Google
This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world’s books discoverable online.
It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual
personal, non-commercial purposes.
and we request that you use these files for
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web
ai[http: //books . google. com/|
Google
Uber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Biicher dieser Welt online verfiigbar gemacht werden sollen, sorgfiltig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht iiberdauert und kann nun 6ffentlich zuginglich gemacht werden. Ein 6ffentlich zugingliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch 6ffentlich zugiinglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Offentlich zugiingliche Biicher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen cin geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermégen dar, das hiufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — cine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit 6ffentlich zugingliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugiinglich zu machen. Offentlich zugiingliche Biicher geh6ren der Offentlichkeit, und wir sind nur ihre Hiiter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfiigung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschrinkungen fiir automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche fiir Endanwender konzipiert und méchten, dass Sie diese
Dateien nur fiir persénliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
iiber maschinelle Ubersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchfihren, in denen der Zugang zu Text in groBen Mengen
niitzlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fordern die Nutzung des 6ffentlich zuginglichen Materials fiir diese Zwecke und kénnen Ihnen
unter Umstinden helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material iiber Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalitét Unabhingig von Ihrem Verwendungszweck miissen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass cin Buch, das nach unserem Dafiirhalten fiir Nutzer in den USA
6ffentlich zuginglich ist, auch fiir Nutzer in anderen Landern 6ffentlich zuginglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir kénnen keine Beratung leisten, ob cine bestimmte Nutzung cines bestimmten Buches gesetzlich zulissig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und iiberall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Uber Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zuginglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Biicher dieser Welt zu entdecken, und unterstiitzt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext kénnen Sie im Internet unter|http: //books .google. com durchsuchen.
E. DORSCH, M. D. . ° ad. 1
Monroe, Mich. |
Gee — — — — ⸗
— | —
The private Library of Edward Dorsch, M. D., of
ß ae ins — — — 7
| THE DORSCH LIBRARY. .
*
Monroe, Michigan, presented to the University of Michi-
expressed by him. |
|
: |
. - +s . — —— — -—.- —
| gan by his widow, May, I888, in necordance with a wish
sin Kampf um Rom.
— —
Deiner Band.
Gin Kampf um ow,
; >
ft t& Ff
Hiftorifdher Roman
Jelix Dahn.
Motto:
„Wenn etwas iſt, gewalt'ger ale das Sdhidfal,
So ths der Muth, der'e unerſchüttert traͤgt.“
Geibel.
Dritter Band.
Siebente Auflage.
—__coftioce—____
Leipzig,
Drud und Verlag von Breitkopf und Hartel.
1880.
Ueberſetzungsrecht vorbebalter.
Fünftes Bud).
Witichis.
Bweite Abtheilung.
„Die Gothen aber wählten gum Koͤnig Witichis,
einen Mann, gwar nicht von edlem Geſchlecht,
aber von hohem Ruhm der Tapferkeit.“
Prokopius, Gothenkrieg I. 11.
Dahn, Gin Kampf um Rom. ILL. 1
Sweite Abtheifang.
Grftes Capitel.
Ym Lager angelangt fand ver Konig Witichis alles
in höchſter Verwirrung; gewaltfam rig thn die dran-
gende Noth des Augenblids aus feinem Gram und gab
ihm vollauf zu thun.
Er traf das Heer in voller Auflöſung und in zahl⸗
reide Parteiungen jerfpalten.
Deutlich erfannte er, daß der Fall der ganzen gothi-
ſchen Sache die Folge gewefen ware, hatte er die Krone
niedergelegt oder das Heer verlafjen.
Manche Gruppen fand er yum AWufbrud bereit.
Die Einen wollten fig dem alten Grafen Grippa
in Ravenna anfdliefen.
Andre gu ven Rebellen ſich wenden, Andre talien
verlafjend über die Alpen flüchten.
Endlich feblte es nicht an Stimmen, welde fitr eine
nene Königswahl fpraden: und aud bierin ſtanden fid
bie Parteien waffendrohend gegeniiber.
1*
|
| Monroe, Mich.
Cv . °
ꝰ⸗ =|
THE DORSCH LIBRARY.
— — — — ——
| a al
— 2) |&—_
| The private Library of Edward Dorsch, M. D., of |
| Monroe, Michigan, presented to the University of Michi-
| gan by his widow, May, 1888, in accordance with a wish |
|
1
I
|
—
i
| expressed by him,
seca nt Se Td i , —_ a ; .
E. DORSCH, uv. t | Tp.
a
vrs,
FB-2 -.
Sin Kampf wm Yor
— —
Driner Band.
Gin ll um am. .
make | * c 7
Hiſtoriſcher Roman
von
Jelix Dahn.
Motto:
„Wenn etwas tft, gewalt'ger alé bad Schicklal,
Eo iſt's der Muth, der'e unerſchüttert traͤgt..
Geibel.
DPritter Band.
Siebente Auflage.
—r —
Leipzig,
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel.
1880.
Sweite Abtheifung.
Grftes Capitel.
Sm Lager angelangt fand der Kinig Witidhis alles
in höchſter Verwirrung; gemwaltfam rig ihn die drän⸗
gende Noth ves Augenblids aus feinem Gram und gab
ihm vollauf ju thun.
Gx traf das Heer in voller Aufldfung und in zahl⸗
reide Parteiungen zerſpalten.
Deutlich erfannte er, daß der Fall ver ganzen gothi-
ſchen Sache die Folge gewefen ware, hatte er vie Krone
niedergelegt oder das Heer verlaffen.
Mande Gruppen fand er gum Aufbrud bereit.
Die Cinen wollten ſich dem alten Grafen Grippa
in Ravenna anfdliegen.
Undre gu den Rebellen ſich wenden, Andre Italien
perlafjend über vie Alpen flüchten.
Endlich feblte es nidjt an Stimmen, welche fiir eine
neue Königswahl fpradhen: und aud) hierin ſtanden fid
die Parteien waffendrohend gegeniiber.
1*
4
Hildebrand und Hildebad hielten nod) diejenigen zu—
fammen, welde an des Königs Fludt nicht glauben
wollten.
Der Alte hatte erflart, wenn Witichis wirklich ents
flohen, wolle er nidjt ruben, bid der eidbrüchige König
wie Theodahad geendet.
Hildebad ſchalt jeden einen Neiding, der alfo von
Witichis vente.
Gie Hatten vie Wege zur Stadt und nad) dem
Rebellenlager befest und drohten, jeden Abzug nad) diefen
Seiten mit Gewalt zurückzuweiſen, wabrend aud) bereits
Herzog Guntharis won ver Verwirrung Kunde erhalten
hatte und langfam gegen das Lager ver Königlichen
anvitdte.
Ueberall traf Witichis auf unrubige Gruppen, abs
ziehende Sdaren, Drohungen, Scheltworte, erhobene
Waffen — jeden Augenblick fonnte auf allen Puncten
ves Lageré ein Blutbad ausbredjen.
Raſch entſchloſſen eilte er in fein Belt, ſchmückte fid
mit Dem Kronhelm und dem golonen Stab, ftieg auf
Boreas, das mächtige Schlachtroß, und fprengte, gefolgt
pon Leja, der vie blaue Königsfahne Cheoderichs über
thm hielt, durch die Gaſſen.
In der Mitte des Lagers ſtieß er auf einen Trupp
von Männern, Weibern und Kindern, — denn ein
gothiſches Volks-Heer führte auch dieſe mit ſich —
welcher ſich drohend gegen das Weſtthor wälzte.
Hildebad ließ die Seinen mit gefällten Speeren in
die Thore treten.
5
Lat uns hinaus,“ fdyrie ver Haufe, ,der König iſt
geflohen, der Krieg ift aus, Wes ift verloren, wir wollen
pas Leben retten.”
Der Konig ift fein Lropf wie du,“ fagte Hildebad
ven Vorderften zurückſtoßend.
wa, ev ift ein Verräther,“ ſchrie diefer, ,er hat uns
Alle verlaffen und verrathen um ein Par Weiberthranen.”
oa," fdrie ein Undrer: ,er bat Ddreitaufend von
unfern Briidern bingefdladtet und ift dann entflohn.“
„Du lügſt,“ fprad eine rubige Stimme und Witichis
bog um die Lagerede.
„Heil dix, Konig Witichis!“ ſchrie der riefige Hildebad,
„ſeht iby ihn da! — Hab’ ich's nicht immer gefagt, ihr
Geſindel.
Aber Zeit war's, daß du kamſt — ſonſt ward es
ſchlimm.“
Da ſprengte von rechts Hildebrand mit einigen
Reitern heran: „Heil dir, König, und der Krone auf
deinem Helm. —
Sprengt durch das Lager, Herolde, und kündet, was
ihr ſaht: und alles Volk ſoll rufen: „Heil König Witichis,
dem Vielgetreuen.“
Aber Witichis wandte ſich ſchmerzlich von ihm ab. —
Die Reiter ſchoſſen wie Blitze nad allen Seiten bins
weg; bald ſcholl aus allen Gaffen ver donnernde Ruf:
„Heil Konig Witichis,“ und von allen Seiten ftimmten
vie jiingft nod) Hadernden einig in diefen Ruf zuſammen.
Gein Bli€ flog mit vem Stolz tiefften Schmerzes
liber die Tauſende.
Cin Samp) um om
— —— — a Oe
—— ay * 7
Hiſtoriſcher Roman J
Jelix Dahn.
Motto:
o Wenn etwas ift, gewalt’ger alé dat Sdidfal,
Eo iſt's der Muth, derx’é unerfdiittert trigte =”
@etbel,
Dritter Band.
Siebente Auflage.
—_—_—_co83000-—____
Leipzig,
Druck und Verlag von Breitkopf und Hartel.
1880.
Ueberſetzungsrecht vorbehalten.
Fiinftes Bud).
Witichis.
Bette Abthetlung.
Die Gothen aber wählten yum Konig Witidhis,
einen Mann, zwar nist von edlem Geſchlecht.
aber von hohem Ruhm der Tapferkeit.“
Prolopius, Gothenkrieg I. 11.
Dahn, Cin Kampf um Rom, Il. 1
Sweite Abtheifung.
Grftes Capitel.
Im Lager angelangt fand der Rinig Witichis alles
in höchſter Verwirrung; gewaltfam riß thn die drän⸗
gende Noth des Wugenblids aus feinem Gram und gab
ihm vollauf yu thun.
Er traf das Heer in voller Aufldfung und in zahl⸗
reiche Partetungen zerfpalten.
Deutlid) erfannte er, daß ver Fall der ganzen gotht-
ſchen Sache die Folge gewefen ware, hatte er die Krone
niedergelegt oder das Heer verlafjen.
Mande Gruppen fand er gum Aufbrud bereit.
Die Cinen wollten fid) dem alten Grafen Grippa
in Ravenna anfdliefen.
Andre gu den Rebellen fic) wenden, Andre Italien
verlafjend über die Wlpen flüchten.
Endlich feblte e8 nicht an Stimmen, welde fiir eine
neue Königswahl fpraden: und aud) bierin ftanden fid
pie Parteien waffendrohend gegeniiber.
1*
4
Hildebrand und Hildebad hielten nod) diejentgen zu—⸗
fammen, welde an ded Königs Flucht nidt glauben
wollten.
Der Alte hatte erflart, wenn Witichis wirklich ents
flohen, wolle er nicht ruben, bis der eidbrüchige Rinig
wie Theodahad geendet.
Hildebad fdalt jeden einen Neiding, ver alfo von
Witichis denke.
Sie hatten die Wege zur Stadt und nach dem
Rebellenlager beſetzt und drohten, jeden Abzug nach dieſen
Seiten mit Gewalt zurückzuweiſen, während auch bereits
Herzog Guntharis von der Verwirrung Kunde erhalten
hatte und langſam gegen das Lager der Königlichen
anrückte.
Ueberall traf Witichis auf unruhige Gruppen, ab⸗
ziehende Scharen, Drohungen, Scheltworte, erhobene
Waffen — jeden Augenblick konnte auf allen Puncten
des Lagers ein Blutbad ausbrechen.
Raſch entſchloſſen eilte er in ſein Zelt, ſchmückte ſich
mit dem Kronhelm und dem goldnen Stab, ſtieg auf
Boreas, das mächtige Schlachtroß, und ſprengte, gefolgt
von Teja, der die blaue Königsfahne Theoderichs über
ihm hielt, durch die Gaſſen.
In der Mitte des Lagers ſtieß er auf einen Trupp
von Männern, Weibern und Kindern, — denn ein
gothifches Volks-Heer führte auch dieſe mit ſich —
welcher ſich drohend gegen das Weſtthor wälzte.
Hildebad ließ die Seinen mit gefällten Speeren in
die Thore treten.
5
„Laßt uns hinaus,“ ſchrie ver Haufe, „der König ift
geflohen, der Krieg iſt aus, Alles iſt verloren, wir wollen
das Leben retten.“
„Der König iſt kein Tropf wie du,“ ſagte Hildebad
den Vorderſten zurückſtoßend.
„Ja, ev iſt ein Verräther,“ ſchrie dieſer, „er hat uns
Alle verlaſſen und verrathen um ein Par Weiberthränen.“
oa,” ſchrie ein Andrer: „er hat dreitauſend von
unſern Brüdern hingeſchlachtet und iſt dann entflohn.“
„Du lügſt,“ ſprach eine ruhige Stimme und Witichis
bog um die Lagerecke.
„Heil dir, König Witichis!“ ſchrie der rieſige Hildebad,
„ſeht ihr ihn da! — Hab' ich's nicht immer gefagt, ihr
Geſindel.
Aber Zeit war's, daß du kamſt — ſonſt ward es
ſchlimm.“
Da ſprengte von rechts Hildebrand mit einigen
Reitern heran: „Heil dir, König, und der Krone auf
deinem Helm. —
Sprengt durch das Lager, Herolde, und kündet, was
ihr ſaht: und alles Volk ſoll rufen: Heil König Witichis,
dem Vielgetreuen.“
Aber Witichis wandte ſich ſchmerzlich von ihm ab. —
Die Reiter ſchoſſen wie Blige nach allen Seiten hin⸗
weg; bald fdoll aus allen Gaſſen der donnernde Ruf:
„Heil König Witichis," und von allen Seiten ftimmten
die jiingft nod) Hadernden einig in diefen Ruf zufammen.
Gein Bli¢ flog mit dem Stolz tiefften Schmerzes
liber Die Laufende.
6
Und Graf Leja ſprach hinter ihm leije: „du fiebft, du
haft das Reich gerettet.”
uf, führ uns zum Sieg!" rief Hildebad, ,denn
Guntharis und Arahad ritden an: fie wähnen, uns ohne
Haupt in offnem Bwift gu itberrafden! heraus auf fie!
fie follen fic) ſchrecklich irren; heraus auf fie und nieder
bie Rebellen.“
‚„Nieder die Rebellen!“ donnerten vie Heermanner
nad, froh, einen Ausweg ihrer tiefervegten Leidenſchaft
gu finden.
Aber der Konig winkte mit edler Rube:
„Stille! nicht nod etnmal foll gothifd Blut fließen
bon gothifden Waffen.
Shr harret hier in Geduld: du, Hildebad, thu’ mir
auf das Chor.
Niemand folgt mir: id) allein gehe zu den Rebellen.
Du, Graf Leja, haltft vas Lager in Zucht, bis id
wieder febre.
Du aber, Hildebrand," er rief's mit erhobener Stimme,
‚reit' an die Thore von Ravenna und Hinde laut: fie
follen fie öffnen.
Erfüllt ift thy Begehr, und nod vor Abend ziehn
wit ein: der König Witichis und vie Königin Mtatas
ſwintha.“
So gewaltig und ernſt ſprach er dieſe Worte, daß
das Heer ſie mit lautloſer Ehrfurcht vernahm.
Hildebad öffnete die Lagerpforte: man ſah die Linie
der Rebellen im Sturmſchritt heraneilen: laut ſcholl ihr
Kriegsruf, als ſich das Thor öffnete.
7
König Witihis gab an Graf Teja fein Schwert und
ritt ibnen langſam entgegen.
Hinter ihm ſchloß fic) das Thor.
„Er ſucht ven Tov," fliifterte Hildebrand.
ween,” fprad) Leja, er ſucht und bringt das Geil
ver Gothen.“
Wohl ftusten vie Rebellen, als fie den einjelnen
Reiter erfannten: neben ven wölſungiſchen Brüdern,
welde an der Spitze zogen, ritt ein Führer avarifder
Pjeilfhiigen, die fle in Gold genommen.
Diefer hielt die Hand vor die Heinen, blingenden
Mugen und rief: „Beim Roffe des Roßgotts, vas ift der
König felbft! jegt, meine Burfden, pfeitfundige Söhne
der Steppe, zielt haarſcharf und ver Krieg ift aus."
Und er rig den trummen Hornbogen von der Schulter.
„Halt, Chan Wardun," fprad Herzog Guntharis, eine
eherne Hand auf feine Schulter legend. Du haſt zwei⸗
mal fdwer gefeblt in Cinem Athem.
‘Du nennft den Grafen Witichis König: das fei
dir verziehn. 7
Und du willft thn morbden, der im Botenfrieden nabt:
Das mag avarifd fein: es ift nicht Gothenfitte.
Hinweg mit dir und deiner Schar aus meinem
Lager. “
Der Chan ftugte und fah ihn ftaunend an:
„Hinweg, fogleid!" wiederbolte Herzog Guntharis.
Der Avare lachte und wintte feinen Reitern:
„Mir gleid)! Kinder: wir gehn yu Veltfar.
8
Sonderbare Leute, viefe Gothen! Riefenleiber —
Kinderherzen.“
Indeſſen war Witichis herangeritten.
Guntharis und Arahad muſterten ihn mit forſchenden
Blicken.
In ſeinem Weſen lag neben der alten, ſchlichten
Würde eine ernſte Hohheit: die Majeſtät des höchſten
Schmerzes.
„Ich komme, mit euch zu reden, zum Heil der Gothen.
Nicht weiter ſollen Brüder ſich zerfleiſchen.
Laßt uns zuſammen einziehen in Ravenna und jus
fanmen Belifar befampfen.
Sd werde Matafwintha freien und ihr Beide follt
ant Nächſten ftehe an meinem Chron.“
‚„Nimmermehr!“ rief Arahad leidenſchaftlich.
„Du vergißt,“ ſprach Herzog Guntharis ſtolz, „daß
deine Braut in unſern Zelten iſt.“
„Herzog Guntharis von Tuſcien, id) könnte div ere
widern, daß bald wir in euren Zelten ſein werden.
Wir find zahlreicher und nicht feiger als ihr, und,
o Herzog Guntharis, mit uns iſt das Recht.
Ich will nicht alſo ſprechen.
Aber mahnen will ich vid) des Gothen-Volks.
Selbft wenn du fiegen follteft — du wirft yu ſchwach,
um Belifar gu fdlagen.
Kaum einig find wir ihm gewadfen. Gieb nad!”
„Gieb du nad!" fprad der Wölſung, „wenn dir's
um's Gothen-Volt zu thun.
9
Lege diefe Krone nieder: kannſt du fein Opfer bringen
beinem Bolt 2"
„Ich kann's — id hab's gethan.
Haft vu ein Weib, o Guntharis 2
„Ein theures Weib habe id."
„Nun wohl: auch ich hatte ein theures Weib.
Ich hab's geopfert meinem Volk: ich habe ſie ziehen
laſſen, Mataſwinthen zu freien.“
Herzog Guntharis ſchwieg.
Arahad aber rief, „dann haſt du ſie nicht geliebt.“
Da fuhr Witichis empor: ſein Schmerz und ſeine
Liebe wuchſen rieſengroß: Gluth deckte ſeine Wangen,
und einen vernichtenden Blick warf er auf den erſchrocknen
Jüngling:
„Schwatze mir nicht von Liebe, läſtre nicht, du
thörichter Knabe.
Weil dir ein par rothe Lippen und weiße Glieder
in deinen Träumen vor den Blicken glänzen, ſprichſt du
von Liebe?
Was weißt du von dem, was ich an dieſem Weib
verloren, der Mutter meines ſüßen Kindes.
Eine Welt von Liebe und Treue.
Reizt mich nicht: meine Seele iſt wund: in mir
liegen Schmerz und Verzweiflung mit Mühe gebändigt:
reizt ſie nicht, laßt ſie nicht losbrechen.“
Herzog Guntharis war ſehr nachdenklich geworden.
„Ich kenne dich, Witichis, vom Gepidenkrieg: nie
ſah ich unadeligen Mann ſo adelige Streiche thun.
Ich weiß, es iſt kein Falſch an dir.
10
Sd) weiß, wie Liebe bindet an ein ehlich Weib.
Und du haft das Weib deinen Volt geopfert2
Das ift viel."
„Bruder! mas finneft tu?’ rief Arahad, wads haſt
Du vor?"
„Ich habe vor, das Haus der Wilfungen an Edel⸗
muth nicht befdamen gu laſſen.
Edle Geburt, Arahad, heiſcht edle That!
Gag’ mir nur eins nod: weßhalb haft du nidt
lieber vie Krone hingegeben, ja vein Leben, al8 dein
Wei 2"
Weil es ves Reiches ſicheres Verderben war.
Zweimal wollt’ id die Krone Graf Arabad abtreten:
gweimal ſchwuren die Erſten meines Heeres, ibn nie
anjnerfennen.
Drei, vier Gegenfsnige wiirden gewählt, aber, bei
meinem Wort, Graf Arahad würde niemals anerfannt.
Da rang id mein Weib von mir ab, vom blutens
den Herzen.
Und nun, Herzog Gunthari8, geden? aud pu des
Gothen: Volks.
BVerloren ift vas Haus der Wölſungen, wenn die
Gothen verloren.
Die edelfte Blithe des Stammes fallt mit dem
Stamm, wenn VBelifar die Art an die Wurzel legt.
3d habe mein Weib dabhingegeben, meines Lebens
Krone: gieb du die Hoffnung einer Krone auf." -
Man foll nidt fingen in ver Gothen Hallen:
11
Der Gemeinfrete Witidhis war edler, als ves Adels
Edelſte
Der Krieg iſt aus: ich huldige dir, mein König.“
Und der ſtolze Herzog bog das Knie vor Witichis,
der thn aufhob und an feine Bruft zog.
„Bruder! Bruder! was thuft pu an mir! welde
Schmach!“ rief Arahad.
„Ich techn’ es mir zur Ehre!“ fprad Guntharis rubig.
„Und gum Zeiden, dak mein König nicht Feigheit fiebt,
fondern eine Edelthat in der Huldigung, erbitt’ ich mir
eine Gunft. .
Amaler und Balthen haben unfer Gefdlecht zurück⸗
gedrangt von vem Plage, der ihm gebührt im Volle der
Gothen.“
„In dieſer Stunde," ſprach Witichis ,faufft du thn
zurück: vie Gothen follen nie vergeſſen, daß Wölſungen⸗
Edelſinn ihnen einen Bruderkampf erſpart hat.“
„Und deß zum Zeichen ſollſt du uns das Recht ver⸗
leihen, daß die Wölſungen der Gothen Sturmfahne dem
Heer vorauftragen in jeder Schlacht.“
„So ſei's,“ ſagte der König, ihm die Rechte reichend,
and keine Land wird fie mir würdiger führen.“
„Wohlan, jest auf zu Mataſwintha,“ ſprach Guntharis.
„Mataſwintha!“ rief Arahad, der bisher wie betäubt
der Verſöhnung zugeſehen, die alle ſeine Hoffnungen
begrub.
Matafwintha!" widerholte er. „Ha, zur rechten Beit
gemahnt ihr mich.
Ihr könnt mir die Krone nehmen — ſie fahre hin,
12
— nidt meine Liebe und nicht die Pflicht, vie Geliebte yu
beſchützen.
Sie hat mich verſchmäht: ich aber liebe ſie bis zum
Tode.
Ich habe ſie vor meinem Bruder beſchirmt, der ſie
zwingen wollte, mein zu werden.
Nicht minder wahrlich will ich ſie beſchützen, wollt
ihr ſie nun beide zwingen, des verhaßten Feindes zu
werden.
Frei ſoll ſie bleiben, dieſe Hand, die koſtbarer als
alle Kronen der Erde.“
Und raſch ſchwang er ſich auf's Pferd und jagte mit
verhängtem Zügel dem Lager zu.
Witichis ſah ihm beſorgt nach.
„Laß ibn,” ſprach Herzog Guntharis, „wir beide, einig,
haben nichts zu fürchten.
Gehn wir die Heere zu verſöhnen, wie die Führer.“
Während Guntharis zuerſt den König durch ſeine
Reihen führte und dieſe aufforderte, gleich ihm zu huldigen,
was ſie mit Freuden thaten, und darauf Witichis den
Wölſungen und ſeine Anführer mit in ſein Lager nahm,
wo Die Beſiegung des ſtolzen Herzogs durch Friedens⸗
worte als ein Wunderwerk des Königs angeſehen wurde,
ſammelte Arahad aus den Reitern im Vordertreffen eine
kleine Schar von etwa hundert ibm tren ergebnen Gee
felgen und ſprengte mit ihnen nach ſeinem Lager zurück.
Bald ſtand er im Zelt vor Mataſwinthen, die ſich
bei ſeinem Eintreten unwillig erhob.
13
„Zürne nicht, ſchilt nicht, Fiirftin! diedmal haft du
fein Recht dazu.
Arahad kommt, die letzte Pflicht ſeiner Liebe zu
erfüllen. Flieh, du mußt mir folgen.“ |
Und im Ungeftiim fener Aufregung griff er nad) der
weifen, fdmalen Hand.
Matafwintha trat einen Schritt zurück und legte die
Rechte an ven breiten Goldgitrtel, der thr weißes Unter:
gewand umſchloß: „fliehen?“ fagte fie, ,wobin fliehen?"
Ueber's Meer! Ueber vie Alpen! gleichviel: in die
Freiheit. Denn deiner Freiheit droht höchſte Gefahr.“
oon euch allein droht fie.“
„Nicht mehr von mir! Und ich kann dich nicht
mehr beſchirmen.
So lang du mein werden ſollteſt, konnte ich es,
konnte grauſam ſein gegen mich ſelbſt, deinen Willen
zu ehren. Aber nun —“
„Aber nun?“ ſprach Mataſwintha erbleichend.
„Sie haben dich einem Andern beſtimmt.
Mein Bruder, mein Heer und meine Feinde im
Königslager und in Ravenna, alle ſind darin einig —
Bald werden ſie dich tauſendſtimmig als Opfer zum
Brautaltar rufen.
Sd) kann's nicht denken! Dieſe Seele, dieſe Schin-
heit entweiht als Opfer in ungeliebtem Ehebund.“
‚„Laß fie kommen,“ ſagte Mataſwintha, „laß ſehen,
ob ſie mich zwingen!“
Und ſie drückte den Dolch, den ſie im Gürtel trug,
an ſich —
14
„Wer ift er, der neue Bwinghery, der mir drobt.“
„Frage nidt!” rief Arahad, ,dein Feind, der dein
nicht werth, ver dich micht Liebt; ber — folge mir —
flieh’, ſchon naben fie!“
Man hirte von draußen nahenden Huffdlag.
„Ich bleibe. Wer gwingt das Enfelfind Theoverichs 2
„Nein! du follft nicht, follft nicht in ihre Hände
fallen, der Fühlloſen, die nicht vid) lieben, nicht deine
Herrlidfeit, nur dein Recht auf die Krone! Folge mir —"
Da ward der Thilrvorhang des Zeltes gur Seite
gefdoben: Graf Teja trat etn. Zwei Gothenfnaben mit
ibm, in weißer Seide, feſtlich gefleidet.
Gie trugen ein mit einem Schleier verhiilltes
Purpurfifjer.
Gr trat bis an die Mitte deS Belted und beugte
das Knie vor Mataſwinthen.
Er trug, wie die Knaben, einen grünen Rautenzweig
um den Helm.
Aber ſein Auge und ſeine Stirne war düſter, — als
er ſprach:
„Ich grüße dich, der Gothen und Italier Königin!“
Mit erſtauntem Blick maß ſie ihn.
Teja erhob ſich, trat zurück zu den Knaben. nahm von
rem Kiſſen einen goldenen Reif und ven grünen Rauten⸗
franz und fprad): „Ich reiche dir Den Brautfrang und
die Krone, Matafwintha, und lave did) zur Hochzeit und
zur Krinung — die Sänfte fteht berett."
Arahad griff an's Schwert.
15 !
Wer fendet vic?" fragte Matafwintha mit flopfen-
vem Herzen, aber die Hand am Dold.
Wer fonft, als Witichis, der Gothen König.“
Da leuchtete ein Strahl ver Begeifterung aus
DMatafwinthens wunderbaren Augen: fie erhob beire
Arme gen Himmel und ſprach:
„Dank, Himmel, deine Sterne liigen nidt: und nidt
das treue Herz. Ich wut es wohl."
Und mit beiden ſchimmernden Handen ergriff fie das
bekränzte Diadem und drückte es feft auf das dunkel⸗
rothe Haar.
„Ich bin bereit.
Geleite mid,“ fprad fie, ,jgu deinem Herm und
meinem.”
Und mit finiglider Wendung reichte file Graf Teja
bie Linke, der fie ebrerbietig binausfiihrte.
Arahad aber ftarrte der Verſchwundenen nad, ſprach⸗
(o8, nod) immer die Hand am Schwert.
Da trat Curid), einer feiner Gefolgen, zu ifm
heran, und legte ihm die Hand auf die Srhulter:
„Was nun? fragte er, vie Roſſe ſtehen und barren:
wobin 2"
„Wohin?“ rief Arahad auffahbrend — ,wobin?
Gs giebt nur nod Einen Weg: wir wollen ihn
geben. Wo ftehen die Byzantiner und der Lor?"
Bweites Capitel.
Am fichenten Tage nach viefen Greigniffen beveitete
fic) ein glanzvolles Weft auf den Fora und in dem
Kinigspalaft gu Ravenna.
Die Birger der Stadt und die Gothen aller drei
Parteien wogten in genifdten Scharen durch die Strafen
und fubren durd die Lagunen⸗-Canäle — denn Ravenna
war damals eine Wafferftadt, faft, aber dod) nicht ganz,
wie heute BVenedig — die riefigen Kränze, Blumen:
Bogen und Fahnen gu bewundern, welde von allen
Binnen und Dächern niederwebten: denn e8 galt, die
Vermahlung ves gothifden Königspares gu feiern.
Am frithen Morgen. hatte fid) das ganze jest vers
einigte Heer ver Gothen vor den Thoren ver Stadt zu
feierlicher Volksverſammlung gefdart.
Der König und die Königin erſchienen auf milch⸗
weißen Roſſen: abgeſtiegen waren ſie vor allem Volk
unter eine breitſchattende Stein-Giche getreten: dort hatte
Witidhis fetner Braut die redjte Hand auf vas Haupt
gelegt: fie aber trat mit bem entbligten linken Supe
in den Goldfduh des Königs.
4
17
Damit war unter dem Zuruf ver Taufende die Che
nach Bollsredt gefdlofien.
Darauf beftieg das Par einen mit gritnen Bweigen
geſchmückten Wagen, der von vier weißen Rindern ges
gogen ward; der König ſchwang die Geifel und fie
fuhren, gefolgt von bem Heere, in die Stadt.
Dort ſchloß fich an die halb heidnifde, germanifde,
eine zweite, die chriſtliche Geter: der arianifde Biſchof
ertheilte feinen Segen ither das Par in der Baſilika
Sancti Vitalis und ließ es vie Ringe wedfeln.
Rauthgundens wurde nicht gedadht.
Nod) war vie Kirche nidt mächtig genug, thre
Forderung ver Unauflöslichkeit einer kirchlich geſchloſſnen
Che überall durchzuſetzen: vornehme Römer und vollends
Germanen verſtießen nod häufig in voller Willfitr ihre
Frauen.
Und wenn gar ein König aus Gründen des Staatswohls
und ohne Einſpruch der Gattin das Gleiche beſchloß, erhob
ſich kein Widerſtand. —
Aus der Kirche ging der Zug nach dem Palaſt, in
deſſen Hallen und Gärten ein großes Bankett gerüſtet war.
Das ganze Gothenheer und die ganze Bevölkerung
der Stadt fand hier, dann auf den Fora des Herkules
und des Honorius und in den nächſten Straßen und
Canälen auf Schiffen, an tauſend Tiſchen reiche Bewir⸗
thung, während die Großen des Reiches und die Baehmen
der Stadt mit dem Königspar in der Gartenvotunde oder
in Dev weiten Trinfhalle, welde Theoderich hatte in vem
romifden Palaſt anbringen laſſen, tafelten.
Dabhn, Cin Kampf um Rom. IL. 9
18
Sowenig vie Lage des Landes und des Königs
Stimmung zu raufdenden Felten paffen modten — es
galt, die Ravennaten mit den Gothen und die vers
ſchiedenen Barteien der Gothen unter fic) gu verſöhnen:
und man boffte, in Strimen des Feſtweins die lesten
feindfeligen Crinnerungen hinwegzuſpülen.
Am Beften überſah man den Königstiſch und die
feftlichen Tafeln, welche fid) fiber ten weiten Garten und
Park vertheilten, von dem gum Brautgemach Matafwinthens
beftinunten fleinen Gelaß, deſſen einjiges Fenfter anf
pie Motunde vor vem Garten und, über den Garten
hin, bis auf pas Meer ausbliden lief.
Sn diefem Gemach drei Tage zuvor ſchon fdmiidend gu .
ſchalten und gu walten, batte fid) Aſpa, die Numiderin,
al8 Lohn treuer Dienfte ausgebeten.
„Denn diefe ernften, finftern Römer wiffen eben fo
wenig wie die rauhen Gothen dem ſchönſten Weib der
Erde das Brauthett gu bereiten: in Afrifa, im Land der
Wunder, lernt man das."
Und woh! war ihr's gelungen, wenn aud im Ginn
ver ſchwülen, phantaftifdhen Ueppigtett ihrer Heimath.
Gie hatte das enge und niedre Gemad wie gu einem
Heinen Zauberkiſtchen umgefdaffen !
Wände und Dede waren von glingend weiffen
Marmorplatten gefiigt.
Aber Afpa hatte den ganjen Raum mit dret- und
vierfad) aufeinandergelegten Gebangen von duntelrother
Geide verhüllt, vie in ſchweren Falten von den Wänden
nieder flog, fic) liber vie GetafelsDede wie ein Rundbogen
19
wölbte und ben Marmorboden fo dicht verbiillte, daß
jeder Lritt lautlos drüber bin glitt und alles Geräuſch
fid) im Entſtehen brad.
