fein Wort verpfandet, Italien 
zu befreien. 

Wohlan, er ſoll gemahnt werden, es zu löſen. 

Ich will ihn mahnen, ſo lange bis er's thut.“ 
„Da wirſt du lang noch mahnen müſſen.“ 

„So ſcheints. Religion, Ruhm, Gold, nichts ſcheint 
mehr zu rithren. 

Laß ſehn, ob nicht die Furcht ihn rührt.“ 

„Die Furcht? Vor wem?“ 

„Vor Cethegus — und vor dem — Unbekannten. 
Ungenanntes Grauen iſt ſtets das Stärkſte. — 
Natürlich hoffte ich lebhaft auf die Kaiſerin. 

Wir kannten uns in der Jugendzeit. — 

Und wir wußten unſre Vorzüge gu ſchätzen ſchon da⸗ 
mals. — 

Sie war das ſchönſte Weib, das ich — bis damals 
— geſehn. 

Und ich — nun: ich —“ 

„War Cethegus,“ ſagte Prokop. 

„Aber bei aller alten Neigung, die ſie nicht ver⸗ 
leugnete, als ich nun wieder vor ſie trat: die Kaiſerin 
war nicht ſür meinen Krieg. 

Ich verſtehe ſie darin nicht recht. 

Sie hält es plötzlich für chriſtlicher, Kirchen zu bauen 
als Städte zu verbrennen. 

Woher dieſe Wandlung? 

Sie iſt dod) noch zu jung für die allgemeine Wande⸗ 


ih 


= 


73 





rung ihresgleichens von — nun, fagen wir: von Rypros 
nad Golgatha.“ 

„So weikt du nidt,” fiel Profop ein, was auger 
Suftinian und div — verzeih: Rom geht vor Byzanz: 
was auger dir und Suftinian — das ganze Oftreid) weiß? 

Die. fine Raiferin ift trank, ift innerlich verzehrt 
von einem furdjtbaren Leiden. . 

Du ftaunft? 

Sa, fie evtragt nicht nuv, fie verbirgt es aud) mit 
unerreidter Willensfraft vor Suftinian. 

Denn diefer größte und Heinfte aller Selbftlinge haßt 
pie Kranken: ex fann nidts in fener Mabe haben, was 
an Leiden und Sterben mabnt. 

So gewaltig ihn die Kaiſerin beherrſcht, — ich bin 
gewiß, entbedte er ihy Leiden, er ſchickte fie, zärtlich bee 
forgt, zur Heilung in die fernfte Stadt ves Reiches. 

Gat er es doch mit Germanus ahnlid gemadyt, den 
er aufrichtig geliebt. 

Darum trägt die Kaiſerin Höllenqualen mit lächeln⸗ 
dem Munde. 

Furchtbar ſollen ihre Nächte ſein. 

Aber bei Tage, in der Nähe des Kaiſers, an der 
Tafel, in ver Kirche, bei ven Circusfeſten birgt fie ihre 
Schmerzen mit iibermenfdlider raft. 

Aud ihre Schönheit hat faum merklich gelitten. 

Denn unerſchöpflich ift das Arfenal ihrer Schönheits⸗ 
künſte. 

Nur noch zarter iſt ſie geworden. 
Aber faſt noch gewaltiger an beherrſchendem Geiſt.“ 


74 





„Ein wunderbares Wer." 

Ja, und fo febr fle im Kleinen ihre Liften und Ranke 
Pflegt: — in grofen Dingen, in Fragen des Staats 
Lagt fle nie von ihrer Ueberzeugung.“ 

„Nie. Over dod) nur ſchwer. 

Schon wollte ver Raifer die Friedensvorfdlage der 
Wothen annehmen: Caſſiodorius und: — ein Andrer 
follten fiegen ber mich. — 

Theodora fprad nicht für den Krieg — und Wes 
ſchien für mid) verloren. 

Da fiel mir nocd tm legten Ungendlid em, auf ihre 
Frömmigkeit gu wirken. 

Ich erſuhr durch fie ſelbſt, daß Juſtinian die beiden 
Geſandten zu günſtigem Beſcheid in den Palaſt berufen. 
Am gleichen Mittag eilte ich zu ihr und ſprach: 

„Du baueſt den Heiligen neue Kirchen mit allem 
deinem Golde. 

Du kannſt doch höchſtens noch hundert bauen. 

Und trittſt du Italien den Gothen ab, ſo entreißeſt 
du für immer mehr als tauſend Kirchen Chriſtus, dem 
Gottesſohn, und überweiſeſt fie ſeinen verhaßten Feinden. 
den arianiſchen Ketzern. 

Glaubſt du, das wiegen deine hundert Bauten auf? 

Das wirkte. 

Erſchrocken ſprang ſie von dem Lager auf und rief: 

Nein, das iſt eine Sünde, die ich nicht begehen will! 

Sind wir zu ſchwach jene Kirchen den Ketzern zu 
entreißen, wollen wir body nimmermehr fie ihnen aus⸗ 
drücklich zuerkennen. 


75 


NiemalS darf ver Raifer ihnen Stalien friedlid 
itberlafjen. 

Dante dir, Gethegus: mande gemeinfame Sünde 
unfrer Jugend werden uns die Heiligen vergeben, weil 
du mid) abgebalten von dieſer ſchwerſten Sünde.“ 

Und ſie lud ihren Gemahl zu ſich zur Tafel: und 
unter ihren Blumen, Gebeten und Küſſen entbrannte 
Suftinianus für die Sade Chriſti, verwarf die Friedens⸗ 
vorſchläge und der weiſe Caſſiodorius zog unverrichteter 
Dinge ab. 

Der Friede iſt verhütet. 

Den Krieg ſofort zu erzwingen hab' ich noch kein 
Mittel. 

Aber ich werde es finden. 

Denn Rom muß frei werden von den Barbaren.“ 

Und ruhig hielt Cethegus inne, ergriff den Becher 
und trank: aber in ihm loderte tief verhaltne Leidenſchaft. 


Actes Capitel. 





Protopins legte ihm die Hand auf vie Schulter und 
ſprach: 

„Höre, Cethegus, ich ſtaune. 

Sd ſtaune, daß in unfrer Beit des Niedergangs in 
einer Mannesbruſt nod ſolche Kraft wohnt. 

Und foldes Feuer gliht fiir ein hohes, uneigens 
nütziges Biel, wie vie Freibeit Roms. 

Get diefes Biel immerhin, wie th glanbe, em glans 
zende8 Sraumbild. 

Und weil vies Biel nicht ein felbftifdes: — darum 
verzeihe id) dir die mancherlei krummen, dunkeln Pfare, 
auf Denen du gewandelt bift. 

Und andre Leute, wie gum Beifpiel Beliſar wand 
mid, haſt wandeln laſſen, durch Arglift und Frebdel bine 
durch. 

Von vem Tag an, da ich dein Biel ald ein ſelbſtiſches 
erfennen miifte — bet aller Bewunderung deines Geiftes, 
deiner Kraft — ich müßte dir die alte Freundſchaft 
finden.“ 

Gethegus aber ladte. 


77 





„Hör' ich noch immer aus deinem Mund die halb 
platoniſche, halb chriſtliche Ethik, mie in ver Schule, zu 
Athen! 

Alter Zögling du des Kaiſerhofes und ves Fild⸗ 
lagers — haſt pu noch immer dieſe Mädchen-Moral? 

Selbſtiſch — Unſelbſtiſch! 

Was, wer iſt denn unſelbſtiſch? 

Wer kann es ſein? 

Jeder will in jedem Augenblick, was er wollen muß. 

Ob ich der Befreier Roms werden will oder etwa 
ſein Tyrann —: beides iſt gleich ſelbſtiſch. 

Denn die Liebe iſt die größte, weil die ſüßeſte 
Selbſtſucht.“ 

„Und Chriſtus? ſtarb er vielleicht auch ans Selbſt⸗ 
ſucht 2" 

„Gewiß: aus einer edeln Schwärmerei! 

Sein Egoismus galt ver Menſchheit! 

Gie hat ihm vanad) vergolten: gekreuzigt haben fle 
thn fiir feme Liebe. 

Wie Inftinian dem Belifar, wie Rom dem Cethegus 
vergilt. 

Die Selbſtſucht der Schwächlinge iſt erbärmlich: die 
der Starken großartig. 

Das iſt der einzige Unterſchied der Menſchen.“ 

„Nein, Freund! Das iſt die Sophiſtik einer ſtarken 
Leidenſchaft. 

Das Höchſte iſt: das Gute nur durch gute Mittel 
anſtreben. 


78 


Bu diefem Höchſten ift Profop gn Mein, dte Reit gu 
ſchwach. 

Aber laß uns wenigſtens durch böſe Mittel nur dem 
Guten dienen: nicht dem Böſen, nicht der Selbſtſucht. 

Wehe mir, wenn ich einſt an dir irre werden müßte. 

Ich glaube an den Schwert⸗Helden Beliſar, an den 
Geiſtes⸗Helden Cethegus. 

Wehe, wenn mir aus meinem Heros Cethegus einſt 
ein Dämon würde. 

Ich begreife, daß die Menſchen dich ſcheuen, dich 
fürchten wie Lucifer, den gefallnen Engel des Morgen⸗ 
ſterns. 

„Alle ſeine Feinde erliegen vor ihm, ſagte mir einſt 
Antonina, die dich abergläubiſch fürchtet.“ 

Und ſie hat Recht. 

Gothelindis, — Petros, unſer pfiffiger Schulkamerad, 
ber jetzt Marmor ſägt und Steine klopft bet den Hunnen, 
— Pabſt Silverius, ven der Kaiſer immer nod auf 
Gicilten gefangen halt, wie Scivola und Albinus: — 
bem bat er feine Geele, d. h. fein Geld genommen.” 

„Ich könnte die Beifpiele nod mehren,“ fagte Sethe 
gus, vie Brauen zuſammen giehend. 

Uber ick) will vie zürnenden Schatten nidt herauf 
beſchwören aus ihrer Grabesruhe. 

Mur den dicken Balbus,” lachte ev, „will id exe 
wähnen. 

Ich hatte ihm die Ehre zugedacht, wie Gottes Sohn 
zu ſterben. 





79 





Aber er hat ſich feinem Gott, d. h. feinem Vaud, 
freiwillig geopfert. 

Bon Ouintus Pifo, ven ver Barbarenfsnig aus 
ber Gefangenfdaft ohne Löſegeld entliek, wie den Marcus 
Maffurius und Salvius Julianus, erfubr id fein Ende. 

Er beftad die gothifden Warden, welde das Unmaß 
des Freſſens ver Heißhungrigen verbhiiten follten, mit 
feinen letzten Goldfſtücken, ihn effen gu laffen, fo lang 
er wollte. 

Gr af drei Stunden. 

Su ber vierten war er todt. 

Er ftarh im Dienft. 

Uber was bilft all’ bas Berderben meiner fleinen 
Feinde? 

So lang in Rom ein Feind triumphirend thront, 
ber wahrlich groß iſt“ — und er hielt inne, dann fuhr 
er grimmig fort — „aber nur an ſinnloſem, maßloſem 
Olid.” 

»Bift bn nicht ungeredt gegen diefen König Totila? 

Wird nicht dereinft fein Gefdichtfdreiber anders — 2" 

woo) aber bin nicht dereinft fein Geſchichtſchreiber. 

Ich bin jetzt fein Feind bis gum Tove. 

. Ga, der Lag, da diefes Knaben Hergblut mir von 
bes Speeres Spige trauft — id) mug ihn nod erleben. 

Begreifen fann id) Achilleus, der die Leiche des ere 
ſchlagnen Hektor drei mal um die Walle fdleift. 

Seit ich guerft timpfe um mein Rom, fteht immer 
und imimer wieder, und meiftend fieghaft, diefer Blond- 
fopf mit bem Mtadden-Antlig mir entgegen. 


80 





Gr hat mir meinen Liebling und mein Rom und 
zulegt nod) meinen edeln Pluto genommen: wie Pifo 
erzählt, fanten fie, den Reiter verfolgend, dad Roß. wo 
es Syphax geborgen am Tiber: und ver Barbar hat 
von aller rimifden Bente nur das Roß des Prafecten’ 
fiir fic) genontmen. | 

Schleudre ihn dod, mein Pluto, fopfitber und zer⸗ 
ſtampfe ibm mit den Gujen das Hirn.“ 

„Du haſſeſt heiß!“ 

„Ja, dieſen haß' id) nicht nur aus Vernunft: ans 
angeborner Feindſchaft der Natur. 

Als id ihm das Forum romanum räumen mußte, 
hab' ich's ihm gelobt: er ſtirbt von meiner Hand. 

Aber,“ ſchloß er ſich beruhigend, „wann? wann? 

Wann find' ich das Mittel, dieſen trägen Coloß, den 
man Juſtinianus, den Kaiſer der Romäer nennt, auf das 
Sothenreid yu ſtürzen? 

Wann ruft das Sdhidfal wieder mit ehernem Tuba⸗ 
ton mic) anf mein groges Sdhladhtfeld Stalien ?“ 

Da drangte fid eilfertig Syphax durch vie Vorhange 
des Gemads. 

„Herr,“ fprad) er, fic) neigend, „ich heiſche Boten⸗ 
Lohn. 

Es hat irgendwo gewittert: — es zieht wohl raſch 
gegen dieſe Stadt. 

Es braut und ſpinnt was in der Luft. 

Im goldnen Palaſt iſt geſchäftige, unheimliche Be⸗ 
wegung. 

Wachen ſind an alle Thore geſchickt, eintreffende 


81 





Boten fogleid in gefdlognen Sänften gum Kaiſer gu 
führen. 

Die Boten ſollen mit niemand ſprechen. 

Und ſoeben gab in deinem Hauſe ein goldgleißender 
Sklave dieſen Brief ab — von der Kaiſerin.“ 

Haſtig riß Cethegus die Purpurſchnüre hinweg von 
dem Siegel, der Taube — war es die von Kypros oder 
die vom Pfingſtfeſt? — und las: 

„An den Jupiter des Capitols. 

Verlaſſe morgen dein Haus nicht, bis ich dich 
entbiete. 

Morgen rufen dich dein Schickſal und — Kypris.“ 


2 


Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 6 


Uenntes Capitel. 





Am anvern Morgen ftand Raifer Juſtinian ix 
tiefem Nachdenfen vor dem hohen, beiligen Goldkreuz in 
feinem Gemach. 

Sein Ausdruck war fehr ernft, aber nicht beſtürzt 
und nicht zweifelig. 

Entſchloſſne Rube lag heute anf feinen Biigen, 
weld, fonft nicht ſchön oder edel, in diefem Angenblid 
Geiſtesſchärfe und Ueberlegenbeit verriethen. 

Gr erhob Stirn und Augen faft vrohend gegen das 
Goldkreuz und fprad: 

„Auf Harte Broben, Gott ves Rrenjes, ftellft du 
Leinen treuen Rnedt! 

Mir ift, Herr Chriftus, ich hatte Vefferes um did, 
von Dir verdient! 

Du weit ja dod, was Aes ich gethan, gu deines 
Namens Chre! 

Warum triffft vu mit veinen Schlägen nidt deine 
Geinve, die Heiden, die Reger? Warum mid ? 

Aber da du's nun einmal fo gewollt, follft du ers 


83 


fahren: Suftintanus kann nod mehr als Rirden bau'n 
und Bilder weihn.“ 

Und er fdjritt durch das Gemach: fein Blid fiel auf 
die Biiften ver Raifer, welche hier an den Wanden auf 
Heinen Godeln prangten. 

„Großer Conftantinus, Gründer viefes Oſtreichs, 
Schirmherr des rechten Glaubens! 

Bangſt du für dein Werk? 

Bange nicht: getroſt! du haſt's gebaut und Juſtinia⸗ 
nus wird's erhalten. 

Ihr andern Alle hattet's leicht, groß ſein, Großes 
ſchaffen — 

Auguſtus — die Antonine — Trajanus — Hadrias 
nus — ihr alle wart noch im Aufgang oder auf den 
Höhen. 

Ich aber ſoll das Rad aufhalten, das von dem 
Gipfel nieder rollt. 

Und ich will's aufhalten. 

Und ich hab' es ſchon aufgehalten. 

Und hab' es mühevoll auch wieder ein gut Stück 
empor gehoben. 

Ich ſehe euch getroſt ins Antlitz: ich ſchäme mich 
nicht vor euch. 

Wo iſt der wilden, ketzeriſchen Vandalen Reich? 

Der Enkel Geiſerichs, des gefürchteten Seekönigs, 
kniete vor mir im Hippodrom. 

Laß ſehen, ob Juſtinian nicht wie Karthago auch 
Rom zurückgewinnt. 

6* 


84 





Gie wollen ven Frieden ertrogen, die Barbaren, in 
Stalien: fie follen ihn finden, ben Frieden des Grabes !" 

Da meloete der BVelarius: 

„Herr, der Genat ift verfammelt im Gale von 
Serufalem. 

Die Kaiſerin betritt foeben vie Ldwentreppe.“ 

„Gut,“ fagte Suftinian, „geh. 

Die Stunde der Pritfung ift gefommen fiir Theodora. 

Und fir fie alle, die fic) meine Rathe nennen. 

Gie find nie verlegen, wenn eS fleine Mittel gilt 
fiir kleine Ziele. 

Wenn ſie, behaglich auf den Seidenpolſtern ſitzend, 
Verbannung und Confiscation über ihre Amtsgenoſſen 
rechtfertigen ſollen, wie ſcharfſinnig, wie erfinderiſch 
ſind ſie! 

Des Reiches und des Kaiſers Majeſtät iſt das 
Alpha und Omega dieſer Sklavenlippen. 

Laß ſehen, ob ſie auch heute dran gedenken. 

Nur heute verſage mir nicht, du höchſte Kunſt des 
Herrſchers: undurchſchaubare, tief ausholende Verſtellung. 

Heute gilt es, eure Kraft erproben, ihr Staats. 
manner von Byzanz. 

Sh ahne, wie iby beftehen werbet. 

Und mid freut’s. 

Cure Erbärmlichkeit ift die befte Stütze meines 
Throng. 

Und die befte WRedtfertigung meines Regiments. 

Klar foll eud) werden in eure erſchrocknen Seren 


85 


hinein, daß ihr einen Zwingherrn braudt, iby feigen, 
ehrloſen, rathlofen Sklaven!“ — 

Da erſchienen die Kämmerer, das Ankleide⸗-Perſonal. 

Juſtinian vertauſchte nun das Morgengewand mit 
der kaiſerlichen Staatstracht. 

Knieend halfen ihm dabei die Veſtiarii. 

Er legte die weiße, bis an die Kniee reichende 
Tunica an von weißer Seide, an beiden Seiten mit 
Gold beſetzt und durch einen purpurfarbnen Gürtel ge— 
halten: auch die ganz eng anſchließenden Beinkleider 
waren von Seidenſtoff und Purpurfarbe. 

Ueber die Schulter warf ihm der Mantel⸗Sklave den 
prachtvollen Kaiſermantel von hellerer Purpurfarbe mit 
breitem Clavus (Saum) von Gold, in welchem rothe Kreiſe 
und in grüner Seide geſtickte ſymboliſche Thiergeſtalten, 
zumal Vögel, wechſelten; aber die verſchwenderiſch dar⸗ 
über geſtreuten Perlen und Edbdelſteine machten die 
Zeichnung kaum erkennbar und den ganzen Mantel ſo 
ſchwer, dag die Hülfe ver Schleppträger nicht uners 
wünſcht ſein mußte. 

Jeden Unterarm bedeckten drei breite goldne Arm⸗ 
ringe. 

Das Diadem, links und rechts breit vom Kopf ab⸗ 
ſtehend, von maſſivem ſchwerem Golde, war von zwei 
Perlenbogen überwölbt. 

Den Mantel hielt auf der rechten Schulter eine 
koſtbare Spange mit großen Edelſteinen. 

In die Hand gab ihm der Scepter⸗Verwahrer den 
über mannslangen goldnen Herrſcherſtab, der oben 


86 


vie Weltfugel aus einem einzigen grogen Smaragd und 
darauf das Goldkreuz trug. 

Feſt ergriff ihn der Raifer und fprang von der 
Kline auf. 

„Noch die Gandalen, Herr, dte Kothurn-Sandalen,“ 
mahnte ein Enieender Kammerer. 

pein, heute braud id) feinen Kothurn,“ fprad 
Suftinian und fdritt aus dem Semad. 

Ueber vie LEwentreppe, benannt von vier und zwan⸗ 
31g aus Rarthago von Beltfar eingebradten hohen 
Marmorliwen, welde die zwölf Stufen won beiden 
Seiten bewachten, ftieg ber Raifer in ein tieferes Gee 
fog und in den grogen Berathungsfal des Palaftes, 
den „Sal von Jeruſaleni“. 

Diefer trug feinen Namen von den Porphyrfaulen, 
Onyr⸗Schalen, Goldtifden, und zahlloſen Goldgerathen, 
welde, an den Wänden und auf Halbjaulen angebradt, 
ver Ueberlieferung nad) vereinft den Tempel von Jeruſa⸗ 
lem geſchmückt. 

Von dort hatte Titus nad der CEroberung der 
Stadt dieſe Schätze nad) Rom entfiihrt. 

Aus Rom hatte fie ver Meertinig Geiſerich auf 
feinen vanvalifden Drachenſchiffen, gleidyettig mit der 
Raiferin Cudozia, nad feiner Hauptftart Rarthago ges 
tragen. 

Und nun hatte ſie Beliſar aus Afrika dem Kaiſer 
des Oſtreichs zugeführt. 

Die Kuppel des Sales war dem Himmelsgewölbe 
nachgebildet, aus koſtbaren blauen Halbedelſteinen zu⸗ 


87 


fammengefiigt: und auger der Gonne, dem Mond, dem 
Auge Gottes, rem Lamm, dem Fiſch, den Vögeln, der 
Palme, der Rebe, dem Ginhorn und andern driftlichen 
Symbolen war ver ganze Zodiakus und waren zahlloſe 
Sterne aus maffivem Golde in die Mofaitarbeit eingelaffen. 

Die Koſten diefer Kuppel allen fdlug man in 
Byzanz fo hod an alS vas Gefammtertragnig der 
Grundftener des ganzen Reiches, fiir fiinf und vierzig 
Sabre. 

Gegenitber den drei hohen Cingangbogen, welde 
pon Vorhangen gefdloffen und auerhalb ves Gales — 
es war der eingige Cingang — von der faiferliden 
Leibwade der ,,Goldfdiloner’ in dreifacher Kette ges 
hütet waren, erhoben fic) in ver Tiefe ves halbrunden 
Gales ver Chron des Raifers und, links von diefem, 
etwas niedrer, Der Der Raiferin. 

Als Guftinian ven Sal betrat mit großem Gefelge 
ver Balaftdiener, warfen fid) alle Verfammelten, die 
höchſten Witrdentrager des Reiches, auf vas Antlig gu 
vemiithiger Proskyneſe. 

Aud) vie Kaiſerin erhob fic), beugte tief vas Haupt 
und freujte die Arme auf ver Bruft: ihre Kleidung war 
per des Gemals ganz ähnlich: aud) thre weiße Stola 
fiberwallte rer Burpurmantel, weldem jedoch rer faiferlide 
Clavus feblte. 

Auch fie trug ein Scepter, aber nur ein gang furges, 
aus Glfenbein. 

Ginen matten, aber veradtungsvollen Blick warf die 
Herrſcherin über vie Patriarden, Erzbiſchöfe, Biſchöfe, 


88 


Patricier und Senatoren, welche, über dreißig an der 
Bahl, die im Halbtreis aufgeftellten goldnen Stühle mit 
den Seidenpolftern fiillten. 

Durd ven in ver Mitte den Gal durchſchneidenden 
Gang fdritt nun Juftintanns und beftieg mit rafdjem, 
ſichrem Schritt feinen Thron, das Scepter fdwingend. 

Zwölf der erften Palaftheamten ftanden auf den Stufen 
der beiden Throne, weiße Stabe in den Handen. 

Trompetenfdall gab nun den anf das Antlig Gee 
funtnen vas Zeichen, fic gu erbeben. 

Wit haben euch berufen,” hob ver Raifer an, 
~wWeilige Biſchöfe und erlaudte Senatoren, im ſchwerer 
Gade euren Rath gu Hiren. 

Uber warum fehlt unfer Magifter Militum per 
Orientem, Narfes 2" 

„Er ift geftern erft aus Perfien eingetroffen — er 
liegt ſchwer krank gu Bett," meldete der Proto⸗Keryr. 

„Unſer Quaftor ſacri palatit Tribonianus ™ 

„Iſt nod nidjt guritd von deiner Gendung nad) 
Berytus um vie Covices.“ 

„Warum fehlt BVelifarius, unfer Magifter Militum 
per Orientem extra Ordinem 2" 

„Er wohnt nidt in Byzanz, fondern drüben in 
Ufien, in Syeae, tm rothen Haufe.“ 

„Er Halt fich ſehr abfeits im rothen Haufe. 

Das mißfällt uns. 

Was entgicht ev ſich unfrem Blick?“ 

„Er war dort nidt zu finden.” 


89 


„Auch nidt im Hauſe feines Freigelafinen Photius, 
im Dtufdelhaus 2" 

„Er war auf die Jagd geritten, die perfifden Jagd⸗ 
Leoparden gu erproben,“ fagte Leo, dev comes fpathas 
riorum. 

„Er iſt nie da, wenn man ihn braucht. 

Und immer, wenn man ihn nicht braucht. 

Ich bin nicht zufrieden mit Beliſarius. — 

Vernehmt nun, was geſchehen, was uns in den letzten 
Tagen durch viele Briefe zuging: zuletzt ſollt ihr auch 
mündlichen Bericht der Boten hören. — 

Shr wißt: wir haben den Krieg in Italien eins 
ſchlafen laffen, weil wir — andre Aufgaben batten fiir 
unfre Feldherrn. 

Shr wißt: der VBarbarentinig bat um Frieden, um 
Ueberlafjung Staliens. 

Wir wiefen das damals ab, gelegne Beit erwartend. 


Antwort hat der Gothe nicht in Worten, in ſehr 
verwegnen Thaten gegeben. 

She wißt nod) nicht davon: — niemand in Byzanz 
— wir behielten die Nachricht für uns, ſie unmöglich 
oder doch übertrieben erachtend. 

Aber wahr iſt Alles, was gemeldet ward: vernehmt 
und rathet. 

Eine Flotte und ein Heer hatte der Barbaren⸗ 
König nach Dalmatien geſchickt in aller Heimlichkeit und 
Eile. 

Die Flotte lief in den Hafen von Muicurum bei 


90 


Galona: und vas gelandete Heer nahm die fefte Stadt 
nit Sturm. 

Ebenſo überraſchte vie Flotte die Geeftadt Laureata. 

Glaudianus, unfer Befehlshaber zu Salona, fdidte 
zahlreiche und ftarf bemannnte Dromonen, den Gothen 
die Stadt wieder gu entreigen. 

Aber in einer großen Seeſchlacht ſchlug ein Gothen- 
Herzog, Guntharis, dieſe unfere Flotte dermaßen, daß er 
alle Dromonen ohne Ausnahme eroberte und fiegretd 
in den Hafen von Laureata einfithrte. 

Cine zweite Flotte von vierhundert großen Schiffen 
riiftete der König bei Centumcellä ans. 

Sie war meiftentheils gebilret aus unfern Dromo⸗ 
nen, welde, vom Orient aus nad) Gicilten für Belifar 
gefendet, in Unkenntniß, dag die italifden Häfen 
wieder in der Hand ver Gothen, mit aller Bemannung 
und Labung waren weggenommen Worden von einem 
Wothengrafen Grippa. 

Das Riel aud) diefer new gefdaffnen Flotte war 
unbekannt. 

Plötzlich erſchien der Barbaren⸗König ſelbſt mit dieſer 
Flotte vor Regium, ver feſten Hafenſtadt an ver äußer⸗ 
ſten Südſpitze Bruttiens, welche wir gleich bei der erſten 
Landung gewonnen und ſeither nicht wieder verloren 
hatten. 

Nach tapferm Widerſtand ergaben ſich die Heruler 
und Maſſageten unſerer Beſatzung. 


Der Tyrann Totila aber wandte ſich nun raſch nach 


91 


Sicilien, dieſe frithefte Croberung Belifars uns wieder 
gu entreißen. 

Er fdlug ven Rimer Comes Domnentiolus, der 
ihm in's offene Geld entgegen trat, und gewann rafd 
bas ganze Ciland. 

Nur Meeffana, Panormos und Syracufa ſchützten 
nod) thre feften Dtauern. 

Cine Flotte, weldhe wir gum Schutze, zur Wieders 
gewinnung von Sicilten ausfandten, zerſtreute der Sturm. 

Gime gweite blies der Nordweft in den Peloponnes 
guriid. 

Gleichzeitig fegelte eine dritte TrivemensFlotte diefes 
unerſchöpflichen Königs unter einem Grafen Hadujwinth 
gegen Corſica und Sardinia. 

Die erftere Snfel fiel alsbald ben Gothen yu, nachs 
Tein die kaiſerliche Befabung ihrer Hauptſtadt Wleria in 
offner Schlacht gefdlagen war. 

Der reide Corfe Furius Ahalla, dem der grofte 
Theil des Cilands gebirte, war zwar fern in Sndien. 

Aber feine Inſtitoren und Golonen waren anges 
wiefen, im Gall einer Landung der Gothen diefen feinen 
Widerftand, fondern befte Firderung zu leiften. 

Von Corfica wandten fig vie Barbaren nad der 
Snfel Sardinia. 

Hier ſchlugen fie bet Raratis pie Sruppen, weldye 
unſer Magifter Militum von Afrifa yur Beſchützung der 
Snfel herübergeſchickt. 

Und fie nabmen diefe Stadt, wie Sulci, Caſtra 
Trajani und Turres in Beſitz. 


92 


Auf beiden Eilanden aber, auf Gorfica und anf 
Sardinia, ridten fid) die Gothen häuslich ein. 

Gie behandeln diefelben als dauernd erworbne Bue 
behörden des Gothenreiches in Stalien. 

Sie fegten Gothengrafen in allen Stivten etn. 

Und fie erheben nad gothifdem Verfaffungsredht die 
Steuern. — Diefe find — — unbegreiflich —! — 
viel geringer als die unſeren. 

Und die Unterthanen dort erklären ſchamlos: ſie 
zahlen lieber den Barbaren fünfzig als uns neunzig. 

Aber nicht genug. 

Nordöſtlich heraufſegelnd von Sieilien vereinte der 
Tyrann Totila ſein Geſchwader mit einer vierten Flotte 
unter Graf Teja auf ver Höhe von Hydrus. 


Cine viefer vereinten Flotten, unter Graf Thoris⸗ 
muth, landete auf Corcyra, nahm die Infel in Beſitz, 
und gewann von dort aus alle umliegenden Cilande, 
zumal die Shbotifden Inſeln. 

Aber nod) nicht genug. 

Der Tyrann Totila und fein Graf Leja griffen bee 
reit8 das Feftland unferes Reiches an.“ 


Gin Murmeln des Schreckens unterbrad den kaiſer⸗ 
lichen Redner. 

Ginter und grimmig fuhr diefer fort: 

„Sie landeten in dem Hafen von Epirus vetus, ere 
oberten die Starte Nikopolis und Andhifus, ſüdweſtlich 
von Dem alten Dodona, und nahmen eine Menge unferer 
Schiffe in jenen Küſtengewäſſern weg. 


93 





Das bisher Mitgetheilte mochte nur euren Unwillen 
erregen über bie Verwegenheit der Barbaren. 

Aber nun vernehmt, was eud) anders ergreifen mag. 

Kurz gefagt und Har: — nad) den geftern hier eins 
getroffnen Boten ift es gewiß: 

Die Gothen find tm vollem Anzug auf Byzanz.“ 

Da fprangen eingelne der Genatoren won ihren 
Stühlen. 

won doppeltem Angriff. 

Ihre verſammelten Geſchwader, von Herzog Gun⸗ 
tharis, den Grafen Markja, Grippa und Thorismuth 
geführt, haben in zweitägiger Seeſchlacht unſere Flotte der 
Inſelprovinz geſchlagen und in die Meer⸗Enge von Seſtos 
und Abydos getrieben. 

Ihr Landheer aber, unter Totila und Teja, zieht quer 
durch Theſſalien über Dodona gegen Mabedonien: ſchon 
iſt Theſſalonike bedroht. 

Die neuen Mauern“, die wir dort gebaut, hat Graf 
Teja geftiirmt und gefdleift. 

Die Strage nad) Byzanz ftebt thnen offen. 

Und fein Heer fteht mehr gwifden uns und den 
Barbaren. 

WM’ unfere Cruppen liegen an ver Perfer-Grenje. 

Und nun vernehmt, was uns dev Barbarenkönig 
bietet. 

Glücklicherweiſe hat ibn ein Gott bethirt und unfre 
Schwäche ihm verhüllt. 

Hört es: er bietet uns abermals den Frieden unter 
den gleichen Bedingungen wie vor Monaten. 


94 


Nur Sicilien verlangt er jegt dazu. 

Aber alle andern Croberungen will er ohne Schwert⸗ 
ftreid) raumen, wenn wir ibn nur in Stalien anerfennen. 

Da id) gar tein Mittel, weder Segel nod Coborte, 
hatte, ihn aufgubalten, riidte er vor, fo babe id einſt⸗ 
weilen Waffenftilftand gefordert. 

Diefen nahm er an, unter der Vorausfegung, dak 
Per Friede unter jenen Bedingungen geſchloſſen werde. 

Das ſagte th gu.” — — — 

Hier warf er einen prüfenden Blick auf die Ver⸗ 
ſammlung, auch einen Seitenblick auf ſeine Kaiſerin. 

Die Verſammelten athmeten ſichtlich auf. 

Die Kaiſerin ſchloß die Augen, deren Ausdruck zu 
verbergen. 

Sie drückte die kleine Hand krampfhaft auf die goldne 
Lehne ihres Throns. 

„Nur unter dem Vorbehalt, noch meiner Gemalin, 
die zuletzt nur noch für den Frieden ſprach, und meines 
weiſen Senates Meinung zu vernehmen. 

Ich fügte bei, ich ſei dem Frieden geneigt.“ 

Da glatteten ſich die Geſichter tereutend. 

ind id) glaubte das Urtheil meiner Räthe vorans 
fagen gu fonnen. 

Darauf hin madten die vordringenden Reiter Graf 
Teja's auf Befehl des Königs widennillig Halt vor 
Thefjalonife: leider nahmen fie nocd) vorher den Biſchof 
Per Stadt gefangen. 

Aber fie fandten ihn mit andern Gefangnen, mit 
Boten und Briefen hieher, — vernehmt fie felbft. 


95 





Dann faffet euren Entſchluß. 

Bedenkt vabei, daß vie Barbaren in wenigen Tagen 
por unfern Thoren ftehen, verwerfen wir den Frieden. 

Und dak wir nur abtreten follen, was das Reid feit 
vielen Jahrzehnten anfgegeben hatte und was zwei Feld⸗ 
züge Belifars nicht wieder gewinnen fonnten: Stalien. 

Führt nun die Boten ein.” 

Durd) vie Cingangsbogen wurden nun von den 
Leibmaden herein geleitet Männer in geiftlidher, in 
Amts und RKriegertradt. 

Sie warfen fid vor Suftinians Chron nieder unter 
Bittern und Seufzen: and) Thränen fehlten nicht. 

Auf einen Wink erhoben ſie ſich wieder und ſtellten 
ſich vor den Stufen des Thrones auf. 

„Eure Bitt⸗Briefe und Klage-Berichte,“ ſprach der 
Kaiſer, „hab' ich geſtern ſchon durchleſen. 

Protonotarius, verlies nur den Einen, den des ges 
fangenen Biſchofs von Nikopolis und dann noch den 
des verwundeten Comes von Illyricum — er iſt ſeither 
ſeinen Wunden erlegen. —“ 

„An Juſtinianus, den unbeſiegbaren Kaiſer der 
Romäer. 

Dorotheos, Biſchof von Nikopolis, und Nazares, 
comes per Illyricum. 

Der Ort, wo wir dies ſchreiben, iſt der beſte Beweis 
für den Ernſt unſrer Worte. 

Wir ſchreiben dies an Bord des Königsſchiffs des 
Gothenfürſten, Italia“ mit Namen. 

Bekannt iſt dir wohl, wann du dieſe Worte lieſeſt, 


96 


ver Flotten Miederlage, ver Inſeln BVerluft, ver neuen 
Mauern” CErftiirmung, ves Landheers von Illyricum 
Berftreuung. 

Rafder als vie Boten, rafder als vie Flüchtlinge 
von dieſen Sdhladten haben uns die gothifden Verfolger 
erreicht. 

Nikopolis hat der Gothenkönig erobert und verſchont. 

Anchiſus hat Graf Teja erobert und verbrannt. 

Ich, Nazares, diene dreißig Jahre in Waffen — 
nie hab' ich ſolchen Angriff geſehen, wie den, bei welchem 
Graf Teja mich im Thore von Anchiſus niederſchlug. 

Sie ſind unwiderſtehlich. 

Ihre Reiter fegen durch alles Land von Theſſalonike 
bis Philippi. 

Die Gothen im Herzen von Illyricum! 

Seit ſechzig Jahren iſt es unerhört! 

Und der König hat geſchworen, alle Jahre wieder zu 
kehren bis er den Frieden hat oder — Byzanz. 

Seit er Corcyra hat und die Syboten, ſteht er auf 
der Brücke in dein Reich. 

Und da Gott das Herz dieſes Königs gerührt hat, 
daß er dir Frieden bietet um billigen Preis — ja nur 
um den Preis, den er ſchon hat — flehen wir dich an, 
im Namen deiner zitternden Unterthanen, deiner rauchen⸗ 
den Städte: ſchließe Frieden. 

Rette uns und rette Byzanz! 

Denn eher werden deine Feldherrn Beliſar und Narſes 
die Morgenſonne und den Nordwind aufhalten auf ihren 
Bahnen als den König Totila und dieſen fürchterlichen Teja.“ 


97 


„Sie find gefangen,” unterbrad) ihm der Raifer. 

„Sie reden vielleidht aus Furcht vor der Barbaren 
Todesbedrohung. 

Sprecht nun ihr: du, ehrwürdiger Biſchof Theophilos 
von Theſſalonike, du, Logothetes von Dodona, Anatolius, 
du, Parmenio, tapfer Führer der makedoniſchen Lanzen: 
ihr ſeid hier ſicher in unſrem kaiſerlichen Palaſt: aber 
ihr habt die Barbarenführer geſehn — was rathet ihr?“ 

Da warf ſich der greiſe Biſchof von Theſſalonike 
abermals auf die Kniee und ſprach: 

© Kaiſer der Romäer: der Barbarenkönig Totila iſt 
ein Ketzer. Und ewig verdammt. 

Das könnte mich irre machen an den Grundlehren 
der Kirche. 

Denn nie ſah ich einen Mann ſo reich geſchmückt 
mit allen chriſtlichen Tugenden. 

Ringe nicht mit ihm! 

Im Jenſeits iſt er verworfen auf ewig. 

Aber — ich kann es nicht faſſen — auf Erden ſegnet 
pie Gnade Gottes alle ſeine Schritte: er iſt unwider⸗ 
ſtehlich.“ 

„Ich faß' es wohl,“ fiel Anatolius, der Logothetes, ein. 

„Schlauheit gewinnt ibm vie Herzen: tieffte Heuchelei, 
Verſtellung, die all' unſre viel gerühmte und geſcholtne 
Griechen⸗Klugheit übertrifft. 

Der Barbar ſpielt die Rolle des erbarmenden Men⸗ 
ſchenfreundes ſo unübertrefflich täuſchend, daß er beinahe 
auch mich getäuſcht häite, bis ich mir ſagte, daß es 

Dahn, Cin Kampf um Rom. IV. 7 


98 





vergleiden in der Welt nicht geben könne, was diefer 
Gothe — fpielt wie ein Mime. 

Gr thut, als ob er wirklid) Erbarmen habe mit be- 
fiegten Feinden! 

Gr fpeift die Hungernden, er läßt das erbeutete Geld 
einer Steuer Gafjen, o Saifer, unter die Landleute 
vertheilen, deren Felder durd ben Krieg gelitten. 

Er giebt den Mtannern die Weiber unverſehrt zurück, 
weldje diefe in die Walder geflüchtet und feine Reiter, die 
allgegenwartigen, gefunden haben. 

Gr reitet unter QHarfenfpiel eines ſchönen Rnaben, 
dev thm ved Roffes Riigel fithrt, in die Dörfer ein. 

Weißt du, was die Folge ift? 

Deine eignen Unterthanen, o Raifer der Romäer, 
fallen ihm gu, tragen thm Kundſchaft, liefern ihm deine 
Beamten in Ketten aus, welde deinen ftrengen Steners 
geboten gehorchten. 

So mich felber die Bauern und Colonen von Dodona. 

Dieſer Barbar iſt der größte Schauſpieler des Jahr⸗ 
hunderts. 

Denn Wahrheit kann's nicht ſein. 

Dieſer kluge Heuchler hat aber zu noch viel mehr 
Dingen Verſtand als zum Zuſchlagen. 

Er hat mit den fernen Perſern, mit deinem Erzfeind 
Shosroés, Verbindungen angeknüpft zu gegenſeitiger 
Waffenhülfe wider dich. 

Wir haben ſelbſt die perſiſchen Geſandten geſehen, 
die aus ſeinem Lager wieder oſtwärts ritten.“ 

Dev Makedouen-Haupimann aber ſprach: 


99 


„Beherrſcher der Romäer: feit Graf Teja vie Heer⸗ 
ftrafe von Theffalonife gewonnen hat, ſteht nidjt® mebr = - 
swifden Ddeinem Throw und feiner Streitart als die 
Mauer viefer Stant. 

Wer die neuen Manern” dort adtmal nacheinander 
beſtürmt und auf's Neunte mal erſtiegen hat, der erſteigt 
auf's zehnte Mal die Walle von Byzanz. , 

Nur mit ſiebenfacher Uebermadt haltit du vie Gothen 
auf. 

Haft du die nicht, dann ſchließe Friede.” 

„Friede! Friede! wir flehen did) an im Namen deiner - 
zitternden Provingen Epirus, Thefjalien, Makedonien.“ 

„Schafff uns die Gothen aus dem Lande!" 

‚Laß nidjt Alarich's, Theoderich's Lage ſich ſchrecklicher 
erneuen.“ 

„Friede mit den Gothen! Friede! Friede!“ 

Und alle die Geſandten, Biſchöfe, Beamten, Krieger 
ſanlen auf die Kniee mit dem flehenden Rufe: „Friede!“ 

Furchtbar war der Eindruck auf die Verſammlung. 

Wohl kam es oft vor, daß an den äußerſten Marken 
des Oſtreichs Perſer und Saracenen im Oſten, Mauren 
im Süden. Bulgaren und Slaven im Nordweſten plündernd 
über die Grenze brachen, auch wohl die nächſten Truppen 
ſchlugen und mit ihrem Raub ungeſtraft wieder entkamen. 

Aber, daß auf die Dauer griechiſche Inſeln von den 
Feinden beſetzt, daß griechiſche Küſtenſtädte von Barbaren 
gewonnen und verwaltet, daß die Straßen nach Byzanz 
von Germanen beherrſcht wurden — das war unerhört. 

Mit Entſetzen gedadjten die Senatoren ver Tage, pa 


7 * 


100 


gothifde Schiffe und gothifde Heere alle griechifchen Infeln 
überzogen und widerbolt vie Wille von Byzanz bee 
ſtürmten, nur durch Erfüllung aller ihrer Forderungen 
von der Erſtürmung abzubringen: ſchon hörten fie die 
Beilſchläge des ſchwarzen Teja an die Thore pochen. 

Go lag ver Ausdruck hülfloſer Furcht auf allen Ge⸗ 
ſichtern. 

Ruhig prüfend blickte Juſtinian zur Rechten und zur 
Linken auf die Reihen. 

„Ihr habt gehört,“ begann er dann, was Kirche, 
Staat, und Heer verlangen. 

Ich fordre nun euren Rath. 

Waffenſtillſtand haben wir ſchon erreicht. 

Soll neuer Krieg, ſoll Friede daraus werden? 

Ein Wort erkauft den Frieden: Abtretung des doch 
verlornen Italiens. 

Wer von euch fiir den Krieg, erhebe ſeinen Arm.“ 

Rein Arm erhob fid. 

Denn die Senatoren bangten fiir Byzanz: und fie hat⸗ 
ten an der Friedensneigung des Raifers keinen Zweifel. 

Cinftimmig wählt mein Senat den Frieden. 

Sd) ſah's voraus,“ fagte Suftinian mit einem felts 
famen Lächeln. 

„Ich bin gewohnt, ftets memen weifen Räthen yu 
folgen. 

Und meine Raiferin?” 

Da fprang Theodora wie eme biumende Schlange 
von ihrem Sig und fdlenderte ihr elfenbeinernes kurzes 





101 





Scepter fo heftig von ſich, daß e8 welt in den Sal 
binab flog. 

Schreck malte fid) in den Zügen ver Senatoren. 

„So fabre hin,” vief fie mit aller Anftrengung, „was 
mein Stolz gewefen, Sabre fang: mein Olanbe an 
Suftinian und feine Kaiſerhohheit! 

Go fabre hin jeder Untheil an der Sorge fiir das 
Reid) und feine Chre. 

Wehe, Buftinianus, wehe mir und dir, daß ich folde 
Worte hören mufte aus deinem Mund!“ 

Und fie verbiillte das Haupt in ihren Purpurmantel, 
bie Schmerzen bergen, welche die Erregung ihr verur⸗ 
ſacht. 

Der Kaiſer wandte ſich zu ihr. 

„Wie, die Auguſta, unſre Gemahlin, welche ſeit 
Beliſars zweiter Heimkehr immer gum Frieden rieth, — 
mit kurzer Ausnahme, — ſie räth, jetzt, in ſolchen Ge⸗ 
fahren? — 

„Krieg,“ rief Theodora, den Purpur fallen laſſend. 

Und ihr Angeſicht wurde ſchön in hohem Ernſt, wie 
es nie war in ſpielendem Scherz. 

„Muß ich, dein Weib, dich mahmen an deine Ehre? 

Du willſt es dulden, daß Barbaren in deinem Reide 
ſich feſtſetzen, dich durch Bedrohung zu ihrem Willen 
zwingen? 

Du, der geträumt von Wiederherſtellung des Reiches 
Conſtantins? 

Du, Iuſtinianus, ver du die Namen Perficus, Vans 
Dalicus, Alanicus und Gothicus dix gugelegt, willſt dulden, 


102 


daß diefer gothiſche Jüngling dich am Barte dahin zerrt, 
wohin er will? 

Dann biſt du nicht der Juſtinianus, den ſeit Jahren 
die Welt, Byzanz, Theodora bewundert. 

Ein Irrthum war unſere Verehrung.“ 

Da ermannte ſich der Patriarch von Byzanz — er 
glaubte immer noch, der Kaiſer habe den Frieden bereits 
unwiderruflich beſchloſſn — gum Widerſtand gegen die 
Raiferin, die nicht immer haarſcharf die von ihm gerade 
vertretne, feine Schattirung der Rechtglänbigkeit traf. 

„Wie,“ fprad ex, ,die erhabne Frau rath gum blutigen 
Krieg ? 

Wahrlich, die hetl’ ge Kirde hat nidt Urſache fiir die 
Keser zu fpreden. 

Indeſſen: der neue König ift wunderbar mild gegen 
vie Ratholifen in Stalien und man fann ja gelegnere 
Beit abwarten, bis —" 

„Nein, Prieſter,“ unterbrad Theodora, „die beſchimpfte 
Ehre dieſes Reiches kann nicht warten. 

O Juſtinianus —" dieſer ſchwieg immer nod be⸗ 
harrlich und ſchloß die Augen, auf daß deren Ausdruck 
nicht ſeine Stimmung verrathe. 

WO Juſtinianus, laß mid, laf die Welt nicht irre 
an bir werden. 

Du darfft div nicht ſchimpflich abtrogen laffen, was 
bu der Bitte verweigert ! 

Muß id) did) mahnen, wie fdhon einmal deines 
Weibes Rath und Kraft und Muth dich, deine Chre, 
deinen Thron gerettet hat? 


103 


Haft vu vergeffen ten furdtharen Aufftand der Mifa? 

Bergefien, wie die vereinten Parteien des Circus, 
ber rafende Pöbel von Byzanz heran wogte gegen dieſes 
Haus 2 

Die Flammen und die Rufe: ,nieder die Tyrannen !“ 
ſchlugen gufammen über viefem Dad). 

Flucht oder Nachgeben riethen dir alle deine Rathe, 
alle dieſe heiligen Biſchöfe und weifen Senatoren, and 
deine Heerfithrer. 

Denn Narſes war fern in Wfien. 

Und Belifarius war fdon eingefdloffen von den 
Rebellen im Meerpalaft: 

Alle verzagten, die tanner. 

Da war dein Weib, Cheodora, der eingige Held an 
einer Sette. ° 

Gabſt pu nad oder floheft bu, fo war dein Thron, 
bein Leben, ganz gewiß aber deine Ehre verloren. 

Ou ſchwankteſt, vu neigteft zur Flucht. 

„Bleib und ftivs, wenn es fein mug," fagte id) das 
mals, ,Juftinian, aber ſtirb im Purpur.“ 

Und vu bliebeft und dein Muth hat vid) gerettet: 
du harrteft aus, den Lod auf vem Thron erwartend 
mit mir — und Gott fandte Belifar zum Entfag 
und Sieg. 

So ſpreche ich ancy jest. 

Weiche nidt, Kaifer ver Romäer, gieb nidt nad) den 
Barbaren. 

Bleibe fet: laf vid) von den Trümmern des golonen 
Thors begraben, fprengt e8 des wilth’gen Gothen Beil. 


* 104 





Aber ſtirb als Raifer. 

Befleckt ift viefer Purpur von maflofer Frechheit dev 
Germanen. 

Hier werf' ich ihn von mir und ich ſchwör's, bet der 
heiligen Weisheit Gottes: nicht eher wieder leg ich ihn 
an, bis tein Gothe mehr auf dieſes Reiches Boden ſteht. 

Und ſie riß den Purpurmantel ab und ſchleuderte 
ihn auf die Stufen des Thrones: dann aber, tief er⸗ 
ſchöpft, war ſie im Begriff auf den Sitz zurück zu ſinken. 

Juſtinianus aber fing ſie auf in ſeinen Armen und 
drückte ſie an ſeine Bruſt. 

„Theodora,“ rief er mit leuchtenden Augen, mein 
herrlich Weib! 

Du brauchſt keinen Purpur um die Schultern: dein 
Geiſt iſt in Purpur gekleidet. 

Du allein verſtehſt Juſtinianus. 

Krieg und Verderben den Barbaren!“ 

Schrecken und Staunen befiel die bebenden Sena⸗ 
toren bei dieſem Schauſpiel. 

Ja,“ ſprach Der Kaiſer, yu dieſen gewendet, ,weife 
Väter, diesmal waret ihr allzuklug, um weiſe, u 
Männer zu ſein. 

Wohl iſt es eine Ehre, der Nachfolger Conſtantins 
zu heißen. 

Aber keine Ehre iſt es, euer Herr zu ſein. 

Recht haben, fürcht' ich, unſre Feinde: nur den 
Namen, die todte Mumie Roma's hat Conſtantin hieher 
verpflanzt: die Seele Roma's war bereits entflohn. 

Weh' um dies Reich! 


105 


War’ eS frei, war’ es Republif — e8 wire heute 
verfunten in Gdanve. 

Einen Herrn mu es haben, der e8, wie ein faules 
RoR, aus vem SGumpf, darin e8 zu verfinfen drobt, 
empor reißt, ein fdarfer Reiter mit Peitſche, Zügel 
und Sporn.“ | ’ 

Da drangte fid) urd) die Cingangsthitren ein fleiner, 
gebiidter Dtann, auf eine Krücke geſtützt, und hintte 
durch den Gal bis vor den Thron. | 

»Kaifer der Romäer,“ hob er an, von feiner Prosfynefe 
ſich erhebend, auf meinem Schmerzenslager erreichte mid) 
punfle Kunde, von rem, was die Barbaren gewagt, von 
dem, was hier entſchieden werden foll in diefer Stunde. 

Da rafft’ id) mid) empor und fdleppte mid) müh— 
fam hieher: denn ic) muß e8 erfabren, durch Gin Wort 
veines Mundes, ob id) von jeher ein Narr ge: 
wefen, dag id) did), trog vieler Rleinheiten, fiir einen 
großen Herrfder hielt? ob ic) deinen Feldherrnftab in 
pen tiefften Brunnen werfen mug oder ob id) ihn nod 
tragen kann mit Chren 2 

Sprih nur Cin Wort. 

Krieg ober Friede?“ 

Krieg, Magiſter Militum!“ fagte Suftinian und 
fein Untlig ftrablte. 

»~Sieg, Juſtinianus,“ rief ver Feldherr und warf die 
ride weg. 

© laß mid) deine Hand küſſen, Imperator." 

Und er binfte die Stufen des Thrones hinauf. 


106 


Aber Patricius,“ höhnte Theodora, ‚du bift ja auf 
einmal ein Dann ? 

Du warft ja. immer gegen den Gothenfrieg. 

Haft du pliglic Sinn fiir Ebhre 

„Was Ehre!“ rief Narſes. 

„Dieſer bunten Seifenblaſe mag Beliſarius, das 
große Kind, nachlaufen. 

Nicht die Ehre: das Reich ſteht auf dem Spiel. 

So lang ernſte Gefahr vom Oſten drohte, rieth ich 
zum Perſerkrieg. 

Von den Gothen drohte nichts. 

Nun aber haben deine Frömmigkeit, o Kaiſerin, und 
ves Beliſarius Heldenſchwert fo lang in died Horniſſen⸗ 
MNeft Geftoden, bis uns der Schwarm gefabrlid um 
ras Antlitz fliegt. 

Set droht die Gefahr dringend, brennend yon dort: 
und Narſes rath gum Gothentrieg. 

Die Gothen ftehen naher bei Byzanz als Chosroés 
unfrer Oftgrenge ftebt. 

Mer, wie diefer Lotila, ein Reich ans dem Abgrund 
zieht, fann viel feidjter ein andres in den Abgrund 
ſtürzen. 

Dieſer junge König iſt ein Wunderthäter, dem man 
bet Zeiten vie Mirakel legen muß.“ 

„Diesmal erlebe ich,“ ſprach Juſtinian, ‚die ſeltne 
Freude, Daf} meine Kaiſerin und Narſes Eines Sinnes 
ſind.“ 

Und er war im Begriff die Verſammlung zu ent⸗ 
laſſen. 


107 


Da ergriff vie Kaiferin feinen Arm: , Galt," fprad 
fie, ,mein Gemahl. 

Sh habe mir heute gum zweiten Mal vie Ehre er: 
worben, dein befter Berather gu fein. 

Nicht wahr? 

Wohlan, fo hire mid) weiter und folge aud meinem 
weitern Path. 

Halte dtefe ganze weife Verfammlung, auger Narfes, 
bis morgen im. Palaft gefangen. 

Bittert nicht, thy Illuſtriſſimi: e8 gilt viesmal nicht 
pas Leben. | | 

Aber iby tinnt nicht fehweigen, ausgenommen mit 
abgefdnittnen Zungen. 

Dies Mittel mag fiir diesmal durch Cinfperrung erfegt 
werden. 

Gs befteht eine Verſchwörung wider dein Leben 
oder dod) wider deine freien Entſchlüſſe, Suftinianus. 

Man wollte vid gum Rriege mit den Gothen 
givingen. . 

Diefer ift nun gwar befdloffen. 

Uber heute in ver Nacht oder morgen frith fdon 
bridt die Verſchwörung los: es gilt, die Verfdwornen 
gemabren gu Laffer. | 

Man varf fie nicht durch die Miittheilung, daß ihr 
Bwed ohnehin erreiht fei, abbalten von ihrem Thun. 

Gefabrlide, langft verdadtige, und — o Suftinianus 
— febr, ſehr reiche Leute find darunter. 

Es wire fade, wenn fie meinem aufgeftellten Neg 
entgingen.“ 


108 





Suftinianus war nicht erfdroden bet bem Wort 
Verſchwörung. 

aud) id) wußte davon," ſagte er. 

„Aber ſchon fo weit gediehn? 

Morgen früh ſchon? 

Theodora,” rief er, ,du biſt mehr für das Reid 
alg Belifar und Narfes. 

Auf, Archon der Goldfdiloner, du hältſt alle bier 
BVerfammelten gefangen, bis Narſes fommt fie abzu⸗ 
bolen. 

Denkt nad indefjen ber diefe Stunde, fronme und 
weife Vater, und ihre Lebren. 

Narſes, folge uns und der Raiferin.” 

Und er ſchritt die Stufen des Thrones hinad. 

Die Cingangsbogen wurden von ftarrenden Speeren 
erfüllt. 


Behntes Capitel. 





Der Raifer beſchied feine Raiferin und Narfes mit 
fic in fein Gemad. 

Dort angelangt umarmte er abermals, obne des 
Zeugen Gegenwart yu ſcheuen, innig und herzlich feine 
Gemablin. 

„Wie freut, wie erhebt mid die Begeifterung. 

Sh bin ftoh auf ein ſolches Weib! 

Wie ſchön ftand vir, o Theodora, ver edle Born. 

Bie fann ich dir lohnen! 

Wabhle dir jede Gunft, jedes Beiden meines Dantes, 
du meine befte Beratherin, ja meine Mtitregentin !” 

„Soll ih, das ſchwache Weib, wirklich glauben vitrfen, 
daß id) Antheil nehmen darf an deinen Plänen und 
Gedanken, an diefem Rriege, fo vertraue mir, wie du 
thn gu leiten gedenkſt.“ 

„Jedesfalles fende ich zwei Feldherrn nad Italien, 
nie mehr Einen, ſeit Beliſarius in jenem Land mit einer 
Krone geſpielt. Aber ihn ſende ich wieder, das ſteht 
mir feſt.“ 


108 





Suftinianus war nicht erfdroden bet dem Wort 
Verſchwörung. 

aud id wußte davon,“ ſagte er. 

„Aber ſchon fo weit gediehn? 

Morgen Frith ſchon? 

Theodora,“ rief er, ,du biſt mehr fiir das Reid 
alg Belifar und Narfes. 

Auf, Archon ver Goldfdiloner, du Haltft alle bier 
Verfammelten gefangen, bis Narſes fimmt fie abgue 
bolen. 

Denkt nad indeffen ber diefe Stunde, fromme und 
weife Biter, und ihre Lebren. 

Narſes, folge uns und ver Raiferin.” 

Und er fdjritt die Stufen des Thrones hinab. 

Die Cingangsbogen wurden von ftarrenden Speeren 
erfüllt. 


Belntes Capitel. 





Der Raifer befchied feine Raiferin und Narfes mit 
fid) in fein Gemad. 

Dort angelangt umarmte er abernials, one des 
Beugen Gegenwart gu ſcheuen, innig und herzlich feine 
®emablin. 

„‚Wie freut, wie erhebt mid) die Begeifterung. 

Sch bin ſtolz auf ein ſolches Weib! 

Wie {chin ftand vir, o Theodora, der edle Zorn. 

Wie fann id dir fohnen! 

Waͤhle dir jede Gunft, jedes Reiden meines Dankes, 
Du meine befte Beratherin, ja meine Mitregentin!“ 

„Soll ih, dad ſchwache Weib, wirklich glauben dürfen, 
vag td) Antheil nehmen darf an deinen Plänen und 
Gedanten, an diefem Kriege, fo vertraue mir, wie du 
thn gu leiten gedenkſt.“ 

„Jedesfalles fende id) gwet Feldherrm nad Stafien, 
nie mehr Ginen, feit Belifarius in jenem Land mit einer 
Krone gefpielt. Wher ihn fende id) wieder, das ftebt 
mir feſt.“ 


110 





„So erbitte id) mir die Gnade,” ſprach Theodora, 
„den andern Feldherrn vorfdlagen gu diirfen — 

Narſes,“ fuhr fie fort, ehe Juſtinian antworten 
fonnte, ,willft pu der Andre ſein?“ 

Sie wollte ihn rafd unmöglich maden. — 

„Ich dante,” fagte diefer bitter. 

„Du weit: id) bin ein ſtörrig unvertriglid Roß: 
id) tauge nidt, mit einem Andern gufammen ju ziehn. 

Ten Feldberrnftab und ein Weib, Juftinianns, muß 
man in gleider Weife haben.“ 

„Nämlich wie 2 

„Allein oder gar midt.“ 

„Dann Du gar nidt," fagte Buftinianus herb. 

„Du mugt nidt wähnen unentbebrli zu fein, 
Magifter Militum.“ 

„Das ift niemand auf Erden, Buftinianns. 

Sende nur wieder den grogen Belijarius! 

Sr mag fein Glück gum dvritten Mal verfucen in 
jenem Lante, wo die Lorbern fo dicht wachſen. 

Meine Stunte kommt ſchon nod. 

Als Zeuge eures Eheglückes bin id) wohl fibers 
flüſſig bier. 

Und zu Haufe, meinem rantenbett gegeniiber, ift 
bie Stragen-Karte von Stalien angebeftet: vergönne, daß 
id in meinem Gtudium derfelben fort fabre: fle ift 
jegt intereffanter alé die Marte unfrer Perfergrenge. 

Mur nod Cinen Rath. | 

Bulegt mußt du dod) Narſes nad Btalien fenden. 


111 





Se früher du ihn fendeft, defto mehr erfparft du an 
Miederlagen, Verdrug und Geld. 

Und wenn nun die Gidt oder jene niedertradtige 
Epilepſis Narſes hinraffen follte, ehe Konig Totila auf 
feinem Schilde liegt, wer wird dir dann den Konig 
Totila befiegen ? 

Du glaubft ja an Prophegethungen: woblan in 
Stalien geht fdon lange ver Spruch: „T. ſchlägt B., 
N. ſchlägt T.“ 

„Soll das vielleicht heißen: Theodora ſchlug Beliſar, 
Narſes ſchlägt Theodora?“ höhnte die Kaiſerin. 

„Das war nicht meine Löſung des Räthſel⸗Spruchs. 

Es war die deine. 

Wohlan, auch dieſe Löſung nehm' ich an. Weißt 
du, welches das weiſeſte deiner vielen Geſetze war, o 
Suftinianus 2" 

deur 2" 

„Jenes, welches den Tod auf jede Anklage gegen 
deine Kaiſerin fegte — denn es war das einzige Mittel, 
jie Div gu erbalten." 

Und er ging. 

„Der Unverſchämte,“ ſprach Theodora, ihm einen 
giftigen Blick nachſendend. 

„Er wagt zu drohn! 

Wenn erſt einmal Beliſar unſchädlich iſt, dann 
muß raſch Narſes folgen.“ 

„Einſtweilen aber brauchen wir nod) Beide,“ meinte 
Juſtinian. 

„Und du ſchlägſt in Wahrheit vermuthlich zum andern 


112 





Feldherrn für Stalten wierer dbenfelben Namen vor wie 
bet Caſſiodors Abweifung 2 

„Denſelben.“ 

„Aber die Gründe meines Mißtrauens gegen jenen 
Ehrgeizigen find ſeither nod verſtärkt.“ 

„Haſt du vergeſſen, wer dir Silverius entlarvt und 
entwaffnet, wer vor Beliſars gefährlichem Kronenſpiel 
geheim und zuerſt gewarnt bat 

„Aber ev verkehrt bier mit denſelben Männern, 
welche die Verſchwörung gegen mid betreiben.“ 

„Ja: aber, o Juſtinianus, anf mein Geheiß, als 
ihr Verderber.“ 

„Das ware! Wenn er aber and vid) täuſcht?“ 

„Wirſt du ihm glauben und mix und thn nag 
Stalien fenden, wenn er dir morgen die Verſchwörer 
in Retten zuführt und rarunter iby geheimes, aud dix 
nod) unbefanntes Haupt 2" 

„Ich weiß: es ift Photius, Belifars Freigelaffner.* 

kein, o Suftinianns: — Er ift es, den du wieder 
nad) Stalten fenden wollteft, menn id) nicht warnte, Velie 
ſarius felbyt." 

Da erbleidhte ver Matfer, wankte und griff nach der 
Armlehne des Thrones. 

„Wirſt du dann an des wunderbaren Rimers Cre 
gebenheit glauben und, ftatt bes Verräthers Belifar, ihe 
nad) Stalien fenten mit veinem Geer 2” 

„Alles, Wes," ſprach Inftinianus, „gewiß! Beli 
farius alfo pod) ein Verräther? 

Dann thut Gile Noth. 


113 





Handlen wir." 

„Ich babe ſchon gehandelt, Suftinian. 

Mein Netz iſt unentrinnbar ſchon geſtellt. 

Gieb mir die Vollmacht, es zuſammen gu ziehn.“ 

Der Kaiſer winkte Gewährung. 

Und Theodora befahl, indem ſie aus den Vorhängen 
ſchritt, dem Velarius: 

„Hole ſogleich aus ſeinem Hauſe in mein Gemach 
Cethegus, den Präfecten von Rom.“ | 


Dan, Ein Kampf um Rom. IV. 8 


Elftes Caypitel. 





Unr alsbald ftand Cethegus vor feiner nod immer 
verführeriſch ſchönen Sugentfreundin, welche in dem 
uns wohl befannten Gemadh auf ihrem Pfühl ante 
geftredt fag. 

Galatea reidte ihr mandmal in tener Onyrſchale 
vie Tropfen, welde ihr ver perſiſche Arzt — griechiſche 
reichten nidjt mebr aus — verorbdnet hatte. 

„Ich Danke dir, Theodora,” fagte Cethegus. 

„Und mug ich's dod) einem Andern, — nidt mir 
jelber — vanfen — einem Weibe! — dank ich's am 
Liebften rod) der Sugendgenoffin.” 

wore, Präfect,“ fprad) Theodora, ihn ernfthaft 
betradhtend, „du wareft ganz rer Mann — foll ich fagen 
ver Barbar oder ver Römer? — eine Kleopatra, welder 
Gaefar und Untonius gebhuldigt, erft gu tiffen und dann 
dod) im Triumph nad) dem Capitol gu führen zur Ere 
Drofjelung, wie Octavian vielleicht geplant. 

Wenn thm nidt jene Sdlangenfsnigin zuvor fam. 

Kleopatra war immer mein BVorbtld. 


+ 


115 





Einen Gafar hab’ id) nidt gefunden. 

Aber vie Schlange — bleibt vielleidht nidt aus. 

Du aber Haft mir nidjt gu danten. 

Sd habe aus voller Ueberzeugung gefproden und 
gebandelt. | 

Diefe gothiſche Gefahy und Befdhimpfung muß in 
Blut erftidt werden. 

Sd war vielleicht nicht immer fo tren als Gattin 
wie Suftinian geglaubt. | 

Uber id) war fein befter, treuefter Senator von jeber. 

Belifar und Marfes find nidt wohl zufammen und 
nod) weniger jeder allein nad Stalien gu fenden. 

Du follft gehen: vu bift ein Held, ein Feldherr, 
ein Staatsmann und du bift vod zu obnmadtig, Sue 
ftintan zu ſchaden.“ 

„Ich dante für die gute Meinung,” ſagte Cethegus. 

„Freund, Du biſt ein Feldherr ohne Heer, ein Kaiſer 
ohne Reich, ein Steuermann ohne Schiff. 

Dod) laffen wir's —: du willft mir nidt glauben. 

Sd fende dich nad Stalien ans tiefjter Ueberzeugung: 
— du hafjeft grimmig vie Barbaren. 

Der gweite Feldherr, den unvermeidlid) dir faifers 
liches Mißtrauen nadfendet, foll Areobindos fein, der 
Schneckenprinz: er wird dic) nidjt viel ftiren. 

Aber Freude macht mir’s, daß id) gugletd den 
Sugendgenoffen dabei firdern fann wie dad Reid. 

Ach Gethegus, die Jugend! 

Euch Männern ift fie golone Hoffnung oder goldne 
Grinnerung: — dem Weib ift fie —: das Leben. 

8 * 


116 


Wh. nur nod Cinen Tag aus jener Zeit, da ih 
vic Rofen ſchenkte und du mir Verfe.“ 

„Deine Hofer waren fin, Theodora, aber meine 
BVerfe waren nicht ſchön.“ 

„Mir ſchienen fie fin: — fie waren an mid! 

Aber wie alte Liebe verſüßt aud alter und newer 
Haß mir tie Wahl, die obnehin des Reiches Wohl 
erheiſcht. 

Beliſar ſoll nicht mehr zu neuen Ehren ſteigen. 

Nein, fallen ſoll er, diesmal tief und für immerdar. 

So wahr ich herrſche in Byzanz.“ 

„Und Narſes? mir wäre lieber und begreiflicher, du 
ſtürzteſt dieſen Kopf ohne Arm als jenen Arm ohne 
Kopf.“ 

„Geduld — Einer nach dem Andern.“ 

„Was hat dir der gutherzige Held gethan?“ 

Sx? nichts! aber fein Weib! dieſe plumpe Antonina, 
deren ganzer Triumph in ihrem geſunden Blute liegt.“ 

Und grimmig ballte die zierliche Kaiſerin die kleine, 
weiße Hand, die noch durchſichtiger geworden. 

„Ha, wie id fie haſſe! Sa, beneide! Dumme Leute 
bleiben immer gefund. 

Aber fie foll nicht frobloden, während id leide.“ 

„Und an foldem Weiberhak hängt vas Schidfal ves 
Capitols,“ fagte Cethegus au fic) felbft. ‚Nieder mit 
Kleopatra!" 

„Die Närrin ift vernarrt in Ruhm und Größe hres 
Mannes — hier fann id) fie am tödtlichſten treffen! 
Warte!“ 


117 


Gin Zucken durch thr feines Geficht verrieth einen 
Anfall heftiger Schmerzen: fie marf fid) in die Kiſſen 
zurück. 

„Aber Täubchen,“ mahnte Galatea, „laß doch den 
Aerger! 

Du weißt, was der Perſer ſagt. Jede Erregung 
von Liebe, von Haß — — 

„Ha, Haſſen und Lieben iſt Leben. 

Und der Haß wird im Alter faſt noch ſüßer denn 
die Liebe. 

Liebe iſt treulos, Haß iſt treu.“ 

„Ich bin in beiden,“ ſprach Cethegus, „ein Stümper 
gegen dich. 

„Die Sirene von Kypros“ hab' ich dich ſtets genannt. 

Man iſt nie ſicher, ob du nicht unter dem Kuß 
plötzl ch dein Opfer zerreißeſt — aus Liebe oder Haß. 

Und was hat deine Liebe zu Antoninen plötzlich in 
Haß verkehrt?“ 

„Tugendhaft iſt ſie geworden, die Heuchlerin! 

Oder iſt ſie wirklich ſo ſchwachköpfig? 

Auch möglich! 

Shr Fiſchblut hat ſich nie in Wallung bringen laſſen: 
für eine ſtarke Leidenſchaft und für ein ſtarkmüthiges 
Verbrechen war ſie ſtets zu feig. 

Sie iſt zu eitel, die Huldigung der Liebe entbehren, 
zu arnifelig, fie erwidern zu können. 

Seit ſie ihren Gatten in ſeine Kriege begleitet, iſt 
ſie wieder ganz tugendſam geworden. 


118 





Ha, ha, ha, aus Moth: wie der Teufel faftet, wenn 
ex nichts zu effen bat. 

Weil id) ihren BVerehrer hier eingefperrt behalten !“ 

„Anicius, Den Gohn ves Bosthius? Ich hörte davon.” 

„Ja, in Stalien hat fie fic) wieder ganz ihrem Mann 
angefdloffen, fetnen Ruhm und fein Unglitd getheilt. 

Und fie ift feitdem gang Penelope, gang die gute 
Chefrau. 

Und bieher guritdgefebrt, was thut fle, die Gans? 

Macht mic Vorwiirfe, pag id fle vom Pfad der 
Tugend abgelodt! | 

Und ſchwört, fie werde Anicius aus meinen Banden 
löſen. 

Und es gelingt ihr, der Schlange. 

Sie weckt dem Thoren das Gewiſſen, reißt ign tage 
lid) mehr von mir [08, meinen ungetrenen Kammerer 
— natürlich, um thn für fich gu bebalten!“ 

wu fannft dir alfo nidjt vorftellen," fragte Cethegus, 
„daß ein Weib eine Seele fiir den Himmel wirbt ohne: — 2 

„Ohne Procente Bergelohn zu erheben? Rem! 

Dabet taufdt fie aber ſich und ihn mit frommen 
Reden. 

Und o wie gern ligt fic der Sitngling retten von 
ber jugendlich bliihenden Crretterin aus meinen Armen, 
ver Vermelfenden, der Krankenden — der vor der Beit 
BVerzehrten. 

Ha," rief fie leidenſchaftlich und fprang auf von dem 
Pfühl, „daß ver Leib ermüdet erliegen muß, ehe nod 


119 





bie Seele fid) yum taufendften Theil ihres Durft’s nad 
Leben erfattigt bat. 

Leben aber ift Herrſchen, Haſſen, Lieben.” 

„Du ſcheinſt unerſättlich in dieſen Riinften und Ges 
niiffen.“ 

„Ja: und id rühme mid defjen. 

Und id foll fort von des Daſeins reid befester 
Tafel, herab von diefem Raiferthron, mit dem brennenden 
Heißhunger nad) Freude und Macht! 

Und nur wenige Tropfen nod foll ich ſchlürfen! 

O vie Natur ift eine elende, ſchmähliche Pfufderin ! 

Wie Aeonen Einmal zeugt fie, neben Myriaden von 
Krüppeln, häßlich an Leib und ohnmächtig an Geift, 
Einmal zeugt fie einen Leib, eine Seele wie Theodora’s, 
ftar€ und verlangend, die Ewigkeit hindurch zu leben und 
zu genießen. 

Und nach drei Jahrzehnten, nachdem ich kaum genippt 
am vollen Becher, verſagt die Natur dem lechzenden 
Lebensdrang! 

Fluch über den Neid der Götter! 

Aber auch Menſchen können beneiden: und der Neid 
macht ſie zu Dämonen. 

Nicht follen Andre genießen, wo ich nicht mehr ge⸗ 
nießen kann! 

Nicht ſollen Andre lachen, wenn ich mich in Schmerzen 
winde Nächte dvurch! 

Nicht frohlocken ſoll die ſtrotzend Geſunde mit dem 
Treuloſen, der Theodora's war und dabei noch einer An⸗ 
dern denken konnte, oder der Tugend, oder des Himmels. 


120 


Grft heute hat er mir gefagt, er trage nidt linger 
Dies rubms und ebrlofe Leben in meinen Frauengemachern : 
— Himmel und Erde riefen thn binweg. 

Gr ſoll e8 bitgen — mit ihr — 

Komm, Cethegus,“ fprad fie grimmig, feinen Arm 
ergreifend, ,wir wollen fie beide verderben.” 

„Du vergißt,“ fagte Cethegus falt, „ich habe feinen 
Grund, fie oder ihn gu haſſen. 

Was ich alfo hierin thue, thue ich um demetwillen.” 

Dod nicht, du kluger, eifiger Römer. 

Glaubft pu, id) durchſchaue did nicht ?“ 

„Hoffentlich nicht,“ dachte Cethegus. 

„Du willſt Beliſar fern halten von Stalien. 

Allein willſt du dort kriegen und ſiegen. 

Höchſtens einen Schatten neben dir haben, wie Beſſas 
war und Areobindos ſein wird. 

Meinſt du, ich habe das nicht durchſchaut, als du 
damals vor Ravenna die Abberufung Beliſar's ſo meiſter⸗ 
haft eingefädelt haſt? 

Sorge um Suftinian! 

Was liegt div an Juftinian !“ 

Gethegus podte vas Herz. | 

„Freiheit Roms! jum Laden! Du weit, dak nur 
ftarfe, einfade Dtanner die Freiheit ertragen. 

Du fennft deine Quiriten. 

Nein, vein Biel liegt haber.“ 

»Sollte dies Weib purdfdauen was alle meine Feinde 
und Freunde nidt geahnt?“ bangte Gethegus. 

ou willft Stalien allen befrett baben und allem als 


121 





Suftinians Statthalter Stalien regieren, der nächſte an 
feinem Chron, hod über Velifar und Narſes, der nächſte 
nad Theodora: und, gab e8 Höheres, du warft ver Geift, 
danach gu fliegen.” 

Gethegus athmete auf. 

„Das ware dod) nicht all’ der Mühe werth,” dachte er. 

„O es ift ein ſtolzes Gefühl, ver erſte Diener Juſtinians 
zu ſein.“ 

„Natürlich, über ihren Mann hinaus, ob ſie ihn 
täglich verräth, vermag fie nicht gu denken.“ 

„Und, als der Gehülfe Theodora's, ihn, den Kaiſer, 
— zu regieren.“ 

„Die Schmeichelluft dieſes Hofes betäubt zuletzt auch 
den hellſten Verſtand, dachte Cethegus. 

Das iſt der Wahnſinn des Purpurs. 

Sie kann ſich ſelber nur als Allbeherrſcherin denken.“ 

„Ja, Cethegus, keinem Andern gönnt id es, ſolches 
nur zu denken. 

Dir will ich's erringen helfen: — mit dir will ich 
die Herrſchaft der Welt theilen: — vielleicht nur um 
thöriger Jugenderinnerung willen: weißt du noch, wie 
wir vor Jahren zwei Kiſſen vertheilten in meiner kleinen 
Billa? wir nannten fie Orient und Occident. 

Das war ein Omen. 

So laf uns jest Orient und Occident vertheilen. 

Durd) meinen Juſtinian beberrfd’ ich den Orient. 

Durdh meinen Cethegus will id den Occident bee 
herrſchen.“ 

Hochmüthig, unerſättlich Weib!“ dachte Cethegus. 


122 





„Wäre mir nur Mataſwintha nicht geftorben, die 
Jungfräuliche. Sie an viefem Hof — und du verfantft." 

Aber dazu," fubr Theodora fort, ,mufh erft Beliſar 
flix immer aus dem Wege. 

Suftinian war entfdloffen, ibn -abermals und zwar 
alg deinen Oberfeldherrn yu fenden." 

Gethegus furdte die Braun. — 

„Er vertraut immer wieder feiner hitndifden Tree. 

Er muß vor feiner Untrene greifbar überzeugt werden.” 

„Das wird ſchwer halten,“ meinte Cethegus. 

„Eher lernt Theodora die Trene, als Velifar die Une 
treue.“ 

Ein Schlag der kleinen Hand auf den Mund war 
ſeine Strafe. 

„Dir bin ich, thörigerweiſe, tren geblieben — d. h. 
im Wohlwollen. 

Willſt pu Beliſar wieder in Stalien haben?“ 

„Um feinen Preis." 

„Dann hilf, ihn verderben fammt vem Sohn des 
Boẽthius.“ 

„Sei's,“ ſagte ver Präfect. Ih habe keinen Grand, 
den Bruder des Severinus zu ſchonen. 

Aber wie? wie willſt vu den Beweis von Belifar’s 
Untreue fiibren ? 

Darauf bin id gefpannt. 

Wenn Du das vermagft, erfldre id mid, wie im 
Lieben und Haffen, fo im Planen einen Stitmper gegen 
Theodora." . 

Das bift du aud, fdjwerfilliger Sohn von Latium. 


123 





Nun hire: — aber das ift fo gefährlich, daß id 
felbft vic), Galatea, bitten mug, Wade gu ftehen, dak 
niemand kömmt und laufdt. 

Nein, Goldmiltterden: nicht imnerhalh: — id bitte 
recht ſchön: — außerhalb der Thüre. 

Laß mich nur allein mit dem Präfecten — es gilt 
— leider! — nur ein Geheimniß ves Haſſes.“ 

Als nach geraumer Zeit der Präfect das Gemach 
verließ, ſagte ex zu fic) ſelber: 

„Wenn dieſes Weib ein Mann wäre, — der müßte 
mir fterben. — 

Er ware gefahriidjer als vie Barbaren, fammt Byzanz. 

Wher dann freilid), dann ware die Bosheit nidt fo 
unergriindlid teuflifd.” 


Bwilftes Capitel. 





Bald nachdem dex Präfect nach Hauſe gekommen, 
meldete Syphax den Sohn ves Boẽthius: die Kaiſerin 
ſende ihn. 

‚Laß ihn ein und niemand ſonſt, bis ex fort tft. Einſt⸗ 
weilen aber ſchicke ſchleunig nad Pifo, dem Tribun.“ 

Der junge Anicius, einftweilen gum Mann Herans 
gereift, trat ein. 

Er trug einfache Kleidung und fein Haar, fonft künſt⸗ 
lid) gelodt und gefalbt, bing heute ſchlicht herab. 

Geine weiden Züge — fie erinnerten den Prifecten 
(ebhaft an Camilla — gewannen ſehr durch den Ausdruck 
von Entſchloſſenheit, ver heute darauf rubte. 

„Du mabnft mid an deine {chine Schwefter, Anicins,” 
mit diefen Worten empfing thn der Prafect. 

„Ihrerwegen, Cethegus, bin ic) gefommen,” fprad der 
Siingling ernft. 

„Du bift der Altefte Freund meines Vaters, meines 
Haufes: du haft mid) und Ceverinus in deinem eignen 
Haufe geborgen gebhalten und, mit Gefabr fiir vic felbft, 
geflitdtet, al8 man nad und forfdte. 


125 


Du bift ver Cingige in Byzanz, von dem ich väter⸗ 
lichen Rath in einer dunkeln Pflicht erbitten kann. 

Erſt vor wenigen Tagen erbielt ich diefen rathfel- 
haften Brief :“ 

„Anicius, dem Sohne meines Patronus, Corbulo, der 
Sreigelafine —“ 

„Corbulo? id) fenne den Namen." 

Der Freigelafine meines Vaters, bet weldem meine 
Mutter und Sdwefter Zufludt gefunden und ber — 

„Mit deinem Bruder vor Rom gefallen iſt.“ 

Sa: aber er ſtarb erft im gothifden Lager, wohin er, 
felbft ſchwerverwundet, mit meinem fterbenden Bruder 
aus dem Dorf ad aras Bacchi, gefangen, gebradt wurde. 


So erzählt mir ein mit gefangner armenifder Soldner 
Beliſar's, Gutas, der mir den Brief überbrachte, wel⸗ 
den Corbulo nicht mehr vollenden fonnte. 

Lies felbft.” 

Und Cethegus nahm dads fleine Wadhstafelden mit 
ven faum leferliden Zügen und las: 

a8 legte Wort, vas Vermächtniß deines fterbenden 
Bruders war: Wnicius foll nun raden die Mutter, die 
Sdwefter, mid): uns alle hat derjelbe Oamon unferes 
Haufes — —" 

„Hier endet leider der Brief,” fagte Cethegus die 
Tafel zurückgebend. 

a: Dem treuen Corbulo vergingen die Ginne und 
er erwadte nicht mehr ans feiner Obnmadt, fagt der 
Söldner.“ 


126 


„Damit ift nicht viel gu machen,” meinte achſelzuckend 
Gethegus. 

„Gewiß: aber ver Söldner Sutas hörte nod ein 
Wort meines fterhenden Bruders gu Corbulo — fle lagen 
in Ginem Belte —: dads fann ein Schlüſſel werden.” 

„Nun?“ fragte Cethegus, theilnehmend gefpannt. 

„Severinus fagte: ‚ich abn’ e8. Cr wußte von diefem 
Hinterhalt — Cr hat uns in den Ton gefdidt.” 

wer?" fragte Gethegus rubig. 

wa, Dad eben fragt ſich.“ 

„Du haſt teine Whnung 2” 

„Nein: aber es fann nicht unmöglich fein, den Gee 
meinten gu entdeden.“ 

Wie willft nu das anfangen 

„In den Tod geſchickt“ — das tann nur einen An: 
führer, einen Feldherrn meinen, der memen Bruder 
veranlafte, an jenem Morgenritt Belifar’s ans dem 
tiburtinifden Thor ſich zu betheiligen. 

Denn Severinus gehirte damals nicht zu dem Ge: 
folge Belifar’s. 

Sr war Tribun deiner Legionare. 

Es muß gelingen, wenn du, Beltfar, Prokop ernftlid 
nachſpüren, den gu ermitteln, der ibn veranlafte. 

Denn er ging nidt etwa anf deinen Befehl mit 
anbdern Legionaren — feiner deiner Legionare und Reiter 
war ſonſt dabei. 

Das iſt richtig.“ ſagte Cethegus, „ſoviel ich mich 
entſinne.“ 

„Nein, nicht Einer. 


127 





Profop — leider ift er nun verreift, Bauwerfe Jufti- 
nian’ in Afien fennen 3u lernen — war ja felbft dabei: 
oft 3ablte er mir die Namen Wer anf. 

Wenn er wiederfehrt, werde ich forgfaltig forfden, 
mit wem etwa mein Bruder vor dem Wusfall zuletzt 
verfebrt, in wefjen Haus oder Relt er war: — ich werde 
nidt ruben und rafter —: ic) werde Severins nod) 
lebende Gameraden befragen, wo fie ihn zuletzt, vor dem 
Ausritt, gefehn." 

Du biſt ſcharfſinnig fiir deine Sabre," fagte der 
Prafect mit feltfamem Lächeln. 

Wenn folde Klugheit erft yu Reife tommt! 
Abber freilich: du lebft in guter Schule fir die 
Schlauheit. 

Weiß die Kaiſerin von deinem Räthſelbrief?“ 

„Nein: und ſie ſoll nie davon erfahren. 

Nenne mir ihren Namen nicht! 

Dieſe Rachepflicht ſendet mir Gott als letzten Mahn⸗ 
ruf, mich von ihr zu reißen.“ 

„Aber fle ſendet did) gu mir?“ 

„In einer andern Sache, — die aber ſehr gegen ihre 
Meinung enden foll. 

Vor Kurzem ließ ſie mich heute rufen: noch einmal 
fragte ſie mich lächelnd, ob es denn gar ſo ſchwer, im 
goldigſten Käfig auszuhalten ſei? 

Mich aber ekelt des Weibes. 

Und mich reut ſchmerzlich der Monate, die ich bei 
ihr verloren, indeß mein Bruder für das Vaterland ge⸗ 
fochten und gefallen. 


128 


3h gab iby fo herbe Antwort, daß id einen Sturm 
des Borns erwartete. 

Aber zu meinem Staunen blteb fle gang ruhig und 
fprad) lächelnd: 

„Nun es fei: feine Treue dauert. 

Gehe hin yu Antonina oder zur Tugend ober yu 
beiden Göttinnen. 

Aber gum legten Reiden meiner Gunft will ih did 
retten vor ſichrem Berderben. 

Cs beſteht in Byzanz eine Berſchwörung römiſcher 
und griechiſcher Jünglinge gegen Juſtinians Leben oder 
Freiheit. 

Sie wollen ihn zwingen zum Gothenkrieg und zu 
Beliſars Ernennung zum Feldherrn. 

Still, ich weiß es. 

Ich weiß auch, daß man dich ſchon halb gewonnen, 
daß du zwar noch keine der Verſammlungen beſucht, aber 
die Documente der Verſchwörung verwahrſt. 

Ich habe ſie gewähren laſſen, weil einige alte Uebel⸗ 
gönner von mir darunter ſind, welche ich ſicher diesmal 
zu verderben hoffe. 