Nur an der Fenfterbritftung fah man den fchimmernd
weifen Marmor fic) pradtooll von ver Gluth der Seive
bheben.
Das Fenfter von weifem Frauenglas war mit einem
Vorhang von mattgelber Seide verhangen und alles Licht
in dem kleinen Raum ftrdmte aus von einer UAmpel,
welde von der Mitte ver Dede aus niederbing:
eine Gilbertaube mit golonen Flügeln fdwebte aus
einem Füllhorn von Blumengewinden: in den Füßen
trug fie eine flade Shale aus einem einjigen großen
Garneol, der ein Gefdent ves Banvalentinigs, in den
auraſiſchen Bergen gefunden, als ein feltnes Wunder galt.
Und in dieſer Schale glithte ein rothes Flämmchen,
genabrt von ftarf puftendem Gever-Del.
Cin gebrocenes, traumerifdes Dammerlidt ergoR
fic) von bier aus über das phantaftifde Doppelpfühl,
das, halb von Blumen verfdiittet, darunter ftand.
Afpa hatte fid) das brautlide Lager als die anfges
ſchlagnen Schalen einer Muſchel gedacht, dte an der innern
Seite zufammenhangen . zwei ovale muſchelförmige linen
von Citrusholz erhoben ſich nur wenig von dem Teppich
des Bodens.
Ueber die weißen Kiſſen und Teppiche hin war eine
Linnendecke von orangegoldnem Glanz gegoſſen.
Aber der eigenſte Schmuck ves Gelaſſes war die
Fülle von Blumen, welche die Hand der Numiderin mit
2*
20
pocfiereidem, wenn aud) phantaftifdem Geſchmack über
das ganze Gemach verftreut und über die Wände, Deder,
Vorhinge, die Chitre und das Lager vertheilt hatte.
Gin Bogen von ftarfouftigen Geifblattranten über⸗
wölbte laubenartig die eingige Thüre, ven ſchmalen Ein⸗
gang.
Bwei mächtige Roſenbäume ftanden zu Haupten ves
Lagers und ftreuten ihre rothen und weißen Blitthen
auf die Teppide.
Die Ampel hing, wie erwähnt, aus einem kunſtvoll
gewundnen Füllhorn von Blumen herab.
Und itberall fonft, wo eine Falte, eine Biegung ver
Teppide Das Auge zu veriweilen lud, hatte Wfpa eine
feltne Blume glücklich angefdmiegt.
Der Lorber und der Oleander Staliens, die ficiltfde
Mryrthe, das ſchöne Rhododendron ver Wlpen und die
glithenden Sriaceen Ufrifa’s mit ihren reichen Kelchen —
alle lauſchten je am gelegenften Ort und dod, wie es
{fdhien, vom Rufall bingeworfen. —
Seon ftanden die Sterne am Himmel.
Es dämmerte draufen: im Gemad hatte Afpa die
Slamme in der veildendunteln Scale entgitndet und
war nur nod beſchäftigt, hie und da eine Falte gu
glatten, indeß fie eine rimifde Sklavin anwies, in den
Silbertriigen auf vem Bronce⸗Credenztiſch den Palmwein
mit Schnee zu kühlen, eine andre, das Gemad mit
Balfam zu durdfprengen.
‚Reichlicher Die Marden, reichlicher die Myrrhen ges
21
fprengt! Gol” rief Ufpa, eine volle Libation Aber das
Lager fprigend. |
aR ab," mabnte die Römerin, „es ift gu viel!
Schon ver Duft der Blumen betäubt: die Rofe und
das Geißblatt beraufden faft die Ginne: mir witrde
ſchwindeln hier.“
„Ah,“ lachte Ufpa, wie fingt der Didter :
„Nüchternen nimmer nabet das Olid: nur in feligem
Rauſche.“
„Laß uns jetzt das Fenſter ſchließen“ —
„Nur ein wenig noch laß mich lauſchen,“ bat eine
dritte junge Sklavin, die dort lehnte.
„Es iſt zu ſchön! Komm, Frithilo,“ ſprach fie yx
einer gothiſchen Magd, die neben ihr ſtand, „du kennſt
ja all die ſtolzen Männer und Frauen: ſage, wer iſt
der zur Linken der Königin mit dem goldnen Schuppen⸗
panzer? er trinkt dem König zu.“
„Herzog Guntharis von Tuſcien, der Wölſung. Sein
Bruder, Graf Arahad von Aſta — wo mag der ſein zu
dieſer Stunde?“
„Und der Alte neben dem König, mit dem grauen Bart?“
„Das iſt Graf Grippa, der die Gothen in Ravenna
befehligt.
Gr ſpricht vie Fürſtin an. Wie ſie lacht und ers
röthet! Nie war fie fo fon." |
„Ja, aber aud ver Brautigam — weld) herrlider
Mann !
Der Kopf des Mtars, der Raden des Neptun.
Aber er ſieht nicht fröhlich — vorhin ſtarrte er
~
22
lange fpradlos in feinen Becher und furdjte die Stirn
— die Rénigin fah e8 — bid der alte Hildebrand,
gegeniiber , ihm zurief.
Da fah er feufyend auf.
Was hat der Mann zu ſeufzen? neben diefem Götter⸗
weib.“
„Nun,“ ſprach die Gothin, „er hat dann doch nicht
ein ganz ſteinern Herz.
Gr denkt dann vielleicht an die, die fein rechtes
Weib vor Gott und Menſchen, die er verftogen.”
„Was? wie? was fagft du 2 riefen die drei Sklavinnen
zugleich.
Aber urplötzlich fuhr Aſpa zwiſchen die Mädchen:
‚Willſt du wohl ſchweigen mit dem dummen Gerede,
Barbarin!
Mach, daß du fortkommſt! Ein ſolches Wort —
eine Sylbe, daß es die Königin hört und du ſollſt der
Afrikanerin gedenken.“
Frithilo wollte erwidern.
„Still,“ rief eine der Römerinnen.
die Königin bricht auf."
„Sie wird hier herauf kommen.“
„Der König bleibt noch.“
„Nur die Frauen folgen ihr.“
„Sie geben ihr vas Gelett bis hierher,“ ſprach Afpa.
»Oleid fann fle hier fein: bereitet end, fle gu empfangen.“
Bald nabte der Zug, von Fadeltragern und Flöten⸗
blafern eröffnet. |
Darauf eine Auswahl der gothifden Edelfrauen:
23
neben Matafwintha, ver Braut oder jungen Frau, ſchritt
Theudigotho, die Gattin Herzogs Guntharis, und Hildiko,
die Tochter Grippa’s.
Die vornehmen Frauen von Ravenna fdlofjen den
Bug.
An ver Schwelle der Brautfammer verabfdiedete
Matafwintha iby Gefolge, an die jungen Mädchen thren
Schleier, an vie Frauen ihren Gürtel verfdentend.
Die Meiften gogen fic) wieder gu dem eft in den
Garten, Undre nad Haufe zurück.
Sechs Gothinnen aber, drei Frauen und drei Sung: —
frauen, ließen fid) als Ehrenwade vor der Thüre des
Brautgemades nieder, wo Teppiche fiir fle bereitet lagen.
Dort hatten fie mit einer gleiden Zahl gothifder Männer,
welde den Brautigam geleiteten, die Nacht gu verbringen:
fo wollt’ e8 dte gothiſche Sitte.
Matafwintha itberfdritt vie Schwelle mit einem Aus:
ruf des Staunens.
Lipa,” rief fle, dad aft du ſchön gemadt! —
zauberiſch!“ —
Die Afrikanerin kreuzte ſelig die Arme über die
Bruſt und beugte den Nacken.
Sie an ſich ziehend, flüſterte die Braut:
„Du kannteſt mein Herz und ſeine Träume!
Aber,“ fuhr ſie aufathmend fort, „wie ſchwül!
Deine glühenden Blumen berauſchen.“
„In Gluth und Rauſch nahen die Götter!“ ſprach
Aſpa.
‚Wie ſchön jene Violen: und dort die Purpurlilie; mir
24
ift, die Göttin Flora flog durch's Zimmer und dadjte einen
LiebeStraum und verlor darüber ihre ſchönſten Blumen.
Gs ift ein ahnungsvolles Wunder, dads ich bier
erlebe.
G8 durchrieſelt mid) heiß. — Es ift ſchwül. —
Nehmt mir den ſchweren Prunk ab."
Und fie nahm die goldne Strone aus dem Haar. -
Aſpa ſtrich ihr die vollen, dunkelrothen Flechten hinter
bas feine Ohr und 30g die goldne Radel herans, welche
fie am Hinterfopf zufammenbielt: fret wallte das Haar
in den Maden.
Die andern Sflavinnen ldften die Gpange, welde
in Geftalt einer gevingelten Schlange den ſchweren Burs
purmantel mit feinen reiden Goldftreifen auf dev linken
Schulter gufammenhielt.
Der Mantel fiel und zeigte die edle, hochſchlanke
Geftalt der Jungfrau in dem armellofen wallenden Unters
Heid von weißer perſiſcher Seide.
Shre fchimmernden Arme umyirften zwei breite, golone
Armreife — Crbftiide aus vem alten Schatz der
Amelungen: grüne Schlangen von Smaragden waren
darin etngelegt.
Mit Entziiden fdaute Afpa auf vie Gebieterin, wire
diefe vor ben in den Marmor eingelaffnen Metallfpiegel
trat, das lofe Haar mit gelonem Ramm ju fdlicten.
Wie ſchön vu bift! wie zauberſchön! — wie Wftas
roth, bie Liebesgöttin: — nie warft du fo ſchön, wie tn
dieſer Stunde.“
Matafwintha warf emen raſchen Bli in den Spiegel.
29
Sie fah, nod mehr, fle fühlte, dak Aſpa recht hatte:
und fie errdthete.
„Geht,“ fagte fle, „laßt nid) allein mit meinem
Glück.“ |
Die Sklavinnen gebordten.
Matafwintha eilte an's Fefter, das fie raſch öffnete,
wie um ibren Gedanten gu entfliehen.
Shr erfter Blick fiel auf Witidhis, der unten vom
Schein ver Hangelampen im Garten voll beleudtet war.
„Er! Wieder er. —
Wohin entflieh id) vor ihm, dem ſüßen Tor?"
Gie wandte fid) rafd: da an der Wand, grade dem
Henfter gegenither, glanzte im Ampellicht eine weiße
Marmorbiifte. .
Gie fannte fle wohl: Afpa hatte den Arestopf nicht
vergefjen, den treuen Begleiter lang harrender Sehn⸗
ſucht.
Heute aber ſchlang ſich ein Kranz von weißen und
rothen Roſen um ſein Haar.
„Und wieder du!“ flüſterte die Braut, ſüß erſchrocken
und legte die weiße Hand vor die Augen.
„Und ſchließ id) die Augen und wend’ ich fle nad
Innen, fo feh id) wieder fein Bild, fein Bild allein im
tiefften Herzen.
Sd werde nod) untergehn in dieſem Bilde!
Ach, und id will's!“ rief fie die Hand fallen laſſend
und didjt vor dite Bilfte tretend: „ich will’s!
Wie oft, mein Ares, wenn ver Abend fam, bab
td gu div aufgeblidt, wie gu meinem Stern, bis Frieden
26
und Rube aus deinen Haren, grogen Zügen brang in
vie ſchwanke Seele.
Wie wunderbar hat diefes Ahnen, dieſes Sehnen,
dieſes Hoffen ſich erfitllt.
Wie er einſt vent weinenden Kinde die Thrinen ges
trodnet und die Rathlofe nad Haufe gefiibrt, fo wird
er aud) jest all mein lagen ftillen und mir tte wabre
Heimath bauen in feinem Herzen.
Und durch all diefe dden Sabre, vurd all vie letzten
Monate voll Gefahr und Angft trug ic) in mix das
ſichre Gefühl: „Es wird! Dir wird gefdehen wie du
glaubft! Dein Retter fommt und birgt vid) ſicher an der
ftarfen Bruſt.“
Und, o Gnade, unausſprechliche reiche Gnade des
Himmels — e8 ward.
Sh bin fein!
Danf, glithenden, feligen Dank, wer immer du bift,
beglitdende Macht, bie über den Sternen vie Bahn der
Menſchen lenkt mit weifer, mit liebender, mit wunder⸗
bar fegnender Hand.
© ic wills verdienen, diefes Olid.
Gr fol im Himmel wandeln.
Sie fagen, id) bin ſchön: ich weiß es, dak ich's bin:
ich weiß es ja durch thn — ich will’s für ibn fein.
Lak mir, Himmel, diefe Schöne.
Cie fagen: th habe einen madtigen, fdmungvollen
Seift.
O gich ihm Flügel, Gott, daß id) feiner Heldenfeele
folgen fann in alle Sonnenhöhen.
27
Aber, o Gott, laf mids aud abthun meine Febler,
ben fprdden, ftolzen, leicht gereizten Ginn, den Trog
des gornigen Cigenwtllens, den unbandigen Drang nad)
Freiheit —_
© fort damit: beuge did, beuge did, hochmüthiger
Geift: thm ſich gu bengen ift edelfter Rubm.
Gieb dich gebunden, Herz, und verforen auf ewig
an ibn, deinen ftarfen und herrlichen Herrn.
O Witihis,” rief fle und ſank fortgeriffen vom Ges
fühl halb auf's nie, fid an das Lager Lehnend und gu
ber Büſte aufblidend mit fdwimmenden Augen —,id
bin dein. Thun wie du willt mit meiner Seele!
Vernichte fie! nur gefteh, dak du glücklich bift, glitds
lid) Durd mid."
Und fie bewgte das ſchöne Haupt vor, nach den ge⸗
faltnen Händen.
Doch plötzlich fuhr ſie empor.
Licht, helles Licht floß in's Gemach.
An der offnen Thitre ſtand ver König: draußen auf
dem Gang zeigten ſich zahlreiche Gothen und Ravennaten
mit hellen Fackeln.
„Dank, meine Freunde,“ ſprach der König mit ernſter
Stimme. „Dank, fitr das Feſtgeleit.
Geht nun und vollendet die Nacht,“ und er wollte
die Thüre ſchließen.
„Halt,“ ſprach Hildebrand, mit der Hand die Thitre
wieder Bffnend, fo dak Mataſwintha ſichtbar ward, bier
febt ihr, alles Volk: der Mtann und das Weib, die
bent wir vermabit, find glitdlid geeint im Ehegemach.
28
Ihr fehet Witidhis und Matafiwintha: und ihren erften
ehelichen Kuß.“
Mataſwintha erbebte.
Sie wankte, und ſchlug erglühend die Augen nieder.
Unſchlüſſig ſtand der König in der Thür.
„Du kennſt der Gothen Brauch,“ ſprach Hildebrand
laut, „ſo thu' danach.“
Da wandte ſich Witichis raſch, ergriff die zitternde
Linke Mataſwinthens, führte ſie ſchnell einen Schritt vor⸗
wärts und berührte mit den Lippen ihre Stirn.
Mataſwintha zuckte.
wpe euch!“ rief Hildebrand. Wir haben geſehn
den bräutlichen Kuß.
Wir bezeugen hinfort den ehlichen Bund! Heil
König Witichis und ſeinem ſchönen Weib, der Königin
Mataſwintha.“
Der Zug widerholte den Ruf und Hildebrand, Graf
Grippa, Herzog Guntharis, Hildebad, Aligern und der
tapfre Bandalarius (Bannertrager) des Königs, Graf
Wiſand von Volſinii, lagerten ſich neben den ſechs Frauen
und Mädchen vor ver Thüre des Brautgemachs, welche
Witichis nun ſchloß.
Sie waren allein.
Witichis warf einen langen, prüfenden Blick durch
das Gemach.
Das erſte, was Mataſwintha that, war, — ſein Kuß
brannte auf ihrer Stirn, — das ſie unwillkürlich ſoweit
als möglich von ihm hinweg glitt
29
So war file — fie wufte nicht wie — in die fernfte
Ede des Bimmers, an das Fenfter, gelangt.
Witichis modte es bemerfen.
Gr ftand hart an der Schwelle, die Hände auf dad
mächtige, breite und faft brufthohe Schwert geftiigt, dad.
er, aus dem Webhrgehang genommen, in der Scheide, wie
einen Stab, in der Rechten fithrte.
Mit einem Seufjer trat er einen Schritt vor, das
Auge rubig auf Mataſwintha geridtet.
„Königin,“ fprad er und feine Stimme drang ernſt
und feierlid) aus fener Bruft, ,fet getroft!
Ich ahne, was du fitrdtend fühlſt in garter Mädchenbruſt.
Es mufte fein.
Sch durfte dein nidjt foonen. :
Das Wohl ves Volks gebot’s: ich griff nach deiner
Hand: fle mug mein fein und bleiben.
Dod) bab’ ih ſchon in allen diefen Tagen dir ges
zeigt, daß deme Scheu mir beilig.
Sh habe did) gemieden: — und wir find jest gum
erften Mal allein.
Aud) diefe geprefte bange Stunde bhatt’ id) dir gern
erfpart: e8 ging nicht an.
Du fennft, glaube ich, die alte Sitte des Brautgeleits.
Und du weift, in unfrem Fall liegt Wes daran, fie
nicht zu verlegen.
Als ich in dies Gemach trat, und die Röthe in deinen
Wangen aufflammen ſah, — lieber hätt' ich im ödeſten
Berggeklüft dieſes müde Haupt auf harten Fels zur
Ruhe gelegt
30
Es ging nidt: Hildebrand und Graf Orippa und
Herzog Guntharis hüten diefe Schwelle.
Gonft ift fein Ausgang aus diefem Gemad.
Wollt’ id dich verlaffen, es gabe Lärm und Spott
und Streit: und neuen Zwiſt vielleidt.
Du muft mid diefe Nacht in deer Mabe yulden.”
Und er trat einen Schritt weiter vor und nahm
pie ſchwere Krone ab: aud) den PBurpurmantel, welden
er, abnlid dem Matafwinthens, über der Schulter trug,
warf er ab.
Bitternd, ſprachlos lehnte Matafwintha an der Wand.
Witichis drückte vies Sehweigen: fo ſchwer er felber
litt, ihn pauerte des Mädchens.
„Komm, Matafmintha,” ſprach er.
‚„Verharre nidt in unverſöhntem Born.
Es mufte fein, fag’ ich dir.
Lak uns, was fein mug, edel tragen und nidt durd
Kleinheit uns verbittern.
Sd) mufte deine Hand nehmen, — dein Herz bleibt frei.
Ich weif, pu liebft mid) nicht: du fannft, du follft,
bu darfſt mid) nicht lieben.
Dod glaub’ mir: revlich ift mein Herz und achten
follft Du immerdar den Mann, mit dem du diefe Krone
theilft.
Auf gute Freundſchaft, Königin der Gothen! “
Und er trat zu ihr und bot ihr die Redte.
Nicht Langer hielt ſich Mataſwintha: raſch ergriff fle
feine Hand und fant jugleid) gu feinen Füßen nieder,
daß Witichis überraſcht zurücktrat.
31
„Nein, weiche nicht guritd, bu Herrlider!" rief fie.
„Es ift dod fein Entrinnen vor dir!
Nimm Wes hin und wiffe Alles.
Du fpridft von Bwang und Furdt und Unredt,
das Du mir gethan.
O Witichis, wohl hat man mid gelehrt — das Weib
fol tmmer Flug verbergen, was e8 fühlt, foll fic) bitten
lafjen und erweichen und nur gendthigt geben, was es
aus Liebe giebt, aud) wenn ihr ganged Herz danad
verlangt.
Gie foll niemals —
Hinweg mit diefen niedrigen Planen armer Kiugheit !
Lak mid) thöricht fein!
Nicht thdridyt! Offen und groß, wie deine Sele !
Nur Größe fann did) verdienen, nur das Uns
gewöhnliche.
Du ſprichſt von Zwang und Furcht? Witichis, du
irrſt! — Es brauchte keines Zwangs! — germ" —
Staunend hatte ſie Witichis eine Zeit lang angeſehen.
Jetzt endlich glaubte er, ſie zu verſtehn.
„Das iſt ſchön und groß, Mataſwintha, daß du
feurig fühleſt für dein Volk, die eigene Freiheit ohne
Zwang ihm opfernd.
Glaub' mir, ich ehre das hoch, und ſchlage das
Opfer darum nicht niedriger an. That ich doch deß—⸗
gleichen! Nur um ves Gothenreiches willen griff id
nach deiner Hand und nun und nie kann ich dich
lieben.“
Da erſtarrte Mataſwintha.
32
Gie ward bleid wie eine Mtarmorftatue: die Arme
fielen iby fcblaff berab: fie ftarrte ihn mit großen, offmen
Wugen an.
„Du liebſt mid nicht? du fannft mich nidt leben !
Und vie Sterne Logen dod! Und es ift doch tein Gott!
Gag, bin id denn nicht Matafwintha, die du das
ſchönſte Weib ver Erde genannt?”
Aber der König beſchloß, diefer Aufregung, die er nicht
verftand und nicht errathen wollte, rafd ein Ende gu
machen. \
„Ja, du bift Matafwintha, und theilft meine Rrone,
nidt mein Herz. Du bift nur die Gemalin des Kinigs,
aber nidt das Weib des armen Witichis.
Denn wiffe, mein Herz, mein Leben ift auf ewig
einer Undern gegeben.
G8 lebt ein Herz, cin Weib, das fie von mir ges
riffen: und dem dod) emig mein Herz gu eigen bleibt.
Rauthgundis, mein Weib, mein treues Weib im
Leben und im Tod."
„Ha!“ rief Matafwintha, wie von Fieber gefditttelt
und beidve Arme erhebend, und du haft e8 gewagt —“
Die Stimme verfagte thr.
Aber aus ihren Wugen foderte Feuer auf den Konig.
„Du wagit es!" rief fie nodmals —
„Hinweg, hinweg von mir!“ :
„Still,“ ſprach Witichis, ,willft du die Lauſcher
draußen herbei rufen? Gaffe dich, ich verftehe vich nicht.“
Und rafd) zog er das madtige Schwert aus der
Scheide, trat pamit an das Doppel⸗Pfühl und legte es auf
33
pen Rand der beiden Lager, wo fie eng an einander
ſtießen.
„Sieh hier dies Schwert!
Es ſei die ewige, ſcharfe, eherne, kalte Gränze
zwiſchen uns! Zwiſchen deinem Weſen und dem Meinen.
Beruhige dich doch nur. Es ſoll uns ewig ſcheiden.
Ruhe du hier zur Rechten ſeiner Schneide —
Ich bleibe links.
So theile, wie ein Schwertſchnitt, dieſe Nacht für
immer unſer Leben!“
Aber in Mataſwinthens Buſen wogten die mächtig⸗
ſten Gefühle, furchtbar ringend, drohend: Scham und
Zorn, Liebe und glühender Haß.
Die Stimme verſagte ihr.
„Nur fort, fort aus ſeiner Nähe,“ konnte ſie noch
denken.
Sie eilte gegen die Thür.
Aber mit feſter Hand ergriff Witichis ihren Arm.
„Du mußt bleiben.“
Da zuckte ſie zuſammen: das Blut ſchoß in ihr auf:
bewußtlos ſank ſie nieder.
Ruhig ſah Witichis auf fle herab. „Armes ind,“
ſprach er, „der ſchwüle Duft in dieſem Gelaß hat ſie
ganz verwirrt! Sie wußte nicht, was ſie ſinnlos ſprach!
Was iſt deine kleine mädchenhafte Verwirrung gegen
Rauthgundens Herzzerreißung und die Meine.“
Und leiſe legte er die Beſinnungsloſe auf das Pfühl
zur Rechten des Schwertes.
Er ſelbſt ſetzte ſich nun, in ſeinen Waffen klirrend,
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 3
34
auf den Bodenteppid) gur Linen und lehnte den Riiden
an das Lager.
Yang fag er fo, vas Haupt vorgebeugt und die
Lippen auf ein blondes Haargefledht gedriidt, das er in
Heiner Gapfel auf vem Herzen trug.
Es fam fein Schlaf in feine fummervollen Augen. —
Mit dem erften Hahnenſchrei verlieR vie Brautwade
ihren Poſten, von Fldtenblajern abgebolt.
Gleich darauf fdritt ver Konig aus vem Gemad,
in voller Ritftung.
Die Flöten hatten auch Mtatafwintha gewedt.
Aſpa, die ſich leife heranfdlid, hörte plötzlich einer
dumpfen Slag.
Gie eilte in das Gemad.
Da ftand die Königin, auf des Königs langes Schwert
geftiigt, und ftarrte vor fid) zur Erde.
Der Axestopf lag zertrümmert gu ihren Füßen.
Drittes Capitel.
Im friedlichen Licht des ſpäten Nachmittags {dims
merten die Kirche und das Kloſter, welches am Fuß
des Apenninus nordöſtlich von Peruſia und Aſiſium,
ſüdlich von Petra und Cugubinm, hod auf dem Felſen⸗
bang oberhalh des Heinen Fleckens Taging, Valerius
gebaut, feine Lodter vom Dienft des Senfeits einzulöſen.
Das Mlofter, aus dem dunfelrothen Geftein ver Gee
gend aufgefithrt, umfriedete mit feinen Geviertmauern
einen ftillen Garten von dichtem gritnem Laubwert.
Wn allen vier Seiten deſſelben liefen kühle Bogen:
gange bin mit Upoftelftatuen und Moſaik und mit Fres⸗
fen auf golonem Grund geſchmückt.
WN vies Bildwerf hatte den freudlofen byzantiniſchen
Ernft: e8 waren ſymboliſche Darfteungen aus ver het
ligen Schrift, zumal aus der Offenbarung Johannis,
dem Lieblingsbuch jener Zeit.
Feierliche Stille waltete rings.
Das Leben ſchien weithin ausgefdloffen von diefen
hohen und ftarfen Mauern.
Gypreffen und Thuien walteten vor in den Baum:
3*
36
gruppen des Gartens8, in weldem nie eines Vogels Ge—
fang vernommen ward.
Die ftrenge Kofterordnung duldete die Vöglein nit,
auf dag nidjt ver Nachtigall ſüßes Rufen die frommen
Seelen in ihren Gebeten ſtöre.
Caffiodor war e8, welder, ſchon als Minifter Theo⸗
derichs einer ftreng firdliden Ridtung ergeben und
biblifder Gelehrfamfeit voll, feinem Freunde Valerius
en ganjen Plan der äußeren und inneren Cinvidjtung
feiner Stiftung entworfen — ähnlich ver Regel ves
Männer⸗Kloſters, welches er felbft gn Gquillacium in
Unteritalien gegriindet — und deffen Ausführung fibers
wadt hatte.
Und fein frommer, aber ftrenger, ver Welt und dent
Fleiſch feindlid) abgemendeter Geift dritdte fid) denn im
Gripten wie im Kleinſten dieſer Schöpfung aus.
Die zwanzig Bungfrauen und Wittwen, welde hier
al8 Religiofa lebten, verbradjten in Beten und Pfalmen-
fingen, in Bue und Caſteiung ihre Tage.
Dod aud in werkthatiger driftlider Liebe, in
bem fie die Armen und Kranfen der Umgegend in thren
Hiitten auffucdten und ibnen Geele und Leib trofteten
und - pflegten.
Es machte einen feierlidjen, poefievollen, aber febr
ernften Eindruck, wenn durdy die dunkeln Cyprefjengange
hin eine dieſer frommen Beterinnen wanbdelte, in dem
faltenreichen, dunfelgrauen Schleppgewand, auf dem Haupt
vie weiße enganfdlieBende Ralantifa, eine Tracht, welche
37
pas Ghriftenthum von den ägyptiſchen Sfisprieftern über⸗
fommen.
Vor ven oft in Kreuzesform gefdnitinen Buchsge⸗
bitfchen blieben fie ftehen und kreuzten die Urme anf
ver Bruft.
Immer gingen fie allein und ftumm, wie Sdhatten,
glitten fie bet jeder Begegnung aneinander vovitber.
Denn vas Gefprad war auf das Unerläßliche be-
ſchränkt.
In der Mitte des Gartens floß ein Quell aus
dunklem Geftein, von Cypreſſen überragt.
Marmorſitze waren in den Stein gehauen.
Es war ein ſtilles, ſchönes Plätzchen: wilde Roſen
bildeten dort eine Art Laube und verbargen beinahe völlig
ein finſteres, rohes Steinrelief, welches die Steinigung
des heiligen Stephanus darſtellte.
An dieſem Quell ſaß, eifrig leſend in aufgerollten
Papyrosrollen, eine ſchöne, jungfräuliche Geſtalt in ſchnee⸗
weißem Gewand, vas eine goldne Spange itber’ der
linken Schulter zuſammenhielt, das dunkelbraune Haar,
in weichen Wellen zurückgelegt, umflocht eine fein ge—
ſchlungene Epheuranke: — Valeria war's, die Römerin.
Hier, in dieſen entlegenen, feſten Mauern hatte ſie
Zuflucht gefunden, ſeit die Säulen ihres Vaterhauſes zu
Neapolis niedergeſtürzt.
Sie war bleicher und ernſter geworden in dieſen
einſamen Räumen.
Aber thr Auge leuchtete nod in ſeiner ganzen ſtol⸗
zen Schönheit.
38
Sie [a8 mit grofem Cifer; der Inhalt ſchien fie
lebhaft fortzureißen, die feingefdnittenen Lipper bewegten
fich unwillkürlich und gulegt ward die Stimme der Lefen-
ven leiſe vernehmlid:
— — „Und er vermablte die Tochter dem erzum⸗
pangerten Hektor —
Die fam jest ihm entgegen, die Dienerin folgte gu-
gleid) thr,
Tragend am Bufen das jarte, nod) gang unmiindige
Knäblein,
Hektors einzigen Sohn, holdleuchtendem Sterne vers
gleichbar.
Schweigend betrachtete Hektor mit lächelndem Blicke
den Knaben.
Aber Andromache trat mit thränenden Augen ihm näher,
Drückt' ihm zärtlich die Hand und begann die ges
fliigelten Worte :
‚Böſer, dic) wird nod verderben dein Muth! Und des
fallenden Knäbleins
Sammert dich nicht, nod) meiner, die bald, ad) Wittwe
pon Heltor
Gein wird. Bald ja werden die grimmigen Feinde
vid) tédten,
Alle mit Macht einftiirmend anf vid. Dann wir’
mir das Beſte,
Dah mich die Erde bededt, wenn du ſtirbſt: bleibt pod
mir in Zukunft |
Nie ein anderer Croft, wenn dich wegraffte das Schickſal:
39
Nein, nur Traver: lang ift mein Vater dabin und
pie Mutter:
Du nur allein bift Vater mix jet und Mutter und
Whee —“
Gie (a8 nidjt weiter: die großen runden Augen
murden fendt, ihre Stimme verfagte; fle neigte bag
bleiche Haupt.
‚„Valeria,“ fprad eine milde Stimme, und Caffiodor
Heugte ſich über thre Schulter.
„Thränen über dem Buch des Troſtes?
Uber was ſehe id) — die Ilias! Mind! ich gab
dir dod die Evangelien.“
„Verzeih mir, Caffiodorins. Es hängt mein Her;
nod) andern Göttern an als deinem. .
Du glaubft nicht, je gewaltiger von allen Seiten
her die Schatten ernfter Cntfagung auf mid) eindringen,
feit id) bei dir und in diefen Mauern weile, defto trampf-
hafter klammert fid) das widerſtrebende Herz an die letten
Fäden, die mic) mit einer andern Welt verbinden.
Und gwifden Grau'n und Liebe rathlos fdwantt der
Ginn."
woaleria, du haſt feinen Frieden in diefem Hans
bes Friedens gefunden.
Wohlan, fo zteh binaus.
Du bift ja fret und Herrin deines Willens.
Kehre zurück zu jener bunten Welt, wenn du glaubſt,
dort dein Glück zu finden.“
Sie aber ſchüttelte das ſchöne Haupt.
„Es geht nicht mehr.
40
Feindlich ringen in meiner Geele zwei Gewalten.
Welche aud) fiege, — ich verltere immer.”
„Kind, fprid nicht fo! pu kannſt die beiven Mächte,
Erdenluft und HimmelSfeligheit, nicht wie zwei gleide
Dinge in einer Wage wiegen."
„Weh' denen, fubr fie, wie mit fic felbft fpredenn,
fort, ,welden das Schickſal den gefpaltnen Doppeltried
in die Geele gepflangt, der bald gu den Sternen nad
oben, bald nieder gu den Blumen zieht.
Ste werden feines per betden froh.”
„In dix, mein Rind,” ſprach Caffiodorius, ſich gu
ihy fegend, ,walten freilid) unverſöhnt deines weltliden
Vaters und deiner frommen Mutter Ginn.
Dein Vater, ein Römer der alten Art, ein Rind
ber ftolzen, rauhen Welt, kühn, ficher, felbftoertranend,
nad Gewinn und Macht ftrebend, wenig, alljuwenig,
fürcht' icy, ergriffen von dem Geift unſeres Glanbens,
der nur im Senfeits unfere Hetmath fudt, — in der
That Valerius, mein Freund, war mehr ein Heide denn
ein Chriſt.
Und daneben deine Mutter, fromm, fanft, aus etnem
Martyrergefdledt, den Himmel fudend und ver Erde
vergefjen, aud) fie hat wohl ein Theil von ihrem Wefen
in did) —" ;
Rein," fprad Valeria aufftehend und das edle
Haupt fraftig guriidwerfend, „ich fühle nur des Vaters
Wrt im mir.
Rein Tropfen Blut neigt jener Seite ju.
Die Mutter war viel franf und ftarb fdon frith.
41
Unter meines Vaters Wugen wuchs id auf; Iphi⸗
genta und Antigone und Nanfifaa, Cloelia und Lucretia
und Virginia waren die Freundinnen meiner Sugend.
Nicht viele Priefter jah man in des Kaufherrn Haus
und wenn er Abends mit ihr fag und (a8, fo waren’s
Livius und Tacitus und Vergilius, nicht das heilge
Bud ver Chriſten.
So wuchs ich heran bis in mein fiebzehntes Baby,
ven Ginn allein auf diefe Welt gerichtet.
Denn aud) vie Tugenden, die der Vater pried und
übte, fie galten nur dem Staat, dem Haus, den Freunden.
Glücklich war ich im jener Beit, ungefpalten meine
Seele."
»Du wart eine Heidin trog des Taufwaffers.“
„Ich war glitdlid.
Da famen wir auf einer Reife guerft in diefe Mauern
mit threm Grabesernft und vunfle fdwere Schatten fielen
hier zuerſt im meine Geele.
Did) fand ich hier und du entdedteft mir, was man
mir bisher forgfaltig verborgen hatte, dag meine Dtutter
in ſchwerer Krankheit mid fdon vor meiner Geburt durch
ein Gelübde dem ebelofen Leben im Mofter geweiht,
wenn Gott fie und ihr Rind am Leben erbalte, und dak
mein Vater, vem diefer Gedante unertraglid, fpater mtd)
vom Himmel eingelift, indem er, freilid) mit Zuftimmung
des Bifdofs von Rom, ftatt die Tochter hingugeben,
Rirde und Kloſter hier gebaut.“
„So ift e8, Rind, mit vem vierten Theil feines Vers
mögens!
_ 42
Dariiber fannft du did) beruhigen.
Der Nachfolger des heiligen Petrus, ver die Macht
hat gu binden und zu löſen, hat den Lanfd, dite Um⸗
wandlung ded Geliihdes gebilligt. Ou bift frei.”
„Aber id) fühle mid) nicht fret!
Nicht mehr feit jener Stunde!
Was and) vit, was aud) der Vater gefagt, tief, ttef
in meinem Herzen fpricdt eine Stimme: der Himmel
nimmt nidt todtes Gold ftatt einer lebendigen Seele.
Das Schidfal lage fic nicht abfaufen, was einmal
thm verwirft war.
Die finftve, ernfte, drohende Macht jenes heiligen
Glaubens, der meiner Seele fremd gewefen und geblieden
ift, die in diefem feierlidben Raume wohnt, hat ein Recht,
ein zwingend Herrſchaftsrecht über meine Geele und läßt
nidt davon.
Sh bin thy verfallen.
Shr gehör' id) an, nidt wollend, widerftrebend, aber
ficher dod).
Der Welt der Entfagung, des Schmerzes, ber Dornen:
nicht jener goldnen Welt meines Homers, der Blumen
und des Gonnenfdeins, gu der nod) immer von innen
meine ganze Geele neigt.
So oft ich's auch vergeffen will, immer ziehen wieder
pie Wolkenſchatten über meine Seele.
Sie drohen im Hintergrunde aller Freuden: wie dort
vas finftre Martyrbild hinter den rothen Rofen."
‚Valeria, Du haffeft, fcheint’s, was du verebren
ſollteſt.“
43
Ich haſſe es nidt.
Ich fürchte es.
Wohl war eine Beit" — und ein Strahl der Freude
flog ither ihre Biige — da glaubte id) den dunkeln
Schatten für immer beflegt von einem Hellen Gott des
Lichts. |
Als ich guerft ves jungen Gothen ladend Auge fab
und feine fonnige Geele mid) umſchloß, al8 foviel Jugend,
Liebe und Glid mid umflutheten, da wähnte ic) wobl,
fic immer fet jener Bann geldft.
Aber es währte nidt lang.
Der finftrve Gott ves Schmerzes pochte vernehmlich
an die golbne Wand, die ich awifden ihn und mid) ges
baut und immer naber dringen feine Schläge.
Der Krieg bridt aus, mein theuver Vater fallt und
nimmt einen verhängnißvollen Cid des Geliebten mit fid
in’8 Grab. .
on Schutt verfinft das Gaus meiner Whnen und
ih muß fliichten aus meiner Vaterftadt.
Sie fallt dem Feinde gu.
Mur das Opfer eines köſtlichen Lebens rettet mir
den Geliebten.
Die Woge des Krieges verſchlägt ihn fern von mir.
Und wie th ermade ans der Betaubung dieſes
Streichs — find’ ich mid) hier, im diefem großen Grabe,
dem Ort meiner Beſtimmung.
Ach, Du wirft feben, der Himmel begniigt fich nicht
mit tem leeren Grab. |
Gr fordert aud die Leiche, die hinein gehört.“
44
„Valeria! du follteft Raffandra heißen.“
„Ja, denn Kaſſandra ſah die Wahrheit, ihre Geſichte
trafen ein!“
„Du weißt, wir erkennen einer Seele den Preis zu,
die der Erde vergißt über dem Himmel.
Aber Gott will erzwungne Opfer nicht.
Und ſo ſag' ich dir, du quälſt dich mit eitlem Vor⸗
wurf.
Der Pabſt hat dich gelöſt, ſo biſt du frei.“
„Die Seele löſt fein Pabſt.
Der Pabſt nimmt Gold, das Schickſal nicht.
Du wirſt erfüllt ſehen, was ich dir ahnend vorher⸗
ſage — nie werd ich glücklich, nie werd ich Totila's und
dieſe Stätte wird —“
„Und wenn's ſo wäre?
Hängſt du denn noch gar ſo feſt an Glück und
Hoffnung?
Freilich, du biſt noch jung.
Aber Kind, ich ſage dir: je früher du dich losmachſt,
deſto größerem Weh entrinnſt du.
Ich habe die Welt und ihre falſchen Freuden und
Ehren alle gekoſtet und ſie alle eitel und treulos erfunden.
Nichts auf Erden füllt die Seele aus, die nicht von
dieſer Erde iſt.
Wer das erkennt, der ſehnt ſich hinweg aus dieſer
Welt der Unraſt und der Sünde.
Erſt in der Welt jenſeits des Grabes iſt deine
Heimath. Dahin verlangt vite ganze Seele —"
45
Mein, nein, Cafftodorius," rief vie Römerin, meine
ganze Seele verlangt nad) Glück auf diefer ſchönen Erde!
Shr gehör' ich an!
Auf ihr fühl' ich mich heimiſch.
Blaner Himmel, weiker Marmor, rothe Rofen,
linde, duftgefüllte Whendluft — wie feid ihr ſchön!
Das will ich einathmen mit entziidten Sinnen!
Wer das genieft, ift glücklich!
Web vem, der es verloren.
Bon deinem enfeits hab’ id fein Bild in meiner
bangen Seele!
Nebel, Schatten — graues Ungewiß allein liegt jens
feit des Grabes.
Wie ſpricht Achilleus?
„Tröſte mid) doch nicht über den Tod! Du kannſt
nicht, Odyſſeus!
Lieber ja möcht' ich das Feld als Lohnarbeiter
beſtellen
Für den bedürftigen Mann, dem nicht viel Habe
geworden,
Als hier allzumal vie Schatten der Todten be—
herrſchen.“
So empfind' auch ich.
Weh' dem, den nicht die goldne Sonne mehr beſcheint.
O wie gern, wie gern wär' ich glücklich in dieſer
ſchönen Welt, in meinem ſchönen Heimathland: wie
fiirdht’ id) das Unbeil, das dod) unaufhaltſam näher
tringt, wie bier auf diefer Wand mit der finfenden
Sonne die Schatten unhörbar wachſen.
46
©, wer ihn aufhielte, den furdtbar nabenden Schatten
meines Lebens |"
Da drang vom Cingang her ein heller, kräftigluſtger
Schall, ein fremder Ton in diefen ftillen Mauern, welche
nur vom leiſen Choral der Sungfraun wiedertinten.
Die Trompete blies den muntern, friegerifden
Feldxuf der gothifdben Reiter: belebend vrang der Ton
in die Seele BValerias. ,
Aus vem Wobhngebaude aber eilte ver alte Pfdrtner
herbei.
„Herr,“ rief er, „keckes Reitervolk lagert vor den
Mauern.
Sie lärmen und verlangen Fleiſch und Wein.
Sie laſſen ſich nicht abweiſen und der Führer: — da
iſt er ſchon“ —
„Totila!“ jauchzte Valeria und flog dem Geliebten
entgegen, der in ſchimmernder Rüſtung, vom weißen
Mantel umwallt, waffenklirrend, heranſchritt.
„O du bringſt Luft und Leben!“
„Und neues Hoffen und die alte Liebe," rief Totila.
Und ſie hielten ſich umſchlungen.
„Wo kommſt du her? Wie lang biſt du mir fern
geblieben!“
„Ich komme graden Weges von Paris und Aurelia⸗
num, von den Höfen der Frankenkönige.
O Caſſiodor, wie gut ſind jene daran jenſeit der
Berge!
Wie leicht haben ſie's!
47
Da kämpft nicht Himmel und Boden und Erinnerung
gegen ihre Germanenartt.
Mahe ift der Rhenus und Danubins und ungezählte
Germanenftimme wobhnen dort in alter ungebrodner Kraft
— wir dagegen find wie ein vorgefdobner, verlorner Poften,
ein einzler Felsblod, den rings feindlides Clement benagt.
Dod) defto größer,“ fprach er, fic) aufridtend, „iſt der
Ruhm, hier, mitten im Römerland, Germanen ein
Reidy zu bauen und gu erhalten.
Und welder Zauber liegt auf deinem Baterland,
Valeria.
Gs ift das unfre aud) geworden!
Wie froblodte mein Herz, als mid) wieder Ofiven
und Lorber begriiften und des Himmels tiefes, tiefes
Blau.
Und id) fithlte Mar: wenn mein edles Volk ſich ſieg⸗
reid) erhalt in diefem edlen Land, dann wird die Menfd-
heit thr edelſtes Gebilde hier erftehen ſehn.“
Baleria dritdte vem Begeifterten vie Hand.
»Und was haft du ausgerichtet?“ fragte Caſſiodorius.
woiel! — Wes!
Sh traf am Hofe “des Merowingen Childebert Ge-
fandte von Byzanz, die ihn fdon halb gewonnen, als
fein Bundesgenoffe in Stalien eingufallen.
Die Götter — vergieh mix, frommer Vater — der
Himmel war mit mir und meinen Worter.
G8 gelang, ihn umzuſtimmen. Schlimmſtenfalls
ruben fetne Waffen gang. Hoffentlid) fendet er uns ein
Heer gu Hiilfe.“ :
48
„Wo TieReft vu Julius?“
„Ich geleitete ihn bis in feine fine Heimathftadt
Avenio.
Dort liek ich thn unter blithenden Dtandelbdumen
und Oleandern.
Dort wandelt er, faft nie mehr ben Platon, meift
ven Auguſtinus in der Hand und träumt und trdumt
pom ewigen Balterfrieden, vom höchſten Gut und von
bem Staate Gottes!
Wohl ift es ſchön in jenen grünen Thälern — dod
neid’ id) ihm die Muße nicht.
Das Höchſte ift nas Volk, vas Baterland!
Und mid verlangt’s, für diefes Vol! ver Gothen gu
fampfen und zu ringen.
“ Ueberall, wo id) des Rückwegs fam, trieb id die
Manner zu den Waffen an.
Schon drei ſtarke Scharen traf id) anf vem Wege nad
Ravenna.
Sd) felber führe eine vierte dem wadern König zu.
Dann geht es endlid) vorwärts gegen diefe Grieden,
und dann: Race fiir Neapolis !“
Und mit bligenden Wugen hob er den Speer — er
war fehr {din zu ſchauen.
Entzückt wart fid) Valeria an feine Bruft.
mw fieh, Caffiodorius, dads ift meine Welt! meine
Freude! mein Himmel!
Mannesmuth und Waffenglan; und Volfesliebe und
pie Geele in Lieb' und Hak bewegt — fiillt das die
Menſchenbruſt nidt aus 2
49
oa wohl: im Glück und in der Sugend!
Cs ift ver Schmerz, dev uns zum Himmel führt.“
Mein frommer Vater ,“ fagte Totila, mit der Linken
Valeria an fic) .vriidend, mit der Rechten an feine
Schulter rührend, „ſchlecht ſteht mir an, mit div, Dem
Aeltern, Weifern, Befferen gu ftreiten.
Uber anders ift mein Herz geartet.
Wenn id) je zweifeln fdnnte an eines gittigen Gottes
Walten, fo ift es, wann th Schmerz und unverfduldet
Leiden ſehe.
Als id) der edeln Miriam Ange bredjen fah, da
fragte mein vergweifelnd Herz: „lebt denn tein Gott?"
Sm Glück, im Gonnenfcdein fithl ich den Gott und
feine Gnade wird mir offenbar.
Er will gewiß ver Menſchen Glück und Freude —
der Schmerz iſt ſein heiliges Geheimniß — ich vertraue:
dereinſt wird uns auch dies Räthſel klar.
Einſtweilen aber laß uns auf der Erde freudig das
Unſre thun und keinen Schatten uns allzulang verdunkeln.
In dieſem Glauben, Valeria, laß uns ſcheiden.
Denn ich muß fort zu König Witichis mit meinen
Reitern.“
„Du gehſt von mir? ſchon wieder? Wann, wo,
werd' ich dich wieder ſehn?“
wd) feb’ dich wieder, nimm mein Wort gum Pfand!
Sd weiß, e8 fommt der Zag, da id) mit vollem
Recht vid) aus diejen ernften Mauern führen darf in’s
fonnige Leber.
Lah vid) indeß nicht allzuſehr verdüſtern.
Dabn, Gin Kampf um Rom. IT. 4
50
G8 fommt ver Zag ves Gieges und des Oliids:
und mid) erhebt's, daß ic) zugleich das Schwert fitr
mein Bolt und meine Liebe fibre.”
Inzwiſchen war der Pförtner mit einem Schreiben
an Caſſiodor wieder gefommen.
Aud th muß dic) verlaffen, Baleria,“ fprad er.
„Ruſticiana, des Bosthius Wittwe, ruft mid) dringend
an ihr Gterbebett: fie will ihr Herz erleichtern von alter
Schuld.
Ich gehe nach Tifernum.“
„Dahin führt auch unſer Weg, du ziehſt mit mir,
Caſſiodorius.
Leb wohl, Valeria!“
Nad kurzem Abſchied ſah die Jungfrau den Gee
liebten gehn.
Sie beſtieg ein Thürmchen der Gartenmauer und
ſah ihm nach.
Sie ſah, wie er in voller Rüſtung ſich in den
Sattel ſchwang, ſie ſah mit freudigen Augen ſeine Reiter
hinter ihm traben.
Hell blitzten ihre Helme im Abendlicht, die blaue
Fahne flatterte luſtig im Winde: Alles war voll Leben,
Kraft und Jugend.
Sie ſah dem Zuge nach, lang und ſehnend.
Aber als er fern und ferner ſich hinzog, da wich der
frohe Muth, den ſein Erſcheinen gebracht, wieder von
ihr. Bange Ahnungen ſtiegen ihr auf und unwillkürlich
ſprachen ſich ihre Gefühle aus in den Worten ihres
Homeros:
51
„Sieheſt du nicht wie ſchön von Geſtalt, wie
ſtattlich Achilleus?
Dennoch harrt auch ſeiner der Tod und das dunkle
Verhängniß.
Wenn auch ihm in des Kampfes Gewühl das Leben
entſchwindet.
Ob ihn ein Pfeil von der Sehne dahinſtreckt, oder
ein Wurfſpeer.“
Und ſchmerzlich ſeufzend ſchritt die Jungfrau aus dem
raſch ſich verdunkelnden Garten in die dumpfen Mauern
zurück.
4*
Viertes Capitel.
Inzwiſchen hatte König Witichis in feinem Waffenplatz
Ravenna jede Kunſt und Thätigkeit eines erfahrnen Kriegs⸗
mannes entfaltet.
Während jede Woche, ja jeden Tag vor und in der
Stadt größere und kleinere Scharen von den gothiſchen
Heeren eintrafen, welche der Verrath Theodahads an die
Grenzen geſendet hatte, arbeitete ver König unablaffig
daran, das ganze große Heer, welches allmälig bis auf
ein hundert und fünfzig Tauſendſchaften gebracht werden
ſollte, auszurüſten, zu waffnen, zu gliedern und zu üben.
Denn die Regierung Theoderichs war eine äußerſt
friedliche geweſen: nur die Beſatzungen der Grenzprovinzen,
kleine Truppenmaſſen, hatten mit Gepiden, Bulgaren
und Avaren zu thun gehabt, und in den mehr als
dreißig Jahren der Rube waren die kriegeriſchen
Ordnungen eingeroſtet.
Da hatte der tüchtige König, von ſeinen Freunden
und Feldherrn eifrig unterſtützt, Arbeit voll auf.
Die Arfenale und Werften wurden geleert, in
Ravenna ungeheure Magazine angelegt und gwifden der
53
dreifachen Umwallung der Stadt endloſe Reihen von
Werkſtätten für Waffenſchmiede aller Art aufgeſchlagen,
die Tag und Nacht unabläſſig zu arbeiten hatten, den
Forderungen des kampfbegierigen Königs, des maſſenhaft
anſchwellenden Heeres zu genügen.
Ganz Ravenna ward ein Kriegslager.
Man hörte nichts als die Hammerſchläge der Schmiede,
das Wiehern der Roſſe, den Sturmruf und Waffenlärm
der ſich übenden Heerfcharen.
In dieſem Getöſe, in dieſer raſtloſen Thätigkeit
betäubte Witichis, ſo gut es gehen wollte, den Schmerz
ſeiner Seele und begierig ſah er dem Tag entgegen, da
er fein ſchönes Heer gum Angriff gegen ven Feind
führen könne.
Doch hatte er bei allem Drange, im Kampfgewühl
ſich ſelber gu verlieren, ſeiner Rinigepflicht nicht vergeſſen,
und durch Herzog Guntharis und Hildebad ein Friedens⸗
anerbieten an Beliſar geſendet mit den mäßigſten Bore
ſchlägen.
So von Krieg und Staat ganz in Anſpruch ge⸗
nommen, hatte er kaum einen Blick und Gedanken für
ſeine Königin, welcher er auch, wie er meinte, kein
größeres Gut als die ungeſtörteſte Freiheit zuwenden
konnte.
Aber Mataſwintha war von jener unheilvollen Braut⸗
nacht an von einem Dämon erfüllt, von dem Dämon
unerſättlicher Rache.
In Haß übergeſchlagne Liebe iſt der giftigſte Haß.
Ihre tiefe und leidenſchaftliche Seele hatte von Kind⸗
54
heit an das Ideal dieſes Mannes hoch zu den Sternen
erhöht.
Ihr Stolz, ihre Hoffnung, ihre Liebe, war einzig
an dieſer Geſtalt gehangen und ſicher, wie den Aufgang
der Sonne, hatte ſie die Erfüllung ihrer Sehnſucht durch
dieſen Mann erwartet.
Und nun mußte ſie ſich geſtehn, daß er ihre Liebe
hatte an's Licht gebracht und nicht erwidert: daß ſie,
obwohl ſeine Königin, mit dieſer Liebe wie eine
Verbrecherin dem verſtoßnen und doch ewig allein in
ſeinem Herzen wohnenden Weibe gegenüber ſtehe.
Und er, auf den ſie als Retter und Befreier von
unwürdigem Zwang gehofft, er hatte ihr die hddfte
Schmach angethan: eine Che ohne Liebe.
Gr hatte ihr die Freiheit genommen und fein Herz
dafür gegeben.
Und warum? was war der letzte Grund dieſes Frevels?
Das Gothenreich, vie Gothenkrone.
Sie zu erhalten, hatte er ſich nicht beſonnen, einer
Mataſwintha Leben zu verderben.
„Hätte er meine Liebe nicht erwidert — ich wäre zu
ſtolz, ihn darum zu haſſen.
Aber er zieht mich an ſich, behängt mich, wie zum
Hohne, mit dem Namen ſeines Weibes, führt dieſe Liebe
bis hart an den Gipfel der Erfüllung und ſtößt mich
dann achtlos hinunter in die Nacht unausſprechlicher
Beſchämung.
Und warum? warum das Alles.
Unt einen eiteln leeren Schall: „Gothenreich“.
55
Unt einen todten Reif von Gold.
We ihm, und webe feinem Gipen, dem er dies
Herz geſchlachtet.
Gr foll e8 biifen. An feinem Götzenbilde foll er’s
büßen.
Hat er. mix ohne Schonung mein Idol, fein eigen
Bild, meine ſchöne Liebe mit Füßen getreten, — woblan,
Götze gegen Sige!
Sr foll leben, diefes Reich zernichtet gu ſehen, dieſe
Krone zerſtückt.
Zerſchlagen will ich ihm feinen Lieblingswahn, um
ben er die Blithe meiner Seele gelnidt, zerſchlagen
dieſes Reid) wie feine Büſte.
Und wenn er verzweifelnd, hanbderingend vor den
Trümmern fteht, will id) ihm gurufen: fieh, fo ſehn
die zerſchlagnen Götzen aus.“
So, in der widerſtandloſen Sophiſtik der Leidenſchaft,
beſchuldigte und verfolgte Mataſwintha den unſeligen
Mann, der mehr als ſie gelitten, der nicht nur ſie,
der ſein und des geliebten Weibes Glück dem Vaterland
geopfert.
Vaterland, Gothenreich — der Name ſchlug ohne
Klang an das Ohr des Weibes, das von Kindheit auf
unter dieſem Namen nur zu leiden, dagegen nur für
ihre Freiheit zu ringen gehabt hatte.
Sie hatte nur dem Egoismus ihres Einen Gefühls,
der Poeſie dieſer Leidenſchaft gelebt, und zur Rache,
Rache für die Hinopferung ihrer Seele, dies Gothenreich
zu verderben, war ihre höchſte, grimmige Luſt.
56
O hatte fie, wie jene Dtarmorbiifte, mit Cinem
Streid, dies Reid zerfdmettern finnen!
Mit viefem Wabhnfinn ver Leivenfdaft empfing fle
aber deren gange Damonifde Klugheit.
Sie wufte ihren tddtliden Hak und ihre gehetmen
Radegedanfen ſo tief vor dem König yu verbergen —
fo ticf wie ſich felbft bie geheime Liebe verbarg, welde
fie nod) immer fiir ven grimmig BVerfolgten im tiefften
Bufen trug.
Aud wupte fie dem Konig ein Intereſſe an ber
gothifdjen Sade gu zeigen, welches dad einige Band
zwiſchen ihnen gu bilden fchien und weldes, wenn andy
in feindlidem Ginne, wirflid) in thr beftand.
Denn wohl begriff fie, pak fie vem gehaßten König
nur dann fdaden, feine Gade nur dann verderben
fonnte, wenn fie in alle Gebheimniffe derfelben genau
eingeweiht, mit ihren Stärken wie mit ihren Blößen
genau vertraut war.
Shr hohe Stellung machte ihr leicht möglich, Alles,
was fie wiffen wollte, gu erfahren: ſchon ans Rückſicht
auf ihren großen Anhang fonnte man der Wmelungens
todjter, Der Königin, Kenntniß ver Lage ihres Reiches,
ibres Heeres nidt vorenthalten. .
Der alte Graf Grippa verfah fie mit allen Nach⸗
ridjten, die er felbft erfubr.
Sn widtigeren Fillen wobhnte fie felbft ven Bes
rathungen bei, welde in den Gemadern des Königs
gebalten wurden.
So war Mtatafwintha über die Lage des Reides,
57
nie Starke, Befchaffenheit und Cintheilung des Heeres,
die nadften UAngriffsplane der Feldherren und alle Hoff-
nungen und Befiirdtungen ver Gothen fo gut wie der
Konig felbft unterrichtet.
, Und ſehnlich wünſchte fie eine Gelegenheit herbei.
vies thr Wiffen fo bald und fo verderblid) wie möglich
gu verwerthen.
Mit Belifar felbft m Verkehr gu treten, durfte fie
nidt boffen.
Naturgemäß richteten fic) ihre Augen anf die aus
Surdht vor ven Gothen neutralen, im Herzen aber
ausnabmlos byzantinifd gefinnten Stalier ihrer Umgebung,
mit denen fie leichten und unverdadtigen Verkehr pflegen
fonnte.
Aber fo oft fie diefe Namen im Geifte muſterte, da
war feiner, deſſen Thatkraft und Rlugheit fie das tödt⸗
fide Geheimniß hatte vertrauen mögen, daß die Königin
per Gothen felbjt am Verderben ihres Reiches arbeiten
wolle. |
Diefe feigen und unbedeutenden Mtenfden — die
Tüchtigeren waren längſt gu Cethegus over Belifar ge.
gangen — waren ihr weber ves Vertrauens würdig,
nod fdjienen fie Witichis und feinen Freunden gewadfen.
Wohl fudte fie auf fdlanen Umwegen vdurd ren
Konig und die Gothen felbft yu erfunden, melden unter
allen Römern fie für ihren gefahrlidften, bedeutendften
Feind bielten.
Uber auf foldhe Anfragen und Erfundigungen hörte
58
fie immer nur Cinen Mann nennen, immer und immer
wieder einen Cingigen.
Und ber fag iby unerreidbar fern im Gayitol von
Rom: Cethegus ver Prafect.
Es war ihr unmöglich, ſich in Verbindung mit ibm
gu ſetzen.
Reinem threr römiſchen Slaven wagte fie einen
fo verhangnifvollen Auftrag, als ein Brief nah Bom
war, anguvertranen.
Die Huge und muthige Numiderin, welde den Hak
ibver angebeteten Herrin gegen den rohen VBarbaren, ver
diefe verſchmäht, vollauf theilte, ungeſchwächt bet ihr durch
heimliche Viebe, hatte fic) gwar eifrig erboten, ihren
Weg gu Cethegus gu finden.
Aber Matafwintha wollte das Mädchen nidt den Gee
fahren ener Wanderung durch Stalien mitten durch ben
Krieg ausfegen.
Und fdon gewöhnte fie fic) an den Gedanten, ihre
Rade Lis gu dem Marſch auf Rom zu verfdieben, ohne
ingwifden in ihrem Gifer in Erforſchung ver gothifden
Plane und Riiftungen gu erfalten.
So wandelte fie eines Tages nad der Stadt gus
rid von dem Rriegsrath, welder draugen im Lager, tm
Belt ves Königs war gebalten worden.
Denn feit die Riiftungen ihrer Vollendung nah und
pie Gothen jeden Tag des Aufbruchs gemirtig waren,
hatte Witidhis, wohl aud) um WMatajwintha aus dem
Wege gu fein, feine Zimmer im Palatium verlafjen und
59
feine ſchlichte Wohnung mitten unter feinen Rriegern
aufgeſchlagen.
Langſam, das Vernommene ihrem Gedächtniß ein⸗
prägend und über die Verwerthung nachſinnend, wandelte
die Königin, nur von Aſpa begleitet, durch die äußerſten
Reihen der Zelte, einen ſumpfigen Arm des Padus
zur Linken, die weißen Zelte zur Rechten.
Sie mied das Gedränge und den Lärm der innern
Gaſſen des Lagers.
Während ſie bedächtig und ihrer Umgebung nicht
achtend dahinſchritt, muſterten Aſpa's ſcharfe Augen die
Gruppe von Gothen und Italiern, welche ſich Hier
um den Tiſch eines Gauklers geſchart hatte, der un⸗
erhörte und nie geſehne Künſte zum Beſten zu geben
ſchien, nach dem Staunen und Lachen der Zuſchauer zu
ſchließen
Aſpa zögerte etwas in ihrem Gang, dieſe Wunder
mit anzuſehen.
Es war ein junger, ſchlanker Burſch: nach der blen⸗
dend weißen Haut des Geſichts und der bloßen Arme wie
nach dem langen gelben Haar galliſchen Zuſchnitts ein
Kelte, wozu die kohlſchwarzen Augen nicht ſtimmen
wollten.
Er verrichtete wirklich Wunderdinge auf ſeiner ein⸗
fachen Bühne.
Bald ſprang er in die Höhe, überſchlug ſich in der
Luft und kam doch ſenkrecht, bald wieder auf die Füße,
bald auf die Hände, zu ſtehen.
Dann ſchien er brennende Kohlen mit ſichtlichem
60
Appetit. zu verfpeifen und dafity Münzen auszufpeten: dann
verfdludte er einen fuglangen Dold) unt 30g thn fpater
wieder aus feinen Haaren bervor, um ihn mit dret, oter
anbdern fdarfgefdliffnen Meffern in vie Luft gu werfen
und eins nad) dem anbern mit nie feblender Bebendigs
fett am Griff aufgufangen, wofür ibn Geladter und
Rufe ver Bewunderung von Geite feiner Zufdauer
belohnten.
Aber ſchon zu lange hatte ſich die Sklavin verweilt.
Sie ſah nach der Herrin und bemerkte. daß ihr
Weg geſperrt war von einer Schar italiſcher Laſt⸗
träger und Troßknechte, welche vie Gothenkönigin offenbar
nicht kannten und grade an ihr vorbei, über den Weg
hin, nach dem Waſſer zu, lärmende Kurzweil trieben.
Sie ſchienen ſich aber einen Gegenſtand, den Aſpa
nicht wahrnahm, zu zeigen und ihn mit Steinen zu werfen.
Eben wollte ſie ihrer Herrin nacheilen, als der
Gaukler neben ihr auf dem Tiſch einen gellenden Schrei
ausſtieß; Aſpa wandte fic) erfcbroden und ſah den Gals
fier in ungebeurem Gag über die Köpfe ver Zuſchauer
weg wie einen Pfeil durch vie Luft auf die Stalier los⸗
ſchießen.
Schon ſtand er mitten in dem Haufen und ſchien,
ſich bückend, einen Augenblick unter ihnen verſchwunden.
Aber plötzlich ward er ſichtbar.
Denn einer und gleich darauf ein zweiter der Italier
ſtürzte von ſeinen Fauſtſchlägen nieder.
Im Augenblick war Aſpa an der Königin Seite,
welche ſich ſchnell aus der Nähe der Schlägerei entfernt
61
hatte, aber, gu ver Slavin Befremben, ftehen blieb, mit
vem Finger auf die Gruppe weifend.
Und feltfam in der That war das Schauſpiel.
Mit unglaublider Kraft und nod) größrer Gewantt-
heit wußte der Gaukler das Dugend ver Angreifer fid
vom Leibe gu alten.
Die Gegner anfpringend, fid) wendend und dudend,
weidjend, Dann wieder plötzlich vorfpringend und den
Nächſten am Fuß niederreifend oder mit fraftigem Fauſt⸗
ſchlag vor Bruft over Gefidt niederftredend, webrte er fic.
Und das Wes ohne Waffe: und nur mit der redjten
Hand: denn die linfe hielt er, wie etwas bergend und
ſchützend, dicht an die Bruft.
So wabhrte ver ungleide Kampf minutenlang.
Der Gaukler ward naber und naber von der wüthen⸗
ven, larmenden Menge dem Waſſer gugedrangt.
Da bliste eine Klinge. Ciner der Troßknechte, zornig
fiber einen fdjweren Schlag, zuckte ein Meffer und fprang
ren Gaukler von binten an.
Mit einem Schrei ftiirzte diefer gufammen: die
Feinde fiber thn ber.
‚„Auf! reigt fie auseinander! belft bem Armen," rief
Matafwintha den Kriegern zu, weldje jest vom dem vers
lafjenen Tiſch ver Gothen heranfamen, ich befeble es! die
Königin!“
Die Gothen eilten nach dem Knäul der Streitenden:
aber noch ehe ſie herankamen, ſprang der Gaukler, der
ſich für einen Moment von allen Feinden losgemacht, hoch
aus dem Gewirr und eilte mit letzter Kraft davon, grade
62
auf vie beiden Frauen yu — verfolgt von den Italiern,
welde die wenigen Gothen nicht aufyubalten vermochten.
Weld’ ein Anblick!
Geine gallifdhe Tunica hing ihm in Fegen vom Leibe:
ein Stück feiner gelben Haare fdleifte am Ritden und
fiebe, unter der gelben Perücke fam ſchwarzes glingendes
Haar zum Vorfdein und der weiße Hals verlief in eine
broncebraune Bruft.
Mit legter Kraft erveichte er die Frauen.
Da erfannte er Mataſwintha.
„Schütze mich, rette mid, weiße Oöttin!“ fdrie er
und brad) zuſammen vor Matafwintha’s Figen.
Schon waren die Stalier eran, und der Vorderfte
ſchwang fein Meffer. —
Aber Matafwintha breitete ihren blanen Mantel
über den Gefallnen: „Zurück!“ fprad fie mit Hobbeit,
waft ab von ihm. Cr fteht im Schutz der Gothen-
königin.“
Verblüfft wichen die Troßknechte zurück.
„So?“ rief nach einer Pauſe der mit dem Dolch,
ſtraflos ſoll er ausgehn, der Hund und Sohn eines
Hundes? und fünf von uns liegen am Boden halbtodt?
und ich habe fortan drei Zähne zu wenig? Und keine
Strafe?“
„Er iſt geſtraft genug,“ ſagte Mataſwintha, auf die
tiefe Dolchwunde am Halſe deutend.
„Und all das um einen Wurm,“ ſchrie ein Zweiter,
„um eine Schlange, die aus ſeinem Ranzen ſchlüpfte
und die wir mit Steinen warfen.“
63
„Da febt! er hat vie Matter geborgen, da, an feiner
Bruft. Nehmt fie ihm.“
„Schlagt ibn todt,“ fdrien die Andern.
Aber da famen zahlreiche Gothenfrieger heran und
fchafften ihrer Königin Refpect, die Btalier unſanft
suriidftogend und einen Kreis um den Gefallnen ſchließend.
Afpa blidte ſcharf yu und augenblidlich fank fie mit ge-
kreuzten Armen neben dem Gaukler mieder.
„Was iſt div, Aſpa? fteh auf!" fprad) Matafwintha
ftaunend. |
„O Herrin!" ftammelte diefe, der Dtann ift fein
Gallier !
Gr ift ein Sohn meines Volkes.
Gr betet gu vem Sdlangengott !
Sieh hier feine braune Haut unter rem Halfe.
Braun wie Afpa, — und hier — hier, eine Scbrift ;
Schriftzeichen eingeritzt über feiner Bruft: die heilige
Geheimſchrift meiner Heimath,“ jubelte ſie.
Und, mit dem Finger deutend, hob fie an gu leſen.
Der Gaufler fdeint verdidtig —
Warum diefe Verftellung?’ ſprach Matafwintha.
„Man mu ibn in Daft nebmen."
Mein, nein, o Herrin,” flüſterte Aſpa.
‚Weißt Du, wie die Snfdrift lautet? — Rein Ange
als meines fann fie Dir deuten.“
„Nun?“ fragte Matafwintha.
Sie lautet,“ flüſterte Aſpa leiſe: „Syphar ſchuldet
ein Leben ſeinem Herrn, Cethegus dem Präfecten.“
Ja, ja ich erkenne ihn, das iſt Syphax, Hiempſal's
64
Sohn, ein Gaftfreund meines Stamms: die Götter fenren
ibn zu uns.”
„Aſpa,“ fprad Matafwintha rafd, ,ja, ihn fenden
Die Götter: bie Götter ver Rade.