In einigen Tagen ziehe ich das Netz zuſammen. 

Du aber follſt gewarnt und gerettet ſein. 

Geh zum Präfecten: er ſoll dich unter der Schar 
ſeiner Söldner aus Byzanz führen. 

Sage ihm nur: dir drohe Gefahr und dich ſende 
Theodora. 

Aber von der Verſchwörung verrathe ihm nite: 


129 


aud) feiner Rriegstribunen find etlide dabei, die er gern 
retten wilrde, id) aber verderben will." 

Und id) tam gu dir: aber nicht, um gu fliegen: um 
did) und meine römiſchen Waffenbrüder zu warnen. 

Ich werde aud die Verfammiung befucen — heute 
Droht nod) keine Gefahr, verfiderte die Raiferin, — fie 
Whe zu warnen, ibnen gu fagen, dak die Verſchwörung 
entdeckt ift. 

Ou darfſt nicht hin, Prafect: ou darfſt dich nicht 
weiter blos ftellen: Suftinian mißtrauet dir bereits. 

Die Unfinnigen wollen warten, bis fie Belifar ges 
wonnen haben ! 

Und vielleidht morgen fdon find fie alle gefangen, 
wenn man fie nidt warnt. 

Sd eile heute, vie Freunde zu warnen. 


Dann aber rube und rafte id) nidjt, bid id) den 
Marder meines Bruders heraus gefunden." 

„Beides ſehr löblich,“ fprad Cethegus. 

„Nebenbei geſagt, wo birgſt du vie Briefe ver Ver⸗ 
ſchworenen?“ 

Loo id," ſprach der Jüngling erröthend, „alle Gee 
heimniſſe, andre, heiligere barg — mir unendlich theure 
Briefe und aud dieſe Tafel bergen will: — du ſollſt 
darum wiſſen: denn du, der älteſte Freund unſres Hauſes, 
du ſollſt mein Rachewerk mir vollenden helfen: auch die 
Ausſagen des Söldners Sutas über kaum verſtändliche 
Reden der beiden Sterbenden habe ich am gleichen Ort 


geborgen: fie lauteten von „Giftmord“, von dem ‚mörde⸗ 
Dahn, Cin Kampf um Rom. IV. 9 


130 


rifden Befehl’ von einer ,,Anflage vor dem Genat* — 
alfo mug ver Femd römiſcher Genator gewefen fein, — 
vom ,purpurrothen Helmbufdh", vom „ſchwarzen Höllen⸗ 
roß“. 
„Und fo weiter,“ unterbrach Cethegus. Wo iſt der 
Verſteckk? Du kannſt einmal wirklich raſch entfliehen 
müſſen: denn ich rathe dir doch ſehr, der Kaiſerin nicht 
zu trau'n: du erreichſt vielleicht einmal dein Haus nicht 
mehr.“ 

„Und dann iſt es nothwendig, daß du mein Werk 
aufnehmeſt. Ich wollte dir ſchon ſelbſt ſagen: in der 
Ciſterne im Hof meines Wohnhauſes — der dritte Ziegel 
links vom Schöpfrad iſt hohl. 

Aud) ſchon deßhalb,“ fuhr er finſtrer fort, „ſollſt ou 
davon wiſſen — 

Wenn die Freunde, die Verſchwornen nicht zu retten 
ſein ſollten, — wenn meine eigne Freiheit bedroht wird — 
denn du haſt Recht mit deiner Warnung: ich bemerke 
ſchon lange, daß mir Späher nachſchleichen des Kaiſers 
oder der Kaiſerin? — dann mach' ich raſch ein blutig 
Ende —: was liegt dann an meinem Leben? — wenn 
th den Auftrag Severins dod) nicht mehr erfitllen fann 
— dann — id babe dem Kaiſer jeden Mtorgen gu 
melden, wie die Raiferin geruht — ſtoß ich den Tyrannen 
nieder in Mitte fener Slaven.” 

„Wahnſinniger!“ rief Cethegus in aufridtigen Schreck 
— penn nun wollte er Suftinian im eben und in 
Herrfdaft erhalten — ,wobin reift did) die Rene und 
ein planlos zerfahrenes Leben? 


131 





Nein, der Sohn des Boẽthius darf nidt als Mörder 
enden. 

Willft du in Blut deine ruhmloſe Vergangenheit 
ſühnen — woblan, fo kämpfe unter meinen Legionaren : 
im Blut der Barbaren reinige dich, mit dem Schwert des 
Helden, nicht mit dem Dold) des Meuchlers.“ 

Ou fpridft groR und wabr. 

Und du wilft mid, den Unerprobten, deinen Rittern 
beigefellen ! 

Wie fann id dir danken?“ 

„Spare den Dank, bis Alles vollendet —: bid wir 
uns wiedergefehn. 

Cinftweilen warne heute Abend die Verfdwornen. 

Das ift ſchon eine Probe ves Muthes. 

Denn id) halte e8 nicht fiir ungefabrlidh, da man 
dir nachſchleicht. 

Wenn vu vie Gefahr fdeuft — fag’ e8 offen.“ 

„Ich foll vie erfte Probe des Muthes ſcheuen? 

Ich fomme, 3u warnen: und ob mid) drum der ſichre 
Tod erwarte." 

Und er drückte des Brafecten Hand und eilte hinweg. 


So wie er entfernt war — nur Ginen Blick warf 
ihm ver Prafect nad — führte Syphar den Tribun 

Pifo aus einem andern Cingang in das Gemad. 

„Tribun der Jamben,“ rief ihm Cethegus zu, „jetzt 
heißt e8 raſchfüßig fein, wie deine Berfe. 

Genug der Verſchwörungen und der Kagentritte bier 
in Byzanz. 

9* 


132 





Augenblicklich fudft du alle jungen Römer auf, die 
im Hauſe des Photius verfehrten. 

Reinen von end) varf die Whendforme mehr in diefen 
Manern finden. ) 

Es gilt pas Leben. 

Reiner darf yu dem ,Abendfdmaufe" des Photius 
fonimen. 

Einzeln, in Gruppen, geht anf vie Jagd: fahrt Segel 
um die BWette, auf dem Bosporus: aber eilt hinweg. 

Die Verſchwörung ift überflüſſig. 

Bald ruft wieder ſchmetternd die Cuba gum Kampf 
gegen die Barbaren in Latium. 

ort mit euch Wen. 

Harret meiner zu Epidamnus. Bon da hol’ id end 
mit meinen Sfauriern ab: gum Ddritten Kampf um tom. 

Sort mit dir! 

Syphax," frug er, mit dieſem jebt im Gemach 
allein, wbaft du nadgefragt in bes grogen Feldherrn 
Haufe? 

Bis wann wird er guriid erwartet?" 

„Bis Sonnenuntergang.” 

„Die treue Gattin harret in feinem Hauſe? Gut. 

Cine Ganfte, — nidt die meine —: miethe die 
nächſte vor Dem Hippodrom, deren Laden gang verſchließ⸗ 
bar find. 

Führe fie in die Hafenftadt, m die Hinterftrafe der 
Trödler.“ 


133 





„Herr, Dort wohnt das argfte Geſindet dieſer geſindel⸗ 
reichen Bettlerſtadt. 

Was willſt du dort?“ 

„Einſteigen in die Sänfte. 

Dann nach dem rothen Hauſe.“ 


Dreizehntes Capitel. 





In dem rothen Hauſe, dem Palaſte Beliſars, in 
ver Neuſtadt ,Suftiniana’ (Sycã) ſaß Antonina in dem 
Frauengemach, emſig in Arbeit vertieft. 

Gie ftidte an einem mit goldnen Lorberen vers 
bramten Mantel fiir den Helden BVelifarius. 

Auf vem Citrustiſchlein neben ihr lag, in koſtbarem 
Umſchlag, mit Edelſteinen befegt, ein mit Purpur-Linte 
gefdriebenes Prachteremplar von Prokops ,Bandalen- 
Krieg," dem kürzlich erfdjienen Werke, weldes den glangend- 
ften Feldzug ihres Gemabhls befdried. 

Bu ihren Füßen lag ein herrlich Thier, einer ans 
vem Doppelpar ver zahmen Bagdleoparden, welche der 
Perfertinig nad dem legten Frieden vem Sieger Belifar 
gefdentt —: eine höchſt koſtbare Gabe, da nur felten 
die Zähmung villig fider gelang und viele Hundert der 
jung Cingefangnen oder aud) in der Gefangenfdhaft gee 
worfnen Sungen nad) Sabre langer Abrichtung als ue 
zähmbar getddtet werden mußten. 

Das wunderfddne, groffe und ftarfe Thier — ef 
verwilderte gu leicht auf der Sagd durch Genuß warmen 


135 


Blutes und war veshalb zu Haufe gelaffen worden — 
ftredte fic) behaglid, wie eine Hauskatze, auf Antoninens 
Gewand, fpielte mit vem Knäuel von Goldfaden, ringelte 
den Schweif und rieb den runden, flugen Kopf und den 
Bug an der Gebieterin Figen. 

Da meldete die Slavin einen fremden Mtann, — in 
unſcheinbarer Miethſänfte fet er angefommen und in 
ſchlichem Mantel —: man babe ihn abmeifen wollen, 
pa der Hausherr fern und Antonina in feiner Ab⸗ 
wefenbeit feinen Beſuch mehr empfange. „Aber man 
fann thm ntdjt widerftehn — er befabl: 

Meldet Antoninen den Ueberwinder ves Pabftes 
Silverius. “ | 

„Cethegus!“ rief Antonina: fie erbleidte und zitterte. 

„Laßt ibn ſchleunig ein.” 

Die Ueberlegenheit, welche ver gewaltige Geift in 
jener erften Stunde ihrer Begegnung itber fie gewonnen 
und nie wieder verloren hatte, die CErinnerung, wie 
piefer Mtann, als ihr Gatte und der Huge Profop und 
al’ die Heerfithrer vor dem Prieſter widerftandlos ers 
legen waren, den Ueberwinder itbermunden und ges 
vemilthigt hatte, wie er dann, bet dem Einzug in Rom, 
in der Schlacht an der Aniobriide, m Roms Verthei⸗ 
digung gegen Witidhis, im dem Lager vor Ravenna, 
bet der Gewinnung diefer Stadt, immer und itberall 
feine Obmadt bewabhrt, und fie dod nie feindlid gegen 
Belifar gebraucht hatte, — wie Unheil nur aus dem 
Widerftreben gegen feine Warnungen gefolgt, — wie 
jeder feiner Rathfdlage an fic) flegretd) gemefen war 


136 





— all’ dieſe Crinnerungen fdoffen nun verwirrend und 
betaubend in ihrem Haupte zuſammen. 

Die Schritte des Prafecten nabten. 

Sie ftand haftig anf. 

Der Leopard, unfanft weggeſchoben und um des Gin: 
bringlings willen aus feinem bebagliden Spiel aufge⸗ 
ftdrt, richtete ſich leiſe fnurrend auf, drohend gegen den 
Eingang blidend, und die gelben Rabne fletſchend. 

Ungeftiim ſchlug ver Cintretende die Vorhänge zurück 
und ftedte das balb non der Capuze bededte Haupt herein. 

Das erſchreckte over reigte den Leopard: — bet ‘ver 
erften Bändigung bedienten ſich die perfifden wens 
und Tiger-Züchter langer Wollteppicde und Geficht und 
Halé fchirvmender Vermummungen: — Erinnerung an 
einen alten Feind modjte in Dem grimmen, nie gang 
gebanvigten hier erwadt fein: — mit furdtbarem 
Wuthgefdret vudte er fid) zum tbdtliden Anfprung, 
ben Boden mit der langen Ruthe peitidend und Geifer 
fpudend —: das fidre Anzeichen grimmigfter Wut. 

Entſetzt erfannte das Antonina. 

Oleh, flieh, o Cethegus,“ fdrie fie. 

That er das, wandte er den Riiden, fo war er vere 
foren —: fo fag thm das Unthier feftgebiffen auf bem Nacken. 

Denn fetne verfdlieRbare Thir, nur Vorhänge, 
fpertten den Rückweg. 

Gr trat rafd) vor, warf die Capuze zurück, blickte 
ſcharf in des Leoparden Auge, den Zeigefinger der Linken 
gebietend erhoben und ein breites, bligendes Dolchmeſſer 
gerade vor fid) bin ſtreckend. 


137 


„Nieder! Mieder! heiß Cifen fonft droht!“ 

Go rief er in perſiſcher Sprade dem fnurrenden 
Unthier entgegen, nod einen Schritt vortretend. 

Da brad der Leopard in ein winfelndes Heulen der 
Furcht aus: die gum Sprung gekrümmten Muskeln ers 
ſchlafften: winfelnd frod) er, auf allen Bieren ſich vor- 
fchiebend, eran und ledte, 3itternd vor Furdht, dem 
Manne bie Gandale des linfen Fußes, indeß ifm 
diefer den redjten Fup felt auf den Maden fette. 

Untonina war vor Entfesen auf die Kline gefunten: 
ſtarr blidte fie jest auf das furdtbar ſchöne Bild. 

das Thier — die Proskyneſe!“ ſtammelte fie. 

„Dareios hatte fle immer vermweigert: — er wurde 
wilthend, wenn Beltfar fte erzwingen wollte: — wo aft 
bu, Gethegus, dads gelernt 2 

„In Perfien natürlich,“ fagte diefer. 

Und er ſtieß Dem ganz gebrodnen Thier fo heftig den 
Fuß in die Rippen, daß dieſes, laut aufſchreiend vor 
Schmerz, hinweg fuhr und in der fernſten Ecke des 
Zimmers Schutz ſuchte, wo es zitternd, die Augen ängſt⸗ 
lich auf den Mann gerichtet, liegen blieb. 

‚Beliſarius bat nur die Burgen, nie die Sprache der 
Perfer bemeiftert,” fagte Gethegus: „dieſe Beftien aber 
verftehen nicht griedifd. 

Du bift ja grimm gebittet, wenn Beliſar fern tft,“ 
fubr er fort, den Dold wieder in den Bruftfalten 
bergend. 

„Was führt did) in fein Haus?" fragte, nod bebend, 
Antonina. 


138 





„Die oft verfannte Freundfdaft. 

Es gilt, deinen Gatten gu retten, der den Muth 
des Lowen, aber nicht die Veſchicklichkeit der Maus 
beſitzt! 

Prokop ‘ft leider fern. 

Gonft bhatt id) diefen ihm vertranteren Berather 
gefendet. 

Sd wei, daß Belifar von dem Raifer etn ſchwerer 
Schlag vrobt. 

Es gilt ihn abguwenden. 

Des Kaifers Gunft —“ 

„Iſt wankelbaft, ic weiß es. Aber die Verdienfte 
Belifars —“ 

„Gerade diefe find fen Verderben. 

Ginen Unbedeutenren würde Juftinian nicht fürchten. 

Aber er fürchtet Belifarius —" 

„Das haben wir oft erfabren,“ ſeufzte Antonina. 

„Wiſſe denn — vu guerft von Wien, wad Mies 
mand auferbalb ves Palaftes abut —: ves Maifers 
Schwanken ift feit heut entſchieden —: für den Gothen: 
krieg.“ 

„Endlich!“ rief Antonina und ihr Antlitz hellte 
ſich auf. 

oa, aber — bedenke die Schmach! —: nicht Beliſar 
iſt zum Feldherrn beſtimmt.“ 

„Wer ſonſt?“ fragte Antonina zornig. 

„Ich bin der Cine Feldherr —“ 

Mißtrauiſch blickte fie anf thn. 

„Ja, das war mein Streben fdon lang: ich geftebe es. 


139 





Uber der zweite foll Areobindos fein. 

Sq fann mit diefem Schattenmann nichts anfangen. 

Ich fann nidt neben ihm, mit ihm, gehemmt durd 
fetnen Unverftand, die Gothen befiegen. 

Die Gothen befiegt Niemand als Belifarius. 

Deßhalb muß ich ihn wieder neben mir, meinetwegen 
über mir, als Oberfeldherrn, mit mir haben. 

"Sieh, Untonina, ic) halte mid) für den größeren 
Staat8mann —“ 

„Mein Belifar ift ein Held, fein Staatsmann,“ 
fagte die ſtolze Gattin. 

Uber lächerlich ware e8, mid al8 Feldherrn mit vem 
Vandalen⸗, Perſer⸗ und Gothen-Befieger zu vergleiden. 

Sieh, id) geftehe dir ja ganz offen: nidt blos Wohl⸗ 
wollen für Belifarius, aud) Selbſtſucht leitet mid) dabet. 

Sh muß Velifar gum Waffengenoffen haben.” 

„Das leudjtet mir ein,” fagte fie woblgefallig. 

„Juſtinian ift aber nidt zu bemegen, Belifarius zu 
ernennen. 

Nod) mehr: er miftraut ihm auf’s Neue: und zwar 
mehr denn je.” 

„Weßhalb aber, bet allen Heiligen™ 

woelifarins ift zwar unfduldig, aber aud) ſehr uns 
porfidtig. 

Geit Monden erhalt ex heimlich Briefe, Rettel, 
Mahnungen, zugefendet, in den Mantel im Bade geſteckt, 
in ben Garten geworfen, — die ihn zur Theilnahme 
an einer Verſchwörung auffordern.“ : 

.pimmel, du weißt Davon 2” ftammelte Antonina. 


140 





„Leider nicht nur id): — aud) andre Leute —: der 
Raifer ſelbſt!“ 

„Es gilt aber nicht ded Raifers Leben over Thron , “ 
beſchwichtigte Antonina. 

Mein, nur feiner Freiheit, fener Selbſtbeſtimmung: 
„Krieg gegen die Gothen" — ,,Velifar Felvherr> — 
„ſchmählich iſt's, den Undankbaren dienen” — ,.3ming’ den 
Herm zum eignen Vortheil" — : 

So und ähnlich lauteten vie Zettelchen: nicht wahr? 

Nun, Belifar hat zwar nicht Folge geleiftet. Aber 
er bat auch, ver Unkluge, nicht gleid den erften Wink 
oon Ddiefen Aufforderungen bem Raifer angezeigt! — 
Das fann Belifars Kopf koſten!“ 

„O alle Heiligen!“ rief Untonina hanveringend, „er 
unterließ es auf meinen Rath, auf mein Bitten. Prokop 
rieth ihm — wie du jetzt — gleich Alles dem Kaiſer 
zu melden. 

Aber ich — ich zitterte vor des Kaiſers Mißtraun, 
das ſchon in der Aufforderung an Beliſar einen Schein 
der Schuld erblicken konnte.“ 

„Das war es wohl nicht allein,“ ſprach Cethegus 
vorſichtig, erſt nach Lauſchern fic) umblidend, was 
deinen Rath beſtimmte, dem Beliſar, wie immer, folgte. 

Was ſonſt? was kannſt du meinen?’ frug Anto⸗ 
nina leiſe. 

Sie erröthete über und über. 

„Du wußteſt, daß gute Freunde eures Hauſes be⸗ 
theiligt waren — dieſe wollteſt du erſt warnen, erſt 
[fen von den Schuldigen, ehe fie angezeigt würden. — 


141 


„Ja,“ ftamntelte fie, , Photius, fein Freigelafiner —“ 

wind nod) cin Andrer,“ fliifterte Gethegus, der 
tod nidjt, aus Theodora's goldnem Rerfer kaum befreit, 
gleid) in die Gewölbe ves Bosporus wandern follte.“ 

Antonina ſchlug beive Hinde vor das Antlits. 

„Ich weiß Wes, Wntonina: — die geringe Schuld 
von frither —: die ftarfen guten Vorfage fpaterer Reit. 

Aber hier hat vid) die alte Neigung beftrict. 

Statt nur an Beliſar yu denfen, Haft pu aud an 
fein Wohl gedadt. 

lind wenn nun darüber Belifar untergeht — wef 
ift Die Schuld?“ 

„O alt etn, erbarme vid," flehte Antonina. 

„Verzage nicht,“ fubr Cethegus fort. „Dir bleibt 
ja eine ftarfe Stütze — eine Fürſprecherin bet Suftinian. 
Wenn aud vielleicht Verbannung droht — vas Ueuferfte 
wird dod) die Fiirbitte deiner Freundin abwenden, der 
Allmadtigen.” 

„Die Kaiſerin!“ rief Antonina entfept. 

Wie wird ſie Alles darſtellen! Ach ſie hat uns den 
Untergang geſchworen. 

„Dann iſt's ſchlimm,“ ſprach Cethegus, „ſehr ſchlimm. 
Denn auch die Kaiſerin weiß von der Verſchwörung 
und von den Ladungen an Beliſar. 

Und du weißt: — viel geringere Schuld, als die zu 
einer Verſchwörung aufgefordert zu ſein, genügt —“ 

„Die Kaiſerin weiß es? Dann ſind wir verloren! 
O du, der du Auswege zu finden weißt, wo kein Auge 


ſonſt ſie ſieht — hilf, rette.“ 


142 


Und vie ftolje Geftalt fant flehend vor bem Pris 
fecten nieder. 

Wus ver Bimmerece erſcholl ein klägliches Geheul: 
bet dieſem Anblick fchitttelte ven Leoparden auf's neue 
vie Furcht. Einen rafden Blick warf ver Prafect auf 
ven heulenden Gegner: — dann erhob er fanft die 
Knieende. 

„Auf, Gattin Beliſars, verzage nicht. 

Ja: es giebt ein Mittel, Beliſar zu retten. Aber 
nur Eines.“ 

„Soll er jetzt die Anzeige machen? ſobald er heim 
febrt 2" 

„Das ift gu ſpät und gu wenig. 

Pian wiirde ihm nidt glauben, daß es ihm Crnft 
mit blogen Worten. 

Nein: er mug in Thaten feine Treue beweifen. 

Sr mug vie BVerfdwornen Alle gufammen faffen 
und We gufammen dem Kaiſer ausliefern.” 

„Wie fann er fie zuſammen faffen 2” 

„Sie laren ihn ja felbft. 

Heute Nacht, im des Photius, feines Freigelafinen, 
Haufe verfammeln fie fic. 

Wohlan: er fage yu, thy Haupt zu werden. 

Cr erfdeine und nehme fie dort We gefangen. — 

Anicius,“ fiigte er bei, ,ift von ver Kaiſerin felbft 
gerwarnt filr heute Nacht — er war bet mir.“ — 

.O und miigt er fterben: — e8 gilt ja, Belifar gu 
retten. 

Er muß es thun! Ich ſeh' es ein. 


143 


Und e8 ift kühn, gefährlich — es wird ihn reijen.” 

„Wird ev feinen Freigelafinen opfern?“ — 

„Sieben mal haben wir ben Thoren vergebens ges 
warnt. Was liegt an Photius, wenn e8 Belifar gilt. 

Wenn id) je Gewalt iiber ihn gehabt: — heute 
werd’ id) thn itberzengen. 

Schon frither rieth ihm Profop, einmal einen folden, 
wie er fagte, brutalen Beweis fetner Treue zu fithren, 
nad vem er nicht gletd die erfte Aufforderung dem 
Raifer mitgetbeilt. 

Sd werde ihn diefes Raths Profops erinnern. 

Sei gewiR: er folgt metnem, unfrem übereinſtimmen⸗ 
ven Path.“ 

„Gut: er foll vor Mitternacht dort fein. 

Wenn ver Wadhter auf den Mauern die zwölfte 
Stunde ausruft, brede td in den Gal: und, auf dak 
ex gang jider gebt, foll er nur eintreten, wenn er meinen 
Mauren Syphar in ver Mifde des Haujes hinter der 
Petrus: Statue fieht: auc fann er einige feiner Leibs 
wadter vor das Hans ftellen: fie follen thn veden fitr 
pen Nothfall und Zeugniß ablegen für ibn. 

Große Verftelungstunft wird ihm nicht zugemuthet: 
ex foll erft kurz vor Mitternacht eintreten: ev braudyt 
dann nur gu hören, nidjt gu reden. Unfere Wachen 
barren im Gain des Gonftantinus vor der Hinterthitr 
des Muſchelhauſes des Photius: mit dem Ausruf der 
Mitternacht — die Tuba bläſt die Ablöſung der Wachen, 
du weißt, man hört es deutlich — brechen wir ein. 


144 





Gr braucht alfo gar nidt vas WagnifR zu iibers 
nehmen, ein Zeichen zu geben.” 

„Und du, — du kommſt gewiß?“ 

od werde nicht fehlen. 

Leb wohl, Antonina.“ 

Und raſch war er, rückwärts ſchreitend, das Antlitz 
dem gebändigten Thiere zugekehrt, das Meſſer zückend, 
an dem Ausgang. 

Der Leopard hatte auf den Moment gewartet: er 
regte ſich leiſe in der Ecke, ſich aufrichtend. 

Da aber, zwiſchen ven Vorhängen, erhob Gethegus 
nedmal den Stahl und drohte. 

„Nieder, Dareios! Heiß Cifen fonft droht.“ 

Und er war hinaus. 

Der Leopard rude den Kopf auf den Moſaik⸗Eſtrich 
und ſtieß ein kläglich Gehenl aus ohnmidtiger Wuth. 


vierzehntes Capitel. 





Konig Totila war mit Flotte und Heer nach Rom 
zurückgekehrt, in den eroberten Städten nur kleine Be⸗ 
ſatzungen laſſend, nachdem der Kaiſer auf Grund ſeiner 
Forderungen Friedensverhandlungen eröffnet und einen 
Waffenſtillſtand von ſechs Monaten erbeten hatte, vor 
deſſen Ablauf der Friede durch byzantiniſche Geſandte ge⸗ 
ſchloſſen werden ſollte, welche er in Bälde nach Rom 
zu ſchicken verſprach. 

Das Glück Totila's und der Glanz ſeiner Herrſchaft 
ſtanden nun auf der Höhe des Ruhmes. 

Der ſiegreiche Angriff auf das byzantiniſche Reid 
hatte feinem Namen weithin leudjtenden Schimmer vers 


Aud auf Stalien warf verfelbe wirkungsvolle Strablen. 

Die beiden legten, von den Byjzantinern behaupte⸗ 
ten Stadte waren Perufia in Tuscien wad Ravenna, 
pas unbegwingbare. 

Peruſia ergab fid) nun nad langer, zäher Berthei- 
bigung dem Grafen Grippa: und felbft von Ravenna 
fiel der wichtigſte Theil, vie Hafenftadt Claſſis, endlid 

Dahn, Gin Kampf um Rom. IV. 10 


146 


in die Hand des alten Hildebrand, der nun feit mebr 
al8 adjtzehn Monden die Vefte umfdloffen bielt. 

Da jest vie Verpflequng der Stadt von ver See 
her abgefdnitten werden fonnte, — der Konig hatte den 
Auftrag gegeben, alle bisher vereinjelten Geſchwader zu 
einer ftarfen Flotte bet Ancona gu ſammeln und den 
Hafen Claffis gu fperven — war ihr baldiger Fall durch 
Aushungerung zu ermwarter. 

So war denn nur nod ein einjiger Sehritt gu thun 
zur vollen Löſung des Gelübdes, welches Totila dereinft 
vem fterbenden Vater BValeria’s geleiftet: nur im der 
Landfeite von Ravenna nod ftanden Byzantiner anf 
italifdem Boden: im wenigen Woden mußte die Stadt 
vie Thore sffnen und nists ftand mehr der Bermählung 
des Gothenfinigs mit der ſchönſten Tochter Staliens 
im Wege. 

Totila beſchloß, viefen Schritt vorgubereiten durch 
eine öffentliche, feierliche Verlobung: mit fener Braut, 
durch ein glanzvolles Steges-Feft, weldes vie errimgenen 
Crfolge verherrliden, die Geliebte dem ihm nicht wohl⸗ 
gefalligen Einfluß des Kloſters entgiehen und fle, die 
fiinftige Königin, dem Hofe, vem Reiche zeigen follte: 
venn bidher batten ja nur Graf Leja und die vertrau⸗ 
teften Freunde Totila’s Brautfdhaft und Brant gefannt. 

Caſſiodorius und Fulius batten als hohe Ehre dew 
Auftrag aufgenommen, die Verlobte des Konigs and 
Taginä abjubolen und nad) Rom gn führen. 

Sildweftlid) oom jevigen Monte Leftaccto, wo ver 
Tiber lings der aurelianifden Umwallung hinläuft wud die 


147 


Stadt verlagt, ragte auf fanftem Hiigel eine alte faifere 
lide Billa aus der Zeit ver Antonine. 

Totila liebte den Ort, ver von ver Hobe einen 
wundervollen Ausblick den Flug hinab und in die Cams 
pania gemabrte: ven Flug, welden jetzt wieder zahl⸗ 
reiche Heine Handelsſchiffe bendlferten, die von dem Hafen 
Portus heranf die Fradten der großen Geefdiffe in die 
Stavt fithrten: die Campania mit ihren wieder ans dem 
Schutt und der Zerſtörung von zwei Belagerungen 
emporfteigenden Landhäuſern. 

Mit geringer Nachhülfe hatte ver Konig den alten 
Cafarenpalaft wieder wohnlich berftellen laſſen: auf der 

prachtvollen, breiten Terraffe vor der Villa, welche die 

Krone der bid an den Flug hinab fteigenden Marmor⸗ 
treppe bildete, follte die Feſtfeier ihre reid) geſchmückte 
Statte finden. 

Cotila hatte von Neapolis den alten Bildhauer 
Xenardhos, welder guerft vie Diosturen gufammengefiigt, 
entboten und thn beauftragt, aus der Fülle von vers 
figbaren Statuen in Rom und den nadften Stadten 
vie vorzüglichſten zu wablen und fie auf den leeren 
Poftamenten zu beiden Seiten der Marmor⸗Treppe aufs 
zuſtellen. 

Mit liebevollem Eifer hatte ſich der Alte ſeines Auf⸗ 
trags entledigt: und ein herrliches Spalier von Göttern, 
Göttinnen und Heroen ſchloß bald von beiden Seiten 
die Marmorſtufen ein. 

Die Terraſſe war überwölbt von einem weiten 


Purpurzelt, wie man fie über die Räume ves Ampbis 
10* 


148 


theaters fpannte, sum Schutz gegen die Gonne, gedffnet 
aber gegen den Hiblenden Wind vom Fluffe her: nad 
riidwart8 verlief bie Terraſſe in vas faiulengetragne 
Veftibulum der Bille. 

Das Köonigszelt, die Treppe, das Veftibulum, die 
ganze Villa waren aber umſchlungen von jabllofen Ge- 
winbden des immergriinen Laubes, welded im Winter 
und Gommer den Garten Stalia’s ſchmückt. 

Von ver Spike des Königszeltes wallte ſtolz durch 
bie römiſchen Lüfte das nene, pradjtvolle Banner Totila’s, 
weldes Valeria und ihre Genoffinen gu Tagink’ funft- 
voll mit Gold und Silber im hellblane Seide geftidt: 
ben goldnen Schwan zeigend, welder gegen den blauen, 
von filbernen Gternen befdeten Himmel mit ansgefpanns 
ten Schwingen anffliegt. 

Höher nod ragte zur Rechten das alte, rubuwolle 
Amalungenbanner Dietrichs von Bern, mit dem fteigens 
den goldnen Löwen. 

Niedriger, gur Linken, eine Trophi: das Banner Bes 
lifars, das otila vor dem tiburtiniſchen Thore erbentet 
hatte: es war als Sieges-Zeichen mit gefentter Spige 
aufgeſteckt. 


Fünfzehntes Capitel. 





Es war ver Tag ver Juni⸗Kalenden, auf welden 
pas Sieges⸗Feſt angefegt war. 

Die Bevdlferung Roms wogte von den fritheften 
Morgenftunden an durd bie gefdmildten Stragen und 
Plage ver Stadt gegen den aventinifden Hiigel und 
ven Flug, welder von zahlloſen Gondeln belebt war: 
rings um die Villa bin waren Relte, Laubhütten, Tiſche 
aufgeſchlagen, an welden das Voll von Rom geſpeiſt 
wurde. 

Nachdem Gaffiodorius in der Sanet Peters-Rirde 
unter den Gebeten eines avianifden und eines fatholifden 
Priefters — der lestere war Julius — die Tochter 
feines alten fFreundes dem Konig verlobt und fle die 
Ringe getanfdt batten, ſchritt das Par in glänzendem, 
feterltchem Aufzug über den Janiculus gegen das redte 
Tiberufer, überſchritt den Flug auf der feftlich gefdmiid- 
ten, von Laub-Bogen überwölbten Brücke ves Cheodofius 
und Valentinian und erreidjte dann, dem Laufe ded 
Stromes folgend, unterhalb des Emporiums die Felt 
Halle der Billa. 


150 





Hier, im Angefidt des verfammelten Volfsheeres, 
unter bem an feinem Speer anfgehangten Goldfdild des 
Königs, trat die Römerin in den linken Schuh des go- 
thifden Brautigams und er legte die gepangerte Rechte 
auf ihr dunkles, von durchſicht'gem Schleier beredtes Haar. 

So war die Verlobung nad firdlidem, nad römi⸗ 
fhem und nad germanifdem Brand gefdloffen. 

Nun nahm vas Brautpar an dem Mitteltiſch der 
Terraffe Plas, Valeria von edeln Römerinnen und 
Gothinnen, Totila von Herjogen und Grafen feines 
Heeres unigeben: abwedfelnd fptelten und fangen grie⸗ 
difdhe und römiſche Flbtenfpieler: und römiſche Tange 
wedfelten mit vem Sdwerters Sprung gothifder Sing: 
linge, indeffen auf dem Flug, an beiden Ufern deffelben 
und rings um die Villa her die rimifden und gothi« 
fen Gäſte des Königs gemeinfam fdmanften, tranfen 
und den milden Herrn und feine fdine Braut am die 
Wette feterten. 

Ernſt finnend blidte Valeria in die Ferne: fle öffnete 
leife die Lipper. 

„Welchen Namen nannteft du?“ fragte fle der Koönig, 
iby feinen Beder gum Vortrinfen reidend. 

Sie that Beſcheid und fpradh, die goldne Shale 
guritdgebend : 

„Miriam!“ 

„Miriam Dank und Ehre!“ ſagte der König, ernſt 
den Becher hebend. 

Aber da klang es goldhell von Harfenſeiten: und in 
ganz weißem, goldgeſäumtem Feſtgewand, einen Kranz von 


151 





Qorbern und Cicdenblattern um die Schläfe, trat Adal: 
goth vor das Par, warf nod einen fragenden Blick 
auf feinen Harfen- und Waffen-Lehrer, Graf Teja, der 
dem König zur Redten fag, und fang mit beller Stimme 
gu-den Accorden fetner Harfe : 


„Hört, alle Völker, fern und nab, 
Byzanz, vernimm e8 wohl: — 
Der Gothen-Rinig Lotila 
Thront hod im Capitol! 


Wie weit ift pod) vom TibersStrom 
Held Beliſar verfdredt : 

Vom Orcus ift, nidt mehr von Rom, ° 
Cethegus nun Prafect. 


Aus welden Blattern ziemt ein Kranz 
Dem König Totila? — 

An feiner Bruft in Roſen-Glanz 
Erglüht Valeria. 


Den Frieden fdirmet und das Recht 

Sein Schwert, fein Schild, fen Stern: 
Olive, leith vein fromm Gefledt 

Mir fir den Friedens⸗Herrn! 


Wer trug den Schreck des Rache⸗Kriegs 
Gewaltig bis Byzanz? 

Romm, Lorber, wälſches Kraut des Siegs, 
Komm reid) in meinen Kranz! 


152 





Doch nicht wuds ihm die Siegesfraft 
Aus Romas Moderftaud : 

Friſch kröne feine Heldenſchaft, 
Germaniſch Eichen⸗Laub. 


Hört alle Volker, fern und nab, 
Byzanz vernimm e8 wohl: 

Der Gothen-Kinig Totila 
Thront hod im Capitol!“ 


Rauſchender Beifall folgte feinem Lied, indeR ein 
römiſcher Knabe und ein gothifdes Marden, vor dem 
Brautpaare fnieend, je einen Kranz von Rofen, Oliven, 
Lorbern und CidensBlattern überreichten. 

„Auch unfere Sanger, Valeria,” lächelte Totila, 
„ſind nidt ganz ohne Wohllaut. 

Und nidt ohne Kraft und Treue. 

Mein Leben van’ ic dem Sanger da.“ 

Und er legte die Hand auf Adalgoths Haupt. — 
„Gar unfanft fdlug er deinem Landmann Pifo, ſeinem 
Collegen in Apollo, auf die gefdidt feandivenden Finger : 
— zur Strafe, daß er an meine Baleria mit dieſen 
Fingern wohl manden Vers gefdrieben und in derfelben 
Hand nun das tödtliche Cifen gegen mid ſchwang.“ 

„Nur Eins hatt’ id) nod) lieber gehört, mein Adal⸗ 
goth. fagte Teja leife zu diefem, „als vein Jubel⸗Lied.“ 

„Was, mein Sdwerts und Harfen- Graf?“ 

„Den Todesſchrei des Prafecten, den du leider nur 
im Geſang in die Hille geſchickt aft.” 

Aber Adalgoth ward von einer Menge von gothiſchen 


153 


Rriegern die Treppe hinab gerufen und lange nicht wieder 
fret gegeben: denn feinen gothifden Hörern, welche die 
Siege Totila’s mit erfochten, gefiel fein Lied viel beffer 
al8 e8 vielleicht dir, liebe Leferin, gefallt. 

Herzog Guntharis umarmte und küßte ihn und fprad, 
indem er ihn zur Seite flibrte: 

„Mein junger Held! 

Das ift eine Aehnlichkeit! 

So oft ich dic fehe, ift mein erfter Ausruf: Alarich.“ 

„Ei, das ift mein Schlachtruf,“ fagte Adalgoth und 
im Geſpräch verfdwanden fle unter der Menge. 


Sechzehntes Capitel. 





Gleichzeitig blidte ver König nad ver Skulen-Halle 
ver Villa gurid, da plötzlich das Spiel der dort auf⸗ 
geftellten Flötenbläſer abbrad. 

Cr erfannte den Grund wohl: und er felbft fprang, 
mit einem Ruf des Staunens, von feinem Sig. 

Denn zwiſchen den betden frangumwundnen Mittels 
Giulen des Cingangs ftand eine Geftalt, die nicht irdiſch 
ſchien. 

Ein wunderholdes Mädchen in ganz weißem Gewand, 
einen Stab in der Hand und einen Kranz von weißen 
Sternblumen um das Haupt. 

„Ah was iſt dad? Lebt dies reizvolle Bild? frug 
erſtaunt der König. 

Und alle Gäſte, alle die Frauen und Männer um⸗ 
her, folgten dem Blick ſeines Auges, der Bewegung ſeiner 
Hand mit Staunen. 

Denn was an der ſchmalen Oeffnung die Blumen⸗ 
gewinde übrig gelaſſen, war ausgefüllt von einer lieb⸗ 
lichen Geſtalt, deren gleichen ſie nie geſchaut. 

Das Kind over Mädchen hatte das glänzend weiße 


155 





Linnenkleid auf ver linken Schulter mit einer Saphir: 
Spange gebeftet: den breiten, goldnen Gitrtel ſchmückte 
ein grofer Kreis von Sapbhiren: wie zwei weiße Flügel 
fielen die langen weißen Ripfel-Wermel von ihren 
Schultern: Epheuranken umwoben die ganze Geftalt: 
die Rechte hielt, auf der Bruſt ruhend, den Blumen 
umwundenen, gekrümmten Hirtenſtab: die Linke hielt einen 
wundervollen Kranz von Waldblumen und ruhte auf 
dem mächtigen Haupt eines großen, braunzottigen Hundes, 
der um den Hals auch einen Blumenkranz trug. Ohne 
Furcht, ſinnig, forſchend fiel ihr Blick über die glänzende 
Verſammlung. 

Staunend harrten eine Weile die Gäſte, regungslos 
ſtand das Mädchen. 

Da ſtand der König auf von ſeinem Thron, ſchritt 
auf ſie zu und ſprach: 

‚Willkommen in ver Gothen Königſal, biſt du ein 
irdiſch Weſen,“ lächelte er. 

Biſt du aber, — was ich faſt lieber glauben möchte — 
der Licht⸗Elben wundervolle Königin — nun ſo ſei uns 
auch willkommen: dann muß dir ein Thron hoch über des 
Königs Sig gerüſtet werden." 

Und anmuthig begrüßend lud er ſie, mit beiden 
Armen winkend, näher. 

Sie aber trat nun, ſchwebenden Schrittes, über die 
Schwelle der Säulenhalle auf die Terrafſe, erröthete und 
ſprach 

Lie ſprichſt du doch liebliche Thorheit, Herr Konig. 

Ich bin keine Königin. 


150 





Hier, im Angefidt des verfammelten BVollsheeres, 
unter bem an feinent Speer aufgehangten Goldfdild des 
Königs, trat die Römerin in den linfen Schuh des go: 
thifdhen Bräutigams und er legte die gepangerte Rechte 
auf iby dunkles, von durchſicht'gem Schleier beredtes Haar. 

So war vie Verlobung nach tirdlidem, nad römi⸗ 
fdem und nad) germanifdem Brand gefdloffer. 

Nun nabm das Brautpar an vem Mitteltiſch der 
Terrafie Plag, Baleria von edeln Römerinnen und 
®othinnen, Totila von Herzogen und Grafen feines 
Heeres unigeben: abwechſelnd fpielten und fangen gries 
difdhe und römiſche Flotenfpieler: und römiſche Lange 
wedfelten mit dem Schwerter⸗Sprung gothifder Jüng⸗ 
linge, indefjen auf dem Flug, an beiden Ufern deffelben 
und rings um die Villa her die römiſchen und gothi- 
fen Gäſte des Königs gemeinfam ſchmauſten, tranfen 
und den milden Herm und feine fdine Braut um die 
Wette feierten. 

Ernſt finnend blidte Valeria in die Ferne: fie Sffnete 
leife die Lipper. 

„Welchen Ramen nannteft du?“ fragte fie der Kinig, 
ihr feinen Beder gum Vortrinken reidend. 

Sie that Befdeid und fprad, die golone Schale 
guritdgebend : 

„Miriam!“ 

„Miriam Dank und Ehre!“ ſagte der König, ernſt 
den Becher hebend. 

Aber da klang es goldhell von Harfenſeiten: und in 
ganz weißem, goldgeſäumtem Feſtgewand, einen Kranz von 


151 





Vorbern und Cidenblattern um die Schläfe, trat Adal- 
goth vor das Par, warf nod einen fragenden Blick 
auf feinen Garfen- und Waffen-Lehrer, Graf Teja, der 
dem König gur Redhten fab, und fang mit beller Stimme 
gu-den Accorden fener Harfe : 


„Hört, alle Valter, fern und nab, 
Byzanz, vernimm e8 wohl: — 
Der Gothen-Rinig Totila 
Thront hod im Capitol ! 


Wie weit ift pod vom Tiber-Strom 
Held Belifar verfdredt : 

Vom Oreus ift, nidt mehr von Rom, . 
Cethegus nun Prafect. 


Aus welden Blattern ziemt ein Kranz 
Dem Kinig Totila? — 

An feiner Bruft in Rofen- Glan; 
Erglüht Valeria. 


Den Frieden ſchirmet und das Recht 

Sein Schwert, fein Schild, fein Stern: 
Olive, leih vein fromm Gefledt 

Mir fix den Friedens-Herrn! 


Wer trug den Sdred ves Rache⸗Kriegs 
Gewaltig bis Byzanz? 

Romm, Lorber, wälſches Kraut ves Siegs, 
Komm reid in meinen Bran}! 


152 


Dod nidt wuchs ihm die Stegestraft 
Aus Romas Moderſtaub: 

Friſch rine feine Heldenſchaft, 
Germanifd Cidhens Laub. 


Hirt alle Volker, fern und nab, 
Byzanz vernimm es wobl: 

Der Gothen-Rinig Totila 
Thront hod im Capitol!" 


Raufdender Beifall folgte feinem ied, indeR ein 
rimifder Knabe und ein gothifdes Mädchen, voor dem 
Brautpaare tnieend, je einen Kranz von Rofen, Oliven, 
Lorbern und Eichen⸗-Blättern überreichten. 

Aud unfere Sanger, Baleria,” lächelte Totila, 
»find nicht ganz ohne Wohllaut. 

Und nidt ohne Kraft und Treue. 

Mein Leben dank' id) vem Ginger da.” 

Und er fegte die Hand auf Avalgoths Haupt. — 
„Gar unfanft ſchlug er deinem Landsmann Pifo, feinem 
Collegen in Apollo, auf die gefdidt ſeandirenden Finger : 
— jur Strafe, daß er an meine Valeria mit diefen 
Fingern wohl manden Vers geſchrieben und in derfelben 
Hand nun das tdvtliche Cifen gegen mich fdwang.” 

„Nur Eins Hatt’ id) nod lieber gehört, mein Adal⸗ 
goth,” fagte Teja leife zu dieſem, „als dein Subel-Lied.” 

„Was, mein Sdwerts und Harfen> Graf 2“ 

„Den Lodesfdret ves Prafecten, den du leider nur 
im Gefang in die Hille gefchidt haſt.“ 

Aber Avalgoth ward von einer Menge von gothifden 


153 


Rriegern die Treppe hinab gerufen und lange nicht wieder 
fret gegeben: denn feinen gotbifden Hörern, welde die 
Siege Lotila’s mit erfochten, gefiel fein Lied wiel beſſer 
alg e8 vielleicht dir, liebe Leferin, gefallt. 

Herjog Guntharis umarmte und küßte ibn und fprad, 
indem er ibn zur Seite führte: 

„Mein junger Held! 

Das ift eine Achnlicdfeit! 

So oft ih dich febe, ift mein erfter Ausruf: Alarich.“ 

«i, das iff mein Schlachtruf,“ fagte Adalgoth und 
im Geſpräch verſchwanden fie unter der Menge. 


Sechzehntes Capitel. 





Gleichzeitig blidte ver König nad ver Sdulen-Halle 
ver Villa zurück, da plötzlich das Spiel der dort aufs 
geftellten Flötenbläſer abbrad. 

Gr erfannte den Grund wohl: und er felbft fprang, 
mit einem Ruf des Staunens, von feinem Sig. 

Denn zwiſchen den beiden kranzumwundnen Mittele 
Säulen des Cingangs ftand eine Geftalt, die nicht irdiſch 
ſchien. 

Cin wunderholdes Mädchen in ganz weißem Gewand, 
einen Stab in der Hand und einen Kranz von weißen 
Sternblumen um das Haupt. 

„Ah was iſt dad? Lebt dies reizvolle Bild?“ frug 
erſtaunt der König. 

Und alle Gäſte, alle die Frauen und Manner ums 
her, folgten dem Blick ſeines Auges, der Bewegung feiner 
Hand mit Staunen. 

Denn was an ver fdmalen Oeffnung die Blumen: 
gewinde übrig gelafjen, war ausgefüllt von einer lieb⸗ 
lichen Geftalt, deren gleidhen fie nie gefdaut. 

Das Kind oder Mävchen hatte das glanzend weife 


155 





Linnenkleid auf ver linken Schulter mit einer Saphir: 
Spange gebeftet: den breiten, goldnen Gürtel ſchmückte 
ein grofer Kreis von Saphiren: wie zwei weiße Flügel 
fielen die langen weißen Zipfel⸗Aermel von ihren 
Schultern: Epheuranken umwoben die ganze Geſtalt: 
die Rechte hielt, auf der Bruſt ruhend, den Blumen 
umwundenen, gekrümmten Hirtenſtab: die Linke hielt einen 
wundervollen Kranz von Waldblumen und ruhte auf 
dem mächtigen Haupt eines großen, braunzottigen Hundes, 
der um den Hals auch einen Blumenkranz trug. Ohne 
Furcht, ſinnig, forſchend fiel ihr Blick über die glänzende 
Verſammlung. 

Staunend harrten eine Weile die Gäſte, regungslos 
ſtand das Mädchen. 

Da ſtand der König auf von ſeinem Thron, ſchritt 
auf ſie zu und ſprach: 

„Willkommen in der Gothen Königſal, biſt du ein 
irdiſch Weſen,“ lächelte er. 

Biſt du aber, — was ich faſt lieber glauben möchte — 
ver Licht⸗Elben wundervolle Königin — nun fo fet uns 
auch willkommen: dann muß dir ein Thron hoch über des 
Kinigs Sig gerüſtet werden." 

Und anmuthig begrüßend Iud er fle, mit betven 
Armen winfend, naber. 

Sie aber trat nun, fdwebenden Schrittes, über die 
Sdwelle ver Säulenhalle auf vie Terraffe, errithete und 
ſprach: 

Wie ſprichſt vu dod liebliche Thorheit, Herr König. 

Sh bin keine Rinigin. 


156 


Ich bin ja Gotho, die Hirtin. 

Du aber bift — th ſeh's mehr an deiner lidten 
Stirn als an vem Goldreif — du bift Totila, der 
Gothenkönig, den fie den Freudentinig nennen. 

Da haft du Blumen, du und deme ſchöne Brant — 
id) hörte: eurer Verlobung gilt dies Feft — Gotho hat 
nichts Andres gu fpenden: ich pflitdte und wand fie, wie 
ih des Weges durch die legten Haine fam. 

Und nun König, der Waifen Schirmberr und des 
Rechtes Schutz, nun hire mich und Hilf mit vdeinem 
Schutz.“ 

Der König nahm wieder neben Valeria Platz: das 
Mädchen ſtand zwiſchen beiden: die Braut faßte ihre 
Hand: der König legte ihr die Hand auf's Haupt und 
ſprach: 

„Bei deinem eignen wunderſamen Haupte ſchwör' id 
dir Schutz und Recht. Wer biſt du? und was iſt dein 
Begehr?“ 

Herr, ich bin eines Bergbauern Enkelin und Kind. 

Ich bin erwachſen auf dem Iffaberg unter Blumen 
und Einſamkeit. 

Ich hatte nichts herzliebes auf Erden als einen Bruder. 

Der iſt mir davon gezogen, dich zu ſuchen. 

Und als der Großvater gu ſterben tam, ſchickte er 
mid) yu dir: bet div foll id) den Bruder, Recht und 
Schickſals Löſung finden. 

Und er gab mir zur Begleitung den alten Hunibad 
nuit von Teriolis: aber deſſen Wunden waren nicht 


157. 


ausgeheilt und fie brachen bald wieder auf und ſchon in 
Berona blieb er liege. 

Und lange Beit hatt’ id ihn gu pflegen, bis aud 
ex ſtarb. 

Und dann 30g id) gan; allein, nur mit Brun, dem 
trenen Hunde, quer durch all’ pies weite, heiße Land bis 
id) endlid) Romaburg und did) gefunden. 

Und gute Ordnung hältſt du, Herr Konig, im deinem 
Land: — man muß dich loben. 

Deine Königsſtraßen find Tag und Nacht bewacht 
von deinen Gajonen und Lanzen⸗Reitern. 

Und gar freundlid) und gut waren fie mit dem einfam 
wandernden Rinde. 

Und wiefen mid jede Nacht gu einem Haufe guter 
Gothen, wo die Hauswirthin mein pflegte. 

Und fie fagen ja: folden Redtsfrieden ſchirmſt vu 
im Lande, bak man goldne Gpangen auf deine Königs⸗ 
ſtraßen legen und fie nad) vielen, vielen Nächten dort 
fisher wieder finden fann. 

Und in einer Stadt, Mantua, glaub’ ich, hieß fie, 
war, gerade als id) itber den Marktplatz fdritt, grok 
Gedriing und alles Voll lief zuſammen. 

Und deine Gajonen fiihrten einen Römer in ihrer 
Mitte gum Code und viefen: Marcus Maffurius mug 
pes Todes fierben auf König Tottla’s Befehl: er hatte 
thn freigegeben, den RriegSgefangnen: da raubte der 
Freche mit Gewalt ein jitdifdes Minden: König Lotila 
Hat des großen Theoderich Geſetz erneut.“ 


158 


Und fie ſchlugen ihm den Ropf ab auf offnem Markt 
und alles Boll erſchrak vor König Totila's Geredtigteit. 

Nun, treuer Brun, hier darfft du fdon rafter, 
hier thut mir niemand was 3u leide. 

Aud feinen Hals bhatt’ ich, euch gu Ehren, heut' mit 
Blumen bekränzt.“ 

Und fie ſchlug den gewaltigen Hund leife auf fein 
zottiges Haupt: mit einem klugen Blid trat er vor an 
des Königs Thron und legte die linfe Vorderprante jue 
traulid) auf deffen nie. 

Und der König gab ihm gu trinfen aus flader, goldner 
Sale. 

„Für golone Treue,“ fprad er, ,golonen Becher. 

Wer aber ift dein Bruder 

wa," fagte fie nachdenklich, nach Vielem, was mir 
Hunibad unterwegs und auf dem Krankenbett erzählt, 
glaub’ id), daß fein Name nidt der redte. 

Aber er ift leicht gu kennen,“ fubr fle erröthend fort. 

„Goldbraun wogt fein Gelod: und fen Auge ift blan 
wie Ddiefer lidte Stein: und feine Stimme ift hell wie pte 
ber Verde: und wenn er Harfe ſchlägt, blidt er nad 
Oben, als fabe er den Himmel offer —“ 

„Adalgoth,“ rief der König! — ,,Avalgoth! widers 
holten alle Gothen. 

„Ja, Adalgoth, heift ex," fprad fie. 

Da flog dtefer, — fein Name ſchlug, laut gerufen, 
an fein Ohr — dte Stufen herauf: 

Meine Sotho!” jubelte er. 

Und fie bielten fic) umſchlungen. 


159 


wote gehiren gufammen,” fagte Herzog Guntharis, 
ver dem Jüngling gefolgt war. 

wooie Morgenroth und Morgenfonne ,” ſprach Teja. 

sun aber laß mid," fprad das Mädchen, ſich [08 
madend, ,meinen Wuftrag erfitllen: des fterbenden Groß⸗ 
vaters Gebot. 

Hier, Here Konig, nimm diefe Rollen und lies fie: 

Da foll alles Schickſal drin ftehen fiir Adalgoth und 
Gotho: Vergangenheit und Zutunft, fprad ver Ahn.” 


Biebemehntes Capitel. 





Und der Konig entſigelte die Suferen Schnüre und las: 

„Dies hat geſchrieben Hildegiſel, des Hildemuth Sohn, 
den ſie den langen nennen, ehemals Prieſter, dermalen 
Burgmann zu Teriolis. 

Geſchrieben auf Vorſprechen des alten Iffa: und iſt 
Alles wahrhaftig aufgeſchrieben. 

Alſo: Nun kommt's. 

Das Latein iſt wohl oft nicht, wie es in der Kirche 
geſungen wird. 

Aber ihr werdet's ſchon verſtehn, Herr König. 

Denn wo's ſchlecht Latein, da iſt's gut Gothiſch. 

Alſo. Nun kommt's aber wirklich. 

So ſpricht Iffa, der Alte: 

„Herr Konig Totila. 

Was in dieſer hier eingewickelten Rolle geſchrieben 
ſteht, iſt die Niederſchrift des Mannes Wargs, der aber 
nicht mein Sohn war und nicht Wargs hieß — ſondern 
Alarich hieß er und war der Balthe, der verbannte Herzog 
von —" 


161 _ 


Gin Ruf des Staunens ging durch die Verfammlung 
der Gothen. 

Der König Hielt inne. 

Herzog Guntharis aber fprad: 

„Dann ift Adalgoth, ver fid) den Sohn des Wargs 
nannte, ter Sohn ves Balthen Alarich, den er felber 
als des Königs Herold, umveitend in allen Stadten auf 
weigem Rog, mit Tautem Heroldfprud gefudt. 

Und niemal8 fah id) größere Aehnlichkeit als die 
gwifden Vater Alarich und Sohn Adalgoth. 

„Heil dir, Here Herzog von Apulien!“ rief lächelnd 
Totila und flog ven Knaben in die Arme. 

Spradlos vor Staunen ſank Gotho nieder in die 
Kniee: ihre Augen fiillten fic mit Thränen und, yu Adal: 
goth anfblidend, feufste fie: , 

„Alſo nicht mein Bruder? | 

O Gott! — 

Geil dir, Herr Herzog von Wpulien. 

Reb’ webl! auf immer!" und fie ftand auf und 
wandte fid, zu geben. 

„Nicht meine Schweſter!“ jubelte Adalgoth. 

„Das iſt das Beſte an dem ganzen Herzogthum 
Apulien! 

Halt da“ — und er fing fie auf, drückte ihr Köpfchen 
an vie Bruft, küßte fie berzhaft auf den Mund unr 
fprad) jum König: 

„Herr Konig Totila, nun gebt uns gufammen. 

Hier ift meine Braut — hier ift meine Herjogin.” 

Dabn, Cin Kampf um Horn. IV. 11 


- 


162 


Totila aber, welder einftmeilen beite Urfunden durch⸗ 
flogen hatte, ladelte : - 

„Ja, Da braudt’s nicht Salomons Königsweisheit dazu, 
hier das Rechte gu finden. — Junger Herzog von Aputien, 
fo verlob’ id) dir die Braut.“ 

Und er fegte das weinende, lachende Sind in feine 
Are. ‘ 

Bu ven Gothen umber aber fprad er: 

»Vergount, Lak id) eud) aus vem etwas ungefdladten 
Ratein von Hildemuth’s Sohn — id kannte ihn: beffer 
war ey mit Dem Speer, als mit der Feder zu brauden 
— und dem Teftament des Herjzogs die Wunder fury 
erkläre, die wir hier feben. 

Herzog Alarich betheuert hier feine Unſchuld.“ 

„Die ift jest erwiefen: durch feinen Sohn,“ rief Herzog 
Guntharis ,und id hatte nie an feine Schuld geglaubt.“ 

„Er erfubr erft fpat den geheimen Ankläger. 

Unjer Adalgoth hat deffen Namen aus der zer⸗ 
triimmerten Cäſarſtatue an's Lidt gebradt. 

Cethegus der Prafect hatte etne Art Lagebuch gefithrt, 
in geheimer Schrift: aber Gaffiodorius hat fie, mit 
Staunen und Entfegen über die Frevel des fo lang von 
ibm bewunderten Mannes, entziffert: da fand fid) cin 
Gintrag folgenten Inhalts in dem vor etwa zwölf Jahren 
gefdriebnen Anfang: 

„Balthenherzog verurtherlt. Da er unfduldig, glanbt 
nur ned) er felbft und fein Ankläger. Wer Cethegus 
in’S Herz trifft, foll nicht Leben. Als ich damals am 
Tiberufer aus Ton agleider Betdubung ermadte, war 


163 


diefe Race mein erfter Gedante: fie ward’ mein Schwur: 
ev tft erfüllt.“ 

„Geheimniß fdwebt nod) auf den Gründen  diefer 
Rachſucht: vod) miiffen fie irgendwie gufammenhangen 
mit Julius Manilius Montanus, unfrem Freund. 

Wo ift er? —“ 

„Er bat fic) mit Caſſiodorius ſchon wieder in die 
Peterskirche zurück begeben,” fprad) Graf Teja: „du mögeſt 
fle entfduldigen: fie beten um dieſe Stunde jeden Tag 
um den Frieden mit Byzanz. 

Und Julius aud) fiir res Prafecten Seele,” fitgte er 
mit bittrem Lächeln bet. 

kur ſchwer hatte König Theoverid) an die Schuld 
des tapfren Herzogs geglaubt, mit weldem innige Freunds 
ſchaft ihn verbunden.“ 

„Hatte er ihm doch,“ fiel Herzog Guntharis ein, „einſt 
einen breiten, goldnen Armreif geſchenkt mit einer Runen⸗ 
ſchrift.“ 

Der König fuhr fort, aus der Rolle leſend: 

„Und dieſen Armreif habe id) mit genommen in Bers 
bannung und Flucht mit meinem fleinen Knaben. 

Dieſer Armreif, entzwei gebrochen zwiſchen dem Runen⸗ 
ſpruch, mag einſtmals die echte Geburt meines Sohnes 
als Wahrzeichen beweiſen.“ 

„Er trägt das Waährzeichen im Antlitz,“ meinte Herzog 
Guntharis. 

„Aber es fehlt auch an dem goldnen nicht,“ ſprach 
Adalgoth: „wenigſtens ein Stück hat mir der alte Iffa 
mitgegeben: bier iſt's:“ und er holte nun den halben 
11* 


164 


Urmreif, den er an einer Schnur auf der Bruft trug, 
hervor. „Ich babe nie den Ginn der Runen entrathfeln 
können: 

„Dem Balthen — 

Dem Falken — 

In Noth — 

Dem Freunde —“ 


„Ja, Dir feblte die andre Halfte, Woalgoth,” ſprach dte 
Hirtin und holte aus dem Bufentud) das gweite Stück. 
— ,Cieh, bier lauten vie Runen: 


»— Der Amaler, 
— Der Adler, 
— Und Tod 

— er Freund.” 


„Dem Balthen der Amaler, — 
Dem Falfen ver Adler, 

Sn Noth und Tod 

Dem Freunde der Freund.” 


Eo (a8, nun beide Halb-Ringe zuſammen haltend, Teja. 

Der König aber fubr fort. 

„Endlich aber hatte mid) der Konig nicht mehr ſchützen 
fannen, al8 ihm Briefe vorgelegt wurden, fo meiſterhaft 
gefalfdt und meiner Handfdrift nadgebildet, daß id 
felbft, als mir guerft ein barmlofer Sag aus dem Inbalt, 
auf einent heraus gefdnittnen Bergament Streifen, vors 
gelegt wurde, obne Weitres anerfannte ,ja, das bab’ id 
geſchrieben.“ 


165 


Da pakten die Ridter ven Streifen wieder in das 
Pergament und laſen mix das Ganze vor: und fo follte 
id denn gefdrieben haben an den Hof von Byzanz, 
id) wolle den König ermorden und Sild-Stalien raumen, 
wenn man in Byzanz mid) als Konig von Norditalien 
anerfennen wolle. 

Da verurtheilten mich die Rider. 

Als id) aus dem Gal gefithrt wurde, traf id auf 
vem Gange Gethegus Cäſarius, meinen langjabrigen 
Feind —: es war mir gelungen, ein Mädchen, um das 
er warb, dem unbeimliden Mann zu entgtehen und 
einem wadern Freund in Gallien als Gattin zuzuführen 
— er Ddrangte fid) durch die Waden, ſchlug mtr auf 
pie Schulter und fprad): 

„Wem die Liebe entriffen, den triftet der Haff. 

Und an feinem Blid errieth id) e8: ev und fein 
Andrer war ver falſche Ankläger. 

Als legte Gnade gemabhrte mix ver Konig die Mitel, 
aus dem Rerfer gu entfliehen. 

Aber id) ward geadtet, friedlos gefegt mit meinem 
ganzen Gaus; mein Erbe eingezogen. 

Yang zog id) unftat in den Nordbergen umber, bis 
id mid) entfann, dag auf dem Berg der Sifinge bet 
Teriolis altgetreue Gefolgen meines Geſchlechts fiedelten : 
dorthin wanderte ich mit meinem Knaben und wenigen 
Schatzſtücken des Balthenhauſes. 

Und die Getreuen nahmen mich auf und meinen 
Knaben und bargen mich unter dem Namen Wargs — 
der Verbannte — und gaben mich für den Sohn des 


_ 166 
Alten Sffa aus und entfernten alle unverlaffigen Knechte, 
pie mid) batten verrathen können. 

Und fo leb’ id im BVerborgnen mandes abr. 

Meinen Sohn aber will ic) und follen nad) mir die 
Sffinge erjiehen gur Race an Gethegus, vem Verräther. 

Sh hoffe, einft fommt rer Tag, der meine Unfduld 
aufdedt. 

Bleibt ev aber alljulang aus, dann foll mein Sohn, 
wenn er ſchwertreif geworden, hinunter ziehen vom Iffa⸗ 
berg gen Stalien, ven Bater gu riden an Cethegus 
Gafarius. 

Dies ift mein lestes Wort an meinen Sohn.“ 

„Bald aber, nachdem ver Herzog dies geſchrieben 
hatte," [a8 rer König aus der andern Rolle weiter, 
„verſchüttete ihn mit einigen meiner Gefippen ver Berg in 
einem Felſenrutſch. 

Sd aber, Sffa ver Wlte, Habe den Rnaben al 
meinen Gnfel auferzogen und als Gotho’s Bruder, weil 
immer nod) die Friedlofigfeit laftete auf vem Gefdledt 
bes Herzogs Alarich und ich nicht and auf ihn die Rache 
des Hollenmannes [enten wollte. 

Und auf daß ver Sunge Andern ganz gewiß nidts 
ven feiner gefährlichen Abkunft fagen finne, babe id 
thm felber nichts davon gefagt. 

Wis er aber nun fdwertreif geworden und id vers 
nahm, dag in Romaburg ein milder und gerediter Konig 
walte, der den hölliſchen Präfecten niederkämpfe, wie 
der Morgengott ven Nachtrieſen, da fandte id) jung 
Avalgoth gur Rade aus und erzählte ihm, daß ev ein 


167 





edles Adelshaupt, den Schutzherrn unſres Geſchlechts, 
nach ſeines Vaters Auftrag an Cethegus, dem grimmen 
Verfolger und Verderber, zu rächen habe. 

Aber daß er Alarichs, des Balthenherzogs Sohn, 
verſchwieg ich ihm: denn ich ſcheute die Acht, die noch 
auf ihm lag: ſeines Vaters Name konnte ihm, ſo lang 
die Schuld darauf haftete, nichts nützen, nur ſchaden. 

Ganz eilfertig aber ſchickte id) ihn fort, ſeit id) evs 
kannte, daß ihn ſelbſt die geglaubte Schweſterſchaft nicht 
abgehalten, meine Enkelin Gotho gar unbrüderlich lieb 
zu gewinnen. 

Ich hätte ihm nun zwar wenigſtens ſagen können, 
daß Gotho nicht ſeine Schweſter. 

Das aber ſoll mir fern fein, daß ich meines alten 
Herrn⸗Hauſes altadligen Sproß, gleichſam durch Betrug, 
mit meinem Blut, mit dem ſchlichten Hirtenkind, vere 
bande. 

Nein: ex wird, wenn Recht auf Erden lebt, dereinft 
der Herzog von Apulien, wie fein Vater vor thm. — 

Und da id fiirdjte, daß ich gu fterben fomme und 
Avalgoth nod feine Kunde von des Prafecten Unters 
gang gefdidt, babe id) den langen Hilvegifel gebeten, 
vies Wes aufzuſchreiben. 

(Und ih, Hildegifel, habe fiir dic Schreibung gwanjig 
Pfund beften Rafe erhalten und zwölf Kriige Honig, 
was id) Danfbar befenne und beide waren ſehr gut.) 

Und mit Wie vem und mit den Schagititden, mit 
den blauen Gteinen und feinen Gewändern aus dem 
Balihen» Erbe, und ven Goldſolidi fenve id das Kind 


168 


Sotho an den gerechten Konig Totila: ihm foll fie Wes 
aufdeden. 

Er wird die Acht, die Friedlofigkeit nehmen von dem 
unfduldigen Sohn des unfduldigen Manned. 

Und wenn Adalgoth weiß, dag er ver eveln Balthen 
Sproß und dak Gotho nicht feine Schwefter, — dann mag 
er thun nad) feinem Willen: er foll dann fret die Hirtin 
wählen ober meiden: nur das wiffet, dak der Iffinge 
Geſchlecht nie unfret war, fondern vollfret von jeer, 
wenn aud in des Balthenbaufes Schutz. 

König Lotila, du entfcheide über fie.“ 


Achtzehntes Capitel. 





Mun," lächelte ver König, ,diefe Mühe haft du mir 
{Hon abgenommen, Herr Herzog von Apulien.“ 

„Und die Heine Herjogin,” fchaltete Valeria eww, „hat 
fid) gleich, als hatte ſie's geabnt, brautlic für viefen 
Tag geſchmückt.“ 

„Für ener Brautfeſt,“ lächelte die Hirtin: „als ich vor 
den Thoren der Romaburg erfuhr von dieſer Feier, da 
öffnete ich, wie der Ahn befohlen, das Bündel und 
ſchmückte mich für euch.“ — 

„Unſer Verlöbniß,“ ſprach Adalgoth zu ſeiner Braut, 
fiel auf den Verlobungstag des Königspars — ſoll auch 
unſer Hochzeitstag der des Königspares ſein?“ 

„Nein, nem,” fiel Valeria haſtig, faſt ängſtlich ein. 

„Nicht noch ein Gelübde, geknüpft an ein ältres, 
nod) ungelöfſtes. 

Ihr Kinder des Glückes: ſeid weiſe: heute habt ihr 
euch gefunden: haltet das Heute feſt: das Morgen ge⸗ 
hört den ungewiſſen Göttern.“ 

‚Recht ſprichſt bu,“ jubelte Adalgoth, „heute nod 
ſoll Hochzeit ſein,“ und er hob Gotho hoch auf ſeinen lin⸗ 


170 


fen Arm, fie allem Belle zeigend, „ſeht bier, thr guten 
Gothen, meine tleine Frau Herzogin.“ 

„Mit Vergunſt,“ fprad da eine beſcheidne Stimme, 
„wo fo viel Glid und Gonnenfdein auf die Gipfel und 
Hohen ves Volkes fallt, da möchte fic aud) niederes 
Gewächs dran laben.“ 

Vor den König trat ein ſchlichte Mann, an der 
Hand ein hübſches Mädchen. 

„Du biſt es. wackrer Wachis,“ rief Graf Teja, zu 
ihm tretend, ,und nicht mehr Knecht, im langen Haar 
Ter Freien?“ 

„Ja, Herr: Konig Witichis, mein armer Herr, hat 
mid) freigelaffen, al8 er mid) mit Grau Rauthgundis 
und Wallada entlief. 

Seither liek id vas Haar als Freier wachſen. 

Lind Frau Rauthgundis wollte, — id weiß e8 gang 
gewiß. — ihre Magd Liuta hier auch fret laffen: und 
wir follten nad Volksrecht Che ſchließen als Freie: 
aber fie fam ja nicht mebr zurück in das Gaus bei Fauld. 

Wohl aber id) ans unfrer Waldbiitte: und gerade 
zur rechten Beit nod flüchtete id meine Linta aus der 
Billa: Tags drauf famen vie Saracenen Belifars und 
brannten und mordeten die Statte aus. 

Nad Frau Rauthgundens erblofem Dore — denn 
ihrem Vater Athalwin hatte fon vor ihrem Untergang 
ver Siinfturm eine Lawine über Haus und Haupt ge- 
worfen — tft nun Liuta dem Rinig als Cigenthum 
zugefallen: und id) möchte daher den Konig bitten, daß er 
aud) mid) wieder jum unfreien Knecht aufnehme, anf 


171 





daß wir nicht geftraft werren, wenn wir uns freien — 
und —" 

Totila ließ ihn nicht ansfpreden: 

„Wachis, du biſt treu,“ rief er gerührt. 

„Nein, nad Volksrecht ſollt iby die Freien⸗Ehe 
ſchließen. 

Reicht mir ein Goldſtück.“ 

wDier, Herr König,“ rief eifrig Gotho, aus ihrer 
Hirtentaſche eins hervorholend — ,e8 ift mein [estes 
von den fedfen.” 

Der Konig nahm es lächelnd, legte es auf Linta’s 
rechte, effne Gandflade und ſchlug es dann, von unten 
nad) oben, aus ihrer Hand, dag e8 klingend auf das 
Moſaikgetäfel fprang und fprad: 


Frei und frank 
Laß ich dich, Liuta, 
Ledig und laſtlos! 
Freie du fröhlich 
In Königsfrieden.“ 


Da trat Graf Teja vor und ſprach: „Wachis, du 
trugft ſchon einmal glidfofem Herm den Schild. Willſt 
du nun mein Schildträger werden?” 

Feuchten Auges ergriff der Treue des Grafen Rechte 
mit beiden Händen. 

Und nun erhob Teja den Gold-Pocal und fprad 
feierlich: 

Ihr glänzet im Glück: — 
Schön ſcheint euch der Schimmer 


172 





Der feligen Sonne: 

Dod denket drum dod 

Tren traurig der Todten! 

Ohne Glanz, ohne Glück, 

Dod treu, tapfer und trefflid) 

Rang rubmvoll ver Rede: 

Witichis, Waltharis’ webriider Sohn. 
Feiert ihr feft-frob, 

Lichte Lieblinge 

Gütiger Götter, 

Goldne Gelage, — 

Ehre doch immer 

Der Gothen Geſchlecht 

Der glückloſen Gatten 

Geweihtes Gedächtniß. 

Ich mahne euch, Minne 

Traurig zu trinken 

Des muthigſten Mannes, 

Des wackerſten Weibes: 

Witichis und Rauthgundens Minne trink' id.“ 


Und alle thaten, ſchweigend, feierlich und trauervoll, 
Beſcheid. 

Dann hob König Totila noch mal den Becher und 
ſprach laut vor Allem Volk: 

„Er hatte es verdient — ich habe es erreicht: ihm 
bleibt unvergeſſne Ehre!“ 

Als er ſich nieder gelaſſen, — die beiden andern Pare 
wurden mit an des Königs Tiſch geſetzt, — ſtieg Graf 


173 





Thorismuth von Thurii (feine treue Tapferteit war durch 
vie Grafenwürde belohnt, aber das Amt des Herolds 
md Waffentragers ihm auf feinen Wunſch belaffen 
worden) die Stufen herauf, neigte vor dem König ſeinen 
Heroldftab und fprad: 

„Fremde, fernher gefegelte Gafte meld’ id, Rinig 
ver Gothen. 

Sene grofe Flotte, weldje, leicht hundert Segel ftarf, 
ſchon feit mebreren Tagen von deinen Geewarten und 
Hafenthiirmen gemeldet wurde, iſt nun in Portus eins 
gelanfen. 

Nordlente find e8: wogenfundig, kühnes Voll, aus 
fernſtem Thule Land. 

Hodbordig ragen ihre Drachenſchiffe und Schreck 
verbreiten Deven ungethiime Bugfprietbilder. 

Aber gu dir fommen fle friedlic. 

Und das Königsſchiff hatte geftern fdon Bote aus- 
gefest und hohe Gafte fegeln den Flug herauf. 

Ich rief fie an und erbielt yur Antwort: 

„König Harald von Götaland und Haralda (ferme 
Gattin, wie es fdeint), die wollen König Totila bes 
grüßen.“ 

„Führ' fie herauf. 

Herzog Guntharis, Herzog Adalgoth, Graf Teja, 
Graf Wiſand, Graf Grippa geht ihnen entgegen und 
geleitet fie.“ 

Und alsbald erſchienen, unter den kriegeriſchen Toͤnen 
ihrer fremdartigen, gewundnen Muſchel⸗Hörner, umgeben 
von zwanzig ihrer ganz in Stahlringen gepanzerten 


174 





Helden und Segelbritder, auf ver Terraſſe gwet hohe 
Geftalten, welche felbft den ſchlanken Totila und feine 
Tafelgenoffen überragten. 

König Harald trug auf dem Helm die beiden fuß— 
langen Schwingen des ſchwarzen Seeadlers: dad Feder⸗ 
fleid defjelben Vogels bededte das eherne Helmdach. 

Vom Rücken floR thm eines ungeheueren fdwarjen 
Bären Fell, deſſen Raden und Vorderpranten vorn ber 
den Bruft-Harnifd von handbreiten Erzringen herab 
bingen. 

Gin eifendrabt-geflodtner Wappenrod, der bis an 
Die Kniee reichte, wurde durd) einen breiten, muſchel⸗ 
befegten Gurt von Seehundfell um die Hüften gebalten. 

Arme und Beine waren nadt, aber von breiten Golde 
ringen gefdmildt gugleid) und geſchirmt. 

Cin kurzes Meſſer bing an ſtählerner Rette an feiner 
Seite: in der Rechten aber trug er einen langen, 
barpunengleiden Widerhakenſpeer. 

Seine dicken, hellgelben Loden flutheten, mähnen⸗ 
gleich, tief itber fetne Schultern. 

Bu feiner Linfen ftand, nidt um eine Fingerdbreite 
fleiner, die Walfitrengeftalt feiner Begleiterin. 

Das hellrothe, metallifd) fchimmernde Haar flog, in 
fangem, ſchlichtem Schweife, bis faft an ihre Knöchel, 
hervor unter dem goldnen, offnen Helme mit den Heinen 
Flügeln der Silber: Move, über ven ſchmalen Streif 
pon Dem weißen Pele des Cisbaren, der mehr als 
Schmuck tenn als Mantel, ihren Riiden bedeckte. 

Gin ganz eng anſchließender Panzer von ein ges 


175 





{dhupptem Golde zeigte ben unvergleidliden Wuchs rer 
Sdhildjungfrau, jeder Bewegung ver athmenden Bruft 
elaſtiſch folgend. 

Shr bis an die halbe Wade reidendes Untergewand 
war aus den weifen Haaren ded Schneehaſen funftvoll 
gefertigt. 

Die Arme ſchmuͤcten, halb ſie verhüllend, Aermel 
aus aneinandergereihtem und durchbohrtem, goldgelbem 
Bernſtein, der in der Abendgluth der römiſchen Sonne 
ſeltſam funkelte. 

Auf ihrer linken Schulter aber ſaß gravitätiſch der 
zierliche, weiße Falke von Island. 

Ein kurzes Handbeil ſtak in ihrem Gurt: die Rechte 
aber trug die über die Schulter gelehnte, langgeſchweifte 
Harfe mit dem Schwanenbug von Silber. 

Gaffend folgten, nachdrängend, die Römer, die Augen 
weit aufreißend über ſolche Geſtalten: aber auch die 
Gothen bewunderten das ſoviel hellere Weiß dieſer Arme, 
die eigenartig hellen, blitzenden Augen. 

„Nachdem der ſchwarze Held, der mich empfing,“ 
ſprach der Wiking, „ſagt: er ſei's nicht, kannſt nur du 
der König ſein,“ und er reichte Totila die Hand, erſt 
ben Kampf-Handſchuh aus Haifiſch-Haut abſtreifend: 

„Willkommen am Tiberſtrom, iby Vettern aus’ Thule— 
land,“ rief Totila, zutrinkend. 

Und auf raſch bereiteten Stühlen nahm das Für⸗ 
ſtenpar am Königstiſche Platz, ihre Gefolgen an den 
nächſten Tafeln: Adalgoth ſchenkte Wein aus hohen 
Henkelkrügen. 


176 


König Harald tranf und ſchaute bewundert umber. 

Set Afathor," rief er dann, bier ift es ſchön!“ 

So vent id mir Walhalla!" ſprach feine Be: 
gletterin. 

Kaum verftanden fic vie Gothen und die Nordleute 
unteremander. 

„Gefällt es dic bet mic, Bruder,” ſprach Totila 
fangfam, ,dann weile fang unter uns mit deiner 
Gattin.“ 

„Hoho, Romkönig,“ lachte die Rieſin und warf das 
Haupt zurück in den Nacken, daß die rothe Haawelle 
fluthete. 

Kreiſchend umflog ſie dreimal der Falke: dann kehrte 
er ruhig auf ihre Schulter zurück: — 

„Noch iſt kein Mann gekommen, der Haralda's Herz 
und Hand bezwungen: nur Harald, mein Bruder, biegt 
mir den Arm, überſpringt meinen Sprung, überwirft 
meinen Speer.“ 

„Geduld, klein Schweſterlein, ich vertraue: bald 
meiſtert ein markiger Mann dir das trotzige Magdthum. 

Hier dieſer König, blickt er auch mild wie Baldur, 
gleicht doch Sigurd, dem Fafnirſchläger. 

Ihr ſolltet euch meſſen im Speerwurf.“ 

Haralda warf einen langen Blick auf den Gothen⸗ 
könig, erröthete und drückte einen Rug auf ihres Fallen 
glattes Köpfchen. 

otila aber fprad: 

„Uebles gedieh, nad) der Sanger Beridt, aus Sigurds 
Wetikampf mit ver Schildjungfrau. 


177 


Begrüße vielmehr friedlid) Weib das Weib: reiche 
bie Hand, Haralda, meiner Braut.“ 

Und er winkte Valeria, welder nur unvollftandig 
Herzog Guntharis das Gefprodene in Latein vermittelte. 

Valeria erhob ſich in edler, anmuthvoller Hobbeit 
von ihrem Gis, im weißen, langwallenden, römiſch⸗ 
griechiſchen Gewand mit golonem Gürtel und einer 
Camee als Schulter⸗Spange, nur einen Lorberzweig um 
bie edeln Schläfe, welche Totila aus Adalgoths Kranz 
genommen und durch ihr ſchwarzes Haar geſchlungen: 
wie Muſik umfloß ſie die Schönheit, der Rhythmus ihres 
Faltenwurfs und ihrer Bewegungen: fo reichte fie ſchwei⸗ 
gend der nordiſchen Schweſter die Hand. 

Einen ſcharfen, nicht eben freundlichen Blick hatte 
dieſe auf die Römerin geſchleudert: aber Bewunderung 
verdrängte zornige Ueberraſchung von ihrem Antlitz und 
ſie ſprach: 

Bei Freia's Halsgeſchmeide, du biſt das ſchönſte 
Weib, das ich je geſehen! 

Ich zweifle, ob dir ein Wunſchmädchen in Walhall 
gleichen mag. 

Weißt du, Harald, wem dieſe Fürſtin gleicht? 

Vor zehn Nächten haben wir im blauen Griechen⸗ 
Meer auf einer Inſel geheert und einen Säulentempel 
ausgeleert —: da ſtand ein hohes Marmorweib aus 
weißem Stein: auf der Bruſt ein ſchlangenumlocktes 
Haupt: zu Füßen ven Nachtvogel: in faltenreichem Ge— 
wand — Gyen hat fie leider zerſchlagen, wegen der 

Dabhn, Cin Kampf um Rom. IV. 12 


178 


Edelſteine, die fle in den Augen trug —: diefer Mars 
mor⸗Göttin gleidt die Königsbraut.“ 

„Das mug id) dir dollmetſchen,“ lächelte Totila der 
Geliebten gu: nicht vein poetifder Verehrer Pifo hatte 
pir ausgefudter ſchneicheln können, als dieſe Bellona 
des Nordens. — Sie haben — ſo ward uns gemeldet 
— auf Melos gelandet, und dort die ſchöne Athena⸗ 
Statue des Pheidias zerſchlagen. 

Shr habt übel gehauſt,“ fuhr Totila fort, „ich hörte 
es, auf allen Inſeln zwiſchen Kos, Chios und Melos. 
Was führte euch dann ſo friedlich zu uns?“ 

„Das will ich dir ſagen, Bruder. 

Aber erſt nach einem neuen Trunk.“ 

Und er hielt Adalgoth den tiefen Becher hin. 

„Nein! — nicht mit Waſſer verderben den herrlichen 
Saft! 

Waſſer muß ſalzig ſein — damit man's gar nicht 
trinken kann — außer man iſt ein Hai oder Walroß. 

Waſſer iſt gut, daß es uns trage auf ſeinem Rücken, 
nicht, daß wir es tragen in unſrem Bauche. 

Und 's iſt ein wunderbarer Trank, dieſes ener Reben⸗ 
Bier. 

Unſern Meth habe ich mir immer bald ſatt ge⸗ 
trunken — der iſt wie fade, ſüße Speiſe. 

Aber dieſer Reben-Meth — je mehr man davon 
trinkt, deſto durſtiger wird man. 

Und trank man zuviel, — was kaum denkbar, — 
iſt's nicht wie beim Ael- oder Meth⸗Rauſch, dag man 
Aſathor bitten möchte, einem um den Schädel mit ſeinem 


179 





Hammer einen Cifenring gu ſchmieden — nein, rer 
Reben⸗Rauſch ift wie ſüßer Wabhnfinn ver Stalben: den 
ſeligen Göttern dünkt man fic gleid. 

Nun alfo foviel vom Wein-Raufd. 

Wie wir aber hierher gefommen find, das will id 
dir erzählen.“ 


UNennzehntes Capitel. 





„Alſo: wir ſind daheim in Thuleland, wie es die 
Skalden nennen, in Götaland, wie wir es heißen. 

Denn Thuleland iſt das Land, wo man nicht 
wohnt, wo nur, noch weiter nach den Eisbergen hin, 
andre Männer wohnen. 

Unſer Reich reicht gegen Aufgang an die See und 
unſre Inſel Gotland. 

Gegen Niedergang an Hallin und das Skioldunga⸗ 
Haff. 

Gegen Mitternacht an Svealand. 

Gegen Mittag an Smaland, Skone und ver Sees 
Dänen-Reiche. 

König aber iſt mein Vater, Frode, den Odhin liebt. 

Er ift viel weifer denn id. 

Gr hat mid) aber jest gum Mit⸗König frdnen laffen 
auf dem heiligen Stein zu King-Sala, weil er fdon 
bald hundert Sabre alt ift und blind. 

Sn unfern Hallen aber fingen die Ginger nod 
immer die Wanderfage, daß ihr Gothen mit den Amalers 
fiirften und den Balthen urſprünglich unfre Britder wart 


181 


ud nur durd Verirrung auf ver Wanderung feied ihr 
allmalig immer weiter nad Silden abgefommen: denn 
iby folgtet der Rranide Flug vom Kaukaſus ab, wir 
aber dem Rennen der Wilfe." 

„Wenn dem fo ift,” ladelte Totila, ,zieh’ id) die 
Rranidje als BWegweifer vor." : 

„So mag dir das jest wohl nod fdeinen, bier tr 
dieſer ſtolzen Meth- Halle,” fprad) König Harald ernft. 

„Aber mein weifer Vater Frode meint anders. 

Wie dem nun fet — (ih glaub's nidt redt: denn 
fonft müßten wir unfre Worte leichter verftehen) —: wir 
ehren bod) und tren die alte Blutsgemeinfdaft. 

Lind lange Zeit fam von eurvem warmen Oothaland 
in unfer faltes immer nur frobe, ſtolze Runde höchſten 
Rubms: und mein Vater und ener König Thidrekr, den 
unfrer Skalden Harfenlieder preifen, taufdten einmal 
Gefandte und Gefdente, vermittelt durch die Bernftein- 
Eſthen, die an dem Wuftrweg wohnen:. diefe fithrten 
unfre Boten gu den Wenden an ver Wyzla: dtefe gu 
den Langobarden an der Lifia: diefe gu den Herulern 
an Dravus: dieſe durch Savien nad Salona und 
Ravenna. 

Du bift ein Weg und Landerfundger Mann,“ 
meinte Lotila. 

„Das muß der Wiking fein. 

Sonſt fommt er erft nidt vorwärts. 

Und dann oft nicht mehr zurück. 

Lange alfo hörten wir nur von Glück und Slang 
bet end). 


182 


Aber einmal und dann öfter fam dard Kaufleute — 
welde von uns Pelz, Ciderdunen und Bernſtein faufen 
und den Friſen, Sachſen und Franken zuführen und 
uns künſtlich Gerath und Gold und Silber gubringen — 
und immer trauriger fam gu uns die Kunde, dak Konig 
Thidrekr geftorben und nad feinem Tod grog Unbeil 
ausgebroden fet im eurem Reid.  Unfieg, Berrath, 
Königsmord, Krieg von Gothen wider Gothen und der 
falſchen Fürſten von OGréfaland Uebergemalt. 

Und e8 hieß: gu vielen Tauſenden bhittet ihr end 
pie Schädel eingerannt an ven hohen Mauern eurer 
eignen Romaburg, welde aber nicht ihr hattet, ſondern 
ein Mann wie Afathor und ein gweiter, nod ſchlimmerer 
wie Loti der Feuer⸗Arge. 