Auf, thr Gothen, legt diefen wunden Mann auf eme
Bahre, und folgt damit meiner Stlavin in den Palaft!
ex fteht fortan in meinem Dienſt.“ —
Fünftes Caypitel.
Wenige Lage darauf begab fid) Matafwintha wieder
in's Lager, diedmal nidt von Afpa begleitet.
Denn diefe wid) Lag und Nacht nidt von vem Bette
ihres verwundeten Landsmannes, der unter ihren’ Han-
ven, ihren Kräutern und Sprüchen ſich raſch erbolte.
König Witichis felbft hatte viesmal die Königin ab-
gebolt mit dem ganzen Geleit ſeines Hofes.
Denn in feinem Belte follte heute ver widtigfte
Kriegsrath gehalten werden.
Das Cintreffen der legten Berftarfungen war anf
heute angefiindet: und aud) Guntharis und Hildebad
wurden zuritderwartet mit der Antwort Beltfars auf das
Uriedenganerbieten.
„Ein verhangnifvoller Tag!" fagte Witidhis zu fener
Königin.
„Bete zum Himmel um den Frieden.”
„Ich bete um den Krieg,“ ſprach Mataſwintha, ſtarr
vor ſich hinblickend.
‚Verlangt dein Frauenherz fo ſehr mad) Rache?“
Dahn. Gin Kampf um Rem. WL 5
66
„Nach Rade nur nod ganz allem — und fie wird
mir werden.“
Damit traten fie in dad Relt, welches ſchon von
gothifden Heerführern erfüllt war.
Matafwintha dantte mit ftoljem Ropfbeugen dem
ebrerbietigen Gruß.
„Sind die Gefandten zurück?“ fragte der König, ſich
ſetzend, den alten Hildebrand, „ſo führt fte ein.“
Auf ein Beichen ves Alten erhoben ſich die Seiten
vorhange und Herzog Guntharis und Hildebad traten
ein, fic) tief verneigend.
„Was bringt ihr? Frieden oder Krieg?" fragte
Witichis eifrig.
Krieg! Krieg, König Witichis!“ riefen beide Manner
mit einem Munde.
Wie? Belifar verwirft die Opfer, die ich thm biete ?
Du Haft thm freundlich, eindringlidh, meine Vorſchläge
mitgetheilt 2“
Herzog Guntharis trat vor, und fprad:
ody) traf den Feldherrn im Capitol als Gaſt des
Präfecten und ſprach zu ihm:
„Der Gothenkönig Witichis entbietet dir ſeinen Gruß.
In dreißig Tagen kann er mit hundert fünfzig
Tauſendſchaften wehrhafter Gothen vor dieſen Thoren
ſtehn.
Und ein Schlachten und Ringen um dieſe ehrwür—⸗
dige Stadt wird anheben, wie es ihre ſeit tauſend Jah⸗
ren mit Blut getränkten Gefilde nie geſchaut.
Der König der Gothen liebt den Frieden mehr als
67
felbft den Sieg: under gelobt, dem Raifer Juſtinian die
Inſel Sicilien abjutreten und ihm in jedem feiner Kriege
mit dreifigtaufend Mann Gothen beizuſtehen, wenn ihr
fofort Rom und Stalien raumt, das uns gehort nad
vent Recht der CEroberung wie nad dem Bertrag mit
Raifer Bino, ver es Theoderich überließ, wenn er den
Orovafar ftiirjen könne.“
So fpradh ish, deinem Auftrag gemäß.
Belifar aber lachte und rtef:
„‚Witichis ift ſehr gnädig, mir die Snfel Sicilien
abjutreten, vie id) ſchon habe und er nicht mehr bat.
Sd ſchenke ihm dafür vie Infel Thule!
Nein. Der Vertrag Theoderichs mit Beno war abs
gezwungen und das Recht ver Eroberung, — nun das
ſpricht jest fiir uns.
Rein Friede, als unter der Beringung: das ganze
Gothenheer ftredt die Waffen, und das ganze Volk zieht
fiber die Alpen und fendet König und Konigin als Gei-
feln nad Byzanz.“
Gin Murren der Entriiftung ging durch vas Belt.
„Zornig, ohne Antwort auf folden Vorſchlag, wandten
wir ihm den Ritden und fdpritten hinaus.“
„Auf Wiederfehen in Ravenna,” rief er uns nad.
„Da wandt’ id) mid," ſprach Hilrebad und rief:
„Auf Wiederfehen vor Rom!
Auf Konig Witidhis, jest yu den Waffen,
Ou haſt ras Aeugerfte verfudt an Friedensliebe und
Schmach geernttet.
5*
68 -
Jetzt auf! Lang genug haft du gezögert und gerüſtet!
Jetzt führ' uns an, zum Rampf."
Da tönten Trompetenſtöße aus dem Lager: man hörte
den Hufſchlag eilig nahender Roſſe.
Alsbald hob ſich der Vorhang des Zeltes und eins
trat Totila in glangenden Waffen, vom weifen Dtantel
umwallt.
„Heil meinem König, Heil dir Königin,“ ſprach er
huldigend.
„Mein Auftrag iſt erfüllt: ich bringe dir den Freun⸗
desgruß des Frankenkönigs.
Er hielt ein Heer bereit im Solde von Byzanz, dich
anzugreifen.
Es gelang mir, ihn umzuſtimmen.
Sein Heer wird nicht gegen die Gothen in Italien
einrücken.
Graf Markja von Mediolanum, der bisher die cotti⸗
ſchen Alpen gegen die Franken gededt, ward dadurch fret
ntit feinen Tauſendſchaften: er folgt mir in Gile.
Sm Rückweg hab ich aufgerafft, was ich ivgend von
waffenfabigen Männern fand und die Befasungen der
Burgen an mid gezogen.
Ferner:
Wir hatten bisher Mangel an Reiterei. Getioſt,
mein König: id) führe dir ſechstauſend Reiter gu, auf
herrliden Roſſen.
Gie verlangen, fic zu tummeln in den Cbenen
von Rom.
69
Nur Cin Wunſch lebt in uns allen: führ uns jum
Kampf, gum Kampf nad Rom."
Dab Danf, mein Freund, für did) und deine Reiter.
Sprid, Hildebrand, wie vertheilt ſich jest unfres
Heeres Macht?
Sagt an, ihr Feldherrn, wie viele führt ein jeder
von cud?
Shr Notare, zeichnet auf!"
„Ich führe pret Tauſendſchaften Fußvolk,“ rief
Hildebad.
„Ich vierzig Tauſendſchaften zu Fuß und zu Roß mit
Schild und Speer,“ ſprach Herzog Guntharis.
„Ich vierzig Tauſendſchaften zu Fuß: Bogenſchützen,
Schleudrer, Speerträger,“ ſagte Graf Grippa von
Ravenna.
Od ſieben Tauſendſchaften mit Meſſer und Keule,“
zählte Hildebrand.
„Und dazu Totila's ſechs Tauſendſchaften Reiter und
vierzehn erleſene Tauſendſchaften Teja's mit ver Streit⸗
axt — wo iſt er? ich vermiſſe ihn hier! —
Und ich habe meine Scharen zu Fuß und zu Roß
auf fünfzig Tauſendſchaften erhöht,“ ſchloß der König.
„Das find zuſammen einhundertſechzig Tauſendſchaften,“
ſchrieb der Proto-Notar, die Pergamentrolle dem König
überreichend.
Da flog ein froher Glanz kriegeriſchen Stolzes über
des Königs ernſtes Angeſicht.
„Einhundert Sechzig Tauſendſchaften gothiſche Manner :~
Beliſar, ſollen ſie vor dir die Waffen ſtrecken, ohne Kampf?
70 |
Wie fang braudt ihr nod) Raft, um aufzubrechen ?
Da eilte ver ſchwarze Leja in's Relt.
Sr hatte beim Gintreten die legte Frage vernommen.
Sein Auge fprithte Blige, er bebte vor Zorn.
„Raſt? Reine Stunde Raft mehr: auf yur Rade,
König Witichis !
Gin ungeheurer Frevel ift gefdehn, der Laut mm
Rade gegen Himmel fdreit. Führ' uns fofort gum
Kampf!“
„Was iſt geſchehn?“
„Ein Feldherr Beliſars, der Hunne Ambazuch, um⸗
ſchloß, wie du weißt, ſeit lange mit Hunnen nnd Ar⸗
meniern das feſte Petra.
Kein Entſatz war nah und fern.
Der junge Graf Arahad nur — er ſuchte wohl den
Tod — überfiel mit ſeiner kleinen Gefolgſchaft die Ueber⸗
macht; er fiel im tapferſten Gefecht.
Verzweifelt widerſtand das Häuflein gothiſcher Männer
in der Burg.
Denn alles wehrloſe Volk der Gothen: Greiſe, Kranke,
„Weiber, Kinder, vom flachen Land in Tuſcien, Valeria
und Picenum war bierherher gefliidjtet vor dem Feind,
woh! viele Tauſend.
Endlich zwang fle ver Hunger, gegen freten Abzug
vie Thore yu öffnen. Der Hunne fdwor allen Gothen
in der Stadt, ihr Blut nicht gu vergießen.
Gr 30g cin und befahl den Gothen fid) in der
großen Bafilifa Sanct Zeno's yu verfannneln.
71
Das thaten fie, über fiinftaufend Köpfe, Greife,
Weiber, Kinder und ein Paar hundert Krieger.
Und als fie alle beifammen —“
Leja hielt ſchaudernd inne.
„Nun?“ fragte Matafwintha, erblaffend. ,
da ſchloß ver Hunne die Thüren, umftellte dads
Haus mit feinem Heer und — verbrannte fie alle fiinfe
taufend, ſammt ber Rirde.“
„Und der BVertrag 2" rief Witidhis.
„Ja, fo ſchrien aud) die Vergweifelten thn an durd
Qualen und Flammen.
„Der Vertrag,“ lachte der Hunne, „ſei erfiillt: fein
Tropfe Blutes fet vergoffen.
Uusbrennen miiffe man vie Gothen aus Italien wie
bie Felbmaufe und ſchlechtes Gewürm.“
Und fo ſahn vie Byzantiner yu, wie fünf Tauſend
Gothen, Greife, Weiber, Kranke, Kinder — Konig
Witichis, hörſt du's? — Kinder! elend erftidten und —
verbrannten.
Solches geſchieht und du — du ſendeſt Friedens⸗
boten!
Auf, König Witichis,“ rief der Ergrimmte, das Schwert
aus ver Scheide reißend, „wenn du ein Mann biſt, brid)
jetzt auf zur Rache.
Die Geiſter der Erwürgten ziehn vorauf —
Führ' uns zum Kampf! zur Rache führ' uns an!“
„Führ' uns zum Kampf! zur Rache führ' uns an!“
widerhallte das Zelt vom Ruf der Gothen.
Da ſtand Witichis auf in ruhiger Kraft.
72
„So fol’s fein, das Aeußerſte geſchah. ;
Und unfere befte Riiftung ift unfer Recht: jewt anf,
zum Kampf."
Und er reichte feiner Königin vie Pergamentrolle,
pie er in der Hand hielt, die über feinem Stuhl hängende
Konigsfahne, das blaue Bandum, gu ergreifen.
„Ihr feht das alte Banner Theoderichs in meiner
Hand, das er von Sieg yu Sieg getragen.
Woh! rubt es jest in ſchlechtrer Hand als feine war
— doch zaget nicht.
Ihr wiſſet: übermüthige Zuverſicht iſt meine Sache
nicht, doch diesmal ſag ich euch voraus: in dieſer Fahne
rauſchkf etn naher Sieg, ein großer, ſtolzer, rachefroher
Sieg.
Folgt mir hinaus.
Das Heer bricht auf, ſogleich. Ihr Feldherrn, ordnet
eure Scharen: nach Rom!“
„Nach Rom,“ wiederhallte vas Zelt.
„Nach Rom!“
Sechstes Capitel.
Inzwiſchen ſchickte fic) Belifar an, mit ver Haupte
madjt feines Heered die Stadt zu verlaffen: Johannes
hatte er deren Bewadung itbertragen.
Gr hatte befdlofjen, vie Gothen in Ravenna aufzu⸗
ſuchen.
Gein bisher von keinem Unfall gehemmter Gieget-
lauf und die Erfolge ſeiner vorausgeſchickten Streif—
ſcharen, welche durch den Uebergang der Italier alles flache
Land, auch alle Veſten und Burgen und Städte, bis
nahe bei Ravenna gewonnen, hatten in ihm die Zuverſicht
erzeugt, daß der Feldzug bald beendigt und nur das
Erdrücken der rathloſen Barbaren tn ihrem letzten Schlupf⸗
winkel übrig fei.
Denn nachdem Beliſar ſelbſt den ganzen Süden der
Halbinſel: Bruttien, Lucanien, Calabrien, Apulien, Cam⸗
panien: dann Rom mit Samnium und die Valeria
durchzogen und beſetzt hatte, waren ſeine Unterfeldherrn,
„Beſſas und Conſtantinus, mit ver lanzentragenden Leib⸗
wache des Feldherrn, die unter Führung des Armeniers
Zanter, des Perſers Chanaranges und des Maſſageten
74
Aeſchman ftanden, vorausgefendet worten, Tufcien zu
unterwerfen.
Befjas riidte vor das fturmifefte Narnia: fitr die
pamaligen Belagerungsmittel war die Burgftadt faſt
uneinnehmbar — fie thront auf hohem Berge, deffen
Fuß der tiefe Rar umfpiilt.
Die beiden einzigen Zugänge, vom Often und vom
Weften, find ein enger Felſenpaß und die hohe, alte,
von Raifer Auguftus gebaute, befeftigte Britde. —
Aber die römiſche Bevölkerung überwältigte vie halbe
gothiſche Hundertſchaft, die hier lag, und öffnete den
Thrakiern des Beſſas die Thore.
Dem Conſtantinus erfdloffen. fic) ebenſo ohne
Schwertſtreich Spoletium und Peruſia.
Auf der öſtlichen Seite des joniſchen Meerbuſens
hatte inzwiſchen ein andrer Unterfeldherr Beliſars, der
Comes Sacri Stabuli Conſtantinus, den Tod zweier
byzantiniſcher Heerführer, des Magiſter Militum fir
Illyrien, Mundus, und ſeines Sohnes Mauricius, welche
im Anfang des Krieges bei Salona in Dalmatien im
Gefecht gegen die Gothen gefallen waren, gerächt, Salona
beſetzt und durch ihre große Uebermacht die geringen
gothiſchen Scharen zum Rückzug auf Ravenna gezwun⸗
gen. Ganz Dalmatien und Liburnien war darauf den
Byzantinern zugefallen.
Von Tuſcien aus ſtreiften, wie wir ſahen, die
Hunnen Juſtinians ſchon durch Picenum. und bis in
die Aemilia.
75
Die Friedensvorfdlige ves Gothenkönigs hielt Beli
far daher fiir Beiden ver Schwäche.
Dag die Barbaren zum UAngriff iibergehen könnten,
fiel ihm nicht etn.
Dabei trieb es ihn, Rom gu veriaffen, wo es ihn
anwiterte, der Gaft ves Prifecten gu heifen; im freten
Felde mute fein Uebergewicht bald wieder hervortreten.
Der Prafect ließ das Capitol in der trenen Hut
des Lucius Licinius und folgte dem Zuge Beliſars.
Vergebens warnte er diefen vor all gu grofer Bus
verfidt.
Bleibe du doch hinter ven Felfen ves Capitols, wenn
du die Barbaren fürchteſt,“ hatte dieſer ſtolz geantwortet.
„Nein,“ erwiederte diefer. Cine Niederlage Beli-
favs tft ein gu feltnes Schauſpiel, man darf es nidjt vers
ſäumen.“
In der That, Cethegus hätte eine Demüthigung
des großen Feldherrn, deſſen Ruhm die Italier allzuſehr
anzog, gerne geſehn.
Beliſar hatte ſein Heer aus den nördlichen Thoren
der Stadt geführt und wenige Stadien vor der Stadt
in einem Lager verſammelt, es hier zu muſtern und neu
zu ordnen und zu gliedern.
Schon der ſtarke Zufluß von Italiern, die zu ſeinen
Fahnen geeilt waren, machte es nöthig.
Auch Ambazuch, Beſſas und Conſtantinus hatte er
mit dem größten Theil ihrer Truppen wieder in dies
Lager heraugezogen: fie ließen in den von ihnen ge-
wonnenen Sravten nur kleine Bejagungen zurück.
76
Dunkle Geriidte von einem anvitdenden Gothens
beer Hatten fic) in das Lager verbreitet.
Uber Beliſar ſchenkte ihnen feinen Glauben.
„Sie wagen e8 nidt,” hatte er dem warnenden
Profop entgegnet. „Sie fliegen in Ravenna und zittern
vor Beliſarius.“
Spat in der Nacht lag Cethegus ſchlaflos auf dem
Lager in feinem Relt.
Gr ließ vie Ampel brennen.
„Ich kann nidt ſchlafen,“ fagte ec —: in den Lüften
flirrt e8 wie Waffen und riedt’s wie Blut.
Die Gothen fommen. Sie ritden wohl durch die
Gabina, die Via cafperta und falara herab.“
Da raufdten feine Zeltoorhange guriid und Syphax
ftitrgte athemlos an fein Lager.
„Ich wei es fon," fagte Cethegus auffpringend,
„was Du meldeft: die Gothen fommen.“
Sa, Herr, morgen-find fie da.
Gie zielen auf pas falarifde Thor.
Sd) hatte vas befte RoR ver Königin, aber dieſer
Totila, ver ven BVortrab führt, jagt wie ver Wind durch
rie Wiifte.
Lind bier im Lager abnt Niemand etwas.”
„Der große Feldherr,“ lächelte Cethegus, „hat keine
Vorpoſten ausgeſtellt.“
„Er verließ ſich ganz auf den feſten Thurm an der
Aniusbriide*: aber —“
*) Brofop Gethenfrieg I. 17. 18. fest bier ans Verweche.
lung ben Tiber ftatt des Anio.
77
„Nun? dex Shurm ift fet.“
„Ja, aber die Befabung, römiſche Birger ans
Neapolis, ging yu den Gothen itber, als fie der junge
Cotila, der Führer ves Vortrabs, anvief.
Die Leibwächter Belifars, weldje fich rwiderfetsten,
wurden gebunden, zumal Snnocentius, und Lotila aus.
geliefert. Der Thurm und die Briide ift in ver Gothen
Hand."
„Es wird hübſch werden! Haft du eine Ahnung, wie
ſtark der Feind?“
„Keine Ahnung, Herr: ich weiß es ſo genau wie
König Witichis ſelbſt.
Hier die Liſte ihrer Truppen.
Sie ſchickt dir Mataſwintha, ſeine Königin.“
Cethegus ſah ihn forſchend an.
„Geſchehen Wunder, vie Barbaren gu verderben?“
„Ja Herr, Wunder geſchehen!
Dies ſonnenſchöne Weib will ihres Volkes Unter-
gang um des Einen willen.
Und dieſer Eine iſt ihr Gatte.“
you irrſt:“ ſagte Cethegus, „fie liebte ihn ſchon als
Mädchen und kaufte ſeine Büſte.“
„Ja, ſie liebt ihn.
Aber er nicht ſie.
Und die Marsbüſte ward zerſchlagen in der Braut—
nacht.“
„Das hat fie div doch ſchwerlich ſelbſt geſagt.“
„Aber Aſpa, die Tochter meines Landes, ihre Sklavin.
Sie ſagt mir Alles. Sie liebt mich.
78
Ind fie fiebt ihre Herrin, faft wie id vid.
Und Matafwintha will mit vir das Gothenreid vers
derben.
Und ſie wird durch Aſpa alles ſchreiben in den
Zauberzeichen unſers Stammes.
Und ich würde dieſe Sonnenkönigin zu meinem Weibe
nehmen, wenn ich Cethegus wäre.“
„Ich aud, wenn ich Syphar ware.
Aber veine Botſchaft ift eine Krone werth!
Cin liftig, racheditrftend Weib wiegt Legionen anf!
Seet Trop end, Belifar, Witihis und Duftinian!
Erbitte dir eine Gnade, jede, nur nicht deine Freis
heit — id) braude did) nod.”
‚Meine Breiheit ift — div vienen. Cine Gunft:
laß mid) morgen neben dir fedjten.“
„Nein, mein hübſcher Panther, deine Klauen fann
id) nod) nicht brauden — nur deinen Yetfegang.
Du ſchweigſt gegen Sedermann von ver Gothen
Nahe und Stärke.
Vege mix die Rüſtung an und gieb den Plan ver
falarifdjen Strafe port aus der Capfel.
Sept rufe mir Marcus Licinius und den Führer
meiner Iſaurier, Sandil.“
Syphar verſchwand.
Cethegus warf einen Blick auf den Plan.
„Alſo dort ber, von Nordweſten, kommen fie, tie
Hügel herab.
Wehe dem, der ſie dort aufhalten will.
79
Darauf folgt ver tiefe Chalgrund, in dem wir lagern.
Hier wird vie Schlacht gefdlagen und verloren.
Hinter uns, ſüdöſtlich, gieht ſich unfre Stelung ent.
fang dem tiefen Bad; in diefen werden wir unfeblbar
geworfen: die Briiden werden nicht gu halten fein.
Darauf eine Strede flachen Landes — weld) ſchönes
Feld fiir die gothifden Reiter, uns yu verfolgen! —
Nod weiter rückwärts endlid) ein didter Wald und
- eine enge Sdlucht mit dem jerfallnen Caſtell Hadrians. —
Marcus," rief er dem Cintretenden entgegen, ,,meine
Scharen breden auf.
Wir ziehn hinab ven Bach in ven Wald und jeden,
per did) fragt, dem fagft Du: wir giebn guriid nad
Rom."
Nad Haufe? ohne Kampf? fragte Marcus erftaunt,
„du weißt Dod: es fteht ver Kampf bevor 2”
„Ebendeßwegen!“ Damit ſchritt er hinaus, Beliſar in
feinem Belt zu ween.
Aber er fand ihn ſchon wad): Prokop ſtand bei ihni.
„Weißt du's ſchon, Prafect? flitchtendes Landvolf
mieldet, ein Häuflein gothifder Reiter naht: die Toll:
kühnen reiten in iby BVerderben: fie wähnen die Strafe
fret bis Rom.”
Und er fubr fort fic) gu rüſten.
„Aber die Bauern melden, die Reiter feten nur die
Borhut. C8 folge ein furchtbares Heer von Barbaren.“
warnte Profop.
„Eitle Schrecken! Sie fiirdten fic, diefe Gothen —
Witihis wagt gar nicht, mid aufzuſuchen.
72
„So ſoll's fein, das Aeußerſte gefdab.
Und unſere beſte Rüſtung iſt unſer Recht: jetzt auf,
zum Kampf.“
Und er reichte ſeiner Königin die Pergamentrolle,
die er in der Hand hielt, die über ſeinem Stuhl hängende
Königsfahne, das blaue Bandum, zu ergreifen.
„Ihr ſeht das alte Banner Theoderichs in meiner
Hand, das er von Sieg zu Sieg getragen.
Wohl ruht es jetzt in ſchlechtrer Hand als ſeine war
— doch zaget nicht.
Ihr wiſſet: übermüthige Zuverſicht iſt meine Sache
nicht, doch diesmal ſag ich euch voraus: in dieſer Fahne
rauſcht ein naher Sieg, ein großer, ſtolzer, rachefroher
Sieg.
Folgt mir hinaus.
Das Heer bricht auf, ſogleich. Ihr Feldherrn, ordnet
eure Scharen: nach Rom!“
Jad Rom," wiederhallte das Belt.
„Nach Rom!"
Sechstes Capitel.
Inzwiſchen ſchickte ſich Beliſar an, mit der Haupt⸗
macht ſeines Heeres die Stadt zu verlaſſen: Johannes
hatte er deren Bewachung übertragen.
Er hatte beſchloſſen, die Gothen in Ravenna aufzu⸗
ſuchen.
Gein bisher von keinem Unfall gehemmter Sieget-
lauf und die Erfolge ſeiner vorausgeſchickten , Streif-
ſcharen, welche durch den Uebergang der Italier alles flache
Land, auch alle Veſten und Burgen und Städte, bis
nahe bei Ravenna gewonnen, hatten in ihm die Zuverſicht
erzeugt, daß der Feldzug bald beendigt und nur das
Erdrücken ver rathloſen Barbaren in ihrem letzten Schlupf⸗
winkel übrig fei.
Denn nachdem Beliſar ſelbſt den ganzen Süden der
Halbinſel: Bruttien, Lucanien, Calabrien, Apulien, Cam—
panien: dann Rom mit Samnium und die Valeria
durchzogen und beſetzt hatte, waren ſeine Unterfeldherrn,
‚Beſſas und Conſtantinus, mit der lanzentragenden Leib⸗
wache des Feldherrn, die unter Führung des Armeniers
Zanter, des Perſers Chanaranges und des Maſſageten
74
Aeſchman ftanden, vorausgefendet worden, Tuſcien zu
unterwerfer.
Beffas rückte vor bas ſturmfeſte Narnia: fitr die
vamaligen Belagerungsmittel war die Burgftadt faft
uneinnehmbar — fie thront auf hohem Berge, deffen
Fuß ver tiefe Mar umſpült.
Die beiden eingigen Zugänge, vom Often und vom
Weften, find ein enger Felſenpaß und die hohe, alte,
von Kaiſer Auguftus gebaute, befeftigte Britde. —
Aber die römiſche Bevölkerung überwältigte vie halbe
gothifde Hundertſchaft, die hier lag, und öffnete den
Thrakiern ves Beſſas die Chore.
Dem Conſtantinus erſchloſſen. ſich ebenſo ohne
Schwertſtreich Spoletium und Peruſia.
Auf der öſtlichen Seite des joniſchen Meerbuſens
hatte inzwiſchen ein andrer Unterfeldherr Beliſars, der
Comes Sacri Stabuli Conſtantinus, den Tod zweier
byzantiniſcher Heerführer, des Magiſter Militum für
Illyrien, Mundus, und ſeines Sohnes Mauricius, welche
im Anfang des Krieges bei Salona in Dalmatien im
Gefecht gegen die Gothen gefallen waren, gerächt, Salona
beſetzt und durch ihre große Uebermacht die geringen
gothiſchen Scharen jum Rückzug auf Ravenna gezwun—⸗
gen. Ganz Dalmatien und Liburnien war darauf dew
Byzantinern zugefallen.
Von Tuſcien aus ſtreiften, wie wir ſahen, die
Hunnen Juſtinians ſchon durch Picenum⸗ und bis in
die Aemilia.
75
Die Friedensvorfdlige ves Gothenkönigs hielt Beli:
far daher fiir Beiden ver Schwäche.
Daß vie Barbaren zum UAngriff übergehen könnten,
fiel ihm nicht etn.
Dabei trieh es ihn, Rom gu veriaffen, wo e8 ihn
anwiberte, Der Gaft ves Prafecten gu heißen; im freien
welde mute fein Uebergewicht bald wieder hervortreten.
Der Prafect ließ das Capitol in der trenen Hut
des Lucius Licinius und folgte dem Buge Belifars.
Vergebens warnte er diefen vor all gu großer Bus
verfidt.
‚Bleibe du dod) hinter den Felfen ves Capitols, wenn
pu die Barbaren fiirdteft, hatte diefer ſtolz geantwortet.
„Nein,“ evwiederte diefer. Cine Miederlage Beli
ſars tft etn gu feltnes Schaufpiel, man darf e8 nicht vers
ſäumen.“
In der That, Cethegus hätte eine Demüthigung
des großen Feldherrn, deſſen Ruhm die Italier allzuſehr
anzog, gerne geſehn.
Beliſar hatte ſein Heer aus den nördlichen Thoren
der Stadt geführt und wenige Stadien vor der Stadt
in einem Lager verſammelt, es hier zu muſtern und neu
zu ordnen und zu gliedern.
Schon der ſtarke Zufluß von Italiern, die zu ſeinen
Fahnen geeilt waren, machte es nöthig.
Auch Ambazuch, Beſſas und Conſtantinus hatte er
mit dem größten Theil ihrer Truppen wieder in dies
Lager heraugezogen: ſie ließen in den von ihnen ge—
wonnenen Städten nur kleine Beſatzungen zurück.
76
Dunfle Gerüchte von einem anritdenden Gothen
beer atten ſich in dad Lager verbreitet.
Wher Belifar fdentte ihnen feinen Glauben.
Ste wagen e8 nicht,“ hatte er bem warnenden
Profop entgegnet. „Sie liegen in Ravenna und zittern
por Beliſarius.“
Spat in ver Nacht lag Cethegus ſchlaflos auf dem
Lager in feinem Belt.
Er ließ die Ampel brennen.
„Ich kann nidt ſchlafen,“ fagte er —: in den Lüften
flirrt e8 wie Waffen und riecht's wie Blut.
Die Gothen fommen. Sie riiden wohl durch die
Sabina, die Via cafperta und falara herab.“
Da raufdten feine Beltvorhinge guriid und Syphar
ftiirgte athemlos an fein Yager.
„Ich wei cB ſchon,“ fagte Cethegus auffpringend,
was du meldeft: die Gothen fommen.“
„Ja, Herr, morgen-find fie da.
Gie gielen auf pas falarifde Thor.
Sd) hatte vas befte Roß der Königin, aber Ddiefer
Totila, ver ven Bortrab führt, jagt wie ver Wind durch
vie Wüſte.
Und bier im Lager abnt Riemand etwas.
„Der große Feldherr,“ lächelte Gethegus, hat feine
Vorpoſten ausgeſtellt.“
„Er verließ ſich ganz auf den feſten Thurm an der
Aniusbriide*) aber —“
*) Protop Gothentrieg I. 17. 18. ſetzt bier aus Verwechs.
lung den Liber ftatt des Anio. .
77
„Nun? dex Thurm iſt feft."
„Ja, aber vie Beſatzung, römifſche Bürger aus
Neapolis, ging zu den Gothen über, als ſie der junge
Totila, der Führer des Vortrabs, anrief.
Die Leibwächter Beliſars, welche ſich widerſetzten,
wurden gebunden, zumal Innocentius, und Totila aus⸗
geliefert. Der Thurm und die Brücke iſt in der Gothen
Hand.“
„Es wird hübſch werden! Haſt du eine Ahnung, wie
ſtark der Feind?“
„Keine Ahnung, Herr: ich weiß es ſo genau wie
König Witichis ſelbſt.
Hier die Liſte ihrer Truppen.
Sie ſchickt dir Mataſwintha, ſeine Königin.“
Cethegus ſah ihn forſchend an.
„Geſchehen Wunder, die Barbaren zu verderben?“
„Ja Herr, Wunder geſchehen!
Dies ſonnenſchöne Weib will ihres Volkes Unter—⸗
gang um des Einen willen.
Und dieſer Eine iſt ihr Gatte.“
„Du irrſt:“ ſagte Cethegus, „ſie liebte thn ſchon als
Mädchen und kaufte ſeine Büſte.“
„Ja, fie liebt ibn.
Aber er nicht ſie.
Und die Marsbüſte ward zerſchlagen in ver Brant:
nadt.“
„Das hat fte vir dod) ſchwerlich felbft gefagt.”
Aber Ufpa, die Tochter meines Landes, ibre Slavin.
Sie fagt mir Wiles. Sie liebt mid.
78
Und fie ltebt ihre Herrin, faft wie ich did.
Und Matafwintha will mit div das Gothenreidd vers
verben. .
Und fie wird durch Afpa alles ſchreiben in ren
Bauberjeidhen unfers Stammes. |
Und id) würde diefe Gonnenfinigin yu meinem Weibe
nehmen, wenn id) Gethegus ware.“
„Ich aud, wenn id) Syphar ware.
Aber veine Botfdaft ift eine Krone werth!
Gin liftig, racheditrftend Weib wiegt Legionen auf!
Sekt Trotz end, Belifar, Witichis und Buftinian!
Erbitte dir eine Gnade, jede, nur nidt deine Frei⸗
heit — id) brauche did) nod.”
Meine Freiheit ift — dir dienen. Cine Ounft:
laß mid) morgen neben div fechten.“
„Nein, mein biibfder Panther, deine Klauen fann
id) nod) nidjt brauchen — nur deinen Leifegang.
Du ſchweigſt gegen Bedermann von der Gothen
Nahe und Stare. |
Vege mit die Rüſtung an und gieb den Plan der
ſalariſchen Strafe dort aus ver Capfel.
Sept rufe mir Marcus Licinius und den Führer
meiner Sfaurier, Sandil.“
Syphax verjdwand.
Cethegus warf einen Blid auf den Blan.
„Alſo dort ber, von Nordweſten, fommen fie, tie
Hügel herab.
Wehe dem, der ſie dort aufhalten will.
79
Darauf folgt dev ttefe Thalgrund, im dem wir lagern.
Hier wird vie Schlacht gefdlagen und verloren.
Hinter uns, ſüdöſtlich, gieht ſich unfre Stellung ents
fang dem tiefen Bad); in diefen werden wir unfeblbar
geworfen: die Briiden werden nidt gu halten fein.
Darauf eine Strede fladen Landes — weld) ſchönes
Feld fiir vie gothifden Reiter, uns yu verfolgen! —
Nod weiter ritdwarts endlid) ein didter Wald und
- eine enge Schlucht mit dem zerfallnen Caftell Hadrians. —
Marcus," rief er dem Eintretenden entgegen, ,,meine
Scharen brechen auf.
Wir ziehn hinab den Bach in den Wald und jeden,
der dich fragt, dem ſagſt du: wir ziehn zurück nach
Rom.“
wad) Hauſe? ohne Kampf?" fragte Mtarcus erſtaunt,
„du weit Dod: es fteht der Kampf bevor 2"
„Ebendeßwegen!“ Damit ſchritt er hinaus, Belifar in
fetnem Belt zu wecken. /
Aber ev fand thn ſchon wad): Prokop ftand bet ihm.
„Weißt du's ſchon, Prafect? flitdhtendes Landvolk
meldet, ein Häuflein gothiſcher Reiter naht: die Toll⸗
kühnen reiten in ihr Verderben: ſie wähnen die Straße
frei bis Rom.“
Und er fubr fort fic) zu rüſten.
„Aber die Bauern melden, die Reiter feien nur vie
Vorhut. C8 folge ein furdtbhares Heer von Barbaren.“
warnte Profop.
„Eitle Screen! Sie fürchten fid, diefe Gothen —
Witihis wagt gar nicht, mich aufzuſuchen.
80
Endlid) habe ich, vierzehn Stadien vor Rom, die
Wniobritde purd einen Thurm geſchützt — Martinus
hat ihn gebaut nad) meinem Gedanken — der allein
halt ver Barbaren Fußvolk mehr alS eine Woche auf —
mögen aud ein paar Gaule durch den Fluß geſchwommen
fein.“
„Du irrft, Belifarius! id weiß es gewiß: das ganze
Heer der Gothen naht,“ ſprach Cethegus.
„So geh' nach Hauſe, wenn du es fürchteſt.“
„Ich mache Gebrauch von dieſer deiner Erlaubniß.
Ich habe mir in dieſen Tagen das Fieber geholt.
And meine Iſaurier leiden daran — ich ziehe mit
deiner Gunſt nach Rom zurück.“
„Ich kenne dieſes Fieber," fagte Beliſar — „das
heißt: — an Andern.
Es vergeht, ſowie man Graben und Wall zwiſchen ſich
und dem Feinde hat.
Zieh ab, wir brauchen dich ſowenig wie deine
Iſaurier.“
Cethegus verneigte ſich und ging.
„Auf Wiederſehen,“ ſprach er, „o Beliſarius.
Gieb das Zeichen zum Aufbruch meinen Iſauriern.“
ſprach ex im Lager faut zu Dtarcus.
„Und meinen Byzantinern aud," fegte ev leifer bet.
„Aber Belifar hat" —
„Ich bin iby Belifar. Syphar, mein Pferd.”
Während er aufftieg, fprengte ein Bug römiſcher
Reiter heran: Fackeln leuchteten dem Anführer vorauf.
„Wer da? Ah vu, Cethegus? mie, du reiteft ab?
81
Deine Leute giehn ſich nad) dem Flug? Du wirft uns
dod) nicht verlaffen, jest, in diefer höchſten Gefabr 2"
Gethegus beugte fic vor.
„Sieh, du, Calpurnius! id) erfannte dich nicht: du
fiebft fo bleid.
Was bringft du von ven Vorpoften 2"
„Flüchtge Bauern ſagen,“ ſprach Calpurnius ängſtlich,
„es fet gewiß mehr als eine Streifſchar. Es fet der
Rinig der Barbaren, Witichis felbft, im rafden Angug
durch die Sabina: fle feien ſchon auf dem linfen Tiber⸗
ufer: Widerftand ift pann — Wabhnfinn — Verbderben.
Ich folge vir, ich ſchließe mid dir an.“
„Nein,“ fagte Cethegus herb, „du weit, id) bin
abergläubiſch: id) reite nidjt gern mit den Furien vers
fallnen Männern.
Did wird die Strafe fiir deinen feigen Knabenmord
ficher ereilen.
Sh habe nidt Luft, fie mit div gu theilen.“
Dod fliften Stimmen in Rom, anc Cethegus
verſchmähe mandmal einen bequemen Mord nicht,“ fprad)
Calpnrnius grimmig.
»~Calpurnind ift nicht Cethegus,“ fprad) der Prafect,
ftol; davon fprengend. „Grüße mir etnftweilen den
Hades!" rief er.
Dahn, Cin Kampf um Rom. ITT. 6
Siebentes Capitel.
Verfluchtes Omen,“ knirſchte Calpurnius.
Und er eilte zu Beliſar: „befiehl den Rückzug, raſch,
Magiſter Militum.“
„Warum, Vortrefflicher?“
„Es iſt der Gothenkönig ſelbſt.“
„Und ich bin Beliſar ſelbſt,“ ſagte dieſer, den pracht⸗
vollen Helm mit dem weißen Roßſchweif auffetzend.
„Wie konnteſt du deinen Poſten im Vordertreffen ver⸗
laſſen.“
„Herr, um dir das zu melden.“
„Das konnte wohl kein Bote?
Höre, Römer, ihr ſeid nicht werth, daß man euch
befreit.
Du zitterſt ja, Mann des Schreckens.
Zurück mit dir in's Vordertreffen.
Du führſt unfre Reiter zum erſten Angriff: ihr, meine
Leibwächter Antallas und Ruturgur, nehmt ibn in die
Mitte. Cr mu tapfer fein, birt ihr?
Weidht ex, — nieder mit ihm. Go lehrt man Wee
mer Muth.
83
Der Lager-Itufer fagte eben die letzte Stunde der
Nacht an.
Sn einer Stunde geht die Gonne anf.
Sie muß unſer ganzes Heer anf jenen Hilgeln finden.
Auf! Ambazuch, Beffas, Conftantinns, Demetrius,
vas ganze Lager bridt auf, dem Feind entgegen."
„Feldherr, es ift wie fie fagen,” meldete Maxentius,
ver treueſte ver Leibwächter, ,zahllofe Gothen riiden an."
„Sie find zwei Heere gegen uns,“ meldete Salomo,
Belifars Hypaſpiſten⸗Führer.
„Ich redne Belifar ein ganzes Heer.”
„Und der Schlachtplan?“ fragte Beffas.
„Im Angeſicht des Feinds entwerf’ id) thn, während
des Galpurnius Reiter thn aufhalten.
Vorwarts, gebt die Zeichen, führt Phalton vor.”
Und er fdritt aus bem Relte; nad allen Seiten
ftoben die Heerfithrer, die Hypafpiften, Bratorianer,
Protectoren und Doryphoren auseinander, Befehle gebenn,
vertheilend, empfangend.
Sn einer Viertelftunde war alles in Bewegung gegen
die Hiigel.
Man nahm ſich nidt Bett, das Lager abzubrechen.
Aber ver plötzliche Aufbruch bradjte vielfache Vere
wirrung.
Fußvolk und Reiter geriethen in der dunkeln, mond⸗
fofen Nacht untereinander.
And hatte die Runde von der Uebermadt der vor⸗
bringenden Barbaren Muthloſigkeit verbreitet.
G8 waren nur zwei nidt ſehr breite Straßen, welde
6 e
84
gegen die Hitgel filhrten: fo gab e8 manche Stodung
und Hemming.
Biel ſpäter als Belifar gerednet, langte das Heer
im Angefidt der Hiigel an und als die erften Sonnen⸗
firablen fle beleuchteten, ſah Galpurnius, ber ben Bors
trapp filbrte, von allen Höhen gothifde Waffen bligen.
Die Varbaren waren Velifar guvorgefommen.
Erſchrocken machte Calpurvius Halt und fandte Velifar
Nachricht.
Diefer fah ein, daß Calpurnius mit feinen Reitern
nidt die Berge ftiirmen könne.
Gr ſchickte Ambazuch und Beffas mit dem Rern des
armenifden Fußvolks ab, um auf der breiten Strage
gu ſtürmen.
Den linken und redten Fligel führten Conftantinus
und Demetrius, er felbft bradte tm Mitteltreffen feine
Reibwaden als Rückhalt heran.
Calpurnius, froh des Wedfels im Plan, ftellte feine
Reiter unter den fteilften Wbfall ver Hügel, links feitab
der Straße, von wo fein Angviff gu befitrdten ſchien,
pen Erfolg von Ambagudhs und Beffas Sturm abzuwarten
und die fliehenden Gothen gu verfolgen oder did weidenden
Armenier aufzunehmen.
Oben anf ven Höhen aber ftellten fid) vie Gothen
in flanger Auspehnung in Sdhladtordnung.
Totila’s Reiter waren zuerſt eingetroffen: ihm hatte
fid) Leja, gu Pferd, vor Kampfbegier fiebernd, angefdloffen,
— fein Beiltragendes Fußvolk war nod weit zurück — er
85
— — Ü—
hatte fid) ausgebeten, ohne Befehlführung, überall, wo es
ihn reizte, in's Handgemenge zu greifen.
Darauf war Hildebrand eingetroffen und hierauf der
König mit der Hauptmacht gefolgt.
Herzog Guntharis mit ſeinen und Teja's Leuten wur⸗
den noch erwartet.
Pfeilſchnell war Teja gu Witichis guritdgeflogen.
„König,“ fagte ex, ,unter jenen Hügeln ſteht Beliſar.
Er iſt verloren, bei'm Gott der Rache! Er hat den
Wahnſinn gehabt, vorzurücken.
Dulde nicht die Schmach, daß er uns zuvorkömmt
im Angriff.“
„Vorwärts!“ rief Konig Witichis, „gothiſche Männer
vor!“
In wenigen Minuten hatte er den Rand der Hügel
erreicht und überſah das Thalgefild vor ihm.
„Hildebad — den linken Flügel!
Du, Totila, brichſt mit deinen Reitern hier im
Mitteltreffen, die Straße herunter, vor.
Ich halte rechts ſeitab der Straße, bereit, dir zu
folgen oder dich zu decken.“
„Das wird's nicht brauchen,“ ſagte Totila, ſein
Schwert ziehend. „Ich bürge dir, fie Halfen meinen
Ritt dieſen Hügel herab nicht auf.“
Wir werfen die Feinde in ihr Lager zurück, nehmen
das Lager, werfen ſie in den Bach, der dicht hinter dem
Lager glänzt: was übrig iſt, können eure Reiter, Totila
und Teja, über die Ebene jagen bis Rom.“
„Ja, wenn wir erſt den Paß gewonnen haben, dort
86
in den Waldhiigeln, hinter dem Flug,“ fagte Teja mit
vem Schwert hinüber deutend. |
„Er ift nod) unbefest, ſcheint's: iby müßt ibn mit
den Flüchtigen zugleich erreidjen.“
Da ritt der Bannertriger, Graf Wifand von Vulfinii,
per Bandalarius des Heers, an den König heran.
„Herr König, thr habt mir eine Bitte yu erfüllen
zugeſagt.“
„Ja, weil du bet Salona den Magiſter Militum fir
SMyrien, Mundus, und feinen Sohn vom Roß geftoden.“
wd Habe e8 nun einmal auf die Magiſtri Militum.
Sh möchte venfelben Speer aud) an Belifar erproben.
Nimm mir, nur fiir heute, pas Banner ab und laf
mid) ten Mtagifter Belifar aufjuden. Sein RoR, der
Rothſcheck Phalion oder Balian, wird fo fehr gerithmt :
und mein Hengf{t wird fteif.
Und du fennft das alte gothifde ReitersRecht: „wirf
den Reiter und nimm fein Mog."
„Gut gothifd Recht!“ raunte der alte Hildebrand.
„Ich mug vie Bitte gewabhren,” fprad Witichis, vas
Banner aus der Hand Wifands nehmend.
Diefer fprengte eilig hinweg.
„Guntharis ift nicht zur Stelle, fo trage du e8 heute,
Totila.“
„Herr König,“ entgegnete dieſer, id) kann's nicht
tragen, wenn ich meinen Reitern den Weg in die Feinde
zeigen ſoll.“
Witichis winkte Teja.
87
Vergieb,“ fagte dtefer: ‚heut' denf ich beide Arme
febr zu brauchen.“
„Nun, Hildebad.“
„Danke für die Ehre: ich hab's nicht ſchlechter vor
als die Andern!“
„Wie,“ ſagte Witichis, faſt zirnend, „muß id) mein
eigner Bannerträger ſein, will keiner meiner Freunde
nein Vertrauen ehren?“
„So gieb mir die Fahne Theoderichs,“ ſprach der
alte Hildebrand, den mächtigen Schaft ergreifend.
„Mich lüſtet weitern Kampfes nicht ſo ſehr.
Aber mich freut's, wie die Jungen nach Ruhme
dürſten.
Gieb mir das Banner, ih will's heute wahren
wie vor vierzig Sommern.“
Und er ritt ſofort an des Königs rechte Seite.
„Der Feinde Fußvolk rückt ven Berg hinan,“ ſprach
Witichis, ſich im Sattel hebend.
„Es ſind Hunnen und Armenier,“ ſagte Teja, mit
ſeinem Falkenauge ſpähend, „ich erkenne die hohen
Schilde!“
Und den Rappen vorwärts ſpornend rief er: „Amba⸗
zuch führt ſie, der eidbrüchige Brandmörder von Petra.“
„Vorwärts, Totila,“ ſprach der König, „und aus
dieſen Scharen — — keine Gefangnen.“
Raſch ſprengte Totila zu ſeinen Reitern, welche hart
an der Mündung der aufſteigenden Straße auf der
Höhe aufgeſtellt waren.
Mit ſcharfem Blick muſterte er die Bewaffnung der
88
Urmenier, welde in tiefen Cofonnen langfam Bergauf
riidten. |
Sie trugen ſchwere, mannshohe Schilde und kurze
Speere zu Stoß und Wurf.
„Sie dürfen nicht zum Werfen kommen,“ rief er
ſeinen Reitern zu.
Er ließ ſie die leichten Schilde auf den Rücken wer⸗
fen und befahl, im Augenblick ves Anpralls vie langen
Langen, ftatt, wie üblich, in der Rechten, in der Linfen,
ver Zügelhand, gu fithren, den Zügel einfad um dad
Handgelenk gefdhlungen und itber vie Mähne weg die
Lanze aus ver redjten in die linke Fanft werfend.
Dadurd) trafen fle auf vie redjte, vom Schild nicht
gedeckte Geite der Feinde.
„So wie der Stok angeprallt — fie werden ihm
nicht ftehen — werft die Lanje im Arm-Riem zurück,
steht das Schwert und haut nieder, was nod) ftebt.“
Gr ftellte fie nun, die Golonne der Feinde rechts und
links überflügelnd, auf beiden Seiten neben der Straße auf.
Gr felbft führte den Keil auf ver Strafe.
Er beſchloß, ven Feind die Halfte ves Hitgels heran⸗
kommen zu laffen.
Mit athemloſer Spannung ſahen beide Heere dem
Zuſammenſtoß entgegen.
Ruhig rückte Ambazuch, ein erprobter Soldat, vorwärts.
at fle nur dicht heran, Leute, fagte ev, „bis ihr
nas Schnauben ver Roffe im Gefidht ſpürt.
Dann, und nicht eher, werft: und zielt mir tief,
auf die Bruft der Pferde, und zieht das Schwert.
89
Go hab’ id) nod) alle Reiter geſchlagen.“
Aber e8 fam anders.
Denn als Lotila, voranfprengend, das Reiden jum
Ungriff gab, fdjien eine donnernde Lawine vom Berg
herab über die erfdrodnen Feinde eingubreden.
Wie der Sturmmind jagte die bligende, klirrende,
fdnaubende, dröhnende Maſſe heran: und eh’ die erfte
Reihe der Armenier Beit gefunden, die Wurffpeere nur
3u eben, lag fie ſchon, von den langen Lanzen auf der
ſchildloſen Seite durchbohrt, niedergeftredt.
Sie waren weggefegt, als waren fie nie geftanden.
Bligfdnell war vas gefdehen: und wabrend nod
Ambazud) feiner gweiten Reihe, in der er felber ſtand,
Befehl geben wollte, zu fnieen und die Speere eingue
ftemmen, fab er ſchon aud) feine zweite Reihe itbervitten,
Die Dvitte auseinander gefprengt und die vierte unter
Beffas faum nod Widerftand feiftend gegen die furdt-
baren Reiter, vie jetzt erft dazu famen, die Schwerter zu
zieben. |
Gr wollte das Gefecht ftellen: er flog zurück und
vief feinen wanfenten Schaaren Muth gu.
Da erreidte thn Totila's Schwert: ein Hieb zerſchlug
ihm den Helm.
Er ſtürzte in die Knie und ſtreckte den Griff ſeines
Schwertes dem Gothen entgegen.
„Nimm Löſegeld,“ rief er, „ich bin dein.“
Und ſchon ſtreckte Totila die Hand aus, ihm die
Waffe abzunehmen, da rief Teja's Stimme:
„Denk' an Burg Petra.“
90
Cin Schwert blitzte und jerfpaltnen Haupts fant
Wnibazud.
Da ftob vie letzte Reihe per Armenier, Beffas mit
fortreifiend, entfegt auseinander, — das BorbdersTreffen
Beliſars war vernidhtet.
Mit lautem Freuderuf hatten König Witidhis und
die Seinen den Sieg Totila’s mit angefehn.
„Sieh, jest ſchwenken die hunniſchen Reiter, die hier
grade unter un fteben, gegen Zotila," fagte ver König
gu dem alten Bannertrager.
„Totila wendet fid) gegen fie. Sie find viel zahl—⸗
reicher.“
„Auf! Hildebad, eile die Straße hinunter, ihm gu
Hülfe.“
„Ha,“ rief der Alte, ſich vorbeugend im Sattel, und
über den Felsrand ſpähend, „wer iſt der Reitertribun
da unten zwiſchen den zwei Leibwächtern Beliſars?“
Witichis beugte ſich vor.
„Calpurnius!“ rief er mit gellendem Schrei.
Und ſiehe, urplötzlich ſprengte der König, keinen Pfad
ſuchend, grade wo er ſtand, hinab die Felshöhe auf
den Verhaßten.
Die Furcht, er möchte ihm entrinnen, ließ ihn Alles
vergeſſen.
Und als hatte ex Flügel, als hatte ver Gott der
Rade ihn herabgefithrt ither Gebüſch und fpite Fels
fpalten und Schroffen und Graben faufte der Konig bine
unter.
91
Ginen Angenblid fate den alten Waffenmeifter Ents
fegen: foldjen Ritt hatte er noch nie gefdaut.
Aber im nächſten Moment ſchwang er die blaue Fahne
und rief:
„Nach! nad, eurem RKsnig
Und das berittne Gefolge voran, das Fußvolk, fprins
gend und auf den Schilden rutſchend, hinterber, brad) dad
Mitteltreffen ver Gothen pliglich fteil von oben auf die
bunnifden Reiter.
Calpurnius hatte aufgefebn.
Shm war, al8 ob fein Name, gellend gerufen, an fein
Ohr ſchlüge.
Ihm war der Ruf wie die Poſaune des Weltgerichts.
Wie blitzgetroffen wandte er ſich und wollte auf und
davon.
Aber der mauriſche Leibwächter zur Rechten fiel ihm
in den Zügel: „Halt, Tribun!“ ſagte Antallas, auf
Totila's Reiter deutend — „dort iſt der Feind!“
Ein Schmerzenſchrei riß ihn und Calpurnius zur
Linken herum.
Da ſtürzte der zweite der Leibwächter, der Hunne
Kuturgur, zu ſeiner Linken, klirrend vom Pferd, unter
vem Schwerthieb eines Gothen, ver plötzlich wie vom
Himmel gefallen fdien.
Und hinter diefem Gothen drein fprang und fletterte
und wogte e8 den fteilen Felshang hinab, ver dod) pfadlos
fdien: und die Reiter waren von diefem pliglid) von
Oben gefommenen Feind in der Flanfe umfaßt, wabrend
84
gegen die Hügel filhrten: fo gab e8 manche Stodung
und Hemmung.
Biel ſpäter als Belifar gerednet, langte das Heer
im Angefidht der Hügel an und als die erften Sonnen⸗
firablen fie beleuchteten, ſah Galpurnius, ber den Bors
trapp führte, von allen Höhen gothiſche Waffen bligen.
Die Barbaren waren Velifar guvorgefommen.
Erſchrocken machte Calpuryius Halt und fandte VBelifar
Nachricht.
Diefer fah ein, daß Calpurnius mit feinen Reitern
nidt die Berge ftitrmen fdnne.
Gr ſchickte Ambazud und Beffas mit dem Kern des
armenifden Fußvolks ab, um auf der breitern Strafe
zu ſtürmen.
Den linken und rechten Flügel führten Conſtantinus
und Demetrius, er ſelbſt brachte im Mitteltreffen ſeine
Leibwachen als Rückhalt heran.
Calpurnius, froh des Wechſels im Plan, ſtellte ſeine
Reiter unter den ſteilſten Abfall der Hügel, links ſeitab
der Straße, von wo kein Angriff zu befürchten ſchien,
den Erfolg von Ambazuchs und Beſſas Sturm abzuwarten
und die fliehenden Gothen zu verfolgen oder die weichenden
Armenier aufzunehmen.
Oben auf den Höhen aber ſtellten ſich die Gothen
in langer Ausdehnung in Schlachtordnung.
Totila's Reiter waren zuerſt eingetroffen: ihm hatte
ſich Teja, zu Pferd, vor Kampfbegier fiebernd, angeſchloſſen,
— ſein Beiltragendes Fußvolk war noch weit zurück — er
85
hatte fid) ausgebeten, ohne Befeblfithrung, überall, wo es
ihn retgte, in’8 Handgemenge zu greifen.
Darauf war Hildebrand eingetroffen und bierauf der
Konig mit ver Hauptmadt gefolgt. |
Herzog Guntharis mit feinen und Teja’s Leuten wure
den nod) erwartet.
Pfeilfdnel war Teja gu Witichis guritdgeflogen.
„König,“ fagte ev, ,unter jenen Hügeln fteht Belifar.
Gr ift verloren, bei’m Gott ver Rade! Er hat den
Wabhnfinn gehabt, vorzurücken.
Dulde nidjt die Schmach, dak er uns zuvorkömmt
im Angriff.“
„Vorwärts!“ rief Konig Witichis, „gothiſche Männer
vor |"
In wenigen Minuten hatte er den Rand der Hilger
erreidt und überſah bas Thalgefild vor ihm.
»pildebad — den linfen Fligel!
Du, Totila, bridft mit deinen Rettern hier im
Mitteltreffen, die Straße herunter, vor.
Ich halte rechts feitah ver Straße, bereit, dir gu
folgen oder dich zu decken.“
„Das wird's nicht brauchen,“ fagte Totila, fein
Schwert ziehend. „Ich bürge dir, fie bhalfen meinen
Ritt dieſen Hügel herab nicht auf.“
Wir werfen die Feinde in ihr Lager zurück, nehmen
das Lager, werfen ſie in den Bach, der dicht hinter dem
Lager glänzt: was übrig iſt, können eure Reiter, Totila
und Teja, über die Ebene jagen bis Rom.“
„Ja, wenn wir erſt den Paß gewonnen haben, dort
86
in ven Waldhügeln, inter dem Flug,“ fagte Leja mit
dem Schwert hinüber deutend.
„Er ift nod) unbefegt, ſcheint's: thr müßt ibn mit
den Flüchtigen zugleich erreichen.“
Da ritt der Bannerträger, Graf Wiſand von Vulſinii,
der Bandalarius des Heers, an den König heran.
„Herr König, ihr habt mir eine Bitte zu erfüllen
zugeſagt.“
„Ja, weil du bei Salona den Magiſter Militum für
Illyrien, Mundus, und ſeinen Sohn vom Roß geſtochen.“
„Ich habe es nun einmal auf die Magiſtri Militum.
Sh möchte denſelben Speer aud) an Beliſar erproben.
Nimm mir, nur für heute, das Banner ab und laß
mich den Magiſter Beliſar aufſuchen. Sein Roß, der
Rothſcheck Phalion oder Balian, wird ſo ſehr gerühmt:
und mein Hengſt wird ſteif.
Und du kennſt das alte gothiſche Reiter⸗Recht: wirf
den Reiter und nimm ſein Roß.“
„Gut gothiſch Recht!" raunte der alte Hildebrand.
od) mug die Bitte gewähren,“ ſprach Witichis, pas
Banner aus der Hand Wifands nehmenn.
Diefer fprengte etlig hinweg.
„Guntharis iſt nidjt zur Stelle, fo trage du e8 heute,
Totila.“
„Herr König,“ entgegnete dieſer, „ich kann's nicht
tragen, wenn ich meinen Reitern den Weg in die Feinde
zeigen ſoll.“
Witichis winkte Teja.
87
Vergieb,“ fagte dtefer: ,beut’ den’? ich beide Arme
ſehr yu brauchen.“
„Nun, Hildebad.“
„Danke für die Ehre: ich hab's nicht ſchlechter vor
als die Andern!“
wie,” ſagte Witichis, faſt zurnend, muß id mein
eigner Bannerträger fein, will keiner meiner Freunde
mein Vertrauen ehren?“
„So gieb mir die Fahne Theoderichs,“ ſprach der
alte Hildebrand, den mächtigen Schaft ergreifend.
„Mich lüſtet weitern Kampfes nicht ſo ſehr.
Aber mich freut's, wie die Jungen nach Ruhme
dürſten.
Gieb mir das Banner, ich will's heute wahren
wie vor vierzig Sommern.“
Und er ritt ſofort an des Königs rechte Seite.
„Der Feinde Fußvolk rückt den Berg hinan,“ fprad
Witichis, ſich im Sattel hebend.
„Es ſind Hunnen und Armenier,“ ſagte Teja, mit
ſeinem Falkenauge ſpähend, id) erkenne die hohen
Schilde!“
Und den Rappen vorwarts ſpornend rief er: „Amba⸗
zuch führt ſie, der eidbrüchige Brandmörder von Petra.“
„Vorwärts, Totila,“ ſprach der König, „und aus
dieſen Scharen — — keine Gefangnen.“
Raſch ſprengte Totila zu ſeinen Reitern, welche hart
an der Mündung der aufſteigenden Straße auf der
Höhe aufgeſtellt waren.
Mit ſcharfem Blick muſterte er die Bewaffnung der
88
Urmenier, welde im tiefen Colonnen langfam Bergauf
riidten. |
Sie trugen fdwere, mannshohe Sdhilbe und kurze
Speere zu Stoß und Wurf.
„Sie dürfen nicht zum Werfen kommen,“ rief er
ſeinen Reitern zu.
Er ließ ſie die leichten Schilde auf den Rücken wer⸗
fen und befahl, im Augenblick des Anpralls die langen
Lanzen, ftatt, wie üblich, in der Rechten, in der Linken,
ver Zügelhand, gu führen, den Zügel einfach um das
Handgelenk gefdlungen und itber vie Mähne weg die
Lanze aus ver redjten in die linfe Fauft werfend. .
Dadurd trafen fie auf die rechte, vom Schild nicht
gededte Geite der Feinde.
„So wie der StoR angeprallt — fie werden ihm
nicht ftehen — werft die Lange tm Arm-Riem zurück,
zieht das Schwert und haut nieder, was nod ſteht.“
Gr ftellte fie nun, die Colonne ver Feinde redhts umd
links überflügelnd, auf beiden Seiten neben der Strafe auf.
Er felbft führte den Keil anf ver Strafe.
Cr beſchloß, ven Feind die Halfte ves Hügels heran⸗
fommen 3u lafjen.
Mit athemlofer Spannung fahen beide Heere vew
Zuſammenſtoß entgegen.
Ruhig rückte Ambazuch, ein erprobter Soldat, vorwarts.
‚Laßt fle nur dicht heran, Leute,” fagte er, „bis iby
pas Schnauben der Roffe im Geficht fpiirt.
Dann, und nidt eber, werft: und gielt mir tief,
auf vie Bruft der Pferde, und zieht das Schwert.
89
So bab’ id) nod) alle Reiter geſchlagen.“
Aber eS fam anders.
Denn alS Lotila, voranfprengend, vas Beidhen zum
Angriff gab, ſchien eine donnernde Lawine vom Berg
herab über die erſchrocknen Feinde eingubveden.
Wie ver Sturmwmind jagte die bligende, klirrende,
fdnaubende, dröhnende Maſſe heran: und eh’ die erfte
Reihe ver Urmenier Beit gefunden, die Wurffpeere nur
zu heben, lag fie fon, von den angen Lanzen auf der
ſchildloſen Seite durchbohrt, niedergeftredt.
Gie waren weggefegt, als waren fie nie geftanden.
Blitzſchnell war vas gefdehen: und während nod
Ambazuch ſeiner zweiten Reihe, in der er ſelber ſtand,
Befehl geben wollte, zu knieen und die Speere einzu⸗
ſtemmen, ſah er ſchon auch ſeine zweite Reihe überritten,
die dritte auseinander geſprengt und die vierte unter
Beſſas kaum noch Widerſtand leiſtend gegen die furcht⸗
baren Reiter, die jetzt erſt dazu kamen, die Schwerter zu
ziehen. |
Er wollte nas Gefedt ftellen: er flog zurück und
rief feinen wanfenren Schaaren Muth gu.
Da erreidte thn Cotila’s Schwert: ein Hieb zerſchlug
ibm den Helm. ;
Er ftiirzte in die Knie und ftredte den Griff feines
Schwertes vem Gothen entgegen.
Mimm Löſegeld,“ rief ev, , ich bin det."
Und ſchon ftredte Totila die Hand aus, thm die
Waffe abzunehmen, da rief Teja's Stimme:
„Denk' an Burg Petra.“
90
Cin Schwert bligte und jerfpaltnen Haupts fank
Ambazuch.
Da ſtob die letzte Reihe der Armenier, Beſſas mit
fortreißend, entſetzt auseinander, — das Vorder⸗Treffen
Beliſars war vernichtet.
Mit lautem Freuderuf hatten König Witichis und
die Seinen den Sieg Totila's mit angeſehn.
„Sieh, jetzt ſchwenken die hunniſchen Reiter, die hier
grade unter uns ſtehen, gegen Totila,“ fagte der König
gu dem alten Bannertrager.
„Totila wendet fid) gegen fie. Sie find viel zahl⸗
reicher.“
„Auf! Hildebad, eile die Straße hinunter, ihm gu
Hülfe.“
„Ha,“ rief der Alte, ſich vorbeugend im Sattel, und
über den Felsrand ſpähend, „wer iſt der Reitertribun
da unten zwiſchen den zwei Leibwächtern Beliſars?“
Witichis beugte ſich vor.
„Calpurnius!“ rief er mit gellendem Schrei.
Und ſiehe, urplötzlich ſprengte der König, keinen Pfad
ſuchend, grade wo er ſtand, hinab die Felshöhe auf
den Verhaßten.
Die Furcht, er möchte ihm entrinnen, ließ ihn Alles
vergeſſen.
Und als hätte er Flügel, als hätte der Gott der
Rade ihn herabgeführt über Gebüſch und ſpitze Fels⸗
ſpalten und Schroffen und Gräben ſauſte der König hin⸗
unter.
91
Ginen Angenblid fate den alten Waffenmeifter Ents
feben: folden Ritt hatte er nod) nie gefdaut.
Uber im nächſten Moment ſchwang er die blaue Fahne
und rief:
Rad! nad, eurem König!“
Und das berittne Gefolge voran, das Fußvolk, fprins
gend und auf den Schilden rutſchend, hinterher, brad das
Mitteltreffen ver Gothen pliglich fteil von oben auf die
bunnifden Reiter.
Calpurnius hatte aufgefebn.
Shm war, als ob fein Name, gellend gerufen, an fein
Ohr ſchlüge.
Ihm war der Ruf wie die Poſaune des Weltgerichts.
Wie blitzgetroffen wandte er ſich und wollte auf und
davon.
Aber der mauriſche Leibwächter zur Rechten fiel ihm
in den Zügel: „Halt, Tribun!“ ſagte Antallas, auf
Totila's Reiter deutend — ,,dort iſt der Feind!“
Ein Schmerzenſchrei riß ihn und Calpurnius zur
Linken herum.
Da ſtürzte der zweite der Leibwächter, der Hunne
Kuturgur, zu ſeiner Linken, klirrend vom Pferd, unter
dem Schwerthieb eines Gothen, der plötzlich wie vom
Himmel gefallen ſchien.
Und hinter dieſem Gothen drein ſprang und kletterte
und wogte es den ſteilen Felshang hinab, der doch pfadlos
ſchien: und die Reiter waren von dieſem plötzlich von
Oben gekommenen Feind in der Flanke umfaßt, während
92
fie gleidyeitig in ber Stivnfette mit ben Gefdwadern
Totila’s zuſammenſtießen.
Calpurnius erfannte den Gothen.
‚Witichis!“ rief er entfebt, und ließ den Arm
finfen.
Aber fein Pferd rettete ihn; verwundet und ſcheu
geworden durd den Fall des hunnifden Leibwächters gur
Linfen, fegte e8 in wilben Sprüngen davon.
Der maurifde Leibwächter gu feiner Rechten warf fid
witthend auf ben König der Gothen, der gang allein den
Geinigen weit voraus geeilt war.
„Nieder, Tolltithner!" ſchrie er.
Aber im nächſten Augenblick hatte ihn vas Schwert
des Witichis getroffen, ver unaufhaltfam Alles vor ſich
nieder gu werfen ſchien, was ifn von Calpurnius jest
nod) fern btelt.
Rafend fete ihm Witichis nad.
Mitten durch die Rethen der hunnifden Reiter, die,
entfest vor diefem Wnblid, ausetnander ftober.
Calpurnius hatte fein Pferd wieder bemeiftert und
ſuchte jest Schutz hinter den dichteſten Geſchwadern feiner
Reiter.
Umſonſt.
Witichis verlor ihn nicht aus dem Auge und
ließ nicht von ihm ab.
Wie dicht er ſich unter ſeinen Reitern barg, wie
raſch ev floh, — er entging nicht dem Blicke des Königs,
ver Wes erfdilug, was ſich zwiſchen ihn und den Mör⸗
per feines Sehnes drangte.
93
Knäul auf Knäul, Gruppe auf Gruppe löſte fid
por dem furdtbaren Schwert des rächenden Vaters: die
ganze Maſſe der Hunnen war quer getheilt von dem
Flüchtenden und feinem Verfolger.
Sie vermodte nidt, fic wieder gu ſchließen.
Denn ehe nod Lotila ganz beran war, hatte der
alte Bannertrager mit Reitern und Fußvolk ihre rechte
Flanke durchbrochen, in zwei Dheile gefpalten.
Ul Totila anfprengte, hatte er nur nod) Flüchtlinge
zu verfolgen. |
Der Theil zur rechten wurde alsbald von Totila
und Hildebrand in die Mitte genommen und vernidtet.
Der größere Theil gur inten floh zurück auf Velifar.
Galpurnius jagte tndeffen, wie von Furien gebest,
über das Schlachtfeld.
Er hatte einen großen Vorſprung, da ſich Witichis.
ſieben Mal erſt hatte Bahn hauen müſſen.
Aber ein Dämon ſchien Boreas, des Gothen Roß, zu
treiben: näher und näher kam er ſeinem Opfer.
Schon vernahm der Flüchtling den Ruf, zu ſtehen
und zu fechten.
Noch haſtiger ſpornte er ſein Pferd.
Da brach es unter ihm zuſammen.
Noch bevor er ſich aufgerafft, ſtand Witichis vor ihm,
der vom Sattel geſprungen war.
Er ſtieß ihm, ohne ein Wort, mit dem Fuß das
Schwert hin, das ihm entfallen.
Da faßte ſich Calpurnius mit dem Muth der Ver⸗
zweiflung.
94
Se hob das Schwert auf und warf fid) mit einem
Tigerfprung auf ven Gothen.
Aber mitten im Sprung ſtürzte er ritdlings nieder.