Und wir forfdten, of end denn gar niemand Hilfe 
(eifte von den vielen Königen und Fürſten, die um 
Thidrefrs von Raven Gunft gebettelt. 

Wher da lachte der frantifde Kaufmann, der in 
meines Baters Halle feines Gewebe feil bot von der 
Wahala, und fprad: 

‚Bricht Glück, bricht Crene. 

Alle haben ſie von den glückloſen Gothenhelden ge⸗ 
laſſen, Weſtgothen und Burgunden, Heruler und Thitcinge 
und zumeiſt wir Franfen. 

Denn wir find flug vor Ander.“ 

Da wary aber mein Vater, Konig Frode, feinen 
Stab zürnend gu Erbe und rief: 

„Wo ift Harald, mein ftarfer Gobn 2 

„Hier,“ ſprach ich, , Vater,“ und ergriff ſeine Hand. 


183 





„Haſt Dit gehört,“ fubr mein Vater fort, „die Kunde 
von der Südlandskönige Untrene 2“ 

Solches foll man nicht fingen und fagen von den 
Manner von Gétaland. 

Wenn Wie untren geworden gegen die Gothen von 
Gardarife und Raven: — wir wollen Treue halten und 
ihnen belfen in ihrer Noth. 

Auf, mein ftarfer Harald und du, meine fithne 
Haralda, rüſtet hundert Drachenſchiffe aus und fitllt fie 
mit Mannern und Waffen — greift tief im meinen 
Königshort gu Ringfala und fchonet nidt die gehäuften 
Goldringe — und fabret aus mit Odhins Haud in 
den Segeln. 

Bon RKonghalla erft an den Infeldanen und den 
Siiten vorüber gen Niedergang: dann entlang den Küſten 
ber Frifen und Franfen durd) den Schmalpfad der See. 

Weiter fegelt um das Reich der Gueven in rem 
Pergland, vas da Afturia heißt: und um der Weft 
gothen Land biegt nad) Silden: dann windet end) wieder 
durd den Schmalpfad der Weit-See, wo Ufathor und 
Odhin zwei Saulen gefest haben: dann feid ihr fdon 
im Meer von Midilgard, wo zahlloſe Eilande liegen in 
tmmergriinen Biifden, daraus weiße Marmor-Hallen 
ſchimmern, getragen von hohen, runden Stein-Balken. 

Auf dieſen Eilanden heeret: denn ſie gehören den 
falſchen Fürſten von Grẽkaland. 

Und dann fahret gen Romaburg oder gen Raven 
und helfet dem Volke Thidrekers wider ſeine Feinde und 


184 


fimpfet fiir fle yu Waſſer und gu Lande und ftebet treu 
zu ihnen, bis niedergekämpft find alle ihre Feinde. 

Dann aber fpredt gu ihnen: 

„So rath eud Konig Frode, der bald hundert Winter 
gefehn bat und vieler Fürſten und Valter Gefdide hat 
auffteigen fehn und wieder finfen und der felber in 
jungen Jahren jenes Südland geſehn bat als Witing. 

So rath end) Kinig Frode: 

Raumet das Südland, fo herrlich es iff. 

Shr werdet night Darin dauern. 

So wenig vie Cisfdolle dauert, die tm Sitomeer 
treibt. 

Es jehren ſchmelzend an ihr unablaffig Sonne, 
‘Luft und leife nagende Wellen. 

Und mag fie nod fo mächtig fein, — fle muß zer⸗ 
rinnen und feine Spur wird bleiben ihres Dafeins. 

Es ift aber beffer, im armen Nordland leben al8 im 
reichen Südland fterben. 

Befteigt unfre Drachenſchiffe und riiftet eigne und 
ladet darauf all' euer Volk, Männer, Frauen, Kinder, 
Knechte und Mägde: und Rinder und Roſſe und Waffen 
und Edelgeräth: und raumet den beifen Boden, ver end 
ſicher verfdjlingen wird: und fabret von dannen und 
fommt gu uns. 

Wir wollen zuſammen rücken oder den Finnen, den 
Wenden und Efthen foviel Land nehmen, als ihr braucht. 

Und thy follt erhalten bleiben, frifd und gritnend. 

Dort unten verwelft und verfengt euch die Süd⸗ 
fonne. 


185 


So rath end) König Frode, den vie Menſchen den 
Weifen nennen feit fünfzig Jahren.“ 

Und wir hörten nun freilid) ſchon wie wir etnfubren 
in das Meer von Peidilgard von ven Seefahrern, daß 
eure Moth gewendet fei Durd) einen nenen König, den 
fie fcbilberten wie den Gott Baldur, dak iby Romaburg 
und alles Land won Gardarife wieder gewonnen und 
flegreich in Grélaland felbft geheert habt. 

Und wir feben ja jest mit Wugen, dag thr unſre 
Waffenhülfe nicht braucht. 

Shr lebt herrlich und in Freuden in dieſer Meth- 
Halle: und Wes ift voll rothen Goldes und weifen 
Gefteins. 

Aber dod muß ic wieverholen meines Vaters Wort 
und Rath: folgt ihm! ev ift weife! nod) jeder hat's be— 
reut, det Rinig Frode's Rath verſchmäht.“ 

Totila aber ſchüttelte lächelnd das Haupt und fprad). 

„Großen Dank fagen wir König Frode und eud 
fiir edle, feltne Zreue. 

Unvergeffen foll in der Gothen Gefaingen folde 
Bruder-Treue fein der Rordland-Helden. 

Uber, o Konig Harald, folge mir und blid’ um dich 
ber." — 

Und er ftand anf, nabm den Gaft an der Hand 
und führte ihn an den Gingang des Zeltes, die Vor⸗ 
binge zurückſchlagend: da lag Strom und Land und 
Stadt in glithendem Licht des Gonnen-Untergangs: 

„Sieh vied Land, unvergleidlid) an Herrlidfeit des 
Himmels und des Bodens und der Kunſt: — _ fiebe 


186 





piefen Tiberftrom, won glücklichen, jubelnden, ſchönen 
Menfden bededt, ſchau' diefe Büſche von Lorber und 
Myrthen: blide hin auf die Gaulen-Palafte, die dort 
von Rom her im Abendſtrahl fdhimmern, auf die hohen 
Marmor- Bilder auf diefen Stufen —: und fage du 
felbft, wiirdeft pu dies Land räumen, wenn es dein 
ware? wilrdeft bu dieſe Herrlichkeit vertaufden mit Mors 
ge's Fichten und Föhren und friihlingslofem Cife, mit 
den rauchgeſchwärzten Holzhütten anf nebliger Heide 2 
wa, das wild’ id), bei’'m Hammer Thors! 

Dies Land hier ift gut, drin gu beeren, drin gu 
ſchwelgen, drin gu fiegen: aber dann fdleunig auf und 
Davon gefahren mit der Sieges⸗Beute nad Hanfe! 

Shr aber feid hier herein geworfen wie Waffers 
tropfen auf heißes Eiſen. 

Und wenn jemals wir Odhins⸗Söhne dieſes Sirs 
land beberrfden, dann werden das Dod nur folde von 
uns, die einen breiten Rückhalt haben an andern Odhins⸗ 
Söhnen. 

Shr aber —: ihr ſeid ja ſelbſt ſchon ganz anders 
worden al8 wir. 

Walfde Frauen haben eure Grofvater, eure Vater, 
ihr ſelber gefreit: in wenigen Gefdledtern, wenn dads 
fo fort geht, feid ihr verwälſcht: ſchon feid ihr Heiner, 
vunfler an Haut und Augen und Haar geworden als 
wir, wenigftens Biele von end. - 

Sd) fehne mid) aus diefer ſchwülen, weichen Luft nad 
bem Nordwind, ver über unfre Walder und Wogen 
brauſt. 


° 187 


Sa, und and nach der rauchgeſchwärzten Holz. Halle, 
two die Götter⸗Runen eingebrannt find in den Firſt⸗ 
Balfen und die Harfen ver Stalden an den Holspfeilern 
bangen und das beilige Gerdfeuer immer gaftlich lodert. 

Sh febne mich nad unfrem Nord zurück — denn 
er ift unfre Heimath.“ 

„So vergdnne, daß aud wir unfre Heimath lieben : 
dies Land Stalia!" 

wdtie wird’s eure Heimath, nur vielleidt ener Grab. 

Fremd feid thr und frend bleibt thr. 

Over iby verwalfdt. 

Aber eures Bleibens, als Odhins⸗Söhne, ift nicht in 
biefem Land.“ 

„Mein Bruder Harald, laß e8 uns dod) verſuchen,“ 
Tadhelte Totila. 

9a, wir find verändert feit ven zwei Menſchen— 
altern, die unfer Volf nun unter Lorbern lebt. 

Aber find wir verfdlecdtert ? 

Muß man nothmendig ein Barenfell tragen, um ein 
Held zu fein? 

Muß man Goldbilver rauben, Marmorbilder zer⸗ 
ſchlagen, um fid an ihnen gu erfreuen. 

Rann man nur Barbar fein oder Wälſcher? 

Können wir nidt ver Germanen Vorzüge bebalten, 
ibve Febler ablegen, ver Walfden Vorzüge uns aneignen 
obne ihre Febler 2 

Aber Harald fibiittelte bas mähnenumwallte Haupt. 

„Mich ſoll's freuen, wenn’s end) gelingt. 

Aber ich glaub’s nidt. 


188 


Die Pflanze nimmt die Art des Bodens und des 
Himmels an, darauf und darunter fie wächſt. 

Und id) möcht' es gar nidt, felbft wenn’s mir und 
ven Meinen gelange. 

Mir find unfre Fehler lieber als der Wälſchen Vor⸗ 
züge — wenn fie welde haben.“ 

Totila mute der Worte gedenfen, die ex einft felber 
Sulius entgegnet. — — 

„Vom Nordland geht alle Kraft aus — dem Nord⸗ 
volf gehört vie Welt.“ 

„Sag's ihnen dod," fiel feine Schwefter ein, ,in. 
veines Lieblings-Liedes Worten.“ 

Und fie reidte ihm die Harfe bin: Harald aber 
fpielte und fang eine Stabreim>Weife, welche Adalgoth, 
in Schlußreime itbertragen, Valeria folgendermafern vers 
dollmetſchte: | 


„Thor ftand am Mitternadhts Ende ver Welt: 
Die Streit-Axt warf er, die fchwere: 

„So weit ver faufende Hammer fallt, 

Sft mein das Land und die Meere!“ 

Und e8 flog ver Hammer aus feiner Hand, 
Glog ber die ganze Erde, 

Fiel nieder am fernften Südens⸗Rand, 

Daf Wes fein eigen werbde. 

Seitdem iſt's freudig Germanen⸗Recht, 

Mit dem Hammer Land zu erwerben: 

Wir find von ves Hammer⸗Gottes Geſchlecht 
Und wollen fein Weltreich erben!“ 


189 


Lauter Beifall der gothifden Giver dankte dem 
loniglichen Sanger, ber ganz danach ausfah, das ftolje 
Lied verwirlliden gu wollen und gu können. 

Harald leerte nodmals den tiefen Goldbeder. 

Dann rief er: 

Nun woblauf, fein Sdwefterlein Haralda, auf, ibr 
meine Segelbrüder ba dritben. 

Mun brechen wir auf. 

Auf Ded der Midgardfdlange müſſen wir fein, bes 
wor der Mond drauf fdeint. 

Wie lautet ver Witinga- Balk? 

‚Schlecht ſchlummert das Schiff, 
Liegt der Venter am Land." 

Lange Freundſchaft — turjer Abfdhied, fo ifi’s 
Rordland Braud." 

Totila legte die Hand auf feines Gaftes Arm. 

Eilt's dir fo fehr? 

Du fürchteſt wohl, mit gu verwalfden? 

Bleibe nur nod: fo rafd geht's nidt: und bet dir 
hat's damit gute Wege." 

„Ja, Da haft du Recht, Romkönig.“ lachte der Riefe, 
„und bei’m Hammer Thors: id rithme mid) deffer. 

Aber wir müſſen fort. 

Drei Dinge Hatten wir pier qu thun nad Rinig 
Frode's Gebot. 

Gud zu helfen im Kampf. 

Shr braudt uns nidt. 

Over braudt ihr uns nod? Sollen wir bleiben bis 
nener Rampf entbrennt." 


190 


„Nein,“ lächelte Totila, „Friede, nicht neuer Kampf 
ſteht bevor. 

Und fam’ es wirklich abermals zum Krieg, — foll id 
dir dann Recht geben, Bruder Harald. daß wir Gothen 
zu ſchwach, uns allein in Italia zu halten? Haben wir 
nicht die Feinde geſchlagen ohne eure Hülfe? Können 
wit fie nicht wieder ſchlagen, wir Gothen allein 

Ich Dadte mir's wohl,” entgegnete ver Wiking. 

„Zum Bweiten famen wir, euch zurück yu holen in’s 
Nordland. 

Shr wollt es nicht. 

Und gum Dritten: gu heeren anf des Raifers von 
Gréfaland Inſeln. 

Das ift ein Inftig Gefdaft und nod lange nich 
genug geübt. Kommt mit: helft dabei, rächt enc.“ 

sein, ein Königswort ift heilig. Wir haben Waffen- 
ftilftand nod auf Donde. 

Und hare, Freund Harald. 

Verwechsle mic ja nicht aus Verfehen unfre Infeln 
mit denen des Raifers. 

Unlieb ware mir, wenn —“ 

„Nein, nein,” lächelte Harald, ,forge nidt. 

Wir haben’s ſchon gemertt. 

Vortrefflich gehütet find enve Hafen und Küſten. 

Und hier und da aft du ja hohe Galgen aufridten 
laſſen und Tafeln daran in römiſchen Runenzeichen; dein 
Seegraf zu Panormus hat fie uns gedollmetidt: 


191 





Landräuber gebangt, 
Seeräuber ertranft, — . 
Das ift das Raub- Recht 
In Totila’s Reid." 


Da haben meine Segelbritner einen heftigen Abſcheu 
befommen vor deinen Stangen und Tafeln und Runen. 

&h wohl nun, Romfsnig ver Gothen: mige rein 
Olid vauern: leb wohl, ſchöne Sdwarztdnigin. 

Lebt wohl, all” ihr Helden, wenn nicht frither — 

fez Walhall treffen wir uns wieder." 

Und rafd fic) verabſchiedend fdbritten die Nordleute 
aͤweg. 

Haralda warf ihren Falken in die Luft. 

„Flieg voraus, Snotr, — auf Deck!“ 

Und pfeilſchnell ſchoß der kluge Vogel hinweg, gerade 
Biber den Fluß hinab fliegend. 

Der König und Valeria geleiteten die Gäſte bis auf 
die vorletzte Stufe der Treppe: dort tauſchten ſie den 
letzten Händedruck. 

Noch einen raſchen Blick warf die Jungfrau auf 
Totila. 

Harald bemerkte es: und er flüſterte ihr zu, als ſie 
allein die letzte Stufe herab ſtiegen: 

Klein Schweſterlein, deinetwegen ſcheid' ich ſo raſch. 

Gräme dich nicht um dieſen ſchönen König. 

Du weißt: ich habe vom Vater die Gabe geerbt. 
todverfallne Marner zu erkennen. 


192 


Sd fage dir: auf diefes Königs fonnigen Brauen 
ſitzt der Gpeertod. 

Er wird den Mond nicht mehr wechſeln ſehn.“ 

Da zerdrückte vie Rriegerin eine Thräne in den 
ſtolzen Augen. 

Graf Teja, Herzog Guntharis und Herzog Adalgoth 
geleiteten die Gafte bis an ihre Bote im Tiber und 
verweilten, bis fie abgeftogen. 

Mit ernftem Blick fah ihnen Teja nad. 

„Ja, König Frode ift weiſe,“ fagte er. 

„Aber oft iſt die Thorheit ſüßer als die Wahrheit. 

Und großartiger. 

Geh' nur voran zum Zelt zurück, Herzog Guntharis. 

Ich ſehe da den Fluß herauf das Botenſchiff des 
Königs eilen. 

Sh will ſehen, welche Nachricht es bringt.“ 

iG bleibe bet dir, mein Meiſter,“ ſprach Adalgoth 
beſorgt, „du ſiehſt fo furchtbar ernſt. Was haſt du?” 

„Eine Ahnung, mein Adalgoth,“ ſprach Teja, den 
Arm um ves Juünglings Maden ſchlingend. 

„Sieh, wie rafd die Sonne fintt. 

Mid ſchauert. 

Laß uns dem Botenfdiff entgegen gehen, — da 
unten wird e8 fanden, wo die alten, geftityzten Marmor⸗ 
ſäulen liegen.“ 

Totila und Valeria waren nach dem Zelte zurück⸗ 
gewandelt. 

„Hat did) bewegt,“ frug die Römerin erfditttert, ,,mein 
Geliebter, was jener Fremdling ſprach? 


193 





G3 war — Guntharis und Teja haben mir’s erfiart 
— eS war fehr ernft.” 

Wber Totila erhob raſch das nachdenklich gefentte 
Haupt. 

„Nein, Valeria, es hat mic) nicht erſchüttert. 

Des groffen Theoderich's großes Werk hab’ id) auf 
meine Sdultern genommen. 

Der Traum meiner Bugend, ver Gedanfe meines 
Königsthums — id) will fiir ihn leben und fterben. 

Komm: — wo bleibt Adalgoth, mein Mtundfdent? 
— Komm: nod einmal thu’ Befdeid mit dem Beer, 
Valeria — lag mid) trinfen auf vas Glück ves Gothen: 
reichs.“ 

Und hoch erhob er den Pocal. 

Aber er vermochte nicht, ihn zu Munde führen: denn 
Adalgoth eilte, laut rufend, die Stufen hinan, gefolgt 
von Teja. 

„König Totila,“ rief jetzt Adalgoth athemlos, „bereite 
dich, ein Furchtbares zu hören, faße dich —“ 

Totila ſetzte den Pocal nieder und frug erbleichend: 

„Was iſt geſchehn?“ 

„Dein Botenfchiff brachte die Kunde von Ancona her: 

Der Raifer hat den Waffenftillftand gebroden — er 
hat —" 

Da war Teja heran: fein langes, ſchwarzes Haar 
flatterte im Winde. — Geiſterblaß war fein Antlig und 
fein Auge fprithte: 

nauf, Rinig Totila,“ rief ev, den Kranz aus dem 


Haar, und dew Helm auf das Haupt! 
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 13 


194 


Wuf ver Höhe von Senogallia, nahe bet Ancona, 
bat eine Flotte des Raifers die unfere, die tm Schutz 
res Waffenftillftandes lag, plötzlich feindlich überfallen. 

Unfere Flotte ift nicht mehr. . 

Von unfern vierhundertfiebsig Gegeln find nur elf 
gerettet. 

Ein ſtarkes Heer des Kaiſers iſt gelandet. 

And Feldherr iſt —: Cethegus ver Präfect.“ 


Bwansigftes Capitel. 





Vn rem Lager Gethegus des Prafecten bei Setinum, 
am Fuß ves Upenninus, wenige Meilen nördlich von 
Taginä, ſchritt Lucius Licinius, ver fo eben von Epidam⸗ 
nus her zur Gee eingetroffen war, in eifrigem Gefprad 
mit Syphar vor dem Belt ves Feldherrn auf und nieder. 

„Mit Schmerzen erwartet did) mein Herr, o Kriegs- 
tribun. 

Schon ſeit mehreren Tagen. 

Hoch erfreut wird er ſein, dich zu finden im Lager,“ 
ſprach der Numider. 

„Er muß bald zurück kehren, von einem Ritt der 
Kundſchaftung.“ 

„Wohin ritt er?" 

„Mit Piſo und den andern Kriegs⸗Tribunen gegen 
Taginä.“ 

„Ja, das iſt die nächſte, feſte Stadt ver Gothen nach 
Süden zu. 

Nun aber erzähle mir, kluger Maure, von den 
letzten Dingen, die zu Byzanz geſchahen. 

Du weißt: mich hatte dein Herr zu den Langobarden 
13 * 


196 





auf Werbung gefdidt, lange bevor in Byzanz eine Ent- 
ſcheidung erreidt war. 

Als id nun, nad) gefahrvoller Reife durch das Land 
ver Langobarden und der Sepiden, bei Novä über den 
reifenden Sfter wieder glidlid) in Das Reid Iuftinians 
gelangt war, und bet dem Gaftfreund in Nifopolis die 
verabretete Weifung bes Prafecten abbolte, vie meine 
weiteren Schritte lenfen follte, fand id) nur den lakoniſchen 
Befehl: ihn in Senogallia gu treffen. 

Ich ftaunte. 

Denn dak er, an der Spike von Slotte und Heer 
des Kaiſers, als Sieger, den Boden Staliend wieder bes 
ſchreiten würde, wagte ich faum gu hoffen. 

Von CSenogallia her eilte ich eurem Marſche bis 
hieher nad. 

Die Heerfithrer, weldje id) bisher im Lager getroffen, 
haben mir nun gwar den Rauf der Dinge ungefabr 
erzählt bis tury vor Beliſar's Verhaftung. 

Aber von vem Hergang bei diefer und von ben 
fpateren Dingen haben fie offenbar feine genauere Kunde. 
Du aber —" 

wa, id) wei} diefe Sachen: fo gut faft, wie mem 
Herr. 

Denn id) war felbft vabei.“ 

„Iſt's möglich? Belifar wirklich ein Verſchwörer gegen 
Juſtinian? Nie hätt' ich's geglaubt.“ 

Syphar lächelte ſchlau: „Darüber hat Syphar kein 
Recht, zu urtheilen: ich kann nur genau ſagen, was 


geſchah. 


197 





Nun hire, — aber tritt in's elt und labe did: 
mein Herr würde fdelten, ließ ich dich bier draußen, 
unverpflegt: und es fpridt fid) aud fidjrer drinnen,” 
fuhr ev fort, den Zeltvorhang inter dem Cingetretnen 
ſchließend. 

Während ec nun den Gaſt ſeines Herrn auf den 
Feldſtuhl nöthigte und mit Früchten und Wein verſah 
und bediente, hub er an zu erzählen: 

„Bei Einbruch der Nacht jenes Schickſals⸗Tages kauerte 
ich in einer Niſche des Muſchelhauſes des Photius, des 
Greigelaffnen Beliſar's, hinter der hohen Statue eines 
Chriſten⸗Heiligen, deſſen Namen ich nicht weiß, der aber 
einen ſehr löblich breiten Rücken hat. 

Zugedeckt von ſeinen Schultern konnte ich durch eine 
Lücke oben in ver Mauer fpaben, welche friſche Luft 
zuführen foll. 

Bei ſchwacher Beleuchtung erfannte id Photius und 
eine Anzahl vornebrher Männer, die id) oft im dem 
Raiferpalaft oder in Beliſar's Gaus oder bet Prokopius 
hatte aus und eingeben feben. 

Das erfte was id) verftand — denn mein Herr bat 
mid) die Sprade der Griedjen, die ſich Romäer“ nennen, 
lehren Laffer — war das Wort des Hausherrn an eimen 
Gintretenden: „freue did): Belifarius kommt. 

Nachdem er mid) geftern frith kaum eines Blickes 
Gewiirdigt, als id ihn erwartungésvoll in der Ringfdule 
deg Zenon anbielt, fprad er mich heute Whend felber 
Qn, da id an der offnen Thüre feines Hanfes lauernd 
langſam vorüberſchritt. 


198 


Denn id) wufte, daß er gegen Abend wieder fommen 
werde von der Sagd mit den perfifden Leoparden. 

Borfidtig vritdte er mir dies Wachstäfelchen im vie 
Hand, umfpabend, ob thn niemand febe. 

Hier aber fteht: „Nicht {anger widerfteh’ ich eurer 
Werbung. Neue SGriinde gwingen mid. Ich fomme 
heute." , 

Aber wo ift Pifo, wo Salvius Bulianus, wo die 
andetn jungen Römer?“ 

„Sie fommen wobl nidt," fprad der Cintretende. 

„Ich fah fie faft alle auf Boten im Bosporos. 

Sie find wohl zu einem Schmauſe nad des Prafecten 
Billa vor dem Thor des Gonftantin gefegelt.” 

„Laß fie: wir brauden fie nidt, die brutalen Latiner, 
nicht den ftoljen und falſchen Prafecten: Beliſar wiegt 
wabritd mehr als fie." 

Da trat Beliſarius ein. 

Gr trug einen weiten, feine Geftalt verhüllenden 
Mantel. 

Der Hausherr eilte thm entgegen, alle drängten fid 
ehrfurchtsvoll um thn. 

„Großer Beliſarius,“ ſprach dev Freigelaffne, wir 
wiffen dieſe Deine That gu witrdigen. 

Du bift erfdhienen — fo bift du unfer Haupt.” 

Und ev drangte thm den Heinen Elfenbein⸗Stab anf, 
welden der Leiter der Verfammlungen führt, und gee 
leitete ihn an ben erhöhten Sig des Vorſtehers der 
Geſellſchaft, melden er felbft eben verlaffen. 

„Sprich — befiehl — handle — wir find bereit.“ 


199 


„Ich werde handeln zur redjten Beit," ſprach finfter 
Beliſarius und ließ fid) auf dem Chrenfite nieder. 

Da eilte verwirrten Haars und fliegenden Gee 
wandes der junge Anicius in das Gemad, ein Schwert 
im der Hand. | 

„Flieht,“ rief er, ,wir find entoedt und verrathen.“ 

Belifar erhob fic) gefpannt. 

„Man ift in mein Haus gedrungen. Meine Sclaven 
find gefangen. Cure Waffen, die ich geborgen, find ges 
{unten und aus fiderftem, nur mir befanntent Verfted 
eure Briefe und Urfunden und ad! and) meine Briefe 
verſchwunden. Aber nod mehr. Als id in den Hain 
des Conftantinus bog, der diejes Haus umgiebt, glaubte 
id in den Gebüſchen Waffen und Manner klirren und 
fliftern gu hören. Dtan ift mir gefolgt; rettet eud)." 

Dte Verfdwornen ftoben nad) den Thüren. 

Nur Belifarius blieb rubig ftehen vor vem Chrenfig. 

„Faßt end," mabnte rer Hausherr, „nehmt eud) etn 
Veifpiel an eurvem Haupt und Helden." 

Aber Da ſcholl vor ver großen Hausthüre ver Ruf 
ver Tuba: für mid) das Zeichen, meinen Spabepoften gu 
verfaffen und mich meinem Herrn anzuſchließen, ber an 
ber Spite der taiferliden Lanzentrager und Goldſchildner 
mit dem Prajecten von Byzanz und mit Leo, dem 
Archon ver Palaftwade, in das Haus ftitrmte, deffen 
Fenſter und Thüren alle umftellt wurren. 

Pradtvoll jah er aus, mein Gebieter,“ rief Syphar 
Begeiftert, „als er, vom purpurnen Helmbuſch umflattert, 
Die rothfhimmernde Fadel in ver Linken, das Schwert 


200 


in der Rechten, in das Gemach ftiirmte: fo mag der 
Feuer⸗Dämon ausfehn, wenn er in Afrifa aus dem 
flammenden Berge taudt. 

Sh 30g das Schwert und fprang an feine life 
Seite, ven fehlenden Schild au erfegen. 

Und er hatte mir geboten, den jungen Anicins gletd 
unſchädlich zu madden. 

‚„Nieder mit jedem, der widerſteht,“ gebot Cethegus. 
„im Namen Juſtinians.“ 

Sein Schwert war über und über roth: denn mit 
eigner Hand hatte er die Leibwächter niederſtoßen helfen, 
die Beliſar am Ausgang des Hains aufgeſtellt hatte. 

„Ergebt euch,“ rief er den Erſchrocknen gu, ‚und du, 
Archon des Palaſtes, verhafte Alle die Verſchwörer, 
verſtehſt du? Alle.“ 

„Iſt's möglich? ſchändlicher Bervither !" ſchrie ber junge 
Anicius und fprang mit dem Schwerte gegen meinen 
Herm. „Ja vas ift der purpurfarbne Helmbufd: ftird, 
Mörder meines Bruders.“ 

Aber fdon lag er fchwer -getroffen gu unfern Füßen, 
id) rif mein Schwert aus feiner Bruſt und entwaffuete 
Photius, ver allein nod Widerſtand wagte. 

Die Anvdern ließen fid) greifen wie vom Gewitter 
betaubte Hammel. 

„Brav, Syphar! Durchſucht feine Kleider nad Ges 
ſchriebnem! 

Nun, biſt ou fertig. Archon?“ frug mein Herr. 

Der Archon hatte ſcheu vor Beliſar Halt gemacht, 
der in ſeiner Ruhe verharrte. 


201 





‚Wie?“ frug der Archon jest, „ſoll id) aud) den Magifter 
Militum? —" 

„Alle, habe ich gefagt. Berftehft du nicht mehr 
griechiſch? 

Du ſiehſt ja —: ihr Alle ſeht es —: er iſt das 
Haupt der Verſchwörung —: er trägt den Stab, er ſteht 
an dem Ehrenplatz.“ 

„Ha,“ fdrie nun Belifarius, fteht e8 fo? Wachen 
herbei! belft, meine Leibwächter, Marcellus, Barbatio, 
Ardaburins !“ 

„Die Todten hören nidt, Magiſter Meilitum. 

Gieb dich gefangen! In des Kaiſers Namen! 
Sieh hier ſein großes Sigel! Er hat mich für heute 
Nacht zu ſeinem Stellvertreter ernannt und tauſend 
Lanzen ſtarren um dieſen Sal.“ 

„Treue iſt Wahnſinn,“ rief Beliſar, warf das Schwert 
weg und hielt die ſtarken Arme dem Archonten hin, der 
thn feſſelte. 

won Den Kerker alle Gefangnen. 

Photius und Belifar, getrennt, in ven Rundthurm 
DeS WAnaftafius, im Palafte felbjt. 

Sd eile gum Raifer, bringe ihm feinen Ring und 
bie Fes Cifen," ex hob vas Schwert Belifars vom Boden, 
elZEay melde ihm, daß er rubig ſchlafen fann. 

Die Verſchwörung ift aus. Das Reid) ift gerettet.“ 
Schon am andern Morgen begannen vie Verhöre 
UX bem Hodwerrathsproceg. Viele Beugen wurden vers 
NOxanmen: aud id. 


wo 


202 


Sd befdwor, dag id) Belifar al6 Haupt ver Ver. 
ſchwörung hatte begrüßt werden und handeln febn. 

Das Wachstäfelchen hatte ich ſelbſt aus des Photius 
Kleidern gezogen. 

Beliſar wollte ſich auf das Zeugniß ſeiner Leibwächter 
berufen: aber ſie lagen alle todt. 

Auf ver Folter geſtanden Photius und andre Ges 
fangene, daß Belifar endlich eingewilligt habe, das Haupt 
ver Verſchwörung zu werden. 

Antonina wurde ftreng tn dem rothen Haufe bewadt. 

Die RKaiferin weigerte thr dte ſtürmiſch verlangte 
Unterretung. 

Sehr ſchwer belaftete es fle felbft wie Belifar, dag 
Späher ver Kaiferin beſchworen, fie atten den jungen 
Wnicius, in defjen Cifterne man die Waffen und Urkunden 
rer Verſchwörer gefunden und der mit Gewalt hatte ge: 
hintigt werden müſſen, Woden fang viele Nächte heim⸗ 
lid in Belifars Gans ſchleichen fehen: und daß dies 
Anicius felbft, Antonina und Belifar hartnäckig und 
unverfdimt (Gugneten, während es gang zweifellos be- 
wiefen war, empörte die Richter. 

Sd mufte Antonina gleid) nad ver Berbaftung 
Belifars von meinem Herrn melten, daß diefes im 
höchſten Grad überraſcht gemefen, Belifar wirklich als 
Haupt der Verfdwornen angutreffen und ihr zugleich fagen, 
nicht blos Briefe ves Haſſes habe Gethegus in ver 
Gifterne des Anicius gefunden. 

Bei viefem meinem Wort, das ich felber nicht verftand, 
fan vie {chine Grau ohnmächtig zuſammen. 


203 


Uebrigens braden wir von Byzanz auf, ehe nod 
das Urtheil ither Beliſar gefallt war: nur Photius und 
bie meiften Verſchwornen waren bereits gum Lode ver- 
urtheilt, als wir und mit der kaiſerlichen Flotte einſchifften 
nad Epidamnus, wo meines Herren Kriegstribunen und 
Söldner und ftarfe, urfpriinglid) für den Perſerkrieg 
beftimmte Streitkräfte des Kaiſers auf uns harrten. 

Denn meinem Herrn war die neu gefdaffne Würde 
eines Magifter Militum per Staliam verliehn und der 
Befehl ber vad ,erfte Heer": vas „zweite“ foll uns 
Pring Areobindos nachführen, wenn er da8 leichte Gefdafe 
vollbradt hat, mit fitnffader Uebermacht die kleinen 
gothifden Beſatzungen in den par Stadten von Epirus 
und den Snfeln gu bezwingen. Die find verloren, wie 
Sandkörner, die in das Meer gefallen." 

„Was verlautet von der Belifar vrohenden Strafe? 
Ich hatte es nie geglaubt, daß diefer Mann —“ 

„Die Richter werden thn gewiß gum Tobe verur: 
tHeilen: venn er ift ſchlagend überführt. 

Und man ftreitet, ob in bem Raifer der Romäer 
Die alte Gnade fiegen werde oder der neue Zorn. 

Man meint: er werde die Todesſtrafe in Blendung 
mb Verbannung umwandeln. 

Sehr ſchlimm für Belifar fet, fagt mein Herr, 
dies unfinnige Leugnen. 

Und ihm feblt als Redtsbeiftand und kluger Helfer 
fetxe Freund Profopius, ver fern in AUfien vie Bauwerke 
des Raifers anffudt. 

Cethegué aber betrieh die Cinfdiffung des Heeres 


~ 


204 


zu Epivamnus fo gebeim, daß bie dummen Gothen hier 
bet Ancona faum davon vernahmen. 

Aud bauten fle auf den Waffenftillftand und ers 
warteten ben bevorftehenden Friedensſchluß. 

Den Vorwand fitr die Flottenritftung gewährten die 
Verheerungen, welde fremde Schiffe aus Thuleland anf 
ren Snfeln des Kaiſers anrichteten. 

So itberfiel mein Herr die gothifde Flotte in der 
Nacht, während die Bemannung auf dem feften Lande 
{dlief: und faft ohne Blutvergießen nabm, verbrannte, 
verfentte er über vierhunbdert ihrer Miele. 

Aber hord: — das ift mein Herr —: ich fenne 
feinen Gang —: fo ſchreitet nur nod in meiner Heis 
math ver Löwe von Auras.“ 


Einundzwanzigſtes Capitel. 





„Willkommen, Licinius, in Italien und im Siege,“ 
rief Cethegus im Eintreten. 
eo haſt bu die Langobarden?“ 
«Galoe, Flottenzerſtörer,“ antwortete der Tribun. 
„Die Langobarden fommen, zwanzigtauſend Dtann.” 
„Das find febr viel!" ſprach Cethequs, plötzlich febr 
exni{t. 
. wd hatte nur fiebentaufend gewünſcht — id) weif 
Eaum, woher das Gold fitr die faft vreifadhe Zahl auf⸗ 
Bringen. 
Denn wohl gemerft: in meinem, nicht in des Kaiſers 
Hold, will id fie haben.“ 
Frendeſtrahlenden, ſtolzen Wuges aber fprad) der junge 
Sitter : 
„Ich hoffe auf deine Bufriedenheit, Magifter Meilitum. 
Unentgeltlid fommen die Langobarden nad Stalien.“ 
‚Wie das? und fo Viele?" 
oa: dex Sohn ihres Königs Audoin, — Alboin ift fein 
Mame, den fon weithin das Heldenlied ver Germanen 
Hreift bis au den Bajuvaren am Oenus und den Saxonen 


206 


an dem Wifurgis, — ein febr tapfrer und fiir einen 
Germanen erftaunlid Huger Jüngling —" 

„Ich wei von thm — er diente lang unter Narſes,“ 
ſagte Gethegus miftranifd. 

„Dieſer kühne und ſchlaue Barbar hat fic) tm vorigen 
Sabre, als Roß-Händler verfleivet, nad Italien ge⸗ 
{lichen und unerfannt das ganze Land bis Rom und 
Neapolis durdwandert, vie Wege erforſcht und die Waffen. 
plage ver Gothen. 

Er ware nod Langer geblieben, hatte ihn nicht der⸗ 
felbe Gothe, ver meinen armen Bruder erſchlagen — 

Der ſchwarze Leja 2 

„Derſelbe — mit Argwohn verfolgt und ihn zuletzt 
al8 Späher feſtzunehmen gedrobt. 

Da floh Alboin zurück nad Pannonien. 

Aber Wein und köſtliche Edelfrüchte unfres Landes 
bradjte ev mit nad) Hauſe und zeigte fie feinem Bater 
und feinem Boll: und feither brennen alle Langobarden, 
viefes Wunderland yu betveten. 

Alboin verlangt nur alle Beute, weldje feine Lango- 
harden machen werden und verzichtet auf Sold: e8 find 
pradtoolle Barbaren, diefe Langbarte, viel wilder und 
rauber als die Gothen.“ 

„Ja,“ meinte Ulboin ladend, als ich ihm dies fagte, 
„wir haben ein Sprichwort: der Gothe der Hirfd, der 
Langobarde der Wolf." 

Gr trinkt aus dem Schädel des Gepidentinigs, den 
ev im Kampf erſchlug. 

Du wirſt deine Freude haben an ihm und ſeinen 


207 


Reitern — die find mehr wmerth als Sfaurier und 
Abasgen.” 

„Ich Dante deinem Eifer,“ fagte Cethegus zögernd, 
vet ift mir faſt alljugrof. 

Es find fo viele.“ 

„Ja, af geringere Zahl ließ fic) Alboin nidt ein: 
rudelweis rennen die Wölfe!“ Lachte er. 

„Nun,“ ſchloß Cethegus, ‚ich vertraue: an ver Spite 
von zwei kaiſerlichen Heeren und von Stalien halt’ id 
aud) diefe große Zahl von Raubthieren in Geborfam. 
Bu ven Gothen werden fie fid) doch nicht ſchlagen?“ 

„Nein, mein Feldherr. C8 geht ein alter Haß durd 
Lie Geſchichte beider Valter: aus einem jener unfaßlichen 
Griinde, welde nur diefe Germanen zum Haſſe finden. 
In grauer Vorzeit hat einmal eine langobardiſche Königin 
einen Gothenfiirften ermorden laffen oder umgelehrt: — 
wer fann fic) diefe Dinge merfen! — und feither ift e8 
Ehrenpflicht, von Gefdledht zu Gefdledt fic) gu baffen 
UND zu morden. 

„Wir ſind die Todtengräber und die Erben dieſer 
Gothen," ſagte mir Alboin.“ 

Wohl: ihr Unglück ſollen fie erben,“ drohte Cethe— 
gus, „ſonſt haben die Gothen nichts zu hinterlaſſen: ſie 
ſterben in der Fremde auf italiſcher Scholle. 

Und wann kommen ſie, dieſe pannoniſchen Wölfe? 
Ich brauche fie bald." 

„Das hat Alboin noch nicht beſtimmen können. 

Sie haben einen Bund mit den noch wilderen Avaren 


208 





gefdiloffen, gemeinfam das arnte Boll der Gepiden nod 
vollends auszumorden und deren Land zu theilen.“ 

„Ein grimmiges, gefibrlides Geſchlecht,“ ſprach Cethe⸗ 
gus kopfſchüttelnd. 

„Ja,“ lachte Alboin, Wolf und Geier jagen gemein⸗ 
ſam und theilen das Reh. — Iſt dieſe Arbeit gethan, 
dann geht's über Dravus, Savus und Sontius nach 
Venetia: ich kenne die Wege.“ 

„Er kennt fie fo gut," ſagte Cethegus halb gu fich, 
„daß man dieſen Wolfsjüngling ſie gar nicht mehr zurück 
ſchreiten laſſen darf. 

Licinius, ich brauche raſche und ſtarke Verſtärkung. 

Der Anfang war gut: aber nun geht's nicht vor⸗ 
warts. 

Die Btalter, ſchmählich yu fagen, ftehn nicht anf: 
fie balten zu den Barbaren," lächelte er zornig, „aus 
ähnlichen Gritnden wie mein 3u Tod gefreffner Freund 
Balbus. 

Gewiß rückt ver Gothenfsnig fdon von Rom eran, 
mit ftarfem Geer, feine Flotte yu raden. 

Ich fenne ihn: er greift an. 

So fdidte id denn Cilboten nad Cilboten an Areo⸗ 
bindos, der wirflid) ein Pring ver Schnecken ift, raid 
Das „zweite Heer” heran zu führen: er foll die verfprengten 
Gothen in Cpirus an der eignen Tollkühnheit ihrer 
Stelung zu Grunve geben faffen. 

Aber fein Areobindos kömmt. 

Und mit meinen Byjantinern fann i im offnen 


bd 


209 


Feld viefen Totila nicht ſchlagen, wenn er die Uebers 
madt bat.” 

„Und Ravenna? wird es ſich nod halten fonnen, 
wenn du nidt eilig Entſatz bringſt?“ 

„Ravenna iſt befreit. 

Nach Zerſtörung der gothiſchen Flotte ſchickte ich 
auf die Rhede von Claſſis dreißig meiner Triremen 
unter dem Nauarchen Juſtinus: ſie drangen in den 
Hafen Claſſis und verſahen die Stadt mit neuen Bors 
rathen. 

Und. vor einigen Tagen vernehme td), Dak der alte 
Hildebrand vie Belagerung aud) auf ver Landfeite auf— 
gehoben und ſich in Cilmarfden, weftlid) um uns herum, 
mit feinen wenigen Tauſendſchaften nad) Florentia und 
Perufia gezogen hat. 

Angeblih, — aber das ift eine handgreiflide Un- 
nidglidfeit! — weil ein ungeheured Heer des Kaiſers 
auf dem Landweg von Dalmatien, von Salona fer, 
durch BVenetien in Cilmarfden gegen Ravenna hers 
anritde. 

Ware dem vod fo! 

Aber leider wei id beffer, daß vas „zweite Heer’, 
welches übrigens fleiner al8 das Meine, nidt in Dale 
matien fteht und nidt in Salona, welche Start die 
@othen haben und nidt der Raifer, fondern drüben in 
Gpidamnus ſich fammelt, unglaublich langfam. 

Denn Pring Areobindss8, vem man febr mit Unredst 
Eilmärſche zutraut, pflückt lieber nod) wohlfeile Lorbern 
in Epirus. 

Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 14 


210 





Und deine ſchöne Gönnerin, mein icinius, die 
Raiferin, ift mir gwar gewogen: aber mid) febr gee 
ſchwinde fliegen gu feben ift weder ihr mod) dem Raifer 
ter Romäer erwiinfdt. 

Co mug ich denn barren und barren, bis der 
Schneckenprinz heranſchleicht. 

Aber da oben bei Senogallia war unſres Bleibens 
nicht. 

Mich zog's gegen Rom! 

Auch ſind die Stellungen da oben zu ſchwach, ſie 
gegen Uebermacht zu halten. 

Dieſe treffliche Stellung hier bei Setinum, Caprã 
und Taginä habe ich mir ſchon fang einmal ausgewählt. 

Lind fo etfte ich hieher — ſchnell! 

Aber vod) nicht fdnell genug. 

Venn Setinum zwar gelang eS nod) gu erreidjen. 

Uber nicht mehr Capra und Tagind, die nothwendige 
Dedung. 

Und rod) ift Tagind der Schliiffel ter Stelung: — 
ohne Caprä und Tagind ift mein Lager eine Feftung 
zwar mit Wall, aber ohne Graben: die dret Flüßchen 
bet Gapra und Taginä find deren natürliche Graben. 

Eofort fprengte ich felbft von Setinum aus gegen 
Taginä mit den faracenifden Reitern — aber 3u fpat. 

Graf Leja — er muß auf den Flügeln des Sturm⸗ 
winds von Rom heran gebrauft fein — Graf Leja hatte 
Taginä kurz vor mir erreidjt mit einer fliegenden, Dent 
Hauptheer vorangeworfnen Scar: und obwohl die Garas 
cenen fieben gegen drei waren, hat er fle mit feinen 


211 


gothifden Beil» Reitern blutig guriidgeworfen: e8 war 
fein alten mebr, nachdem er den Saracenen - Konig 
Abodarabus den Biingeren mit vem Beil vom Turban 
bis gum Gurt durdfpalten: heulend riffen meine Garas 
cenen die Renner herum und jagten davon, iiber Capra 
zurück, mid) mit fort reifend. 

Heute fuchte ich nun vie Starfe ver Beſatzung von 
Taginä gu erfunden — denn gerne möchte id) den Vere 
bagten erdrücken, ehe das gothifche Hauptheer eintrifft — 
aber die Stellung von Capra war heute ſchon nicht 
mehr zu durchdringen. 

Und bereits ſoll der Barbarenkönig ſelbſt im Anzug 
ſein: die Nachhut führe der Herzog Guntharis heran. 

Und wo bleibt, wann kommt mein „zweites Heer’ 2" 


14* 


Bweiundpwansigftes Capitel. 





Wm Cage vavauf traf Konig Totila mit einem Theil’ 
des Heered wirflid) in Taginä ein: Valeria, die jest 
am ficherften geborgen war im Lager des Minigs, bee 
gleitete ihn: and Sulius, welder fid) wieder tm feine 
Klofterftiftung nad Avenio in Gallien begeben wollte, 
und Gaffiodorius, der diefe pritfen follte. 

Die Hauptmacht des Heeres follten Herzog Gun⸗ 
tharis und Wiſand, der Bandalarius, auf der flamini⸗ 
ſchen Straße von Süden heran führen, während von 
Weſten, von Florentia her, der alte Hildebrand im 
Anzug war. 

Erſt nach dem Eintreffen dieſer Truppen konnte der 
Angriff auf die ſehr feſte Stellung des Präfecten unter⸗ 
nommen werden. 

Und auch Cethegus wies das Drängen der jungen 
Ritter zum Angriff ab. 

„Ich bin nicht gekommen, Schlachten zu gewinnen, 
ſondern Italien. 

Demnächſt haben wir die Uebermacht: — dann hat 
es Sinn, zu ſchlagen.“ 


213 


Eines Morgens trat Julius in des Königs Belt 
und reidte thm fdmeigend einen Brief. 

Totila furdte die Stirn, da er die Hand⸗Schrift ers 
fannte und las: 

Un Julius Manlius Montanus Cethegus der Pri- 
fect von Rom und Magifter Militum per Jialiam. 

„Ich hove, du weilft im Lager ver Barbaren. 

Licinius fah vid reiten neben dem Tyrannen. 

Goll vas Unerhirte gefdehen, daß Julius gegen 
Gethegus die Waffen führt, per Sohn gegen den Vater? 

Gewahre mix Heute, um GSonnenuntergang, eine 
Unterredung bet dem jerfallnen Tempel des Silvanus, 
der gwifden unſern und der Barbaren Vorpoften liegt. 

Der Tyrann hat mir Stalien, Rom und deine Seele 
geraubt. 

Ich werde ihm alle drei wieder entreißen — und 
dich zuerſt. 

Komm: ich befehle es als dein Vater und Erzieher.“ 
„Ich mug ihm gehorchen — id verdanke ihm 
ſo viel.“ 

wa," ſagte Totila,“ ihm ven Brief zurückgebend. 

weber die Stelldidein des Prafecten find gefabriid. 

Du Haft mid gebeten, nie mehr iiber veinen „väter⸗ 
licen Wohlthäter“ mit dir gu ſprechen. 

Ich hab’ mein Wort gegeben und hab's gebalten. 

Aber warnen darf id), muß ich.“ 

„Er wird mein Leben nidt bedroben.” 

wAber vielleicht deine Fretheit! Nimm  fiinhig 
Reiter mit. 


214 





Ohne folded Geleit laffe id did) nit aus dem 
Lager. 

Gegen Sonnenuntergang erreichte Julius mit feiner 
Bededung vas jerfallne Gemäuer. 

Nur wenige Saulen ves alten Fanum ftanden nod 
aufredht: die Mehrzahl lag umgeſtürzt an den Geiten 
des Hiigels, auf weldem fic) ver ſchlichte Monopteros 
erhob: aud) das Dach ves Gewölbes war gum Theil 
herabgeſtürzt. 

Ueppig wuchernder Epher umkleidete die Sanlen⸗ 
ſchäfte. 

Steinbrech und allerlei Unkraut überwucherte die 
zahlreichen Marmorſtufen, welche hinan führten zu dem 
ringsum offnen Bau. 

Die@mal hatte Totila vem Präfecten ohne Grund 
miftraut. 

Denn als Sulius am Fue ves Hügels angelangt 
war mit fünfzig Reitern, — fünfzig folgten auf des Königs 
Befehl ihm fpater nod aus vem Lager und naberten fid 
nun ebenfalls — fah man Cethegus allein in dent Innen⸗ 
raum des Tempels wartend anf und nieder fdpreiten. 

Julius war vom Pferde geftiegen und ſchritt die 
Stufen hinan. ~ 

Gethegus empfing ibn mit vormurf8vollem Blick. 

„Du läſſeſt vid) erwarten: der Gohn vom Vater. 

Beim erften Wiederfehn, nad fo langer Zeit. 

Oft das Mönchs⸗Moral? 

Und wobl gebittet kommſt du! 

Wer hat dich gelehrt, mir miftrauen? 


215 





Wie? folgen uns reine Barbaren bis hieher.“ 

Und er mies auf einen Unfiihrer ver zuletzt Anges 
fommenen in braunem Mantel und ibergefdlagner Capuye, 
Der, mit zwölf fetner Begleiter, vom Roſſe fprang und 
fid) mit den Seinen die Stufen berauf lagerte bis an 
vie oberfte Staffel. 

' Julius wollte fie entfernen: aber ein zweiter An⸗ 
filbrer, Graf Thorismuth, antwortete tur; : | 

‚Befehl des Königs!“ und lagerte fid) auf die zweite 
Stufe. . 

„So fprid) griechiſch,“ fagte Sulius. „Das verftehn 
fie nicht." | 

Cethegus ftredte ihm beide Hände entgegen. 

„So ſieht Odyſſeus, der Weitunnwandernde, feinen 
Telemachos wieder.“ 

Aber Dulius trat zurück von ibm. 

„Schwarze SGeritdte gehen ither vid), Gethegus. 

Hat diefe Hand nur im Kampfe Blut vergoffen 

Cethegus ballte die guritdgewiefne Hand grimmig zur 
Fauſt. 

„Haben deines Buſenfreundes Lügen mir ganz dein 
Herz vergiftet?“ 

„König Totila lügt nicht. 

Er hat ſeit Monden nicht mehr deinen Namen 
genannt. 

Ich bat ihn darum. 

Denn ich konnte dich nicht vertheidigen gegen ſeine 
furchtbaren Anklagen. 


216 


Iſt e8 tenn wahr, daß du feinen Bruder Hilde- 
bap?" — 

„Ich bin nidt gekommen, Entidulbigungen gu geben, 
fondern fie gu heiſchen. 

Seit Jahren tobt ver Kampf um Rom mit Prieftern, 
Griechen, Barbaren. 

Und ich ftebe allein. 

„Müde, wund, halb vergweifelnd, von den Wogen 
des Geſchickes bald empor getragen, bald tief in den 
Abgrund geſchleudert. 

Wher immer allein. 

Und wo ift Julius, mein Sohn, der Sohn meiner 
Seele, mich zu erquiden mit feiner Liebe? 

Sn Gallien unter den Mönchen, in Byzanz over 
in Rom als Werkzeug oder als Gaft ves Barbaren- 
Königs 

Fern von mir und meinem Wege.“ 

„Ich warnte dich vor dieſem Wege: rothe und 
ſchwarze Flecken liegen darauf: ich kann ihn nicht mit 
dir gehn.“ 

„Nun: und wenn du ſo weiſe biſt und ſo eifrig im 
Dienſte deines Glaubens — wo warſt du, mid zu ers 
leuchten und zu retten?“: und nun entſandte Cethegus 
ein lang und ſorgfältig gezieltes Geſchoß der Ueberredung, 
das er bis zuletzt ſich aufgeſpart. 

„Wenn meine Seele ſich der Liebe, der Wärme 
immer mehr verſchloß, wenn ſie verſteinte und vereiſte, — 
wo war Julius, mid) zu erweichen und gu erwärmen? 


217 


Haft vu deine Pfliht als Sohn, als Chrift, als 
Priefter an mir erfüllt?“ 

Diefe Worte madten erfdiitternden Cindrud auf 
ven frommen Ginn und das fanfte Gemitth des jungen 
Mönches. 

„‚Vergieb,“ ſagte ev, „ich erkenne: ich habe gefehlt 
gegen dich.“ 

Cethegus erſah blitzſchnell ſeinen Vortheil. 

„Wohlan: fo mach' es gut. 

Ich verlange nicht, daß du Partei ergreifſt in dieſem 
Kampf. 

Erwarte den Ausgang. 

Aber erwarte ihn bei mir, an meiner Seite, in 
meinem Lager: nicht bei den Barbaren und nicht in 
Gallien. 

Bin ich Saul, der Gottes Gnade verwirkt hat — 
wohlan, ſei du David und erhelle meine Seele, die oft 
verdüſterte. 

Deine heiligſte Gewiſſenspflicht zwingt dich an meine 
Seite. 

Sonſt: — auf dein Haupt die Verantwortung! 

Ja, du biſt der gute Genius meines Lebens. 

Ich brauche dich und deine Liebe, ſoll ich nicht ganz 
jenen Mächten verfallen, welche du haſſeſt. 

Giebt es eine Stimme, welche mich dem Glauben 
gewinnen mag, der da, wie du lehrſt, allein ſelig macht, 
— ſo iſt es deine Stimme, Julius. 

Nun entſcheide dich: — nach Gewiſſenopflicht. “ 


218 


Der eifrige und pflichttreue Chriſt vermochte nicht 
zu widerſtehen: 

„Du haſt geſiegt — ich folge dir, mein Vater!“ und 
er war im Begriff ſich an des Ueberwinders Bruſt zu 
werfen. 

„Verfluchter Heuchler!“ ſcholl da eine belle, fate 
Stimme. 

Der Reiterführer, der auf der oberſten Tempel⸗ 
ſtufe ſich gelagert hatte, ſprang auf die Plattform im 
Innenraum und ſchlug die Mantel⸗Capuze zurück. 

Es mar König Totila, das nackte Schwert in der 
Hand. 

„Ha der Barbar hier!“ ſchrie Cethegus in tiefſtem 
Grimm des Haſſes. 

Auch ſein Schwert blitzte: und in tödtlichem Haſſe 
trafen die Feinde zuſammen: die Klingen kreuzten ſich 
klirrend. 

Aber Julius warf ſich zwiſchen die Kämpfer, mit 
beiden Händen ihre Arme hemmend. 

Es gelang ihm, ſie für den Augenblick zu trennen. 

Aber drohend ſtanden die beiden, die Schwerter feſt 
in der Fauſt, einander gegenüber. 

„Haſt du gehorcht, König der Barbaren?“ knirſchte 
der Präfect. „Das iſt ja echt königlich und heldenhaft.“ 

Aber Totila gab ihm keine Antwort. 

Zu Julius gewendet ſprach er: 

„Nicht nur um deine äußere Freiheit und Sicher⸗ 
heit war ich beſorgt. 


219 


Ich fannte, id abnte feine Anfdlage auf deine 
Geele. 

Ich habe verfproden, ihn nie mehr, den Abwefenden, 
gu verflagen. 

Aber nun fteht er mir und dir gegenitber. 

Er fol mid) hören bid gu Ende und ſich vertheidgen, 
wenn er fann. 

Aufoeden will id dir, daß feine Geele und jeder 
Gedanke feines Geiftes ſchwarz und falfd find wie der 
Satan. 

Giehe, felbft dieſe Worte, welde der Augenblid, 
das warme Gefühl erzeugt zu haben ſchien, weldje did) 
fon fiir ihn gewonnen batten, — fie find falfd, er: 
heuchelt, ausgeſonnen feit Sabren. 

Sieh her Julius, fennft vu diefe Schrift?“ 

Und er wies dem CErftaunten eine befdjriebene Pas 
Pyrosrolle. 

„Die Barbaren ftehlen fonft nur Gold," fprad grim: 
mig Cethegus. 

wOriefe ftehlen macht infam, ift ebrlos.” 

Und er griff nad der Rolle. 

Aber Totila fubr fort: 

won feinem Hauſe, an gebheimer Statte hat Graf 
Teja ſie erbeutet. 

In welchen Abgrund ließen ſie mid ſchauen, feine 
Tagebücher! 

Ich ſchweige von den Verbrechen gegen Andre. 

Hier aber ſchreibt er, was dich betrifft: 

Julius geb' ich nod nicht verloren. 


220 


Lag ſehen, ob den Schwarmer nicht die Pflidt der 
Seelenrettung gewinnt. 

Er wird meine Hand faffen yu miiffen wähnen, um 
mid, .jum Krenz empor gu ziehn.“ 

Aber mein Arm ift der ftarfre: und ih reife ihn 
herither in meine Welt. 

Schwer wird mir nur der erforderliche Zon der 
Bertnirfdung werden. 

Ich mug dafür in Caffiodorius lefen.“ 

„Cethegus,“ rief Julius jammernd, ,baft du das 
gefdrieben 2" 

wd) dächte, du fennft den Stil. 

Aber o, er wird lengnen. — Wiles lengnen, was 
td weiß oder abne. 

Leugnen wird er, daß er den Balthenherzog Alarich 
mit Fälſchungen verleumbet, daß er fiir Athalarid) und 
Camilla Gift gemifdt, daß er durch Amalafwintha die 
drei anbdern Walthenherzoge gemorbdet, daß er Mörder 
gegen mid) geſchickt, daß er Amalafwintha an Petros, 
Petros an die Raiferin, Witidhis an Belifar, Belifar an 
Suftinian verrathen: leugnen, dag er den Sohn ded 
Boéthins in den Tod gefdidt, daß ex meinen Bruder 
gemorbet, daß er im Waffenftillftand unfre Schiffe 
friedenfchandend itherfallen — er wird all’ died leugnen 
— denn Lüge ift ver Gand feines Mundes.“ 

„Cethegus,“ flehte Sulius, „ſprich ,Mein* und id 
glaube dir.“ 

Uber der Prafect, der anfangs die Worte Totila’s 
mit balb gefdloffnen Augen wie Keulenfdlage ſchweigend 


221 


Hingenommen, ftieR jegt das Schwert in die Scheide, 
ridhtete fid) hod anf, kreuzte vie Arme itber vie Bruft 
und fprad: 

„Ja, ich abe das gethan und andres mebr. 

Ich Habe hinweggerdumt, was mir den Weg vers 
fperrte; mit Kraft und Klugheit. 

Denn der Weg führte zum höchſten Biel, gum Heil 
des Römerreichs. 

Und zugleich zum Thron der Welt. 

Aber mein Erbe im dieſer Weltherrſchaft — — 
ſollteſt du ſein, Julius. 

Für Rom und für dich — am Wenigſten für mich 
ſelber — hab' ich meine Thaten gethan. 

Warum fiir dich? 

Weil ich dich liebe, dich allein auf Erden. 

Nicht mit deiner chriſtlichen Nächſtenliebe, welche die 
ganze Menſchheit gleichmäßig umſpannen ſoll. 

Dieſe lauwarme Schwäche habe ich immer verachtet. 

Nein, heiß, mit Schmerz und Leidenſchaft. 

Statt der Menſchheit lieb' ich — dich. 

Ja, mein Herz iſt verſteint in Verachtung der Klein⸗ 
heit der Menſchen. 

Nur Cin Gefühl ſprießt nod) aus dieſem Granit- 
els: — vie Liebe zu dir. 

Du Haft fie nie verdient, diefe Liebe. 

Aber cin Wefen, deffen Züge vu tragft, reffen 
Bild mir pein Anblid empor fiihrt aus dem Grabe, aus 
ver Jugendvergangenheit, webt etn geheimnißvoll zwin⸗ 
gendes Band zwifden mir und dir. 


222 


Erfahre denn jebt, vor meinem Feinde, vas heilige 
Geheinmiß, vas du erft yur der Stunde erfahren follteft, 
ba Du ganz mein Sohn geworden. — 

Es gab eine Beit, da des jungen Gethegus Cafarinus 
Herz; weid) war und zart, wie das deine. 

Und darin lebte eine Liebe, heilig und rein wie die 
Sterne, zu einem, ach, unvergleidliden Geſchöpf. 

Und fie liebte mid) wie id fie. 

Uber alter Haß trennte vas Geſchlecht der Sethegi 
und ver Manilier feit Jahrhunderten.“ 

Da erbleichte Sulius: Totila warf vas Schwert in 
vie Sdeide und hörte, mit beiden Armen auf den Griff 
geftitgt, nun aufmerffamer gu. 

„Sie mit bem Genat, — wir mit ben Gracchen. 

Sie mit Sulla, — wir mit Marius. 

Sie mit Cicero, — wir mit Catilina. 

Sie mit Pompejus, — wir mit Cäſar. 

Und dod) war mir’s endlich) gelungen, den barten 
Cinn des Vaters gu erweiden: er fdien bereit, zoͤgernd 
fein Ja gu ſprechen. 

Denn er fah, wie wir und liebten. 

Sie folgte mir willenlos, wie Cifen vem Magnet: 
und id) fiiblte, rag fie mein guter Genius war. 

Da fam ein Gothenherzog, deſſen Seele den Furien 
geweiht fet, ver mid) langher fannte und haßte. 

Gr warnte Manilius, der allvertranend gu ihm auf⸗ 
blidte, weil er bet vem erften Andrang ver Barbaren 
in Stalien ihn und fein Haus vor Bedrückung beſchützt: 
er warnte den Bater vor dem Mtann Cethegus mit 


223 





rem böſen lid, wie er fagte, und er wedte den alten 
Grol: und er rubte nidt, bis der Vater fein Kind, das 
widerftrebende, einem gallifden Senator, einem Freunde 
des Balthenherzogs, verlobte. 

Umſonſt flehte Manilia um Erbarmen. 

Da beſchloſſen wir die Flucht. 

Im Landhaus am Tiber vor der Porta Aurelia 
wohnten ſie. 

Aber argwöhniſch beſchleunigte der Vater die Ver⸗ 
mählung. 

Als ich zur verabredeten Nacht die Gartenmauer 
überſtieg und in ihr Schlafgemach ſchlich, fand' ich es 
leer. 

Aber vorn im Atrium ſcholl Hymenäen⸗-Geſang und 
Flötenſpiel. 

Athemlos ſchleiche ich an die Vorhänge und ſpähe 
hinein. 

Da ruht meine Manilia, in der Neuvermählten Tracht, 
an ihres Vaters Seite, der Bräutigam bei ihr — und 
ungezählte Gäſte. 

Manilia's bleiches Antlitz, ihre thränenfeuchten Augen 
ſeh' ich — ich ſehe, wie Montanus den Arm um ihren 
Nacken ſpannt: — da ergreift mid) wahnſinnige Bers 
zweiflung: — id ſtürme in den Sal und umſchlinge fie 
und reige fie mit mir mit hochgeſchwungnem Schwert. 

Aber fie waren zu neunjig, vie Lapfern: fang ers 
wehrte id) mid) ihrer: da traf mid) bes Balthen Wlarid 
Schwert —: und fie riffen mir die Scretende aus dem 


224 


Arm und warfen mid blutend, fiir tod, über die 
Gartenmaner nah an dem Liber. 

Aber damals, vor bald feds Luftra, wie vor Jahr 
und Zag, hat mid ver Hand) des Flußgotts aus, der 
Betiubung bes Todes geweckt. 


Fiſcher fanden mid, pflegten mid: id) genas. 

Aber das Herz war mir aus der Bruft geriffen wor- 
den jene Nacht. — 

Und viele, viele Jahre vergingen. 

Sd haßte vie Welt und ihren Gott, wenn einer lebte. 

Und pas Gefdledt ver Manilier und der Balthe 
Wlarid) haben e8 verfpiirt, daß id) nicht todt war. 

Geächtet flohen fie Wie aus dem Lande, ſchwer gee 
treffen von meiner Rache. 

Mur ein Bild blieb unvergleihlid, rührend ſchön, in 
meiner Ceele. — 

Und abermals nad Jahren fam id reifend nad 
Gallien an den Rhodanus. 

Da war Krieg entbrannt gwifden den Barbaren. 

Und Franfen und Burgunden waren eingefallen in 
das Gallien der Gothen und Hatten cine Villa am 
Rhodanus zerſtört. 

Und als ich die geſtürzten Säulen des Atriums und 
den zertretnen Garten betrachtete, lief ein kleiner Knabe 
aus dem Innenhauſe und weinte und rief mid an: Hilf, 
o Herr! denn meine Meutter ftirbt.” 

„O Cethegus,“ rief Julius mit dimers « erftidter 
Stimme. 


225 


„Und id Drang in das Haus, das nod) dampfte von 
faum erlofdnem Feuer. 

Da lag im Frauengemad ein bleiches Weib, einen 
Pfeil im ver Vruft. | 

Und fonft war das Haus leer: die Slaven waren 
geflohen oder fort gefdleppt. 

Und ich fannte die fterbende Frau: und ihr Rind 
hieß Sultus. 

Shr Gatte aber war bald nad deiner Geburt ge- 
ftorben. 

Und die Sterbende ſchlug vie Wugen auf, da fie 
meine Stimme vernahm. 

Denn fie liebte mid) nod) immer. 

Und id) gab ihr Wein und Wafer aus meinem Helm 
gu trinfen. 

Und fie tranf und danfte und küßte mid auf die 
Stirn und fprad: „Habe Dank, Geliebter! fei du meines 
Knaben Vater: verfprid) e8 mir.“ 

Und ic) verfprad) e8 ihr in die erfaltende Hand. 

Und küßte fie und fdlog iby die gebrodnen Augen. 

Und ob ih mein Wort gebhalten an dem Knaben — 
bu magſt entfderden." 

, Und der eiferne Mann dritdte mit Gewalt die Sruft, 
die madtig athmende, zuſammen. 

Sulius brad in einen Strom von Thrinen aus: 

wo meine Mutter!" rief er. 

Totila aber fdhritt bewegt in per Rotunde auf und 
nieder. 

Cethegus aber fubr fort: Und nun — wähle!“ 

Tabn, Cin Kampf um Rom. IV. 15 


226 


Wähle zwiſchen mir und deinem ,unbefledten* Freund. 

Aber wiſſe: vie Thaten, die dir nicht gefallen, hab’ th 
zumeiſt für did) gethan. 

Lak’ mid) denn einfam — wende did) von mir — 
geh' gu ihm: id) balte dich nicht mebr. 

Uber wenn mid) Manilia’s Schatte nach div fragt, 
werde id), wabrbeittren. antworten: 

„Ein Vater war id ihm — er mir fein Sohn.“ 

Julius verhüllte fein Haupt im Mantel. 

Totila aber madte Halt vor dem Prafecten und 
ſprach: 

„Unväterlich zerfleiſcheſt du ſein Herz. 

Du ſiehſt ihn hin und her gezerrt von widerſtreitenden 
Gefühlen. 

Auf, ich weiß ein Mittel, die Wahl ihm zu ſparen. 

Auf, Cethegus, enden wir allein den drohenden Krieg. 

Gin zweiter Gothenkönig ladet dic) gum Zweikampf. 

Hier, im Antlitz deines Lieblings, ſchelt' ich dich: 
Lügner, Fälſcher, Verräther, Mörder, ehrloſen Neiding. 

Des Bruders Blut bluträchend heiſch' ich von dir. 

Heraus dein Schwert, wenn du ein Mann. 

Laß uns, um Leben, Rom und Julius fechtend, in 
kurzem Kampf den langen Haß vollenden. 

Vertheidige dich.“ 

Und in wild aufloderndem Haß riſſen Beide die 
Schwerter aus ven Scheiden: jum zweiten Male kreuztem 
ſich die Klingen. 

Und abermals warf fic) Julius zwiſchen die Er — 
grimmten mit ausgebreiteten Armen. | 


227 


„Haltet ein, thr graufamen Männer des Haffes und 
Dey Belt. 7 

Seder Streich trifft in mein blutend Herz. 

Hört mid an: gefaßt ift mein Entfdlug. 

Sch fühl's: ver Geift meiner Mutter gab ibn mir 
tu." 

Grollend fenften vie beiden Feinde die Schwerter, 
>FHre fie emnzufteden. 

»Cethegus, ein Vater, bift bu mir gewefen mebr als 
Srwei Jahrzehnte. 

Was du gefrevelt und gethan — nicht dem Sohne 
Ziemt zu richten. 

Ich faſſe deine Hand liebevoll: — und wäre ſie tiefer 
Mod in Mord getaucht — meine Thränen, mein Gebet 
Follen fie retnigen.” 

Totila trat zürnend einen Schritt zurück: und des 
Pr&fecten Auge leudtete auf in Stegedsfreuve. 

„Aber nidt ertragen fann id,“ fubr der Mönch fort, 
dein furdtbares Wort: um meinetwillen, fiir mid) habeft 
‘Du gethan, was du verbroden. 

Wiffe, nie, niemals, felbft wenn es ſonſt mid) locte, 
— mid aber lodt vie Dornenfrone von Golgatha, nicht 
Die Hluthefledte Krone Roms — könnt' ich dein Erbe 
antreten, an welchem ſolche Flüche bangen. 

Ich bin dein: — aber fei du aud) meined Gottes : 
fei mein, nidt der Welt und der Hille eigen. 

Wenn du mid) wirklich liebſt, — entfage deinen vers 
brecheriſchen Planen. 

Uber mehr — mehr: du mut bereuen. 

15* 


228 


Ohne Reue und Bue keine Erldfung. 

Und id) will mit Gott rvingen im Gebet, bis er dir 
peraiebt. 

Widerrufe in Gedanfen deine Thaten.“ 

„Halt an," ſprach Gethegus fid) bod) aufridtend. 

„Was fpricdft du ba von Rene, der Knabe jum 
Mann, gum Vater der Sohn? 

Laß du rubig meine Thaten auf meinem Haupt: id 
habe fie gu tragen, nidt du.“ 

„Nein, Cethegus, nimmermehr. 

Wenn du beharrſt, fann id) dir nicht folgen. 

Bereue — beuge vid) — nicht vor mir, wabriid: 
vor Gott vem Herrn.“ 

Da," lachte Cethegus, fprichft du zu einem inde? 

Alles, was ich gethan, — wär's ungeſchehn: — ich 
würd' e6 Wes, Wes nod ‘mal thun.” 

i Sethegus," rief Sulius entfegt, welch’ ſchrecklich Wort! 

Glaubft du denn wirklich nidt an einen Gott? 

Aber gereizt fuhr Cethegus fort: 

„Bereuen! Berent ras Feuer, vag es brennt? 

Du fannft es nur erftiden: nidt Hemmen, dak es 
brennt, fo lang e8 lebt. 

Lob es, ſchilt es, wie du willft: vod) laß es Feuer 
fein! 

So mug Cethegus ven Gedanfen folgen, welche 
mie Der Lauf des Blutes, durch fein Haupt rinnen. 

Sd will nidt, id) muß wollen. 

Und, wie der Gießbach nicderfdaumt von Bergess 
höhn, bald durch blumige Wiefen, bald durch ſchroffes 


229 


Gez cack, bald fegnend befrudjtend, bald tödtlich zerſtörend, 
ohrre Wahl, ohne Vorwurf, ohne Dankrecht — fo reigt 
mickey pas Gefdid dahin ven Weg, welden Cigenart und 
die gegebne Beit und Welt um mid) her vorgeidnen. 

Goll ich bereuen, was id) auf meinem Weg jers 

fixe ? 

Ich that e8 immer wieder.” 

~Cntfeslider! Bn dieſen Worten weht ver Hand 
vee Halle! 

Wie fannft vu erlöſt werden, wenn du nidjt ers 
fexunnft, nag du gefitndigt? 

Des Menfden Wille ift fret.” — 

„Ja, fo Fret wie Der geworfne Stein, der fic eins 
bilder, ex tinne fliegen.” 

„O fitrdte, Cethegus, fürchte ven lebendigen Gott!“ 

Aber, grimmiger als guvor, ladjte Cethegus. 

„Ha, wo ift er denn, Diefer lebendige Gott? 

3h babe, ven Himmel entlang, ven Gang ver Ges 
ſtirne, ich habe die graufame Natur, id) habe die graus 
famere Geſchichte ver Menſchen durchforſcht und keinen 
Gort gefunden als vas Recht ves Stärkeren, vie Noth- 
Mendigheit, die furdtbar erhabne Göttin, veren Anblick 
Derfteint wie ver Gorgone. 

Du birgft vid, Knabe, in die Peantelfalten deines 
geträumten Gottes, du ftedft dein Haupt in feinen 
Vaterſchos, ſtarrt dich des Schickſals Walten mit den 
Gorgonenblicken an. 

Wohl, es fet: aber ſchilt nicht den Mann, der, ven 


230 





Blick ermidernd, fprict: ‚es ift fein Gott’: und würd' 
ex drob zu Stein. 

Ja, das Lächeln und das Weinen find zwei holde 
Genüſſe. 

Prometheus aber hat nicht gelächelt, als ihm Pan⸗ 
dora die bethörende Büchſe bot. 

Aber er hat auch nicht geweint, als ihm Gewalt und 
Kraft die Glieder an die Felſen ſchmiedeten. 

Und an den Geier, der ihm das Herz zerfleiſcht — 
nun an den Geier — hat er ſich gewöhnt. 

Und eher ermüdete das Schickſal, den Titanen zu 
quälen, als daß ſich der Titane gebeugt.“ 

„Cethegus,“ flehte Julius, „ſprich nicht fo! td) ſage 
dir: es iſt ein Gott.“ 

„So? wo war er Denn, als man Manilia mit Ges 
walt 3u verbagter She zwang? als man fiir ewig des 
Sethegus Herz vergiftete? 

Wo war er denn, als ihr der blinde Bufall einen 
Franken⸗Pfeil in das Herz gejagt 2 

Ha, aud ich habe an ihn geglaubt: genau fo lang 
war id) der Spielball ver Andern. 

Spiter aber hab’ id) gebandelt unter ver Voraus⸗ 
febung, die mid) mein eignes Schickſal gelehrt: „es iſt 
fein Gott.“ 

Und fiebe da: feither treffen alle meine Schliiffe gu! 

Wo war er denn, dein geredjter, allmadtiger, all- 
weifer, allgittiger Gott, als die fduldlofe Camilla den 
nicht fiir fie gemifdten Beder trank? 

Wo blieben da feine Wunder und Engel? 


231 


Wis Calpurnius den Rnaben ved Witidhis von den 
eyclfen warf, warum haben die Engel Gottes nics das 
Rind aufgefangen — fallt ja vod fein Sperling vom 
Dade ohne Gottes Wille! — und den Mörder zerriſſen? 

Wo war er denn, dein rettender Gott, als ich den 
WMaffageten-Pfetl auf jene wadre Rauthgundis entfandte? 


Ha, lebte ein Gott im Himmel: — rückprallen mufte 
“ver Pfeil von vem treuen Weibe und des Cethegus 
Bruſt durchbohren! 


Aber der Pfeil war ſcharf und gut gezielt: und darum 
ſtarb Rauthgundis, wie wenn ſie die Möwe des Padus 
geweſen. 

Drum rede mir nicht vom lebendigen Gott, du 
lallender Knabe.“ 


„Cethegus!“ ſprach Julius, „mir graut. Das iſt vie 
furchtbarſte Gottesläſterung, vie id) je gehört“ 

Totila wandte ſich ſchaudernd ab und warf das 
Schwert in die Scheide. 

‚Wer fo denkt,“ rief er „iſt genug beſtraft. 

Dod du, Präfeet von Rom — du kennſt nod) das 
Ende veiner Thaten nicht. 

Erwarte es: vielleidht glaubft du dann an den rächen⸗ 
den Gott." 

„Das Ende meiner Thaten,“ ladte Cethegus, „iſt 
mein Zod. 

Das weiß ich längſt. 

Ob nun auf dem Throne nur des Occidents oder 
des Weltkreiſes, ob in verlorner, ob in ſiegreicher Schlacht, 


232 


ob purd Beil oder Schwert — bag ift fiir unfre Gottes- 
Frage gleid. 

Und wenn e8 eine Hille gabe — wobhlan: aud an 
den Raufafus gefdhmiedet, blieh Prometheus er felbft. 

Aber genug ver Worte und übergenug. 

Hierher zu mix, an meine Bruſt, Sultus: denn ou 
bift mem.“ 

„Ich bin Gottes ves Herm! nicht bein! fprad 
Julius, befreuzte fid) und trat einen Schritt von ihm 
zurück. 

„Du biſt mein Cohn — gehorche mir.” 

„Du aber biſt Gottes Sohn gleich mir. 

Du verleugneſt — ich bekenne unſern Vater. 

Für immer ſag' ich mich los von dir. 

Denn wenn, wie unſer Glaube lehrt, ein Lucifer 
{ebt, ver Damonen Oberfter, der lichte Morgenftern, 
rer ftarffte, ver herrlichſte der Geifter Gottes, der aus 
Stolz und Gottesleugnung herabgefunten ift zur Halle 
— dann bift du e8, entſetzlicher Mann.“ 

wpa, aber Lucifer ward aus einem Diener bes 
Himmels ein Raifer: ob zwar ein Maifer der Hölle. 

Lieber als im Himmel der Bweite, in der Hille rer 
Crfte. Folge mir." 

Und, bingeriffen von Leivenfdaft, 309 er den Mönch 
am Arm auf feine Seite beritber. 

Da bligte gum drittenmal Totila’s Schwert und das 
Schwert des Prajecten. 

Und vieSmal ward e8 Ernft: nidt gelang es Julius 
mebr, vie Grimmen yu {deiden. 


233 


Totila ſchlug gegen ves Prafecten Stirn: ver Hieb 
Weer yu ftarf, gang parirt gu werden: der Helm flog vem 
KBaner ridings vom Haupt und Blut ſchoß aus feiner 
Wer ryge. 

Der Gegenſtoß ves Prafecten drang durch Totila’s 
VE <antel: zwar hielt der Ringpanzer die Spike auf: aber 
vo Eu ver Kraft ves Stofes flog Totila einen halben 
S Grit zurück. 

Tödtlich drohte der nächſte Zuſammenſtoß zu werden: 
— Gilde fehlten ja beiden. 

Und nochmals prallten ſie zuſammen: ein Weheſchrei 
des Mönches, der ſich zwiſchen warf, hätte fie kaum 
ADOch getrennt, — des Präfecten Schwert hatte ihm die 
he anmende linke Hand geſtreift —: aber nun wurden 
be ã de Kimpfer auseinander geriffen von Mannern; welde, 
u ra beachtet von den dret im leidenfdaftliden Ringen 
ERS ogenden, die Tempelftufen in den legten Wugenbliden 
Cextpor geeilt waren. 

Totila von Thorismuth und Wifand, Cethegus von 
Vicinius und Syphar. 

„Die Verftarfungen find da und widt’'ge Runde aus 
Dem Gilden,” rief Graf Thorismuth. 

„Graf Wifand fam als Bote von Guntharis. 

Komm raſch zurück: die Schlacht fteht bevor.” 

Komm raſch zurück in's Lager!" rief Licinius Cethegus 

zu, das „zweite Heer" iſt da.“ 

Mit Areobindos?“ 

Mein, Herr," rief Syphar: „die Kaiſerin Theodora 


234 


ift plötzlich geſtorben: Narſes ift der gefendete Feldherr: 
und er kömmt mit hunverttaufend Mann.“ 

„Narſes?“ frug Gethegus, erbleidend, iich fomme! 

Auf Wiederfehn Julius, mein Sohn!“ 

„Ich bin Gottes Sohn!" 

„Er ift mein!" rief Lotila, ihn umſchlingend. 

„Wohlan: ver Kampf um Rom wird aud diefen 
Kampf entfdeiden. 

Aus ver Barbaren Lager hol’ ich vid) heraus." 

Und er eilte die Stufen binab. 

Gleich darauf fprengten Gethegus mit den Geinen 
nad) Norden, Lotila und Julius mit ven Shrigen nad 
Süden in ihre Lager. 


Oe — — — 


Dretundpwanyigfes Capitel. 





Der Prifect fand in feinen Belten nod nicht Narfes 
felbft, aud) feine Boten diefes Feldberrn, was thn 
erflaunte: Pifo und Galvius Sulianus, welche er mit 
btingender Mahnung an Areobindos nad) Ancona ents 
fendet hatte, waren fdjon bet Gale anf vie Vorhut des 
Narfes — germanifdhe Reiter, wie fle fagten — geftofen 
und batten von diefen und einem byjzantinifden Archon 
Bafilisfos Dinge erfahren, welde fie zur ſchleunigſten 

Umkehr bewogen, Cethegus zu warnen. 

woa, ev hat mid) offenbar iiberrafden wollen,” fprad) 
Cethegus nadfinnend: ,aber warte nur, Marfes," ſchloß 
ex grimmig. 

Aud Belifar ftand mit Uebermadt bet Capua: und 
td bab’ ihn pod) gemeiftert, fo lang er im Lande war 
und julest hinausgefdoben aus ineinem Stalien. 

Laß fehn, ob der Krüppel ftarfer ift als der löwen⸗ 


- Berzige Held.“ 


„Sei vorfidtig, mein Feldherr,“ warnte Pifo. 
„Es liegen ſchlimme Dinge in der Luft: — e8 wird 
ſchwül ther deinem Haupte. 


236 


Diefer Bafilisfos, ves Narſes Vertrauter — ich fenne 
ihn von Byzanz her — war miv höchſt unheimlich.“ 

wa," fligte Salvius Sulianus bei, ,er war fo etn: 
jilbig: nichts war aus ihm herausguforfden, als was 
ev felbft mitguthetlen wünſchte.“ 

„Mehr al8 wir von ihm, erfundeten unfere Sflaven 
ron den Seinen.“ 

Uber als der Führer der Germanen-Reiter dagu fam, 
wie fie plauderten, ſchlug er einen Diener des Baſiliskos 
todt auf dem Sled." 

„Da wurden die Lebendigen fo ftumm, wie ihr todter 
Ramerad." 

„Zuſammenhanglos, witerfprudoll, verworren ift, 
was wir fo erfundeten.” ; 

„Feſt fteht nur: tn Byzanz mug ein pliglider Um- 
ſchwung aller Dinge etngetreten fein.“ 

»Und zwar nod) am Lage deines Whgangs aus der 
Stadt. 

„Die Kaiferin, fliiftern die Einen, habe fic felbft in 
Kohlendunſt erftidt. 

„Der ProceR gegen Beliſar,“ fdjaltete der Juriſt ein, 
uiftin etn neues Stadium getreten: auf Untrag Cribonians, 
fagt man, oder Brofops, babe ver Kaiſer das Urtheil ves 
Senates vernidtet.“ 

Man nannte die Ramen: Narfes, Untonina, Unicius, 
Prokopius in unklarem Zuſammenhang.“ 

„Der Prinz Areobindos ſoll erkrankt und deßhalb 
durch Narſes erſetzt ſein.“ 


237 


Aber id) beforge: an Ddiefer Krankheit fterben eber 
andre Leute als der Statthalter über die Schnecken.“ 

„Und meine vierzehn Boten an das zweite Heer?” 
forfdjte Gethegus, die Stirn furdend. 

„Ich glaube,“ argwöhnte Licinius, „Narſes hat fie feft 
nehmen laſſen, fowie fte etntrafen.” 

„Die Germanenreiter lachten fo höhniſch, als id) nad) 
ihnen frug,“ beftatigte Julianus. 

„Narſes iſt wirklich mit einem Heere, wie es noch 
niemals der Kaiſer des Geizes geſpendet hat, aus den 
Thoren von Byzanz gezogen.“ 

„Und wahr iſt Wes, was du als unmöglich vers 
worfen, o Feldherr.“ 

„Nicht nach Epidamnus ging Narſes: — die dort 
ſtehenden und die übrigen Truppen des Areobindos, unbe— 
deutend im Vergleich mit ſeinem coloſſalen Heer, hat 
er zur See den joniſchen Buſen hinauf nach Pola in 
Iſtrien beordert. 

Er ſelbſt zog auf dem Landweg, in Eilmärſchen, in 
das gothiſche Dalmatien, rollte vor ſich her, wie der 
Sturm die dürren Blätter, die wenigen Tauſendſchaften 
Der Barbaren dort im Lande auf, nahm Salona, Scar⸗ 
Dona, Jadera.“ 

„Ja: und ein furdhtbares Syftem befolgt er dabei. 

Er läßt, wohin er fommt, nicht Cinen Gothen: Alle, 
aud Weiber und Kinder, (aft ev greifen und zu Schiff 
fofort nad) Byzanz in die Sflaverei führen: fo geht er, 
wie. eine jzermalmende eiferne Walje, dahin über das 


239 


Umgekehrt, von ven Bergen, vom Trodnen, von 
oberx her, nad unten, in da8 Wafer, muß man fie 
allxxudlig treiben und ſchieben: und zuletzt wirft man 
vera Reſt, wo das Land ſchmal gu Ende lauft, Alle 
suf ceanmen in's Waffer, daß ſie elend erfaufen. 

Denn vie Flotte hat er ihnen ja ſchon genommen. 
— gqeftohlen freilid mehr als geraubt, — der vortrefflice 
Mer gifter Militum per Staliam.” 

Man fliftert,” ſchaltete Sulianus ein, ,,diefe Würde 
ſei ſchon längſt wieder aufgehoben “ 

»Davon müßte Dod) ich, diefer Würde Trager, ard) 
wiſſen.“ 

Wer weiß: man raunt, du ſeiſt entſetzt. 

Narſes habe geheime Aufträge vom Kaiſer verſigelt 
mit bekommen, welche er erſt nach Vernichtung des Königs 
Totila zu öffnen und zu vollziehen habe.“ 

„Wer ſagte vas?" frug Cethegus raſch. ,Bafilistos 
felbft 2 

„O nein: der fpridit nur vom Krieg. 

Nein: ver eine Sflave. 

Und gerade, da der Germanenfiihrer dies vernommen, 
ſchlug er ihm mit feiner Keule den Schädel ein.“ 

„Das ift ſchade,“ fagte Gethegus nadfinnend, „das 
beift: er ſchlug zu frith." 

„Es war,” fubr Bafilisfos fort uns zu erzählen, 
.ein herrlich Schaufpiel, diefer Ales umfpannende, Alles 
erdriidente Marſch. 

Den linfen Fliigel im Gilden als felt ftebenten 
Angelpunct an vas Meer gelehnt, das die ftarfe Flotte 


240 


fperrte, fdjwenfte ber rechte, der bis an die Alpenpäſſe 
im Norden reidjte und fie durch ftarfe Waden fdlof, 
pon redts nad links herab nad) Süden ein: wie der 
Vogelfteller fein Schlagnetz gufammenfdlagt ob den 
Gngftlid) biipfenden, flatternden Vögelein: und ijt fein 
Entrinnen vor ihm. 

Nur ber Tridentum und Bolzanum hinaus nad 
Norden und gegen die Thaler der Athefis und ver 
Paffara hinauf entrannen ein’ge Taufende ver Barbaren 
mit Web und Kind: und fle fdlugen, verftarlt durch 
die Beſatzung von Caſtrum Teriolis bei Manfio Mtaja, 
den verfolgenden WArdonten Zeurippos, daß er ſchleunig 
zur Hauptmacht zurück kehrte. 