Witihis hatte ihm die Stirn mitten entgwet ge-
hauen.
Der Konig fetzte ven Fuh auf vie Bruft ver Leiche
und fal in das verjerrte Gefidt.
Dann ſeufzte er tief auf:
west hab’ id) die Rade. O Hatt’ id mein ind.“
Mit Ingrimm hatte Belifar die fo ungiinftige Er⸗
Bffnung des Kampfes mit angefeben.
Aber feine Rube, feine Buverfidht verließ ihn nicht,
al8 er Ambazuchs und Beffas’ Armenier weggefegt, als
er des Galpurnius Reiter durdhbroden und geworfen fab.
Gr erfannte jest die Uebermadt und Ueberlegenheit
des Feindes.
Aber er beſchloß, auf der ganzen Linie vorguritden,
eine Lücke laffend, um den Reft der flichenden Retter
aufzunehmen.
Jedoch ſcharf bemerkten dies die Gothen und drängten.
Witichis voran, Totila und Hildebrand, welche die Um⸗
zingelten vernichtet hatten, folgend, den Flüchtlingen jetzt
fo umgeſtüm nad, daß fie mit ihnen zugleich die Linie
Beliſars zu erreichen und zu durchdringen drohten.
Das durfte nicht ſein.
Beliſar füllte dieſe Lücke ſelbſt durch ſeine Leibwache
zu Fuß und ſchrie den fliehenden Reitern entgegen, zu
halten und zu wenden.
95
Aber e8 war, als ob vie Todesfurdyt ihres gefallnen
Führers ſie alle ergriffen hätte.
Sie ſcheuten das Schwert des Gothenkönigs hinter
ſich mehr als den drohenden Feldherrn vor ſich: und
ohne Halt und Faſſung raſten ſie, als wollten ſie ihr
eignes Fußvolk nieder reiten, im vollen Galopp heran.
Einen Augenblick ein furchtbarer Stoß — ein tauſend⸗
ſtimmiger Schrei der Angſt und Wuth — ein wirrer
Knäuel von Reitern und Fußvolk minutenlang — darunter
einhauende Gothen — und plötzlich ein Auseinander⸗
ſtieben nach allen Seiten unter gellendem Siegesruf
der Feinde. —
Beliſars Leibwache war nieder geritten, ſeine Haupt⸗
ſchlachtlinie durchbrochen. —
Er befahl den Rückzug in's Lager.
Aber es war kein Rückzug mehr: es war eine
Flucht.
Hildebad's, Guntharis' und Teja's Fußvolk waren
jetzt auf dem Schlachtfeld eingetroffen: die Byzantiner
ſahen ihre Stellung im Ganzen geworfen: ſie ver⸗
zweifelten am Widerſtand und mit großer Unordnung
eilten ſie nach dem Lager zurück.
Gleichwohl hätten ſie daſſelbe noch in guter Zeit
vor den Verfolgern erreicht, hätte nicht ein unerwartetes
Hinderniß alle Wege geſperrt.
So ſiegesgewiß war Beliſar ausgezogen, daß er das
ganze Fuhrwerk, die Wagen und das Gepäck des Heeres,
ja ſelbſt die Herden, welche ihm nachgetrieben wurden
96
nad ver Gitte jener Beit, ven Truppen anf allen
Stragen zu folgen befoblen hatte.
Auf diefen langfamen, ſchwer beweglichen und ſchwer
gu entfernenden Körper ſtießen nun itberall die weidjen-
den Truppen und grenjenlofe Hemmung und VBerwirrung
trat etn.
Goldaten und Padtnedhte wurden handgemein: die
Reihen often ſich gwifden den Rarren, Siften und
Wagen.
Bet Vielen erwachte die Beuteluft und fie fingen an,
pas Gepäck gu plitndern, ehe es in die Hände der Bare
baren falle.
Ueberall ein Streiten, Fluchen, Klagen, Droben:
dazwifden das Krachen ver Laftwagen, die zerbrochen
wurden, wie das Blöken und Britten der erſchrocknen
Herren.
„Gebt den Troß Preis! Feuer in die Wagen! ſchickt
pie Reiter durch die Herden!“ befahl Belifar, der mit
bem Reft feiner Leibwaden in guter Ordnung mit dem
Schwert fis Bahn brad.
Uber vergebens.
Smmer unentwirrbarer, immer dichter wurde der
Knäuel — nichts ſchien ihn mehr löſen gu können.
Da zerriß thn vie Vergweiflung.
Der Schrei, „die Barbaren über uns!" erſcholl ans
den binterften Reihen.
Und e8 war fein leerer Schreck. |
Hiltebad mit rem Fufvolf war jest in die Ebene
97
hinab geftiegen und feine erften Reihen trafen auf den
webrlofen Rnauel.
Da gab e8 eine furchtbare wogende Bewegung nad vorn:
ein taufendftimmiger Schrei der Ungft — ver Wuth —
des Schmerzes der Ungegriffnen, ver Leibwachen, welde,
alter Tapferkeit gedent, fechten wollten und nidt fonnten:
— ver Rertretnen und Zerdrückten — und pliglid
ftitrgte der größte Theil ver Wagen, mit ihrer Befpannung,
und mit den Tanfenden, die darauf und dazwiſchen gus
ſammengedrängt waren, mit Donnerndem Rraden in die
Graben links und rechts neben der Hodftrafe.
So ward ver Weg frei. —
Und unaufhaltfam, ordnungslos ergoR fid) ver Strom
ber Fliidtigen nad dem Lager.
Mit lautem Siegesgeſchrei folgte das gothifdhe Fuß⸗
volf, ohne Mühe mit ven Fernwaffen, mit Pfeilen,
Schleudern und Wurffpeeren, in dem didten Gewiihl
feine Biele treffend, wabrend Belifar mit Mühe die une
aufhörlichen Angriffe der Reiter Totila’s und des Königs
abwebrte.
„Hilf, Belifar,” rief Aigan, vec Führer ver maffages
tifden Soldner, aus dem eben gefprengten Knäul heran-
reitendD, bas Blut aus vem Geſicht wifdend: meine
Lanvslente haben heut’ den ſchwarzen Teufel unter den
Feinden gefehen.
Sie ftehn mir nicht.
Hilf: dich fiirchten fie fonft mehr als den Teufel!“
Mit Knirſchen fah Belifar hiniiber nad feinem redjten
Dabhn, Gin Kampf um Rom. IIL. 7
98
Flügel, ver aufgelBft über das Blachfeld jagte, von den
Gothen gebest.
„O Suftintanus, faiferlider Herr, wie erfüll' id
{hlecht mein Wort!"
Und die weitere Dedung ved Rückzugs in's Lager
vem erprobten Demetrius itberlaffend — denn das hüge⸗
lige Zerrain, das jebt erreicht war, ſchwächte die
Kraft der verfolgenden Reiter — fprengte er mit Wigan
und fetner beritinen Garde querfeldein mitten unter die
Flüchtenden.
„Halt!“ donnerte er ihnen gu, ,balt, thr feigen
Hunde.
Wer flieht, wo Beliſar ſtreitet?
Ich bin mitten unter euch, kehrt und ſiegt!“
Und aufſchlug er das Viſir des Helmes und zeigte
ihnen das majeſtätiſche, das löwengewaltige Antlitz.
Und ſo mächtig war die Macht dieſer Heldenperſön⸗
lichkeit, ſo groß das Vertrauen auf ſein ſieghaftes Glück,
daß in der That Alle, welche die hohe Geſtalt des Feld⸗
herrn auf ſeinem Rothſcheck erkannten, ſtutzten, hielten,
und mit einem Ruf ver Ermuthigung ſich den nach—⸗
Dringenden Gothen wieder entgegen wandten.
An viefer Stelle wenigftens war die Fludt gu
Ende.
Da ſchritt ein gewaltiger Gothe heran, leicht fich
Bahn brechend.
„Heia, das iſt fein, daß ihr einmal des Laufens
müde ſeid, ihr flinken Griechlein.
Ich konnt' euch nicht mehr nach vor Schnaufen.
99
In ven Beinen feid ihr uns iiberlegen. aft febn,
ob aud in den Armen.
Ha, was weidt ihr, Burſche! Bor dem, auf rem
Braunfdet? Was ift’s mit dem?"
„Herr, daß mug ein König fein unter den Walfden,
taum fann man fein jornig Wuge tragen.“
bas ware! Wh — das mug Beliſarius fein!
Freut mid," frie er ihm hinüber, „daß wir uns
treffen, du kühner Held.
Nun fpring vom Rok und lak uns die Rraft der
Arme mefjen.
Wiffe, id) bin Hildebad, ves Tota Sohn.
Sieh, aud ich bin ja gu Fuß. °
Du willft nicht?“ rief ev gornig. Mug man did
vom Gaule olen 2“
Und dabei ſchwang er in der Rechten wiegend den
ungebeuren Speer.
„Wende, Herr, weich' aus," rief Wigan, ,der Riefe
wirft ja junge Maſtbäume.“
„Wende, Herr," wiederholten feine Hypafpiften angft:
lich."
Aber Belifar ritt, vas kurze Schwert gezückt, rubig
dem Gothen um eine Pferdelinge näher.
Sauſend flog ver balfengletde Speer heran, grad auf
Belifars Brut.
Aber kurz, ehe er traf, ein ftraftiger Hieb von
Belifars kurzem Römerſchwert und drei Schritte fettwaris
fiel der Speer harmlos nieder.
7*
100
„Heil Belifarins! Heil," fdrieen vie Byzantiner ers
muthigt und drangen auf die Gothen ein.
„Ein guter Hie,” lachte Hildebad grimmig.
„Laß fehen, ob dix deine Fedttunft aud gegen dex
hilft.“
Und ſich bückend hob er aus dem Ackerfeld einen
alten zackigen Grenzſtein, ſchwang ihn mit zwei Armen
erſt langſam hin und her, hob ihn dann über den Kopf
mit beiden Händen und ſchleuderte ihn mit aller Kraft
auf den heranſprengenden Helden —: ein Schrei des
Gefolges — riidlings ftitrgte Beliſar vom Pferd. —
Da war es aus.
»Delifarius todt! wehe! Alles verloren, wehe!“ ſchrieen
ſie, als die hochragende Geſtalt verſchwunden, und jagten
beſinnungslos nach dem Lager zu.
Einzelne flohen unaufhaltſam bis an und in die
Thore Roms.
Umſonſt war's, daß ſich die Lanjens und Schild⸗
träger todesmuthig den Gothen entgegen warfen: ſie
konnten nur ihren Herrn, nicht die Schlacht mehr retten.
Den erſten tödtlichen Schwerthieb Hildebads, welcher
herangeſtürmt war, fing der treue Maxentius auf mit der
eignen Bruſt.
Aber hier ſank auch ein gothiſcher Reiter endlich vom
Roß, der erſt nach Hildebad Beliſar erreicht und ſieben
Leibwächter erſchlagen hatte, um bis zum Magiſter Mi⸗
litum durchzudringen.
Mit dreizehn Wunden fanden ihn die Seinen.
Aber er blieb am Leben.
101
_ Und er war einer der Wenigen, melde den ganzen
Krieg durchkämpften und itberlebten —, Wifand, der
Bandalarius.
Belifar, von Aigan und Valentinus, feinem Hippofos
mos (Rofwart), wieder auf den Rothfdeden geloben
und rafd) von der Betdubung erholt, erhob umfonft den
Feldherrnſtab und Feldherrnruf: fie hörten nicht mehr
und wollten nidt hören.
Umfonft hieb er nad allen Geiten unter die Flüch—
tigen: er wurbe fortgerifjen von ihren Wogen bis an’s
Lager.
Hier gelang e8 ihm nod) einmal, an einem feften
Shor, die nadjdringenden Gothen aufzubalten.
„Die Ehre ift hin,” fagte er unwillig, „laßt uns das
Leben wabren.”
Mit viefen Worten ließ er die Lagerthore fdliefen,
obne Rückſicht auf die grofen Maſſen der nod) Wunsges
ſchloſſnen.
Ein Verſuch des ungeſtümen Hildebad, ohne Weitres
einzudringen, ſcheiterte an dem ſtarken Eichenholz des
Pfalwerks, das dem Speerwurf und den Schleuderſteinen
trotzte.
Unmuthig auf ſeinen Speer gelehnt kühlte er ſich
einen Augenblick von der Hitze.
Da bog Teja, der längſt, wie der König und
Totila, abgeſeſſen, prüfend und das Pfalwerk meſſend,
um die Ecke des Walls.
„Die verfluchte Holzburg,“ rief ihm Hildebad ents
gegen.
102
„Da hilft nicht Stem, nicht Cifen.“
„Nein,“ ſagte Teja, „aber Feuer!“
Er ſtieß mit dem Fuß in einen Aſchenhaufen, der
neben ihm lag.
„Das find die Wachtfeuer, ſammt vem Reiſig, von
heute Nacht.
Hier glimmen noch Gluthen!
Hierher, ihr Männer, ſteckt die Schwerter ein, ent⸗
zündet den Reiſig! werft Feuer in das Lager!“
„Prachtjunge,“ jubelte Hildebad, ,flugs, ihr Burſche,
brennt ſie aus, wie den Fuchs aus dem Bau! der friſche
Nordwind hilft.“
Und raſch waren die Wachtfeuer wieder entfacht,
hunderte von Bränden flogen in das trockne Sparrenwerk
der Schanze.
Und bald ſchlugen die Flammen lodernd gen Himmel.
Der dichte Qualm, vom Wind in's Lager getragen,
ſchlug den Byzantinern in’s Geſicht und machte vie Bere
theidigung der Walle unmöglich.
Gie widen in das Innere des Lagers.
„Wer jetzt fterben dürfte!“ ſeufzte Beliſar. — „Räumt
das Lager! Hinaus zur Porta decumana.
Sn gut gefdloffner Ordnung zu den Brücken hinter
uns!“
Aber der Befehl, das Lager zu räumen, zerriß das
letzte Band der Zucht, der Ordnung und des Muthes.
Während unter Teja's dröhnenden Arthieben die vere
kohlten Thorbalken nieder krachten und mitten durch
Flammen und Qualm der ſchwarze Held, wie ein Feuer⸗
103
Damon, der Erfte, durch das pritorifde Thor in’s Lager
fprang, riffen die Flüchtenden alle Thore, auch die feits
warts aus dem Lager nad) Rom zu fithrten, die Portä
principales rechts und links, auf einmal auf und ſtrömten
in wirren Maffen nad dem Flug.
Dic Erften erreidten nod) fider und unverfolgt die beiden
Briiden; fie hatten grogen Vorfprung, bis Hildebad und
Leja Belijar aus dem brennenden Lager herausgedrangt.
Aber plötzlich — neues Entſetzen! — ſchmetterten die
gothifden Reiterhirner gang nabe.
BWitihis und Lotila Hatten fid), fowie fie das Lager
genommen wußten, fogleid) wieder ju Pferd geworfen
und fiihrten nun ihre Ketter von beiden Seiten, links
und redtS vom Lager her, den Flüchtenden in die
Flanken.
Eben war Beliſar aus dem decumaniſchen agers
Thor geſprengt und eilte nach der einen Brücke zu, als
er von links und rechts die verderblichen Reitermaſſen
heranſauſen ſah.
Nod) immer verlor der gewaltige Kriegsmann die
Faſſung nicht.
„Vorwärts im Galopp an die Brücken!“ befahl ev
ſeinen Garacenen, ‚deckt fie!" —
Es war zu ſpät: ein dumpfer Krach, gleich darauf
ein zweiter, — die beiden ſchmalen Brücken waren unter
der Laſt der Flüchtenden eingebrochen und zu Hunderten
ſtürzten die hunniſchen Reiter und die illyriſchen Lanzen⸗
träger, Juſtinians Stolz, in das ſumpfige Gewäſſer.
Ohne Bedenken ſpornte Beliſar, an dem ſteilen Ufer
104
angelangt, fein Pferd in die ſchäumende und blutig gefärbte
Fluth.
Schwimmend erreichte er das andere Ufer.
„Salomo,“ ſagte er, ſowie er drüben gelandet, zu
ſeinen raſcheſten Prätorianern, „auf, nehmt hundert aus
meinen Reiter⸗Wachen und jagt was ihr könnt nach dem
Engpaß.
Ueberreitet alle Flüchtigen.
Ihr müßt ihn vor den Gothen erreichen, hört ihr?
ihr müßt!
Gr iſt unſer letzter Strohhalm.“
Salomo und Dagiſthäos gehorchten, und ſprengten
blitzſchnell davon.
Beliſar ſammelte, was er von den zerſtreuten Mafſen
erreichen konnte.
Die Gothen waren wie die Byzantiner durch den
Fluß eine Weile aufgehalten.
Aber plötzlich rief Wigan: Da fprengt Salomo
zurück!“
„Herr,“ rief dieſer heranjagend: „Alles tft verloren!
Waffen blitzen im Engpaß. Er iſt ſchon beſetzt von den
Gothen.“
Da, zum erſtenmale an dieſem Tage des Unglücks,
zuckte Beliſar zuſammen.
„Der Engpaß verloren? — Dann entkommt fem
Mann vom Heere meines Kaiſers.
Dann fahrt wohl: Ruhm, Antonina und Leben.
Komm, Aigan, zieh' das Schwert, — laß mich nicht
lebend fallen in Barbarenhand.“
105
„Herr,“ fagte Wigan. „So hart’ id) euch nie reden “
„So war's aud) nod) nie. Laß uns abfteigen und
ſterben.“
Und ſchon hob er den rechten Fuß aus dem Bügel,
vom Roß zu ſpringen, da ſprengte Dagiſthäos heran —:
„Getroſt, mein Feldherr!“
„Nun?“
„Der Engpaß iſt unſer — römiſche Waffen ſind's,
die wir dort ſahen.
Es iſt Cethegus, der Präfect! Er hielt ihn geheim
beſetzt.“
„Cethegus?“ rief Beliſar. „Iſt's möglich? Iſt's gewiß?“
„Ja, mein Feldherr. Und ſeht, es war hoch an
der Zeit.“
Das war es.
Denn eine Schar gothiſcher Reiter, von König
Witichis geſendet, den Flüchtenden am Engpaß voraus⸗
zukommen, hatte durch eine Furt den Fluß paſſirt, den
Reitern Beliſars den Weg abgeſchnitten und vor ihnen
pen verhängnißvollen Pak erreicht.
Aber eben als ſie dort einmünden wollten, brach
Cethegus an der Spitze ſeiner Iſaurier aus dem Verſteck
der Schlucht hervor und warf die überraſchten Gothen
nach kurzem Gefecht in die Flucht. —
„Der erſte Glanz des Sieges an dieſem ſchwarzen
Tag!“ rief Beliſar.
auf, nach dem Engpaß!“
Und mit beſſerer Ordnung und Ruhe führte der
Feldherr ſeine geſammelten Scharen an vie Waldhügel.
106
„Willkommen in Siderheit, Belifarius,” rief thm
Cethegus gu, feine Schwertklinge faubernd.
„Ich warte bier auf vid) fett Tagesanbrud.
Sd wufte wohl, dak du mix fommen würdeſt.“
„Präfect von Rom," ſprach Belifar, ihm vom Pferd
herunter die Hand reidend:
„Du Haft ves Raifers Heer gerettet, das td verloren
batte: ich danke dir.“
Die frifdhen Truppen des Prafecten hielten, eine une
durchdringliche Mauer, den Bah befest, die zerftreut
heranfliidhtenden Byzantiner durchlaſſend und Angvriffe
Der erften ermüdeten Berfolger, die über den Flug gee
brungen, — fie batten einen vollen Lag des Kampfes
hinter fid) — in der giinftigen Stellung ohne Mühe
abwehrend.
Bei Einbruch der Dunkelheit nahm König Witichis ſeine
Scharen zurück, auf dem Schlachtfeld ihres Sieges zu
übernachten, während Beliſar mit ſeinen Feldherrn einſt⸗
weilen im Rücken des Paſſes, ſo gut es gehen wollte,
die aufgelöſten Heeresmaſſen, wie ſie zerſtreut und ver⸗
einzelt eintrafen, ordneten.
Als Beliſar wieder einige tauſend Mann beiſammen
hatte, ritt er zu Cethegus heran und ſprach:
„Was meinſt du, Präfect von Rom?
Deine Truppen ſind noch friſch.
Und die Unſern müſſen ihre Scharte auswetzen.
Yok uns hervorbrechen nocheinmal — die Sonne
geht noch nicht gleich unter — und das Los des Tages
wenden."
107
Mit Staunen fah ihn Cethegus an und fprad die
Morte Homers:
„Wahrlich, ein fdredlides Wort, du Gewaltiger.
haſt du geſprochen.
Unerſättlicher!
So ſchwer erträgſt du's, ohne Sieg aus einer Schlacht
zu gehn?
Nein, Beliſarius! dort winken die Zinnen Roms:
dahin führe deine todesmatten Völker.
Ich halte dieſen Paß, bis ihr die Stadt erreicht.
Und froh will ich ſein, wenn mir das gelingt.“
Und fo war's geſchehn.
Beliſar vermochte unter den dermaligen Umſtänden
weniger als je den Präfeeten gegen deſſen Willen zu
bewegen.
So gab er nach und führte ſein Heer nach Rom
zurück, das er mit dem Einbruch der Nacht erreichte.
Lange wollte man ihn nicht einlaſſen.
Den von Staub und Blut Bedeckten erkannte man
nur ſchwer.
Auch hatten Verſprengte die Nachricht aus der Schlacht
in die Stadt getragen, der Feldherr ſei gefallen und
Alles verloren.
Endlich erkannte ihn Antonina, die ängſtlich auf den
Wällen ſeiner harrte.
Durch das pincianiſche Thor ließ man ihn ein;
es hieß ſeitdem Porta beliſaria.
Feuerzeichen auf den Wällen zwiſchen dem flami⸗
niſchen und dem pincianiſchen Thor verkündeten dies
108
dem Prafecten, Der nun, in guter Ordnung und von ben
ermiideten Giegern faum verfolgt, im Schutze der Nacht
feinen Rückzug bemerfftelligte.
Nur Teja drängte nach mit einigen feiner Retter bis an
das Hiigelland, wo heute Villa Borghefe liegt, und bis
zur Aqua Acetoſa.
Adjtes Capitel.
Um Cage darauf erfdjien vas ganze zahlreiche Heer
der Gothen vor der ewigen Stadt, die e8 in fieben
Lagern umfdlof.
Und nun begann jene dentwitrdige Belagerung, welde
nidt minder das Feldherrntalent und die Crfindungs-
gabe BVelifars als den Muth ver VBelagerer entfalten follte.
Mit Schrecken Hatten die Bilrger Poms von ihren
Mauern herah mit angefehen, wie die Scharen der
®othen nicht enden wollten.
„Sieh hin, o Prafect, fie überflügeln alle deine Mauern.“
„Ja! in die Breite! laß ſehen, ob ſie ſie in der
Höhe überflügeln.
Ohne Flügel kommen ſie nicht herüber.“
Nur zwei Tauſendſchaften hatte Witichis in Ravenna
zurückgelaſſen, acht hatte er unter den Grafen Uligis von
Urbsſalvia und Anſa von Aſculum nach Dalmatien ent⸗
ſendet, dieſe Provinz und Liburnien den Byzantinern zu
entreißen und zumal bas mächtige Salona wieder zu ges
winnen; durch Söldner, in Gavien gemorben, follten fie
ſich ver{tarten.
110
Aud) vie gothifde Flotte follte — gegen Teja’s Wath!
— dort, nidt gegen den Hafen von Rom, Portus, wirfen.
Den Umfreis der Stadt Rom aber, und thre weit
hinaudsgeftredten Walle, vie Mauern Aurelian’ und des
Prafecten, umgiirtete nun der Konig mit einhundertund⸗
fünfzig Laufendfdaften.
Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige
fleinere.
Von dieſen umfdhloffen vie Gothen den fdwaderen
Theil der Umwallung, den Raum, der von dem flamis
niſchen Thor im Norden (öſtlich von der jegigen Porta
vel Popolo) bis zum praneftinifdhen Thor reicht, volljtindtg
mit feds Heerlagern; nämlich die Walle vom flami-
nifden Thor gegen Often bis an's pinctanifde und falas
rife, Dann bis an das nomentantfde Thor (ſüdöſtlich
von Porta pia), ferner bis gegen das ,gefdloffene Thor,"
vie Porta claufa, endlid) ſüdlich von da das tiburs
tinifhe Thor (heute Porta Gan Lorenzo) und das afi
nariſche, metronifde, latinifde, (an der Via latina,) vas
appifde (an der Via appia) und das Sanct Pauls
Thor, das zunächſt vem Tiberufer lag.
Alle viefe feds Lager waren auf dem linken Ufer
res Fluſſes.
Um aber gu verbiiten, vag vie Belagerten durd
Berftdrung ver milvifden Briide den Angretfern dew
Uebergang liber ven Flug und vas ganje Gebiet auf
rem redjten Liberufer bi8 an die See abfdnitten,
ſchlugen die Gothen ein fiebentes Lager auf dem redten
LibersUfer: auf vem Felde Nero's," vom vaticanifden
111
Hiigel bis gegen die milviſche Briide hin (unter dem
„Monte Mario’) .
So war die milvifde Brite durch ein Gothens
lager gededt und die Britde Hadrians bedroht, fowie der
Weg nad der Stadt durdy die ,Porta Gancti Petri”,
wie man damals fdon, nad) Profops BVeridt, das innere
Chor Aurelians nannte.
Es war das nadfte an dem Grabmal Hadrians.
Aber aud) das Thor von Sanct Pantratius rechts
ves Libers war von den Gothen fcharf beobadhtet.
Dies Lager auf dem neronifden Feld, auf dem redjten
Tiberufer, gwifden rem pantratifden und dem Petrus-
Thor, überwies Witichis vem Grafen Markja von Merios
fanum, welder aus den cottifden Alpen und der Bes
obadtung der Franken juritdgerufen worden war.
Uber ver Konig felbft weilte oft hier, vas Grabmal
Padrians mit fdarfen Bliden priifend.
Er hatte fein einjelnes Lager iibernommen, ſich die
Gefammtleitung vorbehaltend, vielmehr die ſechs übrigen
an Hildebrand, Lotila, Hildebad, Leja, Guntharis und
Grippa vertheilt.
Sedes ver fieben Lager ließ der König mit einem
tiefen Graben umziehn die dadurd ausgehobue Erde zu
einem hohen Wall ywifden Graben und Lager aufhaufen
und diefen mit Pfahlwerk verftarfen, — fic gegen Aus—
fälle zu ſichern.
Aber auch Beliſar und Cethegus vertheilten ihre
Feldherrn und Mannſchaften nad) den Thoren und We
gionen Roms.
112
Beliſar übertrug vas praneftinifde Chor im Often
ber Stadt (heute Porta maggiore) dem Beffas, das
ftarf bedrohte flaminifde, dem ein gothifdjes Lager, das
Totila's, in gefabrlider Mabe lag, dem Conftantinus,
ver es durch Mtarmorquadern, aus rdmifden Cempeln
und Paläſten gebroden, faft ganz zubauen lief.
Beltfar felbft ſchlug fein Standlager auf im Norden
der Stadt.
Diefer war unter den ihm von Cethegus eingerdumten
Theilen ver Feftung Rom der ſchwächſte.
Den Weften und Süden hielt eiferfiidtig, unentfern-
har und unentbebrlid, ver Prafect.
Uber hier oben im Norden war Belifar Herr:
zwiſchen dem flaminifden und dem pincianifden — oder
nun ,belifarifden" — Thor, dem ſchwächſten Theil der
Umwwallung, ließ ev ſich nieder, zugleich Ausfälle gegen
die Barbaren planend.
Die übrigen Thore überwies er den Führern des
Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes,
Azarethas und Chilbudius.
Der Präfect hatte übernommen alle Thore auf dem
rechten Tiberufer, die neue Porta aurelia an der äliſchen
Brücke bei dem Grabmal Hadrians, die Porta ſepti⸗
miana, das alte aureliſche Thor, das nun das pankra⸗
tiſche hieß, und die Porta portuenſis: auf dem linken
Ufer aber noch das Thor Sanct Pauls.
Erſt das nächſte Thor weiter öſtlich, das ardeati⸗
niſche, ſtand unter byzantiniſcher Beſatzung: Chilbudius
befehligte hier.
113
Gleich unermüdlich und gleich erfinderifd erwieſen
ſich die Belagerer und die Belagerten in Planen des
Angriffs und ver Vertheidigung.
Lange Beit handelte es ſich nur um Mafregeln,
weldhe vie Bedrängung ver Römer ohne Sturm, vor dem
Sturm, bezweckten und andrerfeits, fie abwebren follten.
Die Gothen, Herrn und Meifter ver Campagna,
fudjten die Belagerten auszudurſten: fie fdnitten alle
die pradtvollen vierzehn Wafferleitungen ab, welde die
Start fpeifter.
Belifar lieR vor Alem, als er dies wahrnahm, die
Miindungen innerhalb ver Stadt verfdiitten und vers
mauerm.
„Denn,“ hatte ihm Protrop gefagt. „nachdem du, o
großer Held Belifarius, durch eine folde Wafferrinne
nad Neapolis hineingekrochen bift, finnte e8 den Bare
baren etnfallen, und faum ſchimpflich fdeinen, auf dem
gleiden Heldenpfad fid) nad Rom hinein gu krabbeln.“
Den Genug ves geliebten Bares muften vie Vee
lagerten entbebren: faum reidten die Brunnen im den
vem Fluß entlegenen Stadtthetlen fiir dad Trinkwaſſer aus.
Durd vas Abfdneiven ves Wafers batten aber die
Barbaren den Römern aud das Brod abgeſchnitten. —
Wenigftens ſchien es fo.
Denn die fammtlichen Waſſermühlen Roms ver—
fagten nun.
Das aufgelpeicherte Getreide, das Gethegus aus
Gicilten gefauft, das Belifar aus ver Umgegend Roms
zwangtwerfe hatte in die Stadt fdaffen laffen, trog red
Dabn, Cin Kampf um Rom. IIL. 8
a
106
„Willkommen in Sicherheit, Beliſarius,“ rief thm
Sethegus zu, feine Schwertklinge faubernd.
„Ich warte bier auf did) feit Tagesanbruch.
Sh wußte wohl, dak du mir fommen würdeſt.“
wPrafect von Rom," ſprach Belifar, ihm vom Pferd
herunter die Hand reidend:
„Du Haft ves Kaiſers Heer gerettet, das id) verloren
hatte: id) danfe dir.“
Die friſchen Truppen des Prafecten hielten, eine uns
purdpringlide Mauer, ven Pak befest, die zerſtreut
heranfliidtenden Byzantiner durchlaſſend und Angriffe
der erften erntitdeten Berfolger, die über den Flug gee
drungen, — fie batten einen vollen Zag des Kampfes
hinter ſich — in der giinftigen Stellung ohne Mühe
abwebrend.
Bei Cinbrud der Dunkelheit nahm Konig Witichis feine
Scharen zurück, auf vem Schladhtfeld ihres Sieges zu
übernachten, während Beliſar mit ſeinen Feldherrn einſt⸗
weilen im Rücken des Paſſes, ſo gut es gehen wollte,
die aufgelöſten Heeresmaſſen, wie ſie zerſtreut und ver⸗
einzelt eintrafen, ordneten.
Als Beliſar wieder einige tauſend Mann beiſammen
hatte, ritt er zu Cethegus heran und ſprach:
„Was meinſt du, Präfect von Rom?
Deine Truppen ſind noch friſch.
Und die Unſern müſſen ihre Scharte auswetzen.
Laß uns hervorbrechen nocheinmal — die Gonne
geht noch nicht gleich unter — und das Los des Tages
wenden."
107
Mit Staunen fah ihn Gethegus an und fprad die
Worte Homers:
„Wahrlich, ein ſchreckliches Wort, du Gewaltiger,
baft Du gefproden.
Unerfattlider ! ‘
Go ſchwer ertragft du's, ohne Sieg aus einer Schlacht
zu gehn?
Nein, Beliſarius! dort winken die Zinnen Roms:
dahin führe deine todesmatten Völker.
Ich halte dieſen Paß, bis ihr die Stadt erreicht.
Und froh will ich ſein, wenn mir das gelingt.“
Und ſo war's geſchehn.
Beliſar vermochte unter den dermaligen Umſtänden
weniger als je den Präfeeten gegen deſſen Willen zu
bewegen.
So gab er nach und führte ſein Heer nach Rom
zurück, das er mit dem Einbruch der Nacht erreichte.
Lange wollte man ihn nicht einlaſſen.
Den von Staub und Blut Bedeckten erkannte man
nur ſchwer.
Auch hatten Verſprengte die Nachricht aus der Schlacht
in die Stadt getragen, der Feldherr ſei gefallen und
Alles verloren.
Endlich erkannte ihn Antonina, die ängſtlich auf den
Wällen ſeiner harrte.
Durch das pincianiſche Thor ließ man ihn ein;
es hieß ſeitdem Porta beliſaria.
Feuerzeichen auf den Wällen zwiſchen dem flami⸗
niſchen und dem pincianiſchen Thor verkündeten dies
108
dem Prafecten, der nun, tn guter Ordnung und von den
ermiideten Giegern faum verfolgt, im Schutze der Nacht
feinen Rückzug bewerkftelligte. |
Nur Teja drängte nach mit einigen feiner Reiter bis an
das Hiigelland, wo heute Villa Borghefe liegt, und bis
zur Aqua Acetoſa.
Achtes Capitel.
Win Tage darauf erfdien vas ganze zahlreiche Heer
der Gothen vor der ewigen Stadt, die e8 in fieben
Lagern umſchloß.
Und nun begann jene denkwürdige Belagerung, welde
nidt minder das Feldherrntalent und die Crfindungs-
gabe Belifars als den Muth ver Belagerer entfalten follte.
Mit Schrecken Hatten vie Bürger Roms von ihren
Mauern herab mit angefehen, wie die Scharen der
Gothen nicht enden wollten.
„Sieh hin, o Präfect, fie überflügeln alle deine Mauern. “
„Ja! in die Breite! laß feben, ob fie fie in der
Hobe itberflitgeln.
; Obne Fliigel fommen fie nidjt herüber.“
Mur zwei Caufendfdaften hatte Witichis in Ravenna
zurückgelaſſen, acht hatte ev unter den Grafen Uligis von
Urbsfalvia und Anfa von Wfculum nad Dalmatien ents
fendet, diefe Proving und Liburnien den Byjzantinern zu
entreifen und zumal das madtige Salona wieder yu ges
winnen; Durd) Söldner, in Gavien geworben, follten fie
ſich verſtärken.