Aber mit Ausnahme von dieſen in die Berge ent—⸗ 
fommnen Haufen und von Verona lebt fein Gothe mehr 
hinter Narſes Ritden, fo weit er bis jest gedrungen: 
Aguileja, Concordia, Forum ulti, Ceneta, Tridentum, 
Tarviſium, Gomaclum fielen vor Marfes. 

Gr eilte nad) Ravenna. 

Schleunig entwiden die gothifden Belagerer, nad) 
Weften ausheugend, vor dev ungeheuren Uebermadt folden 
Entſatzheers. 

In Ravenna verſöhnte er ſich mit dem blutigen 
Johannes —“ 

„Das glaub' ich nicht,“ unterbrach Cethegus. „Johan⸗ 
nes iſt der eifrigſte Anhänger Beliſars: er haßt Narſes 
mehr als Beliſar ſelbſt dieſen anfeindet.“ 

„Ja, fo zweifelten aud) wir: und dod) bat ibn Nar⸗ 
ſes gewonnen,“ lächelte Bafilisfos: ihr werdet nod 


241 


mebr Dinge erleben, ihr rdmifden Ritter und Kriegs⸗ 
tribunen, von Narſes, die ihr jest nidt abnt.” 

wind vidtig ift, Daf Johannes unter Marfes dient, 
wie frither unter Belifar: er befebligt feine Leibwache 
und die Hunnen.” 

Cethegus ſchüttelte ftaunend den Ropf. 

„Leider aber verungliidte —" fo erzählte Baſiliskos 
uns weiter, fuhr Piſo fort — „bald nach dem Aufbruch 
aus Ravenna Mariinus, ver Geſchützmeiſter.“ 

„Was?“ frug Cethegus ſtaunend. „Auch Martinus, 
das Werkzeug, das Geſchöpf, der Rechenmeiſter Beliſars 
diente unter Narſes? 

„Hier liegt, ihr habt Recht, ein ſehr großes Ges 
heimniß.“ — 

„Nämlich hinter Ravenna,“ berichtete uns Baſiliskos, 
„ſtieß Narſes auf ven erſten ſtarken Widverſtand. 

Nicht durch Krieger, ſondern durch Werke des Bare 
barenkönigs. 

Dieſer hat, durch ſeinen Feldherrn Teja, ein höchſt 
geniales Vertheidigungs⸗Syſtem herſtellen laſſen, welches 
Italien gegen einen Angriff vom Norden her ſichern 
ſollte; in Aemilia iſt es ſchon vollendet — zum 
Glück war es noch unfertig in Venetia: ſonſt wäre 
auch die Uebermacht des Narſes nicht ſo raſch vorge⸗ 
drungen — er hat durch Verhaue und Gräben alle 
wichtigſten Uebergänge der Höhenzüge und Straßen ſo 
meiſterhaft gedeckt, daß ganz geringe Kräfte den Marſch 
des größten Heeres tagelang hinter jedem ſolchen Hinder⸗ 
niß aufzuhalten vermögen. 

Dahen, Cin Kampf um Rom. IV. 16 


242 


Mit Bewunrerung erfannte Narſes dieſe Anlagen. 

„Dieſer Totila ift ein viel größrer Feldherr als 
Antonina’s Gemahl!“ rief er. 

„Er hatte aud) durd die Memilia mit breitefter Front 
nad Gilden ziehen wollen, alled gothiſche Leben ers 
drückend. 

Er mußte aber ſeinen Plan, von Ravenna weſtlich in 
das Innere ves Landes gu marſchiren, aufgeben, nach⸗ 
dem bei einem Verſuch, ein ſolches Bollwerk bei Imola 
auf geheimnißvolle Weiſe zu zerſtören, Martinus ein 
geheimnißvolles Ende fand. 

Als Narſes rathlos vor der Veſte ſtand und aus- 
ſprach, ſein ganzer Plan könne an dieſen Stockungen ſchei⸗ 
tern und — zum erſten Male auf dem Feldzug — vor 
Erregung von ſeiner böſen Krankheit Epilepſis nieder⸗ 
geworfen wurde, da ſprach Martinus zu Johannes, der 
ſich ein tüchtige Bruſtwunde bei ſeinem abgeſchlagnen 
Sturm geholt hatte: 

„Der Rächer Beliſars ſoll nicht durch dieſe Steine 
aufgehalten werden, wenn Martinus richtig gerechnet 
hat. Freilich,“ fagte er, das letzte Experiment im Kleinen 
miglang und hatte mir faft den Ropf weggerifjen — 
aber e8 gilt, Beliſar gu rächen und dafür wag id) gerne 
meinen Kopf.“ 

Und in der Nacht ſchlich ſich Martinus mit einigen 
Steinarbettern an die FelSmande Hinan und bohrte an 
ihnen ein kleines Lod. 

Aber pliglidy wurden wir Alle aus unfern Belten 


243 


geſchreckt durch einen furdtbaren Knall, deßgleichen wir 
nie vernommen. 

Wir eilten an die Felswand. 

Dieſe war freilich auseinander geſprengt als hätte 
ſie der Blitz getroffen: — aber nicht von oben nach unten, 
von unten nach oben: die gothiſche Beſatzung auf den 
Wallen war zerriſſen: aber auch ſchrecklich verſtümmelt und 
ganz ſchwarz lagen unſer armer Martinus — ſein kluger 
Kopf zwölf Schritte von dem kleinen Körper — und 
alle ſeine Arbeiter.“ 

„‚Räthſelhaft!“ ſagte Cethegus, Kennt man die Ere 
findung 

tein, ex hat. fle mit in's Grab genommen. 

Gr fagte ja: er war nod) nicht ganz mit ihr fertig. 

Qn feinem Relte fand man ein Haufden Heiner 
Körnchen, wie ſchwarzes Salz, welches Narfes eifrig ihm 
nod in der Nacht gu bringen befahl: aber auf dem Wege 
fiel ein Funke von der Pedhfacel ves Trägers auf die 
offne Schale: und bell auflodernd puffte und flammte das 
Gift in die Hohe: dod) diesmal ohne Knall und obne 
Schaden.“ 

„Hätt ich Dod dieſes ſchwarze Salz,“ ſeufzte Cethegus. 
„Dann wehe Narſes und Byzanz.“ 

„Ja: ähnlich mag Narſes gedacht haben,“ lächelte 
Piſo. Denn nad ves Baſiliskos' Bericht durchſuchte 
und durchſtöberte er alle Schalen und Schreibereien des 
Verunglidten. Wber ohne Erfolg." 

„Imola batten wir nun gwar," fubr Bafilisfos fort 
gu erjablen, fo beridtete Salvius Julianus. 

16* 


244 





Aber ſchon gang in der Nahe, bet Caftrum Brine 
tum, lag wieder eine folde Wegfperre. 

Und fein Martinus lebte mehr, fie gu fprengen. 

Rathlos hielt Marfes inne. 

» Johannes," fragte er endlid, du fennft genau den 
Ritftenweg von Ravenna ſüvdöſtlich bis Uncona 

wa," erwiederte diefer, .c8 war der Weg meiner 
ſchönſten Siege unter Belifar. 

„Und dort werden die Wegfperren fehlen,“ frohlodte 
Narſes, , weil der Barbarenfinig die gabhlreiden natitrs 
liden Wegfperren, die Fliiffe, die von Weften her in den 
Meerbufen miinden, durch feine Flotte gu beherrſchen 
glaubte. 

Die Flotte hat uns der Prafect von Rom freund- 
ſchaftlich aus dem Wege gerdumt. 

Wendet! Bredt vas Lager ab: wir giehen hart an 
ber Küſte nad) Südoſten.“ 

. , Wie willft ou fiber die briidenlofen Flüſſe fegen * 
frug Bafilisfos ftaunend. 

„Die Brücken, Freund, tragen wir auf den Schultern 
mit uns." 

„Darauf bin id) gefpannt,” unterbrad) Cethegus. 

Und fo zogen wir denn guerft oſtwärts,“ ſchloß 
Bafilietos feinen Beridt, an die Küſte und von hier 
aus ganz bart an der Gee nad Süden: geführt von 
Johannes: vie Flotte aber fegelte dict an der Kuſte, 
mit Dem Landheer gleidjen Schritt haltend, und wo 
ein Fluß das Landheer zu hemmen brobte, fandte die 


245 


Flotte zahllofe Heine Bote ftromaufwarts und auf diefen 
fegten die Truppen über. 

Und wenn zwei Flüſſe urd nur kurze Streden 
Landes getrennt waren, trugen Roß und Mann die 
leichten Fahrzeuge auf Ritden und Sdultern von Flug 
qu Flug. 

So zogen wir denn über den Sapis mad dem alten 
Ficocle, über die drei Arme des cäſariſchen Rubico, über 
einen mir unbekannten Fluß und über den Ariminus 
nach Ariminum, wo Usdrila, der Gothen tapfrer Führer, 
im Ausfall umkam. 

Aber auf der flaminiſchen Straße vorzudringen war 
unmöglich: dieſe ſperrte das feſte Petra pertuſa: ſo 
wandten wir uns denn nach Südweſten, und zogen 
über den Metaurus gegen den Apennin: zu Hülfe dem 
Präfecten von Rom und Statthalter von Italien, vas 
aber andre Leute haben, dem großen magifter militum 
per Staliam, der aber nur ein fleines Heer hat: auf 
daß nidt König Totila und Graf Teja von Tarentum 
ihn fammt eud), iby edeln römiſchen Ritter, erdriiden 
wie die Mühlſteine das orn.“ 

„Daß aber deine Boten feft gehalten wurden ju Cpis 
damnus —" fubr Pifo fort. 

„Allerdings, es fam fetner zurück: aud) die nidt, 
denen ich fdleunige Umkehr befohlen,” fprad Cethegus 
nadhfinnend. 

Das ſchließe id) daraus, dag and) uns der fdlaue 
Byzantiner, unter höflichſten Formen, das Gleiche thun 
wollte: er wollte uns durdaus zu Narfes, weiter von 


246 


pir fort, geleiten laffen: vor unfre Belte fest er uns 
Germanen als ,€hrenwaden": und als wir, die Abſicht 
erfernend, zur Nacht aus unfern Zelten eilten und aus 
vem Lager, da ſchoſſen unfre Ehrenwaden wns, zum 
Ehrenabfdied, nocd ihre Pfeile nach und tBdteten zwei 
unfrer Sflaven und verwundeten mein Pf 

„Ich follte alfo durchaus überraſcht werden von dem 
grofen Cpileptifer — fern gebalten werden von thm 
bis gum letzten migliden Augenblick. — 

„Gut. Syphax, mein Pferd: wir reiten nod ent’ 
Nacht Narfes entgegen.“ 

„O Herr," fliifterte leife ner Maure, der die Unter⸗ 
redung mit angebirt, „hätteſt du mid, wie ich dich bat, 
nad Cpiramnus gefdidt!“ 

„Dann batten fie aud) dic eingefperrt, wie bie andern 
Boten." 

„Herr: in Wfrifa haben wir ein Spridwort: wenn 
das Feuer aus dem Berge nicht gu div fommt, fet froh: 
und gebe nidt der Lava entgegen.“ 

„Das finnte man in’s Chriſtliche übertragen,“ lachelte 
Piſo: „wenn der Teufel dich nicht holen ſoll, ſuch' ihn 
nicht auf. 

Wer reitet von ſelber in die Hölle?“ 

„Ich! und gwar ſchon ſeit ziemlich langer Beit,” 
fprach Cethegus, ,lebt wohl, ihr römiſchen Kriegstribunen: 
Licinius vertritt mich hier im Lager bis zu meiner 
Rückkehr. 

Auch der Barbarenkönig weiß jetzt wohl ſchon von 





247 


— — — 


Rarfes Nahe und Macht: er greift in ver Nacht heute 
nidt an, wie damals in Rom." 

Als die römiſchen Ritter das Belt verlaffen, fprad) 
Cethegus zu Syphax, „ſchnalle mir den Harniſch ab.“ 

Loie, Herr? du reiteft nidt in Beliſars, in Narfes’ 
Lager reiteft pu." 

„Ebendeßhalb, fort mit dem äußern Bruftharnifd. 

Reiche mix das Schuppenhemd, das id) unter der 
Tunica trage." - 
—— Syphar feufste tief auf. 

„Jetzt wird es Ernft. 

Set, Hiempſals Sohn, fet wachſam!“ 


Vierundzwanzigſtes Capitel, 





Die Nacht über ritt Cethegus mit geringer Beglei- 
tung, in tiefes Ginnen verfunten, Narſes entgegen. 

Auf der Tribunen Mahnung, vas Gefolge gu vere 
mebren, hatte er ermidert: ,bunderttaufend fann id 
dod) nidjt mit nehmen!“ 

Bei grauendem Morgen ftteR er bet Foffa nova 
auf den Bortrapp des anrückenden Heeres. 

Es waren wild ausfehende Reiter, von deren ſpitz 
gulaufenden Helmen ſchwarze Roßſchweife auf vie Wolfs. 
felle itber ihren Riiden flatterten: fie trugen Ringpanger, 
breite Schlachtſchwerter und lange angen: Arme und 
Beine nadt, nur an vem linfen Fuk, an Riemen bee 
feftigt, etnen Gporn: obne Gattel fagen fie febr fider 
auf ihren ftarfen Pferden. 

Der Fithrer ver Reiter — er trug einen reid) vers 
goldeten Blattenpanzer und ftatt ded Roßſchweifs zwei 
Geierfliigel auf vem Helm — jagte pfeilfdnell auf ſeinem 
rothen Roß heran und hielt erft dict vor Cethegus, der 
an feines fleinen Zuges Spite ritt: lange, rothe Haare, 
auf der Stirn gefdeitelt, flogen um feine Wangen und 





249 


der Schnurrbart bing, in zwei ſchmalen Streifen, von 
dem Munde auf ven Harnifd: anus dem hellgrauen 
Auge blitzte Kühnheit und Verfdlagenbeit. 

Sine Weile maßen fid) die beiden Reiter mit for- 
ſchenden Bliden. 

Endlich rief Dex mit dem GeiersHelm: „Das muk 
Gethegus fein — der Beſchirmer Italiens.“ 

„Der bin id.” 

Und der Andre riß fein Pferd herum und jagte 
davon, nod fdneller als er gefommen, über die Stellung 
feiner Reiter bhinaus auf ein Waldftiid gu, aus deffen 
Rändern man nun Fußvolk in didten Colonnen herans 
riiden fab. 

„Und wer feid ihr? und wer ift ener Führer?“ frug 
Sethegus in gothifder Sprache die Reiter, welde er 
nun erreidte. 

„Wir find angobarden, Cethegus, in Narſes' Dienſt,“ 
antwortete auf Lateinifd ver Gefragte, „und jener dort ~ 


it Albein. unſres Königs Gofu.~ _ 


Alſo Darum, Licinius, haft du vetne Mtithe verlorén! “ 


Schon fah Cethegus von ferne des Marfes offne 
Sanjfte herannahen. 

Gie war von einfadftem Holz, ohne Zierrath: nur 
eine Woll⸗ Dede, ftatt der üblichen PBurpurpolfter, lag 
Darin. 

Nidt von Slaven, von erlefnen Goldaten, welden 
dieſe Ehre abwedfelnd zur Belohnung etngeraumt wurde, 
ließ fic) Dev Krüppel tragen. 


250 


An feiner Seite ritt mit gezognem Schwerte Wlboin 
und fliifterte ihm gu: 

„Alſo du willft wirklich nidt, Narſes? 

Der Mann fdeint mir fehr gefährlich, febr. 

Du braudft nicht gu fpreden — ein Zucken deiner 
Wimper — und e8 ift geſchehen.“ 

„Laß ab yu drangen, du Zukunft der Langobarden. 

Sch könnte fonft glauben: du willft den Mann nidt 
anit, fondern dir felber aus bem Wege raumen.” 

„Wir Söhne ver Gambara haben ein Spridwort: 

Erſchlagner Feind hat nod felten gereut.“ 

„Und wir Romder haben ein anderes," fagte Narſes: 

„Wirf die Leiter erft um, wenn erftiegen der Wall.“ 

Erſt, mein eifriger, junger Freund, (af uns Totila 
durch Gethegus vernidten. 

Der fennt Rom, Italien und vie Gothen dod nod 
beffer als Wlboin, ver Roßhändler. 

Was dieſen Crmagifter militum per Staliam felber 
anlangt, fo ift fein Gefdid be figelt, — 

Alboin fah thn fragend an. 

‚„Aber and nod verfigelt. Bur rehten Stunde 
werd’ td) e8 ihm — eriffnen und vollenden.“ 

Gleich darauf hielt Cethegus neben der SGanfte. 

„Willkommen, Narſes,“ fprad er: „Italien begrüßt 
den größten Feldherrn ves Jahrhunderts als ſeinen Bee 
freier.“ 

af das gut fein. 

Mein Kommen hat did wohl überraſcht ?“ 


251 





doer einen Ureobindos als Helfer erwartet und einen 
Narſes ſtatt veffen findet, tann nur erfreut fein. 

Aber, allerdings,” fügte er lauernd bei, .da Belis 
ſaxius begnadigt ift, hatte aud) er, feinem Wunſche gemäß, 
Rad talien gefendet werden können.“ 

‚Beliſar ift nidt begnadigt,” fagte Narfes kurz. 

»Und meine Gönnerin, die RKaiferin — wie ftarb 

fe fo plötzlich? 

„Das wei genau nur fle ſelber. 

Und jetzt vermuthlich die Hölle.“ 

wpier liegt ein Geheimniß,“ ſagte Cethegus. 

wa: — dod laſſen wir's liegen. 

Kein Geheimniß aber mehr iſt dir, daß jetzt Narſes 
in Italien ſteht. 

Bekannt iſt vir wohl von frither, daß Narſes nies 
mals getheilten Heerbefehl fithrt. 

Der Kaiſer hat vid) mir unterftellt mit dem „erſten 
Heer’. 

Wilft du unter mir in meinem Lager dienen, foll 
mich's freuen: denn du verftehft den Krieg, Stalien und 

die Gothen. 

Willſt vu nidt, fo entlaffe veine Söldner — ich 
braude fie nicht. ; 

Ich befeblige einhundertgwangigtaufend Mann." 

„Du trittft mit großen Mitteln auf." 

wa: Denn id) habe große Bwede. Und nicht tleine 

„Du bift den Gothen ftarf itberlegen: wenn fie nidt 
aud iby Südheer aus Regium hierher ziehen.“ 


252 


„Das finnen fie nidt. 

Denn id) habe aud vor dem Hafen von Rom und 
auf der Hoke von Reginm zwei Gefdwader mit swanzig 
Taufend kreuzen laffen, welche das gothiſche Südheer 
beſchäftigen.“ 

Cethegus ſtaunte. 

Das war wieder eine Ueberraſchung. 

„Du aber wähle:“ ſprach Narſes, „biſt du mein 
Gaſt oder mein Unterfeldherr? 

Ein Drittes giebt es nicht in meinem Lager.“ 

Cethegus überſah klar die Lage. 

Er war Unterfeldherr oder — Gefangner. 

„Es ehrt mich, unter div gu dienen, mie beſiegter 
Perſer⸗Ueberwinder.“ 

„Warte nur," dachte er: „auch Beliſar trat anf als 
mein Herr: zu Rom ward ich der Seinige.“ 

„Wohlan,“ befahl Narſes, deſſen Sänfte während 
der Unterredung auf die hohen, ſtelzengleichen Trageſtangen 
war niedergeſtellt worden: „ſo ziehen wir zuſammen gegen 
die Barbaren. Tragt euren Vater wieder, liebe Kinder.“ 

Und die Krieger traten wieder an die Sänfte. 

Cethegus wollte bei dem Aufbruch ſein Pferd an die 
rechte Seite des Feldherrn lenken. 

Aber in ſehr gutem Latein rief ihm Alboin zu: 

„Nichts da, Herr Römer. Mich nennt man die 
Rechte Hand des Narſes. 

Der Ehrenplatz iſt mein: — die linke, die Unheil⸗ 
Seite, iſt noch frei. 

Wir haben ſie für dich aufgehoben.“ 





253 





Schweigend ritt Cethegus auf die linte Seite. 

„Ich weiß nicht,“ fagte er gu ſich felbft, ob diefe rechte 
Hand vor ihrem Haupte oder nad ihm fallen muß! 

Am Beften zugleich.“ 

Am Abend diefes Tages nod) erreichte das Heer des 
Marfes vie Stelungen gwifden den Bergen von Helvillum 
und von Vagina. 


Finfundpwanjighes Capitel. 





Und gewaltig wahrlich war viefes Heer des Narſes. 

Der zähe, geizige Sparer Juſtinian hatte diesmal 
nicht geſpart: mit vollen Händen hatte er geſpendet. 

Seine aus Kleinlichem und Großartigem ſeltſam ges 
miſchte Natur ſchien für dies Unternehmen das Kleinliche 
völlig abgeſtreift zu haben. 

Die großen Erſchütterungen in der Hauptſtadt, an 
ſeinem Hofe, hatten ihn wach gerüttelt. 

Klar hatte ſein heller, diplomatiſcher Kopf, viel mehr 
für die äußere Politik als für die Verwaltung angelegt, 
die ganze Bedeutung der gothiſchen Gefahr erkannt. 

Der Vorwurf, daß er durch unnöthige Angriffe dieſe 
brennende Gefahr erſt herauf beſchworen, machte ihm 
die Unterdrückung zur Pflicht. 

„Er haßte den Namen der Gothen und gelobte ſie 
auszutilgen aus dem Reich,“ ſchrieb damals Prokop. 

In ſchonungsloſen herben Worten hatte ihm Narſes 
dieſe Pflicht eingeſchärft: und zugleich die klügſten Rath: 
ſchläge zu ihrer Erfüllung beigefügt. 


255 


Mur Germanen fdjlagen viefe Germanen,“ hatte er 
gerufen. : 

„Ich braude zu den Söldnern aus Afien die ger: 
manifde Waldeskraft, vie Gothen zu brechen. 

Lange hab’ id) gewarnt, diefe friedliden Männer 
aufzuſtören, die uns nicht bedrobten: die Berfer, die 
wahrhaft gefabrliden, abzuwehren. 

Du haſt nicht gehört. 

Jetzt, da ſie zum Angriff übergegangen, jetzt ſind 
ſie die gefährlichſten — gefährlicher als die Perſer, mit 
welchen ſie übrigens ſchon im Bunde ſtehen. 

Jetzt müſſen ſie vernichtet werden um jeden Preis: 
denn ſie haben die Schwäche deines Reiches entdeckt. 

Jetzt alſo: Germanenkraft herbei, Germanenkraft zu 
brechen. 

Ich habe ein tapfres Volk an der Hand mit einem 
Königsſohn, heißhungrig der Eroberung.“ 

Wer iſt's?“ 

„Das iſt mein Geheimniß. Wildkühne Scharen 
aus ihnen werb' ich ſelbſt als meine Leibwächter. 

Aber das reicht nicht. 

Franken, Heruler, Gepiden müſſen helfen. 

Den Franken beſtätigſt du, was du ihnen doch nicht 
entreißen kannſt: ihre neuen Erwerbungen tn Südgallien, 
Maſſilia und Arelate.“ 

„Ich gebe ihnen dazu das Recht, Goldmünzen mit 
dem Bilde ihrer Könige zu ſchlagen: das ſchmeichelt ihrer 
findiſchen Eitelkeit: ver Fürſten und des Volls. König 
Theudebert zu Mettis, den wie Childebert von Paris. 


256 





viefer Totila gewonnen, ift geftorben: fein junger Erbe 
Theudebald bedarf unferer Gnare.” 

„Den Herulern, diefen immer hungrigen Soldläufern, 
gieb ein Stück Dacten bet Singidunum: — haufenweife 
ſchicken ſie dir dafür ihre böſen Buben zu. 

Mit den Gepiden, ſo viele ihrer die Langobarden 
nod) übrig gelaſſen, ſchließe Frieden: gieb ihnen Sir⸗ 
mium zurück: dann helfen ſie dir ſchon aus altem Haß 
gegen die Landsleute von Theoderich und Witichis.“ 

„So viele Zugeßändniſſe —“ 

ir nehmen ihnen bald Alles wieder ab, unfern 
Hunden, mit denen wir den gothifden Löwen jagen : 
aber erſt muß er nieder mit ihrer Hülfe.“ 

Und er hatte den Beherrſcher der Romäer vollſtändig 
gemonnen und itberzeugt. 

Alle Mittel ves faiferliden Theſaurus, welden der 
fatferlide Geighal; immer, jammernd, al8 völlig leer bine 
geftelt hatte, wurden verfdwenderifd) an Rarfes gee. 
fpendet. 

Und biefer nicht beſcheidne Heifer ftaunte nun felbft 
liber die Fülle der bisher forgfalttg geheim gebaltnen 
Schätze. 

Der große Krieg mit Perſien, der kleine mit allen 
Nachbarvölkern wurde ſofort, mit Opfern, beendet: die 
erprobten Veteranen, die ſeit Jahrzehnten unter Beliſar 
und Narſes gedient, wurden ſo verfügbar gegen die 
Gothen. 

Und die nämlichen Feinde, welche fie bid dahin bee 
fampft Perſer, Garacenen. Mauren, Hunnen, Skla⸗ 


257 





venen, Gepiden, Heruler, Franken, Bulgaren, Woaren, 
ftellten plötzlich Söldner gegen hohe Jahrgelder. 

Aus Thrafien und Blyrien wurden alle Waffen⸗ 
fabigen ausgehoben: drettaufend herulifde Reiter unter 
Bulfaris und Wilmuth, fiebentaufend Perſer, eine Gee 
folgfdaft erlefenfter Gepiden — hundert und fiinfiig 
wilde Abenteurer unter Asbad, — wurden geworben: 
zehntauſend Mann Fußvolk aus allen Provinzen des 
frantifden Reichs, Franfen, Burgunden, Wlamannen, 
ftellten die Merowingen von Parifti, Mettis und Wures 
lianum. 

Ferner konnte Narſes, außer ſeinen eignen vorzüglich 
von ihm geſchulten Unterfeldherrn, diesmal auch die beſten 
Heerführer Beliſars verwenden, welche früher nie unter 
Narſes gedient: die räthſelhafte Ausſöhnung der beiden 
großen Nebenbuhler und der an allen Grenzen geſicherte 
Friede machte die Vereinigung wie der beſten Truppen ſo 
der erfahrenſten Führer in Italien möglich. 

So befehligten unter Narſes die beiden ausgezeichneten 
und innig befreundeten Archonten Oreſtes und Liberius, 
welche man in Byzanz wegen dieſer zärtlichen Freund⸗ 
ſchaft Oreſtes und Pylades zu nennen pflegte — ihr 
eifriges Zuſammenwirken in allen Aufgaben machte dieſe 
Freundſchaft auch militäriſch wichtig: — aber freilich, in 
ver Schlacht von Taginä follte ſich dieſe Liebe einmal 
als übelwirkend erweiſen. 

Ferner Cabades, des vorletzten gleichnamigen Perſer⸗ 
königs Neffe, der längſt mit vielen Perſern ſich, dem 
Kaiſer unterworfen, Johannes, Baſiliskos, Valerianus. 

Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 17 


258 





Vitalianus, Juftinus, Paulus, Dagiſthäos, Anzalas 
ver Urmenier — lauter hervorragende Führer. 

Das vor Portus kreuzende, Rom beobadtende Ges 
ſchwader und Heer führte Armatus, pas zwiſchen Sicilien 
und Neapolis wadende Dorotheos. 

So waren es hunderttaufend Mann, weldhe unter 
Narfes und Cethegus bet Capra ven Gothen gegen 
iiberftanden, wabrend Rom und Neapolis durch weitere 
zwanzig Tauſend bedroht wurden. 


Sechsundzwanzigſtes Capitel. 





Dieſen Zahlen aber hatte König Totila entfernt 
nicht mehr die Streitfrafte entgegen zu ſtellen, welche 
dereinſt Witichis, im Ganzen hundert und ſechzig Tauſend⸗ 
ſchaften, aufgebracht. 

Die Lücken, welche der Krieg, die großen, allein ſieb⸗ 
zig Tauſendſchaften betragenden Verlufte vor Rom, dann 
pie Geuden, der Hunger, die Gefangennehmung ju 
Ravenna und yu Senogallia in das gothifde Voltsheer 
gerifjen batten, waren nidjt wieder erſetzt worden durch 
die italifden Cofonen, welche Lotila nur dann einreibte, 
wenn fie e8 forderten. 

So betrug die ganze Macht ves Königs etwa ſiebzig 
Tauſendſchaften, von welden zehn unterhalb Rom jur 
Abwehr der beiden brohenden Landungen belafjen werden 
muften unter Herzog Guntharis und Graf Grippa: une 
gefabr zehn andre Zaufendfdaften aber wurden durch 
pte verlornen Befagungen in Griedenland und auf den 
Inſeln, fowie in den Städten und Burgen Staltens und 
Dalmatiens abgezogen, welde gum Theil ſchon in des 


17* 


260 





Narfes Hand gefallen, getödtet oder außer Land gefdafft 
waren. 

Es waren alfo nidt mehr als etwa fünfzig Taufend- 
ſchaften, welche König Totila der doppelt ftarten Macht 
ver Feinde bet Tagind entgegen führte. 

Als Cethegus dies Zahlenverhältniß dem Oberfeld- 
herrn vorredynete, fagte dieſer: 

Mein grofer Freund Beliſar hat oft mit der Min⸗ 
derzahl gefiegt, ift aber nod) öfter von der Mehrzahl, 
wie billig, gefdlagen worden. Ich, Narfes, habe meinen 
Ruhm nur darin gefjucht, jedesmal gu fiegen, obzwar 
nidt mit der Minderzahl: und diefen beſcheidneren, 
aber gwedmapigeren Ruhm bab’ id erreicht. Cr wird 
mir aud) diesmal nicht entgebn." 

Aud) in dem Lager ver Gothen erfannte man die 
Ueberlegenheit der Byzantiner: es feblte nicht an Stimmen 
in bes Königs KriegSrath, welche die offne Feldſchlacht 
zu vermeiden und den Rückzug m die nod von den 
Gothen befegten Städte, ein Hinfdleppen des Kampfes 
durch zähe BVertheidigung riethen. | 

Aber der König verwarf diefen Rath aus guten 
Griinden und beſchloß, bet Tagine gu ſchlagen. 

Mit banger Abnung hatte Valeria allmalig errathen, 
daß die Entſcheidung gerade hier fallen werde, in dem 
Chal ihrer Sorgen und Schmerzen. 

Der Kinig hatte aud) den fibrigen, das VBollSheer 
begleitenden Frauen, darunter den Neuvermälten Gotho 
und Yinta, Das Klofter und die Capelle auf den beiden 
Hiigeln im Rücken ves Heeres bet „ſpes bonorum" als 


261 


ben angemeffenften und fiderften Aufenthalt angewiefen: 
— felbft im Fall des Sieges der Feinde gewabhrten dieſe 
latholiſchen Cultſtätten gegeniiber den fatholifden Ueber⸗ 
windern nod) am ebeften Schutz. 

Das Lager ves Kinigs und die durch daffelbe ge- 
dedten Gebiete wurden aber täglich mehr angefiillt von 
Angehörigen des Gothenvolfs jedes Alters und Geſchlechts, 
welde aus den von Narſes bedrobten oder durchzognen 
Gegenden nad Silden fliichteten: denn das furdtbar. 
Syftem der Ausrottung alles gothifden Lebens, weldes 
der Gewaltige verfolgte, mar alsbald ſchrecklich befannt 
worden und jagte Die entfebten Gothen in banger Bers 
gweiflung auf, bevor aud) über fie hin ver eherne Wagen 
dex Austilgung rollte. 

Sie erfannten, dak ein Vernicdtungstrieg gegen ihr 
gefammtes BVolfsthum, nidt nur ein politifder Streit 
bier gefithrt werde: nicht nuv die gothiſchen Krieger, alle 
Lropfen gothifden Blutes waren die von Narfes bedrohten 
Feinde. 

Dazu kam, daß nun auch die Italier dieſe Natur 
und Abſicht des jetzt erneuten Kampfes erkannten: und 
nun brach auch in ihnen der alte Barbarenhaß, der 
Gegenſatz des Blutes und des Glaubens, wieder aus: 
vie Verſöhnung nad der Kriegsnoth und durch die Milde 
des Friedenskönigs war erzwungen und künſtlich, — die 
Ausnahme — gewefen: nun fehrte das Matitrlide, die 
Regel, ver Hak wieder. 

Ueberall, wo fie fic) durch die „Romäer“ gefidert 
glaubten, zeigten diefen die Stalter vie Wohnftatten oder 


262 


Berftede ver gothifden Familien an ober lieferten fie 
gleid) felbft in die Gefangenfdaft. 

So alfo war e8 nicht mehr miglih, wie in dem 
belifarifden Feldzug, daß vie Gothen-Giedelungen fid 
vor der vorither braufenden Woge des Krieges duckend 
verbargen und, nadjdem fie weiter geftiirmt, fic) wieder 
empor vidjteten, wie Halme nad dem Gewittermind: — 
nein, fo weit Marfes fam, fam der Sothenuntergang 
und, war er weiter gegogen, war inter ihm ansgetilgt 
bas Gothenthum. 


So wurde denn, was nod flüchten fonnte, was ents 
ronnen war vor der wandelnden Mauer der Vernidtung 
von Morden nad) Süden in ves Königs Lager gedrangt: 
es nabm der Krieg den Charakter der alten Kämpfe 
eines Wandervolfes an, deſſen Gefdhid an Schlacht 
und Yager gebunden war: die Wagenburg der inein⸗ 
ander gefdobnen Rarren, welche die Belte trugen, die 
einige Heimath: e8 war nidt mehr die Vertheidigung 
eines nom Feinde bedrohten Landes und der frtedliden 
Einwohner purd ein Heer: denn auger dem Lager des 
Königs und dem von dieſem gededten Lande gab es 
feine Gothen mehr in Stalien. | 

Totila liek, fon um der Hungergefahr gu ftenern, 
welde die Anhiufung folder Maſſen Volkes in und 
hinter dem Lager herbeiführen mute, die unwebrbhafte 
Menge weiter nad) bem Silden fiihren und vertheilen. 


Wis den König auf einem Erfundungsritt über vie 
Höhen dict an der ,fpes bonorum” voriiber der junge 


263 


Herzog AWdalgoth jenes Abends erinnerte, da fie zuerſt 
‘wie Gapelle beſucht, lächelte jener: 
Ja wohl: da ich thir die Grabesftatte wablte bet Numa 
Bompilius. 
| Nun gut: falle id) hier, habt ihr mid) nicht weit zu 
tragen.” 

Aber im Grunde feines Herzens war der König 
nidt ohne Gorge itber den Ausgang der bier fic) lang: 
fam vorberettenden Schlacht. 

Ihn beunrubigte der Mtangel an Reiteret: der 
größere Theil feiner Berittnen ftand bet den Truppen 
pon Guntharis und Grippa. 

Den tapfern Langobarden im Lager bes Narfes hatte 
ber Konig fetne an Zahl entfpredende Waffe entgegen 
zu ſtellen. 

Aber gerade dieſem Mangel ſchien das alte Glück des 
Königs abhelfen zu wollen. 


Siebenundpwansigftes Capitel. 


Yn vem Gothenlager gingen {don feit mebreren 
Tagen dunkle Gerüchte von der Annäherung neuer Hiilfs- 
Scharen von Often her, weldje gugewanderte Gothen 
meldeten. 

Der König wußte von keinem Zuzug aus jener 
Richtung und ſandte deßhalb vorſichtig, einem etwaigen 
Flankenangriff der Byzantiner zu begegnen, Graf Thoris⸗ 
muth, Wiſand, den Bandalarius, und den jungen Adal⸗ 
goth mit einigen berittnen Sajonen auf Kundſchaft aus. 

Aber am Tage darauf ſchon kamen dieſe zurück und 
Graf Thorismuth ſprach frohen Angeſichts, da er mit 
Adalgoth in das Zelt des König trat: 

„Ich bringe dir, o König, einen alten Freund zur 
rechten Stunde.“ 

„Er gleicht gang dem Königstiger,“ fiel Woalgoth 
ein, „den Du im den letzten Circusſpielen dem Vollke gu 
Rom gezeigt. n 

Nie ſah ich ſolche Aehnlichkeit zwiſchen Menſch und 
Thier.“ 





265 





„Er wird div hod) willfommen fein — da ift er 
ſchon.“ 

Und vor dem König ſtand — Furius Ahalla, der 
Corſe. 

Er neigte das ſtolze, noch tiefer gebräunte Antlitz 
und legte die linke Hand auf die Bruſt. 

„Ich grüße dich, König der Gothen.“ 

„Willkommen, Weltumſegler, in Italien. Woher 
fmmft put . - 

„Von Tyrus.“ 

„Und was führt dich zurück?“ 

„Das, o König, kann id nur dir vertrau'n.“ 

Auf einen Wink Totila's verließen die Andern das 
Belt: da: faßte ver Corſe in fiebernder Erregung ſeine 
beiden Haände. 

wo ſage ja, fage ja: mein Leben — mehr als mein 
Leben hängt daran!“ 

was meinſt du?“ fragte der König, mit unwilligem 
Staunen zurück tretend. 

Die heiße, wilde, haſtige Art des Mannes war 
ſeiner Natur ſehr entgegen. 

„Sage ja: du biſt mit des Weſtgothenkönigs Agila 
Tochter verlobt — Valeria iſt frei?“ 

Der König furchte die Stirn und ſchüttelte zürnend 
das Haupt: aber ehe er ſprechen konnte fuhr der Corſe 
in heftiger Erregung fort: 

„Staune nicht — frage nicht! 

Ja: ich liebe Valeria mit aller Gluth: faſt haß' ich 
ſie — ſo lieb' ich ſie. 


260 


Narſes Hand gefallen, getödtet oder auger Land gefdafft 
waren. 

Es waren alfo nicht mehr als etwa fünfzig Tauſend⸗ 
ſchaften, welde König Totila der doppelt ftarfen Macht 
ver Feinde bet Tagind entgegen führte. 

Als Gethegus vies Zahlenverhältniß dem Oberfeld⸗ 
herrn vorrechnete, ſagte dieſer: 

„Mein großer Freund Beliſar hat oft mit der Min⸗ 
derzahl geſiegt, iſt aber noch öfter von der Mehrzahl, 
wie billig, geſchlagen worden. Ich, Narſes, habe meinen 
Ruhm nur darin geſucht, jedesmal zu ſiegen, obzwar 
nicht mit der Minderzahl: und dieſen beſcheidneren, 
aber zweckmäßigeren Ruhm hab' ich erreicht. Er wird 
mir aud diesmal nicht entgehn.“ 

Auch in dem Lager der Gothen erkannte man die 
Ueberlegenheit der Byzantiner: es fehlte nicht an Stimmen 
in des Königs Kriegsrath, welche die offne Feldſchlacht 
zu vermeiden und den Rückzug in die noch von den 
Gothen beſetzten Städte, ein Hinſchleppen des Kampfes 
durch zähe Vertheidigung riethen. 

Aber der König verwarf dieſen Rath aus guten 
Gründen und beſchloß, bei Taginä zu ſchlagen. 

Mit banger Ahnung hatte Valeria allmälig errathen. 
daß die Entideidung gerade hier fallen werde, tn dem 
Thal ihrer Sorgen und Schmerzen. 

Der Kinig hatte aud ven übrigen, vas Volléheer 
begleitenden Frauen, darunter den Neuvermalten Gotho 
und iuta, das Kloſter und die Capelle auf den beiden 
Hügeln im Rücken des Heeres bei „ſpes bonorum“ als 


261 


ben angemeffenften und ſicherſten Wufenthalt angewiefen: 
— felbft im Fall des Sieges der Feinde gewährten diefe 
latholifdjen Cultftatten gegenüber den fatholifden Uebers 
windern nod) am eheſten Schutz. 

Das Lager de Königs und die durch daffelbe ges 
dedten Gebiete wurden aber taglid) mehr angefiillt von 
Angehsrigen des Gothenvolls jedes Alters und Geſchlechts, 
weldje aus den von Narſes bedrobten oder durchzognen 
Gegenden nad Silden flitchteten: denn das furdtbar. 
Syftem der Ausrottung alles gothifden Lebens, welches 
ver Gewaltige verfolgte, war alsbald fdredlid) befannt 
worden und jagte die entfebten Gothen in banger Vere 
zweiflung auf, bevor aud über fie hin dev eherne Wagen 
ver Austilgung rollte. 

Gie erfannten, dak ein Vernidtungstrieg gegen ihr 
gefammtes Volfsthum, nidt nur ein politifder Streit 
bier gefithrt werde: nicht nur die gotbhifden Krieger, alle 
Tropfen gothifden Blutes waren die von Narſes bedrohten 
Feinde. 

Dazu kam, daß nun auch die Italier dieſe Natur 
und Abſicht des jetzt erneuten Kampfes erkannten: und 
nun brach auch in ihnen der alte Barbarenhaß, der 
Gegenſatz des Blutes und des Glaubens, wieder aus: 
die Verſöhnung nach der Kriegsnoth und durch die Milde 
des Friedenskönigs war erzwungen und künſtlich, — die 
Ausnahme — geweſen: nun kehrte das Natürliche, die 
Regel, der Haß wieder. 

Ueberall, wo ſie fic) durch die „Romäer“ geſichert 
glaubten, zeigten dieſen die Italier die Wohnſtätten oder 


262 


Berftede der gothifden Familien an oder lieferten fie 
gleid) felbft in vie Gefangenfdaft. 

So alfo war e8 nidt mehr möglich, wie in dem 
belifarifdjen Feldzug, daß vie Gothen-Siedelungen fic 
por der vorüber braufenden Woge ves Krieges duckend 
verbargen und, nachdem fie weiter geftiirmt, ſich wieder 
empor ridjteten, wie Halme nad dem Gewitterwind: — 
nein, fo weit Narſes fam, fam der Gothenuntergang 
unb, war er weiter gezogen, war inter ihm ansgetilgt 
pas Gothenthum. 


So wurde denn, was nod) flüchten fonnte, was ents 
ronnen war vor der wandelnden Mauer der Vernidtung 
oon Norden nad) Silden in ves Kinigs Lager gedringt: 
e8 nabm ver Srieg den Charakter der alten Kämpfe 
eines Wandervolfes an, deſſen Gefdhid an Schlacht 
und Lager gebunden war: die Wagenburg der inein⸗ 
ander gefdobnen Karren, weldje die Belte trugen, die 
einzige Heimath: es war nidt mehr die Vertheidigung 
eines vom Feinde bedrohten Landes und der friedliden 
Einwohner purd ein Heer: venn aufer dem Lager des 
Königs und dem von diefem gededten Lande gab es 
feine ®othen mehr in Stalien. 

Lotila liek, fon um der Hungergefabr gu ftenern, 
welde die Anhäufung folder Maſſen Volfes in und 
hinter dem Lager berbeifiihren mugte, die unwehrhafte 
Menge weiter nad dem Süden fithren und vertheilen. 


Als den Konig auf einem Crfundungéritt über vie 
Höhen dicht an ver ,fpes bonorum” voriiber der junge 


263 


Herzog Adalgoth jenes Abends erinnerte, da fie zuerſt 
die Capelle beſucht, lächelte jener: 

oa wohl: da ich thir die Grabesftatte wablte bet Muma 
Pompilius. 

Nuun gut: falle ich hier, habt ihr mich nicht weit gu 
tragen.“ 

Uber im Grunde ſeines Herzens war ver König 
nicht ohne Gorge über den Ausgang ver bier ſich lang⸗ 
ſam vorbereitenden Schlacht. 

Ihn beunruhigte der Mangel an Reiterei: der 
größere Theil ſeiner Berittnen ſtand bei den Truppen 
von Guntharis und Grippa. 

Den tapfern Langobarden im Lager des Narſes hatte 
der König keine an Zahl entſprechende Waffe entgegen 
zu ſtellen. 

Aber gerade dieſem Mangel ſchien das alte Glück des 
Königs abhelfen zu wollen. 


Siebenundpwansigfes Capitel. 





Yn vem Gothenlager gingen ſchon feit mehreren 
Tagen dunfle Geriidhte von der Unnabherung neuer Hiilfs- 
Scharen von Often her, weldje gugewanderte Gothen 
melbeten. . 

Der König wußte oon feinem Zuzug aus fener 
Richtung und fandte deßhalb vorfidtig, einem etwaigen 
Glantenangriff der Byzantiner yu begegnen, Graf Thoris⸗ 
muth, Wifand, den Bandalarius, und den jungen Adal: 
goth mit einigen berittnen Gajonen auf Kundfdaft aus. 

Aber am Tage darauf fdon famen diefe zurück und 
Graf Thorismuth ſprach frohen Angefidhts, da er mit 
Adalgoth in das Belt ves König trat: 

„Ich bringe dir, o König, einen alten Freund gur 
rechten Stunde.“ 

„Er gleicht gang dem Königstiger,“ fiel Woalgoth 
ein, „den Du in den letzten Girensfpielen dem Bolle gu 
Rom gezeigt. n 

Nie ſah ich ſolche Aehnlichkeit zwiſchen Menſch und 
Thier.“ 


265 





„Er wird dir body willfommen fein — da ift er 
ſchon.“ 

Und vor dem König ſtand — Furius Ahalla, der 
Corſe. 

Er neigte das ſtolze, noch tiefer gebräunte Antlitz 
und legte die linke Hand auf die Bruſt. 

„Ich grüße vid, König ver Gothen.” 

„Willkommen, Weltumſegler, in Italien. Woher 
kömmſt put 

„Von Tyrus.“ 

„Und was führt dich zurück?“ 

„Das, o König, kann ich mur dir vertrau'n.“ 

Auf einen Wink Totila's verließen die Andern das 
Belt: da faßte der Corſe in fiebernder Erregung ſeine 
beiden Hande. 

wo ſage ja, ſage ja: mein Leben — mehr als mein 
Leben hängt daran!“ 

„Was meinſt du?“ fragte der König, mit unwilligem 
Staunen zurück tretend. 

Die heiße, wilde, haſtige Art des Mannes war 
ſeiner Natur ſehr entgegen. 

„Sage ja: du biſt mit des Weſtgothenkönigs Agila 
Tochter verlobt — Valeria iſt frei?“ 

Der König furchte die Stirn und ſchüttelte zürnend 
das Haupt: aber ehe er ſprechen konnte fuhr der Corſe 
in heftiger Erregung fort: 

„Staune nicht — frage nicht! 

Ja: ich liebe Valeria mit aller Gluth: faſt haß' ich 
fie — fo lieb' id fie. 


266 _ 





Ich warb um fle vor Babren. 

Sd erfubr, fie fet bein — vor div trat ih zurück: 
— erwiirgt batt’ id) jeden Andern mit diefen Gander. 

Ich eilte fort: ich ſtürzte mid in Indien, in Aegypten 
in neue Gefabren, Abentener, Schreckniſſe, Genitffe. 

Umfonſt. 

Ihr Bild blieb unverwiſcht in meiner Seele. 

Höllenqualen der Entbehrung erlitt ich um ſie. 

Ich dürſtete nach ihr wie der Panther nach Blut. 

Und ich verfluchte ſie, dich und mich. 

Und ich wähnte, längſt ſei ſie dein geworden. 

Da traf ich im Hafen von Alexandria auf weſt⸗ 
gothiſche Schiffe aus Spanien und die Mtinner, alte 
Handelsfreunde von Valerius und mir, erzaͤhlten von 
deiner Erhebung zum König: und als ich nad Valeria, 
deiner Königin, frug, betheuerten fie, du ſeiſt unvermablt : 
und fie fitgten bet, ihr König Agila habe dir feine 
Tochter und ein Waffenbündniß angetragen gegen Byzanz: 
du habeft das angenommen. 

Aber vor Alem, widerholten fie — ja fie beſchworen 
€8, da id) gweifelnd in fie Drang — du feieft unver⸗ 
mablt: und deine frithere Braut, Baleria, die ihnen 
febr wohl befannt, lebe einſam gu Tagine. 

wdaleria fret!" jauchzte alles in mir anf. 

Noch diefelbe Nacht lichtete id) die Anker meiner 
Schiffe, nad Stalien zu eilen. 

Auf der Hohe wor Rreta ſtieß ich auf ein ftattliches 
Geſchwader. 

Es waren perſiſche Reiter, welche Juſtinian geworben 


267 


und anf Rauffahrteifdiffen nad Stalien gegen did) fenden 
wollte unter ihrem Hauptling Isdigerdes, meinem alten 
Befannten. 

Von ibnen erfubr id), mit weld)’ gewalt’ger Macht 
Narſes dich bedrohe. 

Und nun, König Totila, beſchloß ich, die alte Dankes⸗ 
ſchuld zu zahlen. 

Es gelang mir, indem ich das Doppelte bot, Isdigerd 
und feine Reiter — es find ganz auserleſne Scharen, — 
in meinen Sold zu gewinnen, und ich führe ſie dir zu: 
wie ich von deinen Grafen höre, zu höchſt erwünſchter 
Verſtärkung: es find mehr als zweitauſend Pferde.“ 

„Sie find ſehr willkommen,“ ſprach Totila erfreut, 
wid) dante dir.“ 

„Daß bu nod) unvermablt, ward mir beftatigt,’ 
fubr ber Gorfe fort — ,aber — fie fagen — Baleria 
fet nicht fret — fie fet nod) tmmer —: id wollt’ es, 
fonnt’ es, fann es nidt glauben — fann nidt die Hoff- 
nung — nein, nein ſchüttle nidt das Haupt: — id 
beſchwöre dich: fage ja, fie ift fret.” — — 

Und wieder griff er nad ves Königs Handen. 

Uber diefer madte fic los, nicht ohne Reiden des 
Bornes. 

„Noch immer die alte, verderblide, unbändige Gluth! 
Wann erfaltet diefe Lava? 

Nod immer — ja, ver Sanger hat Recht — die 
unbeimlide Art ves Tigers — man fann jeden Augen: 
blid den Sprung im Maden fpitren.” 


268 





„Predige nidt, Gothe,“ zürnte der Corfe, „ſage 
ja oder nein — ift Valeria —? 

mein ift Valeria,” fagte beftig ber Konig, ,amein 
jest und ewig.“ 

Da ſtieß ver Gorfe einen Schrei ves Schmerzes, 
de8 Gngrimms aus und fdlug fic) beide Faufte mördriſch 
an die Stirn. 

Dann warf ev fic) auf bas Felbbett ves Reltes, 
ſchüttelte den Kopf auf ven Kiſſen hin und her und fief 
ein dumpfes Stöhnen aus. 

Cine Weile fah ihm Totila mit fdweigendem Stan- 
nen 3u: enbdlid) trat er gu ihm und hielt feine Redte 
feft, die feine Bruſt zerhämmerte. 

„Faſſe did) dod! bift du ein Mann oder ein pfeil- 
munder Cher? 

S(t das manneswiirdig, menſchenwürdig? 

Sd dächte: du haft es mit Schmerzen gelernt, wobin 
fie führt, deine finnlofe Wuth.“ 

Laut fdreiend fubr Whalla auf, die Hand am Dold. 

„Ah, du bift e8, der fo fprad) — der mid mahnt. 

Du allein darfft es — du allein fannft es! 

Aber id) fage dir: — thu’s dod) nicht wieder. 

Sd fann e8 aud von dir nicht tragen. 

O bu follteft nicht fchelten: beklagen follteft du mich. 

Was wikt ihr Nordlandherzen von der Gluth in 
dieſen Adern! 

Was ihr lieben nennt iſt mattes Sterngeflimmer. 

Mein Lieben iſt brennendes Feuer — ja Lava, du 
haſt Recht — wie mein Haß. 


~ 





269 


Wußteſt nu, wie ich um fie gelitten, wie id) aufges 
glüht in Hoffnung, wie ich dich fegnete und fiebte und 
Feun — Wiles dabin.” 

Und abermals begann er zu toben. 

Ich faſſe did) nicht," ſprach Totila ftreng, im Belte 
cauf und nieder fdreitend und den Tobenden ſich felbft 
Aberlaſſend. 

„Du haſt eine niedre Art vom Weib zu denken.“ 

Totila!“ drohte ver Corfe. 

Ja, eine niedre, gemeine Art. 

Wie von einer Ware, einem Roß etwa, das der 
Zweite haben kann, wenn es der Erſte nicht feſt hält. 

Hat ein Weib keine Seele? nicht Willen und Wahl? 

Und wähnſt du denn, wenn ich wirklich mit einer 
Andern vermählt oder geſtorben ware, glaubſt pu denn, 
Valeria würde dann ohne Weiteres dein? 

Wir ſind doch ſehr verſchieden von Art, Corſe. 

Und ein Weib, das Totila geliebt, wird ſchwerlich 
fich tröſten mit Furius Ahalla.“ 

Wie vom Blitz getroffen fuhr der Corſe empor. 

„Gothe, du biſt ja ſehr ſtolz. 

Solder Hochmuth war dir früher fremd. 

Hat dich der goldne Reif ſo ſtolz gemacht? 

Du wagſt es, auf mich herab zu ſehn? 

Das trage ich von keinem Mann — auch nicht 
von dir. 

Nimm zurück, was du da geſagt.“ 

Aber Totila zuckte die Achſeln. 

„Die Eiferſucht, die blinde Wuth verwirrt dich. 


270 





Ich habe gefagt: wer mich liebt, wird nidt, nach mir, 
vid) lieben. 

Und das ift fo wahr, daß ſelbſt deine Wildheit es 
einſehen muß. 

Denke dir Valeria, die ſtreng verhaltene, marmorne, 
veſtaliſhe — und deine maßlos ungezähmte Art. 

Valeria iſt tein weiches Syrerkind wie jene Bod.” 

„Nenne den Namen nicht,“ ſtöhnte ver Corfe. 

Valeria ſcheut deine Wildheit: — ſie hat mir ſelbſt 
einmal geſagt —: Grauen flößeſt du ihr em." 

Da ſprang Furius hinzu und faßte des Königs beide 
Schultern mit den Händen. 

„Menſch — du haſt ihr geſagt? Haſt ihr jenes 
Unheil aufgedeckt? Du haſt? — Dann ſollſt du nicht —“ 

Aber Totila ſtieß ihn jetzt unſanft zurück. 

„Genug dieſes unwürdigen Tobens. 

Nein: ich habe es ihr nicht geſagt —: bis jetzt. 

Aber wohl hätteſt du's verdient. 

Noch immer, nad ſolcher Erfahrung“ — — 

„Schweige davon,“ drohte der Corſe. 

„Ohne Gewalt über dich in Liebe, Haß und Zorn. 

Du packſt deinen Freund an wie ein Raſender, wie 
ein Raubthier. 

Wahrlich, kennte ich nicht den edeln Kern in dir — 
dieſe Wildheit hätte mich längſt von dir abgewendet. 

Mäß'ge vid) oder verlaſſe mid.“ 

Und ber König heftete feinen leuchtenden Blick ftreng, 
nit ohne den Ausdruck überlegner Hobbeit, auf den 
Corfe. 


271 





Diefen Blick ertrug ver Leidenfdhaftliche nicht. 

Er bededte die Augen mit der Hand und ſprach nach 
einer Pauſe mit gebrodner Stimme: 

„Verzeih mix, Totila. Es ift vorbei. 

Uber widerhole nidt jenen Ton, jenen Blick. 

Gr hatte mid in jener Schreckensnacht mehr gebän⸗ 
digt als dein Arm. 

Ich ſcheue und haſſe ihn durcheinander. 

Bur Sühne, wenn id did) verletzt, will ich morgen 
ſelbſt deine Schlacht mit Kimpfen, an deiner Seite,’ wie 
meine Reiter." 

„Sieh, das ift dein edler Kern, Furius,” fprad der 
Konig, „daß du trotz deiner Enttdufdung vein Geſchenk 
erfüllen willft. 

Ich danke dir nochmal. 

Deine Hiilfe, deine Reiterſchar macht mir die Durd- 
führung eines treffliden Schlachtplans möglich, auf der 
id) feufjend hatte vergicten miiffen, aus Mangel an 
Roſſen.“ 

„Deine Feldherrn, die du zum Kriegsrath entboten,“ 
meldete ein Sajo, „harren vor dem Zelt.“ 

„Führe fle ein! Mein, Furius: du bleibſt und hörſt 
Wes mit an — deine Aufgabe tft vie widhtigfte nad) 
ber meinen.” 

„Ich bin ſtolz darauf und werbe fie löſen, dag du 
gufrieden fein follft mit dem „Raubthier“. 


Adtundswansigftes Capitel. 





Gs verfammelten fid) nun um den Konig ber alte 
Hildebrand, Graf Teja, Graf Wifand, Graf Thorismuth 
Graf Markja, Aligern und der junge Herzog von Apulien. 

Totila wies anf die Wand des Reltes: dort Hing 
die von ihm felbft mit tundiger Hand gezeichnete Ueber⸗ 
fidt ver Gegend von Taginä: die Grundlage bildete vie 
römiſche Strafenfarte des Picennms, zumal der Bia 
flaminia: auf diefer hatte er die widhtigften Oertlichkeiten 
eingetragen. 

„Gern, meine Helden,” hob er an, „würde id, nah 
alter Gothen Weife, einfad im Keil auf ven Feind los⸗ 
ſtürmen und fetn Derg gu durchſtoßen ſuchen. 

Aber den größten Feldherrn des Jahrhunderts, an 
ber Spite eines doppelt ftarten Heeres, im einer felbft 
gewablten, vortreffliden Stellung. ſchlagen wir nicht mit 
unfrer von Odhin ftammenden einfAltigen Weisheit,“ 
lächelte er. | 

„Erzürne nidt den Sieges-Gott durch Spott aw 
Lage vor der Schlacht,“ warnte der alte Hildebrand. 

Uber Totila fubr fort. 


273 


„Wohlan denn: laß feben ob ver große Stratege, der 
@ermanen durch Germanen fadlagen will, nicht durch 
feine eignen Mittel gu verderben iit. 

Die Entſcheidung ves Tages fallt hier, im Herzen 
ber beiden Stellungen, bet Tagina. | 

Die beiden Flügel haben nur hin gu halten. 

Du, Hildebrand, übernimmſt unfern linfen Flügel: 
gegenitber Cugubium: id gebe divx zehn Taufendfdhaften : 
dort der Wald und pas Flüßchen Sibola, das da in 
den gréferen, den Clafius, miindet, geben dir gute 
Dedung. 

Defgleidhen vir, Teja" — er ftand bart an feiner 
Schulter — ,auf dem rechten Flügel, mit fünfzehn 
Tauſendſchaften, ver Berg rechts hinter Capra, der faft. 
bis an den RKofterberg der BValerier und an das Grab 
des Numa ſtößt.“ 

O laß mich, mein König, morgen hart in deiner 
Nähe, an deiner Schildſeite, fechten. 

Ich hatte einen finſtern Traum,“ fügte er leiſer bei. 

Mein, mein Teja," erwiderte Totila, „nicht nad 
Traumen wollen wit unſern Schlachtplan ordnen. 

Shr follt beide gu fechten genug befommen, fobald 
vie Entſcheidung hier, im Herzen, gefallen. 


Denn hier” — und er deutete mit dem Finger auf 
pen Raum gwifden Capra und Taginä — „ich fag’ es 
nod) mal: | 


Hier liegt vie Entſcheidung. 
Deßhalb habe id) vie volle Halfte unſres Heeres, faft 


Dabn, Cin Kampf um Rom. 1V. 18 


274 





fünfundzwanzig Tauſendſchaften, hier in das Mitteltreffen 
geftellt. 

Im Herzen von Narfes Aufftellung ftehen vie Heruter 
unt — feine befte Schar — die Langobarden. 

Gr anvert ta8 nicht mehr: denn frither wohl, als 
id, ver ,Barbar’, hat der groke Schlachtenrechner es 
erfannt, Daf diefer Zag durd das Gefedht der Mitten 
entſchieden wird. 

Nun habt wohl Acht. 

Ich fenne die Langobarden, ihre Rampfgier, ihren 
Reiter⸗Ungeſtüm. 

Darauf bau’ id) meinen Plan: wenn Navfes uns 
durch Germanentraft vernidten will, fo foll er durch 
Germanen: Febler erliegen. 

Mit meinen wenigen gothifden Reitern ſchwärme 
id von Capri aus gegen die Langobarden, die vor Hels 
villum ftehn, res Narfes ftarfes Mittellager. 

Sie werden nicht faumen, fic mit ihrer Uebermacht 
auf mid) gu ſtürzen. . 

Sofort, durch ihren Anprall fcheinbar geworfen, jage 
id) in ordnungsloſer Flucht zurück auf Capri gum Nord⸗ 
thor herein. 

Das Nordthor laß ich gwar hinter uns fdltegen. 

Sonft ſchöpfen fie Verdacht. 

Aber nicht verthetdigen. 

Und ſchlecht fenne id) die Langobarden, wenn fie 
nidt, in itbermitthiger Verfolgungsluft des ReiterS, die 
luftige Hetze fortfegen, weit voran vem langfam folgen: 
Den Fußvolk. 


275 





Ich weiß gewiß, fie reißen vie Thore auf und jagen 
uns durd) Capra bindurd, nod) zum Südthor hinaus: 
auf bas freie Feld zwiſchen Capra und Taginä — hier. 

Aber fury vor Taginä wird die flaminiſche Strafe 
gu beiden Seiten von zwei walvigen Hügeln itberragt : 
vem collis nucerius rechts, dem colli elaſius links — 
febt thr? ba. | 

Auf vtefen Hitgelfronen, im dichten Wald verftect, 
liegen unferes vortreffliden Corſen treffliche Reiter im 
Hinterbalt: und fowie die Langobarden heran find, zwi— 
fen den betden Hiigeln, — dann wend’ id) mid) aus 
ber verftedten Flucht gu ernftem Angriff auf der flami- 
niſchen Straße felbjt. 

Das Heerhorn bläſt zum Reiter⸗Stoß. 

Auf vies Zeichen brechen deine Reiter, Furius, zu— 
gleich von beiden Seiten auf die Langobarden, und* — 

„Sie ſind verloren!“ jubelte Wiſand, der Banda— 
larius. 

„Aber das iſt nur die erſte Hälfte,“ fuhr Totila 
Fort. 

„Narſes muß entweder feines Heeres Blithe ver- 
Loren geben” — 

„Das thut er nicht,“ fagte Leja rubig. 

„Oder mit feinem Fußvolk nachrücken. 

Sn ven Häuſern von Capra aber halte ich unſere 
Dogenfditgen, in denen von Taginä unfere Speertrager 
werborgen: und wenn ded Narſes Armenier zwiſchen 
wen beiden Staten in den Reiterfampf eingretfen wollen, 
woerden fie von hinten und von vorn zugleich von dem 

18* 


276 





aus den Thoren bredenden Fußvolk angegriffen: du, 
Wiſand, befehligft in Capré, du, Thorismuth, in Tagina. 

„Ich midjte morgen fein angobarde fein, meinte 
ver Gorje. 

Lange Barte und kurze Freuden werden fie haben’ 
ladjte Woalgoth.“ 

„Kein Mann von den Armeniern entfommt," fprad 
Marka. 

Ja: — wenn der Plan gelingt,” flog Teja. 

wiht aber, Hildebrand und Leja, fo wie ihr das 
Fußvolk des Narſes aus Helvillum gegen Capri vor⸗ 
brechen febt, zieht euch mit euven der Mitte nadften 
Scharen ebenfalls gegen Caprä — nur foviel zur Vers 
theidigung eurer Flügel erforderlich, lat dort fteben — 
ihr helft uns fo, das WMeitteltreffen zermalmen: dann 
wenden wir uns gegen die beiden Fliigel und leicht find 
fie nad) links und rechts hin auseinanter geriffen: denn 
ohne Helvillum haben fie keinen Halt: thre groge Bahl 
felbft wird ihnen binbderlich in jenen Engen, wenn wir 
fie von Gelvillum her in ver Flanke faffen.“ 

Der alte Hildebrand ſchüttelte dem König vie Redte. 

„Du bift Odhins Liebling,” fliifterte er ihm in’s 
Ohr. 

„Schlimm,“ antwortete der König, ebenſo leiſe, mit 
Lächeln, „du weißt: zuletzt verſagt der von Odhin ges 
ſchenkte Speer und der Siegesgott nimmt ſeinen Liebling 
hinauf nach Walhall. — Nun, lebt wohl, meine Helden!“ 

Nachdem die Feldherrn das Zelt verlaſſen, zögerte 
der Corſe noch an der Thüre. 


J 





277 





Um eine Gunft nod) hab’ ich did) gu bitten, König. 

Wenn morgen deine Schlacht gefdlagen und gewonnen, 
geh’ id) in See — auf Nimmerwicderfehr. 

Laß mid) zuvor nod) Ubfdhied von ihr nehmen, ein 
letztes Mal ihr Bild mir in die Ceele prägen.“ 

Aber der Konig furdte die Stirn. 

„Wozu das? Es fann nur did) quilen und fie.“ 

„Mich beglitdt es. 

Und du — bift du gu netdifd) oder am Ende gar zu 
Gngftlid, Andern aud) nur zu zeigen, was du befigelt? 
Bift pu eiferfiichtig, König ver Gothen 2” 

„Furius!“ rief der König verlest und im Innern 
erbittert iiber ded Corſen ganzes Wefen. Geb, fuche fie 
auf: — und itberzeuge dich, wie fern du ſtehſt ihrer Art.“ 


Uennundwanzigſtes Capitel. 





Faſt zur gleichen Zeit, da der gothiſche Kriegsrath 
ſeine verhängnißvollen Beſchlüſſe faßte, ließ ſich Narſes, 
der wieder ſchwer an den epileptiſchen Anfällen gelitten 
hatte in dieſen Tagen, in ſeiner offnen Sänfte, umgeben 
von ſeinen Heerführen, von ſeinem Zelt in Helvillum 
aus auf einen Hügel tragen vor ſeinem Mitteltreffen, 
von wo das geſammte Gefilde, das heute Gualdo Tadino 
heißt, zu überſchauen war. 

„Hier,“ ſagte er, mit ſeiner Krücke aus der Sänfte 
deutend, „hier, zwiſchen Caprä und Tagind fallt die 
Entſcheidung. 

Hätteſt du dod Taginä, oder ſelbſt Capra nur nod 
befegt, Cethegus.“ 

„Der ſchwarze Leja fam mir um drei Stunden gus 
vor,” fagte dieſer. 

„Es giebt feine folde Bertheidigungsftellung gegen 
Uebermacht auf der ganzen flaminifden Strafe mehr 
bis Rom,” fubr Narfes fort. 

„Meiſterhaft haben vie Barbaren diefe Stellung gee 
wablt. 


279 


Gewannen fie jene Hiigel nicht, fo ergoß ſich unfer 
Heer unaufbaltbar fort bis Rom. : 

Nun habt Acht auf jedes meiner Worte — das 
Spreden wird mir nidt leicht — Narſes ſagt nichts 
zweimal. — Yun, Langobarde, was finneft du?“ 

Und er rührte mit ver Rritde an Alboins Sdhulter, 
der wie vergiidt in die Landfdaft binaus geblidt hatte. 

„Ich?“ fagte diefer auffabrend aus feinen Craumen, 
wd finne, wie wunderbar reid) und ſchön dies Land, 
welder Segen ringsum! Es ift pas Weinland unfrer 
Lieder.“ 

„Du follft dich nicht laſſen geliiften deines Nächſten 
Italien und alles was fein iſt,“ fagte Narſes mit der 
Krücke drohend. „Die Traube Stalia, Fuchs AWlboin, 
hängt ſehr hoch.“ 

„Ja: fo lang du lebſt, iſt fie ſauer,“ ſprach der 
Langobarde. 

Einſtweilen lebt ex noch, der Gothenkönig, deſſen 
Erbe du antreten willſt,“ mahnte Narſes. 

„Alſo, mein Plan. 

Du, Oreftes, nimmſt mit Zeurxippos den linken 
Sliigel bet den ,Grabern ver Gallier“ (busta Gallorum), 
gegenitber bem hohen Waldberg mit den weißſchimmernden 
Rloftergebauden.“ 

„Woher rührt der Jame? frug Alboin. 

„Hier fdlug,“ antwortete Cethegus, ver Römer⸗ 
Conſul Decius, fic) dem Tode weihend fiir das Bater: 
land, der Gallier ungeheure Uebermadt. Der Boden 


280 





ift beilig und von guter Vorbedeutung fiir Rom und," 
ſchloß er bitter, gegen alle Arten von Barbaren.” 

„Wann war vase" forſchte Alboin weiter. . 

„Im Jahre vierhundert acht und fünfzig der Stadt. 

„Das ift lange her, meinte ver Langobarde. 

Narſes aber fubr fort: 

Du, Johannes, übernimmſt mit Valerianus und 
Dagifthaos ven rechten Fliigel bet Eugubium gegenitber 
vem Fluß Clafius und vem Flüßchen Sibola. 

Shr haltet end) ganz rubig, bis hier in vex Mitte 
vie Entfdheidung gefallen: alsdann, — denn wer Ueber⸗ 
madt hat und fie nicht zur Ueberfliigelung braudt, verdient 
nidt, fie gu haben — dann ſchwenkt ihr von betden 
Seiten ein — ihr reidjt ja weit über die ſchmale Stirnlinie 
per Barbaren hinaus — und ihr ſchneidet thnen mit gus 
ſammenſchlagendem Neg den Rückzug nad) Rom ab: ener 
Bufammentreffen ift auf der flaminifden Strafe öſtlich 
hinter Tagind, in ver Mahe von Nuceria Camellaria. 

Gelingt das, fp ift ver Krieg gu Enve mit einem 
Slag.” 

„Schade,“ meinte Wlboin. 

oa, dit blutet dads Herz nicht, mein Wölflein, wenn 
tu des Kaiſers Btalien recht Lange zerfleiſchen fannft: 
aber mir: nidt viele Schlachten gewinnen, das ift Freund 
Belifars Vergnügen — viele Feldgitge mit Einem 
Schlag beenden, das ift meine Art. 

Erſt aber, eh’ ihr überflügeln fonnt auf den Flanten, 
mug hier in der Chne die Blutarbeit gethan fein: id) mug 
Capra und Taginä ftiirmen: wenn fie flug ſind die 


281 


Barbaren, zeigen fle fid) nicht auf vem freien Feld vor 
Capra: dort wiirden meine Wölfe fie niederrennen: nicht 
wahr, mein Wolfstinig 2 . 

„Ein pradtiger Wiefenplan fiir die Reiterſchlacht:“ 
tief Alboin, ich fehe fie {chon zurück fliehen nach den 
Thoren von Capra.” 

„Sie werden dir den Gefallen nicht thun, mein 
Wölflein. 

Keinesfalles aber unterſtehſt du dich, mit deinen 
Reitern Capra angugreifen.“ 

oo,” meinte Alboin, ,wir find gewöhnt, abjufpringen 
und zu Fug yu Limpfen, wenn’s von Nöthen. Die 
Rößlein bleiben lammfromm ftehen und fommen auf den 
Pfiff im Trabe nad.” 

Cin heftiger Krampf ſchüttelte Narfes: feine Biige 
verzerrten fid. 

„Langbart,“ fprad er, als er wieder feiner mächtig 
geworden, ,drgere mid) nicht. Aerger und Schreck bringen 
mir das böſe Schütteln. 

Wenn vu wagſt, Caprä anjgugreifen, ehe mem Fue 
volt ganz heran ift, ſchicke ich dic) nad der Schlacht 
nad Haufe.” — 

„Das ware allerdings die hartefte Strafe.” 

„Du, Anzalas, fiihrft das armenifde Fußvolk und du, 
Cethegus, das illyriſche, fammt deinen trefflicen ifau- 
riſchen Söldnern, zum Sturm auf Capra und Tagind. 

Sch folge mit ver Maſſe ver Makedonen und ver 
Gpiroten nad." 


Abermals ritttelte den Feldherrn ein Schauer. 


282 


„Ich fitrdte, morgen fehrt das Uebel ftarfer wieder. 

Du, Libertus, vertrittft pann meine Stelle, bis id 
wieder fpredjen und befeblen fann.“ 

Gethegus furdjte die Stirn. 

„Ich hatte dir, Prafect," fligte Narfes, vies bemerfend, 
bei, „die BVertretung itbertragen: aber du wirſt nicht 
müſſig in Helviflum zuſehn wollen: ich brauce dich und 
vein gefiirdtet Schwert beim Sturm der beiden Städte.“ 

„Und wenn ich dabet falle,” lächelte Gethegus, ,,wird 
Tes Kaiſers Feldherr den Verluft überleben.“ 

„Wir find alle fterblid,“ ſprach Narfes, „o Prifect : 
unfterblid) find nur wenige — nad threm Zod." 


Dreißigſtes Capitel. 


An vem Abend deſſelben Tages erging fid) Valeria 
in Dem ummauerten Garten des Rlofters unter Thuien 
und Cypreſſen. 

Sie wufte oder abnte, daß die fang erwartete Schlacht 
morgen bevorftand. 

Und ihr Herz war bang. 

Sie beftieg ein Thürmchen an der Ede ver Gartens 
mauer, 3u weldem eine gewundene, ſchmale Marmor⸗ 
Treppe emporfithrte. 

Bon hier aus fonnte fle das ganze Thalgefilre über⸗ 
ſchauen, in weldem morgen die Entſcheidung itber Staliens, 
liber iby eignes Gefdid fallen follte. 

Sm Weften, ihr gegenitber grade, weit hinter dem 
Glafius-Fluffe, verfanf die Sonne in blutrothen Wolken. 

Sm Norden lag vas langgeftredte, tiefe Lager des 
Narfes mit feinen zahlloſen Belten aus dunkeln Fellen 
ind Hauten und geſchwärztem grobem Segeltud. 

Es zog fic) unabfehbar weit, pen ganzen Horizont 
unjpannend, von Bujta Gallorum im Often bis Cugu: 


284 





bium (das alte Sguvium) im Weften: e8 ruhte fdon 
in ſchwarzen, falten Schatten: drohend und ftill: wie bie 
Nothwendigkeit. 

Unmittelbar zu ihren Füßen ſchloſſen ſich die gothiſchen 
Zelte dicht hinter den kleinen Ort Taginä: die geringe 
Zahl erſchreckte das Auge der Jungfrau: doch hatte ihr 
Totila beſchwichtigend geſagt, ſeine Leute lägen großen⸗ 
theils in den Häuſern von Gapré und Taginä. 

Auch dieſe Niederung ruhte ſchon im Schatten. 

Nur auf ſie ſelbſt, ihre weiße Geſtalt, die ſich von 
den Zinnen der Thürme ſcharf abhob, auf die Höhe, wo 
das Kloſter ragte und ſeine Mauern, ſowie auf die noch 
etwas höher und öſtlicher gelegne Capelle bei dem Grab 
des Numa Pompilius, die ſpes bonorum, fiel noch voll 
und leuchtend der Widerſchein der ſinkenden Sonne. 

Lange blickte Valeria, ſchwerer Ahnungen voll, hinaus 
in die heute noch friedlich ruhende Landſchaft. 

Welches Anſehn würde fie wohl morgen um diefe 
Stunde zeigen? 

Wie viele Herzen, welche heute noc) trogig, freudig, 
heißblutig podjten, waren bid dabin ſtill und kalt. — 

So träumte ſie hinaus in den Himmel und in das 
Gefilde. — 

Sie beachtete es kaum, daß die Sonne längſt ge⸗ 
ſunken, daß es raſch dunkelte: ſchon brannten einzelne 
Wachtfeuer in beiden Lagern. 

„Wunderſames Gefdid,” ſprach die Jungfrau yu 
ſich ſelbſt. 





285 





„Fröhlich, fat vergeffen des Gelübdes, das mid an 
viefen Ort knüpft, lebe ich Jahre lang. 

Da ergreift mid plötzlich eine Hand aus den Wolfen 
und führt mid, wie mit zwingender Gewalt, bieher, an 
ven Ort meiner Beſtimmung, nidt meiner Wabl. 

Und nad bangem, tritbem Harren folge ic, wieder 
boffend, wieder diefen Mauern entrinnend, dem lockenden 
Ruf ves Freundes hinaus in vie Freude, in die Welt 
ver Glücklichen: id) vertauſche dieſe Grabesftille mit dem 
ranfdhenden Brautfeft in fener Königsburg. 

Und abermals fat mid, an der Schwelle der Chee 
feter, ploglid) die Hand ves Geſchickes, reißt uns We 
aus Freude und Subel und fithrt mid und den Ges 
liebten zur Entſcheidung — grade bieher, an den Ort 
meines BVerhangniffes. 

ft das eine Mahnung, eine Vorverkündung? 

Goll aud ven Freund, ver fein Geſchick an meines 
gebunden, bier der auf mir [aftende, unbetmlide Bann 
ergretfen ? 

Rann id) ihn davon löſen, wenn id ihm entfage? 

Goll er mit dafiir büßen, daß wir das Gelübde 
nicht erfüllt? 

Ach, der Himmel bleibt taub für die Fragen des ges 
Gngfteten Menſchenherzens. 

Er öffnet ſich nur, um zu ſtrafen: ſeine furchtbare 
Sprache iſt der Donner und ſeine Schichſalsleuchte ſein 
Zugleich zermalmender Blitz. 

Biſt du verſöhnt, du ſtrenger Gott des Kreuzes? 
oder forderſt bu unerbittlich die dir verfallne Seele ein?“ 


286 


Aus viefem Traumen und Ginnen wedte fie — 
fdyon war e8 ganz dunfel gemorden und der eben anf: 
fteigende Dtond warf nod wenig Licht in den Hod. 
gelegnen, ummauerten Garten — dev rafde Schritt eines 
Mannes, der haſtig nabte von dem Garten her: der 
Gand ver Gartenwege fnifterte unter feinen Füßen. 

Das war nidt Totila’s ſchwebender Gang. 

Die Jungfrau ftieg rie Marmortreppe herab und 
wollte fid) auf bem fdmalen Gang, der zwiſchen ren 
Cypreffen an der Dtauer hin fithrte, nad dem Haufe 
zu wenden: — da vertrat ihr der Nahende, der ihre 
weiße Geftalt erfannt hatte, pliglid) den Weg: er felbft 
im vdunfeln Mantel faum fenntlid) —: e8 war der 
Corfe. 

Sie erſchrak itber ven plötzlichen Anblid: wohl hatte 
fie von je des Mannes Leidenſchaft erfannt, aber mit 
Grauen, mit feltfamer Furcht. 

„Du hier, Furius Whalla! Was führt dich in 
viefe frommen Mauern?“ 

Cine Weile ſchwieg der Fremde. 

Sr athmete ſchwer und ſchien, ringend, nad) Worten 
zu ſuchen. 

Allmälig ſtieg das Licht des Mondes über die 
Mauer. 

Hell zeigte er bald der ſchönen Römerin edle Züge 
und Geſtalt. 

Endlich ſprach Furius abgeriſſen, mühſam. 

„Das Verlangen führt mich her — Abſchied zu 
nehmen, Valeria. 


287 


Abſchied für immer. 

Wir ſchlagen morgen eine blutige Schlacht. 

Dein — — König hat mir verſtattet noch einmal 
zu ſehen die — 

Dasjenige, was ich unter allen Männern nur ihm 
gönne. 

Over," fügte er leidenſchaftlich, heiß auf thre Geſtalt 
blickend und den Arm leiſe hebend, „gönnen ſoll, und 
doch nicht — gönnen kann.“ 

„Furius Ahalla,“ ſprach Valeria mit Hohheit zurück— 
tretend, — denn ſie hatte jene Armbewegung wohl be— 
merit — „ich bin deines Freundes Braut.“ 

„O ich weiß es — nur zu gut weiß ich es.“ 

Und er trat, ihr folgend, einen Schrit vor. 

„In meinem Herzen ſteht es eingeſchrieben mit der 
brennenden Schrift der Qualen. 

© id könnte ihn grimmig haſſen. 

Weßhalb ſchritt er — gerade er! — zwiſchen dich, du 
ſchönheitſchimmerndes Weib, und meine raſende Leiden> 
ſchaft? 

Jeden Andern würde ich zerreißen. 

Es iſt ſehr ſchwer, ihn nicht yu haſſen.“ 

„Du irrſt,“ ſprach Valeria — ,und nur um dir 
Dies gu fagen — hörte ich folde Sprache zu Ende. 

Hatte id) Totila nie gefehen — id) ware dod) nie 
Die Deinige geworden.“ 

Warum frug ver Corfe gereizt. 

Weil wir nidt zuſammen taugen. 


288 


Weil, was mid gu Totila hingieht, mich von dir bins 
weg reißt.“ 

„O du irrft! Es muß jedes Weib gewinnen, fid 
fo rafend, fo wüthend geliebt gu febn, wie ich did 
liebe." 

Deine Liebe — hatte mir Grauen eingeflspt — 
und nun [aR nud) in das Haus." 

Aber Furius verfperrte den ſchmalen Pfad mit feiner 
Geftalt. ; 

„Grauen? das ſchadet nicht. 

Süßes Grauen iſt die Mutter der Liebe. 

Es giebt verſchiedne Art zu lieben, zu werben. 

Mir hat von je zumeiſt ves Löwen Werbe⸗Brauch 
gefallen. 

Er (aft ver Braut nur vie Wahl zwiſchen Liebe oder 
Tov." 

„Genug diefer Worte, die dir gu fpreden, mir gu 
hören gleid) unziemlich ift. 

Laß mid) vorbei.“ 

„Ha, fürchteſt du dich, Veſtalin?“ 

Und er trat noch einen Schritt näher. 

Aber hohheitvoll maß ihn Valeria mit kaltem Blick 
der Verachtung. 

„Vor dir? Nein.“ 

„Dann biſt du allzu kühn, Valeria: denn du hätteſt 
allen Grund. 

Und wüßteſt du, was in mir lodert ſeit Jahren, 
kennteſt du die Folterqualen meiner Nächte — du würdeſt 
zittern. 


\ 289 





Ha: und könnteſt pu mid nidt lieben — aud) did 
gittern fehen wie jegt, dich gittern madjen, mare Wolluft.” 

„Schweig!“ rief Valeria und wollte fid) an thm 
vorüber durd die Baume prangen. 

Aber nun vertrat er ihr hier den Weg und griff 
nad ihrem Mantel — feiner Ginne faum mebr 
madtig. 

„Nein: ich will nicht ſchweigen,“ flitfterte er heiß. 

„Du follft es wenigftens wiffer und in dir nad: 
glühen fühlen, fo lang pu athmeft. 

Schon fühle id) Schauer vee Grauens durch deine 
ſtelzen Glieder rieſeln. 

Nicht abkürzen will ich mir die Wonne, dich erbeben 
zu ſehn. 

Ha, wie würdeſt du erſt zittern in dieſen Armen, 
wie würde dieſe ſtolze Geſtalt hinſchmelzen unter dem 
heißen Hauch meines Mundes — 

Wie ſollteſt du mir’ — 

Und er ergriff die Widerſtrebende an beiden Schultern. 

„Hülfe, Licht! Hülfe!“ rief Valeria. 

Und ſchon eilte man mit Licht aus der Thüre de 
Hauſes. 

Aber der Corſe, der Thüre den Rücken wendend, 
ließ nicht von ihr. 

Laß meinen Arm los.“ 

„Nein, einmal ſollſt du mir —" 

Aber in dieſem Augenblick ward er mit zorniger Ges 
walt guriid geriffen, dag er Valeria [08 ließ und gegen 
vie Mauer taumelte. 

Dabn, Cin Kampf um Rom. IV. 19 


290 


Totila leuchtete ihm mit der Fadel in das gliihende 
Antlitz. 

Furchtbarer, aber heiliger Zorn loderte aus des 
Königs Augen. 

„Tiger!“ rief er, ,willft du meine Brant ermorden 
wie Die Deine 2" 

Mit einem gellenden Schrei der Wuth fprang ver 
Corfe, beide Faufte ballend, gegen ihn an. 

Aber rubig blieb Lotila ftehen und durchbohrte ihn 
mit den Blider. 

Furius faßte fid. 

Da flog Valeria an Totila's Bruſt. 

„O laß von ihm, raſch fort! Er iſt raſend! Seine 
Braut hat er ermordet?“ 

Dieſe Frage aus Valeria's Mund ertrug der Corſe 
nicht: — er warf noch einen Blick auf Totila, — ſah, 
wie dieſer, bejahend, Valeria zunickte — 

Und ſofort war er hinter den Cypreſſen im Schatten 
verſchwunden. 

„Ja,“ ſagte Totila, „ſo iſt es. 

Hat vid) der Wahnſinnige recht erſchreckt?“ 

„Es iſt vorüber: — du biſt ja bei mir.“ 

„Mich reute, daß ich ihm verſtattet, dich aufzu⸗ 
ſuchen. 

Und ich eilte hieher, von Liebe und Beunruhigung 
getrieben.“ 

„Gut, daß du kamſt und nicht die Leute aus dem 
Hauſe. 

Wie tief hätte es ihn beſchämt! 


291 





Ich rief erft, als ic) wirflid) glaubte, er rafe. 

Und wad ift das für eine graufige That? Seine 
Braut 2" 

„Ja,“ widerholte Lotila, den Arm um fie fdlingend 
vie Fadel einer Slavin reidend, welde nun aus dent 
Hauſe trat, ,aber lag uns nod im Mondlicht wandeln.“ 

Und er fdritt mit ber Geliebten wieder tiefer in den 
@arten, auf und abwandelnd. 

„Es ift mir nicht Lieb, daß mir e8 der geredjte Born 
entriffen. - 

Gs war bas Geheimniß, durch welded ich über 
diefen Panther wunderfame Gewalt gewonnen. 

Bor vielen Jahren traf ich ihn, — ich hatte libyfde 
Seerauber verfolgt mit meinem Schiff — im Hafen 
von Beronife an der Küſte der Pentapolis. 

Cr war im Begriff fid) zu vermählen mit Roé, der 
Todhter eines fyrifden Kaufherrn, weldher ſich, des Elfen⸗ 
beinhandels wegen, dort in Wfrifa niedergelaffen. 

Der Gorfe hatte von jeher Neigung yu mir gezeigt 
— id hatte ihm aud bei feinem Seehandel oft genützt 
— und er bat mid, der Hochzeitfeier auf fetnem reid 
ge[dmiidten Fahrzeug beizuwohnen. 

Ich erſchien und das Feſt verlief ganz fröhlich: nur 
war der Bräutigam in einer Stimmung, die mehr von 
Grauſamkeit als von Zärtlichkeit an ſich trug. 

Endlich ſollten die Aeltern der Braut — nur ſehr 
widerſtrebend hatten ſie dem Fremden, deſſen unbändige 
Wildheit bekannt und auch bei der Werbung ſelbſt her⸗ 
vorgetreten war, das weiche, zarte Kind zugeſagt, — 

19* 


292 





auf fleinem Bot mit mir dad Schiff verlaffen, weldes 
vie Brantleute nad) Corfica tragen follte. 

Sn fehr begreiflider Riihrung bes Abſchieds warf 
fic) Bog weinend immer wieder in die Arme ihrer Aeltern. 

Ich bemerfte, daß der Briutigam hierüber in eine 
mir ganz unfaßliche Wuth gerieth. 

Endlich) rief er Bog an: ob fie ihren Vater ihm vor- 
ziehe? Ob fie denn ihn nidjt mebr liebe? Das ſähe 
ja aus wie Reue. 

Gr drohte, ſchalt und das arme Rind weinte immer 
mehr. 

Endlich ſchrie er ihr wüthend zu, ſie ſolle augen⸗ 
blicklich aufhören zu weinen und, um nad altem Sees 
mannsbraud - bet Schiffshochzeiten, mit dem Beil, das 
er in ber Hand bielt, das Anfertan gu fappen, auf 
feine Geite des Schiffes treten. 

Boe gehordte, rig fics von vem Vater los —: da 
traf fie auf der Diutter banged, thrinenerfiilltes Auge : 
— und, anftatt zu Furius gu treten, watidte fle fic, 
wieder faut auffdludjend, ihrer: Mutter gu, diefe nocd: 
mal zu umarmen. 

Raſend aber ſprang Furins herzu, fen Beil blitzte, 
ſie ſtreifend, über des Mädchens Haupt: und er hätte ſie 
auf dem Fleck erſchlagen“ — 

„Entſetzlich,“ rief Valeria. 

‚Fiel id) thm nicht in den Arm und entriß ihm das 
Breil mit einem Blick, der ihn plötzlich bändigte. 

Lyſikrates aber trug fein blutendes Sind aus dem 


293 


Schiff nad) Hauſe und verfagte vem gefahrliden Braue 
tigam vie Ehe.“ 

„Was ward aus ihr 2" 

„Sie ftarb bald darauf. 

Nicht gerade an ver Wunde: aber an ven Folgen 
des Schreckens und widerftreitender AWufregungen. 

Du follteft fie bem BVereinfamten erfesen." 

Baleria fchauderte. 

„Er ift mir unbeimlid. 

Dem halbgesahmten Raubthier gleicht er, das uns 
beredenbar und unverlaffig bleibt. eden Wugenblid 
mag feine tödtliche Wildheit erwachen.“ 

„Laß ibn. Sein Kern ift edel. 

Er tobt fich jebt aus: — hörteſt Du den donnernden 
Huffdlag feines Roffes ven Berg hinab? — und mors 
gen in ver Schlacht macht er Wes gut. Ich will thm 
gern verzeihn: — er war nidt bet Sinnen. 

Aber nun laf uns juriidfehren gu und felbft, zu 
unfrem Olid und unjrer Lrebe." 

„Iſt unfre Liebe vein Glück geworden?“ fragte Vas 
leria nachdenklich. 

‚Wie viel ſtärker ſtündeſt du morgen im Kampf, 
wenn des Weſtgothenkönigs Tochter, wenn jene Haralda, 
Der du ſehr gefielſt —" 

Aber Totila drückte ſie an die Bruſt. 

„Wer erſetzt Valeria?“ 

Olid!" widerholte dieſe. 

Werden wir je vereinigt werden? 

Man fagt, vie Feinde find euch voppelt überlegen. 


294 


Die Sdladht morgen: — haft ou keine Beforgnif 

„Nie in meinent Leben habe id) einem Kampf fo 
freudig entgegen gefehen. Das wird mein Ehrentag in 
ver Geſchichte! 

Mein Plan ift gut: mid freut's, ben grofen Schlach— 
tendenfer Narſes mit fener eignen Kunſt zu Rberwinden. 
Wie in ein Feftfpiel reite id) in diefe Schlacht. 

Du follft mir deBhalb Helm und RoR und Speer 
mit Blumentranjen und mit Bandern ſchmücken.“ — 

„Mit Blumen und Bändern! — Opfer ſchmückt 
nian fo." 

„Und Sieger, Valeria.“ 

» Morgen mit Sonnenaufgang fende id dir die Waffen 
hinab in's Lager, gefdmiidt mit Blumen, die im Frith. 
thau glänzen.“ 

„Ja, geſchmückt will id) reiten in meine ſchönſte 
Siegesſchlacht —: denn morgen ift der Tag, da ich in 
Cinem Schlag die Braut mir und Italia erfampfe — 
thr feid Eins in meinem Herjen: ftets bab’ ich in Dir, 
bu Marmor⸗Schöne, das Bild Italiens geliebt.“ 


Cinunddreifighes Capitel. 





Wis ver König beim Sein ver Sterne das kleine 
Haus von Vagina erreicht, wo er fein Quartier auf- 
geidjlagen, traf er im Hofe, auf dem Rand der Cifterne, 
einen Mtann in dunklem Mantel figen, vie Harfe auf 
den Knieen: fie bligte im Mondlicht; leiſe Accorde griff 
er darauf. 

„Du biſt es, Teja? Haſt du nicht zu thun auf 
deinem Flügel?“ 

„Ich habe dort Wes geordnet. 

Hier hab’ ich gu thun — mit dtr." 

„Tritt mit mir in’s Haus. Sit Julius nicht daz 
rinnen 2 

„Er ging nod) in vie Bafilifa Ganct Pauls, fir 
einen Sieg gu beten. 

Gr fommt wohl bald zurück. 

Ich habe div eine Rüſtung mitgebradt, rie ich did 
bitte: morgen in der Schlacht — mir gu Liebe — yu 
tragen, fie ift feft und febr fider.“ 

Totila blieb gerithrt ftehen: ‚Welche SGorgfalt echter 
Freundſchaft!“ 


296 





Hand in Gand ſchritten fie nun in das Mittel⸗ 
gemad bes Hauſes. 

Da fag, auf dem Marmortifd aufgeridtet, eine voll. 
ftindige Riiftung: vom Helm bis gu den gefduppten 
Schuhen: yon dem beften hifpanifden Stahl: leicht und 
vod) undurchdringlich: meifterhaft gearbeitet: aber ohne 
allen Schmuck, obne Helmgier, mit dicht geſchloßnem 
Viſit — alles yon dunkelblauem Stabl. 

Welder zauberfund’ge Schmied hat diefes Wunder⸗ 
wert geſchaffen?“ frug Totila, bewundernd. 

„Ich,“ fagte Teja. , Ou weißt: id) habe von jeber 
Gefallen an Waffenarbeit gehabt. Und id habe — igh 
ſchlafe wenig Nachts — diefe Sehuppen fiir did) gee 
fertigt. Du muft fie annebmen.” 

wa," lächelte Lotila — „für meine Beftattung: 
Darin will id) meinen Leichenzug begleiten. 

Wher morgen, mein Leja, reit’ id) in vollem Königs⸗ 
ſchmuck in's Treffen. 

Italia ſoll nicht ſagen: ihr König und Bräutigam 
habe ſich an ſeinem Ehrentag verſteckt. 

Nein: wer morgen den Gothenkönig ſucht, ſoll nicht 
viel Mühe haben, ihn zu finden." 

„Ich bab’ es gefürchtet,“ feufgte Leja. ,So laf 
mid) wenigftené morgen an deiner Seite fedjten: nimm 
mir den Befehl des redhten Flügels ab. 

mein, er ift hod widtig. Mich befditgen fann ih 
felbft. Die Berge aber muft du mir deden und den 
Weg nad Rom: im Fall eines Unglücks liegt auf 
beinem Flügel die eingige Rettung fiir den Abzug.“ 





297 





Da trat Julius ein mit Graf Thorismuth und Herzog 
Wwalgoth: und die Diener, — darunter aud Wachis, ver 
Fram Leja als Schildträger begleitet hatte — brachten 
Das Nadtmal: Fleiſch, Früchte, Brod und Wein. 

„Denke, Julius,” lächelte Totila diefem entgegen, 
ee wer fithnfte Geld im Gothenbeer ift ängſtlich geworden.” 

Nicht für mid," fagte diefer. 

Aber meine Trdume treffen meiſtens ein. 

Und fle find immer ſchwarz.“ 

„Eure Träume,“ lächelte Totila vem jungen Avals 
goth, ver ſich neben thm niederließ, und Wachis gu, der 
Dem König ven Becher fiillte — eure Träume „ihr 
Friſch-Vermählten, find wohl nidt ſchwarz!“ 

„Kann nicht Hagen darüber, Herr Konig,” ſchmun⸗ 
zelte Wachis. „Doch ich wünſchte —“ 

as haſt du nod zu wünſchen auger Liuta?“ meinte 
Totila. 

„Ich wünſchte ber Lange wire da." 

„Welcher Lange 2” 

tun: ber gar Lange: der nod) deinen tapfern Brurer 
Hildebad um eines Hauptes Lange iiberragt haben würde: 
der mit dem Barenfell und mit ver Falfen-Werferin: — 
wie hieß er doch?“ 

Harald,“ fagte Teja ernft. | 

wa, Den meine id. Der ware gut mit feinen 
ftarfen Riefen morgen.” 

„Wir werden ibn nicht brauchen.“ 

„Aber beſſer iſt immer beſſer, Herr König. Und 


298 


wenn id) der Herr König gewefen wire — ven bat 
id) wieder fommen laſſen, al der Krieg losbrach.“ 

Wir brauden ihn nicht,” widerbolte ver König 
ſchärfer. 

„Ich Dadte wie mein Schildmann, o König,“ ſagte 
Teja, ,und habe auf eigne Fauſt — an deiner Ein⸗ 
willigung zweifelnd — gefendet nad ibm: fortgeſchickt 
hatteft ru ihn dod) nicht, hatte ih ihn gur Stelle 
ſchaffen tinnen. Wud) mir bat diefer treue Nordlandsheld 
gefallen —: feine Leute waren gut gewefen wider die 
Yangbarte —: leider war die Flotte von meinem Heinen 
Schiff nidt einzuholen.“ 

„Dank, Teja, das war wieder ganz deine Art. 

Aber mich freut, daß du ſie nicht beiſchaffen konnteſt. 

Wir ſchlagen und ſiegen allein. 

Mein Plan iſt gang unfehlbar, wenn nur —“ 

Hier flog eine Wolfe über ves Königs Stirn. 

„Wenn ver Corfe feine Sduldigteit thut. 

Gage, Thorismuth — id) fandte did nod vom 
Kloſter aus, wo id) einen fleinen Streit mit ibm hatte, 
an Furius — id frug, ob Alles bei’m Alten bleibe 
swifden uns — was antwortete er?" 

„Er gab mir diefen offnen Brief an did.“ 

Wo trafft pu ihn? fragte der Rinig, die Wachs- 
tafel nehmend. 

Vor Tagingd. Er wies feinen Reitern bereits vie 
Ctelung tm Hinterbalt an. Er hat Ales anf das Ge- 
nauefte erfüllt, was du vorſchriebſt.“ 


299 


Totila las: , Morgen werd’ ich erfiillen, was du von 
mir erwarteft. 

Du wirft mir nad der Schlacht nichts mebr vores 
werfen.“ 

„Er fügte bet,” ergänzte Thorismuth, „ein par hun⸗ 
vert ſeiner Roſſe, welche, von ver Seereiſe angegriffen, 
langſamer marſchirt, famen morgen frith ſicher an: fie 
find aud ſchon gemeldet von Geptempeda her: du möchteſt, 
womöglich, die Entfdeiduag hinausjiehen, bis zu ihrem 
Gintreffen.“ 

„Warum fimmt er nicht ſelbſt hieher?“ frug Leja. 

„Er bemitht fid) auf dad Cifrigfte,” ſprach Thoris⸗ 
muth — id) hab’ es felbft gefehen — feinen Reitern ges 
nau die Oertlichkeit zu zeigen, wo die Entſcheidung fallt. 
Gr hat nod im Mondlicht Gefedhtsitbungen von den 
Hügeln herab auf vie Straße gemadt." 

Totila aber fagte: ,,id) weiß, warum er nidt zu 
meinem Nachtmal fommt. Gs hat nichts auf fid." 

Und fie fepten ſich nun auf die Feldſtühle und 
Truben; welde um den Tiſch ſtanden, und begannen das 
einfade Mal. 

Der Rinig,” hob Teja an, {aft mid) morgen nicht 
an feiner Seite fedjten. _ 

_ Go befehl id) thn dir, mein tapfer Thorismuth: 
behitte Du fein Leben." 

„Das wird er nicht immer können,“ lächelte Lotila, 
trinfend. 

„Thorismuth muß mir die Speertrager in Lagind 
befebligen.“ 


300 


So lang ih an des Königs Seite halte, gefdieht 
ihm nidts," fagte Thorismuth rubig. „Ich gebe, nod 
mal gu ben Vorpoften bei Capra gu reiten.“ 

Und er fdritt aus dem Gemad. 

wa," rief Totila, bet Neapolis am capnanifden 
Thor war er mein Retter.“ 

lind gu Rom am Tiber ver junge Garfen = Herzog 
bier,” fprad Leja, wo ift er morgen? Gr foll did 
wieder decken.“ 

„Nein!“ rief diefer: ,id) habe mtr ausgebeten, tn dem 
Reiterangriff voran zu reiten und Domna BValeriad’ 
neue Fahne gu tragen.“ 

Mun, frommer Julius,” fpradh Teja — ,du follft 
nicht fechten: — aber fdirme du des Königs Leben: — 
id) weiß: du liebft ihn, auf deine Art: — und das wird 
wohl feine Sünde fein.“ 

od will wm ibn bleiben. Aber beffer ‘nog al8 
mein fdmader Arm oder dein ftarfer, Graf von Taren⸗ 
tum, wird mein Gebet gu Gott ibn ſchützen.“ 

„Gebet!“ fagte Leja. 

„Noch ift tein Gebet durch die Wolken gedrungen. 

Und wenn e8 durch drang, fand es den Himmel 


Bwetunddreifighes Capitel. 





oie,” rief der Mönch, „du leugneft, finftrer Mann, 
wie — mie Gethegus, den Gott der Liebe aus feiner 
Welt hinaus? den Gott, vex allweife, allmadtig und 
allliebend vom Himmel aus der Menſchen Bfade lenkt — 
den leugneſt du 2" 

wa," vief Teja und griff an’s Schwert. Den 
leugne td! 

Und ware ein Wefen da oben, lebendig und wiffend, 
was e8 thut oper gejdeben läßt —: man müßte, wie die 
Riefen unfrer Gatter-Dammrungs-SGage, Berg auf Berg 
und Fels auf Felfen thiirmen und feinen Himmel 
ſtürmen: und nidt ruben und raften, bis man das tenf- 
liſch graufame Gefpenft von feinem blut’gen Schädelthron 
geftofen oder felbft gefallen ware von feinem Blitz.“ 

Entſetzt fprang Julius auf: 

„Hat denn der Geift der Gottesleugnung, der Gottess 
lafterung die gewaltigſten Manner ver Welt ergriffen? 
Ich fann folde Worte nicht anhören.“ 

Mit Staunen fah auch der König auf ven fonft fo 


302 





ſchweigſamen Freund, aus defjen tief veridloffner Bruft 
plötzlich lang verbaltner, grimmer Schmerz glithend her⸗ 
vorbrach. 

„Ihr ſtaunt,“ fuhr dieſer fort, „daß der grabesſtille 
Teja noch ſo heiß empfindet. 

Ich ſtaune ſelbſt zuweilen drüber. 

Aber morgen iſt der Tag der Sommer⸗Sonnen⸗ 
Wende: ver Cag, ba dereinſt meine Sonne für immer 
ſich gewandt. 

An jeder Wiederkehr des Tags bricht mir vie alte 
Wunde ſchmerzend auf." 

„Ich begreife deine Düſtre jetzt, unſelger Ram,” 
fprad) Julius nad emer Paufe. 

„Ja, ich faffe nicht, wie du leben fannft — id 
fonnte nidt athmen: obne Gott.“ 

„Wer fagt dir, Mind, Teja hat teinen Gott? 

Weil ich ihn nicht nach deinem Glauben febe, nicht, 
wie Du, vermenfdlidt, von Liebe, Haß und Exiferſucht 
entftellt ? 

Weil id) nicht denfen fann, daß er, der Vor⸗Schauende, 
Wefen fchafft, fid) und andern gur Qual, fie gu vers 
Dammen: und fie hinterdrein, durch ei Miralel, durch 
ſchuldloſes Blut des Chelften, wieder gu erlöſen? 

Weil ich ihn nicht venfen fann wie einen ungefdidten 
Zimmerer, ver feine Baute ſchlecht gemacht hat und nun 
immer Daran nadfliden mug mit mirakelnder Hand? 

Sch fage dir: die Majeſtät meimes Gottes ift fo 
furchtbar, daß dein armfeliger Engel⸗König vor feiner 
Größe verſchwindet, vor ſeiner unerbittlichen Furchtbar⸗ 





303 


feit, wie das Gewölbe deiner Kirchen gegen das Gewölbe 
ves Weltalls. 

Nein: ware wirllid) ein Wivater in den Wolfen 
und finnte er dem granfamen Gang der Gefdhide nicht 
ftenern — ihn felber miifte per Gram ergreifen: er 
müßte furdtbar [einen unter dieſen Schmerzen femer 
Kinder, wie euer fanfter Sefus [ttt — das hat mid 
immer tief gerithrt —, ald er auf dem Lelberg der 
Menſchheit ganzen Sammer trug. 

Und weil id div, mein Lotila, verfproden, dir nod 
einmal von meiner Harfens und iedfunft gu vernehmen 
gu geben — fo hire den Gefang, den id) dem Allvater 
Odhin in den Mund gelegt.” 

Und er griff in die Seiten der Heinen Harfe, welche 
neben ihm bet feinen Waffen lag und fang dazu mit 
tief ernfter Stimme: 


Allvaters Gefang. 


„Es ſeufzt meine Geele in unſäglichem Jammer 

Um des Schmerzengeſchlechts, um der Menſchen Geſchick. 
Denn was in der Welt von wechſelndem Wehe 
Brandend ſich bricht in jeglicher Bruſt — 
Mitempfinden, mitdurchkämpfen, 

Mitdurchklagen muß ich es Alles — 

Alles, Alles — venn geheißen 

Bin ich „Allvater“: 

Bald des beſiegten, beſſern Mannes, 

Den ein Böſer bezwungen, 


304 


Bitter beiffenden Seelenbrand, 

Wie ex grollend in Todesgram 

Sludt dem graufamen Schickſal: — 

Bald ves Liebenden tödtlich Leiv, 

Der in leere Luft mit den Armen langt, 
Dem langfam das Leben verlovert 

An nie verldfdhender Sehnſucht Licht: — 
Und der Wittwe Wehllage, 

Der Waifen Weinen 

Und der verfinfenden Seele 

Legten ſchrillen Vergweiflungs fret — 

AM’ vied Elend, sd’ und endlos, 

Gs empfindet’s mit Allvater. 

Und wie wenig wollen vawider 

Ad) die wingigen 

Wonnen wiegen, 

Die, wie verwehte Rofenblatter, 

Wogen auf weiten, weiten BWellen, 

Anf des Wehs unendlidem Ocean. — 
Traun, Cin Croft nur trobftet vie Trauer: 
Gin Biel ift gezeichnet ven zahlloſen Zabren, 
Cine Endzeit. 

Sd fegne den Lag, da der fengende Surtur 
Erbarmend der legten Menſchen Cebilde 
Bugleid) mit der müden Erde zermalint, 

Da endlid) der Duell unerſchöpflicher Qualen 
Verquillt: das legte menfdliche Herz. 
Willfommen ver Lag! — und waren fie weife, — 
Nod warmer wilnfdten fie felbft ibn herbei.“ 


J 


305 


„So empfand id) frither in die Seele eines gütigen 
Gottes hinein. 

Aber feither —: id) habe vtel gegrübelt und gefonnen 
— habe ic) einen anbdern, meinen furdtbharen Gott ge- 
funden. 

Doch freilich: dieſen meinen Gott muß man erlebt 
haben in den Todesſchmerzen des zuckenden Herzens.“ 


Dabn, Gin Rampf um Rom. IV. 20 


Dreiunddreifigftes Capitel. 





Julius ſchwieg kopfſchüttelnd. 

Der König aber frug: 

„Und wie haſt du ihn erlebt, dieſen furchtbaren 
Gott?“ 

„Die Stunde iſt gekommen, Totila, mein Konig 
und mein Freund, da du vernehmen magſt, was ich ſo 
lange auch dir verſchwiegen: mein Schickſals⸗Geheimniß, 
den Schatten, der über mein Leben fiel, es verfinſternd 
für immerdar. 

Nein, bleibe nur, Chriſt. 

Auch du magſt es hören und dir es dann zu Recht 
legen mit der Unerforſchlichket der Wege Gottes, mit 
der Züchtigung deſſen, den er liebt und anderer Weisheit 
der Mönche. 

Solches magſt du bei dir denken. 

Aber ſprich es nicht aus: ich ertrage nicht — heute 
nicht — es zu hören. — 

Du kennſt, Totila, meiner Aeltern fluchbeladen Ge⸗ 
ſchick: denn wir beide wurden ja zuſammen in König 


307 





Theoderichs Waffenfchule gu Regium von dem alten 
Hildebrand erzogen.“ 

Oa: und wir liebten uns wie Brüder,“ fprad der 
Rinig. 

WAnfangs ſcheu, verfdloffen, niedergedriidt durch das 
Geſchick meiner Wltern, lebte id) in deiner fonnigen Nähe 
allmalig wieder anf. 

Da itherfielen, mitten im Frieden, Kriegs⸗Schiffe ves 
Raifers — ex zürnte mit dem König wegen des Gren}: 
ftreitS bet Sirmium — feindlich Regium und fihrten, 
auger anbdern Gefangnen, aud) uns vierzig Singlinge, 
auf ihre Zriremen uns vertheilend, fort — nur du 
warft ihnen entgangen: denn der König hatte did) Tags 
zuvor al8 feinen Becher⸗Wart nad Ravenna in das 
Palatium entboten. 

Der alte Hildebrand und Graf Uliaris festen, fobald 
fie e8 erfubren, mit der ficilifdhen Flotte den Grieden 
nad, holten ihre Schiffe ein auf ver Hohe von Gatana, 
nabmen fie und befreiten alle Gefangnen. 

Nur Cin Schiff entfam den Befretern mit rafden 
Segeln — die Triveme ,Jtaus Petrou," in welder id 
mit gwet Genoffen gebunden lag. 

Der Trierach Lykos, anftatt uns Kriegsgejangne nach 
Byzanz 3u führen, jog es vor, uns al8 Slaven gu ver: 
-faufen und den. Raufpreis eingufteden. 

Gr lief ein in den Hafen der Snfel Paros: dort 
verſchacherte er uns an feinen Gaſtfreund Drejos, ben 
reichſten Kaufmann jener Cilande. . 

20* 


308 





So war denn Teja, des Grafen Tagila Sohn, ein 
freter Gothe — Sflave eines Grieden. — 

Ich beſchloß, fobald ich meiner Ketten entledigt und 
meiner Glieder Herr würde, mid) gu tödten. 

Aber als wir, in Heinen Boten ausgefdifft, an’s Land 
gebradt wurden, da — o mein Freund — da —" 

Und er bielt inne und legte die Gand vor die 
Augen. 

‚Mein Leja, fyrad ver Rinig, die Hand auf des 
Seufzenden Sehulter legend. 

da fiel mein Blid auf die reidwergoldete, offue 
Ganfte, die neben Dreſos hielt — und anf em Minden 
— wunderbar ſchön! 

Bald kamen wir auf des Dreſos Villa, nahe bei der 
Stadt, an. 

Dreſos mißhandelte alle ſeine Sklaven mit Schlägen 
und übermäßger Arbeit, ja er mißhandelte ſelbſt ſeine 
Mündel Myrtia, das zarte, wunderſame Bild, 

Mich traf ein mildres Los. 

Als er von mir erfuhr, daß ich Waffen zu ſchmieden 
und edles Geſchmeide wohl verſtand, — ich hatte es vom 
Knaben an geübt — da behandelte er mich beſſer, baute 
nahe ſeiner Villa mir eine Werkſtätte und machte mich 
zum Vorſtand der hier beſchäftigten Sklaven. 

Auch die Ketten nahm er mir — bei Tage — ab. 

Nur bei Nacht ward ich mit meinen zwei gothiſchen 
Mitſklaven zuſammengekettet an den Amboß in der 
Werkſtatt. 

Ich hätte die Flucht bei Tage wohl wagen können. 


309 | 


Aber ach — id) floh nicht! 

Myrtia hielt mid) gefeffelt! 

Gie fehen — fle ſprechen: denn oft fam fie in die 
Werkitatt, Gefdmeide, Schmuck ju beftellen, befjern gu 
laffen, bald auc, mir bet ver Urbeit zuzuſchaun oder 
meinem Geſang und Harfenfpiel zu lauſchen. 

Und, o ihr emgen Sterne, welde Wonne! Was an- 
fangs nur Mitleid gewefen in des ſchönen Griechentinvdes 
Bruft — id fah e8, ich tonnte nicht mebr gweifeln — 
fie geftand es in feligem ug, — bas ward Liebe, 
volle, feltne Liebe. 

Ich fann fie nicht ſchildern: golden ihr Haar, golden 
thr Auge, golden thy Heyy. — — | 

Und aud Leja war einmal gliidltd und glaubte an 
Glück und einen giltigen Gott über ven Sternen. 

Da fam die Geliebte eines Abends, verftdrt, in Vere 
qweiflung, zu der leifen Bwiefprad in die Werklſtätte. 

Shr Vormund hatte fie verlobt: verſchachert an dens 
felben Trierarchen Lyfos, welder uns in die Stlaverei 
verfauft hatte. Bitten, Thränen, fnieefalliges Flehen 
blieben umfonft: auf ihren fedgebnten Geburtstag ward 
iby die Hochzeit angeſagt. Das war in wenigen 
Woden. 

Der längſt gebegte Plan zu gemeinfamer Flucht ward 
nun rafd gereift. 

Ich hatte mir ſchon lange eine Geile gur Löſung 
unfrer Ketten gefertigt: nun fdymiedete id) nod) einen 
Schlüſſel zur Oeffnung ver Werkhaus⸗-Thüre. 

Meine Mitgefangnen waren eingeweiht. 





310 


Auf ver fleinen Inſel fonnten wir uns nicht vers 
borgen halter. 

Wir muften yur See entfliehen. 

Nahe dem Garten und ver Werkſtätte lag, in der 
Meeresbucht feitah von der Villa, ein kleines Segelſchiff 
des Drefos, immer geriiftet fiir Luftfabrten, vor Wnfer. 

Dies wollten wir benugen, darauf nad Stalien gu 
fliehen: Mundvorrath Hatten wir an unfern Tages: 
rationen abgefpart, Waffen feblten ja nidt. 

Der Geburtstag war und die Hochzeit wurde anbe⸗ 
raumt an den Ralenden des Sulins. 

Sn der Nacht vorher follte ich, nachdem die Rette 
purdfetlt, die Thitre gedffnet, vie Genoffen nad) rechts 
von bem Hauptgebiude der Villa, in die But und 
auf das Schiff geeilt, mich nad) den links von der Villa 
gclegnen Frauengemächern fdjleidjen, in welden Myrtia 
ſchlief: eine Heine Stridfeiter reichte ans, fle von den 
niedren Gelaffen in meine Urme gu führen: und ich follte 
Dann mit ihr auf das einftweilen fegelfertig geftellte 
Fahrzeug eilen. 

Alles war forgfaltig bedadt und bereitet. 


Vierunddreifighes Capitel. 





Uber ſchon zwei Woden vor dem Godyeittag traf 
Lyfos, der tief verhaßte, ein: derfelbe Mann, der mid 
alg Sklaven verfauft und der mir nun die Geliebte 
rauben wollte. 

Mein Hak gegen ihn war grimmig: faum hielt id 
mid guritd, ihn zu erfdlagen, al8 er mit Dreſos und 
andern Hodgeitsgaften an meinen Amboß trat und id 
ihm meine Runftfertigheit zeigen mufte. 

Dod ich bezwang mid) — um Myrtia's willen. 

Diefe aber flagte, ver verhafte Brautigam drange 
immer ungeftiimer zur Hochzeit: kaum könne fie nod 
ven Vormund abbalten, fdon fofort fie thm gu über⸗ 
geben. 

Shre Freiheit, thy Kommen und Gehen werde immer 
ftrenger überwacht. 

Da befdlofien wir, ſchon frither gu fliehen: wir 
wablten die Nacht der Gommerfonnenwende, wann, wie 
wir wußten, in der Villa, mit grogem Trinkgelage der 
Manner, das Lichterfeft gefeiert werden follte. 


312 


Wir hofften, wenn vie Becher in Wein und Schlaf 
verfunten lagen, am Sicherſten gu entkommen. 

Sowie vie Sterne in der Mitternacht ftanden, follte 
id) Myrtia aus dem Gynäceum entfithren. 

Am Tag ver Sonnenwende fam Lykos wieder in die 
Werkſtätte mit Drefos und faufte einen foftbaren Gold- 
ſchmuck, ven id gefertigt: 

‚„Weißt du aud, Slave, fiir wen?” ladte er. „Für 
mein Weib Myrtia: und das fage id) dir, Gothenbhund: 
wenn Du nochmal den Snedhtesblid fo fred anf ihr 
ruben läßt, wie geftern, da fie bier eintrat — ihr fabt 
mid) nidjt binter den Taxusbüſchen, aber id) fah did, 
— dann bitte id) Dreſos, vid) mir gu fdenten — und 
Dann!" 

Und er ſchlug mir mit vem Schaft des Speeres, den 
ex in der Hand hielt, in das Antlig. 

Ich ſchrie auf und griff nad) dem ſchweren Schmiede⸗ 
hammer — aber Wligern, mein mitgefangner Vetter, fel 
mir warnend tn den Wrm. 

Und mit einem Fluche ſchritt der Trievard hinaus: 
mit weldem Haffe blidte id) dem gefdweiften Helm, mit 
dem filbernen Wolf auf dem Samm, und dem gelben 
Mantel nad ! 

Endlid) fam die Nacht, vie Duntelbeit. 

Wir hirten bis in unfre Werkſtätte herab den wüſten 
Larm des Trinkgelages aus ver Billa dringen: wir 
faben die Lichter des Lichterfeftes oben ſchimmern. 

Offenbar lagen Drefos, Lykos und die andern Gäſte 
in taumelndem Schwelgen. 


313 





Nod war es nidt ganz Mitternacht —: aber ih 
hatte bereits vie Genoffen befreit —: fie waren glücklich 
an das Schiff zur Redhten ves Gartens gelangt —: 
ver Schrei des wilden Schwans, das mit Aligern vers 
abredete Zeichen, war dretmal erflungen —: und eben 
trat id) leife aus ber Thüre, nun nad Links bin, nad 
vem Frauenhauſe, gu eilen —: da horte ich deutlich die 
eiferne @itterthitre gehen, weldje von oben, von ber 
Villa, ber tn den Garten führte: argwöhniſch blieb id 
fteben und fpabte nad Oben. ; 

Wirklich: da ſchlich durch die Taxusbüſche, vorfidtig 
taſtend und lautlos auf den Zehen gleitend, ein Mann 
in Kriegertracht. 

Lykos war es —: deutlich erkannte ich im Mondlicht 
ſeinen ſilbernen Wolf auf dem viſirgeſchloßnen Helm: und 
den gelben Mantel: und in der Rechten den Speer. 

Lauernd, lauſchend kam er näher — ſah ſich um, 
ob ihm niemand folge und ſchritt dann wieder gerade 
auf unſere Werkſtätte zu, in deren Schatten ich verſteckt 
ſtand. 

Kein Zweifel: er hatte Verdacht geſchöpft: er wollte 
mid) überwachen dieſe Nacht: ver Fluchtplan war vers 
rathen. 

Grimmig ſprang ich ihm entgegen und ſtieß ihm das 
Schwert in die Bruſt. 

Da tönte ein Aufſchrei —: mein Name —: das war 
nicht Lykos! 

Ich öffnete entſetzt das Helmviſir — Myrtia lag 
ſterbend vor mir.“ 


314 


Er ſchwieg und verbiillte das Haupt im Mantel. 

„Armer, unfeliger Freund,” fprad Totila, nad) feiner 
Rechten langend. 

Sulius aber ſprach leife, unhörbar fiir beide: 

Mein ift die Race, tc will vergelten: fpridt der 
Herr." 

Teja erhob das Haupt und fubr fort: 

„Ich fiel finnlos, bewußtlos neben iby nieder. 

Wis id gu mir fam, fithlte ich den frifden Hand 
ver Geeluft um mid wehn. 

Die Genoffen, Aligern voran, waren, beforgt fiber 
unfer langes Ausbleiben, in den Garten nad ver Werks 
ftitte.suriidgefehrt: dort fanden fie uns beide. 

Bevor fie ftarh erzählte vie Geliebte kurz, wie 
Drefos und Lykos, beive beraufdt, im Taumel des Feft- 
gelages plötzlich befdloffen, nod) in diefer Nacht die 
Hochzeit gu vollziehen. 

Kurz vor Mitternacht hatte man die Widerſtrebende 
aus dem Frauengemach geholt und in die Villa, in das 
wilde Zechgelage, geſchleppt. 

Sogleich ſollte die Hochzeitfeier gehalten werden: 
Dreſos legte ihre zitternde Hand in die des Lykos. 

Nur ſoviel Zeit ſollte gelaſſen werden, daß dieſer ſich 
zu der auf ſeinem Schiffe zu haltenden Feier umkleiden, 
Befehle dorthin entſenden konnte. 

So ließ man die Braut — für kurze Zeit — allein. 

Dieſe Zeit benutzte ſie, eilte in die Vorhalle, wo 
ſie des Lykos Helm und Mantel hatte liegen ſehen: ſie 
hüllte ſich raſch in dieſe Verkleidung, ſchloß das Viſir. 


315 


barg iby Frauengewand in dem langen, gelben Mantel 
Undd eilte an einigen der berauſchten Gafte, unerfannt, 
Dorüber, geradewegs gu mir in die Werlftatte —: denn 
tani Frauenbaufe waren nun alle Stlaven und Stlavinnen 
oad — von dort aus mit uns yu fliehen. 

Und iby legtes Wort war ein Segenswunfd fiir 
Farid gewefen. | 

Gie muften mid halten —: ich wollte mic in's 
Weer werfen. 

Ich verfiel in ein bigiges, ſchweres Fieber. 

Ich erwadte erft an Bord eines gothifden Kriegs⸗ 
Pdhiffes, unter Herjog Thulun, vas uns bei Kreta aufs 
Nmahm. 

Da entdeckte Aligern plötzlich, daß uns die Trireme 
Des Lykos, die entflohenen Sklaven verfolgend, nachge⸗ 
ſetzt war und eben um die Spitze von Kydonia bog, 
al8 wir an Bord ves Kriegsſchiffes waren. 

Sofort fegte ver Grieche alle Leinwand auf, zu ents 
fommen, al8 er die gothifdhe Rriegsflagge erfannte : aber 
Herjog Thulun und Aligern jagten nad, Holten den 

Griechen ein, enterten und erfdlugen Lykos, Drefos und 
Vie dreigig Mann des Schiffsvolks. 

Ich aber war, da ich erwachte, der Teja, der ich bin. 

Und glaubte nicht mehr an den Gott der Gnade 
und Liebe: und wie ein Hohn auf Myrtia klingt jedes 
Wort, das davon fafelt. 

Was hatte fle — was hatte id) verfduldet? Weß⸗ 
halb ließ Gott, wenn er lebt, dies Grauenhafte gu?" 


Fünfunddreißigſtes Capitel. 





„Und weil dieſe Cine Rofe getnidt, lengneft du den 
Gommer und den Sonnenſchein?“ fragte Lotila, und 
glaubft, ein blindes Ungefähr beherrſcht die Welt? 

„Das glaub’ ich nidt. Ewige Nothwendigkeit feb’ 
ich im Gang ver Sterne da oben: und dad gleiche, ewige 
Geſetz lenkt unſre Erde und die Gefchide ver Mtenfdjen. 

Aber vies Gefeg ift ohne Sinn? fragte Julius. 

„Nicht ohne Sinn: nur hat e8 nidjt den Sinn und 
Bwed unfres Glückes. 

Sich felbft gu erfitllen ift fein eingiger, hober, geheim⸗ 
nißvoller Zweck. 

Und wehe den Thoren, die da wähnen ihre Thränen 
werden gezählt jenſeit der Wolken. 

Oder aud) vielleicht wohl ihnen —: ihr Wahn bes 
glückt ſie!“ 

„Und dein Denken,“ ſprach Julius, ,beglitdt nicht. 
Ich ſehe nicht ein, wofür, wozu du lebſt, bei ſolcher An⸗ 
ſchauung.“ 

„Das will ich dir ſagen, Chriſt. 

Das Rechte thun, was Pflicht und Ehre heiſchen, 


317 





ohne dabet auf taufendfadhe Verzinſung jeder Edelthat 
im Genfeits gu rechnen: Volk und Vaterland, die Freunde 
mannlid lieben und folde Liebe mit tem Blut befigein: 
ras Schlechte in den Staub treten, wo du es findeft: — 
venn Dak es fcledt fen muß, macht e8 nidt minder 
häßlich: du tilgft aud Matter und Neffel, obwobl fie 
nicht dafür finnen, daß fie nicht Nachtigall und Rofe 
— und dabei allem Glück entfagen, nur jenen tiefen 
Frieden fudjen, der da unendlid) ernft und hod) ift wie 
der nächtige Himmel und wie leudtende Sterne gehen 


darin auf und nieder traurige, ftolje Geranfen —: und 
vem Pulsſchlag des Weltgeſetzes lauſchen, ver in der 
eignen Bruſt wie in dem Sterngetriebe geht: — aud) 


vas, Chriſt, ift ein Leben — des Lebens werth.” 

„Aber ſchwer,“ feufyte Lotila, „unendlich ſchwer: zu 
ſchwer für Menſchenkraft. 

Nein, Teja: und kann ich nicht mit meinem frommen 
Freund in allen Stücken den Glauben theilen, der vie 
Beit beherrſcht: — das ift vod) emig wabhr, weil es 
meine Geele nidt entbehren fann: e8 lebt etn güt'ger 
Gott, der das Gute befdhirmt und das Böſe beſtraft. 

Jn diefes geredten Gottes Hand befehl’ ich auch mid 
und unfred Bolts geredjte Sade. 

Und in diefem Glauben feh’ ich morgen unfrem Sieg 
getroft entgegen. 

Das Recht ift mit mir —: das Rede kann nidt 
erliegen.“ 

„Das Redjt exliegt oft vor vem Unredt: Witichis 
vor Cechegus!“ 


318 


„Ja, anf Erden,“ fiel Julius ein: denn nidt 
ift unfre Heimath: es giebt ein Senfeits, in wel 
Alles ſich geredht erfüllt.“ 

„Das müßte fein,” ſprach Leja, ſich erhebend, ¢ 
bittren Bug um den ſchön und ebel geſchnittnen Dt: 

„Nur fann man das nidt denfen — nur tram 

Und id fitr mein Theil, id) habe genug: id wit 
nicht zu erwachen gu nenem Leben, wenn mir der 
ver Speer im Herzen ſteckt.“ 

Da trat Graf Thorismuth, von einem Ritt 31 
getehrt, in's Gemad und fprad: 

„Getroſt, Herr König, ich habe felbft nod ein 
nad gefeber. 

Die Reiter des Corfen ftehen auf dem redjten | 
bereit. Schon find aud) die Erften feiner nadciide 
Hunderte eingetroffen. 

Aber dreihundert der Tapferften erwartet er n 
pu migeft morgen den Angriff ver Langobarden 
alten, bid er ihr Gintreffen dir melden laffe: ,,fte 
pie Grimmigften,” fpradh Furius, „ſie ditvfen mir 
feblen .“ 

„Wohlan,“ rief Heiter lächelnd Totila, den E 
pofal erhebend, „das will id) wohl durch Reitertunfi 
reichen: und nun den legen Becher ! 

Cuden wir das Lager. 

Willft ou, Leja? vie Schlacht von Paging nto 
entſcheide unfern Streit. 

Gin wahres Gottesurtheil! 

Gin Urtheil Gottes felber, ob er lebt! 


319 





Ich fage: es lebt ein Gott — drum fiegt die gute 
Gade." 

wpaltet ein,” rief Julius bewegt, „ihr follt nidt 
Gott verfuden!" 

„Siehſt du," fagte Leja aufftehend und ven Sdild 
auf den Riiden werfend — ihm bangt fiir feinen Gott.“ 


Kethsunddreifighes Capitel. 





Leuchtend ftieg amt andern Morgen die Gonne am 
Himmel empor und ihre erften Strahlen fanden das 
Lager der Gothen ſchon in kriegeriſcher Bewegung. 

Als ver Kinig aus vem Haufe auf ven Markwlatz 
von Laging trat, eilten ihm Herzog Woalgoth, Graf 
Thorismuth und Phaza, ver Arfafide, der treu ergebne 
Gefangne von Neapolis, entgegen: 

„Heil, Herr und Sieg. Hier fendet dir deine Braut 
rein milchweiß Schlachtroß und deine Waffen, reid 
geſchmückt gum Siege.“ 

Und der König ſetzte auf bas lang wallende Golds 
haar den bligenden, offen, vifirlofen Helm mit dem hod 
ragenden Silberſchwan, um defen Hals und gewölbte 
Flügel Valeria ein Gefledt von rothen Rofen gewunden. 

Und er ftretchelte Hveit⸗fula's glingenden Bug, 
weldem Valeria Mähne und Schweif mit hochrothen 
Bändern und goldenen Borten durdflodten hatte. 

Klirrend ſchwang er ſich in den Sattel. 

Cin Mariſkalk fithrte nod zwei Crfagpferde fiir den 


321 


König: darunter Pluto, ves Prafecten unwillig ſchnauben— 
ten Rappen. 

Von feinen Sdultern flop ver weit webende, weiße 
Mantel von einer breiten, fdweren, mit Chelfteinen bes 
ſetzten Riegelfpange unter der Kehle zuſammen gebalten. 

Sein Harnifh war von glanjentem Silber, reid) mit 
Gold eingelegt, den fliegenden Schwan darftellend: die 
Enden des Harnifdes, an den Armen, dem Halfe und 
um den Gürtel, waren mit Purpurfeide eingefagt. 

Die Arme und Beine jeigten den Wappenrod von 
ſilberweißer Geide, der aud) die Hitften bedeckte. 

Breite, golone Ringe und Kampfhandſchuhe ſchützten 
bie Arme, Beinſchienen die Kniee und vie VBorderfeite der 
Füße. 

Der ſchmale, der zierlich geſchweifte, längliche Schild 
zeigte in drei Feldern Silber, Gold, Purpur und den 
fliegenden Schwan von weißer Laſur in dem Goldfeld. 

Purpurfarben und mit Silber beſetzt waren Behäng 
und Riemenzeuz des Roſſes. 

In der Rechten ſchwang er den Speer, an deſſen 
Spitze Valeria vier Lang flatternde Wimpel von purpur⸗ 
nen und weißen Bändern angebracht hatte: — fröhlich 
flatterten ſie im Morgenwind. 

So geſchmückt und ſchimmerſtrahlend ritt der König 
durch die Straßen von Taginä an der Spitze ſeiner 
Reiter: Graf Thorimuth, Phaza, ver Armenier, und 
Herzog Adalgoth, aud) Julius beritten in feinem Gee 
felge: Diefer ohne Lrugwaffen, aber mit vem © bilde 
ron Teja's Waffengefdent. 


Dan, Gin Kampf um Rom. IV. 21 


314 


Er ſchwieg und verhüllte das Haupt im Mantel. 

„Armer, unfeliger Freund,” ſprach Totila, nad feiner 
Rechten langend. 

Julius aber fprad leife, unhörbar fiir beide: 

» tein ift die Rache, ich will vergelten: ſpricht der 
Herr.“ 

Teja erhob das Haupt und fubr fort: 

„Ich fiel ſinnlos, bewußtlos neben ihr nieder. 

Als ich zu mir kam, fühlte ich den friſchen Hauch 
der Seeluft um mich wehn. 

Die Genoſſen, Aligern voran, waren, beſorgt über 
unſer langes Ausbleiben, in den Garten nach der Werk⸗ 
ſtätte zurückgekehrt: dort fanden fie uns beide. 

Bevor ſie ſtarb erzählte die Geliebte kurz, wie 
Dreſos und Lykos, beide berauſcht, im Taumel des Feſt⸗ 
gelages plötzlich beſchloſſen, noch in dieſer Nacht die 
Hochzeit zu vollziehen. 

Kurz vor Mitternacht hatte man die Widerſtrebende 
aus rem Frauengemad geholt und in bie Villa, im das 
wilde Redgelage, gefdleppt. 

Sogleid) follte die Hocdyeitfeier gehalten werden: 
Drefos legte ihre zitternde Hand in die des Lyfos. 

Nur foviel Reit follte gelafjen werden, dak diefer fid 
zu Der anf fetnem Schiffe zu haltenden Feier umfleiden, 
Befehle vorthin entfenren fonnte. 

So ließ man vie Braut — für kurze Beit — allein, 

Diefe Bett benugte fie, etlte in die Vorhalle, wo 
fie Pes Lykos Helm und Mantel hatte liegen ſehen: fie 
hüllte fid) raſch in dieſe Verkleidung, ſchloß vas Biftr, 





315 


barg iby Frauengewand in dem langen, gelben Mantel 
und eilte an einigen der berauſchten Gafte, unerfannt, 
voriiber, gerademegs gu mir in die Werkſtätte —: denn 
im Frauenhauſe waren nun alle Sflaven und Sflavinnen 
wad) — von dort aus mit uns ju fliehen. 

Und ihr legtes Wort war ein Segenswunfd fiir 
mid) gewefen. | 

Sie muften mid) balten —: ich wollte mid in's 
Meer werfen. 

Ich verfiel in ein bigiges, ſchweres Fieber. 

Sd erwadte erft an Bord eines gothifden Kriegs⸗ 
fciffes, unter Herzog Thulun, das uns bei Sreta auf⸗ 
nahm. 

Da entdedte Aligern plötzlich, daß uns die Trireme 
des Lykos, die entflohenen Sklaven verfolgend, nachge⸗ 
ſetzt war und eben um die Spitze von Kydonia bog, 
als wir an Bord des Kriegsſchiffes waren. 

Sofort ſetzte der Grieche alle Leinwand auf, zu ent⸗ 
kommen, als er die gothiſche Kriegsflagge erkannte: aber 
Herzog Thulun und Aligern jagten nach, holten den 
Griechen ein, enterten und erſchlugen Lykos, Dreſos und 
die dreißig Mann des Schiffsvolks. 

Ich aber war, da ich erwachte, der Teja, der ich bin. 

Und glaubte nicht mehr an den Gott der Gnade 
und Liebe: und wie ein Hohn auf Myrtia klingt jedes 
Wort, das davon faſelt. 

Was hatte fle — was hatte ich verſchuldet? Weß—⸗ 
halb ließ Gott, wenn er lebt, dies Granenbafte zu?“ 


Fünfunddreißigſtes Capitel. 





„Und weil diefe Cine Rofe getuidt, lengneft pu den 
Gommer und ven Sonnenſchein?“ fragte Lotila, und 
glaubft, ein blinded Ungefähr beherrſcht bie Welt? 

Das glaub’ id) nicht. Ewige Nothwendigkeit feh’ 
id) int Gang ver Sterne ba chen: und das gleide, ewige 
Geſetz lentt unfre Erde und vie Gefdide der Menſchen.“ 

Uber vied Gefeg ift ohne Ginn? fragte Julius. 

„Nicht ohne Ginn: nur bat es nidt den Ginn und 
Bwed unfres Glückes. 

Sich felbft gu erfüllen ift fein einziger, hoher, geheim⸗ 
nißvoller Zweck. 

Und wehe den Thoren, die da wähnen ihre Thränen 
werden gezählt jenſeit der Wolken. 

Oder auch vielleicht wohl ihnen —: ihr Wahn be⸗ 
glückt ſie!“ 

„Und dein Denken,“ ſprach Julius, ‚beglückt nicht. 
Ich ſehe nicht ein, wofür, wozu du lebſt, bei ſolcher An⸗ 
ſchauung.“ 

„Das will ich dir ſagen, Chriſt. 

Das Rechte thun, was Pflicht und Ehre heiſchen, 


317 





ohne dabei auf tauſendfache Verzinſung jeder Cdelthat 
im Jenſeits yu rechnen: Volk und BVaterland, vie Freunde 
mannlidy lieben und foldje Liebe mit vem Blut befigeln: 
ras Sdlecdhte in den Staub treten, wo du es findeft: — 
penn daß es ſchlecht fein muß, macht es nidjt minder 
Hafli: du tilgft aud Natter und Neffel, obwohl fie 
nidt dafür können, daß fle nidt Nachtigall und Rofe 
— und dabet allem Glück entfagen, nur jenen tiefen 
Frieden fuden, ver da unendlid) ernft und hod) ift wie 
der nächtige Himmel und wie leudjtende Sterne geben 


darin auf und nieder tranrige, ftolje Gedanfen —: und 
vem Pulsſchlag des Weltgeſetzes lauſchen, der in der 
eignen Bruft wie in dem Sterngetriebe geht: — aud 


pas, Chriſt, ift ein Leben — des Lebens werth.“ 

„Aber ſchwer,“ ſeufzte Lotila, „unendlich ſchwer: gu 
ſchwer für Menſchenkraft. 

Nein, Teja: und kann ich nicht mit meinem frommen 
Freund in allen Stücken den Glauben theilen, der vie 
Beit beherrſcht: — das ift doch ewig wabhr, weil es 
meine Geele nicht entbehren fann: es lebt ein güt'ger 
Gott, ver vas Gute beſchirmt und das Böſe beftraft. 

In dieſes gerechten Gottes Hand befebl’ ich auch mid) 
und unſres Volks gerechte Sache. 

Und in dieſem Glauben ſeh' ich morgen unſrem Sieg 
getroſt entgegen. 

Das Recht iſt mit mir —: das Recht kann nicht 
erliegen.“ 

„Das Recht erliegt oft vor dem Unrecht: Witichis 
wor Ceihegus!“ 


318 





oa, anf Groen,“ fiel Sulius ein: ,denn nidt bier 
ift unfre Geimath: e8 giebt ein Senfeits, in weldem 
Alles ſich gerecht erfüllt.“ 

„Das müßte ſein,“ ſprach Teja, ſich erhebend, einen 
bittren Bug um den ſchön und ede! geſchnittnen Mund. 

„Nur fann man dads nidt denfen — nur traumen. 

Und ich für mein Theil, ich habe genug: ich wünſche 
nicht 3u erwaden ju neuem Leben, wenn mir dereinft 
der Speer im Herzen ſteckt.“ 

Da trat Graf Thorismuth, von feinem Ritt zurüd 
gekehrt, in's Gemach und ſprach: 

„Getroſt, Herr König, ich habe ſelbſt noch einmal 
nach geſehen. 

Die Reiter des Corſen ſtehen auf dem rechten Fleck 
bereit. Schon ſind auch die Erſten ſeiner nadriidenten 
Hunderte eingetroffen. 

Uber dreihunvdert der Tapferften erwartet ex nod: 
pu migeft morgen den Angriff ver Langobarden hin: 
halten, bis er thr Cintreffen dir melden laffe: fle find 
pie Grimmigften,” fprad Furius, fie dürfen mir nidt 
feblen “ 

„Wohlan,“ rief Heiter lächelnd Totila, den Wolds 
pofal erhebend, „das will id) wohl durch Reiterfunft ers 
reichen: und nun den legen Becher! 

Suden wir vas Lager. | 

Wilt vu, Teja? vie Schlacht von Taging morgen 
entſcheide unfern Streit. 

Cin wahres Gottesurtheil! 

Cin Urtheil Gottes felber, ob er lebt! 


319 





Sh fage: e8 lebt etn Gott — drum fiegt die gute 
Sache." 

„Haltet ein,” rief Sulius bewegt, ihr follt nidt 
Gott verfuden !“ 

„Siehſt du," fagte Teja aufftehend und den Schild 
auf den Riiden werfend — ,thm bangt fiir feinen Gott.“ 


Sechsunddreißigſtes Capitel. 





Leuchtend ftieg am andern Morgen die Sonne am 
Himmel empor und ibre erften Strahlen fanven vas 
Lager der Gothen ſchon in Eriegerifcher Bewegung. 

Als ver Kinig aus vem Hauſe auf ven Marfrplag 
von Taginä trat, eilten ihm Herzog Avalgoth, Graf 
Thorismuth und Phaza, ver Wrfakive, der treu ergebne 
Gefangne von Meapolis, entgegen: 

weil, Hery und Sieg. Hier fendet vir deine Braut 
vein milchweiß Schlachtroß und deine Waffen, reid 
gefdmitdt zum Siege.“ 

Und der König fegte auf bas lang wallende Golds 
haar den bligenden, offnen, vifirlofen Helm mit dent Hod 
ragenden Silberſchwan, um deffen Hals und gewölbte 
Flügel Valeria ein Geflecht von rothen Rofen gewunden. 

Und er ftreidelte Hveit⸗fula's glingenden Bug, 
weldjem Valeria Mähne und Schweif mit bhodrothen 
Banrern und goldenen Borten durdflodten hatte. 

Klirrend ſchwang er fid) in den Sattel. 

Cin Mariſkalk fithrte nod zwei Crfagyferde fiir den 


321 


König: Darunter Pluto, des Prafecten unwillig ſchnauben— 
ten Rappen. 

Bon feinen Sdultern floß ver weit webende, weife 
~ Mantel von einer breiten, fdweren, mit Chelfteinen bes 
feBten Riegelfpange unter der Keble zuſammen gebalten. 

Sein Harniſch war von glänzendem Silber, reid mit 
Gold eingelegt, den fliegenden Schwan darftellend: die 
Enden ves Harnifdes, an den Armen, dem Halfe und 
um den @iirtel, waren mit PBurpurfeive eingefaft. 

Die Arme und Beine jeigten den Wuappenrod von 
ſilberweißer Geide, der aud) die Hüften bededte. 

Breite, goldne Ringe und Kampfhandſchuhe ſchützten 
bie Arme, Beinfdienen vie Kniee und die Vorderfeite der 
Füße. | 

Der ſchmale, ver zierlich geſchweifte, längliche Schild 
zeigte in drei Feldern Silber, Gold, Purpur und den 
fliegenden Schwan von weißer Laſur in dem Goldfeld. 

Purpurfarben und mit Silber beſetzt waren Behäng 
und Riemenzeug des Roſſes. 

In der Rechten ſchwang er den Speer, an deſſen 
Spitze Valeria vier lang flatternde Wimpel von purpur⸗ 
nen und weißen Bändern angebracht hatte: — fröhlich 
flatterten ſie im Morgenwind. 

So geſchmückt und ſchimmerſtrahlend ritt dex Konig 
rurd die Straßen von Taginä an ver Spitze feiner 
Reiter: Graf Choritmuth, Phaza, der Armenier, und 
Herzog Uralgoth, aud) Julius beritten in fetnem Gee 
folge: diefer ohne Trubwaffen, aber mit dem S hilde 
von Teja's Waffengefdent. 


Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 91 


322 


Niemals hatte er fo herrlidh in Schönheit geleudtet. 

Und alles Bolt begrüßte ihn auf feinem Ritt mit 
jubelndem Zuruf. 

An vem Nordthor von Tagind ritt ihm Aligern 
entgegen. 

Du follteft ja auf dem rechten Flügel fechten.“ fragte 
Der König. 

„Was führt did) zu mir?“ 

„Mein Vetter Teja hat befohlen,“ ſprach Aligern 
„ich ſolle in deiner Nähe bleiben und dein Leben hüten.“ 
„Der unermüdlich Treubeſorgte!“ rief ver König. 

Aligern ſchloß ſich an ſein Gefolge. 

Graf Thorismuth übernahm hier den Befehl über 
das in den Häuſern verborgne Fußvolk. 

Bor dem Nordthor von Taginä ritt ver Koönig 
bie Front ſeiner nicht ſtarken Reiterſchar ab und ent⸗ 
hüllte nun den Reiterführern ſeinen Plan. 

„Ich muthe euch das Schwerſte zu, Waffenbrüder: 
Flucht. 

Aber die Flucht iſt nur Schein. 

Die Wahrheit iſt euer Muth: — und der Feinde 
Verderben.“ 

Und nun ritt die kleine Schar auf der flaminiſchen 
Straße über die Stelle des Hinterhalts zwiſchen den 
beiden Hügeln vorbei: der König überzeugte ſich, daß 
des Corſen Perſer⸗Reiter wachſam in beiden Hügel⸗ 
Wäldern lauerten: zur Rechten von Furius ſelbſt, zur 
Linken von ihrem Häuptling Isdigerd geführt. 

In Caprä durch's Südthor eingeritten ſchärfte Totila 


323 


pem bier vertheilten Fußvolk der Bogenſchützen unter 
Graf Wifand, dem Bandalarius, nodymal ein, erft 
mann die perfifdhen Reiter ihren Angriff auf die Lango- 
barden gemadt, aus ben Haufern, wo fie bis dabin 
verborgen lagen, wie aus dem Südthor vorgubreden 
und diefe im Rilden gu faffen, indeß aus Tagina’s Nord⸗ 
thor das fpeertragende Fußvolk entgegen ftitrme. 

„So werden die Langobarden und was etwa von des 
Narfes Fußvolk nachdringt zwiſchen Capra und Taginä 
von allen vier Seiten zugleich umfaßt und erdrückt, von 
mir und Thorismuth von vorn, von Furius und Isdi—⸗ 
gerd aus den Flanfen, von Wifand im MRiiden. Sie 
find verloren.“ 

„Sieht er nidt aus wie der Sonnengott?“ frug 
Adalgoth entzückt ven Mind. 

„Still! feinen Gsgendienft mit Gonne oder Menſchen. 
Und heut' ift Gonnenwende!" antwortete diefer. 

Endlich erreidte der König das Nordthor von Caprä, 
ließ e8 öffnen und fprengte mit feiner fleinen Schar 
auf das weite Bladfeld vor Capra gegenitber Helvillum. 

Hier Hielt das WMtitteltreffen ved Narſes gerade 
gegeniiber: in erfter Reihe Alboin mit feinen langobar- 
diſchen Reitern: hinter diefen, in weitem Zwiſchenraum, 
Narſes in feiner Sanfte, umgeben von Cethegus, Liberius, 
Anzalas und andern Führern. 

Narſes hatte eine böſe Nacht, mit leichten Krampf⸗ 
anfallen, binter ſich: er war ſchwach und fonnte ſich nicht 
lange ftehend erhalten in feiner nieder geftelten, offnen 
Sänfte. 

21* 


324 


Gr hatte Alboin nod einmal eingefdharft, nicht 
anjugreifen ohne ausdrücklichen Befebl. 

König Totila gab nun feinen Reitern das Zeidhen : 
und im Trabe ging die dünne Reihe gegen die colofjale 
Uebermadt ver Langobarden vor. 

„Sie werden uns dod) nicht den Schimpf anthun, 
mit den par Lanzen uns anzugreifen!“ rief Wlboin. 

Angriff fchien zunachſt nidt des Königs Bwed. 

Er war den Seinen, welde plötzlich Halt gemacht, 
weit voran geritten und 30g nun aller Augen durch 
feine Reiters und Fechter⸗Kunſt auf fid. 

Den Byzantinern war das Sdhaufpiel, das er ge- 
wabrte, fo wunderfam, dag die Augengengen es mit 
Staunen Prokop beridteten, ver, felber ftaunend, uns 
davon erzablt. 

„An Ddiefem Tage, ſchreibt er, ,wollte Konig Totila 
feinen Feinden zeigen, weld)’ ein Mann er fei. 

Seine Waffen, fein Roß fdhimmerten von Gold. 

Von ver Spitze feines Speeres flatterten ver ſchim⸗ 
mernden Burpurwimpel fo viele, daß ſchon diefer Schmuck 
pon fern den König verkündete. 

So pflog er, auf herrlichem Roß, in der Mitte 
zwiſchen beiden Schlachtreihen, funftvollen Waffenfpiels. 

Er ritt bald Rreife, bald gierlide Halbkreiſe zur 
Redten und Linken, warf im Galopp den banderreiden 
Speer hod über fein Haupt in die Luft und fing ibn, 
ele der gitternde niederfiel, gefdidt in ver Dtitte des 
Schaftes, bald mit ver Rechten, bald mit der Linken: 


325 


und er zeigte fo vor den ftaunenden Heeren feine Reit⸗ 
und Waffen « Cunft.” 

Nad ver Schlacht erfubren iibrigens aud) die Byzan⸗ 
tiner, daß vie Abſicht, Beit gu gewinnen, bis eine ers 

wartete Schar Reiter eintrafe, ver ernfte Grund ves 

heitern Spiels gewefer. 

Eine Weile ſah ſich Alboin dies mit an. 

Dann rief er dem neben ihm haltenden Langobarden⸗ 
führer zu: 

„Der reitet in die Schlacht, wie zur Hochzeit ge⸗ 
ſchmückt. 

Welch' koſtbares Rüſtzeug! Das ſieht man nicht 
bei uns daheim, o Vetter Giſulf! 

Und noch immer nicht angreifen dürfen! Schläft 
denn Narſes wieder?“ 


Siebenunddreifighes Capitel. 





Endlich fprengte ein perſiſcher Reiter, durch die Reihe 
ver Gothen fid) Bahn bredend, an den König heran: 
er brachte eine Meloung und jagte ſpornſtreichs zurück. 

„Nun endlich!“ ſprach Totila, „jetzt iſt's genug des 
Spiels! 

Tapfrer Alboin, Audoins Sohn,“ rief er laut hinüber, 
„ſo willſt du wirklich für die Griechen fechten, gegen 
uns? Wohlan, ſo komm, Königsſohn —: dich ruft ein 
König!“ 

Da hielt ſich Alboin nicht linger: mein mug er 
werden mit Panzer und RoR,” fdrie er und fprengte 
mit eingelegter Lange wüthend heran. 

Totila brachte, mit leifeftem Schenkeldruck, fein tän⸗ 
zelndes Pferd plötzlich zum Stehn: er ſchien den Stoß 
erwarten zu wollen. 

Schon war Alboin heran. 

Da: — abermals ein leiſer Schenkeldruck und ein 
feiner Seitenſprung des Pferdes: — und an Totila 
vorbei ſauſte der Langobarde. 

Im Augenblick aber war Totila in ſeinem Rücken — 


327 


und ohne Mühe hatte er ihn mit dem gezückten Speer von 
binten durchbohrt. 

Laut auffdrien die Langobarden und eilten ihrem 
Königsſohn gu Hiilfe. 

Uber Lotila ſchwenkte vie Lanje im feiner Hand 
berum und begniigte fic, mit dem ftumpfen Schaft-Envde 
rem ,Gegner einen folden Stoß in die linfe Seite gu 
geben, dag er auf der redjten Seite aus dem Sattel 
zur Erbe flog. 

Ruhig ritt darauf Totila zu feiner Linie guriid, 
ren Gpeer fiber dem Haupte ſchwenkend. 

Alboin war wieder zu Pferd geftiegen und führte 
nun den Angriff feiner Gefdwader auf die ſchwache 
gothifde Reihe. 

Aber bevor ver Anprall erfolgte, rief der Konig: 

„Flieht! flieht in die Stadt!" warf fein Roß herum 
und jagte davon, auf Caprä gu. 

Eilfertig folgten ihm feine Reiter. 

Ginen Augenblick ſtutzte Alboin verbliifft. 

Aber gleich darauf rief er: 

„Es iſt nicht anders. Es iſt eitel Flucht! Da 
rennen ſie ſchon in das Thor. 

Ja: Reiterkunſtſtücke und Kampf ſind zweierlei. 

Nach, meine Wölflein! Hinein in die Stadt.“ 

Und fie ſprengten auf Gapra los, riſſen das, von 
pen Hliehenden nur zugeworfne, nidt verriegelte Mord- 
Thor auf und jagten durch vie lange Hauptftrage auf 
pas Südthor yu, durch welded eben vie legten Gothen 
verfdwanden. 


328 





Narſes hatte fid) in feiner Sänfte mithfam aufredt 
erhalten bis jest und Wes mit angefehen. 

„Halt,“ rief er nun heftig. „Halt! Blaſt rite 
Tuba! blaſt zum Halten! Bum Rückzug! E8 ift vie 
plumpfte Galle der Welt! Aber diefer Alboin meint, es 
mu Ernſt fein, wenn Ciner vor thm läuft.“ 

Aber die Trompeter Hatten gut blafen. 

Das Siegedgefdret der verfolgenden Langobarden 
übertönte das Cignal: oder die es hörten, veradteten es. 

Stöhnend fah Narfes die legten Reihen der Langes 
barden in dem Thore von Capri verſchwinden. 

„Ach,“ feufzte er, „ſo mug ich febenten Auges eine 
Chorheit begehen. 

Sd fann fie nicht untergeben laffen fiir ihre Dumm⸗ 
heit, wie fie es werdienten. Ich brauche fie ned. 

Alſo vorwarts, im Namen des Unfinns! 

Bis wir fie einholen, können fie ſchon halb zer⸗ 
hauen ſein. 

Vorwärts, Cethegus, Anzalas und Liberius, mit den 
Iſauriern, Armeniern und Illyriern. 

Hinein nad Capra. 

Aber bedenft: vie Stadt fann nicht leer fein! Es 
ift eine Falle, in die wir jenen Stieren nadfpringen, mit 
fehenten Augen. 

Meine Sanfte folgt end. 

Uber i fann nicht mebr ftebn.” 

Und er lehnte fic) müde zurück: cin leiſer Schauer, 
wie er ihn oft in der Aufregung ergriff, ſchüttelte ibn. 


329 


Im Sturmfdritt etlte ves Cethegus und Liberius 
Fußvolk gegen tie Stadt: beide Führer ritten voraus. 

Inzwiſchen Hatten Flichende und Berfolger das 
ſchmale Städtlein vurdflogen, aud die legten Lanygos 
barden Caprä paffixt und vie erften derfelben mit Alboin 
vie Stclle der flaminifden Strafe halbwegs wor Taginä 
erreidht, wo die beiden Wald-Hügel links und redhts 
bie Straße etnengten. 

Noch eine Pferdelange floh ver König —: vann hielt 
er, wandte ſich und wintte. 

Avalgoth an feiner Seite ſtieß in’S Horn —: da 
brad) aus dem Nord⸗Thor von Tagind Thorismuth 
mit den Gpeertragern: und aus dem Doppelhinterhalt 
ftiirgten, von links und redts, mit gellendem Zinken⸗ 
gefdmetter, die perfifden Reiter des Corfen. 

Jetzt febrt, meine Gothen: vorwarts gum Angriff! 
Jetzt wehe den Getäuſchten.“ 

Rathlos blickte Alboin nach allen drei Seiten. 

„So übel ſind wir noch nirgends eingetrabt, meine 
Wölflein!“ ſagte er. 

Er wollte zurück. 

Aber auch aus vem Südthor von Caprä, ven Riids 
weg fperrend, brad nun gothifdes Fußvolk. 

Sept heißt's nur nod {uftig fterben, Gifulf. Grüße 
mir Rofimunda, wenn du davon fommen follteft.” 

Und fo wandte er fid) gegen einen der Reiterfiihrer 
mit reidem, offnem Goldhelm, rer nun die Strafe ers 
reidjt hatte und gerade auf ihn cinfprengte. 


322 


Niemals hatte er fo herrlich in Schönheit gelendtet. 

Und alles Bolt begriifte ihn auf feinem Ritt mit 
jubelndem Zuruf. 

An vem Nordthor von Taginä ritt ihm Aligern 
entgegen. 

„Du follteft ja auf dem rechten Flügel fedten,” fragte 
der König. 

Was führt did) gu mir?“ 

„Mein Better Teja hat befohlen,“ fprad Aligern 
wid) folle in deiner Nabe bleiben und dein Leben biiten.” 
„Der unermübdlich Treubeforgte!" rief der König. 

Aligern ſchloß ſich an fein Gefolge. 

Graf Thorismuth iibernahm hier ven Befehl über 
das in den Haufern verborgne Fußvolk. 

Vor dem Nordthor von Tagind ritt ver König 
die Front feiner nicht ftarfen Reiterſchar ab und ente 
hüllte nun den Reiterfithrern feinen Plan. 

„Ich muthe euch das Sdywerfte zu, Waffenbriider: 
Flucht. 

Aber vie Flucht iſt nur Schein. 

Die Wahrheit iſt euer Muth: — und der Feinde 
Verderben.“ 

Und nun ritt die kleine Schar auf der flaminiſchen 
Straße über die Stelle des Hinterhalts zwiſchen den 
beiden Hügeln vorbei: der König überzeugte ſich, daß 
des Corſen Perfers Reiter wachſam in beiden Hügel⸗ 
Wäldern lauerten: zur Rechten von Furius ſelbſt, zur 
Linken von ihrem Häuptling Isdigerd geführt. 

In Caprä durch's Südthor eingeritten ſchärfte Totila 


323 


rem hier vertheilten Fußvolk der Bogenfdiigen unter 
Graf Wifand, vem Bandalarius, nodmal ein, erft 
wann die perfifden Reiter ihren Angriff auf die Lango- 
barben gemacht, aus den Haufern, wo fie bis dabin 
verborgen lagen, wie aus dem Südthor vorgubreden 
und Ddiefe im Rücken gu faffen, indeß aus Tagina’s Nord⸗ 
thor bas fpeertragende Fußvolk entgegen ſtürme. 

„So werden die Langobarden und was etwa von ded 
Narfes Fußvolk nachdringt gwifden Capra und Taginä 
von allen vier Seiten gugleid) umfaßt und erdriidt, von 
mir und Thorismuth von vorn, von Furius’ und Isdi⸗ 
gerd aus den Flanken, von Wifand im Riiden. Sie 
find verloren.“ 

„Sieht er nidt aus wie der Sonnengott?“ frug 
Adalgoth entziidt ven Mind. 

„Still! feinen Götzendienſt mit Gonne oder Menſchen. 
Und heut' ift Gonnenwende!" antwortete diefer. 

Endlich erreidhte der Konig das Nordthor von Capra, 
ließ es öffnen und ſprengte mit feiner Heinen Scar 
auf Das weite Bladfeld wor Capra gegeniiber Helvillum. 

Hier hielt vas Miitteltreffen ves Narſes gerade 
gegenitber: in erfter Reihe Wlboin mit feinen langobar- 
Dijden Reitern: hinter diefen, in weitem Zwiſchenraum, 
Narfes in feiner Sanfte, umgeben von Cethegus, Liberius, 
Angalas und andern Fiihrern. 

Marfes hatte eine böſe Nacht, mit leichten Rrampf- 
anfallen, inter fic): ex war fdwad und fonnte ſich nicht 
lange ſtehend erhalten in feiner nieder geſtellten, offnen 
Sänfte. 

21* 


332 


Tenn tief geriihrt hatte ihn, was thm Giſulf er⸗ 
zählt, ver Totila deutlich die Lanjenfpige mit rem Schaft⸗ 
Ende vertaufden gefehn. 

Rein! Nieder mit dem König!“ rief Furius. 

Und fdon war er heran und warf den Speer auf ten 
Verwundeten, welden eben AWligern auf ves Präfecten 
Rappen bob und aus vem Gefedt führen wollte. 


Senen erften Wurffpeer ves Corſen fing Julins 
mit dem trefflichen Childe Teja’s auf. 

Furius ließ ſich einen gweiten Wurfſpieß reichen und 
zielte auf das Gedräng um den König: Phaza, der 
Arſakide, wollte den Speer mit dem Schilde fangen: 
aber durch Schild und Panzer flog er ihm in's Herz. 

Da ſchwang Furius, der ſein Roß nun ganz nahe 
heran geſpornt hatte, den langen, krummen Säbel gegen 
den König. 

Aber ehe der Streich fiel, flog ver Corſe riidlings 
aus dem Cattel. 

Der junge Herjog von Apulien hatte thm den 
Gahnens Speer mit aller Kraft gegen die Bruft gerannt, 
rag der Schaft brad. 

Dod nun gerieth Totila’s Banner — das kunſt⸗ 
volle und foftbave Werf BValeria’s und threr frommen 
Schar — in äußerſte Gefahr in Adalgoths Hand. 

Denn alle Reiter drängten jet auf den kühnen, 
jungen Fahnenträger ein: — ver Beilhieb des Langobar- 
pen Gifulf traf den Schaft, der nodymal fplitterte. 

Haid entidloffen rig Avalgoth vas Seidentuch von 


333 





ber gebrodnen Fahnenftange und barg es feft im 
Sehwertgurt. | 

Run war Alboin heran und rief dem König gu: 

„Gieb did) gefangen, Gothentinig: mir, vem Königs⸗ 
ſohn.“ 

Da war Aligern mit ſeiner Arbeit, den König auf 
des Präfecten Rappen zu heben, fertig: er wandte ſich 
gegen den Langobarden. 

Dieſer wollte des Königs Flucht hemmen und dod 
den König nicht tödten: er führte, ſich tief vorbeugend, 
einen Speerſtoß gegen den Rappen, ver deſſen Hinterbug 
traf. | 

Aber im gleichen Moment ſchlug ihm Wligern durch 
den getergefliigelten Helm: betäubt wankte er im Gattel. 

Go gewannen, nadjdem vie Führer ver Verfolgung 
für den Augenblick gelabmt, Avalgoth, Aligern und Julius 
Zeit, den König aus dem Getitmmel gu fiihren bis an 
das Nord⸗Thor von Lagind. 

Hier hatte Graf Chorismuth feine Speertrager wieder 
geordnet. 

Der Kinig wollte hier den Kampf leiten: aber er 
vermodte faum, fic) tm Sattel zu balten. 

Thorismuth.“ befabl er, „du haltft Taginä: Capra 
wird einſtweilen verloren fein. Cin Gilbote holt Hilde: 
brands ganjen Flügel zurück hieher: e8 mug die Strafe 
nad) Rom um jeden Preis gebalten werden. 

Ceja ift, wie id) erfahren, ſchon mit feinem Flügel 
im Gefedt —: Dedung ves Abzugs nad Süden —: dads 
ift die letzte Hoffnung." 


334 


Und das Bewuftfein verging thm. 

Graf Thorigmuth aber fprad: 

„Ich alte Taging mit meinen Speertrigern bis auf 
ben letter Mann. 

Reiter fommen mir nidt herein: die Perfer nicht 
und die Langobarden nidt: id rede dem König Leben 
und Ritden, fo lang id eine Hand heben mag. 

Schafft ihn weiter zurück —: auf vie Berge dort, 
in's Kloſter — aber raſch —: denn fdon nabt dort, 
aus dem Südthor von Gapré, die Entſcheidung —: 
ves Narfes Fußvolk und feht dort —: Cethegus her 
Prafect nut den Bfauriern. 

Gapra und unfre Schützen find verforen.” 

Und fo war eg. 

Wifand hatte, dem Befehle gemäß, Capra nicht ver 
theitigt, fondern Cethegus und Liberius eindringen Laffen: 
erft al8 fie varin waren, begann er den Straßen⸗ 
fampf unv bedrohte zugleich die Langobarden-Reiter anf 
der Straße, indem er eine Taufendfdaft gegen fle aus 
bem Siidthore fdjidte. 

Aber da der Angriff aus dem Hinterhalt die Gothen 
traf, nidt die Langobarden, da Alboin und Furius vers 
eint Die wenigen Gothenreiter vernidteten oder gerftrenten 
und der Angriff ber Speertrager von Taginä her ansblied 
— wurden die gothifden Schützen guerft in Capra 
felbft, dann auf der flaminifdjen Straße zwiſchen Caprä 
und Tagind von der furdtbaren Uebermadt rafd ere 
drückt. 

Verwundet entkam, wie durch ein Wunder, Wiſand 


339 


md Taginä und meldete dort die Vernidjtung der Seinen. 
Des Narfes Sanfte wurde nad) Capra eingetragen: und der 
Sturm der Illyrier auf Tagind begann: Graf Choris. 
muth widerftand heldenhaft: er fodt, den Brüdern den 
letzten Ausweg gu deden. 

Bald wurde ex durch Caufendfdaften von Hildebrands 
in Gile herangezognem Flügel verftarft, während nen 
größten Theil feiner Truppen ver alte Waffenmeifter 
ſüdlich hinter Taginä berum auf bie Strage nad) Rom 
führte. 

Eben als der Sturm auf Taginä beginnen ſollte, 
traf Cethegus auf Furius und Alboin, welche ſich von 
ihren Stößen erholt hatten. 

Cethegus hatte das allentſcheidende Eingreifen des 
Corſen erfahren. 

Er ſchüttelte ihm die Hand. 

„Siehe da, Freund Furius. endlich doch auf der 
rechten Seite — gegen den Barbaren⸗König.“ 

„Er darf nicht lebend entkommen,“ knirſchte der Corfe. 

„Was? Wie? er lebt noch? Ich denke — er fiel?“ 
frug Cethegus haſtig. 

„Nein, ſie haben ihn noch herausgehauen, den 
Wunden.“ 

„Er darf nicht leben,“ rief Cethegus, „du haſt 
Recht! Das ift wichtiger, als Taginä erobern. Dieſe 
Heldenthat kann Narſes von der Sänfte aus voll⸗ 
bringen. 

Sie ſind ſiebzig gegen ſieben. 

Auf, Furius: wozu ſtehen deine Reiter hier müſſig? 


336 


Die Gaule finnen nidt die Mauern hinauf reiten." 

Mein, aber ſchwimmen fonnen fie. 

Wuf: nimm du dreihundert, gieb mir dreihundert. 

Bwei Wege führen links und rechts vom Stdotlein 
iter —: nein! dic Brücken haben fie abgebroden — aljo: 
durch den Claſius und durch die Sibola — laf ihn 
ung verfolgen. — 

Gewiß ijt der wunde Konig — fann er nod kämpfen? 

„Schwerlich.“ 

„Dann iſt er über Taginä geflüchtet worden — nad 
Rom over —" 

Mein, gu fener Braut!” rief Furius: ,gewif yw 
Valeria in's Kloſter. Ha, in ihren Armen will ih ifa 
erdolden! anf, ihr Perfer, folgt mir. Dank, Prafect! 
nimm Ketter, fo viel du willft. Und reite du redts. — 

Ich reite ints um die Stadt: denn zwei Wege führer 
nad bem Kloſter.“ 

Und {don war er, linksabſchwenkend, verſchwunden. 

Cethegus revete ren Reſt der Reiter perfijd an und 
befahl ihnen, thm gu folgen. 

Dann ritt er gu Liberius heran und fprad: 

„Ich fange den Gothenkönig.“ 

Wie? Cr lebt nod? dann eile.“ 

„Nimm vw einftweilen died Taginä,“ fuhr Sethegus 
fort: „ich laſſe dir meine Sjauvier." 

Und er fprengte mit Syphaxr und dreihundert Perfern, 
rechts umſchwenkend, davon. 

Einſtweilen hatten den wunden König die Freunde 
durch Taginä hinaus in ein kleines Piniengehölz an rer 


307 





<Sirafe gebradht, wo er aus einer Quelle trank und ſich 
~S twas erbolte. 

‚„Julius,“ mabnte er, ,reite hinauf yu Baleria: fag’ 
“er: dieſe Schlacht fet verloren: aber nidt vas Reid, 
Tricht id, nicht die Hoffnung. 

Ich veite, fowie id) mid) gekräftigt, hinauf nad 
“Ser Spes bonorum: in jene fefte, hohe Stellung habe 
adh Teja und Hildebrand befdieden nad Löſung ihrer 
Wufgaben. Gebh, ich bitte, tröſte vie Geltebte und bringe 
Ge felbft aus dem Mlofter dorthin. 

Du willft nicht? vann reit' ich felbft ven fteilen Weg 
“En’8 Rofter: nimm mir das dod ab." 

Midt gern fried Julius von dem Wunden. 

wo bebe mir Helm und Mantel ab: fie find fo 
Tchwer,“ bat diefer. 

Julius löſte ihm beide ab. 


Dabn, Sin Kampf um Rom. IV. 22 


Adjtunddreifigfes Capitel. 





Da vurdyudte den Mind ein Gedanke: batten fie 
nidt fdon einmal bie Gewande getauſcht, — vie Dios⸗ 
furen ? 

Und hatte er nidt ſchon emmal den Mordftabl da⸗ 
rurd von Totila auf fic) gezogen ? 

Unr nun fam ihm blitzſchnell: — wenn fie verfolgt 
wurden? — denn ihm war, als hire er Roffe eilend nahen 
und Aligern. — Aralgoth hielt res Königs Haupt in 
feinem Schos — war an den Waldeingang geeilt, gn 
ſpähen. 

„Ja: fie ſind's,“ rief dieſer jetzt zurück: ‚perſiſche 
Reiter nahen von zwei Seiten dem Wald.“ 

„Dann eile, Julius,“ bat Cotila, ,rette Valeria auf 
das fefte Grab gu Teja." 

oa, td eile, mein Freund! Auf Wiederſehn!“ Und 
ex drückte ihm nodymal die Hand. 

Dann beftiey er ven Rappen Pluto — er wählte 
Ta’ verwundete Rog, dem Freunt das eigne, nod une 
verfebrte überlaſſend. 

Raſch feste ev, ungefehen von Totila, den Schwanen⸗ 





339 





bem auf's Haupt, warf ven weifen, blutbeſpritzten 
antel um und fprengte aus dem Walde gegen die 
SEL oſterhöhe. 

wDiefer Weg," fagte er fid, ,ift gang offen unr 
TEE gededt: dagegen der des Königs nad) dem Grab gebt 
Drardh Wald und BWeinberge. 

Bielleidht gelingt e8, die Verfolgung auf mid und 
Pon ihm abzuziehen.“ 

Und in dey That, faum war er aus dem Gehölz 
tris Freie gelangt und begann, bergan gut reiten, als er 
Fah, wie die Reiter, welde um Taginä herumgeſchwenkt 
Maren, ihm eifrig folgten. 

Um fo lang al8 miglid) die BVerfolger von dent 
König abgulenten, fo fpat als möglich erft vie Erken— 
Narang des Irrthums herbet gu führen, tried ev fein Rof 
zu höchſter Cile. 

Aber der Rappe war wund: und es ging ſehr ſteil 
einen ſteinigen Hang hinan. 

Näher und näher brauſten die Verfolger. 

wot er's?“ 

Ja, er iſt's.“ 

„Nein, er iſt's nicht. Gr iſt gu Hein,” fagte der 
Führer, der als der Vorderſte ritt. 

„Und ſollte er ganz allein fliehen?“ 

„Das ware freilich Das Klügſte. was er thun könnte, 
zu entkommen,“ meinte der Führer. 

„Freilich iſt er's, der Schwanenhelm!“ 

„Der weiße Mantel!“ 

„Aber er ritt ein weißes Roß?“ fragte der Führer. 


224 


340 





„Ja, zuerſt,“ antwortete einer ter Reiter. ,,Wher 
al8 das fiel von meinem Speer — ba boben fie thn — 
id) ftand ja dabei — auf diefen Rappen.“ 

„Gut,“ rief der Führer, „genug, Dann haſt pu frets 
lich Recht. Und ich kenne den Rappen.“ 

„Ein edles Thier! Wie es aushält, bergan, obwohl 
es blutet.“ 

„Ja, er iſt edel! Und er ſoll ſtehen, der Rappe, gebt 
Acht: „Halt, Pluto! auf vie Kniee.“ 

Und zitternd, ſchnaubend hielt das kluge, treue Roß. 
trotz Sporn und Schlag, und ſenkte langſam die Vorder⸗ 
füße in den Sand. 

„Verderben bringt's, Barbar, des Präfecten Roß zu 
reiten! 

Da! Nimm das für's Forum! und das für's Capitel 
und vas fiir Julius!“ 

Und wiithend fdleuderte der Führer drei Wurffpeere 
nad) einanber, den eignen und zwei von Syphax, die 
er Diefem entrig, in den Rücken, dag fie vorn heraus 
brangen, fprang vom RoR, zog das Schwert heraus und 
riß des gur Erde Geftiirzten Haupt an vem Helm empor. 

„Julius!“ fdrie er entfept. 

„Du, o Cethegus?“ 

„Julius! Du darfft nicht ſterben.“ 

Und leidenſchaftlich ſuchte er das Blut zu hemmen, 
das aus den drei Wunden floß. 

„Wenn du mich liebſt,“ ſprach der Sterbende — 
„rette ihn — rette Totila!“ 


341 


Und die fanften Augen ſchloſſen fic fiir immer. 

Gethegus taftete nad bem Herzen: er legte ihm dads 
Dhr auf die entblößte Brut. 

„Es iſt aus,“ ſagte er dann tonlos. 

„O Manilia! 

Sulius — did) hab’ ich geliebt. 

Und er ftarb, ſeinen Ramen anf den Lippen! 

Es ift vorbei,“ fprad er dann grimmig. 

„Das letzte Band, das mid an Menſchenliebe feffelte, 
tch mußt' es felbft zerhau'n, durch höhniſch affenden 

Zufall. 

Es war die letzte Schwäche. 

Jetzt, Menſchheit, biſt du mir todt. 

Hebt ihn auf das edle Pferd: das, mein Pluto, ſei 
Dein letzter Dienſt im Leben: — und bringt ihn — dort 
Ober ragt eine Capelle: dorthin bringt thn: und laßt 
thn durch Prieſter feierlich beſtatten. 

Sagt da oben nur: er hat als Mönch geendet — er 
ſtarb für ſeinen Freund: er verdient ein chriſtlich Be— 
grãbniß. 

Ich aber,“ ſchloß er furchtbar, „ich gehe, nochmal 
ſeinen Freund zu ſuchen: ich will ſie raſch vereinigen: — 
auf ewig.“ 

Und er ſtieg wieder zu Pferd. 

„Wohin?“ frug Syphax, „zurück nad Taginä?“ 

„Nein! Dort hinab in jenen Wald. Da wird er 
geborgen ſein. Denn daher kam Julius.“ 


@ 


— — | — 


342 


Während viefer Vorfalle hatte fid) der König erholt 
und erfraftigt und ritt auf bem Pferd ves Gulius mit 
Aralgoth, Wligern und einigen Reitern gerade aus durd) 
ren Wald, an deffen sftlidem Saum ber Weg zu dem 
Capellenhügel empor ftieg: fdon ſahen fie die weifen 
Mauern deutlich ſchimmern, als fie aus vem Walrweg 
bogen. | : 

Aber da erfdholl vom Silden, von ihrer rechten Seite 
ber, gellendes Gefdret: und über das offue Blachfeld 
fprengte, von dent Glafius ber, eine ftarfe Shar von 
Reitern gegen fie an. 

Der Konig erfannte den Führer. 

Und ebe feine Begleiter ihm guvorfommen fonnten, 
fpornte er fein Roß, fällte vex Speer und ſchoß bem 
Feind entgegen. 

Wie zwei Blige, aus ſich entgegen grollenden Ges 
wittern, trafen die beiden Reiter zuſammen. 

„Uebermüthiger Barbar !" . 

„Elender Verrather!“ 

Und beive fanfen vom Roß. 

Mit folder Wuth waren fie auf einander geprallt, dak 
feiner Der Dedung, jeder nur des Stoßes gedacht hatte. 

Furius Whalla war todt vom Ro geſtürzt: denn der 
Konig hatte ihm ven Speer mit folder Kraft durch ven 
Goldfdild und den Panzer in das Herz geftogen, daß ver 
Schaft in ver Wunde brad. 

Aber aud) der König ſank fterbend in Wdalgoths 
Arme: ver LanjenftoR hatte ihn grade unter der Kehl⸗ 
grube in Hals und Bruſt getroffen. 


343 





Adalgoth rif Valeria’s blaues Bannertud hervor aus 
Bem Gürtel und ſuchte das ftrdmende Blut zu hemmen | 
—: umfonft —: das belle Blau war fofort tief ges 
Fattigt vom Roth. 