110
Aud) vie gothifde Flotte follte — gegen Teja’s Rath!
— dort, nicht gegen den Hafen von Rom, Portus, wirken.
Den Umbreis der Stadt Rom aber, und ihre weit
hinausgeftredten Walle, vie Mtanern Aurelian’ und des
Prafecten, umgürtete nun der Kinig mit einhundertund-
fünfzig Tauſendſchaften.
Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige
kleinere.
Von dieſen umſchloſſen die Gothen den ſchwächeren
Theil der Umwallung, den Raum, ver von dem flami⸗
niſchen Thor im Norden (Gftlid) won der jegigen Porta
vel Popolo) his gum praneftinifden Thor reicht, volljtindig
mit feds Heerlagern; nämlich die Walle vom flami⸗
nifden Thor gegen Often bis an's pinciant{de und falas
rifdhe, Dann bis an das nomentanifde Thor (ſüdöſtlich
von Porta pia), ferner bis gegen das ,,gefdloffene Thor,“
pie Porta claufa, endlich) ſüdlich von da das tiburs
tinifhe Thor (heute Porta Gan Lorenzo) und das afis
nariſche, metronifde, latiniſche. (an der Via latina,) vad
appifde (an der Bia appia) und das Sanct Pauls
Thor, das zunächſt vem Tiberufer fag.
Alle viefe feds Lager waren auf dem linken Ufer
des Fluffes.
Um aber gu verbilten, vag vie Belagerten durch
Berftdrung ver milvifden Britde den Angreifern den
Uebergang ither den Flug und das ganze Gebiet anf
rem redjten iberufer bis an die Gee abfchnitten,
ſchlugen die Gothen ein fiebentes Lager anf dem rechten
Liber-Ufer: auf vem Felbe Nero's,“ vom vaticanifden
111
Hiigel bis gegen die milviſche Bride hin (unter dem
Monte Mario).
So war vie milvifde Brite durch ein Gothen-
lager gededt und die Brücke Hadvians bedrobt, fowie ver
Weg nad ver Stadt durd die ,Porta Sancti Petri",
wie man damals fdon, nad) Profops Beridt, das innere
Thor Wurelians nannte.
Es war vas nadfte an dem Grabmal Hadrians.
Wher aud) das Thor von Sanct Pantratius rechts
ves Liber war von den Gothen fdharf beobadhtet.
Dies Lager auf dent neronifden Feld, auf dem redjten
Tiberufer, gwifden rem pantratifden und dem Petrus⸗
Thor, überwies Witichis vem Grafen Markja von Merios
fanum, welder aus den cottifden Alpen und der Bes
obadtung der Franken guriidgerujen worden war.
Aber ver König felbft weilte oft hier, das Grabmal
Hadrians mit fdarfen Bltden priifend.
Er hatte fein einzelnes Lager iibernommen, ſich die
Gefammtleitung vorbehaltend, vielmehr die fedhs übrigen
an Hildebrand, Lotila, Hildebad, Teja, Guntharis und
Grippa vertheilt.
Jedes ver fieben Lager ließ der König mit einem
tiefen Graben umziehn die dadurch ausgehobne Erde ju
einem hohen Wall zwiſchen Graben und Lager aufhaufen
und diefen mit Pfahlwerk verftarfen, — fid) gegen Uus-
fille gu ſichern.
Aber aud) Belifar und Gethegus vertheilten ihre
Feldherrn und Mannſchaften nad) den Thoren und Me
gionen Roms.
112
Belifar übertrug vas prineftinifdhe Thor im Often
ber Stadt (heute Porta maggiore) dem Beffas, das
ftarf bedrohte flaminifde, dem ein gothifdes Lager, das
Totila’s, in gefabrlider Mabe lag, dem Conftantinus,
der e8 durch Marmorquadern, aus römiſchen Cempeln
und Paläſten gebroden, faft ganz zubauen lief.
Belifar felbft ſchlug fein Standlager auf im Morden
der Stadt.
Diefer war unter den ihm von Cethegus eingerdumten
Theilen ver Feftung Rom der ſchwächſte.
Den Weften und Silden hielt eiferfiidtig, unentfern⸗
bar und unentbebrlid, ver Prafect.
Aber bier oben im Norden war Belifar Herr:
zwiſchen dem flaminifden und dem pinciantfden — oder
nun ,belifarifden” — Thor, vem ſchwächſten Theil der
Umwallung, ließ er fic) nieder, gugleid) Ausfälle gegen
die Barbaren planend.
Die iibrigen Thore überwies er den Führern des
Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes,
Azarethas und Chilbudius.
Der Prafect hatte itbernommen alle Thore auf dem
red)ten Liberufer, die neue Porta aurelia an der dlifden
Brite bet rem Grabmal Hadrians, die Porta feptis
miana, das alte aurelifde Thor, pas nun ‘das pantras
tiſche hieß, und vie Porta portuenfis: auf dem linken
Ufer aber noch das Thor Sanct Pauls.
Erſt das nächſte Thor weiter öſtlich, das ardeati⸗
niſche, ſtand unter byzantiniſcher Beſatzung: Chilbudius
befehligte hier.
113
Gleich unermiidlid) und gleich erfinderifd erwiefen
fid) die Belagerer und die Belagerten in Planen des
Angriffs und ver Vertheidigung.
Lange Beit handelte es fic) nur um Maßregeln,
weldhe die Bedrangung ver Römer ohne Sturm, vor dem
Sturm, begwedten und andrerfeits, fie abmebren follten.
Die Gothen, Herm und Meeifter ver Campagna,
ſuchten die Belagerten auszudurſten: fie fdnitten alle
die pradtvollen vierzehn Wafferleitungen ab, welche die
Start fpeiften.
Belifar ließ vor Wem, als er dies wabhrnalm, die
Mündungen innerhalb ver Stadt verfdiitten und vers
mauern.
denn," hatte thm Protrop gefagt. „nachdem du, o
großer Held Belifarius, durch eine folde Wafjerrinne
nad Neapolis hineingekrochen bift, könnte e8 den Bare
baren etnfallen, und faum ſchimpflich jcheinen, auf dem
gleiden Heldenpfad ſich nad) Rom hinein gu krabbeln.“
Den Genug des geliebten Bares muften vie Bee
lagerten entbehren: faum reidjten die Brunnen in den
vem Plug entlegenen Stadttheilen fiir pads Trinkwaffer aus.
Durd) das Wbfdneiven ves Wafers hatten aber die
Barbaren den Römern aud) das Brod abgefdnitten. —
Wenigftens fdien e8 fo. |
Denn die fammtliden Waffermithlen Roms vers
fagten nun.
Das aufgeſpeicherte Getreide, das Cethegus ans
Sicilien gefauft, das Belifar aus der Umgegend Roms
zwangewerfe hatte in die Stadt fdaffen laffen, trog des
Dabn, Cin Kampf um Rom. LIL. 8
a
114
Murrens ver Pachter und Colonen, diefes Getreide fonnte
nidt mehr gemablen werden.
„Laßt die Mühlen durch fel und Rinder drehen!“
rief Beliſar.
„Die meiſten Eſel waren klug genug und die Rinder,
ach Beliſarius,“ ſprach Prokop, „ſich nicht mit uns hier
einſperren zu laſſen.
Wir haben nur ſoviel, als wir brauchen, ſie zu
ſchlachten.
Sie können unmöglich erſt Mühlen drehen und dann
noch Fleiſch genug haben, das gemahlene Brod ſelbſt zu
belegen.“
„So rufe mir den Martinus.
Ich habe geſtern an dem Tiber, die Gothenzelte
zählend, zugleich einen Gedanken gehabt —“
„Den Martinus wieder aus dem Beliſariſchen in
das Mögliche überſetzen muß.
Armer Mann!
Aber ich gehe ihn zu holen.“
Als aber am Abend des gleichen Tages Beliſar und
Martinus durch zuſammengelegte Bote im Tiber die erſte
Schiffamithle herſtellten, welche vie Welt kannte, da ſprach
bewundernd Prokopius:
„Das Brod der Schiffemithle wird länger vie Menſchen
erfreu'n, al8 deine größten Thaten. Dies fo gemablene
Mehl ſchmeckt nad — Unſterblichkeit.“
Und wirklich erſetzten die von Beliſar erdachten, von
Martinus ausgeführten Schiffsmühlen den Belagerten
115
wibrend ber ganjen Dauer der Einſchließung die ges
lähmten Wafjermiihlen.
Hinter ver Briide nämlich, welche jest Ponte Gan
SGifto heift, auf der Sentung des Janiculus, befeftigte
Beliſar awei Schiffe mit Seilen und legte Mühlen über
deren flades Ded, ſodaß vie Mühlenräder durch den
Glug, ver aus dem Briidenbogen mit verftirfter Gewalt
hervor ſtrömte, von felbft getrieben wurden.
Eifrig tradjteten alsbald die Belagerer, viefe Bors
ridtungen, welde ihnen Ueberläufer fcilderten, zu
zerſtören.
Balken, Holzflöſſe, Bäume warfen ſie oberhalb der
Brücke von dem von ihnen beherrſchten Theil aus in
den Fluß und zertrümmerten ſo in Einer Nacht wirklich
alle Mühlen.
Aber Beliſar ließ ſie wieder herſtellen und nun
oberhalb der Brücke ſtarke Ketten grade über den Fluß
ziehen und ſo auffangen, was, die Mühlen bedrohend,
herab trieb.
Nicht nur ſeine Mühlen ſollten dieſe eiſernen
Stromriegel decken: ſie ſollten auch verhindern, daß die
Gothen auf Kähnen und Flößen den Fluß herab und,
ohne die Brücke, in die Stadt drängen.
Denn Witichis traf nun auch alle Vorbereitungen
zum Sturm.
Er ließ hölzerne Thürme bauen, höher als die Zin⸗
nen der Stadtmauer, die auf vier Rädern von Rindern
gezogen werden ſollten.
Dann ließ er Sturmleitern in großer Zahl beſchaffen
8*
116
und vier furdtbare Widder oder Mauerbrecher, welche je
eine halbe Hundertſchaft ſchob und bediente.
Mit ungibligen Biindeln von Reifig md Schilf
follten die tiefen Graben ausgefiillt werden.
Dagegen pflangten Belifar und Cethegus, jener im
Norden und Oſten, diefer im Weften und Gilden die
BVertheidigung ver Stadt überwachend, Valliften und
Wurfbogen auf die Walle, welde auf große Entfernung
balkenähnliche Speergeſchoſſe ſchleuderten, mit folder
Kraft, daß fle einen völlig gepanzerten Mann jedesmal
völlig durchbohrten. |
Die Chore fciigten fie durch ‚Wölfe“, vd. h. Quer⸗
balfen, mit etfernen Stacheln befegt, welde man auf die
Angreifer nieder fdmettern liek, wenn fle didt bis an
das Thor gelangt waren.
Und endlich ftreuten fle zahlreiche Fußangeln und
Stachelkugeln auf ven Vorraum zwiſchen ven Graben
der Stadt und dem Lager der Barbaren.
Nenntes Capitel.
Trotz alledem, ſagten die Römer, hätten längſt die
Gothen die Mauern erſtiegen, wäre nicht des Präfecten
Egeria geweſen.
Denn es war merkwürdig: ſo oft die Barbaren
einen Sturm vorbereiteten —: Cethegus ging zu Beliſar
und warnte und bezeichnete im Voraus den Tag.
So oft Teja over Hildebad in kühnem Hanpſtreich
ein Thor gu itberrumpeln, eine Schanze wegzunehmen
gedachten: — Gethegus fagte e8 vorber, und die Ungreifer
ftiefen auf das Zweifache der gewöhnlichen Bejagung der
PBuncte.
Go oft in nächtigem Ueberfall die Kette ves Tibers
gefprengt werden follte: — Cethegus ſchien e8 geahnt zu
haben und ſchickte den Schiffen der Feinde Brander und
Feuerkähne entgegen.
So ging e8 viele Monate hin.
Die Gothen fonnten fich nidt verbeblen, daß fie,
trog unablaffiger Ungriffe, ſeit Anfang ver Belagerung
femerlet Fortſchritte gemadt.
118
Lange trugen fle diefe Unfalle, die Entdedung und
Vereitelung all ihrer Plane, mit ungebengtem Muth.
Aber allmablig bemadhtigte fid) nicht blos der
großen Maſſe Verdroffenhett, msbefondere da Mangel
an YebenSmitteln fiihlbar zu werden begann, — and des
Rinigs klarer Ginn wurde von trüber Mtelandolie
verditftert, alg er all’ feine Kraft, all’ feine Auspauer,
all’ feine Sriegsfunft wie von einem böſen Damon vere
eitelt fab.
Und kam er von einem feblgefdlagenen Unternehmen,
von einem verungliidten Sturm, matt und gebengt, in fein
Königszelt, fo ruhten die ftoljen Augen feiner ſchweig⸗
famen Königin mit einem ihm unverftindliden, aber
grauenvoll unbetmliden Ausdruck anf ibm, dak er fid
ſchaudernd abwandte.
„Es ift nidjt anders," fagte er finfter zu Leja, es
ift gefomtmen, wie id) voraus gefagt.
Mit Rauthgundié iff mein Glück von mir gewiden,
wie die Freudigkeit meiner Seele.
Es ift, als lage ein Flud auf meiner Krone.
Und dieſe Amalungentodter wandelt um mid Her,
ſchweigend und finfter, wie mein lebendiges Unglitd.”
„Du könnteſt Redht haben,” ſprach Leja.
„‚Vielleicht löſ' ich dieſen Zauberbann.
Gieb mir Urlaub für heut' Nacht.“
Am ſelben Tage, faſt in derſelben Stunde, forderte
drinnen in Rom Johannes, der Blutige, von Beliſar
Urlaub für dieſe Nacht.
Beliſar ſchlug es ab.
119
„Jetzt ift nicht Beit gu nächtlichen Vergnügen,“ fagte er.
„Wird fein grog Vergniigen fein, im der Nacht swifden
alten feudjten Mauern und gothifden Lanzen einem Fuchs
nachſpüren, der zehnmal fdlaner ift al8 wir beide.“
„Was Haft vu vor?" fragte Belifar, aufmerkſam
werdend.
„Was ich vorhabe?
Ein Ende zu machen der verfluchten Stellung in der
wir Alle, in dev du, o Feldherr, nicht gum Mindeſten ſtehſt.
Es iſt alles ganz recht.
Seit Monaten liegen die Barbaren vor dieſen Mauern
und haben nichts dabei gewonnen. Wir erſchießen
ſie wie Knaben die Dohlen vom Hinterhalt und können
ihrer lachen.
Aber wer iſt es eigentlich, der all dies vollbringt?
Nicht, wie es ſein ſollte, du, des Kaiſers Feldherr,
noch des Kaiſers Heer: ſondern dieſer eiſige Römer, der
nur lachen kann, wenn er höhnt.
Der ſitzt da oben im Capitol und verlacht den Kaiſer
und die Gothen und uns und, mit Verlaub zu ſagen, dich
ſelber am meiſten.
Woher weiß dieſer Odyſſeus und Ajax in Einer Per⸗
ſon alle Gothenpläne ſo ſcharſ, als ſäße er mit im Rath
des Königs Witichis?
Durch ſein Dämonium, ſagen die Einen.
Durch ſeine Egeria, ſagen die Andern.
Er hat einen Raben, der hören und ſprechen kann
wie Menſchen, meinen wieder Andere: den ſchickt er alle
Nacht in's Gothenlager.
420
Das mögen die alten Weiber glauben und die RImer,
nidt meiner Mutter Sohn.
Ich glaube ben Raben gu fennen und das Dike
monium.
Gewiß ift, er fann die Kunde nur aus dem Gothen
lager felbft bolen; {aff uns dod) febn, ob wir nicht
felbft an feiner Statt aus diefer Quelle ſchöpfen können.“
„Ich habe vas längſt bedadt, aber ich ſah fein
Mittel.“
od) habe von meinen Hunnen alle ſeine Schritte be⸗
lauern laſſen.
Es iſt verdammt ſchwer: denn dieſer braune Mauren⸗
teufel folgt ihm wie ein Schatte.
Aber tagelang iſt Syphax fern — und dann ge⸗
lingt es eher.
Nun, ich habe erſpäht, daß Cethegus ſo manche
Nacht vie Stadt verließ, bald anus der Porta portuenfis,
rechts vom Liber, bald aus der Porta Ganct Pauls,
linfg von Tiber im Gilden, die er beide befest halt.
Weiter wagten ihm vie Späher nicht gu folgen.
Sd aber denke heute Nacht — venn heute mug ed
wieder treffen, — ihm fo nidt von den Ferfen zu
weiden.
Dod) muß id) thn vor dem Thore erwarten: feine
Sfaurier ließen mid) nicht durch; ic) werde bet einer
Runde vor den Mauern in einem der Graben zurück⸗
bleiben."
Out. E38 find aber, wie du fagft, zwei Chore gu
beobachten.“
121
„Deßhalb hab’ id) mir Perſeus, meinen Bruder, zum
Genoffen erforen; er hütet das paulinifde, id) dad
portuenfifde Chor; verlag did) drauf — bis morgen vor
Sonnenaufgang fennt einer von uns das Damonium
des Prafecten.” —
Grade gegenüber vem Sanct Pauls-Thor, etwa drei
Pfeilſchuſſe von den äußerſten Graben der Stadt, lag
ein mächtiges alterthümliches Gebäude, die Baſilika Sancti
Pauli extra muros, die Paulscapelle vor den Mauern,
deren letzte Reſte erſt zur Zeit der Belagerung Roms durch
den Connetable von Bourbon völlig verſchwanden.
Urſprünglich ein Tempel des Jupiter Stator war er
ſeit zwei Jahrhunderten dem Apoſtel geweiht worden:
aber noch ſtand die broncene Coloſſalſtatue des bärtigen
Gottes aufrecht: man hatte ihm nur den flammenden
Donnerkeil aus der Rechten genommen und dafür ein
Kreuz hineingeſchoben: im Uebrigen paßte die breite und
bärtige Geſtalt gut zu ihrem neuen Namen.
Es war um die ſechste Stunde der Nacht.
Der Mond ſtand glangvoll über der ewigen Stadt
und goß fein filbernes Licht ber die Mauerzinnen und
über die Ebene, gwifden den römiſchen Schanzen und
ver Bafilita, veren ſchwarze Schatten nach dem Gothen:
lager bin fielen.
Shen hatte vie Wache am Sanct Pauls-Thor gewechſelt.
Aber e8 waren fieben Mann hinausgefdritten und
nur ſechs famen herein. Der fiebente wandte der Pforte
pen Ritden und fdyritt heraus in's freie Feld.
Vorſichtig wählte er feinen Weg: vorfidhtig vermied
122
ex die zablreiden Fugangeln, Wolfsgruben, Selbſtſchüſſe
vergifteter Pfeile, welche hier überall unther geftrent
waren und mandem Gothen bet den Angriffen auf die
Stadt Verderben gebracht batten.
Der Mtann fchien fie Alle zu tennen und wid ihnen
leidjt aus,
Wber er vermied aud) bas Mondlicht forgfaltig, den
Schatten der Manervorfpriinge fudend und oft von Baum
zu Baum fpringend.
Wis er aus vem äußerſten Graben auftaudte, fah
er fid) um und blieb im Schatten einer Gypreffe fteben,
deren Zweige die Balliſtengeſchoſſe zerſchmettert batten.
Er fah nichts Lebendes weit und breit: und er eilte
nun mit raſchen Schritten ver Kirche ju.
Hatte ex nodmal unigeblidt, ev hatte e8 wohl nicht
gethan.
Denn, ſowie er den Baum verließ, tauchte aus dem
Graben eine zweite Geſtalt hervor, vie in drei Spritngen
ibrerfeits ben Schatten ver Cypreſſe erreicht hatte.
»Sewonnen, Johannes! du ftolzer Bruder, diesmal
war das Glück vem jiingeren Bruder hold.
Jetzt ift Cethegus mein und fein Geheimniß.“
Und vorfidtig folgte er dem raſch Voranfdreitenden.
Aber plötzlich war diefer vor feinen Augen vere
ſchwunden, als habe ihn die Erde verfdlungen. Es
war hart an der äußern Mauer der Sirde, die aber
dem WArmenter, al er fie erreicht, feine Thür over
Oeffnung jeigte.
123
Kein Bweifel,” fagte der Laufer, „das Stelldichein
ift drinnen im Tempel: ich muß nad."
Uber an diefer Stelle war die Mauer unitberfteiglid.
Laftend und fudend bog der Spaher um die Ede
derfelben. |
Umfonft, vie Mauer war itberall gleid) hod. —
Sm Suchen verftrid) ihm faft eine Viertelftunve.
Endlich fand er eine Vide in dem Geftein: mithfam
zwängte er fic) bindurd).
Und er ftand nun im BVorbhofe des alten Cempels, in
bent die breiten dorifden Säulen breite Schatten warfen,
in Deren Schutz er von der redten Seite her bis an
das Hauptgebiude gelangte.
Gr fpabte purd einen Rig ves Gemauers, den ihm
bie Zugluft verrathen hatte.
Drinnen war Alles finfter.
Aber pliplid) wurde fein Auge von einem grellen
Lichtſtrahl geblendet.
Wis er e8 wieder auffdhlug, fal er einen bellen
Streifen im der Duntelheit — er riihrte von einer
Blendlaterne her, deren Licht fic plötzlich gezeigt hatte.
Deutlich erfannte ex, was in dem Bereich. der Laterne
ftand, ben Trager derfelben aber nicht: wohl dagegen
Gethegus den Prafecten, der hart vor der Statue des
Apoftels ftand und fic) am diefe gu lehnen fdien: vor
ihm ftand eine zweite Geftalt: ein ſchlankes Weib, auf
deſſen dunfelrothes Haar ſchimmernd das Licht ver Las
terne fiel.
„Die ſchöne Gothenfinigin, bet Eros und Anteros!“
124
dachte ver Lauſcher: fein ſchlechtes Stelldichein, ſei's nun
Liebe, ſei's Politik!
Horch, ſie ſpricht.
Leider kam ich zu ſpät, auch den Anfang der Unter⸗
redung zu hören.“
„Alſo: merk' es div wohl! übermorgen auf der Straße
vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches ges
plant.
„Gut: aber was?“ frug des Prafecten Stimme.
„Genaueres fonnte id) nicht erfunden: und id fann
e8 dir aud) nidt mehr mittheilen, wenn id es nod ers
fabre. Ich mage nicht mebr, did) hier wieder gu feben:
penn” —
Gie fprad nun leifer.
Perfeus drückte das Ohr hart an die Spalte: da
flirrte feine Schwertſcheide an das Geftein und nun traf
ibn ein Strahl des Lichts.
„Horch!“ rief eine dritte Stimme — es war eine
Srauenftimme, die der Trägerin der Laterne, welche ſich
jebt in dem Strahl ihres eigenen Blendlichts gegeigt
hatte, da fle fid) rafd) gegen die Richtung ves Schalles
gefebrt hatte.
Perſeus erfannte eine Slavin in mauriſcher Tract.
Ginen Augenblid fdwieg Wes in dem Tempel.
Perfenus hielt den Athem an.
Gr fithlte, e8 galt das Leben.
Denn Cethegus griff an’s Schwert.
Ales ſtill,“ fagte die Sflavin. C8 fiel wohl nur
ein Stein auf den Crabefdlag vdraufen.“
125
„Auch in das Grab vor dem portuenfifden Chor geh'
ih nicht mehr. Ich flirdte, man ift uns gefolgt.
oer 2
„Einer, der niemalS ſchläft, wie es fceint: Graf
Teja."
Des Prafecten Lippe zuckte.
„Und ex ift aud) bet einem rathfclhaften Eid-⸗Bund
gegen Belifar’s Leben: der bloke Scheinangriff gilt bem
Ganct Pauls Chor."
„Gut!“ fagte Cethegus nachdenklich.
‚Beliſar würde nicht entrinnen, wenn nidt gewarnt.
Gie liegen irgendwo, — aber id weiß nidjt wo — fiirdt’
id, im Hinterhalt, mit Uebermadt, Graf Totila führt fie.“
„Ich will ihn fdon warnen!“ fagte Cethegus fangfam.
Wenn es gelänge!“ —
„Sorge nidgt, Kinigin! Mir liegt an Rom nicht
weniger denn dir.
Und wenn der nadfte Sturm ehlſchlägt — ſo müſſen
ſie die Belagerung aufgeben, ſo zähe ſie ſind.
Und das, Königin, iſt dein Verdienſt. |
Laß mid) in diefer Nacht — vielleicht der lebten,
pa wir uns treffen, — dir mein ganzes ſtaunendes Herz
enthüllen.
Cethegus ſtaunt nicht leicht und nicht leicht geſteht
er's, wenn er ſtaunen muß.
Aber dich — bewundere ich, Königin.
Mit welch' todtverachtender Kühnheit, mit welch'
dämoniſcher Lift haſt pu alle Plane ver Barbaren vers
eitelt! ~
128
Von dort, von links her, fdritt langfam ein Mann
Beran.
Seine Streitart bligte im Dtondlidt.
Aber aud) Perfeus fah jest eine Waffe aufbligen ,
e8 war ver Manure, der letfe fein Schwert aus der
Scheide 30g.
pa," lachte Perſeus, bts vie Beiden mit cinanber
fertig find, bin id) in Rom, mit meinem Geheimniß.“
Und in rafden Spriingen eilte er nad der Mauer⸗
litde des Vorhofs, durch die er eingedrungen.
Bweifelnd blidte Syphar einen Augenblick nad redhts
und nad) links.
Bur Redten fah er entrweiden einen Lauſcher, den
er jetzt erft gan; entdectte.
Sur Linfen ſchritt ein gothifder Krieger herein in
pen Tempelhof.
Er fonnte nidt hoffen, beide gu erreidhen und zu
torten.
Da plötzlich ſchrie er laut: Leja, Graf Teja!
Hitlfe! gu Hitlfe! Cin Römer! rettet vie Königin! dort
redjt8 an der Dtauer, ein Römer!“
Sm Fluge war Teja heran, bei Syphar.
dort! rief diefer: ich fdiige die Frauen in ver
Kirche!“
Und er eilte in den Tempel.
„Steh, Römer!“ rief Teja, und ſprang dem
fliehenden Perſeus nach.
Aber Perſeus ſtand nicht: er lief an die Mauer: er
erreichte die Lücke, durch welche er herein gekonimen war:
129
aber er fonnte fich im der Eile nicht wieder bindurd
zwängen: da ſchwang er fic) mit der Kraft der Vers
zweiflung auf die Mauer-Krone: und ſchon hob er den
Fuß, fid) jenfetts hinab gu laffen: va traf ihn Teja's
Art im Wurf an’s Haupt und rücklings ſtürzte er ‘nieder,
famint feinem erlauſchten Gebeimnif.
Leja beugte fic) über ihn: deutlich erfannte er die
Züge des Todten.
Der Archon Perfeus," fagte er, „der Bruder des
Johannes.“
Und ſofort ſchritt er die Stufen hinan, die zur Kirche
führten.
An ver Schwelle trat ihm Matafwintha entgegen,
hinter ihr Syphax und Afpa mit ver Blendlaterne.
Ginen Moment mafen fic) beide fdweigend mit
mißtrauiſchen Bliden.
„Ich habe dir gu danfen, Graf Teja von Larentum,"
fagte endlich die Fürſtin.
„Ich War bedroht in meiner einſamen Andacht.“
„Seltſam wählſt du Ort und Stunde fiir deine Gee
bete.
Laß ſehen, ob diefer Romer der eingige Feind war."
Er nahm aus Wfpa’s Hand die Leudte und ging
in das Innere der Rapelle.
Nad einer Weile fam er wieder, einen mit Gold
eingelegten Lederſchuh in der Hand.
„Ich fand nidts als — diefe Gandale am Altar,
Didt vor Dem Wpoftel. Es ift ein Manned duß. “
Dabn, Gin Kampf um Rom. III.
130
„Eine Votivgabe von mir,” fagte Syphar raſch.
Der Apoftel heilte meinen Fug, icp hatte mir einen
Dorn eingetreten.“
„„Ich dachte, du verebr(t nur den Sclangengott 2”
„Ich verebre, was da hilft.“
won weldem Fuße ftaf der Dorn.“
Syphax fdwantte einen Wugenblid.
„Im Rechten,“ fagte er dann, rafd entfdloffer.
„Schade,“ fprad Teja, ,die Gandale ift anf den
linfen geſchnitten.“
Und er ftedte fie in den Gürtel.
„Ich warne vid), Königin, vor folder nächtlichen
Andacht.“
„Ich werde thun, was meine Pflicht, ſagte Mata⸗
ſwintha herb.“
„Und ich, was meine.“
Mit dieſen Worten ſchritt Teja voran, zurück zum
Lager: ſchweigend folgte die Königin und ihre Sklaven.
Vor Sonnenaufgang ſtand Teja vor Witichis und
berichtete ihm Alles. |
„Was du fagft, ift fein Beweis,“ fagte der König
Aber ſchwerer Verradt.
Und du ſagteſt felbſt, vie Königin fet dir unheimlich.“
„Grade deßhalb hüt' id) mid, nach blogem Verdacht
zu handeln.
131
Ich zweifle mandmal, ob wir an ihr nicht Unvedt
gethan.
Gaft fo ſchwer, wie an Rauthgundis.”
„Wohl, aber diefe nächtlichen Gange
„Werd' id) verbindern. Schon um ibretwillen.”
»Und der Manure? Ich tran’ ihm nid.
Sd) weiß, daß er tagelang abwefend: dann taucht er
wieder auf im Lager.
Gr ift ein Spaber.”
oa, Freund, lächelte Witichis. Wher der meine.
Er geht mit meinem Wiffen in Rom aus und ein.
Er ift es, der mir nod) alle Gelegenbeiten verrathen.“
„Und nod feine bat geniigt!
Und vie falfde Gandale 2"
„Iſt wirklich ein Votivopfer.
Aber für Dtebftahl; er hat mir, nod ehe du famft,
Alles gebeidtet.
Er hat, bet der Begleitung ver Königin fid lang:
weilend, in einem Gewölbe ver Kirche herumgeftibert und
va unten allerlet Prieftergewander und vergrabnen
Schmuck gefunden und bebalten.
Aber fpater, den Born des Apoftels fürchtend, wollt’
ex ihn befdwidtigen, und opferte, in feinem Heidenſinn,
viefe Gold⸗Sandale aus feiner Veute.
Cr beſchrieb fie mix gang genau: mit golonen Seiten⸗
ftreifen und einem Achatknopf, oben mit einem C —.
Du fiebft, es trifft Alles gu.
Gr fannte fie alſo: fie fann nicht von einem Flüchten⸗
den verloren fein.
g *
132
Und er verfprad, als Beweis die dazu gebirige
Sandale des redjten Fußes gu bringen.
Aber vor Wem: er hat mir einen nenen Plan vers
rathen, der all’ unfrer Noth ein Ende madhes und
Belifarius ſelbſt in unfre Hande liefern foll.”
Behntes Capitel.
Wabrend ver Gothenkönig diefen Plan fetnem Freunde
mittheilte, ftand Gethegus, in frithfter Stunde nad dent
belifarifdjen Thor beſchieden, vor Velifar und Sohannes.
„Präfeet von Rom," herrfdte ihn der Feldherr beim
Cintreten an, „wo warft du heute Macht 2"
„Auf meinem PBoften.
Wohin id) gehöre. Am Thor Sanct Pauls."
„Weißt Du, daß im diefer Macht einer der beften
meiner Anführer, Perfeus der Ardon, des Johannes
Bruder, die Stadt verlaffen hat und feitbem verſchwun⸗
pen iſt?“
»ehut mir leid.
Uber du weit: es ift verboten, ohne Erlaubniß die
Mauer zu überſchreiten.“
„Ich habe aber Grund zu glauben,“ fuhr Johannes
auf, „daß Dw recht gut weißt, was aus meinem Bruder
geworden, daß fein Blut an deinen Händen klebt.“
„Und beim Schlummer Buftinians! braufte Beliſar
auf, das follft du büßen.
134
Nicht Langer follft vu herrſchen fiber des Kaiſers Heer
und Feldherrn.
Die Stunde der Abrechnung iſt gekommen.
Die Barbaren ſind ſo gut wie vernichtet. Und laß
ſehn, ob nicht mit deinem Haupt aud das Capitol fällt.“
„Steht e8 fot dachte Gethegus, jetzt fieh dich vor,
Beliſarius.“
Doch er ſchwieg.
„Rede!“ rief Johannes. ,Wo haſt ou meinen
Bruder ermordet 2"
Ehe Cethegus antworten fonnte, trat Artafines, ein
perfifder Leibwächter Belifars, herein.
Derr," fagte er, ,dDraufen ſtehn fechs gothiſche Arieger.
Sie bringen die Leiche Perſeus, des Archonten.
König Witichis läßt dir ſagen: er fet heut' Nacht
vor den Mauern durch Graf Teja's Beil gefallen.
Er ſendet ihn zur ehrenden Beſtattung.“
„Der Himmel ſelbſt,“ ſprach Cethegus ſtolz hinaus⸗
ſchreitend, ,ftraft eure Bosheit Lügen.“
Aber langſam und nachdenklich ging ver Prifect über
ten Ouirinal und das Forum Trajans nad feinem
Wohnhaus.
„Du drohſt, Beliſarius? Dank' für den Wink!
Laß ſehn, ob wir dich nicht entbehren können.“
135
Sn feiner Wohnung fand er Syphax, ver ihn un⸗
geduldig ermartet hatte und ihm rafden Beridt abs
legte.
„Vor Wem, Herr," ſchloß ex nun, „laß alfo deinen
Sanbdalenbinder peitfden.
Du fiehft, wie ſchlecht ou bedient bift, ift Syphax
fern: — und gieb mir giltigft deinen rechten Schuh.“
„Ich follte dir ihn nicht geben und dic zappeln laſſen
für bein fredes Lügen,“ lachte ver Prafect.
„Dieſes Stil Leder ift jegt vein Leben werth, mein
Panther.
Womit willft du's löſen.“
Mit widtiger Runde.
Ich wei nun Wes gang genau von dem Plan
gegen Belifars Leben: Ort und Beit: und die Namen
ver Eidbrüder. °
Es find: “Teja, Totila und Hildebad.”
„Jeder allein genug fitr den Magifter Militum,“
murmelte Gethegus vergnitglicd. |
„Ich denke, o Herr, du haſt den Barbaren wobl
wieder eine ſchöne Falle geftellt!