„Gothia!“ haudjte er nod, „Italia — Baleria!" 

Jn diefem Wugenblid, ehe das ungleiche Gefedt bes 
ginnen fonnte, erreidte Alboin mit feinen Langobardens 
Meitern vie Stelle: — er war dem Corſen gefolgt, uns 
gewillt, müßig gu bleiben, wãhrend des Mauer-Kampfes 
warm Taginä. 

Schweigend, ernſt, gerührt ſah der Langobardenfürſt 
<auf die Leiche des Königs. 

„Er hat mir das Leben geldjentt — — id fonnte fein's 
wridht retten,“ fprad er ernſt. 

Einer feiner. Reiter wies auf die reiche mang des 
Todten. 

Nein,“ ſprach Alboin: dieſer tonigliche Set a 
Geftattet werden in allen Chren königlicher Waffen.“ 

Dort oben, auf ver Felshöhe, Alboin, “-fprad al 
goth traurig, ,barvet feiner längſt dte Braut und —, 
Felbfigewahit, das Grab." 

„Bringt ihn hinauf: id) gebe frei Geleit der edein | 
Leiche und den edeln Zraigern. 

Shr Reiter, ſolgt mir zurück in die Sad “ 


Mennunddreifighes Capitel. 





Wher vie Schlacht war aus: wie Alboin und and 
ver Prafect gu ihrem größten Staunen und Berdruf 
erfubren, al8 fie wierer bet Taginä eintrafen. 

Den Prafecten hatte, als er eben in den Pinienwald 
von Jorden her eingebogen war und bier ded Rinigs 
Spur verfolgen wollte, ein Cilbote des Liberius erreidt, 
rer ihm gebot, augenblidlid zurückzukehren: Narſes fet 
bewußtlos: und höchſte Gefahr verlange augenblickliche 
Entſcheidung. 

Narſes bewußtlos: — Liberius rathlos: der ſchon 
ſicher geglaubte Sieg gefährdet: — das wog noch ſchwerer 
als die zweifelhafte Ausſicht, dem halbtodten König den 
Todesſtoß zu geben. 

Eilig ſprengte Cethegus zurück des Weges, den er 
gekommen, nad Taginä. 

Hier rief ihm Liberius entgegen: 

„Zu ſpät: ich habe Alles ſchon abgeſchloſſen und 
bewilligt. Waffenſtillſtand. Der Reſt der Gothen 
zieht ab.“ 

„Was?“ donnerte Cethegus, — er hätte gern alles 


345 





gothifde Blut als Grabopfer auf feines Lieblings Grab 
geſchüttet — „Abzug? Waffenftillftand? 

Wo ift Narfes 2 

„Bewußtlos liegt er in feiner Ganfte: in argen 
Krimpfen. Der Sdred, die Ueberrafdung — es warf 
thn nieder — und fein Wunder!" 

„Welche Ueberrafdung? rede, Menſch!“ 

Und kurz ergablte Liberius, da fie unter furchtbarem 
Blutvergiegen, denn diefe SpeersGothen ftanden wie 
pie Mauern“ — in Tagind eingedrungen waren und int 
Stragenfampf Haus fiir Haus, ja Gemad fiir Gemad, 
erftirmen mußten — ,8oll fiir Boll mugte man zer⸗ 
haden einen Führer, der, Den einſtürmenden Ungalas 
Durdrennend, in die erfte Dtauerbrefde gefprungen war, 
bis man, fiber thn hinweg, in die Stadt drang.“ 

Wie hieß ex?” forfdte Cethegus eifrig, „hoffentlich 
Graf Teja?" 

„Nein, Graf Thorismuth. — Ws wir halbwegs 
fertig waren mit der Blutarbeit und Narſes fid) in die 
Stadt tragen laſſen wollte, da traf ihn, im Thore von 
Tagind, als Bote von unfrem linken Fliigel — der nicht 
mebr befteht! — gothifde Herolde ritten mit ihm — der 
verwundete Reurippos. 

„Wer bat? — 

„Er, den du vorhin nannteſt: — Graf Teja! Er 
überſah oder erfuhr, daß der Seinen Mitteltreffen ſchwer 
bedroht, der König verwundet ſei — da, erkennend wohl, 
daß er viel zu ſpät kommen würde, die Entſcheidung bei 
Taginä gu wenden, faßte er einen kühnen, einen vers 


346 


zweifelten Entſchluß: er warf fich plötzlich aus feiner 
abwartenden Rube von den Bergen auf unfern linfen, 
ihm entgegen ftehenden Flügel, der langſam gegen ihn 
bergan riidte, ſchlug ihn im erften Anlauf, verfolgte die 
Fliehenden in's Lager und nahm Cort Zehntauſend der. 
Unfern, vdarunter meinen Orefte’, den Benrippos und 
alle Führer gefangen. Cr ſchickte Beuzippos, gebunden, 
mit gothifden Herolden, die Wahrheit gu beftitigen, 
und forbderte fofortigen. Waffenftillftand auf vierundzwanzig 
Stunden.“ 

„Unmöglich!“ rief Cethegus. 

„Sonſt habe er geſchworen, alle ſeine zehntauſend 
Gefangnen. — ſammt ven Feldherrn! — zu tödten.“ 

„Gleichviel,“ meinte ver Präfect. 

„Dir mag es gleichviel ſein, Römer: was liegt dir 
an einer Myriade unſrer Truppen? aber nicht ſo Narſes. 
Die furchtbare Ueberraſchung, die ſchrecklichere Noth⸗ 
wendigleit der Wahl erſchütterte ihn bis in's Mart: ein, 
arger Anfall feiner Rrantheit warf ihn nieder, mir 
reichte er finfend nod den Beldherenftab, und. td, natür⸗ 
lich, nahm ven Vorſchlag an — 

„Natürlich: Pylades muß den Oreſtes retten,“ zürnte 
Cethegus. 

„Und zehntauſend Mann ves kaiſerlichen Heers.“ 

„Mich bindet der Vertrag nicht,“ rief Cethegus, ih 
greife wieder an.“ 

„Das darfſt du nicht! Teja hat ſeine Gefangnen 
größtentheils und alle Feldherrn als Geiſeln mitgeführt: 
— er ſchlachtet ſie, fliegt noch ein Pfeil.“ 


347 


„Er ſchlachte fle! Ich greife an.“ 

Sieh’ gu, ob div die Byzantiner folgen. Sofort 
babe id) deinen Sdaren ves Narſes Befehl mitgerheilt. 
Wenn id) bin jest Narſes.“ 

„Des Cores bift du, fowie Narfes zu fic) kommt.“ 

Uber Gethegus erfannte, daß er mit feinen Söldnern 
allein den Gothen nidts anhaben fonnte, welche nun, 
(nachdem fic) Teja mit ſeinen Gefangnen auf ven Kloſter⸗ 
und den Capellen-Hügel und die flaminifdhe Strafe 
zurückgezogen und aud Hildebrands Flügel mit nidt 
alljufdweren BVerluften dieſe Straße erreidht: — ans 
fangs batten die beiden Flüſſe, dann der verfiinvete 
Waffentilftand die Verfolgung durch Johannes gehemmt) 
— die Refte ihrer Truppen, die beiven Flügel, in eine 
fefte Stellung verfammelt batten. On 

Sebnfiidtig harrte Cethegus’ auf die Herftellung re’ 
Marfes, der, fo hoffte er, den von feinem Stellvertreter 
geſchloſſnen Vertrag nicht anerfennen würde. 


Viexzigſtes Capitel. 





Inʒwiſchen hatten Teja und Hildebrand von beiden 
Flügeln her ven Capellen-Hügel ves Numa erreicht, 
wohin, wie ihnen gemeldet war, der verwundete Konig 
gebracht worden. 

Nachricht von den ſpäteren Vorgängen hatte fie noch 
nicht erreicht. 

Noch außerhalb der Umwallung des Capellenbau's 
hatten ſich beide Führer über den Plan geeinigt, welchen 
ſie dem König vorſchlagen wollten: gab es doch keinen 
andern Ausweg als ſchleunigen Rückzug gen Süden 
unter dem Schutz des Waffenſtillſtands. 

Aber als ſie nun in das Innere des ummauerten 
Haines traten, — welcher Anblick bot ſich ihnen dar! 

Laut aufſchluchzend eilte Adalgoth Teja entgegen und 
führte ihn an ver Hand an den epheuumgrünten Gare 
fophag des Juma. 

Sn diefent fag auf feinem Schilde der König Totila: 
tie ernfte Majeſtät bes Todes verlieh ven edeln Rigen 
eine Weihe, die ſchöner war als je ber Schimmer der 
hellen Freude auf diefem herrlichen Antlitz geftrablt hatte. 


349 


Lints von ihm rubte, in der längſt von vem Sars 
fophag geliften, gewölbten Dedelplatte, Sulius: — die 
Aehnlichkeit der Diosfuren trat nun, unter rem gemeins 
famen Schatten des Todes, wieder ergreifend hervor. 


Sn ver Mitte aber der beiden Freunde war arf 
des Kinigs blutüberſtrömtem weißem Mantel von Gotho 
und Liuta einer Ddritten Geftalt gebettet worden: auf 
einem fanft erhöhten Hitgel, vas edle Haupt an der 
Gifterne Rand gelehnt, lag Valeria, die Römerin. 

Entboten von dem nahe gelegnen Kloſter, den vers 
wundeten Geliebten in Empfang yu nehmen, hatte fie 
fic, ohne Seufzer, ohne Weheſchrei, fiber ven breiten 
Schild geworfen, auf weldem Adalgoth und Aligern ihn 
fangfam, feierlidjen Schrittes, durch die Mauer⸗Pforte 
trugen. 

Che nod) Ciner der Beiden gefproden, rief fie: Sd 
weiß e8: — er ift todt.“ 

Gie hatte nod) geholfen, die ſchöne Leiche in dem 
Garfophag ves Numa beizufegen. 

Dazu hatte fie, ohne Chrane, mit leiſer Stimme, vor 


fid) hingefproden : 


„Sieheſt du nidjt, wie ſchön von Geftalt, wie ſchim⸗ 
mernd Achilleus? — 

Dennoch harret auch ſeiner der Tod und das dunkle 
Verhängniß, 

Wenn auch ihm in des Kampfes Gewühl das Leben 
entſchwindet, 


350 


Ob ihn ein Pfeil von ver Sehne dabinftredt ober ein 
Wurffpeer. 

Dod mir fet vann vergdnnt, in die Schatten gu 
taudjen des Todes.“ 


Dann 30g fie rubig, langfam, ohne Haft, den Dolch 
ans feinem Gürtel und mit den Worten: , Hier, ftrenger 
Chriftengott, nimm meine Seele bin! Go lf id dat 
Gelübde,“ ſtieß fich die Rimerin ven fdarfen Stahl in’s 
Her}. , 

Cafficdorius, ein kleines Kreuz von geweihtem Cedern⸗ 
Holz in ver Hand, ſchritt betend, tief erſchüttert, — 
Thränen rieſelten über das ehrwürdige Autlitz in den 
weißen Bart — von einer der drei Leichen gu der andern. 

Und leife ftimmten die frommen Frauen des Mofters, 
welche Valeria begleitet batten, gu feterlider, einfader 
Weife ven Choral an: 


Vis ac splendor seculorum, 
Belli laus et flos amorum 
Labefacta mox marcescunt: — — 
Dei laus et gratia sine 
Aevi termino vel fine 
In eternum perflorescunt. 


(Bald in Afde mug vergebhen, 
Was wir ftarf, was lieblid) fehen, 
Wher Stolz und Schmuck der Beit: — — 
Gottes Gnade fonder Wanken, 
Gottes Liebe fonter Schranken 
Walten fort in Gwigleit.) 


351 





Allmälig hatte fid ver Hain mit Kriegern gefiillt, 
welde den Führern, darunter den Grafen Wifand und 
Marka, vermöge der Waffenruhe unbehintert, gefolgt 
waren. 

Schweigend hatte Leja des weinenren Adalgoth Berit 
mit angebirt. 

Nun trat ex an ves Königs Leiche dicht heranß 

Schweigend, ohne Thräne, legte er die gepanjerte 
Redhte auf ves Königs Wunde, beugte fic) über ihn 
und flifterte dem Zodten zu: 

vod will’s vollenden.“ 

Dann trat er zuriid unter einen hodragenden Baum, 
welder ſich über einent vergeßnen Grabbiigel erhob, und 
fprad) gu der ficinen Schar, die ehrfurchtsvoll, ſchickſal⸗ 
ergriffen, fdmeigend, dieſe Statte des Todes umgab: 

„Gothiſche Männer: die Schlacht ift verloren. Und 
das Reid) dazu. | 

Wer unter euch zu Marfes gehen, ſich dem Raifer 
unterwerfen will — ic balte feinen. 

Sd aber bin gewillt, fort gu fampfen bis an’s 
Ende. 

Nicht um ven Sieg: um freien Helventod. 

Wer den mit mir theilen will, ver bleibe. 

Shr Alle wollt es? gut.” 

Da fiel Hildebrand ein: 

„Der Konig ift gefallen. 

Die Gothen finnen nist, aud) um gu fterben nidt, 
fampfen ohne König. 

Athalarich: — Witichis: — Totila: — nur Einer 


3952 





kann ver vierte fein, der dieſer edeln Dreigahl folgen 
darf — bu Teja, unfer legter, unfer größter Held.“ 

„Ja,“ fprad Teja, „ich will euer Konig fein. 

Nicht freudig Ieben, nur herrlich fterben follt ihr 
unter mir. 

Still! Rein froher Ruf — fein Waffenlarm be- 
grüßé mid). 

Wer mid gum König will — der thue mir nad.“ 

Und er brad von dem Baum, unter dem er ftand, 
einen ſchmalen Zweig und wand ibn um den Helm. 

Und fdweigend folgten We feinem Beiſpiel. 

Adalgoth, ver thm zunächſt ftand, fliifterte ihm zu 
0 Konig Teja! Es find Cypreffengweige —: gemeibte 
Opfer kränzt man fo!" | 

„Ja, mein Wdalgoth, du fpricdft Weiſſagung:“ — 
und er ſchwang das Schwert im Kreis fiber fein Haupt 
— ,dem Lode geweiht'. 


Siebentes Bud. 


gv e a. 


yum o 


wun bab’ id die denfwirdigfte Schlacht 
ju fcildern und das hohe Heldenthum ded 
Manned, dex keinem der Heroen nachſteht: — 
ded Teja.” 


Profop, Gothenfrieg 1V. 35. 


Dahn, Gin Rampf um Rom. IV. . 23 


Erſtes Capitel. 





Und raſch vollendeten fic) nun des Gothenvoltes 
Geſchicke. 

Der rollende Stein rollte dem Abgrund zu. — 

Als Narſes die Beſinnung wieder gefunden und das 
inzwiſchen Beſchloſſne und Geſchehne erfahren, befahl er 
ſofort, Liberius zu verhaften und zur Berantwortung 
nach Byzanz zu ſchicken. 

we) will nicht ſagen,“ ſprach er gu ſeinem Vertrauten, 
Bafilistos, „daß er die falfde Entſcheidung getroffen. 

Sch felbft hatte fle nicht anders getroffen. 

Aber aus andern Griinden. 

Gr hat vor Allem feinen Freund und dann and 
jene Zehntauſend retten wollen. 

Das war ein Fehler: man mufte fie opfern, wenn 
man Liberius war. 

Denn Liberius überſah nidt vie Lage ves Rriegs. 

Liberius wußte nidt, wie Narſes es weiß, dak, nach 
dieſer Schlacht, das Gothenreich verloren iſt: — ob es 
bei Taginä oder etwa bei Neapolis vollends vernichtet 

23* 


356 





wird, ift gletdh: und nur deßhalb fonnte, mußte man 
jene Rebntaufend retten.” 

Bei Neapolis? Aber warum nidt bet Rom? Gee 
venfft du der furdtbaren Walle des PBrafecten nicht? 
Warum werden fic) die Gothen nicht nad Rom werfen 
zu mondenlangem Wider{tand 2?“ 

Warum? weil es mit Rom eine eigne Bewandtniß 
hat — aber bas wiffen fo wenig die Gothen wie 
Liberius. 

Und das darf nod lange nicht wiffen — Cethegus. 
Alfo ſchweige. Wo ift ver Stadtprafect von Ion? 

„Vorausgeeilt, um fofort, nad) Ablauf des Waffen⸗ 
ftilftandes, als der Erſte, die Verfolgung zu leiten.“ 

„Du haſt body geforgt —?“ 

„Zweifle nicht! Cr wollte mit ſeinen Iſauriern 
allein aufbrechen: ich — vd. h. Liberius anf meinen 
Rath, — hab' ihm Alboin und die Langobarden bei⸗ 
gegeben und du weißt —" 

oa," lächelte Narfes, , meine Wölfe laffen ihn nidt 
aus den Wugen." 

„Aber wie lange nod foll er — 

„So lang td thn branche. Nicht eine Stunde linger. 

Alfo ver junge königliche Wunderthater liegt anf 
feinem Schild? 

Nun mag Iuftinianus fic) mit Recht ,,Golhiens” 
Nennen und wieder rubig ſchlafen. 

Uber freilich: — der ſchläft wohl nie mehr ruhig — 
ber enttäuſchte Wittwer Theodora's.“ — 


357 





Die beiden Führer Teja und Narſes batten alfo 
das gleide Urtheil über das Gothenreich. 

Es war verloren. 

Bei Capra und Taginä war die Blithe des Fup 
volfs gefallen: fiinfund;wanjig Tauſendſchaften hatte Totila 
hier aufgeftellt: nicht Cine volle derfelben ward gerettet : 
aud) die beiden Flügel batten Verlufte gehabt: fo waren 
8 faum zwanzig Tanfendfdaften, mit welden König Teja 
eilig, zunächſt auf der flaminifden Straße, nak Silden 
abjog. 

Ihn mahnte yur Cile aud) der Hülferuf des Heinen 
Heeres von Herzog Guntharis und Graf Grippa, weldes 
von der zwiefachen Rabl der zwiſchen Rom und Neapoli# 
unter Armatus und Dorotheos gelandeten By3antiner 
Sedrangt war. 

Und ihn gwang aur Gile die furdthare Verfolgung, 
mit welder Narfes, nad Wblauf des Waffenftillftandes, 
gemãß feinem ſchrecklichen Syſtem der ,wandelnden Dauer™ 
drängte. 

Während die Langobarden und Cethegus raſtlos nach⸗ 
ſetzten, langſam gefolgt von Narſes, breitete dieſer nach 
links und rechts zwei furchtbare Flügel aus, welche im 
Süud⸗Weſten über dad ſuburbicariſche Tuscien hinaus bis an 
das tyrrheniſche Meer, im Nord⸗Oſten durch das Picenum 
bis an den joniſchen Meerbuſen langten und, wie ſie von 
Norden nach Süden und von Weſten nach Oſten vordrangen, 
alles gothiſche Leben hinter ſich ausgelöſcht zurück ließen. 

Weſentlich erleichtert wurde dies Verfahren durch 
den nun ganz allgemeinen Abfall der Italier von der 


358 


verlorenen gothifden Gade: der milde Rinig, welder 
fie dereinft gewonnen, war erfegt worden durch einen 
viiftern Helden gefiirdteten Namens: nicht Neigung gu 
dem Regiment von Byzanz, aber Furcht vor des Rarfes 
und des Raifers Strenge, welde jeden Stalter, der es 
nod) mit den Barbaren hielt, mit vem Lode bedrobten, 
30g raſch die Sdwanfenden beritber. 

Die Btalier, welde nod) in König Teja's Heere 
Dienten, verliefen dafjelbe und eilten gu Narſes. 

Nod) viel haufiger als vor der Schlacht von Tagine 
wurden jetzt rie Falle, in welden gothifde Siedelungen 
von ihren italifden Nachbarn, oft von dem Hofpes, der 
ein Drittel feines Gutes- dem Gothen hatte abtreten 
müſſen, Den „Romäern“ verrathen ober, wo die Stalter 
in groper Ueberzahl waren, von diefen felbft ausge⸗ 
morbet, gefangen, an die beiden Flotten des Narſes, die 
„tyrrheniſche“ und die ,jonifde", abgeltefert wurden, 
welde fangfam im tyrrbenifden und im jonifden Meer 
an Der Küſte hinfubren, den Vormarfd ver Landbeere 
begleitend und alle gefangnen Gothen, Dinner, Weiber 
und Kinder, mit ſich ſchleppend. 

Die Burgen und Städte, ſchwach beſetzt, — denn 
Totila hatte ſein kleines Heer durch deren herangezogne 
Mannſchaften verſtärken müſſen — fielen meiſt durch 
die Bevölkerung, welche, wie nach Totila's Erhebung 
die Kaiſerlichen, ſo nun die gothiſchen Beſatzungen über⸗ 
wältigten: ſo im ſpätern Verlauf des Krieges Narnia, 
Spoletium, Peruſium: — die wenigen, welche wider⸗ 
ſtanden, wurden eingeſchloſſen. 


399 





So glich Narfes einem gewaltigen Manne, der mit 
ausgebreiteten Armen durd einen engen Gang ſchreitet, 
und Wes, was ſich bier bergen wollte, vor fic ber 
ſchiebt: oder einem Fiſcher, welder mit dem Sacknetz 
badaufmarts watet: hinter ihm bleibt fein eben mehr. — 

Geängſtet flüchteten alle Gothen, welche fic nod 
tetten fonnten, mit Weib und Rind vor der ,eifernen 
Walze* ves Narfes, wenn fie fic) naberte, von allen 
Seiten nad) dem Heere des Königs, welches bald eine 
größere Zahl von Unwebrfabigen als von Rriegern in 
ſeinem wandernden Lager barg. 

— Wieder waren vie Oftgothen auf der Völkerwanderung 
begriffen, wie vor hundert Jahren: aber hinter ihnen 
jetzt das eberne Netz des Marfes und vor ihnen in der 
” immer ſchmaler julaufenden Halbinfel das Meer: — und 
feine Schiffe zu vettender Flucht. 


Bweites Capitel. 


Und nod) dazu vervingerte eine unabweisbare Roth 
wenbdigfeit die Bahl ver webrfabigen Gothen in König 
Leja’s Heer auf das Furdtbharfte. 

Seit dem erften UAngenblic ver begonnenen Bers 
folgung hatte fic) Cethegus mit den Sfauriern, mit 
feinen byzantinifden Truppen — faracentfden und bern: 
liſchen Reitern — und Alboin mit feinen Lanjenveitern an 
vie Ferfen ver Abziehenden gebeftet: follte nicht die ohne⸗ 
hin langfame Bewegung bes durch fo viele Frauen, 
Kinder, Greife gehemmten Rückzugs völlig gebemmt wer⸗ 
ven, fo mußte faft jede Macht eine Meine Heldenſchar 
geopfert werden, weldje an giinftig gelegner Stelle Halt 
madte und bier durch gahen, todeskühnen, boffnungslofen 
Wiverftand die Berfolger fo lang hinhielt, bis das 
Hauptheer wieder grogen Vorfprung gewonnen. 

Diefes graufame, aber eingig ergreifbare Mittel 
mußte bald mit Aufopferung einer halben Taufendfdaft, 
bald, wo die Vertheidigungsftelung breitere Stirn hatte 
mit nod) größeren Opfern angewendet werden. 

König Teja hatte e8 vor dem Aufbrud von ,Spes 


=» 


361 


BVonorum" laut vem ganzen Heer verfiindet: fdyweigend 
batten die Manner vas furdbare Mittel gebilligt. 

Und fo ungeftiim bewarben fic) die „Todgeweihten“ 
jeden Abend um dieſen Chrenpoften, rag König Teja 
— feudten Auges — das Los entfdheiden liek: er 
wollte einen franfen durch Bevorzugung Anderer. 

Denn die Gothen, ven fidern Untergang von Volt 
und Reid) vor Augen, fehr Viele Weih und Rind dem 
Narſes verfallen wiffend, drängten fid) um die Wette 
gum Tobe. | 

Go wurde diefer Rückzug eine Chrenftrafe gothifden 
Heldenthums: jede Haltitelle faft em Markſtein todes⸗ 
muthiger Wujopferung. 

So fielen al8 Führer diefer „Nachhut ves Unter: 
gangs" der alte Hadufwinth bei Nuceria Camellaria, dev 
junge, pfeilfundige Gunthamund bet ad fontes, der raſche 
Reiter Gudila bei ad Martis. 

Aber es follte dieſe Aufopferung und des Königs 
Feldherrnſchaft nicht ohne Frucht bleiben fiir vie Ge: 
ſchicke des Volkes. 

Bei Foſſatum, zwiſchen Tudera und Narnia, fam 
es zu einem Nachtgefecht mit der Nachhut unter dem 
tapfern Grafen Marfja, welches vom Nachmittag, da 
ſie die Reiter des Cethegus erreicht hatten, angefangen 
bis zum Sonnenaufgang währte. 

Als endlich das wiederfehrende Licht die raſch aufs 
geworfenen Erdſchanzen ver Gothen beleuchtete, war es 
auf diefen grabesftill. 

Die BVerfolger riidten mit äußerſter Vorfidt an: 


362 





endlid) fprang Cethegus vom Pferd und anf die Britftung 
ver Sdanze, hinter ihm Syphar. ; 

Da wintte Cethegus hinab. 

„Kommt nad: e8 hat feine Gefabr! Shr habt nur 
hinweg zu ſchreiten itber pie Feinde: denn hier liegen fie 
toot: alle taufend: dort aud Graf Marfja, icp fenne ihn.“ 

Als aber nun die Reiter, nachdem vie Schanzen hin⸗ 
weggerdumt waren, dem abgezognen Hauptheer, das febr 
grofen, weiteren BVorfprung gewonnen, nachjagten — 
Gethegus fithrte fie — erfubren fie alsbald von den 
Bauern, daß vas gothifdhe Hauptheer hier, anf der 
flaminifden Straße, nicht voritber gezogen war. 

Durd) das edelſte Opfer war e8 erfauft, dak Konig 
Leja feines Rückzugs weitere Richtung von hier ab auf 
geraume Beit verfdleiert hatte: vie Berfolger hatten alle 
Fühlung mit ihm verloren. 

Sethegus rieth Johannes, einen Theil der Seinen 
zur Rechten nad Südoſten, Wlboin dagegen sur inven 
ver flaminifden Straße nad) Nordoſten verfolgen gu 
laffen, um die Spur wieder aufzufinden. 

Shn felbft aber zog es gewaltig mad) Rom: er 
hoffte die Start vor Narſes, ohne Narſes gu erreichen, 
zu gewinnen und dann, vom Capitol herab, ihm wie 
Belifar Schad) yu bieten. 

Nad) der Enthedung, daß fic) König Leja der Bere 
felgung entzogen habe, berief Gethegus feine vertrauten 
Tribunen und eröffnete ibnen: er fet entſchloſſen, nun, 
nothigenfalls mit Gewalt, der ſtäten Beaufſichtigung 
turd) Alboin und Johannes ſich yu entgtehen, welde er 


363 





wurd die angerathnen Cntfendungen geſchwächt wufte 
und mit feinen Sfauriern allen nad) Rom gu eilen, 
geradewegs auf der Flaminia, die ja nun von den Gothen 
nicht gefperrt war. 

Wber wabrend er ſprach, fithrte Syphax eitfertig 
einen römiſchen Biirger in's Relt, den er mit Mühe 
aus den Handen ver Langobarden geldft: jener hatte nad 
vem PBrafecten gefragt und fie batten ihn „behandeln 
wollen wie gewöhnlich“, batten fie geladt. 

oom Rücken her aber," fiigte Syphax bei, ,nabt ein 
grofer Bug: — ich fpabe danach und berichte bir wieder." 

wid) fenne did, Tullus Faber,” fprad ver Prafect : 
du warft immer Rom und mir getreu. Was bringft du?” — 

ww Präfect,“ Elagte der Mann, weil pu nur nod 
lebſt! 

Wir alle glaubten, du ſeiſt todt, da du auf acht 
Botſchaften uns keinen Beſcheid gabſt.“ 

„Ich habe nicht Cine erhalten.“ | 

Go weift du nidt, was in Rom geſchehn? Pabſt 
Gilverius ift auf Sicilien im Gril geftorben. Der neve 
Pabft ift Pelagins, vein Feind.“ — 

„Nichts weiß id. Rede!“ 

„O ſo wirſt auch du nicht rathen noch helfen können. 
Rom hat —“ | 

Da trat Syphax ein: aber ehe er nod) fpreden 
fonnte, erfdien im Relt des Prajecten Narſes, geſtützt 
auf des Bafilisfos Arm. 

Ihr habt eud) ja fo {ange bier aufhalten laſſen von 
taufend gothifden Speeren,“ zürnte dex Feldherr, „bis euch 


364 





rie Gefunden entfommen find und die Kranken end eins 
holen fonnten. 

Diefer König Teja fann mehr als Schilde breden: — 
er fann Schleier weben vor des Prafecten ſcharfen Wugen. 

Uber ich fehe durch viele Schleier: auch durch dtefen. 

Johannes, rufe detne Lente guriid: er fann nicht 
nad Süden, er mug nad) Norden ausgewichen fei. 

enn er weik jest wohl fdon lang, was den 
Prafecten von Rom zumeiſt angeht: Bont ift den Gothen 
entriſſen.“ 

Des Cethegus Auge leuchtete. 

„Ich habe einige kluge Leute hinein geſchmuggelt gehabt. 

Sie trieben die Bewohner zu raſcher, nächtiger 
Erhebung: alle Gothen in der Stadt wurden erſchlagen: 
nur fünfhundert Mann entkamen in das Grabmal 
Hadrians und halten es beſetzt.“ 

„Wir haben acht Boten an dich geſandt, Präfeect,“ 
fand Faber Muth, einzuwerfen. 

„Hinaus mit diefem Menſchen,“ winkte Rarfes. 

„Ja, Die Birger Roms evinnern fid) in Liche wieder 
res Prajecten, vem fie foviel verdanfen: wet Bes 
lagerungen, Hunger, Peft und Brand des Capitols! 

Uber die an dich gefendeten Boten verirrten fid 
immer 3u meinen Wölflein: und diefe haben fle wohl 
zerriſſen. 

An mich aber gelangte die Geſandtſchaft, die der 
heilige Vater Pelagius abgeordnet hat: und ich habe mit 
ihm einen Vertrag geſchloſſen, den du, o Stadtpräfect 
von Rom, gewiß gutheißen wirſt.“ 


365 


od) werde ihn nicht auflöſen können.“ 

die guten Birger Roms fdeuen nidts fo febr 
als eine dritte Belagerung: fie haben fid) erbeten, wir 
möchten nidts unternehmen, was zu einem nenen Kampf 
um ihre Stadt führen könnte: vie Gothen im Grabmal 
Hadrians müßten, ſchreiben fie, bald dem Hunger erliegen: 
und ihre Walle wollten fie felbft veden: und fie haben 
gefdworen, nad) jener Gothenfdar Untergang die Stadt 
nur yu übergeben ihrem natiirliden Beſchützer und Haupt: 
Dem Stadtprafecten von Bom. 

Biſt du damit gufrieden, Cethegus? Lies den Vers 
trag: — gieb ihn ihm, Baſiliskos.“ 

Cethegus {a8 m tiefer, freudiger Errequng: fo batten 
fie ihn doch nicht vergeffen, feine Rimer! — 

Go riefen fte dod) nun, da Wes zur Entſcheidung 
wrangte, nicht die gebakten Byzantiner, fondern thn, 
ihren Schirmberrn , zurück auf's Capitol. 

Schon fah ex fid) wieder auf dem Gipfel der Macht. 

od) bin's zufrieden,“ fagte er, die Rolle zurück 
gebend. : 

„Ich habe gelobt,” fprad Narſes, ,feinen Verſuch yu 
maden, die Stadt mit Gewalt in meine Hand gu bringen: 
erft muß König Teja dem König Totila nadgefolgt fein. 

Dann Rom und — mandes Andre. Folge mir 
Prafect, im ven Kriegsrath.“ 

Als Gethegus die Berathung in dem Relt des Narſes 
verlieR und nad Tullus Faber forfdte, war jede Spur 
von diefem verſchwunden. 


Drittes Capitel. 


Scarf hatte der große Feldherr Rarfes die Wegs 
ridjtung erfannt, auf welder Rinig Leja von der flamis 
nifden Straße abgebogen war. 

Nad Norden zunächſt, nad) dev Küſte des joniſchen 
Bufens, war er ausgewichen und führte hier, mit feltner 
Wegestunde, auf vielfad) gewundenen Pfaden, fein flüch⸗ 
tendes Volk und Heer unbebelligt, unerreicht von den 
Berfolgern, iiber Hadria, Uternum, Ortona nach Same 
nium: daß Rom fiir ihn verloven, erfubr er durd 
einjelne aus der Stadt geflohne Gothen fdon inter 
Nuceria Camellaria. 

Nicht unerwiinfeht fam des Königs rafd gum Ende 
drangendem und fdonungélofem Ginn die Nöthigung, 
ſich feiner Gefangnen zu entledigen: diefe, an Zahl faft 
halb fo ftarf als ihre Befieger, batten die Ueberwachung 
fo {dwierig gemadt, daß Teja jeden Befretungsverfud 
mit dem Lode bedrohen mußte. 

Hinter Foffatum, bet ver Nordſchwenkung, machten 
fie trogvem einen Verſuch, maffenbaft mit Gewalt los 
zubrechen. 


367 . 


Sehr viele wurden bet rem Unternehmen getidtet : 
le, welde itbrig geblieben waren, mit Oreftes und 
mmtlichen Führern, ließ ver König bei dem Uebergang 
er Den Aternus mit gebundnen Handen in den Flu 
rfen und ertranfen. — 

Auf Avalgoths Fürbitte hatte er finfter erwidert : 

„Zu vielen Taufenden haben fie webrlofe Gothen« 
‘etber und -§inder an thren Herdfeuern itberfallen und 
ſchlachtet: vas ift fein Krieg ver Krieger mehr: das ift 
a Mordfanpf ver Völker. Laß uns darin halbwegs 
th das Unfre thun.“ 

Wus Samnium eilte ver Konig, das unwehrhafte 
olf langfam unter ſchwacher Beredung nad ſich führend 
- denn bier drobte keine Verfolgung — mit dem beften 
ruppen vafd nad) Gampanien: fo unerwartet traf er 
ev ein, daß er das kleine, durch die bisherigen Gefedte 
it Der Uebermacht zuſammengeſchmolzne Heer von Herzog 
untharis und Graf Grippa, — er traf fie im fefter 
telung gwifden Neapolis und Beneventum, — faft 
enfo überraſchte, wie bald darauf die ſiegesſichern 
egner. 

Er erfuhr, daß die, Romäer“, von Capua aus, Cumä 
drohten. 

„Nein,“ rief er, „dieſe Burg ſollen fie nicht vor mir 
reichen. 

Dort hab’ ich nocd ein wichtig Werk zu vollenden.“ 

Und verſtärkt durch die Beſatzung aus ſeiner eg: 
m Grafenſtadt Tarentum, unter vem tapfern Rags 
wi8, griff er die Uebermacht der Byzantiner, welche 


‘ 368 





auf geheiment Marfde von Capua aus Gumd fibers 
rumpeln wollten, fie felbft aufs Höchſte überraſchend, 
an und ſchlug fie unter blutigen Verluſten grimmig auf's 
Haupt: er ſpaltete mit der Streitaxt dem Archonten Ar⸗ 
matus die Stirn: an feiner Gette durdjrannte der 
junge Herzog von Apulien den Dorotheos mit dem 
Speer: entfegt flohen die Byzantiner gen Norden bis 
nad) Terracina. 


Es war der legte Sonnenkuß. ven der Siegesgot 
auf tie blaue Gothenjahne legte. 

Tags varauf jog Kinig Teja in Cumé ein. 

Lotila hatte, auf fetn ernftes Andringen, fic ents 
jdloffen, bet dem diesmaligen allentfdeidenden Auszug 
von Rom, gegen feine Gewobhnbeit, fiir die Trene der 
Start Rom Geifefn yu nehmen: niemand wufte, wets 
dieſe gebradjt worden. 

Am Abend feines Cinzugs ließ Konig Leja den gue 
gemauerten Garten des Caſtells gu Cuma anfbreden: 
hier waren, hinter thurmhohen Wallen, die Geifeln 
Roms geborgen: Patricter, Genatoren — darunter 
Maximus, Cyprianus, Opilio, Rufticus, Fivelins: die 
angefebnften Dinner ves Genats — im Ganzen drets 
hundert an der Bahl: fie waren alle Glieder des alten 
Bundes der Katafomben wider vie Gothen. 

Teja lief ibnen von ven aus Rom entwidnen Gothen 
berichten, wie nie Römer, verfiihrt von Sendlingen det 
Narfes, ſich in einer Nacht pliglid erhoben, alle Gothen, 
aud) Weiber und Kinder, deren fie babbaft werben 


369 


konnten, ermordet und den Reft in die moles Hadrian 
gufammengedringt batten. 

So furchtbar war der Blid des Königs, welden er 
auf den jitternden Geiſeln während diefer Erzählung 
tuben ließ, daß zwei derfelben das Ende abjuwarten 
nicht ertrugen, fonbdern fich fofort an den harten Fels⸗ 
wallen tie Köpfe einvannten. 

Nachdem vie Boten eidlid ihre Erzählung bekräftigt 
batten, wandte fic) der König fdweigend und ſchritt aus 
dent Garten. 

Gine Stunde daranf ftarrten die Koöpfe der drei- 
hundert Geifeln graglich von den Mauerzinnen herab. — 

weber nicht blos dies furdthave Richteramt zog mid 
nad Cumé," fprad Teja yu Adalgoth. 

„Es gilt, hier nocd ein heiliges Geheimniß yu ers 
Bebe.” 

Und er [ud ihn, fowie die andren Führer des Heeres, 
gum feſt⸗ und freudelofen Nachtmal. 

Als das traurige Gelage gu Ende, winkte der Kinig 
Dem alten Hildebrand. 

Diefer nidte, hob eine diifter brennende Pedhfacel 
ans bem Gifenring der Mittelfaule ver gewölbten Halle 
und fprad: . 

„Folgt mix nad, ihe Kinder junger Tage: nehmt 
enre Schilde mit." 

Es war die dritte Stunde der Sulinadt: vie Sterne 
ſtanden in der Mitternacht. 

Da fdritten ans der Halle, ſchweigend dem König 


amd dem wrgrauen Waffenmeifter folgend, Guntharis 
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 24 


370 


und Wdalgoth, Wligern, Grippa, Ragnaris und Wifanr, — 
rer Bandalarius: Wadhis, des Rinigs Schildträger, 
ſchloß den Bug mit einer gweiten Fadel. 

Gegeniiber dem Schloßgarten erhob fid) ein riefiger 
Rundthurm, „der Thurm Theoderichs“ genannt, weil ihn 
viefer große König neu verſtärkt hatte. 

In dieſes Thurmgebaure leudtete und fdritt voran 
der alte Hilrebrand. 

Aber anftatt nun von dem Erdgeſchoß aus, welches 
nur die leere Thurmftube zeigte, vie hohe Treppe empor 
zu fteigen, machte der Ulte Halt: er kniete nieder und, 
vorfidtig meffend, fpannte er mit der gemaltigen Hand 
auf pem Boren von ver forgfaltig wierer gefdloffnen 
Thiire an nad) rer Mitte fünfzehn Handfpannen — der 
ganze Boren fdien aus drei coloffalen Granitplatten 
zuſammengelegt —: auf rer fünfzehnten Spanne bielt er 
ren linfen Daumen an und fdlug mit der Steinart anf 
die Platte: da Hang e8 Hohl: und in eine ſchmale, kaum 
ſichtbare Hike res Gefteins die Spike ver Art bohrend 
hieß er alle Mtann hinter fic) zur Linken treten: als 
pies gefdebn, ſchob ev die Steinplatte nad) redjt8 vor: 
ſchwarz, thurmbod, wie bas Gebäude über vem Erdge⸗ 
ſchoß ſich erhob, fenfte es fich bier hügeltief in bie Erde. 

Nur um Cinen Mann tnapp hindurd gu Laffer, 
gewährte die Oeffnung Raum: fie filbrte auf eine ſchmale, 
in den Fels gehau'ne Treppe von mehr als gweihundert 
Stufen. 

Schweigend ftiegen vie Manner hinab. 

Unten angelangt fanden fie den entfprechenden Rreis- 


371 


Raum burd eine Steinmauer in zwei Halbfreife getheilt: | 
ver von ihnen betretne Halbreis war leer. — 

Und nun maf König Teja von ver Erve auf zehn 
Handbreiten an der Mauer: hier drückte er an einen 
Stein: eine fdmale Pforte that fic) nad) innen auf: 
Hildebrand trat vorleudtend ein: und der König und 
jener entgiindeten zwei in der Wand eingeftedte Fackeln. 

Da fubren die Uebrigen glanggeblentet zurück und 
bebedten bie Augen: als fie wieder aufblidten, gewahr⸗ 
ten fie — fofort erfannten die gothifden Manner das 
Geheimniß — den ganzen reiden Amalungenhort Diets 
ris von Bern. 

Da lagen, thetls zierlich gehauft, theils ordnungslos 
neben etnander gefditttet, Waffen, Gerath und Schmuck 
aller Art: die Sturmbaube von Bronce aus altetrustifcder 
Beit, in grauen Vorzeittagen durch den Handel den Gothen 
bis at die Oftfee oder an den Pruth und Dnieſtr zuges 
führt und nun von dem nad) Süden ziehenden Wandervolf 
wieder zurück gebradt, nabe an die Stätte vielleicht, wo fie 
gehämmert worden: daneben das Fell des Geehunds und 
her Raden des Eisbären über einen flachen Kopfſchirm 
von Hols gefpannt: keltiſche Spitzhelme: ſtolzgeſchweifte, 
römiſche und byzantiniſche Helmkämme: Halsringe von 
Bronce und oon Cifen, von Silber und von Gold: 
Schilde, von dem ungefiigen, mannshohen Holz fdild, der, 
aufgeftellt wie eine Mauer, ven Pfeilſchützen barg, bis 
yu dent zierlichen, mit Coelfteinen und Perlen iberfaten, 
runden, kleinen Reiterſchild der Parther: neben alterthitme 
lihen Kettenringen von erdriidenrer Schwere leichte 

24* 


Drittes Capitel. 


Scharf hatte ver grofe Feldherr Marfes die Wege 
richtung erfannt, auf welder König Leja von der flami- 
nifden Straße abgebogen war. 

Nad Norden zunächſt, nad der Küſte des joniſchen 
Bufens, war er ausgewiden und filbrte hier, mit feltner 
Wegestunde, auf vielfach gewundenen Pfaden, fein flüch⸗ 
tendes Volk und Heer unbebelligt, unerreicht von den 
BVerfolgern, iber Hadria, Aternum, Ortona nak Sams 
nium: daß Rom fitr ibn verloren, erfuhr er durd 
einzelne aus ver Stadt geflohne Gothen fdon hinter 
Nuceria Camellaria. 

Nicht unerwünſcht fam des Königs rafd gum Ende 
bringendem und fdonungélofem Ginn die Nöthigung. 
fic) feiner Gefangnen gu entledigen: diefe, an Zahl faft 
halb fo ftarf als thre Befieger, Hatten die Ueberwachung 
fo fdwierig gemacht, daß Teja jeden Befreiungsverſuch 
mit dem Lode bedroben mußte. 

Dinter Foffatum, bet ver Nordſchwenkung, madten 
fie trogdem einen Verſuch, maffenhaft mit Gemalt [os 
zubrechen. 


367 


Sehr viele wurden bei dem Unternehmen getödtet: 
Alle, welche übrig geblieben waren, mit Oreſtes und 
ſämmtlichen Führern, ließ ver König bet dem Uebergang 
über den Aternus mit gebundnen Händen in den Fluß 
werfen und ertränken. — 

Auf Adalgoths Fürbitte hatte er finſter erwidert: 

„Zu vielen Tauſenden haben fie wehrloſe Gothen— 
Weiber und -Kinder an ihren Herdfeuern überfallen und 
geſchlachtet: das iſt kein Krieg der Krieger mehr: das iſt 
ein Mordkampf der Völker. Laß uns darin halbwegs 
auch das Unſre thun.“ 

Aus Samnium eilte der König, das unwehrhafte 
Volk langſam unter ſchwacher Bedeckung nach ſich führend 
— denn hier drohte keine Verfolgung — mit den beſten 
Truppen raſch nach Campanien: ſo unerwartet traf er 
hier ein, daß er das kleine, durch die bisherigen Gefechte 
mit der Uebermacht zuſammengeſchmolzne Heer von Herzog 
Guntharis und Graf Grippa, — er traf ſie in feſter 
Stellung zwiſchen Neapolis und Beneventum, — faſt 
ebenſo überraſchte, wie bald darauf die ſiegesſichern 
Gegner. 

Gr erfuhr, daß die Romäer“, von Capua aus, Cuma 
bedrobten. 

„Nein,“ rief er, „dieſe Burg follen fie nicht vor mir 
erreiden. 

Dort hab’ ic) nod ein widhtig Werk zu vollenden.” 

Und verftirft purd die Befabung aus feiner eigs 
nen Grafenftadt Larentum, unter dem tapfern Rag: 
naris, griff er dte Uebermacht der Byzantiner, welche 


° 368 





auf geheimem Marſche von Gapua aus Cumé fibers 
rumpeln wollten, fie felbft aufs Höchſte überraſchend, 
an und ſchlug ſie unter blutigen Verluſten grimmig auf's 
Haupt: er fpaltete mit der Streitaxt dem Archonten Ar⸗ 
matus die Stirn: an feiner Gette durchrannte der 
junge Herzog von Apulien den Dorotheos mit dem 
Speer: entfest flohen die Byzantiner gen Norden bid 
nad Lerracina. 

Es war der letzte Sonnenkuß. den der Siegesgott 
auf tie blaue Gothenfahne legte. 

Tags varauf 309 Kinig Teja in Cuma ein. 

Totila hatte, auf fein ernftes Anvringen, ſich ente 
ſchloſſen, bet dem diesmaligen allentſcheidenden Auszug 
von Hom, gegen feine Gewohnheit, für die Treue der 
Stadt Rom Geifefn yu nehmen: niemand wufte, wehin 
dieſe gebracht worden. 

Am Abend ſeines Einzugs ließ König Teja den zu⸗ 
gemauerten Garten des Caſtells gu Cuma aufbrechen: 
hier waren, hinter thurmhohen Wällen, die Geiſeln 
Roms geborgen: Patricier, Senatoren — darunter 
Maximus, Cyprianus, Opilio, Ruſticus, Fidelius: die 
angeſehnſten Männer des Senats — im Ganzen drei⸗ 
hundert an der Zahl: ſie waren alle Glieder des alten 
Bundes der Katakomben wider die Gothen. 


Teja ließ ihnen von den aus Rom entwichnen Gothen 
berichten, wie die Römer, verführt von Sendlingen des 
Narſes, ſich in einer Nacht plötzlich erhoben, alle Gothen, 
auch Weiber und Kinder, deren ſie habhaft werden 


369 


konnten, ermordet und den Reſt in die moles Hadriani 
aufammengedrangt batten. 

Go furchtbar war ver Blid des Königs, welden er 
auf den jitternden Geifeln während diefer Erzählung 
xuben ließ, daß zwei derfelben das Ende abzuwarten 
nicht ertrugen, fonbdern fic) fofort an den harten Fels 
wa&llen tie Köpfe einrannten. 

Nachdem vie Boten eidlid) thre Erzählung bekräftigt 
hatten, wandte ſich der König ſchweigend und ſchritt aus 
dem Garten. 

Eine Stunde darauf ſtarrten die Köpfe der drei⸗ 
hundert Geiſeln gräßlich von den Mauerzinnen herab. — 

„Aber nicht blos dies furchtbare Richteramt zog mich 
nad Cumä,“ ſprach Leja zu Adalgoth. 

„Es gilt, bier noch ein heiliges Geheimniß gu er: 
beben.“ 

Und er [ud ihn, fowie die andren Fithrer des Heeres, 
gum feſt⸗ und freudelofen Nachtmal. 

Als das traurige Gelage yu Ende, winkte der König 
bem alten Hildebrand. 

Diefer nidte, hob eine ditfter brennende Pechfackel 
aus bem Gifenring der Mittelfaule der gewölbten Halle 
und ſprach: I 

„Folgt mir nach, ihr Kinder junger Tage: nehmt 
eure Schilde mit.“ 

Es war die dritte Stunde der Julinacht: die Sterne 
ftanden in der Mitternacht. 

Da fdritten ans ver Halle, fdweigend bem König 


tmb dem urgrauen Waffenmeifter folgend, Guntharis 
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 24 


370 


und Wdalgoth, Wligern, Grippa, Ragnaris und Wifand, 
rer Bandalarius: Wadhis, ves Rinigs Schildträger, 
ſchloß den Bug mit einer gweiten Facet. 

Gegeniiber dem Schloßgarten erhob fid) ein riefiger 
Rundthurm, „der Thurm Theoderichs“ genannt, weil ihn 
viefer grofe Konig nen verſtärkt hatte. 

In diefes Thurmgebaure lendtete und fdritt voran 
per alte Hilrebranbd. 

Aber anftatt nun von dem Erdgeſchoß aus, welches 
nur die leere Thurmftube zeigte, die hohe Treppe empor 
ju fteigen, madjte der Ulte Halt: er Entete nieder und, 
vorfidtig meffend, fpannte er mit der gemaltigen Gand 
auf dem Boren von ver forgfaltig wierer gefdloffnen 
Thiire an nad der Mitte fünfzehn Gandfpannen — der 
ganze Boden ſchien aus drei coloffalen Granitplatten 
zuſammengelegt —: auf rer fünfzehnten Spanne bielt er 
ren linken Daumen an und fdlug mit der Steinart auf 
die Platte: da flang e8 hohl: und in eine ſchmale, faum 
ſichtbare Mike ves Gefteins die Spike der Art bohrend 
hieß er alle Mann hinter fid) zur Linken treten: als 
Dies geſchehn, fdob er die Steinplatte nach rechts vor: 
ſchwarz, thurmbod, wie pas Gebäude her dem Erdge⸗ 
{hop ſich erhob, fenfte e8 fic) bier hügeltief in bie Erte. 

Nur um Cinen Mann fnapp hindurd gu Laffer, 
gewährte die Oeffnung Raum: fie führte auf eine ſchmale, 
in den Fels gehau'ne Treppe von mehr alé zweihundert 
Stufen. 

Schweigend ſtiegen die Männer hinab. 

Unten angelangt fanden fie den entſprechenden Kreis⸗ 


371 


Raum durch eine Steinmauer in gwet Halbtreife gethetlt: | 
ver von ibnen betretne Halbreis war leer. — 

Und nun maf König Leja von ver Erde auf zehn 
Handbreiten an der Mauer: hier driidte er an einen 
Stem: eine fdmale Pforte that fid) nad) innen auf: 
Hildebrand trat vorleudtend ein: und der König und 
jener entgiindeten zwei in der Wand eingeſteckte Fackeln. 

Da fubren die Uebrigen glanggeblentet zurück und 
bededten die Augen: als fie wieder aufblidten, gewahr⸗ 
ten fie — fofort erfannten die gothifden Männer das 
Gebheimnig — den ganzen reidhen Amalungenhort Diets 
ris von Bern. 

Da lagen, theils zierlich gehauft, theils ordnungslos 
neben einander gefdittet, Waffen, Gerath und Schmuck 
aller Art: die Sturmbaube von Bronce aus altetrustifder 
Beit, in granen Vorzeittagen durch den Handel ven Gothen 
bi8 att die Oftfee oder an den Pruth und Dnieſtr zuge— 
führt und nun von dem nad) Siiden giehenten Wandervolk 
wieder zurück gebradt, nahe an die Statte vtelleidjt, wo fie 
gehämmert worden: Daneben das Fell des Seehunds und 
rer Raden des Eisbären itber einen fladhen Kopfſchirm 
von Holz gefpannt: keltiſche Spishelme: ſtolzgeſchweifte, 
römiſche und byzantiniſche Helmfamme: Halsringe von 
Bronce und von Cifen, von Silber und von Gold: 
Schilde, von dem ungefiigen, mannshohen Holzſchild, der, 
aufgeftelt wie eine Mauer, den Pfeilfditgen barg, bis 
zu dent zierlichen, mit Celfteinen und Perlen itherfaten, 
runden, fleinen Reiterſchild ver Parther: neben alterthiims 
lien Rettenvingen von erdriidentrer Schwere leichte 

24* 


370 


unt Aralgoth, Wligern, Grippa, Ragr dazu Fras 
Tey Banralarius : Wachis, des at Bronce und 
ſchleß ven Bug mit einer zweit⸗ eil nod) aus Dem 

Gegeniiber vem Schloßa⸗ jt umwunden unt 
Rundthurm, der Thurm per fränkiſchen Fran- 
riefer grofe König ner -wnen, fleinen, vergolteren 


Sn dieſes Thur ein aufgeſteckter Apfel von rö— 
per alte Hilvebro” —, im Galopp gefpalten werden mußte: 
Aber anft- . Rurfſpieße aller Art: von dem kaum 
nur die ter . pen des Narwal bis zu dem goldein— 


zu Rei elzſchaft Ter asdingiſchen Vandalen-Könige 
vorſic a * nt Tem maſſiv goldnen Wurfpfeil dieſer 
au’ ait vem Purpurgefieder ves Flamingo am Saft 


a * jean Stahlſpitze: Kriegsmäntel aus dem Pel; 
axa Fuchſes Lis yu vem Fell tes numidifden Löwen 
. ent fofttarjten PBurpur von Sidon: Schuhe, von 
aa angen, ſchaufelähnlichen Schneeſchuhen ber Skrito⸗ 
anne bia zu ten Golrfanralen von Byzanz: Wammfer 
ven friſiſcher Wolke und Tunifen von dinefifder Seide : 
pau ungezähltes Gerath und Tafel-Geſchirr: hobe Krüge, 
flache Schalen, runde Veder, bauchige Urnen, von Bern⸗ 
ftein, von Golr, von Cilber, von Schildplatt: Armringe 
unt Schulterſpangen: Schnüre von Bergfriftallen und 
von Perlen: und ned fonft unerſchöpflich mannidfaltiges 
Geſchirr für Spetfe uno Tranf, Gerith für Kleidung 
und Schmuck, für Spiel und Kampf. 
oa," fprad König Teja, ,diefe geheime Hable, nur 
ung, ren Blutsbrüdern, befannt — rer Waffenmeifter 
hatte fie im den Fels hauen laffen, als er vor vierzig 





in Rrieg und Frieden, die weit ber 
hinauf zu Winithar, Ermanarich, Athal, 


ogotho, Sfarna, Amala bis Gaut empor fteigen: — . 
fie haben wir hier geborgen. 
Nur das gemünzte Gold Hatten wir in Ravenna bes 


alten und foldes Geräth, vas reider an Golds Werth 
alg an Ehren ſchien. 

Monate lang find die Feinde fiber viefe Schätze 
bin gefdritten. dod) eS ſchwieg bie treue Tiefe des Ab⸗ 
grunds. 

Nun aber tragen wir ſie alle mit uns — in eure 
breiten Schilde ſchöpfet ſie und reichet ſie, die Staffeln 
herauf, Einer dem Andern — in das letzte Schlachtfeld, 
darauf ein oſtgothiſches Volksheer kämpfen wird — nein, 
bange nicht: jung Adalgoth, auch wenn ich gefallen bin 
und Alles verloren iſt —: nicht ſollen die heiligen Sdage 
der Ehre die Feinde nach Byzanz ſchleppen. 

Denn wunderbar iſt das letzte Schlachtfeld, das ich 
uns geforen: es ſoll die letzten Gothen und ihre Schätze 
und ihren Ruhm verſchlingen und verbergen.“ 

„Ja, aud ihren höchſten Schatz und Ruhm,“ ſprach 
der alte Hildebrand, „nicht nur Gold und Silber und 
edle Steine. 

Sebhet her, meine Gothen!” 


372 


Harniſche von purpurfarbnem Linnengemebe: dazu Fra: 
meen, Sdjwerter, Doldhe von Stein, von Bronce und 
von Gifen: Beile und Keulen, yum Theil nod aus dem 
Knoden des Mammuth, roh, mit Baſt umwunden und 
in ein Hirſchgeweih geftedt, bis gu ver frantifden Fran- 
ci8ca und dem zierlich Durdbrodnen, kleinen, vergoldeten 
Wurfbeil, mit weldem ein aufgeftedter Apfel von rö⸗ 
mifden Circusreitern im Galopp gefpalten werden mufte : 
Speere, Lanzen, Wurfſpieße aller Art: von dem faum 
bebaunen Stoßzahn ves Narwal bis gu dem goldeins 
gelegten Ebenholzſchaft der asdingifden Vandalen⸗Könige 
in Rarthago und vem maffiv golonen Wurfpfeil viefer 
Fürſten mit dem PBurpurgefieder des Flamingo am Saft 
und der fußlangen Stahlſpitze: Kriegsmantel ans dem Pely 
nes blauen Fuchſes bis gu dem Fell ded numidiſchen Lowen 
und dent foftbarften Burpur von Sidon: Schuhe, von 
pen langen, ſchaufelähnlichen Schneeſchuhen der Skrito⸗ 
finnen bis gu ven Goldſandalen von Byzanz: Wämmſer 
von friſiſcher Wolle und Tuniken von chineſiſcher Seide: 
dazu ungezähltes Geräth und Tafel⸗Geſchirr: hohe Krüge, 
flache Schalen, runde Becher, bauchige Urnen, von Bern⸗ 
ſtein, von Gold, von Silber, von Schildplatt: Armringe 
und Schulterſpangen: Schnüre von Bergkriſtallen und 
von Perlen: und noch ſonſt unerſchöpflich mannichfaltiges 
Geſchirr fiir Speiſe und Trank, Geräth fir Kleidung 
und Schmuck, für Spiel und Kampf. 

„Ja,“ ſprach König Teja, „dieſe geheime Höhle, nur 
uns, den Blutsbrüdern, bekannt — der Waffenmeiſter 
hatte ſie in den Fels hauen laſſen, als er vor vierzig 


373 


Sahren Graf von Cuma war — fie war vas Schatz⸗ 
gewölbe, bas den Hort der Gothen barg. 

Deßhalb fand Beliſarius fo wenig wor, als er den 
Scag yu Ravenna erbeutete: die evelften und foftbarften 
Stitde ver Beute und der Gefdente, vie Sammlung der 
Amalungenehren in Krieg und Frieden, die weit ber 
Theoderich hinanf zu Winithar, Ermanarich, Athal, 
Oftrogotho, Sfarna, Amala bis Gaut empor fteigen: — . 
fie haben wir bier geborgen. 

Nur das gemiingte Gold atten wir in Ravenna bes 
halten und ſolches Geräth, vas reidher an Golds Werth 
als an Ehren fchien. 

Monate lang find die Feinde ber viefe Schätze 
hin gefdritten. doch es ſchwieg die treue Liefe ded Ab⸗ 
grunds. 

Nun aber tragen wir ſie alle mit uns — in eure 
breiten Schilde ſchöpfet ſie und reichet ſie, die Staffeln 
herauf, Einer dem Andern — in das letzte Schlachtfeld, 
darauf ein oſtgothiſches Volksheer kämpfen wird — nein, 
bange nicht: jung Adalgoth, auch wenn ich gefallen bin 
und Alles verloren iſt —: nicht ſollen die heiligen Schätze 
der Ehre die Feinde nach Byzanz ſchleppen. 

Denn wunderbar iſt das letzte Schlachtfeld, das ich 
uns gekoren: es ſoll die letzten Gothen und ihre Schätze 
und ihren Ruhm verſchlingen und verbergen.“ 

„Ja, auch ihren höchſten Schatz und Ruhm,“ ſprach 
der alte Hildebrand, „nicht nur Gold und Silber und 
edle Steine. 

Sehet her, meine Gothen!“ 


374 


Und er leudjtete in den, von einem Vorhang abe 
gefperrten SchlugsRaum des Halbkreifes und ſchob den 
Vorhang zur Seite. 

Da fielen alle Andern ehrfürchtig auf die Rniee. 

Denn fie erfannten ven grogen Lobten, der da, hod) 
aufgeridtet, auf dem goldnen Throne fag, den Speer 
nod) in der Redjten, vom PBurpurmantel umwallt. 

Es war der große Theoderid. 

Und bie von ben Aeghptern zu den Römern ges 
wanderte Kunft, die Leiden wunderfam zu wabren, hatte 
ven Heldenfinig in ſchauerlicher Leibhaftigfett erhalten. 

Tieffte Erſchütterung band den Männern die eve. 

„Schon feit Langer Reit,“ hob endlich Hildebrand an, 
„mißtrauten Teja und id) dem Stern der Gothen. 

Und th, der id) vor Ausbrud des Rrieges die 
Ehrenwadhe an vem Marmor>Runrhaus yu Ravenna 
batte, in weldem Amalajwintha ihren topten Vater beiges 
jest — id liebte das ganze Gebäude wenig: und weniger 
nod) vie weihrauch⸗qualmenden Briefter, welche dort fo 
oft fiir des Gewalt’gen große Geele beten wollten. 

Und id) dachte: wenn unfre Spur dereinft getilgt 
wird aus diefem Südland, follen nicht Wälſche und 
Griedhlein ihr Geſpött treiben mit den Gebeinen des 
theuren Helden. 

Nein: wie jener erfte Beswinger ver Romaburg, 
wie Der Weftgothe Wlarich im heiligen Strombett fein 
von Keinem gefannten, von Keinem ju ſchändendes Grab 
gefunden: — fo fol aud mein grofer König entritdt 
fein der Nachfpitrung ver Menſchen. 


375 


Und mit Leja’s Hiilfe ſchaffte ich, in dunkler Nacht, 
vie edle Leide Hinweg aus dem Marmorhauſe und aus 
dex winfelnden Briefter Umgebung: und wir bradten fie, 
al8 ein Stück des Königsſchatzes, in verfdloffner Truhe 
Bieber. 

Hier war er fider geborgen: und fand ihn nad 
Sabhrhunderten ein Zufall — wer fonnte dann nod ibn 
erfennen, ten König mit dem Adler-Auge? 

Und fo ift der Steinfarfophag ju Ravenna leer: und 
vie Mönche fingen und beten dort umfonft. — 

Hier, bet allen feinen Schätzen und Chren, in 
Helden-Herrlicdfeit, aufredht, thronend, follte er ruben —: 
das wird feiner Geele, die von Walhall niederfdaut, 
fieber fein, als auggeftredt, unter ſchwerem Stein, unter 
Weihraudwolfen, fic fliegen zu feben.“ 

„Nun aber," ſchloß Teja, ,ift auch für ihn, wie für 
den Amalungen- Hort, die Stunde gefommen, nod) eins 
mal aufzufteigen aus der Liefe; wenn thr rie Schätze 
geboben, heben wir forgfam auch den theuren Helden- 
leib empor. 

Und morgen frith breden wir We anf ans diefer 
Start: — fdon wird ves Parfes und des Prajecten 
Anmarſch gemeldet — und jiehen mit Königs-Hort und 
Königsleiche auf jenes letzte Schlachtfeld der Gothen, 
wohin id) aud) ſchon die Weiber und Minter entboten 
babe: jenes Schlachtfeld — feit lange habe ich's geſchaut 
in ſchlummerloſem Traumgefidt — jenes Schlachtfeld, 
welches uns und unſer Volk ſieht glorreich untergehen; 
jenes Schlachtfeld, welches, auch nachdem der letzte Speer 


376 


gebroden, alle Tod⸗Entſchloſſnen vettend, bergend aufs 
nehmen fann in feinen glithenden Schos: — dad Schlacht⸗ 
feld, das Leja fic und euch erforen.” 

„Ich abne,” fiel Adalgoth ein. , Died, unfer Sdhladt- 
feld heißt —" 

„Mons Vefuvius!" ſprach Teja. An's Werk!“ 


Viertes Capitel. 





Go rafd ale e8 fein furchtbares Umklafterungs⸗ 
Syſtem verftattete, war Narfes nad jenem Rriegsrath 
bet Foffatum mit fener ganzen Macht und in breitefter 
Stirn- Linie nach Süden hinabgezogen, die Refte gos 
thifden Lebens gu erbdritden oder in’8 Meer gu werfen. 

Nad Tuscien nur entfandte er, um die dort nod 
widerftrebenden Burgen zu breden, dann Lucca im annos 
nariſchem Tuscien, mit geringer Macht feine Heerfithrer 
Vitalianus und ven Heruler Wilmuth: und nod weiter 
hinanf gen Morden wider bas immer nod) unbeswungne 
Verona, deſſen Wusdauer den Gothen das Entfommen 
purd) das Thal ver Atheſis hinauf bis an die Paſſara 
wefentlic) erleichtert hatte, den Balerianus, welder 
einftweilen aud) Petra pertufa, das oberbalb Helvillum 
vie flaminifde Strafe gefperrt, bezwungen hatte. 

Mit allen andern Truppen eilte er nach Süden: er 
felbft auf ver flaminifden Strage an Rom vorbei, inde 
Sohannes an vem tyrrheniſchen Meere hin, ver Heruler 
Vulkaris an ver Küſte des jonifden Bufens die Gothen 
vor fic) ber drängen follte. 


378 


Beide fanren aber wenig Arbeit unt Aufenthalt 
mehr: denn im Norden waren die gothifden Familien 
ohnehin won dent vorauseilenden Heere ves Königs auf: 
genommen worden, weldes Vulkaris nicht mehr eingu- 
holen vermodjte: und aus bem Gilden waren ebenfalls 
vie Gothen längſt aufgefdheudt ther Rom hinaus gen 
Neapolis geftrémt, wohin fie eilende Gajonen, fliegende 
Boten des Königs beſchieden. 

Mons Veſuvius!“ bildete das ausgegebne Sammel⸗ 
wort fiir alle viefe gothiſchen Flüchtlinge. 

Narſes hatte feinen beiden Fligein Anagnia al Ort 
der Wiedervercinigung mit dem Mittelheer vorgefdrieben. 

Gern folgte Gethegus ver Cinladung ves Rarfes, 
bet ihm und dem Hauptheer yu bleiben: auf den beiden 
Flügeln waren feine grofen CEreign‘ffe 3u erwarten. 

Und der Weg des Narſes fithrte ja ber Rom! 

Für den Fall, dak Marfes, trog ſeinem BVerfpreden, 
einen BVerfud) machen follte, im Vorüberziehn fic Cine 
gang in Rom zu verfdaffen, war dann aud Cethegus 
an Ort und Stelle. 

Aber faft zu ves Prafecten Erſtaunen hielt Marfes 
Wort. 

Er zog mit fetnem Heere rubig an Rom vorüber. 

Und er forderte Gethegus anf, Zeuge feiner Unters 
redung mit rem Pabft Pelagius und ben Hbrigen bes 
herrſchenden Perfonen in Rom zu fein, welche Swiefprad 
er die Walle hinan, ywifden dem flaminifden und dem 
falarifden Thor, an der Porta belifaria (pinciana) hielt. 

Nod einmal verfiderten rer Pabft und die Romer 


379 


unter feierlidjen Ciden auf die Gebeine der heiligen Kosma 
und Damian (nad der Legende arabifde Werjte, Zwil⸗ 
lingsbrüder, die unter Diofletian als Martyrer geftor: 
ben fein follten), weldje fie in elfenbeinenen Sruben und 
Gilberfargen auf vie Walle gebracht atten, daß fie 
unweigerlig, nad) Vernidjtung der Gothen in der moles 
Hadriani, vem Prafecten von Rom allein ihre Thore 
erfdjliefen, jeden Verſuch aber, gewaltfam im die Stadt 
gu dringen, mit Gewalt abwebren würden: denn fie 
wollten fic) feinem der Rampfe mehr ausfegen, welde 
etwa nod) um Yom entbrennen könnten. 

Das Anerbieten des Narſes, ihnen jegt fdon ein 
par taufend Mann zur rafderen Bewaltigung ver moles 
Hadriani gu itberlafjen, wiefen die Römer höflich, aber 
beftimmt ab: zur hoben Freude des Prafecten. 

„Sie haben dod ſchon gwet Dinge gelernt in diefen 
Jahren,“ fagte er im Ubreiten yu Lucius Licinins, — 
fich die „Romäer“ fern vom Leibe alten und Cethegus 
mit dem Heile Moms verfniipfen. Das ift fdon viel.” 

„Mein Feldherr,“ warnte Licinins, „ich fann deine 
Freude, deine Zuverſicht nicht theilen.“ 

„Ich auch nicht,“ ſtimmte Salvius Julianus bei. 
„Ich fürchte Narſes. Ich mißtraue ihm.“ 

wid, iby Allklugen,“ ſpottete Piſo. 

„Man muß nichts übertreiben, auch die Vorſicht 
nicht und den Zweifel. 

Hat ſich nicht Alles gewendet, wie wir's kaum zu 
hoffen gewagt, ſeit jener Nacht, da ein Hirtenknabe dem 
beſten Dichter Roms über die unſterbliche Jambenhand 


380 





ſchlug? da der gewaltige Prafect von Rom in einem 
Getreidehaufen tiberabwarts fdwamm? da Maſſurius 
Sabinus in den coifden Gewändern feiner Hetaͤre, in 
denen er entrinnen wollte, von Graf Marfja erfannt 
und gefangen nnd da der große Rechtskenner Salvius 
Sulianus blutend von dem unfanften Herzog Guntharis 
aus bem Schlamm des Fluges hervorgefifht wurde? 

Wer hatte damals gedadt, daß wir nodmal die 
Tage an den Fingern absiblen würden, da nod Gin 
Gothe zwei Beine anf italifden Erdgrund ftellt ?“ 

Du haft Redt, Poet,” lächelte Cethegus. dene 
Beiden leiden an vem Marfes-Fieber, wie ihr Heros an 
ver Epilepfie. Seine Feinde ber fdagen ift aud ein 
Fehler. Die Gebeine, auf welde jene Priefter ſchworen, 
find ihnen wirklich heilig: fle breden folde Gide nicht.“ 

„Wenn id) nur," erwiderte Licinius, ,neben den 
Prieftern und Handwerfern, nod) ivgend einen deiner, 
unferer Freunde auf ven Wallen gefehen hatte! Wher 
lauter Waller, Fleifder und Bimmerlenute! Wo iſt der 
Adel Roms? wo die Männer ver Ratafomben ? “ 

„Als Geifeln fortgefithrt,” fprad Gethegus. 

wind Recht gefdah ihnen: fle febrten ja nad Ron 
zurück und huldigten dem blonden Oothen. 

Wenn ihnen num der ſchwarze Sethe die Koͤpfe 
abſchlägt — müſſen ſie's haben. 

Getroſt, ihr habt zu düſter geſehen: Alle! Des 
Narſes erdrückende Uebermacht hat euch eingeſchüchtert: 
er iſt ein großer Feldherr: aber, daß er dieſen Vertrag 
mit Rom geſchloſſen — mich und ja keinen Andern ein⸗ 


__ 381 





zulaſſen! — und dag er thn halt — dad zeigt, daß er 
alg Staatsmann ungefährlich ift. 

Laft uné nur erft wieder die Luft des Capitols 
athmen: Gpileptifer vertragen fie nicht.“ 

Und als am andern Morgen die jungen Tribunen 
pen Prafecten von feinem Relt abbolten yum allgemeinen 
Aufbrud gegen Teja, empfing fie iby Führer mit 
firablenden Augen. 

„Nun,“ fprad er, wer fennt nun die Romer, iby 
ober der Stadtprafect von Rom? 

Hirt — aber ſchweigt. — 

Heute Nacht ftabl fic) aus Rom in mein Belt ein 
Centurio der neu erridteten Stadt-Gobhorten, Publius 
Macer: ihm ift die Porta Latina, feinem Bruder Marcus 
vas Capitol anvertraut vom Pabſt: er geigte beive Bee 
fiallungen : id) fenne des Belagius Schrift — fie find acht. 

Sie find langft ver Prieſterherrſchaft müde. 

Sie wollen mid und end) und meine Sfaurier gern 
wieder fdjreiten fehen auf den Mauern Aurelians und 
des Prafecten. 

Er lieR mir feinen Neffen Wulus, zugleich als Pfand 
und als Geifel, zurück: dieſer wird uns, von ihm in ver: 
abredetem, harmlofem Briefwort gemabhnt, die Nacht be: 
seinen, da jene uns das Thor und bas Capitol ers 
fliegen. 

Narſes fann fic) nicht beflagen, wenn ung die Römer 
felbft freiwillig einlaſſen — id) verſuche ja nicht Gewalt. 

Nun, Licinius, ſprich Julianus, wer fennt nun Rom 
und die Römer?“ 


Fünftes Capitel. 





Marfes 30g jest auf Anagnia. 

Zwei Tage nad feiner UAntunft trafen, wie thnen 
vorgefdrieben war, die beiven Flügelheere defelbft ein. 

Nad einigen Tagen ver gemeinfamen Crbholung, 
Mufterung und Xeugliederung feiner ungeheuren Maffen 
30g Der Feldherr nad) Terracina, wo die Reſte der 
Truppen des Armatus und Dorotheos ſich anfdlofjen: 
und alsbald waljte fic) nun das vereinigte Geer gegen 
pie Gothen, welde, ſüdlich von Neapolis, auf dem Bes 
ſuvius und auf dem (bei Nuceria) gegenitber liegenden Mons 
Yactarius, rem Milchberg, an beiden Ufern ded einen 
Fluſſes Draco, (ver ſich ndrdlid) von Stabié in's Meer 
ergießt,) eine ausgezeichnet fefte Stellung inne batten. 

Seit rem Abmarfd von Cumä, an MNeapolis vorbet 
(— die Bitrger viefer Stadt ſchloſſen ihre von Totila vores 
trefflic) wieder bergeftellten Thore, überwältigten bie bret 
gethifden Hundertſchaften ver Befagung und erklärten: 
fie witrden, dem Beifpiel Roms folgend, ihre Veſte vor⸗ 
läufig beiden Parteien verfdloffen halten —) und feit der 
Erreichung des längſt gewählten Schladtfelds hatte König 


383 _ 





Leja Alles aufgeboten, vie von Matur aus fo ftarle Stel. 
{ung nod) mehr zu verftarfen. 

lind iiberallber hatte er Lebensmittel aus der ftrogend 
reidjen Landfdaft nach dem Berge fchaffen laffen, aus⸗ 
reidend, um fein Volk fo lang gu nabren, bis der legte 
Zag ven Gothen leudjten follte. 

G8 ift ein vergeblides Bemühen gelehrter Unter- 
ſuchung geblieben, an vem Mons Lactarius oder an 
vem BVefuvius eine Oertlicfeit gu finden, welde ganj 
genau der BVefdreibung Profops entfprade. 

Für feine ver zahlreichen aufgeftellten Schluchten oder 
Päſſe fann man fid) entfdeiden. 

Gleichwohl darf man um deßwillen feineswegs ren 
auf die Ausfagen ver Wugenzeugen, der Heerfiihrer und 
Dorhphoren des Marfes, geftiigten Beridt ves byzanti- 
niſchen Geſchichtsſchreibers besweifeln. 

Vielmehr erklärt ſich dieſe Nichtübereinſtimmung ſehr 
einfach aus den plötzlichen, großen, gewaltſamen und aus 
den nod viel zahlreichern, allmähligen, kleineren durch 
Lavaflug, Felsſturz, Zermürbung und Auswaſchung be— 
wirkten Veränderungen, welche eine Zeit von mehr als 
dreizehn Jahrhunderten an jenem niemals ruhenden Berge 
vorgenommen. 

Laſſen ſich doch glaubhafte Angaben viel ſpäterer 
italieniſcher Schriftſteller über Oertlichkeiten und Maß— 
verhältniſſe am Veſuvius mit der dermaligen Wirklichkeit 
oft nicht mehr vereinbaren. 


Der Boden, der König Teja's Herzblut aufgeſogen, 


384 


ift wohl Tange fdjon von tiefen Lavafdidten befriedend 
überdeckt. 

Selbſt Narſes bewunderte die Umſicht, mit welcher 
fein barbariſcher Gegner dieſe Vertheidiguugsftellung 
gewählt. 

„Er will fallen wie der Bär im Bau!“ ſprach er, 
als er, von Nuceria aus, vom Norden her, in ſeiner 
Sänfte die ganze gothiſche Umwallung betrachtete. 

„Und mancher von euch, liebe Wölflein,“ lächelte er 
Alboin zu, ,wird von vem Schlag ſeiner Pranke um⸗ 
taumeln, wenn fie in jenen ſchmalen Hoͤhlen⸗Cingang 
eintraben wollen.“ 

„Ei, es müſſen gleich ſoviele auf einmal hinein 
rennen, daß er aufs Erſte Mal beide Pranken voll be⸗ 
kommt und nicht nochmal ausholen kann.“ 

„Nur gemach: id) weiß an jenem Veſuv einen Paß 
— früher, da ich noch auf dieſen elenden Leib mit 
Heilungshoffnung Pflege wandte, habe ich mal wochen⸗ 
lang auf dem ,Dtons Lactarius" die Lufteur gebraucht 
und dabei den Paß mix wohl eingepragt — wenn fle 
darinnen ſtecken — treibt fie nur der Gunger heraus.“ 

Das wird langweilig.” 

„Geht aber nicht anders. Ich Habe nit Luft, not 
mal eine Mtyriade kaiſerlicher Cruppen gu opfern, dieſe 
letzten Funken auszutreten.“ — 

Und ſo geſchah's. 

Sechzig Tage noch ſtanden ſich ſeit dem Eintreffen 
des Narſes beide Heere einander gegenüber. 

Ganz allmählig, mit blutigen Verluſten jeden Schritt 


385 


erkämpfend, ſchnürte Narſes fein erwürgendes Mew enger 
und enger. 

Er deckte im Halbkreis alle Puncte im Weſten, Norden 
und Oſten der gothiſchen Stellung; nur den Süden, 
das Meer, an deſſen Strand er ſelbſt lagerte, konnte er, 
neben ſeinen Zelten, offen laſſen, da die Feinde keine 
Schiffe hatten, zu fliehen oder ſich Vorräthe zu ſchaffen: 
die tyrrheniſche“ Flotte des Narſes war ſchon beſchäftigt, 
vie gefangnen Gothen nach Byzanz zu tragen: vie ,jonifde" 
wurde denmadft erwartet: einige ihrer Schiffe waren 
fdon frither abgeordnet worden, in der Budt von Baja 
bis SGurrentum ju freujen. 

So befeste Narſes, mit zäher Geduld, trog feiner 
Uebermacht, nichts überſehend, allmalig Piscinula, Cimis 
terium, Nola, Gumma, Melane, Muceria, Stabig, Cumié, 
Bajä, Mifenum, Puteoli, Melis. 

Alsbald aber erfdrat nun aud Meapolis vor der 
Macht des Narſes und Hffnete ihm freiwillig vie Thore. 

Von allen Seiten riidten die Byzantiner concentrifd 
gegen vie Rings⸗Umſchloſſnen vor. 

Nad heftigen Kämpfen gelang es, fle, von dem 
Mons Lactarius hinweg, auf die redjte Geite ves Fluſſes 
Draco gu drängen, wo der Reft ves Volkes hinter dem 
unvergleidliden, von Narſes gepriefenen Engpaß auf 
einem Hoch⸗Feld, nahe einem der zahlreichen vamaligen 
Nebenfrater ver Mittelhöhe, lagerte, nur felten, bet der 
Windridtung aus Südoſt, unter dem Rauch und den 
Diinften des Berges leidend. 

Hier, in den jablreiden Klüften, Höhlungen, Cine 

Dabhn, Cin Kamypi um Rom. IV. 25 


386 


fentungen des Berges, lagerten, im der warmen Luft des 
Auguft, unter freiem Himmel oder Inftigen Relten, die 
Unwebrhaften auf ren mitgefiihrten Wagen. 

Den einjigen Bugang aber gu diefer Lagernng 
hifdete ein enger Felfenpag, an feiner Südöffnung fo 
ſchmal, daß ibn ein Mann mit dem Schilde bequem 
ausfüllen konnte. 

Dieſen Zugang bewachten, abwechſelnd, je eine 
Stunde, Tag und Nacht, König Teja ſelbſt, Herzog 
Guntharis, Herzog Adalgoth, Graf Grippa, Graf Wi⸗ 
ſand, Aligern, Ragnaris und Wachis; hinter ihnen füllte 
ren Engpaß, ebenfalls wechſelnd. eine gothiſche Hundert⸗ 
ſchaft. 

Und ſo hatte ſich denn der ganze furchtbare Krieg. 
der Kampf um Rom und Italien, dem Syſtem des 
Narſes gemäß, mit dramatiſcher Folgerichtigkeit zugeſchärft 
zu Dem Kampf um eine mannesbreite Kluft an der Silve 
fpige Der fo warm geliebten, fo gah vertheivigten Galbinfel. 

Und in der gefdichtliden Darftellung Prokops er⸗ 
fheint tie Vollendung ver gothiſchen Gefdide am Befuy 
wie der lebte Uct einer groffartigen Tragödie der Ges 
ſchichte. — 

Am Strand, vor dem Hügel, von welchem man zu 
jenem Bak emporſtieg, hatte nun Narſes mit den Lango⸗ 
barden fein Lager aufgefdlagen, ihm gur Rechten Jos 
hannes, ihm zur Linfen Cethegus. 

Der Prafect hob es feinen Tribunen Hervor, daß 
Narſes durch Ueberlaffung diefes Platzes — Cethegus 
hatte ihn ſelbſt gewählt — entweder einen Beweis 


357 


groger Unvorfidtigteit over voller Harmlofigheit gegeben 
hatte: ,denn,” fagte er, ,damit lieR er mir ven Weg 
nad Rom, den er mir durch Butheilung des rechten 
Bliigels oder des Mitteltreffens verlegt hätte. 

Haltet end bereit, fowie der Wink aus der Stadt ein- 
trifft, mit allen Sfauriern nadts heimlich nad) Rom gu 
eilen.“ 

„Und du?“ fragte Licinius beſorgt. 

wd) bleibe hier, bet dem Gefürchteten! 

Hatte ex mid) morden wollen — längſt hatte er 
e8 gefonnt. : 

Er will es offenbar nidt. 

Cr will nidt ohne Rechtsgrund gegen mid) handeln. 
Und folge id) bem Ruf dev Homer, fo erfiille id), bree 
nicht unfere Uebereinfunft.” 


25* 


: anf ver SSSter aad 


en empfing thn Aralge:$, thm, 
wend den boben Geltpecal free 


eit noch meines Munrfdenfamres 
.u§, wie lang’s noch währt.“ 
ichr!“ ſprach Leja ernft, fic nierer: 


. atev augen bletben, vor dem Vorhang. 
~ pradtooll die game Bucht von Baja bis 
uu Schimmer der eben verfuntnen Sonne 

“9 blaue Meer ward purpurfarben Blut. 
9, felnen ſchöneren Rahmen fonnte das Süd⸗ 
vaste, Die letzte Schlacht der Gothen drein gu 


il, Dad Bildniß fet des Rahmens werth. 

dirängt yum Ende. 

civ tidy nun Wes erfiillt bat, was ich geahnt — 

wait gedichtet.“ 

id der Rinig ſtützte vas Haupt auf beide Hände. 

oi tab erft wieder auf, al8 ein filberner Harfen⸗ 
“gid DIL weckte. 

Adalgoth hatte verſtohlen des Königs kleine Harfe 
‘auct dem Vorhang heraus gelangt. 

Horch,“ ſagte er, „wie id) — oder wie ſich ſelbſt 

dein Lied von der Lavaſchlucht vollendet hat. 

Medenkſt du nod) der Nacht yu Row in der Wild⸗ 
ag von Epheu, Marmor und Lorber? * 


‘ 389 





griffe mitbradte: ober fie guriidlieR vor dem Cingang: 
— in Geftalt erfdlagner Feinde. 

Go haufig begegnete dies, daß die Verwefung der 
Erſchlagnen — denn diefe fortzutragen wagte niemand — 
den Aufenthalt an dem Paeingang unmiglid) zu madjen 
drohte. — 

Narſes ſchien hierauf gezählt gu haben. 

Als Baſiliskos dieſe nutzloſen Opfer beklagte, hatte 
er entgegnet: „ſie nützen vielleicht nach ihrem Tode mehr 
als im ihrem Leben.“ 

Aber König Teja befahl, zur Nacht die Leichen über 
das ſchroffe Lavageklippe zu werfen, ſo daß ſie, grauen⸗ 
haft zerriſſen, von der Nachfolge hinwegzuſchrecken 
ſchienen. 

Da erbat Narſes eilfertig die Gunſt, die Erſchlagnen 
durch Unbewaffnete abholen laſſen zu dürfen, was der 
König gewährte. 

Seit dem Rückzug in dieſe Schlucht hatten die Gothen 
noch nicht Einen Mann im Kampf verloren: denn nur 
der Vorderſte im Engpaß war den Feinden erreichbar: 
und dieſer Wächter, unterſtützt von den hinter ihm 
ſtehenden Genoffen, war nod) nie erlegt worden. 

Eines Abends, nach Sonnenuntergang — es war 
nun September und die Spuren ves Kampfes von 
Taginä fdon faft getilgt: vie Blumen, welche Caffiodo- 
rius und die Religtofa ves Klofters neben den drei 
Sarfophagen des Königs, feiner Braut und fetnes 
Freundes angepflangt, batten fdon friſche Keime gee 

* trieben — ſchritt König Teja, abgelift von Wifand, 


390 . 





rem Bandalarius, den Speer auf ver Schulter, nad 
feiner Lava-Halle. 

Bor dem Vorhang ſchon empfing ibn Woalgoth, ihm, 
wehmilthig lächelnd, tnieend den hohen Goldpocal free 


denzend. 
„Laß mich immerhin noch meines Mundſchenkamtes 
warten: — wer weiß, wie lang's noch währt.“ 


„Nicht lange mehr!“ ſprach Teja ernſt, ſich nieder⸗ 
laſſend. 

„Wir wollen hier außen bleiben, vor dem Vorhang. 

Sieh, wie pradjtooll die ganze Bucht von Bajk bis 
Surrentum im Schimmer der eben verfunfnen Gonne 
glüht — das blaue Meer ward purpurfarben Blut. 

Wahrlich, keinen ſchöneren Rahmen fonnte das Siid- 
land gewähren, die letzte Schlacht der Gothen drein zu 
faſſen. 

Wohlan, das Bildniß ſei des Rahmens werth. 

Es drängt zum Ende. 

Wie ſich nun Alles erfüllt hat, was ich geahnt — 
geträumt — gedichtet.“ 

Und der König ſtützte das Haupt auf beide Hände. 

Er ſah erſt wieder auf, als ein filberner Harfen⸗ 
klang ihn weckte. 

Adalgoth hatte verſtohlen des Königs Heine Harfe 
binter dem Vorhang heraus gelangt. 

„Horch,“ fagte er, ,,mwie id) — ober wie fidy felbft 
— dein ied von der Lavaſchlucht vollendet hat. 

Gedenkſt du nod ver Macht zu Rom in der Bil 
nif von Epheu, Marmor und Lorber? 


391 


Nit eine vergangne Schlacht, aus Vorzeittagen: 
— deinen, unfren etgnen letzten Heldentampf haſt du, 
vorſchauend, an diefem Ort geahnt.“ 

Und er fpielte und fang dazu. 


„Wo die Lavaflippen ragen 
An vem Fue des Vefuvs, 

Durd vie Rachtluft birt man Hagen 
Tine tiefen Weberufs. 

Denn ein Flud von tapfern Todten 
Laftet auf vem Felfenring : 

Und es ift das Volk ver Gothen 
Das hier glorreich unterging.” 


oa, glorreich/ mein Liebling. 

Das foll uns fein Schickſal und fein Narſes 
rauben. 

Das fürchterliche Gottesurtheil, das unfer theurer 
Totila herausgefordert, e8 ift granenvoll ergangen itber 
den Mann, fein Volt und feinen Gott. 

Rein Gott im Himmel hat, wie jener Cole wähnte, 
in geredjter Wage unfer Schickſal gemogen. 

Wir fallen durch taufendfaden Verrath der Wälſchen, 
der Bygantiner und durch dte dumpfe Uebermadt der 
Babl. 

Aber wie wir fallen, unerfdjiittert, ftol; nocd im 
Untergang — das fonnte fein Schickſal, nur der eigne 
Werth entſcheiden. 

Und nad) un8? wer wird nad uns berrfden in 
dieſen Landen? 


392 





Nicht Lange dieſer Grieden Tücke —: und nicht ver 
Walfden eigne Kraft —: nod) haufen viele der Gers 
manenftimme jenfett ver Berge — fie fey’ ih ein gu 
unfern Grben und Rächern.“ 

Und leiſe nahm er vie Harfe auf, welde Adalgoth 
nievergelegt und fang leife, hinabſchauend in das raſch 
nächtiz gewordne Meer. 

Und die Sterne ftanden fdon über feinem Haupt. 

Ind nur mandmal griff er in die Saiten: 


„Erloſchen ift ver belle Stern 
Der hohen Amelungen : 
© Dietridh, theurer Held von Bern, 
Dein Heerſchild ift gefprungen. 
Das Feige flegt — das ple fällt — 
Und Trew’ und Muth verderben : 
Die Schurken find vie Herrn der Welt: — — 
Auf Gothen, lat uns fterben! — 


O ſchöner Sid, o fchlimmes Rom, 
© ſüße Himmelsblane — 

© blutgetrantter Ciberftrom — 
O falſche, wälſche Crene. 

Noch hegt der Nord manch kühnen Sohn 
Als unſres Haſſes Erben: 

Der Rade Donner grollen ſchon: — — 
Auf Gothen, laßt uns ſterben!“ 


„Die Weiſe gefällt mir,“ rief Adalgoth — aber iſt 
fie ſchon zu Ende? der Schluß?“ 


393. 





„Den Schluß fann man nur gum Tact der Schwerters 
ſtreiche ſingen,“ fprad) Leja. 

„Du hörſt, dünkt mir, bald aud den Schluß.“ 

Und er ftand auf. 

„Geh, mein Adalgoth,“ fagte er, „laß mid) allein. 

Allzulange fdjon habe ich dich fern gebalten von“ — 
pa lächelte ex durch feine Trauer — ,von der lieblichften 
aller Herjoginnen. : 

Wenige folde Abendftunden habt ihr noc) gufammen, 
arme Sinbder. 

Euch, wenn ich retten könnte, ihr junges, gufunfte 
fnofpendes Leben — 

Gr ſtrich mit der Hand ber die Stirn. 

Thorheit,“ fprad er dann. , Shr ſeid aud nur 
ein Stück von dem todverfallnen Volk — freilid) dad 
holdeſte.“ 

Adalgoths Augen hatten ſich mit Thränen gefüllt, 
da der König ſeines jungen Weibes gedacht. 

Nun trat er dicht an Teja heran und legte ihm 
fragend die Hand auf die Schulter. 

„Iſt keine Hoffnung? Sie iſt ſo jung!“ 

„Keine,“ ſprach Leja: „denn es ſteigen keine Engel 
rettend vom Himmel. 

Noch wenige Tage, bis der Mangel anhebt. 

Dann mach' ich ein raſches Ende. 

Die Männer brechen hervor und fallen im Kampf.“ 

„Und die Weiber, die Kinder — die Tauſende?“ 

„Ich kann ihnen nicht helfen. 

Ich bin nicht der allmächtige Gott der Chriſten. 


386 


fentungen des Berges, lagerten, in der warmen Luft des 
Auguft, unter freiem Himmel over luftigen Relten, die 
Unwebrhaften auf ren mitgefiihrten Wagen. 

Den’ einzigen Bugang aber gu diefer Lagerung 
bildete ein enger Felfenpag, an feiner Südöffnung fo 
ſchmal, dag ibn ein Mann mit dem Schilde bequem 
ausfiillen fonnte. 

Diefen Bugang bewadten, abwedfelnd, je eine 
Stunde, Tag unr Nacht, König Teja felbft, Hergog 
Gunthari8, Herzog Udalgoth, Graf Grippa, Graf Wi⸗ 
fand, Wligern, Ragnaris und Wachis; hinter ihnen füllte 
ten Engpak, ebenfalls wedfelnd, eine gothifde Hundert⸗ 
ſchaft. 

Und fo hatte ſich tenn der ganze furchtbare Krieg, 
ter Kampf um Rom und Italien, dem Syftem des 
Narſes gemäß, mit dramatifder Folgericdtigheit zugeſchärft 
su dem Kampf um eine mannesbreite Kluft an ver Süd⸗ 
fpige ber fo warm geliebten, fo gah vertheidigten Halbinſel. 

Uud im der gefdichtlichen Darftellung Profops ere 
fcheint vie Vollendung der gothiſchen Gefdide am Vefuv 
wie der letzte Act einer grofartigen Tragödie ver Gee 
ſchichte. — 

Am Strand, vor dem Hügel, von welchem man zu 
jenem Paß emporſtieg, hatte nun Narſes mit den Lango⸗ 
barden fein Lager aufgeſchlagen, ibm zur Rechten Jos 
hannes, ihm zur Linken Cethegus. 

Der Prafect hob es ſeinen Tribunen hervor, daß 
Narſes durch Ueberlaſſung dieſes Platzes — Cethegus 
hatte ihn ſelbſt gewählt — entweder einen Beweis 


387 





großer Unvorfidtigheit oder voller Harmloſigkeit gegeben 
hatte: ,denn,” fagte er, ,damit lief er mir ven Weg 
nad) Rom, den er mir durch Butheilung ves rechten 
Flügels oder des Mitteltreffens verlegt hatte. 

Haltet euch bereit, ſowie der Wink ans ber Stadt ein: 
trifft, mit allen Iſauriern nats beimlid) nad) Rom gu 
eilen." 

„Und but fragte Licintus beforgt. 

„Ich bleibe hier, bet dem Gefürchteten! 

Hatte er mid) morbden wollen — langft hatte er 
es gefonnt. 

Er will e8 offenbar nidt. 

Cr will nicht ohne Rechtsgrund gegen mid) handeln. 
Und folge id) dem Ruf der Homer, fo erfiille ich, bree 
nicht unfere Ueberetnfunft.” 


25* 


” 


Sechstes Capitel. 





Oberhato des Engpaſſes am Vefun, den wir de 
Gothenſchlucht nennen mögen, wölbte fid) eine ſchmale 
Höhlung in den ſchwarzen Lava⸗Fels: in ihren Tiefen 
hatte König Teja die heiligen Schätze des Bolles — den 
Königsleichnam und den Königshort — geborgen. 

Theoderids Banner war oor ver Mundung anfe 
geftedt. 

Gin purpurner Kinigsmantel, an vier Speeren anfs 
gefpannt, bildete den dunkel glühenden Vorhang des Fels 
gemachs, wo der letzte Gothenfdnig: feine Königshalle er⸗ 
richtet hatte: ein Lavablod, von dem Felle bes ſchwarzen 
Tigers bebdedt, war fein lester Chron. 

Hier weilte Konig Teja, wenn ihn nicht fetne eifers 
fiichtig gewahrte Wachtſtunde vornhin an die Silomiine 
rung der Gothenfdlucht rief, auf welde unaufhörlich, 
bald von Fern mit Pfeilen, Sdleudern und Wurf- 
fpeeren, bald ans der Nabe in kühnem, pliglidem An- 
lauf die Vorpoften des Narfes Angriffe unternahmen. 

Reiner der heldenhaften Wächter kehrte abgelöſt heim, 
der nicht an Schild und Harniſch Spuren folder Ans 


‘ 389 





griffe mitbrachte: ober fie guriidlieR vor dem Cingang: 
— in Geftalt erfdlagner Feinde. 

So haufig begegnete vies, dak die Verwefung der 
Erſchlagnen — denn diefe fortgutragen wagte niemand — 
ben Uufenthalt an vem PaKeingang unmöglich gu machen 
drohte. — 

Narſes ſchien hierauf gezählt gu haben. 

Als Baſiliskos dieſe nutzloſen Opfer beklagte, hatte 
er entgegnet: „ſie nützen vielleicht nach ihrem Tode mehr 
als in ihrem Leben.“ 

Aber König Teja befahl, zur Nacht die Leichen über 
das ſchroffe Lavageklippe zu werfen, ſo daß ſie, grauen⸗ 
haft zerriſſen, von der Nachfolge hinwegzuſchrecken 
ſchienen. 

Da erbat Narſes eilfertig die Gunſt, die Erſchlagnen 
durch Unbewaffnete abholen laſſen zu dürfen, was der 
König gewährte. 

Seit bem Rückzug im dieſe Schlucht hatten die Gothen 
noch nicht Einen Mann im Kampf verloren: denn nur 
der Vorderſte im Engpaß war den Feinden erreichbar: 
und dieſer Wächter, unterſtützt von den hinter ihm 
ſtehenden Genoffen, war nod nie erlegt worden. 

Eines Abends, nad Gonnenuntergang — es war 
nun Geptember und die Spuren des Rampfes von 
Tagind fdon faft getilgt: vie Blumen, welche Caffiodo- 
rius und Ddie Religiofa ded Mofters neben den drei 
Garfophagen ves Königs, feiner Braut und feines 
Freundes angepflangt, batten ſchon frifde Keime ges 

*trieben — febritt König Teja, abgelift von Wifand, 


390 





rem Bandalarius, ven Speer auf ver Sehulter, nach 
feiner Lava-Halle. 

Vor vem Vorhang fdon empfing ihn Adalgoth, ihm, 
wehmüthig lächelnd, tnieend den hohen Golbpocal tres 


denzend. 
„Laß mich immerhin noch meines Mundſchenkamtes 
warten: — wer weiß, wie lang's noch währt.“ 


„Nicht lange mehr!" ſprach Leja ernſt, ſich nieder⸗ 
laſſend. 

„Wir wollen hier außen bleiben, vor dem Vorhang. 

Sieh, wie prachtvoll die ganze Bucht oon Bajã bis 
Surrentum im Schimmer der eben verſunknen Sonne 
glüht — das blaue Meer ward purpurfarben Blut. 

Wahrlich, keinen ſchöneren Rahmen konnte das Süd⸗ 
land gewähren, die letzte Schlacht der Gothen drein zu 
faſſen. 

Wohlan, das Bildniß ſei des Rahmens werth. 

Es drängt zum Ende. 

Wie ſich nun Alles erfüllt hat, was ich geahnt — 
geträumt — gedichtet.“ 

Und der König ſtützte das Haupt auf beide Hände. 

Er ſah erſt wieder auf, als ein ſilberner Harfen⸗ 
klang thn weckte. 

Adalgoth hatte verſtohlen ves Königs Meine Harfe 
binter dem Vorhang heraus gelangt. 

„Horch,“ fagte er, „wie id) — ober wie fidy felbft 
— dein Lied von ver Lavafdludt vollendet bat. 

Gedentft du nod der Nacht yu Rom in der Wild 
nif von Epheu, Marmor und Lorber? 


391 


Nicht eine vergangne Schlacht, aus Voryeittagen: 
— deinen, unfren eignen legten Heldenfampf haſt du, 
porfdauend, an diefem Ort geabnt.” 

Und er fpielte und fang dazu. 


„Wo die Lavaflippen ragen 
An vem Fue des Vefuvs, 

Durd die Nachtluft hort man lagen 
Tine tiefen Weberufs. 

Denn ein Flud von tapfern Todten 
Laftet auf dem Felfenring : 

Und es ift nas BVolf ver Gothen 
Das hier glorretd unterging.“ 


oa, glorreich/ mein Liebling. 

Das foll uns fetn Schickſal und fein Narſes 
rauben. 

Das fürchterliche Gottesurthet!, das unfer theurer 
Totila herausgefordert, es ift grauenvoll ergangen über 
den, Mann, fein Volf und feinen Gott. 

Rein Gott im Himmel bat, wie jener Cole wabnte, 
in geredter Wage unfer Sdidjal gewogen. 

Wir fallen durch taufendfaden Verrath ver Wälſchen, 
ber Byzantiner und durd) die Dumpfe Uebermadt der 
Zahl. 

Aber wie wir fallen, unerſchüttert, ſtolz noch im 
Untergang — das konnte kein Schickſal, nur der eigne 
Werth entſcheiden. 

Und nach uns? wer wird nach uns herrſchen in 
dieſen Landen? 


392 





Nicht lange viefer Grieden Tithe —: und nicht ver 
Walfden eigne Kraft —: nod baufen viele ver Gers 
manenftamme jenfeit ver Berge — fie fey’ ich ein gu 
unfern Grben und Rächern.“ 

Und leife nabm er die Harfe auf, welde Adalgoth 
nievergelegt und fang leife, hinabſchauend in das rafd 
nächtiz gewordne Meer. 

Und die Sterne ftanden ſchon über feinem Haupt. 

Und nur mandmal griff ex im die Saiten: 


„Erloſchen ift der helle Stern 
Der hohen Amelungen: 
© Dietrich, theurer Held von Bern, 
Dein Heerſchild ift gefprungen. 
Das Feige fiegt — das Sole falt — 
Und Trew’ und Muth verderben : 
Die Schurfen find die Herrn der Welt: — — 
Auf Gothen, laßt uns fterben! — 


O ſchöner Sid, o ſchlimmes Rom, 
O ſüße Himmelsbläue — 

© blutgetränkter Tiberſttom — 
O ſalſche, wälſche Treue. 

Noch hegt der Nord manch kühnen Sohn 
Als unſres Haſſes Erben: 

Der Rache Donner grollen ſchon: — — 
Auf Gothen, laßt uns ſterben!“ 


„Die Weiſe gefällt mir,“ rief Adalgoth — aber iſt 
fie ſchon zu Ende? der Schluß?“ 





393. 





„Den Schluß fann man nur gum Tact der Schwerter⸗ 
ſtreiche ſingen,“ fprad Teja. 

„Du hörſt, dünkt mir, bald aud den Schluß.“ 

Und er ftand auf. 

„Geh, mein Adalgoth,“ fagte er, „laß mid) allein. 

Ulgulange fon habe id) dich fern gebalten von" — 
pa lächelte ex durch feine Trauer — ,von der lieblidften 
aller Herjoginnen. : 

Wenige folde Abendftunden habt ihy nod) gufammen, 
arme Stinder. 

Euch, wenn id retten finnte, thr junges, zukunft⸗ 
fnofpendes Leben — 

Gr ſtrich mit der Hand über die Stirn. 

„Thorheit,“ fprad er dann. „Ihr feid and nur 
ein Stiid von bem todverfallnen Volk — freilid) das 
holdeſte.“ 

Adalgoths Augen hatten ſich mit Thränen gefüllt, 
da der König ſeines jungen Weibes gedacht. 

Nun trat er dicht an Teja heran und legte ihm 
fragend die Hand auf die Schulter. 

„Iſt keine Hoffnung? Sie iſt ſo jung!“ 

„Keine,“ ſprach Teja: „denn es ſteigen keine Engel 
rettend vom Himmel. 

Noch wenige Tage, bis der Mangel anhebt. 

Dann mach' ich ein raſches Ende. 

Die Männer brechen hervor und fallen im Kampf.“ 

„Und die Weiber, die Kinder — die Tauſende?“ 

„Ich kann ihnen nicht helfen. 

Ich bin nicht der allmächtige Gott der Chriſten. 


394 


Aber in der Byzantiner Sflaverei foll fein gothiſch 
Weib und Madden fallen, vas nicht die Schande wablt 
ftatt freten Todes. 

Sieh hin — mein Adalgoth —: ſchon zeigt die dunkle 
Nacht vie Berggluth voll. — 

Siehſt pu — dort — hundert Schritte redts von 
hier — ha, wie herrlich die Flammen aus der dunfeln 
Miindung fteigen! — wenn des Paffes lester Wadhter 
fiel — ein Sprung dabinah —: und feines Römers 
freche Hand rührt an unjre reinen Frauen. 

Ihrer gedent —: nocd mehr als unfrer, denn wir 
können fallen allitherall —: ver Gothen Frauen einge: 
vent, for id) zur letzten Wahlſtatt: — — ven Veſuvius!“ 

Und begeiftert, nidjt mehr weinend, warf fic Adal- 
goth an feines Königs Bruft. 


Siebentes Capitel. 


Wenige Lage, nadrem Cethegus mit feinen Söldern 
die von ihm gewählte Stellung eingenommen zur Linfen 
des Narſes, fam in das Lager der Byzantiner vie Kunde 
von der Bezwingung der Gothen in dem Grabmal 
Hadrians. 

So war nun ganz; Rom den Römern wieder gee 
geben: fein Gothe und, fügte Gethegus froblodend in 
Gedanfen bet, fein Byzantiner waltete mehr in feinem 
Ron. 

Gelang e8 nun, die Bfaurier unter Fithrung der 
Tribunen in die Stadt gu werfen, fo ftand ver Prifect 
Narfes nod viel giinftiger gegenitber als je Belifar, 
mit weldjem er fid) in den Befig ver Stadt hatte theilen 
milffen. : 

Giner ver Boten, welche pie Machridt aus Rom 
iberbradten, gab jzugleid dem als Geifel bebaltnen 
Wulus einen Brief dev beiden Centurionen, der Britder 
Macer, welder befagte: „die Braut ift ver langen 
Kranfheit genefen: fobald der Brautigam tommen will, 


396 





fteht Der Hodyeit nichts mehr entgegen von den nächſten 
Sven an: fomm, Aulus.“ 

Es waren Die verabredeten Worte. 

Cethegus theilte fie fetnen rimifden Rittern mit. 

„Wohlan.“ fagte Licinius entfdlofjen, „ſo werd’ id 
denn dite Statte mit einem Denkſtein ſchmücken tinnen, 
wo mein Bruder fiir Rom und fiir Cethegus fiel.“ 

„Ja, unverjährbar ift der Rimer Recht anf Rom,” 

« fiel Salvius Sulianus ein. 

„Nur forge, Prafect,” mahnte Pifo, „daß dem größ⸗ 
ten Krüppel aller Reiten unfer Abmarfd fo lang vers 
borgen bleibt, bis er uns nicht mehr einbolen kann: 
wenn wir heimlich, gegen feinen Willen, aufbrechen 
jollen.” 

„Nein.“ ſprach Cethegus, „das follt ihr nid. 

Ich babe mid itherzeugt, daß weit fiber unfre 
Stellungen auf vem linfen Fliigel hinans der vorfidtigfte 
aller Selden nod) BVorpoften aufgeftellt — fetne lango⸗ 
bardifden Wölflein, die er überall vertheilt hat: was 
wir fiir unfere BVorpoften hielten, ift umfaumt von 
ſeinen Vorpoſten. 

Weder mit Gewalt noch mit Taufdung könnt ihr 
euren Abzug ohne ſeinen Willen bewirken. 

Es iſt auch weit klüger, offen zu handeln. 

Wenn er will, kann er es vereiteln: und er erfährt 
es doch. 

Aber er wird nichts dagegen haben — ihr werdet 
es erfahren —: ich künde ihm meinen Entſchluß an und 
ihr werdet ſehen: er heißt ihn gut.“ 


. 





397 





„Feldherr, das ift fehr gewagt, fehr groß.“ 

„Es ift das einzig Mögliche.“ 

„Ja, du haſt Recht, wie immer, o Cethegus,“ 
ſtimmte nach einigem Beſinnen Salvius Julianus bei. 
„Gewalt und Täuſchung ſind unmöglich. Und willigt 
er ein, dann will ich gern geſtehn, daß meine Beſorg⸗ 
niſſe —" 

„Auf Ueberſchätzung des Staatsmannes Narſes 
beruhten. 

Euch haben die dicken Zahlen eingeſchüchtert: und die 
freilich gar nicht gu überſchätzende Feldherrugröße 
des Kranken. 

Ja, ich geſtehe es: vor Taginä ſah es gewitter⸗ 
ſchwül aus —: aber da id) nod) lebe, waren jene Uns 
nabmen — Irrthümer. 

ZIch ſchicke euch beide ſelbſt fofort mit meiner An⸗ 
frage an Narſes: ihr ſeid mißtrauiſch: ihr werdet ſcharf 
beobachten. 

Geht, ſagt ihm: die Römer wollten mich, den 
Stadtpräfecten, jetzt fdon, noch vor Vernichtung der 
Gothen Teja's, in ihre Mauern laſſen. 

Ich ließe ihn fragen, ob er verſtatten wolle, daß 
ihr mit meinen Iſauriern ſofort nach Rom abzöget oder 
ob er darin eine Verletzung unſres Uebereinkommens 
erblicke: ohne ſeinen Willen würden die Iſaurier und 
ich nicht aufbrechen.“ 

Die beiden Tribunen ſchieden und Piſo lachte im 
Hinausſchreiten aus dem Zelt des Präfecten: „länger 


I 


398 


hat enren Geift vie Krücke ves Narfes als meine Finger 
ver Knüttel ves Hirten unbraudbar gemacht.“ 

Als file draufen waren, eilte Syphax auf feinen 
Herrn ju: 

.O Herr," fprad er ängſtlich, „mißtraue Ddiefem 
Kranfen mit dem rubigen, Durdydringenden Auge. 

Sd habe in letzter Nacht wieder vas Schlangen⸗ 
orafel gefragt: die abgeftreifte Haut meines Gottes, in 
zwei Halften getheilt, auf Kohlen gelegt — vas Stück 
„Narſes“ itherlebte das Stück ,Cethegus" lange, lange. 

Soll id nicht now einmal verfuden? — du weift, 
ein Haut> Rig mit diefem Dold und er ift verloren. 
— Was liegt daran, wenn fie dann Syphar pfablen, 
ves Hiempfal Cohn. — Mit Lift geht es nicht: — der 
Langbarte Fürſt ſchläft in feinem Belt, das Felbbett 
quer vor den Eingang geritdt, und fieben feiner ‚Wolf⸗ 
fein" licgen auf der Schwelle. Die Heruler ftehn Wade 
vor der Thür. Ich habe, deinem Wink gemäß, feit 
Helvillum alle Nachtlager ausgefpaht: faum eine Stech⸗ 
fliege entgeht den Herulern und Langobarden, fliegt fie 
in's Belt. 

Aber offen, bet Lage, einen Sprung in feine Sinfte 
— eine Hautwunde und er ift ein todter Mann in einer 
Viertelſtunde.“ 

„Und nod vorher nicht nur Syphax, des Hiempfal 
Sohn, — auch Cethegus. 

Nein. 

Aber höre: ich habe entdeckt, wo der Feldherr ſeine 
Geheimgeſpräche mit Baſiliskos, auch mit Alboin, hält. 





399 





Nidt im Relt — bad Lager hat taufend Obren — 
im Bade. 

Die Aergte haben ihm ein Morgenbad im Meeres⸗ 
Schlamm im Golf von Baja verordnet: eine Badehittte 
haben fie ihm in’8 Meer gebaut, nur auf dem Rabhne 
zu erreichen. 

Bevor Baſiliskos und Alboin ihn dahin begleitet, ſind 
fie nur fo gefdent wie — nun. wie Baſiliskos und 
Alboin. 

Kommen fie aber von daber zurück — find fie immer 
von narfetifder Riugheit, wiffen, was aus Byzanz für 
Briefe gekommen und Andres mehr. 

Rings um die Badehütte wogt Schilf: — Syphar, 
wie lange kannſt du tauchen?“ 

‚Lange genug,“ ſprach der Maure, nicht ohne Stolz, 
„bis ſich Das ſchwerfällige und mißtrauiſche Krokodil in 
unſern Strömen die als Köder in's Schilf geworfne 
Gazelle genau genug betrachtet und ſich endlich ents 
ſchloſſen hat, darauf los zu ſchwimmen — dann das 
Meſſer von unten in den Bauch. 

Dieſer kleinäugige Narſes hat etwas vom Krokodil — 
laß ſehen, ob ich nicht auch ihn überdauere in geduld⸗ 
gem Tauchen.“ 

„Vortrefflich, mein Panther zu Lande, meine Tands 
ente zu Waſſer!“ 

Aud in's Feuer ſpräng id) fiir vid, dein Skor⸗ 
pion." 

da, belauſche diefe Badegefprade des Kranken.“ 

„Das ſchließt ſich vortrefflidh an ein andres Spiel. 


400 





Seit mebreren Tagen wink und blinzelt mid ein 
Fiſcher immer fo einfaltig Hug an, der morgens unt 
abends feine Nege wirft und nie was fangt. 

Ich glaube: er lauert auf mid, nicht anf die Meer- 
äſchen. 

Aber die langbärtigen Wölflein dieſes Alboin ſind 
mir immer auf den Ferſen —: vielleicht erwiſche ih, and 
vem Waffer taudjend, was mir diefer Fiſcher vertranen 
will.“ 


Adjtes Capitel. 





Ernſten Sinnes, aber nicht mehr in thränenweicher 
Stimmung, hatte Adalgoth ſeinem jungen Weibe den Ent⸗ 
ſchluß des Königs und den letzten Ausweg aus Knecht⸗ 
ſchaft und Schmach mitgetheilt. 

Er erwartete einen Ausbruch des Schmerzes, wie er 
ſelbſt ihn kaum niedergekämpft. 

Aber zu ſeinem Staunen blieb Gotho unerſchüttert. 

„Ich habe das längſt voraus geſehen, mein Adalgoth. 

Das iſt kein Unglück —: ein Unglück iſt nur, im 
Leben verlieren was man liebt. 

Ich habe höchſtes Erdenglück erreicht. 

Ich ward dein Weib. 

Ob ich das nun zehn Jahre bleibe oder zwanzig 
oder ein halbes kaum —: das ändert nichts. 

So ſterben wir zuſammen, an Einem Tag, vielleicht 
in Einer Stunde. 

Denn König Teja wird nicht verbieten, wenn du in 
der letzten Schlacht dein Theil gethan und, vielleicht ver⸗ 
wundet, nicht weiter kämpfen kannſt, daß du hieher gus 
rück kehrſt und mich auf den Arm nimmſt — wie oft 

Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 26 


402 





a 
daheim auf dem Iffinger — und mit mix in die Tiefe 
fpringft. 

O mein Adalgoth,” rief fie, ihn heftig umarmend, 
„wie glücklich maren wit! 

Wir wollen’s verdienen durch muthigen Tod, ohne 
feiges Sammern. 

Der Balthenſproß foll nidt ſagen,“ lachelte fte, das 
Hirtenfind habe nidt Schritt alten können mit fetner 
Seele. 

Mir fleigt die Großheit unfrer Berge mächtig im 
Gemiith empor. 

Der Ohm Iffa hat mich bet’m Scheiden gemabhnt, der 
frifdjen, freien Bergluft gu gedenfen, der ftrengen, hebren 
Zucht der ftolzen Höh'n, wenn uns vas Leben in den 
niedern, engen Goldgemadern gu Hein und dumpf auf 
pen Geelen laſten wiirde. 

Das hat uns nicht bedrobt. 

Uber aud) nun, da e8 galt, die Seele empor gu reißen 
gu dieſem Todesentſchluß aus zagem, wetdhem Schmerz 
— der mich auch wohl beſchleichen wollte — auch um 
die ſtolze Kraft zum ſtolzen Tod zu finden, hat mich das 
Bild ver Heimath-Berge ſtark gemacht: „ſchäme did, 
ſprach ich ſtill zu mir, ſchäme dich, Tochter der Berge! 
Was würden der Iffinger und der Wolfshaupt und alle 
die ſteinernen Heldenrieſen ſagen, ſähen fie das Hirten⸗ 
kind verzagen? Sei deiner Berge werth und deines 
Balthenhelden.“ 

Und ſtolz und ſelig drückte Adalgoth das junge Weib 
an die Bruſt. — 





403 


Hinter dem Relt des Herzogs erhob fic) die niedre 
Laubbiitte, in welder Wachis und Liuta hauften; diefe, 
welde von Gotho den drohenden Wusgang vernommen, 
hatte ihrem wadern Mann, (der kopfſchüttelnd an feinem, 
von langobardifden Wurfpfeilen bet der legten Schlucht⸗ 
Wache übel zugerichteten Schilde flidte, ftopfte und häm— 
merte und mandmal au pfeifen verfudte, um das Ringen 
mit dem Schluchzen gu verbergen,) febr ernfthaft zureden 
müſſen, thn gu der gleiden Entſagung gu fteigern. 

„Ich glaube nicht,“ fagte der Schlichte, „daß das der 
liebe Himmelsherr mit anfebn fann. 

Ich bin von denen, die niemals gern jagen: „jetzt 
ift Wes aus.“ 

Die Stolzen, die vas Haupt fo hod tragen, wie 
Rinig Leja und Herzog Woalgoth, die rennen  fretlid) 
immer und itberall an vie Balfen des Schickſals. 

Uber wir fleinen Leute, die wir uns fiigen und 
puden finnen, wir finden leicht nod) ein Dtauslod oder 
eine Mauerlucke zu entrinnen. 


Es ift pod) gar gu niedertradtig! elend! graufam! 
hundsföttiſch!“ — und jedes Wort begleitete ein Hams 
merſchlag — „ich will's nicht glauben vom lieben Gott! 
— bag bier in die Tauſende von braven Weibern und 
hübſchen Maden und lallenden Rindern und Lallenden 
Greiſen in das hölliſche Feuer dieſes verflucdten! Raubers 
berge8! fpringen follen, al8 wär's ein luftig Sonnwend⸗ 
feuer und als famen fie drüben heil und gefund wieder 
heraus. 

26 * 


404 


BVerbrennen Hatt’ id) dic) aud) in dem Haus bet Fä⸗ 
ſulä ſchon laſſen können. 

Und nun ſollſt nicht nur du verbrennen —: auch 
unſer kommend Rind, das id) jetzt ſchon ‚Witichis“ vor⸗ 
benannt habe.“ 

„Oder: — ‚Rauthgundis“!“ fügte erröthend Liuta 
leiſe bei, ſich an ihres Mannes Schulter ſchmiegend und 
fein Hämmern hemmend. 

Lak dich dieſen Namen mahnen, Wachis. 

Denk an Rauthgundis, die Herrin! 

War fie nicht tauſendmal herrlicher als Linta, die 
Flachsmagd? 

Und würde ſie ſich beſinnen, ſich weigern, zu ſterben 
an Einem Tag zuſammen mit ihrem Volk?“ 

„Recht Haft du, Weib!“ rief Wachis, mit einem 
fegten grimmen Hammerfdlag, daß die Funken ftober. 

„Weißt, id bin von Banernart —: wir wollen durch⸗ 
aus nicht gerne fterben! 

Aber fallt ver Himmel ein, ſchlägt er and alle 
Bauern todt. 

Und vorher — haffa! han’ id nod) manden Hieb! 

Das ware aud Herm Witihis und Frau Rauth⸗ 
gundis redt! | 

Shnen gu Ehren — ja, bu haft recht Liuta, — 
wollen wir tapfer leben —: und geht's benn wirklid 
gar, gar nidjt ander —: tapfer fterben.“ 


Nenntes Capitel. 





Freudig erſtaunt kehrten alsbald von Narſes die 
beiden Tribunen Licinius und Julianus zurück in das 
Zelt des Präfecten. 

„Abermals haſt du geſiegt, o Cethegus!“ rief 
Licinius. 

„Du haſt Recht behalten, Präfect von Rom,“ ſprach 
Salvius Julianus. Ich begreife es nicht: — aber Nar⸗ 
ſes überläßt dir wirklich Rom.“ 

„Ha,“ frohlockte Piſo, der mit eingetreten war, Ges 
thegus8, bas ift dein alted, cäfariſches Glück. Neu fteigt 
dein Stern, der ſich fett dieſes unbeimliden Kranken Er—⸗ 
ſcheinen geneigt gu haben jdten. 

Mir ſcheint, aud) fein Geift hat manchmal epileptiſche 
Wnfalle. 

Denn, bei gefundem Geift, vid, ohne Widerftand, 
nad Rom gu laſſen, — netn: quem deus vult perdere 
dementat! Nun wird Quintus Pifo wieder auf dem 
Forum wandeln und an dben Laden der Buchhändler 


406 


nadfehen, ob die Gothen fleifig feine »epistolas ad 
amabilissimum, carissimum pastorem Adalgothum et 
ejus pedum« (Briefe an den höchſt Itebenswitrdigen und 
geliebten Hirten-Knaben Adalgoth und feinen Knüttel) 
gefauft haben.” 

„So haft du in der Verbannung gedidtet, wie Ovi« 
dius?“ lächelte Cethegus. 

„Ja,“ meinte Piſo, „die ſechsfüßigen Verſe kamen 
leichter, feitdem ſie nicht mehr die Gothen, die um einen 
Fuß (anger find, gu fdheuen batten. Unter vem Larm 
gothifder Gelage war aud) im Frieden ſchon nidjt gut 
Didjten geweſen.“ 

„Darüber hat er drollige Verfe gemacht, mit gothi- 
ſchen Wortern pagwifden gemengt," warf Salvius Ju⸗ 
lianus ein. ‚Wie fingen fie nur nod an: »Inter hails 
gothicum skapja —?«" 

„Verſündige bid) nidt an meinen Worten. Falſch 
citiren Darf man das Unfterblide nicht.” 


Mun, wie lauten vie Verſe?“ frig Cethegus. 
„Folgendermaßen,“ ſprach Pifo. 


»De conviviis barbarorum. 


Inter: vhails Gothicum! skapja matjan jah drinkan !« 
Non audet quisquam dignos educere versus: 
Calliope madido trepidat se jungere Baccho, 

Ne pedibus non stet ebria Musa suis.« 





407 


(Ueber vie Gelage der Barbaren.) 


(Unter dem Oothifden: Heil! ſchafft Effen und Trinken 
ven Gothen ! “ 

Rann fein verniinftiger Menſch ein ertraglides Vers: 
fein erfinnen : 

Vor vem Bacchus im Rauſch bebt bang bie verſchüch⸗ 
terte Muſe 

Und dem benebelten Vers ach! verfagen die taumelnden 


Füße.) 


„Schauderhafte Poeſie,“ meinte Salvius Julianus. 

„Wer weiß,“ lachte Piſo, „ob der Durſt der Gothen 
nicht unſterblich wird durch dieſe Verſe.“ 

„Aber meldet min genauer: was hat Narſes geant⸗ 
wortet 2" 

„Er hörte uns erft ſehr unglaubig gu,” ſprach Licinius. 

„Freiwillig,“ fragte er mißtrauiſch, „ſollten ſich die 
vorſichtigen Römer wieder iſauriſche Beſatzung erbitten 
und den Präfecten, vem fie ſoviel Hunger und unfrei⸗ 
willige Lapferkeit verdanfen 2" 

„Ich aber evwiderte: ex unterfdage wobl der Römer 
Romerthum. Und eB fei deine Gache, ob du did) ges 
täuſcht: ließen uns die Romer nidt freiwillig ein, fo 
feten fiebentaufend Mann dod) gewiß gu fdwad, die 
Stadt zu ftitrmen. 

Das fdien ihm einzuleuchten. 

Gr verlangte nur vas Verfprechen, daß wiv, wenn 
nidjt freiwillig eingelaffen, nicht Gewalt verfuden, fons 
Dern dann fotort hierber guritdfehren würden.“ 


408 





„Das glaubten wir in deinem Namen verfpreden 
yu dürfen,“ ergingte Sulianus. 

wht durftet,“ lächelte Cethegus. 

„Gut, fagte Marfes, von mir aus ſteht nichts im 
Wege, wenn end die Römer aufnehmen. Und — fo 
villig harmlos ift er,” fubr Licinius fort, — „daß er 
aud deine Perfon nicht als Geifel bebalten gu wollen 
fcien, denn er fragte: ,wann will der Präfect aufbrechen 2” 

„Er fete alfo voraus: bu führteſt felber die Sfaus 
vier nad Rom! Und aud) dawider hat er nidts! 

Gr war ſichtlich erftaunt, als ic) entgegnete: du zögeſt 
yor, hier den Untergang der Gothen mit angufehen.“ 

„Nun, wo ift er denn, dieſer ſchreckliche Narſes, der 
überlegne Staat8mann? Wud) mein Freund Prokop hat 
thn arg überſchätzt, als er ihn mir eiumal ,den größten 
Mann ver Beit" nannte.“ 

„Der größte Mann der Rett heißt: — — anders!” 
rief Licinius. 

„Prokop natürlich muß ſeines Beliſars überlegnem 
Feinde die Palme zuerkennen vor allen Erdenſöhnen. 

Uber diefen plumpften Schnitzer des „größten Manns”, 
mid) freiwillig nad) Rom gu laffen, follte man faft be- 
nützen,“ fuhr Gethegus nadfinnend fort. ,Die Odtter 
fdnnten zürnen, wenn wir folde Mirakel ber Berblen- 
Dung, die fle fiir uns vollbringen, nicht nitgen. Ich 
andre meinen Entſchluß: — mid sieht es nad dem 
Capitol — id) gehe mit end nad Rom. Syphax, wir 
brechen auf, fogleid) — fattle mein Roß.“ 


409 





Da gab Syphar feinem Herm einen warnenden 
Wink. 

„Verlaßt mich, Tribunen,“ ſprach Cethegus. „Gleich 
ruf' ich euch wieder.“ 

„O Herr," rief Syphar eifrig, als beide allein waren, 
mur heute gehe noch nicht. Sende jene voraus. 

Morgen früh' angle ich zwei große Geheimniſſe aus 
der See. 

Ich ſprach heute ſchon, unter ſeinem Bote durch—⸗ 
tauchend, jenen Fiſcher. 

Er iſt kein Fiſcher. 

Cr iſt etn Sklave, ein Briefſklave Prokops.“ 

„Was ſagſt du?“ rief Cethegus raſch und leiſe. 

„Wir konnten nur wenige Worte flüſtern. Die 
Langbärte ſtanden am Ufer, mich beobachtend. Sieben 
Briefe Prokops, offen und heimlich geſchickt, haben dich 
nicht erreicht. Drum wählte er dieſen klugen Boten. 

Heute in dieſer Nacht fiſcht er bei Fackellicht auf Lachſe. 

Dabei wird er mir den Brief Prokops geben. 

Er hatte ihn heute nicht bei ſich. 


Und morgen früh — heute hemmte die Krankheit 
— morgen badet Narſes wieder im Meeresſchlamm. 

Ich habe nun einen Verſteck im Schilf gefunden, prächtig 
nahe — und ich kann pfeifen, wie die Otter, falls ſie 
wirklich Blaſen aufſteigen ſehen ſollten aus dem Waſſer. 

Sh ſah vie kaiſerliche Poſt mit dicken Felleiſen an: 
kommen: Baſiliskos nahm fie in Empfang. 

Warte nur noch bis morgen früh: gewiß verhandelt 


410 





Narjes morgen mit ihm und Alboin die neneften Ge: 
heimniſſe aus Byzanz. 

Over laß mid allein zurück“ — 

„Nein, das würde dich als Späher ſofort kenn⸗ 
zeichnen. 

Du biſt mehr werth als zehnfach dein Gewicht in 
Gold, Syphay. 

Sd) bletbe bis morgen nod," rief er den Wieder⸗Ein⸗ 
tretenden entgegen. 

.O Feldherr, fomm’ mit uns." bat Licinius. 

„Fort aus der erdritdenden Nähe diefes Marfes,“ 
mabute Julianus. 

Aber Gethegus furdte rie hohe Stirn. 

»Ueberragt ex mic) nod) immer in enren Augen? 

Der Dhor, ver Cethegus anus feinem langobarden⸗ 
bewadten Lager nad Rom entlagt, den Hecht aus fetnem 
Ney in’S Waſſer wirft! 

Allzuſehr hat er euch eingeſchüchtert! 

Morgen Whend folg’ itch euch. 

Ich habe hier nod ein Gefdhaft, das nur id vers 
ridten kann. 

Kom ohne Widerftand beſetzen, dads könnt ihr auch 
ohne mid). 

Sd hole end) aber gewiß unterwegs ſchon bei Ter⸗ 
racina ein. 

Wenn nidt, riidt rubig in Rom ein: ou, Licinius, 
wahrſt mir das Capitol.“ 

Mit leudtenden Augen erwiderte Licinius : 


X 


411 


„Hoch ehrſt bu mid, mein Feldherr! Mit meinem 
Hergblut fteh’ icp dix dafiix ein. Darf ich eine Bitte 
wagen ? “ 

Nun?“ 

„Setze dich nicht wieder ſo tollkühn dem Speerwurf 
des Gothenkönigs aus! Vorgeſtern warf er zwei Speere 
zugleich gegen dich: mit der Linken und mit der Rechten. 

Wenn id) nicht mit dem Schilde ven aus der linken 
Hand gefangen —" 

„Dann, mein Licinius, hatte ihn ber Jupiter des 
Gapitols von mir hinweggeblafen. Denn er brauct 
mid) nod! Wher du meinft e8 treu.“ 

„Laß Roma," mabnte Licinius, „nicht verwittwen! “ 

Cethegus blidte ihn mit feinem unwiderſtehlich ges 
winnenden Blid ehrender Liebe an. 

Und fubr fort: 

„Salvius Julians, du befeseft das Grabmal Hadrians: 
pu, Pifo, ven Reft ver Stadt am linken Tiberufer: zu— 
mal die Porta latina; durch dtefe folge id) eud. 

Narfes allein Bffnet ihr fo wenig, wie weiland Bes 
lifar alletn. 

Lebt wohl; grüßt mir mein Rom. 

Gagt ihm: ver legte Kampf um feinen Befis, der 
zwiſchen Narſes und Cethegus, habe mit des Cethegua 
Sieg geendet. 

Auf Wiederfehbn in Rom! Roma eterna!" 

»Roma eterna!« widerholten begeiftert die Tribunen 
unt eilten hinaus. 


412 


© warum ift diefer Licinins nicht Manilia’s Sohn!” 
fagte Gethegus, ven Jünglingen nadblidend, Thorheit 
des Herzens! was bift du fo zäh! Licinius, du follft 
mir al8 mein Erbe Sulius erfegen! O, wärſt du dod 
felber mein Sulins ! “ 





Belmtes Capitel. 





Die Wbreife des Prafecten nad) Rom verzögerte fid 
um mebrere Lage. 

Narſes gwar, der ihn zur Tafel zog, hielt ihn nicht 
zurück: er äußerte fogar fein Befremden, daß es den 
„Beherrſcher des Capitols" nicht madtiger an den Tibers 
ftrom zurückziehe. 

„Freilich,“ (achelte er, „ich fann verftehen: du haſt 
dieſe Barbaren fo fang in deinem Stalien herrſchen 
und fiegen feben. daß e8 did) verlangen mag, fie nun 
aud) in deem Stalien fallen zu ſehn. 

Uber ich fann nicht fagen, wie fange das nod ans 
ftehn wird. 

Zu ſtürmen ift jene Schlucht nidt, fo fang fie 
Manner wie diefer König dedfen. 

Schon mebr als taufend meiner Langobarden, Wla- 
mannen, Burgunden, Heruler, Franfen und Geypiden 
fielen vor dem Paß.“ 

„Schick' dod,” warf Alboin verdrießlich ein, aud 
einmal deine tapfern Romäer gegen die Gothen. 

Die Heruler Vullaris und Wilmuth find, kaum bier 


414 





eingetroffen, von König Teja's Beil gefallen: der Gepive 
Asbad von Adalgoth’s, des Knaben, Speer: mein Vetter 
Gifulf liegt fdwertwund von des Herzogs Guntharis 
Streid): den Franfengrafen Butilin hat Wifand, der 
Bandalarius, mit ver Bannerfpite erftoden: dem Bur 
gunden Gernot hat ver alte Waffenmeifter mit ſeinem 
Steinbeil vas Hirn gefegnet: ven Alamannen Liuthari 
hat Graf Grippa, meinen Schildträger Klaffo ein ges 
meinfreier Gothe erfdlagen. 

Und um jeden diefer unfrer Helden liegen gu Ougens 
pen ihre Gefolgen. 

Und wenn geftern um Mitternacht nidt ver Lavablod, 
auf vem id) ftand, höchſt verftindigerweife gerade in 
rem Wugenblid nach unten gerutfdt ware, als König 
Teja, ver im Finftern ſieht, feine gefitrdtete Lange 
warf, fo war Rofamunde heute nidt mehr die ſchönſte 
rau, fondern die ſchönſte Wittwe im Langobardenreid. 

Go fam ich mit häßlichen Schrunden davon, die einft 
ver Heldenfang nidt preiſen wird, die mir aber viel lieber 
find als König Leja’s befter Speer im Band. — 

Aber id) meine: nun ift die Reihe an anvdern Hels 
ven: laß dod) aud) deine Makedonen und Illyrier dran. 
Wir haben’s dtefen jewt oft genug vorgemadt, wie man 
ver jenem Nadelöhr ftirbt.“ 

kein, Wölflein. Diamant fdneidet Diamant !* 
lächelte Narſes. „Immer Germanen gegen Germanen: 
e8 find ener alljuviele in der Welt.“ 

Lud von den Sfauriern — dad heift von den 
meinen! — fdeinft du Ddiefe viterlide Dteinung gu 


\. 





415 


hegen, magifter milttum,” fagte Cethegus: ,turz vor ihrem 
Aufbrud nad Rom haft du meine Sfaurier zum Maſſen⸗ 
Sturm auf jene Sdludht befohlen —: der ex fte Mtaffens 
fturm, den du geboten! — fiebenhundert von meinen 
fiebentaufend find liegen geblieben auf jenen Felſen und 
Sandil, mein durch fo viele Kampfe erprobter Söldner⸗ 
hduptling, fand zuletzt dod) auch diefes ſchwarzen Teja 
Schlachtbeil gu fcharf fiir feine Sturmbaube. Cr war 
mit werth.” 

tun, der Reft ift dir ja nun in deinem Rom ges 

borgen. 
— —- Bene Gothen aber treibt nichts aus ihrem lebten 
Lod) alS Feuer, wenn die Erde mir zu Liebe auch eins 
mal 3uden wollte, wie gu Gunſten Belifars in Ras 
venna —“ 

„Noch immer keine Kunde von dem Ausgang des 
Proceſſes Beliſars?“ frug lauernd Cethegus. ‚Neulich 
kamen Briefe aus Byzanz, nicht?“ 

„Ich babe fie nod nicht alle geleſen. — 

Oder, wenn nicht Feuer: — der Hunger. 

Und wenn ſie dann zum letzten Kampf ausbrechen, 
hörte wohl Mancher lieber den Ganges als den Draco 
rauſchen. 

Nicht du, Präfect! ich weiß, du kannſt dem Tode 
kühn in's Auge ſehn.“ 

„Ich will die Dinge hier noch etwas abwarten. Es 
iſt ſchlecht Reiſewetter. 

Es ſtürmt und regnet ja unabläſſig. An dem erſten 


416 





oder zweiten warmen Gonnentag brede id anf nad 
Rom." , 

Das war es. 

Das Wetter war in der Nacht ves Abzugs der 
Sfaurier plight) umgefdlagen. 

Der Fifer, der m einem Dorfe bet Stabia feine 
Behaufung hatte, fonnte fid) nicht auf das Meer wagen : 
weniger des Sturmes als der Langobarden wegen, welde 
ihn längſt mißtrauiſch beobadtet und {don einmal ge- 
fangen genommen batten; erft als fein alter Vater herbet- 
eilte und durd Zeugen varthat, daß Agnellus wirklich 
fein, des alten Fiſchers Sobn, fei, ließen fie ihn zögernd 
wieder los. 

Uber er fonnte nidt wagen, fdembar gu fifden. 
wenn fein Fiſcher fonft Mee warf: und nur weit 
braufen in dem Wafer vermodhte Syphar, ver ebenfalls 
ftet8 umfpabt war, mit thm zuſammen gu fommen. 

Die Ausgange aller Lager, aud des jest halbleeren 
von Gethegus — nur dreitaufend Thralier und Perfer 
hatte Narfes in der Sfaurier verlaffne Zelte gelegt — 
bewadhten Tag und Nacht die Langobarden. 

Und aud das Meer⸗Schlammbad mufte Narfes anf 
fonnigere Lage verfchieben. 

Diefe Gebheimnifje aber, d. h. Profops Brief und die 
Badegeſpräche ves Narfes, wollte CGethegus now ers 
warten. 


Elftes Caypitel. 


--- —— 


Des Prafecten altes Glück ſchien aud pas Wetter 
nad feinen Wünſchen rafd gu ändern. . 

Prachtvoll leuchtete am Morgen nad ver legten 
Unterredung mit Narfes die Sonne auf den blauſchim⸗ 
mernden Golf von Baja: und hunderte von Fifder- 
boten eilten hinaus, die günſtige Witterung yu nugen. 

Syphax war mit dem erften Morgengrauen, nachdem 
ex feincn Platz auf der Schwelle ves Zeltes feines Herrn 
ben voter allein juviidgebliebnen Sfauriern überwieſen, 
verſchwunden. 

Als Cethegus das Morgenbad im Nebenzelt vollen⸗ 
vet hatte und gum Frühmal in fein Hauptzelt zurück— 
kehrte, hörte ex Syphax laut lärmend durch die Lager> 
gaſſen ſchreien. 

„Nein!“ rief er, ,diefen Fiſch dem Präfecten! Ich 
habe ihn bar bezahlt 

Der große Narſes wird doch nicht andrer Leute 
Fiſche eſſen wollen.“ 


Und mit dieſen Worten riß er ſich los von Alboin 
Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 27 


410 





Narfes morgen mit ihm und Wlboin die neneften Ge: 
hetmniffe aus Byzanz. 

Over laß mid allein zurück“ — 

Mein, das wiirde vid) als Späher fofort fenns 
zeichnen. 

Du biſt mehr werth als zehnfach dein Gewicht in 
Gold, Syphax. 

Ich bleibe bis morgen noch,“ rief er den Wieder⸗Ein⸗ 
tretenden entgegen. 

wo Feldherr, komm' mit uns.“ bat Licinius. 

„Fort aus der erdrückenden Nähe dieſes Narſes,“ 
mahute Julianus. 

Aber Cethegus furchte die hohe Stirn. 

„Ueberragt er mid noch immer in euren Augen? 

Der Thor, ver Gethegus aus feinem langobardens 
bewadten Lager nad Rom entlagt, den Hecht aus ſeinem 
Neg in’S Waffer wirft! 

Allzuſehr hat er euch) eingeſchüchtert! 

Morgen Whend foly’ ich end. 

Ich habe hier nod ein Gefdhaft, das nur id vere 
ridten fann. 

Rom ohne Wirerftand beſetzen, vas könnt ihr auch 
ohne mid. 

Sd hole euch aber gewiß unterwegs ſchon bei Lere 
racina ein. 

Wenn nidt, rückt rubig in Rom ein: vu, Licinius, 
wahrſt mir das Capitol.” 

Mit leudjtenden Wugen erwiderte Licinius : 


411 


pod ehrſt du mich, mein Feldherr! Mit meinem 
Herzblut ſteh' ich dir dafür ein. Darf ich eine Bitte 
wagen?“ 

Nun?“ 

„Setze dich nicht wieder ſo tollkühn dem Speerwurf 
des Gothenkönigs aus! Vorgeſtern warf er zwei Speere 
zugleich gegen dich: mit der Linken und mit der Rechten. 

Wenn ich nicht mit dem Schilde den aus der linken 
Hand gefangen —“ 

„Dann, mein Licinius, hatte ihn der Jupiter des 
Capitols von mir hinweggeblafen. Denn er braucht 
mid) nod! Wher du meinft es tren." 

„Laß Roma," mahnte Licinius, ,nidt verwitiwen! “ 

Cethegus blidte ihn mit feinem unwiderſtehlich ge- 
winnenden Blick ehrender Liebe an. 

Und fubr fort: 

„Salvius Sulianus, du befese(t das Grabmal Hadrians: 
vu, Pifo, den Reſt ver Stadt am linfen Tiberufer: jus 
mal die Porta latina; durch dtefe folge id end. 

Narfes allein öffnet ihr fo wenig, wie weiland Bes 
liſar allein. 

Lebt wohl; grüßt mix mein Rom. 

Sagt ihm: der letzte Kampf um feinen Befib, der 
swifden Narſes und Cethegus, habe mit ves Cethegua 
Sieg geenret. 

Auf Wiererfehn in Wom! Roma eterna!" 

»Roma eterna!« widerholten begeiftert die Tribunen 
unt eilten binaus. 


412 


.O warum ift diefer Licinius nidt Manilia’s Sohn!” 
fagte Gethegus, den Jünglingen nadblidend, „Thorheit 
des Herzens! was bift bu fo yah! Licinius, du follft 
mir als mein Erbe Julius erfefen! O, warft du dod 
felber mein Sultus! “ 


Behntes Capitel. 





Die Wbreife des Prafecten nad Rom verzögerte fid 
um mehrere Lage. 

Narſes gwar, der ihn yur Tafel gog, hielt ihn nidt 
zurück: er äußerte fogar fein Befrembden, dah e8 den 
„Beherrſcher des Capitols“ nicht mächtiger an den Tibers 
ftrom zurückziehe. 

„Freilich,“ (achelte er, „ich kann werftehen: du haſt 
dieſe Barbaren fo lang in deinem Stalien herrfden 
und fiegen fehen, daß e8 dic) verlangen mag, fie nun 
aud in demem Stalien fallen gu ſehn. 

Uber id) fann nicht fagen, wie lange das nod) ans 
ftehn wird. 

Bu ſtürmen ift jene Schlucht nidt, fo fang fie 
Manner wie diefer König deden. 

Sdon mehr als taufend meiner Langobarden, Alas 
mannen, Burgunden, Heruler, Franfen und Gepiden 
fielen vor dem Pa." 

„Schick' dod," warf Alboin verdrieflid) ein, aud 
emmal deine tapfern Romäer gegen die Gothen. 

Die Heruler Vulfaris und Wilmuth find, kaum hier 


414 





eingetreffen, von König Leja’s Beil gefallen: der Gepide 
Asbad von Adalgoth’s, des Knaben, Speer: mein Vetter 
Gifulf liegt fdwertwund von des Herzogs Guntharis 
Streich: den Franfengrafen Butilin hat Wifand, der 
Bandalarius, mit ver Bannerfpite erſtochen: bem Burs 
gunden Gernot hat ver alte Waffenmeifter mit ſeinem 
Steinbei! vas Hirn gefegnet: ren Wlamannen Liuthari 
hat Graf Grippa, meinen Sdildtrager Klaffo et ges 
meinfreier Gothe erfdlagen. 

Und um jeden diefer unfrer Helden fliegen gu Dutzen⸗ 
ven ihre Gefolgen. 

Und wenn geftern um Mitternacht nicht der Lavablod, 
auf vem id) ftand, höchſt verftandigerweife gerade in 
rem Wugenblid nad unten gerutfdt wire, als Rinig 
Teja, ver im Finftern fieht, feine gefitrdtete Lange 
warf, fo war Rofamunde heute nicht mebr die ſchönſte 
Frau, fondern die ſchönſte Wittwe im Langobardenreid. 

So fam ih mit häßlichen Schrunden davon, die einft 
ver Heldenfang nicht pretfen wird, die mir aber viel lieber 
find al König Leja’s befter Speer im Baud. — 

Aber ic) meine: nun ift vie Reihe an anvdern Hels 
ben: laß dod) aud) deine Makedonen und Illyrier dran. 
Wir haben’s diefen jest oft genug vorgemadt, wie man 
vor jenem Nadeldhr ftirbt.“ 

mein, Wélflein. Diamant fdneidet Diamant!” 
lächelte Narſes. „Immer Germanen gegen Germanen: 
e8 find ener allzuviele in ver Welt.“ 

„Auch von den Iſauriern — das heißt von den 
meinen! — fdeinft vu dieſe vaterlide Dteinung gu 


‘e. 





4195 


hegen, magifter milttum,” fagte Cethegus: „kurz vor ihrem 
Aufbrud nad Rom haft du meine Sfaurier gum Maſſen⸗ 
Sturm auf jene Schlucht befohlen —: der erſte Mtaffen- 
fturm, ben du geboten! — fiebenhundert von meinen 
fiebentaufend find fliegen geblieben auf jenen Felſen und 
Sandil, mein durd) fo viele Kämpfe erprobter Söldner⸗ 
hauptling, fand zuletzt dod) aud) diefes ſchwarzen Teja 
Schlachtbeil gu ſcharf für feine Sturmbaube. Cr war 
mir werth.” 

Jun, der Reft tft dir ja nun in deinem Rom ges 
borgen. 

Sene Gothen aber treibt nichts aus ihrem legten 
Lod als Feuer, wenn die Erde mir zu Liebe aud) eins 
mal 3uden wollte, wie gu Gunften Belifars in Ras 
venna —" 

„Noch immer feine Kunde von dem Ausgang des 
Proceffes Beliſars?“ frug lanernd Cethegus. ‚Neulich 
famen Briefe ans Byzanz, nidt 2" 

wt) habe fie nod nidt alle gelefen. — 

Oper, wenn nist Feuer: — der Hunger. 

Und wenn fie dann zum letzten Kampf ausbreden, 
hörte wohl Mander lieber den Ganges als den Draco 
rauſchen. 

Nicht du, Präfect! ich weiß, du kannſt dem Tode 
kühn in's Auge ſehn.“ 

„Ich will die Dinge hier noch etwas abwarten. Es 
iſt ſchlecht Reiſewetter. 

Es ſtürmt und regnet ja unabläſſig. An dem erſten 


416 


oder zweiten warmen Gonnentag bree id) anf nad 
Rom." 

Das war es. 

Das Wetter war in ver Nacht ves Abzugs der 
Sfaurier plötzlich umgefdlagen. 

Der Fifer, ver in einem Dorfe bet Stabia feine 
Behaufung hatte, tonnte fic) nicht auf das Meer wagen: 
weniger des Sturmes als ver Langobarden wegen, welche 
ibn längſt mißtrauiſch beobadtet und ſchon eimmal ge- 
fangen genommen batten; erft als fein alter Vater herbei⸗ 
eilte und durch Reugen darthat, daß Agnellus wirklid 
fein, des alten Fiſchers Sohn, fei, ließen fie ihn zögernd 
wieder los. 

Uber er fonnte nicht wagen, ſcheinbar gu fifden. 
wenn fein Fiſcher fonft Netze warf: und nur weit 
draußen in dem Waffer vermodte Syphax, der ebenfalls 
ſtets umfpabt war, mit ihm zuſammen gu fommen. 

Die Ausgänge aller Lager, aud) deS jest Halbleeren 
von Gethegus — nur Ddreitaufend Thratier und Perfer 
hatte Narfes in ver Sfaurier verlaffne Belte gelegt — 
bewadten Tag und Nacht die Langobarden. 

Und aud) das Meer⸗Schlammbad mufte Narfes anf 
fonnigere Lage verſchieben. 

Diefe Gebheimnifje aber, d. h. Profops Brief und die 
Badegeſpräche des Narſes, wollte Cethegus nod ers 
warten. 





Glftes Capitel. 


Des Prafecten altes Glück ſchien and das Wetter 
nad) feinen Wünſchen rafd) gu andern. . 

Prachtvoll leuchtete am Morgen nach dev letten 
Unterredung mit Narſes die Sonne auf den blauſchim⸗ 
mernden Golf von Baji: und hunderte von Fifder- 
boten eilten hinaus, die giinftige Witterung zu nugen. 

Syphax war mit dem erften Morgengrauen, nadjdem 
ex feinen Blawg auf ver Schwelle des Belted feines Herrn 
den vier allen juriidgebliebnen Sfauriern überwieſen, 
verſchwunden. 

Als Cethegus das Morgenbad im Nebenzelt vollen⸗ 
Det hatte und gum Frühmal in fein Hauptzelt zurück⸗ 
fehrte, hörte er Syphax laut lärmend durd) die Lager⸗ 
gaſſen ſchreien. 

„Nein!“ rief er, ,diefen Fiſch dem Präfecten! Ich 
babe ihn bar bezahlt. 

Der grofe Narſes wird dod) nidt andrer Lente 
Fiſche effen wollen.” 


Und mit diefen Worten rig er fich los von Alboin 
Dahn, Cin Kampf um Rom. IV. 97 


418 


und einigen Langobarden fowie von einem Sflaven tes 
Narſes. 

Cethegus blieb ſtehen: er erkannte den Sklaven: es 
war der Koch des meiſt kranken und immer ſehr mäßigen 
Mannes, der faſt nur für des Narſes Gäſte ſich zu 
mühen hatte. 

„Herr,“ ſprach der feingebildete Grieche, ſich ents 
ſchuldigend, in ſeiner Mutterſprache, yu dem Präfecten: 
„nicht mid) ſchilt um dieſe Ungebühr. 

Was liegt mir an an einer Meeräſche! . 

Uber diefe langbartigen Barbaren zwangen mig, um 
jeven Preis den Fiſchkorb fiir Narſes in Anfprud zu 
nehmen, den dein Slave ans ver Gee zurückbringen 
würde.“ 

Gin zwiſchen Syphar und Cethegus gewechſelter Blick 
genügte. 

Die Langobarden hatten das Griechiſche nicht ver⸗ 
ſtanden. 

Cethegus gab Syphar einen Schlag auf die Wange 
und rief auf lateiniſch: „Unnützer, frecher Sklave, kannſt 
du denn niemals Sitte lernen? Soll nicht der kranke 
Feldherr das Beſte haben?“ 

Und unſanft entriß er den Korb tem Mauren und 
retdte ihn dem Sflaven: ,Hier der Korb. Mögen die 
Fiſche Narſes munden.“ 

Der Sklave, der die Gabe deutlich genug abgelehnt 
zu haben glaubte, nahm den Korb kopfſchüttelnd. 

„Was bedeutet Das?" ſagte er im Abgehn lateiniſch. 

„Das bedeutet,“ antwortete, thm folgend, Alboin, ,,daf 





419 


ver befte Gifs nidt in dem Korbe geborgen ift, ſondern 
anderswo.“ 

Im Zelte angelangt, griff Syphar eifrig in ſeinen 
Gürtel von Krokodilhaut, der waſſerdicht einen Bündel 
von Papyrosrollen barg und reichte ſie raſch ſeinem 
Herrn. 

ou bluteſt, Syphar?“ 

„Nur wenig! Die Langbärte ſtellten ſich, da ſie 
mich im Waſſer ſchwimmen ſahen, als hielten ſie mich 
für einen Delphin und ſchoſſen mit ihren Pfeilen um 
die Wette auf mich.“ 

„Pflege dich — ein Solidus für jeden Tropfen deines 
Blutes — der Brief iſt goldes⸗ und blutes⸗werth, wie 
e8 fdeint. Pflege did)! Und die Iſaurier follen nies 
mand einlafjen.“ 

Und nun allein im Belt hob ver Prafect an gu lefer: 
feine Züge verfinfterten fic): tiefer, tmmer tiefer ward 
die Mittelfurche der gewaltigen Stirn, immer fefter 
und herber fdlofjen fic vie Lipper. 

wun Cornelius Cethegus Cäſarius, den gemefnen 
Prafecten und gewefnen Freund zum legten Mal ‘Pros 
fopius von Cäſarea: | 

Das ift das traurigſte Schreibgeſchäft, gu welchem 
id) je meine ebemalige und meine jebige Schreibhand 
gebraudt. 

Und id) gäbe gern auch diefe meine Linke, wie fiir 
Belifar meine Rechte, dahin, müßte ich diefen Brief 
nicht ſchreiben. 

27* 


420 


Den Abfagebrief, den Auftindungsbrief unſrer bald 
dreißigjährigen Freundſchaft! 

An zwei Helden hatte ich geglaubt in dieſer helden⸗ 
loſen Zeit: an den Schwerthelden Beliſar, an den Geiſtes⸗ 
helden Cethegus. 

Den letzten muß ich fortan haſſen, faſt verachten — 

Der Leſer warf den Brief auf den Lectus, darauf 
er lag: dann nahm er ihn mit gefurchten Brauen wieder 
auf und las weiter: 

wun fehlte nur nod, daß Beliſar der Verräther 
wirklich geweſen wire, als den du thn darftellen wollteſt. 

Aber Beliſars Unſchuld iſt ſo leuchtend aufgedeckt 
worden wie deine ſchwarze Falſchheit. 

Längſt ward mir unheimlich bei deinen krummen 
Pfaden, auf welchen du auch mich ein gut Stück mit⸗ 
geführt. 

Aber ich glaubte an dein ſelbſtlos hohee Ziel: Italiens 
Befreiung. 

Nun aber durchſchaue ich, als deine letzte Triebfeder, 
die maßloſe, ſchrankenloſe, ſcheuloſe Herrſchfucht. 

Ein Ziel, eine Leidenſchaft, die ſolche Mittel brauchen, 
ſie ſind entweiht für immer. 

Du haſt den tapferſten Mann mit der treuen Kindes⸗ 
feele verderben wollen durch fein eignes, eben gebeffertes 
Weib, veiner ſchändlichen Freundin Cheodora und deiner 
eignen Herrfdgier gum Opfer. 

Das ift teuflifd: und file tmmer wend’ id mids 
pon dir." 

Cethegus vritdte vie Wugen zuſammen. 





421 


„Es darf mid nicdt wundern“ — ſprach er dann 
vor ſich hin. 

‚„Auch Er hat ſeinen Abgott: Beliſar! 

Wer dem klugen Manne den antaſtet, der iſt ihm 
ſo greulich wie dem Chriſten, wer in dem Kreuz nur ein 
Std Holy erblickt. 

Es darf mid alfo nicht wundern —: aber es ſchmerzt! 

Das iſt vie Macht dreißigjähriger Gewohnheit. 

So lang hüpfte etwas wärmer da unter'm Harniſch 
bei bem Slang des Namens: Profopius. 

Wie ſchwach vod die Gewohnheit macht! 

Sulius nahm mix ver Gothe — Profop nahm mir 
Belifac — wer wird mir den Cethegus nehmen, meinen 
alteften, legten Freund? 

Niemand: aud Narfes nidt: und nicht das Sdidjal. 

Hinweg mit div, Profopius, aus meinem Lebens- 
Kreiſe. 

Du biſt todt. 

Haft zu weinerlich, jedesfalls gu lang, ward die Grab- 
rete, die id. dir gehalten. 

Was fpridt er weiter, der Verftorbene? 

„Ich aber ſchreibe vir vies, weil id die lange Freund⸗ 
ſchaft, die Du mit tückiſchem Angriff auf mein Stern: 
bild Belifar gefdlofjen, meinerfeits fdltepen will mit 
einem legten Liebeszeichen: icy will did) warnen und 
retten, bift anders bu zu warnen und zu retter. 

Sieben meiner fritheren Briefe haben did) offenbar 
nidjt erreicht —: fonft weilteft bu nicht mebr in des 
Narfes Lager, wie deffen Kriegsberidte melden. 


422 





So vertraue id diefen achten meinem klugen Wgnellus 
an, einem Fiſcherſohn aus Stabiä, wo iby ja nun lagert: 
id) fchente ihm die Fretheit und lege ihm dieſen Brief als 
legten Auftrag an's Herz. 

Denn, obwohl ih dich nur haſſen follte —: nod 
immer lieb’ id) dich, Cethegus —: man fann nicht von 
dir laffen —: und gern möcht' ich dich retten. 

Als ih, bald nad) deiner Whreife, nah Byzanz fam 
— {don unterwegs hatte mic) wie em Donnerfdlag die 
Runde von Belifars Verhaftung (in einer Verſchwoͤrung 
wider Suftinian!) erreicht — glaubte td zuerſt, ou 
müſſeſt getäuſcht worden fen mie der Raifer. 

BVergebens bemühte ich mic) um Gehör bet dem Im⸗ 
perator: er witthete gegen alle Namen, die mit Beltfar 
durch Freundſchaft verknüpft waren. 

Vergebens verſuchte ich, mit allen Mitteln, yu Anto⸗ 
nina zu dringen: vortrefflich wurde ſie — Dank deinen 
Weiſungen! — bewacht im rothen Hauſe. 

Vergebens bewies id) Tribonian die Unmöglichkeit 
einer Verrathſchuld Beliſars: er zuckte die Achſeln und 
ſprach: 

„Begreifen kann ich's nicht! Wher rie Ueberführung 
iſt ſchlagend: dies unſinnige Ableugnen der Beſuche des 
Anicius! Er iſt verloren!“ 

Und verloren war er. 

Gefällt war der Spruch: Beliſar zum Tode ver⸗ 
urtheilt, Antonina zur Verbannung. 

Des Kaiſers Gnade hatte das in Blendung, Bers 


‘A 





423 
bannung, fern von dem Exil Untonina’s, und Vermö—⸗ 
genseingiehung verwandelt. 

Furchtbar lag viefes Wort auf Byzanz. 

Niemand glaubte an feine Schuld: ausgenommen der 
Raifer und die Ridter. — 

Aber Miemand vermodte feine Unſchuld zu beweifen, 
fein Schitffal gu wenden. 

Ich war entſchloſſen, mit ihm gu gehn: der Cinarmige 
mit Dem Blinden. 

Da hat thn — und gefegnet foll er dafür fen! — 
gerettet: — — fein groper Feind Narfes, ven ich dir 
fhon einmal den größten Mann ves Sabrhunderts ge⸗ 
nannt babe." 

„Natürlich,“ fagte Cethegus, „nun vollends ift er 
aud) der Ghelfte.“ 

„Aus den Badern von Mifomedia, wo der Kranke 
weilte, war er, als ihn die Nachricht traf, fofort nad 
Byzanz geeilt. 

Gr ließ mich rufen und fprad: 

„Du weikt e8: meine Wonne war’ e8, VBelifar in 
offner Feldſchlacht griindlid gu ſchlagen. 

Aber ſo elend ſoll nicht, durch Lügen, untergehn, 
wer des Narſes großer Feind geweſen. 

Komm mit mir: du: ſein erſter Freund, ich: ſein 
erfter Feind —: wir beide zuſammen wollen ihn retten, 
ven Mann des Ungeftiims.” 


Bwalftes Capitel. 


NUnd ex verlangte Audienz bei'm Raifer, welche der 
Gegner Beliſars fofort erbielt. 

Da fprad er zu Juſtinian: 

„Es ift unmöglich, daß Belifar ein Verräther. 

Seine blinde Treue gegen deinen Undank iſt ja ſein 
einziger Fehler.“ 

Aber Juſtinian blieb taub. 

Narſes jedoch legte ſeinen Feldherrnſtab vor dem 
Kaiſer nieder und ſprach: 

„Wohlan: entweder du vernichteſt den Spruch der 
Richter und bewilligſt Neuaufnahme des Verfahrens: 
oder du verlierſt an Einem Tage deine beiden Feld⸗ 
herrn. 
Denn an dem gleichen Lage mit Beliſar geht Narſes 
in Verbannung. 

Dann fiehe yu, wer deinen Chron bebiitet vor Gothen, 
Perfern und Saracenen." 

Und ver Raifer ſchwankte und verlangte pret Tage 
Bedenkzeit: und inzwifden follte Narſes das Redjt haben, 





425 


mit mir die Acten einyufehen, Wntonina und alle An- 
gefduldigten gu ſprechen. 

Bald erfah ich aus den Acten, da der fdlimmite 
Beweis wider Beliſar — denn jene Bafage auf der 
Wadhstafel, vie man bei Photius gefunden, hoffte id 
hinweg deuten gu können — der gebeime nächtliche Vers 
fehr ded Anicius in feinem Hauſe war, den Velifar, 
Antonina, Anicius felbft wider allen Verftand hartnäckig 
leugneten. 

Als ich Antonina, die verzweifelte, allein ſprach. 
ſagte id) ihr: „dieſer Verkehr und dies ener Lügen wird 
fen Verderben.“ 

„Wohlan,“ rief fle leuchtenden Auges, ,dann bin nur 
ich verloren und Beliſar iſt gerettet. 

Beliſar wußte wirklich nichts von jenen Beſuchen: 
denn Anicius kam nicht zu ihm: er kam zu mir. 

Alle Welt ſoll es wiſſen —: auch Beliſar —: er ſoll 
mich tödten —: aber gerettet ſein.“ 

Und ſie gab mir eine Sammlung von Briefen des 
Anicius, die freilich, wenn dem Kaiſer vorgelegt, Alles 
erklären, aber auch — die Kaiſerin furchtbar anklagen 
mußten. 

Und wie feſt ſtand Theodora bei Juſtinian! 

Ich eilte mit ven Briefen gu Narſes. 

Dieſer las und ſprach: 

„Wohlan: jetzt gilt es nicht nur Beliſars, jetzt gilt es 
unſer Aller Untergang — oder den Fall der ſchönen 
Teufelin. 


426 





G8 gilt auf Top und Leben! Komm erſt nod mal 
zu Untonina." 

Und mit Antonina, von Wachen begleitet, eiften wir 
zu dem im Kerker langſam genefenden Anicius.. — 

Cethegus ftampfte mit dem Fuk. — 

„Und dann wir alle Vier gu Iuftinian. 

Die hochherzige Sünderin geftand, auf den Snieen 
vor vem Raifer, den nächtlichen Verkehr mit Anicius, 
welder aber nur begwedt habe, den Jüngling aus den 
Sdlingen der Kaiferin yu löſen —: fle gab ihm des 
Anicius Briefe, welde von ver Berfiihrerin, von ihren 
namenlofen Siinften, von dem geheimen Gang in ihr 
Gemadh, von der drehbaren Suftinianusftatue fprachen. 

Furchtbar loderte der arme Gatte empor: er wollte 
uns We wegen Majeſtätsbeleidigung, wegen maflofer 
Verleumdung auf dem Fled verhaften laffen. 

Narſes aber fprad: 

hw’ das —: morgen! Heute Abend aber, wenn 
die Kaiferin ſchläft, lag did von Unicius und mir durd 
den drehbaren Suftinianus in das Gemad deiner Ges 
malin fithren, ergreife ihre Briefe, ftelle fle Wnicins 
und Untonina gegeniiber: laß die alte Here Galatea fols 
tern: — und gieb Adt, ob du nicht viel mehr erfährſt. 
al8 vir lieb fein wtrd zu hören. 

Und haben wir uns getinfdt, fo ftrafe uns morgen 
wie Du willſt.“ 

Der drehbare Suftinianus! — ras war fo hand⸗ 
greiflid): die Betheuerung des Anicius, dieſe Geheim⸗ 





427 


pforte oft durchſchritten zu haben, fo herausforrernd: — 
man fonnte dergleiden Dod faum lügen. 

Suftinianus nahm unfern Vorfdlag an. 

Sn ver Nacht führte Unicius ven Raifer und uns 
bret in die Garten der Kaiſerin. 

Cin hobler Platanenbaum barg die Mündung ves 
unterirdiſchen Ganges, der unter dem Moſaik ves Vors 
plages von Theodora's Gemach endete. 

Bis dahin nod hatte Juſtinian ſeinen Olauben an 
die Kaiſerin gewahrt. 

Als aber Anicius wirklich eine Marmorplatte bei 
Seite ſchob, mit geheimem, aus ſeinem Hauſe geholtem 
Schlüſſel ein Geheimſchloß öffnete: und nun die Statue 
ſichtbar ward — da fant der Kaiſer, halb ohnmächtig, 
in meine Arme. 

Endlich raffte er ſich auf und drang, an der Statue 
vorbei, er allein, in das Gemach. 

Dämmerlicht erfüllte den Raum. 

Die matt leuchtende Ampel zeigte das Pfühl Theo⸗ 
dora's. 

Leiſe, wankenden Schrittes eilte der Betrogne an das 
Lager. 

Da lag Theodora, vollangekleidet, in kaiſerlichem 
Schmuck. 

Ein greller Aufſchrei Juſtinians rief uns Alle an 
ſeine Seite. 

Und aus dem Vorgemach Galatea, deren ich mich 
ſofort bemächtigte. 


428 





Suftinian wies, ftarr vor Entfewen, anf die rubente 
Raiferin. — 

Wir traten hinzu —: fle war todt. 

Galatea, nicht minder überraſcht hieoon als wir, vers 
fiel in Krämpfe. 

Wir unterfudten einftweilen das Gemad: und fanden 
auf goldnem Dreifug die Aſche zahlreicher verbrannter 
Papyros⸗Rollen. 

Antonina rief Sklavinnen mit Licht herbei. 

Da erholte ſich Galatea und erzählte, händeringend, 
die Kaiſerin habe gegen Abend — das war die Zeit 
unſerer Audienz geweſen — ohne Gefolge das Garten⸗ 
viertel verlaſſen, den Kaiſer, wie ſie oft pflegte zu dieſer 
Stunde, in ſeinem Schreibgemach aufzuſuchen. 

Sehr raſch ſei ſie zurück gekommen: ruhig, jedoch 
auffallend bleich. 

Sie habe den Dreifuß mit glühenden Kohlen füllen 
laſſen und darauf ſich eingeſchloſſen. 

Auf Galatea's Pochen habe fle am Abend geant⸗ 
wortet: fie fet ſchon gu Rube gegangen und beditrfe 
nidts weiter. 

Da warf fid) der Raifer wieder fiber die geliebte 
Leiche: und nun, im Glanz der Lichter, entdedite er, daß 
an bem Schlangenring, einft Cleopatra eigen, welden 
fie am fleinen Finger trug, die Rubinencapfel mit vem 
tödtlichen Gift geöffnet war —: die Raiferin hatte ſich 
ſelbſt getödtet. 

Auf dem Citrustiſch lag ein Streifen Pergament, 





429 


parauf ftand ihr alter Wabhlfprud: Leben ift Hervfden 
durch Schönheit.“ 

Wir zweifelten noch, ob etwa die Qualen ihrer 
Krankheit oder die Entdeckung ihres drohenden Sturzes 
ſie zur verzweifelten That getrieben. 

Aber bald ward unſer Zweifel gelöſt. 

Als die Kunde von dem Tod der Kaiſerin den 
Palaſt durchdrang, eilte Theophilos, der Velarius, der 
Thürwächter des Kaiſers, halb verzweifelt, in das Sterbe⸗ 
gemach, warf ſich vor Juſtinianus nieder und geſtand: 
er ahne den Zuſammenhang. 

Seit Jahren im geheimen Solde der Kaiſerin habe 
er dieſer jedesmal zu wiſſen gethan, wann der Kaiſer 
ſolche Audienzen ertheilte, bei welchen er auch der Kaiſerin, 
falls ſie komme, den Zutritt im voraus verſagte —: fie 
habe dann faſt immer aus einem Seitengemach die ges 
heimften Verhandlungen mit angebort. 

Go habe er auch geftern gethan, als wir, mit fo 
ganz befondrer Einſchärfung der Fernhaltung der Raiferin, 
Audienz erbielten. 

Alsbald fet vie Kaiferin erſchienen: aber faum habe 
file von Unicius und Antonina einige Worte vernommen, 
al8 fie, mit leis erftidtem Schrei, tn den Vorhangen jus 
fammen gefunfen fet: rafd gefagt babe fie fic) dann 
erhoben und, ihm Schweigen zuwinkend, entfernt. — — 

Narfes drang in ven Raifer, Galatea auf ver Folter 
nad) weiteren Gebeimniffen gu befragen, aber Suftinian 
ſprach: 

„Ich will nicht weiter forſchen.“ 


430 





Tag und Nacht blieb er allein, eingertegelt, bet rer 
Leiche der immer nod Geliebten, die er darauf mit 
höchſten kaiſerlichen Ehren beifegen lieR in ber Sophien⸗ 
lirche. 

Amtlich wurde verkündet: die Kaiſerin ſei an Kohlen⸗ 
dunſt im Schlaf erſtickt: und der Dreifuß mit den Kohlen 
ward öffentlich ausgeſtellt. 

Juſtinian aber iſt in jener Nacht ein Greis geworden. 

Die nunmehr völlig übereinſtimmenden Ausſagen von 
Antonina, Anicius, Beliſar, Photius, den Sklavinnen 
Antonina's, den Sänftenträgern, welche dich kurz vor der 
Verhaftung Beliſars an ſein Haus getragen, deckten nun 
ſchlagend auf, daß du, im Bunde mit der Kaiſerin, Beli⸗ 
ſar durch Antonina beredet habeſt, ſich zum Schein an 
die Spitze der Verſchwornen zu ſtellen: und ich beſchwor, 
daß ſchon Wochen vorher Beliſar mir ſeinen heiligen Zorn 
über das Anſinnen des Photius geäußert. 

Juſtinian eilte in Beliſars Kerker, umarmte ihn 
unter Thränen, erbat Verzeihung für ſich — und Antos 
nina, welche alle ihre unſchuldigen Liebeständeleien renig 
beidjtete und volle Vergebung erbielt. 

Der Kaifer bat Belifar, zur Sühne, ven Oberbefebl 
in Stalien anzunehmen. 

Belifar aber fpradh: „Nein, Buftinianus: meine 
Arbeit auf Erden ift gethan! 

Ich gehe mit Antonina anf meine fernfte Bila im 
Mtefopotamien und begrabe dort mid und meine Bers 
gangenbeit. 

Sd) bin geheilt von der Krankheit, dir dienen zu wollen. 





431 


Willft pu mir eine letzte Gnade erweifen, fo gieb 
meinem grogen Freund und Erretter, gieb Marfes den 
Heerbefehl in Stalien: er foll mid raden an ren Gothen 
und an bem Gatan, ver Cethegus heißt.“ 

Und vor unfern geriihrten Ungen umarmten fic die 
beiden grofen Feinde. 

Dies Alles ift in tiefftes Geheimniß gebiillt, um vas 
Unvenfen der Kaiſerin gu fdonen. 

Denn Buftinian liebt fie nod) tmmer. — 

G8 wurde verfiindet: Beltfars Unſchuld fet von 
Narfes, Tribonian und mir durd nen gefundne Briefe 
ver Verfdwornen aufgededt. 

Und Juſtinian begnadigte alle BVerurtheilten: and 
Scävola und WUlbinus, die dereinft von dir geftiirgten. 

Sch aber ſchreibe dix die Wahrheit, dice) gu warnen und 
zu retten. 

Denn, obswar id nidt wei, in welder Form und 
Weife, fteht mix dod) feft, daß Suftinian deinen Unter: 
gang gefdworen und Narſes deine Vernidtung iibers 
tragen bat. 

Flieh —: rette vid! 

Dein Riel: ein freies, verjiingtes, von dtr allen 
beherrfdtes Bom war ein Wahn. 

Shm haft du Wes, — auc) unfre ſchöne Freund⸗ 
ſchaft geopjert. 

Sd begleite Beliſar und Antonina: und id will 
fudjen, in ihrer Rabe, an vem Anblick ver vollverfohnten 
Gatten und ihres Glücks, ven Ekel, Bweifel und Vere 
Drug über alles Menſchliche zu verwinden.“ 


Dreizehntes Capitel. 


Cethegus fprang anf vom Lager, warf ten Brie; 
nieder und machte einen baftigen Gang durch's Belt. 

„Schwächling Prokop |! 

Und Schwächling Cethegus —: fic) um Cine dir ver⸗ 
lorene Seele mehr gu eretfern! 

Haft du nidt Bulius verloren, fang bevor du ihn 
getödtet? 

Und lebſt und ringſt doch fort! 

Und dieſer Narſes, den ſie Alle fürchten, als ſei er 
Gott Vater und der Teufel in Einer Perſon — ſoll 
er denn wirklich ſo gefährlich ſein? 

Unmöglich! 

Er hat ja mir und den Meinigen blindlings Rom 
anvertraut! 

Nicht ſein Verdienſt, daß ich nicht in dieſem Augen⸗ 
blick, unerreichbar ſeinen Händen, vom Capitol herab 
Rom beherrſche und ihm Trotz biete. 

Bah: ich lerne es nicht mehr, mich zu fürchten auf 
meine alten Tage. 

Ich vertraue meinem Stern! 





433 


Sft das Tollkühnheit? iſt's ruhigſte Klugheit? 

Sch weiß es nicht: aber mir iſt: die gleiche Bu- 
verſicht hat Gafar von Sieg gu Sieg geführt. 

Indeß: hier habe ich kaum nod) mehr gu erfabren 
aus pen Bavregefpraden des Narſes als ich ans diefem 
wortreiden Brief erfuhr.“ 

Und er zerriß vie Bapyrosroflen in Meine Stückchen. 

„Ich bree auf: nod) heute: and) wenn Syphar 
nidjt weiter erlaufdt in diefem Augenblid —: denn 
jest tft ja wobl vie Badeſtunde.“ 

Da ward von den Bfauriern Johannes der Archon 
gemeldet und, auf bes Gethegus Wink, herein gefiihrt. 

„Präfect von Rom," fprad ihn diefer an, „ich habe 
bir ein altes Unredt noch abjubitten. Der Schmerz 
um meinen Bruder Perfeus hat mid damals argwöhniſch 
gemadyt.“ 

wag das ruhn,“ ſprach Cethegus, „es ift vergeffen.” 

„Aber unvergeffen,” fubr jener fort, „iſt mir deine 
heldenkühne Lapferfeit.  Diefe gu ehren und yu nützen 
zugleich fomme id) mit einem Borfdlag gu dir. 

3d und meine Rameraden, an BVelifar’s frifdes 
Drauflosgehen gewohnt, — wir finden diefe vorfidtige 
Weiſe des großen Narſes augerft langweilig. 

Liegen wir nun dod) bald zwei Monate vor jenem 
Pag, verlieren Leute und gewinnen wahrlich feinen 
Ruhm dabei. 

Aushungern will der Oberfeldherr die Barbaren! 

Wer weiß, wie lange das noch währt. 


Und dann wird es ein hübſches Gemetzel, wenn ſie 
Dabn, Cin Kampf um Rom. IV. 28 


434 


envlid) vorbredjen, von ver Vergweiflung getrieben, jeden 
Tropfen Bluts theuer verkaufend. 

Es ift nun Har, wenn wir nur die Miindung ded 
verfludten Engpaſſes batten —“ 

„Ja, Wenn!” ladelte Cethegus. Er iſt nidt ſchlecht 
gebiitet von dieſem Leja.“ 

„Eben deßhalb mug er fallen. 

Sr, ver König, Halt offenbar den ganjen Bündel 
{odrer Gpeere nod allein gujammen. 

Darum habe ich mit einer Schar — mehr als ein 
Dugend etwa — der beften Klingen im Lager einen Bund 
gejdloffen: wir wollen — e8 fann ja tmmer nur Ciner 
jum Nahekampf heran, fo ſchmal ift ver Felfenfteig — 
fo oft den König vie Wache trifft, Giner nad dem Ane 
rern — das Los entſcheidet ven Vortritt — den Konig 
heftehen: bie andern balten fid) fo nahe als miglid 
hinter dem Vorfimpjer, retten den Berwundeten, oder 
treten an des Gefallnen Stelle over dringen mit bem 
Sieger nad) ves Gothen Erlegung in den Pag. 

Auger mir find abet die Langobarden Alboin, Gifulf 
und Autharis, die Heruler Rovulf und SGuartua, Ar⸗ 
darich der Gepide. Gundebad der Burgunve, Chlotadhar 
und Bertdramn, die Franfen, Vadomar und Eyurulf, 
tie Wlamannen, Garizo, der lange Bajuvare, Kabades der 
Perfer, Wlthias ver Armenier, Taulantius ver Illyrier. 

Wir möchten and gern dein gefiirdtet Schwert 
dabei haben. 

Wilft vu, Gethegus, mit im Bunde fein? 

Lu haſſeſt viefen fdwarglodigen Helden.” 


435 


„Gern,“ fprad) diefer, ,fo lang’ ich nod bier bin. 

Wher ich werde das Lager bier bald mit dem Capitol 
vertaufder. “ 

Cin feltfames, ſpöttiſches Zacheln flog über des Ar⸗ 
chonten Antlitz, das Cethegus nicht entging. 

Aber er deutete es nicht richtig. 

Wn meinem Muthe kannſt viz, nad) deinen eignen 
Worten, nicht wohl zweifeln,“ ſagte er. 

‚„Aber es giebt für mid) noch Wichtigeres, als hier 
die letzten glimmenden Kohlen des Gothenkrieges aus 
zutreten. 

Die verwaiſte Stadt verlangt ihren Präfecten. Mich 
ruft das Capitol.“ | 

„Das Capitol!” widerholte Johannes. 

„Ich dächte, Cethegus, ein friſcher, ſchöner Helbene 
todt ift aud) mas werth.“ 

„Ja, nachdem des Lebens RBiele erreicht find." 

„Keiner aber von uns weiß, o Cethegus, wie nab 
ihm dieſes Ziel gerückt iſt. 

Aber noch Eins. 

Es kommt mir vor, als ob fic) bet den Barbaren 
Etwas vorbereite auf ihrem verfludten Feuerberg. 

Bon vem Hügel auf meiner Lagerfeite fann man 
ein fein wenig durch eine Spalte über die Lavafpiten 
gucken. 

Dein geübtes Auge möchte ich dahin richten. 

Sie ſollen uns doch mit ihrem Hervorbrechen wenig⸗ 
ſtens nicht überraſchen. | 

Folge mix dorthin. 

28* 


436 





Aber ſchweige von jenem Bund vor Narſes: — er 
liebt das nicht —: ich wablte die Stunde feines Bades 
gu dieſem Befud) bet div." | 

„Ich folge,“ fagte Gethegué, vollendete feine Bee 
waffnung und ging, nachdem er vergeblich bet der iſau⸗ 
riſchen Schildwache nach Syphax gefragt, mit Johannes 
quer durch fein eignes, dann burd des Narſes Mittel⸗ 
Lager und bog endlich in das äußerſte rechte, das Lager 
des Johannes ein. 

Anf ver Krone ves von diefem erwähnten Higels 
finden bereits mehrere Heerführer, welche etfrig über eine 
fleine Sentung der Lavawalle hinweg in den hier fidte 
baren ſchmalen Theil ver gothifden Lagerungen fpabten. 

Nachdem Cethegus einige Zeit hinüber geblidt, rief 
ex: ,Rein Rwerfel! fie raumen diefen Theil, ven sft 
lichſten, ihres agers: fie fahren die ineinandergeſchobnen 
Wagen auseinander und ziehen fie weiter nach rechts, 
nad Weften: bas deutet auf Bufammendringung, viel- 
leicht auf ein Hervorbrechen.“ 

„Was meinft du,“ — fragte da raſch den Johannes 
ein junger, offenbar eben erft aus Byzanz angelangter 
Heerfiihrer, ven Cethegus nicht fannte — „was meinft 
pu? finnten dite neuen Balliſten nicht von jener Felfen- 
Naſe aus vie Barbaren erreiden? Weißt du, des Mars 
tinus letzte Erfindung — die mein Bruder nad Rom 
ſchaffen mute 2“ 

„Nach Rome" rief Cethegus und warf einen bligens 
ben Blid auf ven Frager und auf Johannes. 

Heiße und falte Sehreden jagten urplötzlich ihm 


437 


purd Herz und Marf —: erfdhiitternder, als da er die 
Nachricht von Belifar’s Landung, von Lotila’s Erhebung, 
von Lotila’s Abſchwenkung nad Rom bet Pons pari, 
von Lotila’s Gindringen auf dem Tiber, von Marfes’ 
Unfunft in Stalien erfabren. 

Ohm war, als fralle ſich eine zerdriidende Hand ihm 
um Herz und Hien. 

Scharf erfannte er, daß Johannes mit einem grim: 
migen Furden der Brauen dem jungen Frager Schweigen 
gewinkt. 

„Nach Rom?“ widerholte Cethegus tonlos, bald 
ben Fremden, bald Johannes mit ſeinem Auge durd- 
bohrend. 

„Nun ja, ſreilich nach Rom!“ rief endlich Johannes. 
„Zenon, dieſer Mann iſt Cethegus, der Präfect von 
Ron." 

Der junge Byzantiner neigte fid) mit vem Wusdrud, 
mit weldem man etwa ein vielgenanntes Ungethitm zum 
erften Mal vor fic) fiebht. 

„Cethegus, Zenon bier, der Archon, ver biéher am 
Cuphrates gefodten, ift erft geftern Whend mit perfifden 
' Bogenfdiigen aus Byzanz angefommen.” 

Und fein Bruder?” frug Cethegus, ,ift nad Rom!” 

Mein Brurver Megas," antwortete, nun gefaßt, ver 
Byzantiner, ,bat den Wuftrag, dem Prafecten von Rom" 
— und bier neigte er abermals das Haupt — ,dte new 
erfundenen Doppelballiften fiir vie Walle Roms yur 
Verfügung gu ftellen. 

Er hat fid) lange vor mir eingefdifft: — fo glaub’ 


438 





id) ihn ſchon vor mir eingetroffen und mit bir nad 
Rom abgezogen. 

Aber feine Fracht ift ſchwer. 

Und id) freue mic, den gewaltigften Mann des Abend: 
lands, den glorreichen Vertheidiger des Hadrianusgrabes 
von Angeſicht fennen gu lernen." 

Aber Gethegus warf nod Johannes einen ſcharfen 
Blick gu und wandte ſich dann, mit kurzem Abſchieds⸗ 
gruß an alle Verfammelten, gum Gehen. 

Nad einigen Schritten fah er raſch, plötzlich fid 
wendend, um und bemerfte, wie Sohannes mit beiden 
Fäuſten drohend auf den gefdwagigen jungen Ardonten 
pom Euphrat hinein ſchalt. 

Ein kalter Schauer rüttelte den Präfecten. 

Er wollte auf dem kürzeſten Wege nach ſeinem Zelt 
zurückgehn und unverzüglich, ohne Syphax und ſeine 
Entdeckungen abzuwarten, zu Pferde ſteigen und, ſonder 
Abſchied, nach Rom eilen. 

Um jenen kürzeſten Weg zu erreichen, wollte er aus 
des Johannes Lager heraus treten und auf der Sehne des 
großen Lagerbogens ſeine eignen Zelte gewinnen. 

Vor ihm ritten einige perſiſche Schützen aus dem 
Lager: aud) Bauern, welche Wein verkauft hatten, ließen 
die Wachen unbehindert hindurch. 

Es waren Langobarden, welchen, wie iiberall, and 
in dieſem Lagertheil, Narſes die Lagerausgänge über⸗ 
tragen. 

Sie hielten ihn an mit gefällten Speeren, als er 
den Landleuten folgen wollte. 


439 


Er griff zornig in die Lanjen, raſch fte theilend. 

Da ſtieß ver Eine der Langobarden in's Horn: die 
andern fdlofjen fic) wieder feft vor ibm. 

„Befehl ves Narſes!“ ſprach Autharis, ver Führer. 

„Und jene?“ frug Cethegus auf die Bauern und die 
Perſer deutend. 

„Sind nicht du,“ ſprach der Langobarde. 

Eine Schar Lagerwachen war noch herbeigeeilt auf 
jenen Hornruf. 

Sie ſpannten die Bogen. 

Cethegus wandte ihnen ſchweigend den Rücken und 
ging auf dem gleichen Wege, der ihn hergeführt, zurück 
nach ſeinem Zelt. 

Vielleicht war es nur fein plötzlich erregtes Miß—⸗ 
trauen, welches ihm vorſpiegelte, alle Byzantiner und 
Langobarden, durch welche er dahin ſchritt, wichen ihm 
mit halb ſpöttiſchen, halb mitleidigen Blicken aus. 

Vor ſeinem Zelt frug er die iſauriſche Schildwache: 
„Syphar zurück?“ 

„Ja, Herr, längſt. Er harret deiner ſehnlich im 
Zelt. Er iſt verwundet.“ 

Raſch ſchlug Cethegus die Vorhänge zurück und 
trat ein. 

Da flog ihm Syphar, bleich unter ſeiner Bronces 
haut, entgegen, umflammerte feine Kniee und flifterte 
mit leidenſchaftlicher, vergweifelter Erregung : 

„O mein Herr, mein groper Lowe! Du bift um: 
garnt — verloren — nichts fann dich mebr retten.” 


440 





„Mäßige vid, Slave!“ gebot Cethegns. Dn 
bluteft —“ 

‚Es ift nidts! Sie wollten mid nicht in dein Lager 
zurück laffen — fie fingen in fdeinbarem Scherz Streit 
mit mir an, aber ihre Mefferftiche waren bittrer Eruſt — 

„Wer? Wefjen Meſſerſtiche?“ 

„Der Langobarden, Herr, welche ſeit einer halben 
Stunde alle Ausgänge deines Lagers doppelt beſetzt 
haben.“ 

„Ich werde Narſes um den Grund fragen," drohte 
Cethegus. 

„Der Grund das heißt der Vorwand — er ſandte Kaba⸗ 
des, dir das zu melden — iſt ein Ausfall der Gothen. — 

Aber, o mein Löwe — mein Adler — mein Palm⸗ 
baum — mein Brunnquell — mein Morgenſtern — 
du biſt verloren!“ 

Und wieder warf ſich der Numider auf das Antlitz 
vor ſeinen Herrn und bedeckte deſſen Fife mit glühen⸗ 
den Thränen und Küſſen. 

„Erzähle — der Ordnung nach,“ ſprach Cethegus, 
ſich an den Mittelpfahl des Zeltes lehnend, mit auf dem 
Rücken gekreuzten Armen und hod das Haupt entpor 
gerichtet: nicht auf Syphax vergweifeltes Antlig, in die 
leere Ferne ſchien er zu fdauen. 

„O Herr — id) werd’s nicht können in klarer Folge 
— Alſo — ih erreichte dad Schilfoerfted — ich brauchte 
faum zu tauchen — mid) barg das Gerdbridt — das 
Barezelt ift von diinnem Holz und von Leinwand nen 
erridtet, nad) den letzten Stürmen — Narſes fam in 


441 


feinem fleinen Bot, Alboin, Bafiltsfos und nod dret 
Manner als Langobarden verkleidet — aber ich ers 
fannte Scävola, Albinus —“ 

Ungefährlich,“ unterbrach Cethegus. 

„Und — Anicius!“ 

„Irrſt du did) nicht?“ fuhr Cethegus auf. 

„Herr, ich kenne das Auge und die Stimme! 

Aus dem Geſpräch — ich verſtand nicht alle Worte 
— aber den Ginn gan; klar —“ 

„Ei, hatteft pu mir dod) die Worte fagen können!“ 

Sie fpradjen griechiſch, Herr: td) verftehe das vod) 

nidt fo gut, wie deine Sprade: und die Wellen madten 
Geräuſch und der Wind war nidt giinftig.” 

„Nun, was fagten fie 2" 

„Die drei find erft geftern Abend aus Byzanz eins 
getroffen — fie forberten fofort deinen Kopf. 

Narſes aber fprad): 

„Nicht Mord: Richterfprud, nad voll durchgeführtem 
ProceR: und Richterſtrafe.“ 

ann endlid 2” frug Anicius. 

„Sobald e8 an der Zeit.” 

lind Rom?" frug Bafilistos. - 

„Rom fieht er niemal8 wieder.” 

Halt,” rief Cethegus, ,halt inne! Einen Wugenblid! 
Klar mug id bierin fein.” 

Er fdrieb ein paar Reilen auf ein Wachstäfelchen. 

„Iſt Narſes zurück aus vem Bade 2“ 

„Längſt.“ 

» Out." 


442 


Er gab einem der vor dem Zelte wadenden Sfaurier 
bie Wadstajel. $ 

„Augenblicklich bringft bu Antwort. 

Fahre fort!" 

Aber Gethegus vermochte nicht mehr, ſtill gu ftehen 
haftig ging er im Belte auf und nieder. 

„O Herr, in Rom muß ein Ungeheures gefdebhen 
fein — ich fonnte nicht genau verfteben, was. 

Anicius ftellte eine Frage: darin nannte er deine 
Sfaurier. 

Den Führer Gandil bin th [08 geworden,” fagte 
Narfes. Und ver Reft it ja in Rom gut aufgehoben 
purd Aulus und die Briiver Macer, meine Lockoögel,“ 
fiigte er lachend - bei.“ 

„Nannte ev diefe Namen?" frug Cethegus ernft, 
„braucht' ex vied Wort 2" 

oa, Herr. 

Dann fpradh Alboin: ,gut ift’s, daß die jungen 
Tribunen fort: es hatte ſcharf Gefecht gefoftet.“ 

Und Narſes ſchloß: „Alle Bfaurier muften fort. 
Sollten wir eine blutige Schlacht im eignen Lager ſchla⸗ 
gen und Rinig Teja plötzlich dazwiſchen fahren? 

„O Herr, ich fitrdte, fie haben deine Lreneften von 
bir hinweg gelodt.“ 
wd) glaub’ es aud,“ ſprach Cethegus finfter. 
„Aber was fpraden fie von Rom 2 
„Alboin fragte nad einem Führer, veffen Ramen id 
gehört.“ 

„Megas?“ rief Cethegus. 


ni 





443 





„Ja, Megas! fo hieß ex — woher weift du —?“ 

„Gleichviel! Fabre fort! Was iſt's mit diefem 
Megas 2" 

„Alboin frag: wie lange wohl fdon Megas in 
Rom fei? 

„Jedesfalls,“ antwortete Narfes, ,frithe genug fiir 
vie römiſchen Tribunen und bie Iſaurier.“ 

Da ftdhnte Cethegus laut und ſchmerzlich aus tieffter 
Bruft. 

„Aber die Biirger Roms?” forfdte Scavola, „ſie 
vergdtterten diefen Xyrannen und feine jungen Ritter!“ 

„Ja ebemals: jet aber baffen und fürchten fle nidts 
fo febr als den Mann, der fie mit Gewalt wieder zu 
Römern, yu Helden maden wollte.“ 

„Aber wenn fie ihn dod) wieder aufnehmen wollten? 
Allbezwingend iſt feines Mamens Gewalt!" fragte Albinus. 

„Fünfundzwanzigtauſend Wrmenier im Capitol und 
im Grabmal Hadrians halten die Römer noch ſtrenger 
gebunden — 

Da * ſich Cethegus die linke Hand grimmig vor 
die Stirn. 

„Noch ftrenger gebunden als Pabft Pelagius und 
iby Vertrag und Cid.” 

„Ihr Vertrag und Cid?” frug Scavola. 

oa, iby Vertrag und Cid! fie haben gefchworen : 
ire Stadt nur dem Prafecten von Rom gu öffnen.“ 

„Nun und rief Anicius. 

„Nun und: fie wiffen und wußten damals fdon* 


444 





dak feit bret Mtonaten der Prafect von Rom heißt — 
Narſes!“ 

„Mir, nicht ihm haben fie geſchworen!“ 

Da warf ſich Cethegus ſchweigend auf das Lager, 
und verhüllte ſein Haupt in ſeinem purpurgeſäumten 
Mantel. 

Keine laute Klage entrang ſich mehr der gewaltigen 
Bruſt. 

oo mein theurer Herr — es wird did tödten! — 
Aber ich bin noch nicht zu Ende — du mußt Alles 
wiſſen — auf daß dich Verzweiflung zum Aeußerſten 
kräftigt: mie ver umſtellte Löwe mehr als Löwenkraft 
gewinnt.“ 

Cethegus erhob ſich wieder. 

‚Vollende,“ ſprach er. ‚Was ich nod gu hören habe, 
iſt gleidgitltig: e8 fann nur mich, nicht Rom mehr an⸗ 
gehn.“ 

ber vid) geht es furchtbar an.“ 

„Geſtern,“ fubr Narfes fort — nach einigen Reden, 
welde das Wellengeraujd mir entzog, gleichzeitig mit 
per fangerwarteten Nachricht aus om —“ 

„Welche Nachricht?“ frug Cethegus. 

„Das fagte er nicht. — „Gleichzeitig bradte Zenon mir 
vie Weiſung, vas verfigelte Sehreiben des Raifers au 
öffnen: denn mit Recht nimmt diefer nad meinem letzten 
Beridt an, dak den Untergang der Gothen jeder Cag 
herauf führen fann. 

Ich öffnete und' — 0 Herr — es iſt ſchrecklich — 

„Rede!“ 





445 





„Des grofen Suftinianus ganje Rleinheit fpridt 
daraus,“ fprad Marfes. 

Er würde ihm, glaub’ id, viel leichter verzeihn, daß 
er den Kaiſer der Gerechtigkeit faſt dahin verleitet, den 
allgetreuen Beliſar zu blenden, als Juſtinianus ihm 
verzeiht, mit Theodora im Bunde, als ‚Verführer 
Theodora's!“ — ein furchtbarer Anachron — mehr ver⸗ 
ſtand ich nicht — 

„Anachronismus!“ ſagte Cethegus, ruhig verbeſſernd. 

— „Den Kaiſer hintergangen, überliſtet zu haben. 

Das Los, das er Beliſar um ein Haar bereitet 
haͤtte, foll ibn ſelbſt treffen — 

Blendung.“ 

‚Wirklich?“ lächelte Cethegus. Dod) er griff an den 
Dolch. 

„Und jene Strafe, die er, gottesläſterlich Chriſti Tod 
entweihend und Kaiſer Conſtantins Geſetz verletzend, in 
ſeinem Rom wieder eingeführt —“ — 

„Was kann er damit meinen?“ forſchte Syphax bang. 

„Kreuzigung!“ antwortete Cethegus, den Dold) wieder 
bergend. 

O Herr!“ 

„Gemach, noch hang' ich nicht in der Saft: 
ſchreite ich feft auf der belben-ndbrenden Erde. —— " 

„Ich aber bin,” fubr Narſes fort, „der Feldherr 
und nicht der Folterfnedht Suftinians: und er wird fig 
wohl begniigen müſſen, wenn id) ded tapfern Dtannes 
Haupt nak Byzanz ſchicke.“ 


446 


„Aber, o nur das nicht — nur das nidt, Herr! 
wenn wir fterben müſſen.“ 

Lire" lächelte Cethegus, wieder gang gefannnelt. 
„Du aft nidt mit Theodora den grofen aifer der 
Romäer iiberliftet. Dir droht nicht Gefabr.“ 

Aber Syphar fubr fort: 

„Weißt du's denn nicht? o zweifle nur daran nidt: 
— ganz Afrifa weif es — feblt ver Leiche das Haupt, 
mug die Seele al unrein niedres Gewürm ohne Kopf 
Aeonen fang durd) Schlamm und Roth ſchleichen. O nur 
nidt dein Haupt vom Rumpfe getrennt!“ 

od rubt es feft auf diefem Maden, wie auf dem 
Atlas vas Himmel8gewslbe. 

Stil — man fommt." 

Der Bfaurter, welden er an Narfes gefendet, brachte 
die verfigelte Antwort: 

„An Cethegus Cäſarius Narfes magifter militum. 

Deinem Wunfdh, nad Rom aufzubrechen, fteht and 
Heute nidts im Wege.“ 

vod) begreife jest," fprad Cethegus. 

„Die Lagerwaden haben Befehl, vid) abreiter zu 
lafjen. 

Doch geb’ id vir, fall du auf ver Wbreife beharrſt, 
tauſend Langobarden, unter Alboin, zur Bededung mit. 

Die Stragen find unfider durch verfprengte Gothen. 

Da, allem Anſchein nad, heute nod) oder morgen 
cin Durchbruchverſuch ver Gothen droht und widerbholt 
tollkühnes Verlaſſen der Lager den Verluft von Führern 
und Lruppen herbeigefithrt hat, ift niemanden mehr obne 





447 


meine Erlaubniß dad Lager zu überſchreiten verftattet 
und haben alle Waden, aud die Beltwachen, meine vere 
laffigen Langobarden bezogen.“ 

Raſch ſprang Cethegus gegen die Thüre ſeines Zeltes 
und vif fie auf: ſeine vier Iſaurier wurden eben abe 
geführt, zwanzig Langobarden unter Autharis gogen vor 
feinem Zelte auf. 

„Ich Dadte nod an Flucht fiir heute Nacht,” ſprach 
ex gu Syphar. 

„Sie ift abgefdnitten. 

Und e8 ift beffer fo, würdiger. 

Lieber den Gothenfpeer im vie Bruft als den Griedjen- 
pfeil in den aden. 

Aber Narfes ift nod nicht gu Ende: 

„In meinem Belt magft du vernehmen, welde Make 
regeln id) gegen Das durch den Wusfall der Barbaren 
prohenve, vielleicht ſehr große Blutbad getrofjen. 

Nod) aber habe id) eine hir ſchmerzliche Mittheilung 
zu machen. 

Geſtern Abend über See von Rom eingelaufne Nach⸗ 
richten melden, daß deine Tribunen und der größte 
Theil der Iſaurier in Rom —" 

„Ha, mein Licinius, Piſo, Bulianus!" fdrie der 
Prafect aus feiner eifigen, todesveracdhtenden Rube durch 
heißen Schmerz emporgefdredt — 

„Getödtet worden find. 

Sie weigerten, friedlich eingelaffen* — „ha ſchändlich 


448 





hinein gelodt!" — „dem Kaiſer den Gebhorfamseid: fie 
wollten, gegen ven Bertrag, Gewalt brauden, Lucius 
Licinius wollte das Capitol mit Sturm nehmen, Sal: 
vins Sulianus das Grabmal Hadrian’ — Pifo vie Porta 
latina — fie fielen, jeder vor feinem Angriffsziel: — 
ver Reft der Söldner ift gefangen.” 

Mein gweiter Julius folgt dem erften nad!" ſprach 
Cethegus. 

„Nun, ich brauche keinen Erben mehr: — denn Rom 
wird nicht mein Eigenthum und Nachlaß. 

Es iſt vorbei. — — 

Der große Kampf um Rom iſt aus. 

Und die dumpfe Ueberzahl, die kleine Pfiffigkeit hat 
geſiegt, wie über der Gothen Schwerter, ſo über des 
Cethegus Geiſt. 

O Römer — Römer, „auch ihr, meine Söhne?“ 
ja, meine Bruti ſeid ihr! — 

Komm, Syphar, du biſt frei. 

Ich gehe in den Tod —: geh du frei zurück in 
peine freie Wüſte.“ | 

„O Herr," rief Syphar, laut aufſchluchzend und fid 
auf den Knieen vor ihm hinwälzend — ,ſtoß mid) nicht 
von dir: id) bin nidt minder treu als Afpa threr Perrin 
war: — laß mic mit dir fterben.” 

„Es fei,“ fagte Gethegus rubig, die Hand auf ded 
Mauren Haupt legend. | 

„Ich bab’ vid lieb gehabt — mein Panther —: 
fpring’ Denn mit mir in den Zod. 





449 


Reide mir Helm, Schild, Schwert und Speer.” 
Wohin?“ 

„Erſt zu Narſes.“ 

„Und dann?“ ~ 

Auf den Veſuvius!“ 


Dabn, Ein Kampf um Rom. Iv. 29 


Vierzehntes Cayitel. 





Die Abſicht König Teja's war gewefen, in der 
fommenden Nacht mit allen Waffenfabigen, bis auf einige 
Wächter ves Engpaffes, fid vom Veſuv herab auf das 
Lager des Narfes au werfen und in vemfelben, begitnftigt 
durch das Dunkel und vie Ueberraſchung, nod ein furdte 
bares Blutbad anguridten: war der Leste der Ausfallens 
ren erlegen und drobte nun, etwa bei Tagesanbruch, 
ver Ungriff auf ven Pak, fo follten vie Wehrunfähigen, 
weldje nicht die Knechtſchaft dem Tode vorzogen, durch 
den Sprung in den nahen Krater ved Veſuvs ein freies 
Grab fuden, wonad aud) vie Vertheiviger ves Paſſes 
purd) Hervorbreden aus der Schlucht ein raſches Ende 
machen follten. 

Es hatte ven König mit freudigem Stolz erfüllt, 
daß aud) nicht Cine Stimme unter den Taufenden vor 
Srauen und Marden — denn alle Knaben vom zehnten 
Sabre an und alle Greijfe wurden bewaffnet — die ente 
ebrende Sklaverei und das Leben ftatt des Todes im 
Veſuv gewählt hatte, als Leja ven Verfammelten in der 
Wagenburg vie Wahl anheim geftellt. 





__ 451 





Sein Heldenherz erfreute fid an dem Gedanten, daß 
fein ganzer Stamm in einer, in der Gefdhidte der 
Valter unerhörten That, in glorreichem Heldentod, wie 
Gin Mann, feine große Vergangenheit ruhmvoll befigeln 
wollte. 

Diefer Vergweiflungs-Gedante des tod⸗grimmen Helden 
wurde nidjt verwirklicht: aber fem bredendes Ange follte 
ftatt jenes grauenhaften Bildes, ein helleres, ein vere 
ſöhnendes ſchauen. 

Narſes, immer wachſam und vorſichtig hatte ſchon 
vor Johannes und Cethegus die drohenden Vorbereitungen 
ver Feinde wahrgenommen und den Rath ver Feldherrn 
auf die fünfte Tagesſtunde in ſein Zelt berufen, ſeine 
Gegenmaßregeln zu erfahren. 

Es war ein wunderbarer, goldner September⸗Morgen: 
voll Schimmer des Lichts und Schimmer des Dufts 
ither Land und Meer: wie er in folder ftrablenden 
Schönheit aud in Stalien nur iiber den Golf von Baja 
fic) ergteft. 

Jn den licstgefattigten Himmel ftieg fpielend die 
weiße Kraufelwolfe des Veſuvs: mit rythmifdem An⸗ 
ſchlag rollten die letzten, leiſen Meereswellen, wie hul⸗ 
digend, an das wunderſchöne Land. 

Da ſchritt hart an dem Saume der Fluth hin, ſo 
daß die rollenden Wellen manchmal ſeine gepanzerten Füße 
berührten, langſam, den Speer über der Schulter, von 
dem linken Lagerflügel her, einſam, ein gewaltiger Mann. 

Die Sonne glitzerte auf ſeinem runden Schild, auf 

29* 


452 





bent pradtvollen Panzer: der Seewind fpielte in ſeinem 
purpurnen Helmbuſch. 

Es war Cethegus: und er ſchritt auf dem Todesweg. 

Nur von Weitem folgte ihm, ehrfürchtig, der Maure. 

Angelangt an einem ſchmalen Vorſprung des Kuſten⸗ 
ſandes in den Golf hinein, ging er bis an die äußerſte 
Spitze dieſer kleinen Landzunge, wandte ſich und blickte 
nach Nordweſten. 

Dort lag Rom: ſein Rom. 

uxebt wohl,“ ſprach er tief bewegt, ,lebt wohl, ihr 
ſieben Hügel der Unſterblichkeit. 
«Leb wohl, Tiberſtrom, der du den ehrwitrdigen Schutt 
ver Jabrhunderte dahin ſpülſt: gweimal baft du mein 
Blut getrunfen, gweimal mid gerettet. 

Nun vetteft Du mid) nicht mehr, befreunveter Flug. 
gott! 

Gerungen hab' ich und gekämpft um dich, mein 
Rom, wie Keiner, wie ſelbſt Cäſar nicht, vor mir. 

Die Schlacht iſt aus: geſchlagen iſt der Feldherr 
ohne Heer. 

Ja, ich erkenne es nun: Alles kann der gewaltige 
Geiſt des Einzelnen erſetzen, nur nicht ein fehlend Volk. 

Sich ſelbſt jung erhalten kann der Geiſt, nicht Andre 
verjüngen. 

Ich habe das Unmögliche gewollt. 

Aber das Mögliche erreichen iſt — gewbhnlich 

Und ſpränge mir noch einmal aus meines zertrüm⸗ 
merten Cäſar Marmorhaupt ver große Gedanke entgegen 
dieſes Kampfes um Rom — gepanzert, wie Athene aus 





453 


bem Haupte des Reus — — ish fimpfte ihn nod eins 
mal, dieſen Rampf. 

Denn beſſer ift’s, um das Uebermenſchliche ringend 
erliegen, alf in ber pumpfen Ergebung unter das Ges 
meine dabin gehn. 

Du aber fet miv gefegnet’ — und er kniete nieder 
und negte die heiße Stirn unter dem ehernen Helm mit 
ver fakigen Fluth — ,du aber fei mir gefegnet, Auſo⸗ 
nia’s beilige Meerfluth: fei mir gefegnet, Stalia’s heiliger 
Boden’ — und er griff mit ver Hand tief in den 
Sand ver Küſte: ‚dankbar fdeidet von dir dein trenefter 
Sohn —: erſchüttert, nidt von dem Grauen des nahen⸗ 
ven Tones, erfdpiittert allen von deiner Herrlichkeit. 
Lange Bahrhunverte abn’ ich fiir dich drückender Fremd⸗ 
herrjdjaft: ich babe fie nidjt von div gu wenden vers 
modt: aber mein Hergblut bring id) als Wunſch⸗Opfer 
ar: ift ver Lorber deiner Weltherrfdhaft verdorrt fiir 
immer — dir lebe fort, unzertretbar, ftill griinend 
unter tem Staube, die Olive des Freiheitfinns und 
deines Bolles edle Cigenart: und einft leudjte der Tag 
vir herauf, mein Rom, mein italifdes Land, da fein 
Fremder mehr herrſcht anf deinem gebeiligten Boden, da 
pu allein dir felber gehörſt von den hetligen Alpen gum 
heiligen Meer." | 


Und rubig erhob er fic) nun und {dritt, vafderen 
Ganges, nad) dem Mittel⸗Lager und dem Feldherrnzelt 
ves Narſes. 


Bei'm Gintreten fand er die Heerfiibrer alle vers 


494 





fammelt und Narfes rief ihm freundlid entgegen. „Zur 
guten Stunde fommft pu, Gethegus. 

Zwölf meiner Feldherrn, die id auf einem Bund rer 
Tollbeit ertappt, wie fie etwa Barbaren, aber nidt 
Schüler des Narſes, begehen möchten, haben fic) zur 
Entſchuldigung auf dich berufen: es könne keine Toll⸗ 
heit ſein, woran ſich der geiſtesgewaltige Cethegus ſelbſt 
betheilige. Sprich, biſt du wirklich jenem Waffenbund 
gegen Leja beigetreten 2 

„Ich bin's und id) gehe gerad’ von bier — lag mir 
ben Vortritt, Johannes, ohne Lofung — auf den Vefuv. 
Die Wadtitunde ves Königs nabt.“ 

„Das gefallt miv von dir, Cethegus.“ 

„Danke: e8 fpart div wohl mande Mühe, Prafect 
von Rom,“ erwiderte Cethegus.“ 

Cine Bewegung der höchſten Ueberrafdung ging durd) 
alle Anwefenden: denn aud) die Cingemeihten ftaunten 
über feine Kenntniß der Lage. 

Mur Narſes blieb ruhig: leife fagte er gu Bafilistos : 

„Er weiß Wes. Und das ift gut." 

„Nicht meine Schuld, Gethegus, daß ich dir nicht 
frither deine Erſetzung durch mid) mitgetheilt: der Raifer 
hatte es ftveng verboten. 

Ich lobe deinen Entſchluß, Cethegus. — 

Denn er ftimmt ju meinen beften Abfidten. — 

Die Barbaren follen nicht das Bergnitgen haben, 
heute Nacht nodmal eine Myriade unferer Leute gu 
ſchlachten. 

Wir rücken ſofort mit allen unſern Truppen, auch 


455 





den beiden Flügeln, bis auf Speerwurf⸗-Weite vor den 
Engpaß: fie follen nidt Raum zum Anlauf gewinnen: 
und iby erfter Schritt aus ver Mündung der Sdludt 
foll fie in unfre Lanjen führen. 

Sh habe aud) nidts vagegen, Cethegus, wenn Freis 
willige jenen König der Schrecken beftehen —: mit feinem 
Love, hoff’ id), loft fic) ver Barbaren Widerſtand. 

Nur Cins madt mid beforgt. 

Sh habe vie „joniſche Flotte’ längſt hieher befdieden, 
— id hatte die Entſcheidung einige Lage frither erwartet 
— und fie bleibt aus. 

Sie foll mix vie gefangnen Barbaren fofort auf. 
nebmen und nad Byzanz ſchaffen. 

Ram nod ver Secnellfegler nicht zurück, Nauarch 
Konon, den id) auf Kundſchaft durch vie Mteerenge von 
Regium gefchidt 2 

vein, Feldherr! Go wenig als ein zweites Gil 
ſchiff, Das ic) felber nachgeſandt.“ 

„Sollte der legte Sturm die Flotte geſchädigt haben 2” 

„Unmöglich, Feldherr: er war nicht ftarf genug. 
Und fie lag ja, nad lester Botſchaft, fider vor Anter 
int Hafen von Brunduſium.“ 

tun, wir können nidt auf die Schiffe warten. Bors 
wirts, meine Feldherrn: wir brechen Whe, ich felber mit, 
fofort gegen den Engpaß anf. 

Leb wohl, Cethegus! 

Laß vid) die Entfesung nicht anfedten. 

Sd) beforge, es wiirde div nad der Beendung des 
Krieges mandy laftiger Proceß drohn. 


456 





Du haft viele Feinde: mit Recht und mit Unredt. 

Böſe Wahrzeichen drohn dir ringsumber. 

Aber ich weiß: du haſt von jeher nur Ein Wahr⸗ 
zeichen geehrt: 

„Ein Wahrzeichen nur gilt —" 

„Für die Heimath kämpfend zu fallen. 

Nur noch Eine Gunſt: verftatte mir — meine Iſau⸗ 
tier und Tribunen ruben ja in Rom — die Btalier und 
Römer in deinent Heer, welde du unter alle deine 
Scharen vertheilt aft, um mid) ju ſammeln und fie 
gegen die Barbaren zu führen.“ 

Einen Augenblid befann ſich Narſes. 

„Gut, ſammle fie und führe fle! — zum Lode,” 
fagte ev leiſe gu Baſiliskos. „Es find höchſtens fünf⸗ 
zehnhundert Mann — id) gönne ihm die Freude, 
an der Spitze ſeiner Landéleute zu fallen — und fie 
hinter ihm! 

Leb wohl, Cethegus.“ 

Stumm, mit dem erhobenen Speer ibn begrüßend. 
ſchritt Cethegus binaus. 

„Hm,“ ſagte Narſes zu Wlboin ,— ſchau' ihm nur 
ernſthaft nach, Langobarde. Da geht ein merkwürdiges 
Stück Weltgeſchichte dahin. 

Weißt du, wer da hinausfdritt 2 

„Ein grofer Feind feiner Feinde,” fagte Alboin emf. 

0a, Balflein, ſchau div thn nodmal an: da geht 
gu fterben —: der legte Rimer!* — — 

Als alle Geerfiibrer bi8 anf Bafilistos und Alboin 
Narſes verlaſſen hatten, eilten aus dem durch Vorhänge 





457 





abgefperrten Abſchluß des Belted Anicins, Scävola und 
Albinus, nod in langobardiſcher Kleidung, mit be⸗ 
ſtürzten Mienen. 

oie?” rief Scävola, „du willſt bem Richter diefen 
Mann entziehen?“ 

„Und vem Henker,“ ſprach Albinus, „ſeinen Leib? 
und ſeinen Anklägern ſein Vermögen?“ 

Anicius nur ſchwieg und ballte die Fauſt um den 
Schwertgriff. 

„Feldherr,“ rief Alboin, laf die zwei Schreier meines 
Volkes Kleidung von ſich legen. Mich ekelt dieſer 
Kläffer.“ 

„Du haſt nicht Unrecht, Wölflein! 

Ihr braucht euch nicht mehr zu vermummen,“ ſprach 
Narſes. 

„Ich bedarf eurer nicht mehr als Ankläger. 

Cethegus iſt gerichtet: das Urtheil vollſtrecken wird — 
König Teja. 

Ihr aber, Rabenſchnäbel, ſollt nicht noch einhacken 
auf den todten Helden.“ 

„Und Kaiſer Juſtinians Befſehl? frug hartnäckig 
Scävola. 

„Todte Männer kann auch Juſtinianus nicht blenden 
und kreuzigen laſſen. Wenn Cethegus Cäſarius gefallen, 
kann ich ihn nicht wieder aufwecken, für des Kaiſers Grau⸗ 
amkeit. Von ſeinem Gold aber, Albinus, erhältſt du keinen 
Solidus: und du, Scävola, von ſeinem Blute keinen 
Tropfen. Sein Gold iſt dem Kaiſer, ſein Blut den 
Gothen, ſein Name der Unſterblichkeit verfallen.“ 


458 





„Den Tod vee Helden gönnſt du diefem Böſewicht?“ 
frug grollend jest Anicius. 

oa, Sohn ves Boẽthius: denn er hat ihn verdient. 

Du aber haſt ein tüchtig Necht anf Race an ihm: 
— du wirft dem Gefallenen das Haupt abſchlagen und 
nad) Byzanz vem Raifer bringen! 

Hort ihr vie Tuba? vas Gefedt begann!“ 





461 





fleine Harfe in den linten Arm und fang mit leifer, 
verhaliner Stimme: 


„Vom fernften Nord bis vor Byzanz, 
Bis Rom — weld’ Sieges-Wallen ! 

Der Gothen Stern ftieg auf in Glanz: — 
Sn Glanz and) foll er fallen. 


Die Schwerter hod, um legten Ruhm 
Mit legter Kraft gu werben: — 
Fahrwohl, ou ftoljes Heldenthum: — 

Auf, Gothen, — laßt uns ſterben!“ 


Und mit fraftigem Schlag zerſchmetterte er die im 
Love nod) hellaufflingende Harfe an vem Fels gu feiner 
Linfen. 

„Nun, UWdalgoth, leh wohl! Hatt’ ic) die Refte 
meines Volles retten können! 

Nicht hier! Aber mit freiem Abzug gen Morden! 

Es follte nidt fein. Narſes würd's kaum gewähren. 
Und die letzten Gothen bitten nicht. Zum Tod!“ 

Und die mächtige Streitart an lanzengleichem Schaft 
erhebend, die gefürchtete Waffe, trat er an die Spitze des 
Keils. 

Hinter ihm Aligern, ſein Vetter, und der alte Hilde⸗ 
brand. 

Hinter dieſen Herzog Guntharis von Tuscien, der 
Wölſung, Graf Grippa von Ravenna und Graf Wiſand 
von Volſinii, der Bandalarius. 

Hinter dieſen Wiſand's Bruder: Ragnaris von Taren⸗ 
tum, und vier Grafen, deſſen Geſippen. 

@ 


460 


feit die römiſchen Legionen feit den Tagen der Rimbern 
und Teutonen, des Artovift und ves Armin erprobt. 

Die natürliche Befchaffenheit des legten Schlachtfeldes 
ver Gothen wies von felbft auf die alte, vow Odhin 
gelehrte Schlachtordnung jum Angriff ans dem Engpaß: 
ven Keil. 

Die tiefen, dichten Cofonnen ter Byzantiner ftanten 
nun, wohl geglicrert, ftaffelfarmig von tem Meeresufer 
an bis auf Speerwurfweite vor ves Paffes Mündung 
hintereinander aufgeſtellt: — ein prachtvoll ſchöner, aber 
furchtbarer Anblick. 

Die Sonne glänzte auf ihren Waffen, indeß die 
Gothen im Schatten der Felſen ſtanden: weit über die 
Lanzen und Feldzeichen der Feinde hinweg blickten die 
Geimanen bis in das lachende, ſchimmervolle Meer, 
weldes in wonnigem Lidjt-Blan ftrablte. 

König Teja ftand neben UAvalgoth, ver vas Banner 
Theoderidhs trug, in der Mündung des Paffes. 

Der Dichter regte fic) in vem Heldenkönig. 

„Sieh bin,” fprad er gu feinem Liebling, ,wo finnter 
wir ſchöner fterben ? 

Night im Himmel der Chriſten, nist in Meiſter 
Hildbebrands Asgard over Breidabli€ fann es ſchöner 
ſein. 

Auf, Adalgoth, laß uns hier ſterben, unſres Bolles 
und dieſer ſchönen Todesſtätte werth.“ 

Und er warf den Purpurmantel zurück, welchen er 
über der ſchwarzen Stahl rüſtung getragen, nahm die 


a 





461 





fleine Harfe in den linken Arm und fang mit leifer, 
verhaltner Stimme: 


„Vom fernften Nord bis vor Byzanz, 
Bis Rom — weld’ Sieges-Wallen ! 
Der Gothen Stern ftieg anf in Glanz: — 
Sn Glanz auch foll er fallen. 


Die Schwerter hod, um lesten Ruhm 
Mit letzter Kraft gu werben: — 
Fahrwohl, du ftoles Heldenthum: — 

Auf, Gothen, — laßt uns flerben!” 


Und mit fraftigem Schlag zerſchmetterte er die in 
Love nod Hellaufflingende Harfe an vem Fels gu feiner 
Linfen. 

„Nun, Wdalgoth, leh wohl! Hatt’ ich die Refte 
meines Bolles retten können! 

Nicht hier! Aber mit freiem Abzug gen Morden! 

Es follte nidt fein. Narſes würd's kaum gemabren. 
Und die legten Gothen bitten nidt. Bum Ton!" 

Und die madtige Streitart an lanzengleichem Shaft 
erhebend, die gefiirdjtete Waffe, trat er an die Spite des 
Keils. 

Hinter ihm Aligern, ſein Vetter, und der alte Hilde⸗ 
brand. 

Hinter dieſen Herzog Guntharis von Tuscien, der 
Wölſung, Graf Grippa von Ravenna und Graf Wiſand 
von Volſinii, der Bandalarius. 

Hinter dieſen Wiſand's Bruder: Ragnaris von Taren⸗ 
tum, und vier Grafen, deſſen Geſippen. 

@ 


462 





Darauf in fteigenter Breite je feds, zehn Gothen. 

Den Schluß bildeten vidjte Haufen, je nad Zehn⸗ 
ſchaften geordnet. 

Wachis, neben Adalgoth in vem Engpaß haltend, 
gab, auf des Königs Wink, das Zeichen mit dem gothi⸗ 
ſchen Heerhorn. 

Und nun brad die Sturm⸗Schar ausfallend aus der 
Schlucht. 

Auf der nächſten breiteren Stelle vor dem Paß 
hielten die mit Johannes verbündeten Helden: nur Alboin, 
Giſulf und Cethegus fehlten noch. 

Hinter jenen zehn Führern ſtanden zunächſt Lango⸗ 
barden und Heruler, welche ſofort einen Hagel von Speeren 
und Pfeilen auf die vorbrechenden Gothen ſchleuderten. 

Zuerſt ſprang gegen den König, welchen die Zacken⸗ 
krone auf dem ſchwarzen, geſchloſſnen Helm kenntlich 
machte, Althias der Armenier. 

Sofort fiel er mit zerſpaltnem Haupt. 

Der zweite war der Heruler Rodulf: er rannte den 
Speer mit beiden Händen, links gefällt, wider Teja. 

Dieſer fing den Stoß unerſchüttert mit dem ſchmalen 
Schild und ſtieß dem von dem Anprall Zurücktaumeln⸗ 
pen die lanzengleiche Spitze ves Schlachtbeils in den Leib. 

She ex die Waffe aus dem Gefdupp ves Waffen: 
rods reifen fonnte, waren gugleid) Guartua, des gee 
jadnen Herulers Meffe, ver Perfer Kabades und der 
Bajuvare Garizo heran. 

Letzterm, dem kühnſten und nidften, ſtieß Teja ven 


/. 





463 





Schnabel ves Schildes vor die Bruft, dag er über dex 
ſchmalen, glatten avafteig zur Rechten hinab ſtürzte. 
Jetzt hilf, o heil'ge Waldfrau von Neapolis!“ betete 
der Lange, dieweil er flog, ,,die Du mir durch all’ dieſe 
Rriegsjabre geholfen“: und wenig geſchädigt fam Miriams 
Bewundrer unten an, nur fdwer betäubt vom Fall. 

Dem Heruler SGuartua, ver das Schwert Aber Teja’s 
Haupt ſchwang, fdlug UWligern, bingufpringend, den Arm 
fammt dem Schwerte glatt vom Rumpf. Er ſchrie 
und fiel. 

Dem Perfer Rabades, welder ven frummen Sabet 
von unten fdjligend gegen des Königs Weichen hob, 
zerſchlug der alte Hildebrand mit der Steinart Vifir, 
Antlig und Gebirn. 

Teja, feiner Streitaxt wieder mächtig und der näch⸗ 
ften Ungreifer ledig, fprang nun felbft gum Anfturm 
vor. . 

Er warf die Streitart im Schwung gegen einen im 
Eberhelm (Helm mit Haupt und Hauern des Wildebers) 
beranfdreitenden Feind: Cpurulf der Alamanne. war's; 

ev ſtürzte ritdlings. 

Ueber ihn beugte fid Badomar, fein Gefippe, und 
wollte des Gothen-Rinigs ſchreckliche Waffe an fic) reifen : 
aber int Glug war Leja zur Stelle, dad kurze Schwert in 
ver Rechten: hod bligte es und Vadomar fief todt auf 
feinen todten Freund. 

Ga rannten jugleid) vie beiden Franken Chlotachar 
und Bertdhramn, die Francisca, eine Tejas Streitbeil 
aͤhnliche Waffe, ſchwingend, hergu: beide Wexte ſauſten zu⸗ 


464 


gleid): die eine fing Leja mit dem Schild anf: vie zweite, 
vie hod) im Bogen, fein Haupt bedrohend, beranflog, 
parirte er mit dem eignen Veil: und rafd ftand er zwi⸗ 
{chen den beiden Feinden, ſchwang vie Art im reife 
furdthar um feinen Helm und auf Einen Schwung 
fanten beide Franken nad links und rechts mit serfpellten 
Sturmbauben. 

Da traf fanfend ves Königs Schild ein Speer aus 
nddfter Nabe: er durdbobrte den Stahl⸗Rand uud 
ftreifte leicht Den Arm: während Leja ſich gegen diefen 
Feind wandte — der Burgunde Gundobad war's — lief 
ihn von hinten der Gepide Ardarid mit bent Schwerte 
an und fdlug ihm einen fdweren Streid auf dad Helm⸗ 
dad: im Augenblid aber fiel Ardaridy von Herzog Gun⸗ 
tharis’ Wurffpeer durchbohrt: und den Burgunden Gun⸗ 
dobad, welder fich grimmig webrte, drückte der König mit 
vem Schild erft auf's Rniee: ex verlor den Helm und 
Teja ſtieß thm den Schildſtachel in die Keble. 

Wher fchon ftanden Faulantius, der Illyrier, und 
Autharis, der Langobarde, vor ihm: mit fdwerer Renle 
aus der Wurzel der Steineidhe ſchmetterte der Illyrier auf 
des Königs Schild und fdlug ein Stück ves untern 
Stablrands heraus: gleideitig traf, didjt über dieſem 
Sprung, des Langobarden Lanzenwurf den Schild und 
rig ven Beſchlag um den Schildnabel hinweg, ſchwer in 
Dem Schilde haftend mit langem Widerhaten und ihn 
nad unten 3errend. 

Und Taulantius Hob fdon die Stenle gegen ded 
Königs Vifir. 





465 


Da entſchloß fic Veja kurz: den halbzertrümmerten 
Schild opfernd, ſchmetterte er diefen mit dem Stadel 
in des Illyriers vifirlofes Antlitz, den Schild fahren 
laſſend: und faſt gleichzeitig ſtieß er dem anſtürmenden 
Autharis, des Schlachtbeiles Spitze durch den Ringpanzer 
in die Bruſt. 

Aber nun ſtand der König ohne Schild: und die 
feindlichen Fernkämpfer verdoppelten ihre Speere und Pfeile. 

Mit Beil und Schwert nur wehrte Teja den von 
allen Seiten dicht heranſauſenden Geſchoſſen. 

Und ein Hornruf von dem Paß her mahnte ihn, 
umzuſchauen. 

Da ſah er den größten Theil der von ihm aus 
der Schlucht geführten Krieger gefallen: die Ferngeſchoſſe, 
vie zahlloſen, batten fie niedergeftredt: und ſchon hatte 
fie, von der Linfen einfdwenfend, eine ftarfe Schar Lango- 
barben, Perſer und Armenier von der Flanke erfagt und 
un Nahekampf erreicht: von rechts aber fab der König 
eine Golonne von Lhrafiern, Makedonen und Franken 
mit gefallten Gpeeren auf die Wadter am Engpaß an- 
Dringen, wabrend eine dritte Abtheilung: Gepiden, Wla- 
mannen, Sfaurier und Illyrier ihn felbft und das 
ſchwache, nod inter ihm haltende Hauflein von dem 
Rückweg nad) dent Engpaß abjutrennen verfuchte. 

Scharf blidte Leja nad dem Engpaß: da verſchwand 
für einen Wugenblid das Banner Theoderichs: es ſchien 
gefallen. 

Dies entſchied des Königs Entſchluß. 


„Zurück, zum Paß! Rettet Theoderichs Panier!“ ſo 
Tahn, Cin Kampf um Rom. IV. 30 


466 





rief er den hinter ihm Kämpfenden zu und ſtürmte zurück, 
indem er die ihn umgarnente Sdaar durdbreden wollte. 

Aber viefer war e8 grimmiger Ernſt: denn Johannes 
führte die Iſaurier. 

Auf ten König!“ ſchrie er. „Laßt thn nicht durch, 
laßt ihn nicht zurück. Speere! Werft!“ 

Nun war Aligern heran: 

„Nimm raſch meinen Schild.“ 

Teja ergriff ren dargebotnen Büffelſchidd —: in 
dieſem Augenblick flog des Johannes Wurflanze und 
hätte des Königs Viſir durchbohrt, hob dieſer nicht gerade 
noch den neugewonnenen Schild. 

„Zurück zum Paß!“ rief Teja nodmal. und rannte 
mit ſolcher Gewalt gegen den anſtürmenden Johannes, 
daß dieſer rücklings niederſtürzte: die zwei nächſten Iſaurier 
erſchlug der König. 

Und nun eilten Teja, Aligern, Guntharis, Hilde⸗ 
brand, Grippa, Wiſand und Ragnaris ſchleunig gegen 
den Paß. 

Aber hier tobte bereits der Kampf. 

Alboin und Giſulf hatten hier geſtürmt und ein 
ſchwerer, ſpitzer Lavablock, von Alboin mit zwei Händen 
geſchleudert, hatte Adalgoth auf den Schenkel getroffen 
und für einen Augenblick in's Knie geſtürzt. 

Dod) ſchon hatte Wachis vas ſinkende Banner Theo⸗ 
derichs ergriffen und Adalgoth ſelbſt, fic aufraffend, den 
eindringenden Langobardenfürſten mit dem Schildſtachel 
aus dem Engpaß geſtoßen. 

Des Königs und ſeiner umgebenden Helden plötz⸗ 


467 


liche Rückkehr machte den Bedrängten Luft: haufenweis 
fielen die Langobarden vor den unerwarteten Angreifern 
im Rücken: mit Gefdret braden zugleich vie Wächter 
des Paſſes hervor und raſch fprangen und liefen die 
Yangobarden, ihre Führer mit fortreißend, über die Lava⸗ 
flippen binab. 

Aber nicht weit famen fie. 

Da nahm fie der Sfaurier und Illyrier, der Gepiden 
und Alamannen ftarfer Sdladthanfe, geführt von Jo⸗ 
Hannes, auf. 

Diefer hatte, zähneknirſchend, fich erhoben, den Helm 
zurecht gefdhoben und war fofort, Kehrt commanbdirend, 
gegen den Pak geriidt, melden Leja nun erreidt. 

„Vorwärts,“ befahl er, ,bieher zu mir, Afboin, Gi- 
fulf, Vitalianus, Zenon, dranf! laft ſehn, ob diefer 
König denn wirklich gan, unſterblich iſt.“ 

Teja hatte nun wieder ſeine alte Vorkämpferſtellung, 
an der Mündung des Paſſes, eingenommen und lehnte, 
ſich verkühlend, auf ſeinem Beil⸗Schaft. 

„Nun, Barbarenkönig, geht's zum Ende. Biſt du 
wieder in dein Schneckenhaus gekrochen? Komm heraus 
oder ich ſchlag' dir ein Loch in's Haus! Komm heraus, 
wenn du ein Mann biſt!“ So rief Johannes und wog 
den Wurfſpeer. 

„Gebt mir drei Speere!“ ſprach Teja und reichte 
Schild und Art vem verwundet neben ibm ſtehenden 
Adalgoth. „So! nun, ſowie er gefallen, folgt mir.“ 

Und ohne Schild trat er einen Schritt in's Freie, 
in jeder Hand Speere. 

30* 


468 


»Willfommen im Freien! Und im Tove!” rief Se: 
Hannes und warf. 

Meifterhaft war fein Wurf gegielt, ſcharf auf dea 
Königs Helu-Vijir. 

Uber Teja bog den Kopf yur Rechten wand an dev 
Felswand fplitterte vie kräftig gefdlenderte Eſchenlanze. 

Sowie Teja mit ver Rechten nun feinen erften Speer 
entfandte, warf fid) Johannes auf das Antlitz: ber Speer 
traf und tödtete Benon hinter thm. 

Rafd war Bohannes wieder auf den Füßen und 
ſchoß, wie der Blig, auf den König los: den zweiten 
Speer, welden des Königs Redjte entfandte, fing er mit 
dem Schild. 

Aber Teja hatte diesmal augenblidlid, nad dem 
Wurf aus ver Rechten, aud) aus der gleid) geiibten Lins 
fen eine Lange gefdleudert: und diefe, von dem Anren⸗ 
nenden nidt bemerft, durdbobrte den Schuppenpanzer 
und die Bruft des tapfern Mannes, im Rücken hervor: 
dringend. 

Er fiel. 

Da faßte ſeine Iſaurier und Illyrier Entſetzen — 
denn er galt nach Beliſar für den erſten Helden von 
Byzanz. 

Sie ſchrieen laut auf, wandten ven Rücken und 
flohen, in wilden Sätzen, ordnungslos, den Berg herab 
ſpringend, verfolgt von Teja und ſeinen Helden. 

Einen Augenblick hielten noch die wieder geſammelten 
Langobarren. 


469 





„Komm, Sifulf — beiß vie Zähne zuſammen — 
beſtehn wir dieſen König des Todes,“ rief Alboin. 

— Aber da ſtand ſchon Teja — hoch blitzte ſein 
ſchreckliches Beil: — zwiſchen ihnen: durch den Ringe 
panzer tief in die rechte Schulter gehaun ſtürzte Alboin 
und gleich darauf Giſulf mit zerſchmettertem Helm. 

Da war kein Halten mehr: Langobarden, Gepiden, 
Alamannen, Heruler, Iſaurier, Illyrier jagten, in blinder 
Flucht entſchart, den Berg hinab. 

Jauchzend verfolgten Teja's Genoſſen: Teja ſelbſt hielt 
an dem Paß: er ließ ſich nur von Wachis Speere 
reichen und, hoch über die gothiſchen Verfolger hinweg, im 
Bogenflug zielend, traf er Wurf auf Wurf und töodtete, 
was er erreichte: es waren des Kaiſers beſte Truppen: 
ſie riſſen die nachrückenden Makedonen, Thrakier, Perſer, 
Armenier und Franken mit fort: bis an des Narſes 
Seite flutheten die Verſprengten: beſorgt hob ſich dieſer 
aus ſeiner Sänfte. 

„Johannes gefallen!“ 

„Alboin ſchwer wund,“ riefen ſie, an ihm vorüber 
eilend. 

‚„Flieht! zurück in's Lager!“ 

„Eine Angriffsſturmſäule muß nen —“ ſprach Narſes, 
„ha ſieh —: da kommt Cethegus: zur rechten Zeit!“ 

Und er war's. 

Vollendet hatte er den langen Umritt bei allen 
Scharen, welchen Narſes Römer und Stalier zugetheilt, 
gegliedert hatte er fie in fünf Haufen vou je dreihundert 


470 





Mann: nun fdritt er an ihrer Spite, der zum Angriff 
@eordneten, rubig voran. 

Anicius folgte von ferne: Syphax ging, zwei Speere 
tragend, hart inter feinem Herrn. 

Die flüchtenden Geſchlagnen in ihren Zwiſchen⸗ 
Raumen hindurdy fluthen laffend ritdten die Stalier vor: 
bie Mteiften alte Legionare aus Rom und Ravenna, Gethe- 
gus treu ergeben. 

Die gothifden Verfolger ftugten, als fie anf dtefe 
frifde, itbermadtige und wohl geordnete Sturmſchar 
ftiefen und widen langſam gegen den Engpaß juriid. 

Uber Cethegus folgte. 

Ueber die blutige, fleichenbededte Stelle, wo Teja 
zuerft den Bund der Zwölf vernidtet, über den weiter 
oben gelegnen Rampfplag, wo Sohannes gefallen war, 
ging er in gleidmiapigem, rubigem Schritt binweg, 
Schild und Speer in der Linken, das Sdwert in der 
Rechten: hinter ihm, die Lanzen gefallt, vie Legionare. 

Schweigend, ohne Feldruf, ohne Tubatine rückten 
lie den Berg entpor. 

Die gothifden Helden wollten nicht hinter ihren 
Konig in den Pag weiden. 

Cie hielten vor der Mündung. 

Guntharis war der Erfte, ven Cethegus erreidte. 

Des Herjzogs Wurffpiek fplitterte an feinem Schild: 
und gleid) darauf ſtieß ihm Gethegus ren Speer in rie 
Weiden: in ver Wunde brad der tödtliche Schaft. 

Graf Grippa von Ravenna wollte den Wölſungen 
raden: er fdwang, weit ausholend, das lange Schwert 





471 





liber vem Haupt: aber Cethegus unterlief den Hieb und 
ftieR dem alten Gefolgsmann Theoveridhs vad breite 
Rimer «Schwert in die rechte Schulterhöhle —: er fiel 
und ftarb. 

Bornig fdritt Wifand, der Bandalarinus, gegen Cethes 
gus heran: die Klingen kreuzten fic: Funken ftoben aus 
den Schwertern und den Helmen: da parirte geſchickt 
Gethegus einen allzu ungefiigen Hieb und ehe der Gothe 
fic) wieder gebedt, ftieR ex ihm das Schwert in den 
Schenkel, dak vas Blut hodauf fpriste. 

Wifand wankte —: gwet Vettern trugen den Bers 
wundeten davon. 

Sein Bruder, Ragnaris von Tarent, lief Cethegus von 
der Seite an: aber den ſehr wohlgezielten Speerſtoß riß 
Syphar, hinzuſpringend, in die Höhe: und ehe Ragnaris 
den Speerſchaft losgelaſſen und das Handbeil aus dem 
Gürtel geriſſen, ſtieß ihm Cethegus das Schwert zwiſchen 
den Augen in die Stirn. 

Erſchrocken wichen die Gothen vor dem Engpaß dem 
ſchrecklichen Römer aus und drängten ſich, neben ihrem 
König vorbei, in die deckende Schlucht. 

Nur Aligern, Teja's Vetter, wollte nicht weichen: 
er warf den Speer ſo ſtark auf des Cethegus Schild, 
daß er dieſen durchbohrte: aber Cethegus ließ den Schild 
ſinken und fing den Wild⸗Anrennenden mit dem Schwert 
ab: in die Bruſt geſtoßen fiel Aligern in des alten Hilde⸗ 
brand Urme, der, feinen fdweren Steinbammer fallen 
lajfend, mit Mühe ven Verwuundeten an Teja vorbei in 
ren Engpaß tragen wollte. , 


472 





Zwar aud Aligern hatte gut getroffen: ſtark blutete 
des Gethegus Schild⸗Arm. 

Doch er achtete es nicht: nachdringend wollte er 
beide Gothen, Hildebrand und Aligern, tödten: da erſah 
Adalgoth den verhaßten Verderber ſeines Vaters. 

arid)! Alarich!“ rief ex mit heller Stimme: und 
vorſpringend raffte er des alten Waffenmeiſters ſchwere 
Steinaxt vom Boren auf: ‚Alarich,“ rief er nochmal. 

Cethegus horchte hoch auf bei dieſem Namen. 

Da ſauſte die Steinart, ſcharf gezielt, heran und ſchlug 
ſchmetternd auf ſeinen ſtolz geſchweiften Helm: betäubt 
fant Cethegus um: Syphar ſprang hinzu, faßte thn mit 
beiden Armen und riß ihn rückwärts aus dem Gefecht. 

Aber vie Legionare widen nicht: fle konnten nicht 
weichen: hinter ihnen drängten, von Narſes nachgeſchickt. 
zwei tauſend Perſer und Thrakier empor. 

„Wurfſpeere herbei,“ befahl ihr Führer Aniabedes. 

einen Nahekampf! 

Mit Wurffpeeren überſchüttet ren König, bis er fällt. 

So hat Narſes geboten!“ 

Und gerne gehorchten die Truppen dem Gebot, das 
ihr Blut zu ſparen verhieß. 

Gin fo furchtbarer Hagel von Geſchoſſen ſchlug als⸗ 
bald wider die ſchmale Miindung der Schlucht, daß fein 
(othe mehr beraus und vor den König yu treten vers 
vermochte. 

Und nun vertheidigte Teja, den Engpaß mit ſeinem 
Leib und ſeinem Schilde deckend, geraume, ſehr geraume 
Zeit, ganz allein, fein Gothen-Volk. 





473 


Bewunderungsvell hat uns Profop, nad) der Augen⸗ 
zeugen Beridt, dieſen legten Kampf ves Teja gefdildert. 


„Nun hab’ id) das Gefedt zu ſchildern, das höchſt 
denkwürdige, und eines Mannes Heldenthum, das hinter 
keinem derer, die man Heroen nennt, zurück ſteht —: 
des Teja. Er ſtand, Allen ſichtbar, mit dem Schilde 
gedeckt, den Speer zückend, vor der Schlachtreihe der 
Seinen. Alle tapferſten Römer, deren Zahl groß war, 
ſtürmten nur gegen ihn an: denn mit ſeinem Fall, 
meinten fie, fet ver Kampf zu Ende. Alle ſchleuderten 
und ſtießen auf ihn die Lanzen: er aber fing die Lanzen 
ſämmtlich auf mit ſeinem Schild: und er tödtete in 
plötzlichem Anſprung Einen nad) dem Andern, Uns 
zählige. Und wenn der Schild ſo ſchwer von Geſchoſſen 
ſtarrte, daß er ihn nicht mehr halten konnte, winkte 
er dem Schildträger, der ihm einen neuen reichte: ſo 
ſtand er, nicht ſich wendend und etwa auf den Rücken 
den Schild werfend und weichend: ſondern feſt, wie in 
die Erde gemauert, ſtand er: dem Feinde mit der Rechten 
Top bereitend, mit der Linken von ſich den Tod ab⸗ 
wehrend, und immer dem Waffentrager nad) neuen 
Silden und neuen Speeren rufend.“ 


Wachis und Adalgoth waren e8, welde — aus dem 
Königshort waren Sdhilde und Speere haufenwets heran⸗ 
geſchleppt worden — ihm immer neue Waffen reidten. 


Endlich fant ven Römern, Perfern und Chrafiern 
Der Muth, als fie alle ihre Anftvengungen an dem 
lebendigen Sdild der Gothen fcheitern und jeden Vorderften. 


474 


Rithnften ver Fhrigen, von dem Speer des Königs erreidt, 
fallen ſahen. . 

Sie wanften —: Die Stalier riefen ängſtlich nad 
Cethegus —: fie flohen. 

Da fubr Cethegus aus feiner fangen Betäubung auf. 

„Sypharx, einen frifden Speer! 

Halt,“ rief er, ,ftebt, thr Rsmer! Roma, Roma 
eterna !" 

Und hod ſich anfridtend fdjritt er gegen Leja heran. 

Die Römer erfannten feine Stimme. 

»Roma! Roma eterna !« antworteten fie und ftanten. 

Aber aud) Leja hatte dieſe Stimme erfannt. 

Bon zwölf Lanzen ftarrte fen Schild — er fonnte 
ihn nicht mebr alten: aber da er den Heranſchreitenden 
erfannte, dachte er nidjt mehr des Schildwechſels. 

„Keinen Shilo! Mein Schlachtbeil! Raſch!“ 
rief er. 

Und Wachis reichte ihm die Lieblingswaffe. 

Da ließ König Teja ven Schild fallen unr fprang, 
das Schlachtbeil ſchwingend, aus dem Engpaß auf 
Cethegus. 

„Stirb, Römer!“ rief er. 

Scharf bohrten die beiden großen Feinde noch einmal 
Aug' in Auge. 

Dann ſauſten Speer und Beil durch die Luft — 
denn keiner dachte der Abwehr. 

Und beide fielen. 

Teja's Beil drang mit der Speerſpitze durch Schild 
und Harniſch in des Cethegus linke Bruſt. 


475 





»Roma! Roma eterna!« rief er nod einmal. 

Dann fant er todt juriid. — 

Gein Speer hatte ven König m die redjte Bruft 
getroffen: nicht todt, aber fterbendwund, trugen ihn 
Wadis und Avalgoth in den Pak. 

Und fie batten Eile damit. 

Denn als fie endlid) den König ver Gothen fallen 
gefehen —: acht Stunden hatte er ununterbroden ges 
fampft und e8 neigte gum Abend —: da rannten alle 
Stalier, Perfer, Thrakier und, von unten auffteigend, 
nene Schlachthaufen gegen den Engpaß, melden nun 
Adalgoth mit dem Schilde vedte: Hildebrand und Wachis 
ftanden binter ihm. 

Des Gethegus Leiche hatte Syphay mit beiden Armen 
umfdlungen und feitwarts aus dem Getiimmel getragen. 

Laut auffdludsend bhielt er das edle Haupt, im 
Tove von hehrer Majeſtät faft über Menſchen⸗Maß 
hinaus verklärt, auf den Knieen. 

Vor ihm, gegen den Engpaß hin tobte der Kampf. 

Da bemerkte der Maure, daß Anicius, gefolgt von 
einer Byzantiner⸗Schar, — auch Scävola und Albinus 
erkannte er darunter, — ſich ihm, gebieteriſch deutend, 
näherte. 

„Halt,“ rief er aufſpringend, was wollt ihr?“ 

„Das Haupt des Präfecten, dem Kaiſer zu Pringen,” 
ſprach Wnicius. 

„Gehorche, Sklave!“ 

Uber Syphax ſtieß einen gellenden Schrei aus —: 
fein Wurffpeer flog und Anicius fel. 


476 


Lind pfeilſchnell, ebe die Undern, mit dem Sterbenden 
beſchäftigt, näher gefommen waren, hatte Syphar rie 
thenre Laft auf den Rücken gehoben und rannte damit, 
rafd wie ver Wind ungangbare Pfade, die faft ſenk⸗ 
redjten Lavallippen hinauf, neben dent Engpaß, eine 
Wand empor, welde Gothen und Byzantiner bisher 
als unerſteiglich betradtet. 

Syphar klomm raſch und raſcher hinauf. 

Sein Richtpunct war die kleine Rauchſäule, welche 
hart jenſeit der Lava⸗Wand emporſtieg. 

Denn dicht jenſeit der Felsklippe gähnte einer der 
kleinen Krater⸗-Riſſe ves Veſuvs. 

Einen Augenblick noch hielt Syphax inne auf dem Grat 
des ſchwarzen Felſens: auf beiden ſtarken Armen hob 
er des Cethegus Leiche noch einmal wagrecht in die 
Höhe, der ſinkenden Sonne die ſtolze Geſtalt zeigend. 

Und plötzlich waren Herr und Sklave verſchwunden. 

Der Feuerberg hatte mit Syphax, dem treuen, den 
todten Cethegus, ſeine Größe und ſeine Schuld in dem 
brennenden Schoſe begraben. 

Er war entrückt dem kleinen Haß ſeiner Feinde. 

Seävola und Albinus, welche ren Vorgang mit an⸗ 
geſehn, eilten zu Narſes und forderten, man ſolle an bem 
Krater nach der Leiche forſchen. 

Narſes aber ſprach: 

„Gönnt dem Gewalt'gen ſein gewaltig Grab. Er 
hat's verdient. 

Mit Lebenden und nicht mit Todten kämpf' id.“ 

Aber im gleichen Augenblick faſt verſtummte auch 





477 


ver laute flirrende Kampf um den Engpaß, an weldem 
Adalgoth, nicht unwiirdig feines königlichen Harfen- und 
Speermeifters Teja, dem Anfturm ver Feinde helden— 
miithig und todesfithn webrte. 

Denn wahrend, inter Avalgoth ftehend, Hilde- 
brand und Wachis pliglich riefen: „Seht auf vas Meer! 
Das Meer! Die Dradenfdiffe! Die Mordlandbhelden! 
Harald! Harald!" — mabnten von unten, von der 
Ganfte des Narſes her, feierlidje Tubatöne zur Ein— 
ftellung des Kampfes, zur Waffenruhe —: ſehr freuvig 
fenften die fampjesmitden Byzantiner vie Schwerter. 

König Teja aber, der auf feinem Schilde lag — 
ven Speer ves Cethegus herausguziehen, hatte Hildebrand 
verboten — ,denn mit feinem Blute fließt fein Leben 
hin’ — frug mit leifer Stimme : 

„Was hör' id) da rufen? Die Nordlandhelren? 
Shre Sdiffe? Harald ift da?“ 

oa: Harald und Crrettung fiir den Reft ves 
Volkes, fiir uns und: — fiir die Frau'n, die. Kinder“ 
— jubelte Avalgoth, an fener Seite kniernd. „So war 
e8 nidt umfonft, du ewig theurer Held, dein unver- 
gleichlich Heldenthum, dein ftundenlanges Ausharren über 
Menſchenkraft! — Baſiliskos kam ſo eben als Geſandter 
Des Narſes —: Harald hat die „joniſche Flotte“ des 
Kaifers vernidtet im Hafen von Brundufium: er drobt 
mit Landung, mit neuem Angriff den müden Byzantinern: 
ex fordert, was von uns mod) lebt, davon gu fiihren, 
mit Wehr und Waffen und Gerath, im die Freibeit, 
nad) Thuleland. Narſes hat eingewilligt: er ebre, fagt 


478 


er, König Teja's hohes Heltenthum an ſeines Bolfes 
Meften. Dürfen wir? o diirfen wir, mein König?“ 

oa," fpradg Teja mit brechenden Augen. Ihr 
dürft und follt. Fret, gerettet unſres Volkes Refte! — 
vie Frauen, vie Kinder — Heil mir! — nidt in den 
Veſuv! Ba, führt nad) Chuleland alle nod Lebenden: 
— unt nehmt aud mit die beiden Todten: den Konig 
Sheorertdh und —" 

Und König Leja!" fprach Adalgoth und küßte des 
Todten Mund. 


Sechzehntes Caypitel. 


Und fo war's gefdefen und alfo geſchah's. 

Schon gleich nachdem Narſes ſein Zelt verlaſſen, ward 
ihm ein Fiſcher zugeführt, der, auf kleinem, ſchnellem 
Fahrzeug ſoeben um die Landzunge von Surrentum ge— 
ſegelt, verſicherte, eine ungeheure Kriegsflotte der Gothen 
ſei im vollen Anſegeln begriffen. 

Narſes lachte dazu: denn er wußte, daß auf allen 
Meeren kein Gothenkiel mehr ſchwamm. 

Näher befragt mußte der Fiſcher geſtehn, die Flotte 
allerdings nicht ſelbſt geſehn zu haben: Kaufleute hätten 
ihm davon erzählt und von einer großen Seeſchlacht, in 
welder vie Gothen bet Brunduſium die „joniſche Flotte“ 
des Raiſers vernichtet. 

Das war nun unmöglich, wie Narſes wohl wußte. 
Und nachdem der Fiſcher das Anſehn der angeblichen 
Gothenſchiffe, nach Mittheilung ſeiner Gewährsmänner, 
geſchildert, rief der Feldherr: 

„Nun, endlich kommen ſie! Triremen und Galeeren: 
das ſind ja unſere Schiffe, welche alſo in Sicht ſind, 
nicht gothiſche.“ 


480 


An die Wikingerflotte, welche feit vier Monden vers 
fhollen war und al8 nad Norden yugelehrt galt, dachte 
niemand. 

Wenige Stunden darauf, während der Kampf um 
ven Eng-Paß, alle Aufmerkſamkeit feſſelnd, tobte, ward 
Narſes von den Küſtenwächtern wirklich die Annäherung 
einer ſehr großen kaiſerlichen Flotte gemeldet: deutlich 
habe man das Schiff ves Nauarchen, vie Sophia, er⸗ 
kannt: doch ſei die Zahl der Segel viel größer als man 
erwariet: auch die von Narſes entgegen geſchickten Schiffe, 
die zur Eile hatten mahnen ſollen, ſeien darunter: dieſe 
ſegelten in erſter Linie: der friſche Süd-⸗Oſtwind müſſe 
ſie bald auf die Höhe des Lagers führen. 

Und bald fonnte Narſes ſelbſt von ſeiner Ganfte 
aus auf vem Hügel ren pradtvollen Anblid der mit 
pollen Srge und von eifriger Ruderkraft herangetriebs 
nen Flotte gentefen. 

Beruhigt wandte er den Blic wieder den Kämpfen⸗ 
Den auf dent Vefuve zu —: als ploglid ans dem Lager 
Boten ihn erreidjten, welde furdtbar jene Gerüchte bes 
ftatigten oter vielmehr nod) Schlimmeres meldeten. 

Sie waren einer Geſandtſchaft voransgeeilt, melde, 
gerade als Gethegus gegen Teja zum legten Kampfe 
fcritt, bet des Narſes Ganfte anlangte: e8 waren, mit 
gebundnen Händen, vie Nauarchen der ,jonifden Flotte”, 
welde zugleich vie Botſchaft der vier fie gelettenden 
Nordmanner verdollmetfdten. 

Gie erzihlten tury, daß fie, im Hafen von Brundu⸗ 
fium, in ftiirmifder Nacht, von der fiir lingft verſchwun⸗ 


A481 





ven eradjteten Glotte dev Wikinger itberfallen und ihre 
Schiffe faft We genommen feten: entfommen, um gu 
warnen, fonnte nidjt Eines, da die Feinde den Hafen 
{perrten. 

Nachdem Jarl Harald den drohenden Untergang des 
am Veſuv jufammengedrangten Reftes ver Gothen er⸗ 
fahren, babe er gefdworen, deren Fall gu wenden oder zu 
theilen: und nun feien fie, die genommenen Griechenſchiffe 
vorausfdidend und hinter diefen ihre Drachen weislich 
bergend, auf ven Flügeln des Oftwinds herangebrauft. 

Und fo," ſchloß der Dolmetſch, „ſo ſpricht Harald der 
Wiking : 

„Entweder: ihr verftattet, dag alle nod) lebenden Go⸗ 
then, mit Waffen und Habe, auf unſern Schiffen abgiehn 
aug dem Siidland, mit un8 in die Heimath fehrend, 
wofür wir alle unfre Laufende von Gefangnen und alle 
genommenen Schiffe, welde wir nidjt gur Unterbringung 
ver Gothen braudjen, herausgeben. 

Ober: wir tödten fofort alle unfre Gefangnen, landen 
und faffen dein Lager und Heer im Rücken. 

Dann fiehe zu, wie viele von Cud, von den Gothen 
UND von uns, von Stirn und Ritden angegriffen, brig 
bleiben werden: denn wir Nordmänner kämpfen dann 
bid gum legten Mann: id) hab's gejdworen bet Odhin.“ 

Ohne Befinnen gewahrte Marfes den Abzug der 
Gothen. 

„Ich Habe nur gefdworen, fie aus dem Reich, nicht 
aus der Welt yu fchaffen. 


Wenig Ruhm bradte e8, den armen Reft folch’ edeln 
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 31 


482 


Bollsthums mit Uebermadht gu Tod gu wiirgen: id 
ebre diefed Teja Heldenthum: in vierzig Jahren des 
Krieges hab’ ich feinesgleidben nidt gefebn. 

Und durchaus nicht verlangt mid, gu erproben, mie 
mein tief erfchiittert Heer, das einen Lag des furdte 
barften Rampfes hinter fidj, faft alle feine Führer und 
bie tapferften Männer verloren hat, diefen Nordland⸗ 
tiefen, die frifd) an raft und Muth daher kommen, 
widerſtehn würde.“ 

Und ſo hatte denn Narſes ſofort Herolde auf die 
Schiffe Haralds und nach dem Engpaß geſchickt: der 
Kampf ward eingeſtellt: der Abzug der Gothen begann. 

In langer, vom Berge bis an das Meer reichender 
Doppelreihe bildete das Heer ves Narſes Spalier: die 
Wikinger hatten vierhundert Mann gelandet, welche an 
der Küſte die Heranſchreitenden in Empfang nahmen. 

Noch bevor jedoch der Zug begann, winkte Narſes 
Baſiliskos heran und ſprach: 

„Der Gothenkrieg iſt aus — der Edelhirſch erlegt: 
— jetzt fort mit den Wölfen, die ihn uns gehetzt: die 
Führer der Langobarden, wie ſteht's mit ihren Wunden?“ 

„Bevor ich antworte,“ ſprach Baſiliskos ehrerbietig, 
nimm bier den Lorberkranz, welchen dir dein Heer ges 
wunden hat: e8 ift Lorber vom Vefuvius, vom Paß da 
oben: Blut liegt auf den Bléttern.” 

Narſes ſchob ven Kranz zuerſt abwetfend mit ver 
Hand zurück, dann fprad er: ,gieb, 's ift gut." 

Uber er legte ihn neben ſich in die Sänfte. 

„Autharis, Warnfrid, Grimoald, Aripert, Agilulf und 


483 


Rotharis find todt: fie haben über ficbentaufend Dann 
verloren: Alboin und Gifulf liegen reglos, tief wund 
in ihren Relten.” 

Out! Sehr gut! Sowie die Gothen eingefdifft, läßt 
pu die Langobarden fofort abfithren: fie find entlaffen 
aus meinem Dienft und Alboin fagft vu gum Abſchied 
pon mir nur das Cine: 

tad) des Narſes Cod, vielleidht: aber ganz gewif 


nicht früher.“ 
„Ich aber bleibe hier in der Sänfte: ſtützt mich mit 
den Kiſſen —: ich kann nicht mehr ſtehn —: dies wun⸗ 


derbare Schauſpiel muß ich ſehn.“ 

Und wahrlich, ein wunderbares, ein erſchütternd 
großartiges Schauſpiel war es —: die letzten Gothen, 
die dem Veſuv und Italien den Rücken wandten und 
die geſchnäbelten Schiffe beſtiegen, welche ſie nach dem 
ſichern Norden bergend davon trugen. 

Feierlich und ernſt ſchollen die Rufe der gothiſchen 
Heerhörner aus der unbezwungenen, vom Feinde nicht 
betretenen Leja-Sdludt, in langen Panfen. 


Dajwifden erflang eintinig, ernft, ergreifend, aber S 
nicht weichlich, der Gefang der Männer, Frauen und © 


Kinder —: die alten Todtenlieder des Gothenvolfs. 

Hildebrand und Woalgoth — die legten Führer, die 
filbermetgRe Vergangenheit und die goldne Zukunft — 
hatten den Abzug geordnet. 

Voran ſchritt, in vollen Waffen, aufrecht, in trotzig 
ernſter Haltung, eine halbe Tauſendſchaft, geführt von 
Wiſand, dem Bandalarius, der, trotz ſeiner Wunde, 

31* 


* 


⸗ 


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fraftig aufgeridhtet, auf den Speer geſtützt, den Bug 
erdffmete. 

Darauf folgte, auf feinem letzten Schilde hinges 
firedt, ben Gpeer des Gethegus in der Bruft, ohne Helm, 
von den langen, ſchwarzen Loden dads edle, bleiche Angeſicht 
umrahmt, König Leja, bededt mit rothem Purpurmantel, 
von vier Kriegern getragen. 

Dinter ihm fdritten Adalgoth und Gotho. 

Adalgoth aber fang und fprad mit ernſter Stimme 
gu den leifen Klängen der Harfe in feinem linfen Arm: 


„Gebt Raum, ihr Volter, unfrem Schritt: 
Wir find die legten Gothen: 

Wir tragen feine Krone mit: — 
Wir tragen einen Todten. 


Mit Schild an Schild und Speer an Speer 
Wir zieh'n nad Nordlands Winren, 

Bis wir im fernften grauen Meer 
Die Inſel Thule finren. 


Das foll der Creue Infel fein, 
Dort gilt nod) Cid und Ehre: 

Dort fenten wir den Konig ein 
Sm Garg der Ciden-Speere. 


Wir fommen her — gebt Raum vem Sdritt — 
Aus Roma’s falfden Thoren: 

Wir tragen nur den König mit — — 
Die Krone ging verloren.” — 





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Als die Bahre an Narſes Sänfte gelangt war, ges 
hot diefer Halt und rief auf latemnifd mit lauter Stimme : 

„Mein ward der Sieg, — aber ihm ver Lorber. 

Da, nimm ihn bin! 

Ob fommende Gefdledter Größeres fdauen, ftebt 
dahin: heute aber, Konig Leja, grüß' id) did) Den größten 
Helden aller Zeiten!“ 

Und er fegte den Lorberkranz, den ihm fein fiegreid 
Heer gewunden, auf des Lodten bleiche Stirne nieder. 

Die Crager nahmen dte Bahre wieder auf: und lang: 
fam und feierltd), unter den Tönen ver Horner, der 
Todtengefange und von Adalgoths filberflingender Harfe, 
{djritten fie weiter an das Meer, das nun fdon pradts 
voll im Abendgolde glühte. 

Didt hinter Teja wurde ein hochragender Purpur⸗ 
thron getragen: auf dtefem rubte die hehre, fdjweigende 
Geftalt Dietrichs von Bern: den Kronhelm auf dem 
Haupt, den hohen Schild am linfen Arm, den Speer 
an Die rechte Schulter gelehnt: gu feiner Linfen ſchritt 
ber alte Hiltebrand, vas Auge unverwanvt auf feines 
Königs Leiche gerichtet, welche im Strahl der unters 
gehenden Gonne in vem Purpurmantel magifd gleigend 
glithte: hod) bielt ex dads ragende Amelungen - Banner 
mit Dem fteigenden Lowen über des groffen Todten 
Haupt: ver Abendwind des aufonifden Meeres rauſchte 
in den Falten ver gewaltigen Fahne: in Geifterfpraden 
fchien fie Abſchied zu nehmen von den italiſchen Lüften. 

Als pie Leiche an Narfes offner Sanfte vorüber ges 
tragen wurde — fprad) Narſes: 


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„Am Schauer erfenn’ ich e8, der mid durddringt — 
das ift der weife Rinig von Ravenna! Erſt ward ein 
Stärkerer — hier wird ein Griferer an uns vorbei 
getragen. 

Thun wir danach.“ 

Und mit Anftrengung erhob er fic) in feiner Sanfte 
und bengte verehrend vor dev Leide das Haupt. — 

Hierauf folgter, auf Tragbahren ober geſtützt oder 
aud) auf den Armen getragen, vie Verwundeten —: deren 
Bug erbffnete Wligern, welden Wachis und Liuta mit 
zwei Sriegern auf breitem Schilde trugen. 

Daran ſchloſſen fid) die Truhen und Laden, Riften und 
Körbe, in welden ver Königshort Theoderidhs und die bid 
dahin in der Wagenburg geborgne Fabrhabe der Einzel⸗ 
fippen, dem Bertrage gemäß, von dannen getragen wurde. 

Hierauf wogte der große Haufe ver Webhrunfabigen, 
der Frauen, Madden, Kinder und Greife —: die Knaben 
aber vom jehnten Sabre ab batten die ihnen anvertrauten 
Waffen nun und nimmer wieder abgeben wollen: und 
fie bilbeten eine befondere Schar. 

Narſes ladelte, als vie fleinen, blonden Helden fo 
trogig und zornig zu ihm empor blidten: ,Jtun," fagte 
ex, es ift dafür geforgt, daß des Kaiſers Nachfolger 
und ihre Feldherrn auch noch Arbeit finden.“ 

Den Schluß des ganzen Zuges bildete dann der Reſt 
des geſammten Vollsheers, nach Hundertſchaften gegliedert. 

Zahlreiche Bote vermittelten die Einſchiffung der Men⸗ 
ſchen und ihrer Habe auf den hochbordigen Drachen der 
Nordmänner. 


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Teja’s und Theoderichs Leidhe, vie Königsfahne und 
der Königshort wurden auf das Schiff Haralds und Harals 
da's gebradjt: ver große Dietrid) von Bern ward auf 
feinem Burpurthron an den Hauptmaft gelehnt und fein 
Lowen = Banner aufgezogen als Hod + Flagge; gu feinen 
Füßen bettete fid) der alte Hildebrand. 

Bor vem Steuer aber ward von Wdalgoth und 
Wiſand Konig Teja’s Leiche niedergelegt: trauervoll traten 
der gewaltige Harald und feine ſchöne Schweſter eran. 

Der Wiking legte die gepanjerte Hand auf ves Todten 
Bruft und fprad: 

„Nicht fonnt’ id) did) retten, todeskühner Schwarz⸗ 
könig, dich und dein Volk. 

So laß dich mit führen und den Reſt der Deinen 
nad) vem Land der Treue und Stärke, daraus ihr nies 
mals hättet ſcheiden follen. 

So bring id) denn dem König Frode body bas 
Gothenvolk zurück.“ 

Haralda aber ſprach: ich aber will mit seSeimen 
Kiinften des edlen Todten Leth verwahren, dak er dauern 
foll big wir landen auf der Heimath Küſte! 

Da wollen wir ihm und König Thivrefr das Hügel⸗ 
grab wölben nabe ver Gee, daß fie vie Brandung 
raufden hören mögen und Zwieſprach taufden unter 
einander. 

Denn dieſe beiden find einander werth. 

Sieh hin, mein Bruver —: am Strande fteht ges 
{dart ver Feinde Heer —: ebrerbietig fenfen fie die 
Fahnen —: und glithend fintt bie Gonne dort hinter 


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Mifenum und jenen Snfeln —: Purpur redt das Meer 
wie ein weiter Rinigsmantel —: Purpur fairbt unſre 


weigen Gegel und Gold ſchimmert auf allen Waffen —: 


fieh, wie der Südwind das Banner König Thivrefrs 
hebt —: nad Jorden weift der Wine, ber da der Götter 
Wille weiß —: auf, Bruder Harald, laß die Anker 
lichten ! 

Rite das Steuer, wende des Draden Bug! 

‘Auf, Freya's kluger Vogel, flieg, mein Falfe* und 
hod) warf fie den Falken in die Luft — ,weife den 
Weg — nad Norden! gen Chuleland! Heim bringen - 
wir die legten Gothen.“