Od habe. ibnen, auf deinen Befehl, entdedt, dak
Belifar felbft morgen gum tiburtinifden Thor hinaus
gtehen will, um BVorrathe aufzutreiben.“
„Ja, ev felbft geht mit, weil fic die oft aufgefangnen
Hunnen nidt mehr allein hinaus wagen; er führt nur
vierhundert Dann.“
„Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der
124
padte ver Lauſcher: „kein ſchlechtes Stelldichein, ſei's nun
Liebe, ſei's Politik!
Horch, ſie ſpricht.
Leider kam ich zu ſpät, auch den Anfang der Unter⸗
redung zu hören.“
„Alſo: merk' es div wohl! übermorgen auf der Straße
vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches ge⸗
plant."
„Gut: aber was" frug des Prafecten Stimme.
„Genaueres fonnte id) nicht erfunden: und id) fann
e8 dir aud nicht mebr mittheilen, wenn id es nod ers
fabre. Ich wage nicht mebr, dich hier wieder gu feben:
penn” — .
Sie ſprach nun leifer.
Perfeus drückte das Obr hart an die Spalte: dea
flirrte feine Schwertſcheide an das Geftein und nun traf
ibn ein Strahl des Lidhts.
„Horch!“ rief eine dritte Stimme — e8 war eine
Grauenftimme, die der Trägerin ver Laterne, welche fic
jebt in dem Strahl thres eigenen Blendlichts gezeigt
hatte, da fie ſich raſch gegen die Ridtung ves Shales
gekehrt batte.
Perfeus erfannte eine Sflavin in maurifder Tracht.
Ginen Augenblid fdwieg Wes in dem Tempel.
Perfeus hielt den Athem an.
Gr fithlte, es galt das Leben.
Denn Cethegus griff an’s Schwert.
‚Alles fill,” fagte die Slavin. C8 fiel wohl nur
ein Stein auf den Erzbeſchlag vraufen.“ :
125
wud in das Grab vor vem portuenfifden Thor geh'
id) nidjt mehr. Ich fürchte, man ift uns gefolgt.
leer
„Einer, ver niemals ſchläft, wie e8 fdeint: Graf
Leja."
Des Prafecten Lippe zuckte.
„Und er ift aud bet einem räthſelhaften Gid-Bund
gegen Belifar’s Leben: ver bloße Scheinangriff gilt dem
Ganct Pauls Thor.“
„Gut!“ fagte Cethegus nachdenklich. .
‚Beliſar würde nicht entrinnen, wenn nidt gewarnt.
Gie liegen irgendwo, — aber id) weiß nidt wo — fürcht'
ih, im Hinterbalt, mit Uebermacht, Graf Totila fithrt fie.”
„Ich will ibn fdon warnen!“ fagte Cethegus langfam.
„Wenn es gelänge!“ —
„Sorge nicht, Königin! Mir liegt an Rom nicht
weniger denn dir.
Und wenn der nächſte Sturm fehlſchlägt — ſo müſſen
ſie bie Belagerung aufgeben, fo zähe fie ſind.
Und das, Königin, iſt dein Verdienſt.
Laß mich in dieſer Nacht — vielleicht der letzten,
da wir uns treffen, — dir mein ganzes ſtaunendes Herz
enthüllen.
Cethegus ſtaunt nicht leicht und nicht leicht geſteht
er's, wenn er ſtaunen muß.
Aber dich — bewundere ich, Königin.
Mit welch' todtverachtender Kühnheit, mit welch'
dämoniſcher Lift haſt du alle Plane ver Barbaren vers
eitelt! *
126
Wahrlich: viel that Belifar, — mehr that Cethegus,
— pas meifte: Matafwintha.
„Sprächſt du wahr!“ fagte Matafwintha mit funfeln-
den Wugen.
Und wenn die Krone diefem Frevler vom Haupte
falt — —“
„War es deine Hand, deren ſich das Schickſal Roms
bedient hat.
Aber, Königin, nicht damit kannſt Du enden!
Wie id) vid) erfannte, in diefen Mtonaten — darfſt
du nidjt als gefangene Gothenfdnigin nad) Byzanz.
Diefe Schinheit, dieſer Geift, diefe Kraft mug
berrfdjen, — nicht dienen, in Byzanz.
Darum bedenfe, wenn er nun geſtürzt ift — dein
Tyrann, — willft du nicht dann den Weg gehn, den
ic) Div gegetgt 2"
„Ich habe nod nie itber feinen Fall hinaus gedacht,“
fagte fie düſter.
„Aber id) — flix dich! Wahrlich, Matafwintha,” —
und fein Auge rubte mit Bewunderung auf ihr, — ,du
bift fo wunderſchön.
Ich redn’ e8 mir gum größten Stolz, daß felbft vu
mid) nidjt in Liebe entgiindet und von meinen Plinen
abgebradt haſt.
Aber du bift gu ſchön, gu köſtlich, nur ver Rade
und dem Haß gu leben.
Wenn unfer Ziel erreicht, — dann nad Byzanz!
Als mehr denn Kaiſerin — als Ueberwinverin der
Kaiſerin!“
127
Wenn mein Biel erreicht, ift mein Leben vollendvet.
Glaubft pu, id ertritge pen Gedanfen, aus eitel
Herrſchſucht mein Volk gu verderben, um kluger Zwecke
willen ?
Nein: ich fonnt’ e8 nur, weil id mufte.
Die Race ift jebt meine Liebe und mein Leben
und" — —
Da ſcholl von der Fronte des Gebäudes her, aber
nod) innerhalb der Mauer, laut und fdrillend der Ruf
des Käuzchens, einmal — gweimal raſch nad einander.
Wie ftaunte Perfeus, als er ven Prafecten eilig an
pie Keble ver Bildfaule drücken fah, an der er lebnte,
und wie ſich dieſelbe gerdufdlos in zwei Halften aus:
einander ſchlug.
Cethegus ſchlüpfte in die Oeffnung: die Statue
klappte wieder zuſammen.
Mataſwintha aber und Aſpa ſanken wie betend auf
die Stufen des Altars.
„Alſo war's ein Zeichen! Es droht Gefahr:“ dachte
der Späher; „aber wo iſt die Gefahr? und wo der
Warner?“
Und er wandte ſich, trat vor und ſah nach links, nach
der Seite der Gothen.
Allein damit trat er in den Bereich des Mondlichts:
und in ben Blick ves Mauren Syphax, der vor der
Eingangsthür des Hauptgebaudes in einer leeren Niſche
Schildwache ftand, und bisher ſcharf nad der linfen,
ver gothifden, Seite bin, gefpabt hatte.
128
Von dort, von links her, fdritt langfam ein Mann
Beran.
Geine Streitart bligte im Mondlicht.
Aber aud Perfeus fah jest eine Waffe aufblitzen;
e8 war ver Manure, der leife fein Schwert aus der
Scheide 40g. : |
wpa," lachte Berfeus, bis vie Beiden mit cinander
fertig find, bin id) in Rom, mit meinem Geheimniß.“
Und in rafden Sprüngen eilte er nad der Mauers
litde des Vorhofs, durch die er eingedrungen.
Bweifelnd blidte Syphar einen Wugenbli€ nad redhts
und nad) links.
Bur Redten fah er entweiden einen Laufder, den
ex jegt erft ganz entdedte.
Bur Linfen ſchritt ein gothifder Krieger herein in
pen Lempelhof.
Er ftonnte nicht Hoffer, betde gu erreichen und zu
torten.
Da plötzlich ſchrie er laut: ,Leja, Graf Teja!
Hitlfe! gu Hilfe! Cin Römer! rettet vie Königin! dort
redts an der Mauer, ein Römer!“
Sm Fluge war Leja beran, bet Cypbhay.
dort! ref dieſer: id) fcbiige die Frauen im der
Kirche!“
Und er eilte in den Tempel.
„Steh, Römer!“ rief Teja, und ſprang dem
fliehenden Perſeus nach.
Aber Perſeus ftand nicht: ev lief an vie Mauer: er
erreichte die Lücke, durch weldje er herein gefommen mar:
129
aber er fonnte fic) in der Gile nicht wieder bindurd
zwängen: da ſchwang er fic) mit der raft ver Vers
zweiflung auf die Mauer-Rrone: und fdon bob er den
up, fic) jenfetts binab gu laſſen: ba traf ihn Teja’s
Urt im Wurf an’s Haupt und ritdlings ſtürzte er ‘nieder,
fammt fetnem erlaufdten Geheimniß.
Leja beugte ſich ber ihn: deutlich erfannte er die
Biige des Todten.
„Der Archon Perfeus,“ fagte er, „der Bruder des
Johannes.“
Und ſofort ſchritt er die Stufen hinan, die zur Kirche
führten.
An der Schwelle trat ihm Mataſwintha entgegen,
hinter ihr Syphax und Aſpa mit ver Blendlaterne.
Ginen Moment mafen fic) beide ſchweigend mit
mißtrauiſchen Bliden.
„Ich babe div zu danfen, Graf Teja von Tarentum, “
fagte endlid) die Fürſtin.
„Ich war bedroht in meiner einfamen Andacht.“
.Seltſam wählſt du Ort und Stunde fiir veine Gee
bete.
Lag fehen, ob diefer Römer der eingige Feind war."
Er nabm aus Afpa’s Hand die Leudte und ging
in das Innere der Kapelle.
Mad einer Weile fam er wieder, einen mit Gold
eingelegten Lederſchuh in der Hand.
„Ich fand nidts als — diefe Sandale am Altar,
dicht vor dem Apoftel. Es ift ein Mannes al
Dabn, Gin Kampf um Rom. III.
130
„Eine BVotingabe von mir," fagte Syphar rafd.
Der Apoftel heilte memen Fug, id) hatte mir etnen
Dorn eingetreten."
. yd) dadte, du verehrſt nur den Sahlangengott
„Ich verebre, was da hilft.“
won weldem Fuge ftaf ver Dorn.“
Syphax fdwantte einen Augenblick.
vom Rechten,“ fagte er dann, rafd entſchloſſen.
„Schade,“ fprad Teja, ,die Sandale ift auf den
linken gefdynitten.“
Und er ftedte fie in den Gitrtel.
„Ich warne did), Königin, vor folder nächtlichen
Andacht.“
„Ich werde thun, was meine Pflicht, ſagte Mata⸗
ſwintha herb.“
„Und ich, was meine.“
Mit dieſen Worten ſchritt Teja voran, zurück zum
Lager: ſchweigend folgte die Königin und ihre Sklaven.
Vor Sonnenaufgang ſtand Teja vor Witichis und
berichtete ihm Alles. |
„Was du fagft, ift fein Beweis,“ fagte der König
Aber ſchwerer Verdadt.
Und du ſagteſt ſelbſt, die Königin ſei dir unheimlich.“
„Grade deßhalb hüt' ich mich, nach bloßem Verdacht
zu handeln.
131
Ich zweifle mandymal, ob wir an iby nicht Unredt
gethan.
aft fo ſchwer, wie an Rauthgundis.”
‚Wohl, aber diefe nächtlichen Gange 2
„Werd' ih verhindern. Schon um ibretwillen.”
„Und der Manure? Beh tran’ ihm nidt.
Ich weif, dag er tagelang abwefend: dann taudt er
wieder auf im ager.
Gr ijt ein Späher.“
„Ja, Freund, lächelte Witichis. Wher ver meine.
Cr geht mit meinem Wiffen in Rom aus und ein.
Er ift e8, der mir nod alle Gelegenbeiten verrathen.“
»Und nod) feine bat genützt!
Und pie falfde Gandale 2"
„Iſt wirklich ein Botivopfer.
Aber für Diebftabl; ex hat mir, nocd ehe du famft,
Alles gebeichtet.
Gr bat, bei ver Begleitung der Königin fid lang:
weilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgeftdbert und
pa unten allerlet Brieftergemander und vergrabnen
Gdmud gefunden und bebalten.
Aber fpater, den Born des Apoftels fiirdtend, wollt’
ex ihn befdwidtigen, und opferte, tn feinem Heidenfinn,
piefe Gold⸗Sandale aus feiner Beute.
Er beſchrieb fie mix gang genau: mit golonen Seiten:
ftveifen und einem Achatknopf, oben mit einem C —.
Du fiebft, e8 trifft Wes gu.
Gr fannte fie alfo: fie kann nicht von einem Flüchten⸗
den verloren fein.
. 9 2
132
Und er verfprad, als Beweis die dazu gebdrige
Sandale des redten Fußes gu bringen.
Aber vor Wem: ev hat mir einen nenen Plan vers
rathen, der all’ unfrer oth ein Ende mades und
Beliſarius felbft’ in unfre Hande liefern foll.“
Belmtes Capitel.
Waͤhrend ver Gothentdnig diefen Plan feinem Freunde
mittheilte, ftand Gethegus, in frithfter Stunde nad) dems
belifarifden Thor befdhieden, vor Velifar und Sohannes.
wprafect von Rom," herrſchte ihn ver Feldherr beim
Gintreten an, „wo warft du heute Macht 2”
„Auf meinen Poften.
Wohin id) gehöre. Am Chor Sanct Pauls.”
„Weißt Du, daß im diefer Macht einer der beften
meiner Unfiihrer, Perfeus der Ardon, des Johannes
Bruder, die Stadt verlafjen bat und feitbem verſchwun⸗
ven iſt?“
Thut mir leid.
Aber Du weit: e8 ift verboten, ohne Erlaubniß die
Mauer gu überſchreiten.“
„Ich habe aber Grund zu glauben,“ fuhr Johannes
auf, „daß du recht gut weißt, was aus meinem Bruder
geworden, dag fein Blur an deinen Handen klebt.“
„Und beim Sdlummer Iuftinians! brauſte Beliſar
auf, das follft bu büßen.
134
Nicht Langer follft du herrſchen über des Kaiſers Heer
und Feldherrn.
Die Stunde der Abrechnung iſt gekommen.
Die Barbaren ſind ſo gut wie vernichtet. Und laß
ſehn, ob nicht mit deinem Haupt aud bas Capitol fällt.“
„Steht es ſo?“ dachte Cethegus, jetzt fieh did) vor,
Beliſarius.“
Doch er ſchwieg.
wrede!” rief Johannes. ,Wo haſt du meinen
Bruder ermordet?“
Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artaſines, ein
perſiſcher Leibwächter Beliſars, herein.
Derr,” ſagte er, draußen ſtehn ſechs gothiſche Arieger.
Sie bringen die Leiche Perſeus, des Archonten.
König Witichis läßt dir ſagen: er ſei heut' Nacht
vor ben Mauern durch Graf Teja's Beil gefallen.
Gr ſendet ihn zur ehrenden Beſtattung.“
Der Himmel ſelbſt,“ ſprach Cethegus ſtolz hinaus⸗
ſchreitend, „ſtraft eure Bosheit Lügen.“
Uber langſam und nachdenklich ging der Praͤfect über
den Quirinal und das Forum Trajans nach ſeinem
Wohnhaus.
„Du drohſt, Beliſarius? Dank' für den Wink!
Laß ſehn, ob wir dich nicht entbehren können.“
135
On feiner Wohnung fand er Syphax, der ihn un:
geduldig ermartet hatte und ihm rafden Beridt abs
legte.
„Vor Wem, Herr," ſchloß ex nun, „laß alfo deinen
Sandalenbinder peitfden.
Du ſiehſt, wie fdledt vu bedient bift, ift Syphax
fern: — und gieb mir gittigft deinen rechten Schuh.“
„Ich follte dir ihn nidjt geben und dic zappeln laſſen
für dein freches Lügen,“ lachte der Präfect.
„Dieſes Stück Leder iſt jetzt dein Leben werth, mein
Panther.
Womit willſt du's löſen.“
Mit wichtiger Runde.
Sh weiß nun Wiles gang genau von dem Plan
gegen Belifars Leben: Ort und Beit: und die Namen
der Eidbrüder. ”
G3 find: Teja, Totila und Hildebad.“
wweder allein genug fiir den Magifter Militum,“
murmelte Gethegus vergniiglic. |
wit) Denfe, o Herr, du aft ven Barbaren wohl
wieder eine ſchöne Falle geftellt!
Ich babe. ihnen, auf deinen Befehl, entredt, daß
Beliſar felbft morgen gum tiburtinifden Chor hinaus
gieben will, um BVorrathe aufzutreiben.“
„Ja, ev felbft geht mit, weil fic) die oft aufgefangnen
Hunnen nidt mehr allein hinans wagen; ev führt nur
vierhundert Mann.“
„Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der
130
„Eine Votingabe von mir,” fagte Syphar rafd.
Der Apoftel hetlte memen Fug, id hatte mir einen
Dorn eingetreten.”
Ich dachte, Du verebrft nur den Sehlangengott **
„Ich verebre, was da hilft.“
„In weldem Fue ftaf der Dorn.“
Syphax ſchwankte einen Wugenblid.
wom Redten," fagte er dann, raſch entfdloffen.
„Schade,“ fprad Teja, ,die Sandale ift anf den
linfen gefdnitten.“
Und er ftedte fie in den Gürtel.
„Ich warne did), Königin, vor folder nächtlichen
Andacht.“
„Ich werde thun, was meine Pflicht, ſagte Mata⸗
ſwintha herb.“
„Und id), was meine.“
Mit viefen Worten ſchritt Teja voran, zurück gum
Lager: fdweigend folgte vie Königin und ihre Sflaven.
Vor Sonnenanfgang ftand Teja vor Witidhis und
beridtete ihm Wiles. |
„Was du fagft, ift fein Beweis,“ fagte der König
„Aber ſchwerer Verradt.
Und du ſagteſt ſelbſt, die Königin fet dir unheimlich.“
„Grade deßhalb hilt? id) mid, nach bloßem Verdacht
zu handeln.
131
Ich zweifle mandmal, ob wir an iby nidt Unredt
gethan.
Faſt fo ſchwer, wie an Rauthgunvdis.”
„Wohl, aber diefe nächtlichen Gange
„Werd' id) verbindern. Schon um ibretwillen.”
„Und der Manure? Beh traw’ ihm nit.
Sd) weiß, dag er tagelang abwefend: dann taudt er
wieder auf im Lager.
Gr ift ein Spaber.”
„Ja, Freund, ladelte Witichis. Wher der meine.
Cr geht mit meinem Wiffen in Rom aus und ein.
Er ift e8, der mir nod) alle Gelegenheiten verrathen.“
„Und nod) feine bat geniigt!
Und die falfde Gandale 2"
‚Iſt wirklich ein BVotivopfer.
Uber fitr Diebftahl; ex hat mir, mod) ehe du kamſt,
Ales gebeichtet.
Gr hat, bei der Begleitung ver Königin fid lang:
weilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgeltdbert und
pa unten allerlet Brieftergeminder und vergrabnen
Gdmud gefunden und bebalten.
Aber fpadter, den Born des Apoftels fiirdtend, wollt’
ex ibn befchwidtigen, und opferte, in feinem Seidenfinn,
viefe Gold» Gandale aus feiner Beute.
Gr befdrieb fie mir gang genau: mit golbnen Seiten:
ftveifen und einem Achatknopf, oben mit einem C —.
Du ſiehſt, es trifft Wes gu.
Gr fannte fie alfo: fie fann nidt von einem Flüchten⸗
ben verloren fein.
9*
132
Und er verfprad, als Beweis die dazu gehörige
Sandale des redten Fußes gu bringen.
Aber vor Wem: er hat mir einen neuen Plan vers
rathen, der all’ unſrer Moth ein Ende mades und
Beliſarius felbft’ in unfre Hanve liefern foll.”
. J
Belmtes Capitel.
Wabrend ver Gothentinig viefen Plan feinem Freunde
mittheilte, ftand Gethegus, in frithfter Stunde nad dent
belifarifdjen Thor befchieden, vor Velifar und Johannes.
»prafect von Rom," herrfdte ihn der Feldherr beim
Gintreten an, ,wo warft du heute Macht?"
„Auf meinem Boften.
Wohin iG gehöre. Am Dhor SGanct Pauls.”
„Weißt Du, daß in diefer Macht etner der beften
meiner Anfiihrer, Perfeus der Archon, des Johannes
Bruver, die Stadt verlaffen hat und feitbem verſchwun⸗
pen tft?" |
„Thut mir leid.
Uber du weißt: es ift verboten, ohne Erlaubniß die
Mauer yu überſchreiten.“
„Ich babe aber Grund gu glauben," fuhr Sobannes
auf, „daß Du redjt gut weit, was aus meinem Bruder .
geworden, daß fein Blur an deinen Handen klebt.“
»Und beim Sdlummer Iuftinians! braufte Belifar
auf, das follft pu büßen.
134
Richt Langer follft du herrſchen ither des Kaiſers Heer
und Feldherrn.
Die Stunde der Abrechnung iſt gekommen.
Die Barbaren ſind ſo gut wie vernichtet. Und laß
ſehn, ob nicht mit deinem Haupt auch das Capitol fällt.“
„Steht es ſo?“ dachte Cethegus, jetzt ſieh dich vor,
Beliſarius.“
Doch er ſchwieg.
worede!" rief Johannes. Wo haſt du meinen
Bruder ermordet?"
She Cethegus antworten fonnte, trat Urtafines, ein
perfifdjer Leibwächter Beliſars, herein.
Herr,“ fagte er, ,draufen ftehn ſechs gothiſche Rieger.
Sie bringen vie Vide Perfens, des Archonten.
König Witichis läßt dtr fagen: er fet heut' Nacht
vor den Mauern durch Graf Teja's Beil gefallen.
Er ſendet ihn zur ehrenden Beſtattung.“
„Der Himmel ſelbſt,“ ſprach Cethegus ſtolz hinaus⸗
ſchreitend, „ſtraft eure Bosheit Lügen.“
Uber langſam und nachdenklich ging der Prifect über
ten Ouivinal und das Forum Trajans nad feinem
Wohnhaus.
wou drobft, Beliſarius? Dan’ für den Wink!
Lak ſehn, ob wir dich nicht entbehren können.“
135
Sn feiner Wohnung fand er Syphax, der ihn uns
geduldig erwartet hatte und ihm rafden Bericht abs
legte.
voor Wem, Herr," ſchloß er nun, „laß alfo deinen
Sandalenbinder peitfden.
Du fiehft, wie ſchlecht vu bedient bift, ift Syphar
fern: — und gieb mir gütigſt deinen rechten Schuh.“
„Ich follte dir ihn nicht geben und did) gappeln laſſen
für dein freches Lügen,“ lachte ver Prafect.
wdiefes Stück Leder iſt jetzt dein Leben werth, mein
Panther.
Womit willft du's löſen.“
Mit widtiger Runde.
Sh weiß mm Wes gang genau von dem Plan
gegen Belifars Leben: Ort und Beit: und die Namen
der Eidbrüder. °
Es find: Leja, Lotila und Hildebad.“
‚„Jeder allen genug fiir den Magifter Militum,“
murmelte Gethegus vergnitglid. |
wot) Denfe, o Herr, du Haft ven Barbaren wobl
wieder eine ſchöne Falle geftellt!
3d babe. ihnen, auf deinen Befebl, entdedt, dak
Belifar felbft morgen gum tiburtinifden Thor hinaus
ziehen will, um BVorrathe aufzutreiben.“
„Ja, ev felbft geht mit, weil fic) die oft aufgefangnen
Hunnen nicht mehr allein hinaus wagen; er fithrt nur
vierhundert Mann.“
„Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der
136
Sulvier einen Hinterhalt von taufend Mann gegen Beli-
far fegen.
„Das verdient wirklich den Schuh!“ fagte Cethegus
und warf ibm venfelben ju."
„König Witichis wird indeſſen nur einen Sdhemangriff
machen Laffen auf das Thor Sanct Pauls, vie Gedanken
ver Unfern von Beliſar abzulenken.
Ich eile nun alfo zu Velifar, ihm zu fagen, wie du
mir aufgetragen, daß er drei Tauſend mit ſich nimmt
und jene gegen ihn Verſchwornen vernichtet.“
„Halt!“ ſagte Cethegus ruhig, „nicht fo eilfertig!
Du meldeſt nichts.“
„Wie?“ fragte Syphar erſtaunt. „Ungewarnt iſt er
verloren!“ —
„Man muß dem Schutzgeiſt des Feldherrn nicht ſchon
wieder, nicht immer, in's Amt greifen.
Beliſar mag morgen ſeinen Stern erproben.“
„Ei,“ ſagte Syphax mit pfiffigem Lächeln, „Solches
gefällt dir?
Dann bin td lieber Syphax, ver Sklave, als Beli⸗
farius, der Magiſter Militum.
Arme Wittwe Antonina!”
Sethegus wollte ſich auf das Lager ftreden, da meldete
Fidus, ver Oftiarius: ,,Ralliftratos von Korinth.“
„Immer willkommen.“
Der junge Grieche mit dem ſanften Antlitz trat ein.
Ein Hauch anmuthiger Röthe von Scham oder Freude
färbte ſeine Wangen: es war erſichtlich, daß ihn ein
beſonderer Anlaß herführte.
137
„Was bringft du des Schönen nod auger div ſelbſt?“
fo fragte Gethegus in griechiſcher Sprache.
Der Jüngling fdlug vie leudjtenden Augen auf:
Sin Herg voll Bewunderung fiir vid): und den
Wunſch, dir viefe yu bewabhren.
Ich bitte um die Gunft, wie die beiden Licinier und
Pifo, für vic) und Rom fedten zu dürfen.“
„Mein Kalliſtratos! was kümmern did, unfern
Hriedens «Gaft, den liebenswiirdigften der Hellenen,
unfre blutgen Handel mit ven Barbaren?
Bleibe Du von Ddiefem ſchweren Ernft und pflege
veines heitern Erbes, ver Schönheit.“
„Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis ſind ferne
wie ein Mythos: und ihr eiſernen Römer habt uns nies
mals Kraft zugetraut.
Das iſt hart — aber doch leichter zu tragen, weil
ihr es ſeid, die unſre Welt, die Kunſt und edle Sitte
vertheidigt gegen die dumpfen Barbaren.
Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus.
So faß ich dieſen Kampf und ſo gefaßt, ſiehſt du,
ſo geht er wohl auch den Hellenen an.“
Erfreut lächelte der Präfect.
„Nun, wenn dir Rom Cethegus iſt, ſo nimmt Rom
gerne die Hülfe des Hellenen an: du biſt fortan Tribun
der Milites Romani wie Licinius.“
„In Thaten will ich dir danken!
Aber eins noch muß ich dir geſtehn — denn ich
weiß: du liebſt nicht überraſcht zu ſein.
130
„Eine Votingabe von mir,” fagte Syphar rafd.
Der Apoftel heilte memen Fug, ich hatte mir etnen
Dorn eingetreten."
Ich dachte, du verebrft nur den Schlangengott! ?
„Ich verehre, was da hilft.“
von welchem Fuge ſtak per Dorn.“
Syphax fdwantte einen Wugenblid.
„Im Rechten,“ fagte er dann, raſch entſchlofſen.
„Schade,“ ſprach Teja, die Sandale iſt anf den
linken geſchnitten.“
Und er ſteckte ſie in den Gürtel.
„Ich warne did), Königin, vor folder nächtlichen
Andacht.“
„Ich werde thun, was meine Pflicht, ſagte Mata⸗
ſwintha herb.“
„Und ich, was meine.“
Mit dieſen Worten ſchritt Teja voran, zurück zum
Lager: ſchweigend folgte die Königin und ihre Sklaven.
Vor Sonnenaufgang ſtand Teja vor Witichis und
berichtete ihm Alles. |
„Was du fagft, ift fein Beweis,“ fagte ver King
wlber ſchwerer Verdadt.
Und du fagte(t felbft, die Königin fet dir unheimlich.“
Brave deßhalb hüt' id) mid, nad bloßem Verdacht
zu handeln.
131
Sh zweifle mandmal, ob wir an iby nidt Unredt
gethan.
Saft fo ſchwer, wie an Rauthgundis."
. Wohl, aber diefe nadtliden Gange
Werd' id verbindern. Schon um ihretwillen.”
„Und der Mtaure? Ich tran’ ihm nicht.
Ich weiß, dag er tagelang abwefend: dann taudht er
wieder auf im Lager.
Gr ift ein Späher.“
Ja, Freund, lächelte Witichis. Aber der meine.
Gr geht mit meinem Wiffen in Rom aus und ein.
Gr ift e8, der mir nod alle Gelegenbeiten verrathen."
Und nod feine bat genitet!
Und die falſche Gandale 2"
Ot wirklich ein BVotivopfer.
Wher fiir Diebftabl; ex hat mir, nod ehe du famft,
Alles gebeichtet.
Er hat, bet ver Begleitung ver Königin fic) lang:
weilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgeftdbert und
pa unten allerlet Prieftergewander und vergrabnen
Schmuck gefunden und bebalten.
Aber fpdter, den Born des Apoftels fitrdtend, wollt’
ex ibn befdwidtigen, und opferte, in feinem Heidenfinn,
piefe Golds Gandale aus feiner Beute.
Gr beſchrieb fie mir gang genau: mit golonen Seiten⸗
ftveifen und einem Wdhatfnopf, oben mit einem C —.
Du fiehft, es trifft Wes gu.
Er tannte fie alfo: fie fann nicht von einem Flüchten⸗
ben verloren fein.
| g*
132
Und er verfprad, als Beweis die dazu gebdrige
Gandale des redjten Fußes gu bringen.
Aber vor Wem: er hat mir etnen neuen Plan vers
rathen, der all unfrer Noth etn Ende maces und
Belifarius ſelbſt in unfre Hande liefern fol.“
Behntes Capitel.
Wahrend der Gothentdnig diefen Plan feinem Freunde
mittheilte, ftand Gethegus, in frithfter Stunde nad dem
belifarifdjen Thor beſchieden, vor BVelifar und Johannes.
„Präfect von Rom,” herrfdte ihn vex Feldhery beim
Gintreten an, „wo warft du heute Macht 2"
„Auf meinem Boften.
Wohin id gehöre. Am Thor Sanct Pauls.”
„Weißt DU, DAR im Ddiefer Nacht einer der beften
meiner Anführer, Perfeus ver Archon, ves Johannes
Bruver, die Stadt verlaffen hat und feitbem verfdwun-
pen iſt?“
„Thut mir leid.
Uber Du weit: es ift verboten, ohne Erlaubniß die
Mauer yu überſchreiten.“
„Ich babe aber Grund gu glauben,” fubr Johannes
auf, „daß du recht gut weit, was aus meinem Bruder .
geworden, daß fein Blur an deinen Händen klebt.“
„Und beim Schlummer Buftinians! braufte Beliſar
auf, das follft du büßen.
134
Nicht langer follft ou herrſchen ther des Kaiſers Heer
und Feldherrn.
Die Stunde der Abrechnung iſt gekommen.
Die Barbaren find fo gut wie vernichtet. Und laf
febn, ob nidjt mit deinem Haupt aud) das Capitol fällt.“
„Steht e8 fot dachte Cethegus, jetzt ſieh dich vor,
Beliſarius.“
Doch er ſchwieg.
„Rede!“ rief Johannes. „Wo haſt du meinen
Bruder ermordet?“
Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artaſines, ein
perſiſcher Leibwächter Beliſars, herein.
Herr,“ fagte er, ‚draußen ſtehn feds gothiſche aArieger.
Sie bringen tie Leiche Perſeus, des Archonten.
König Witichis läßt dir ſagen: er ſei heut' Nacht
vor den Mauern durch Graf Teja's Beil gefallen.
Er ſendet ihn zur ehrenden Beſtattung.“
„Der Himmel ſelbſt,“ ſprach Cethegus ſtolz hinaus⸗
ſchreitend, „ſtraft eure Bosheit Lügen.“
Uber langſam und nachdenklich ging der Praͤfect über
den Quirinal und das Forum Trajans nach ſeinem
Wohnhaus.
„Du drohſt, Beliſarius? Dan’ fiir den Wink!
Lah ſehn, ob wir did) nicht entbehren können.“
135
Sn feiner Wohnung fand er Syphax, ver ihn un-
geduldig ermartet atte und ihm rafden Bericht abs
legte.
„Vor Alem, Herr," ſchloß ex nun, „laß alfo deinen
Sandalenbinder peitſchen.
Du fiehft, wie fclecht du bedient biſt, ift Syphax
fern: — und gieb mir gittigft deinen rechten Schuh.“
„Ich follte dix ihn nicht geben und dic zappeln laſſen
für dein freches Lügen,“ lachte der Prafect.
„Dieſes Stück Leder iſt jetzt dein Leben werth, mein
Panther.
Womit willſt du's löſen.“
Mit wichtiger Kunde.
Ich wei nun Wes ganz genau von dem Plan
gegen Belifars Leben: Ort und Beit: und die Namen
ber Ginbritver. °
Es find: Leja, Lotila und Hildebad.“
„Jeder allein genug fiir ven Magifter Militum,“
murmelte Gethegus vergniiglicd. |
wd) Denfe, o Herr, du haft ven Barbaren wobl
wieder eine ſchöne Galle geftellt!
Sd habe. ihnen, auf deinen Befehl, entdedt, dak
Beliſar felbft morgen gum tiburtinifdyen Thor hinaus
gteben will, um Vorräthe aufyutreiben.”
„Ja, ev felbft geht mit, weil fic) die oft aufgefangnen
Hunnen nicht mehr allein hinaus wagen; er fiibrt nur
vierhundert Mann.“
„Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der
136
Fulvier einen Hinterhalt von taufend Mann gegen Beli⸗
jar legen.
„Das verdient wirflid) den Schuh!“ fagte Cethegus
und warf ihm venfelben gu."
„König Witichis wird indefjen nur einen Scheinangriff
machen laſſen auf das Thor Sanct Pauls, die Gedanken
ver Unfern von Belijar abgulenten. |
Ich eile nun alfo yu Velifar, ihm gu fagen, wie du
mir aufgetragen, daß er dret Laufend mit fic) nimmt
und jene gegen ihn Verſchwornen vernidtet."
walt!" fagte Cethegus rubig, „nicht fo eilfertig!
Du meldeft nits.“
„Wie?“ fragte Syphar erftaunt. „Ungewarnt ift er
verloren!“ —
„Man muß dem Schutzgeiſt des Feldherrn nicht ſchon
wieder, nicht immer, in's Amt greifen.
Beliſar mag morgen ſeinen Stern erproben.“
„Ei,“ ſagte Syphar mit pfiffigem Lächeln, „Solches
gefällt dir?
Dann bin ich lieber Syphax, der Sklave, als Beli⸗
ſarius, der Magiſter Militum.
Arme Wittwe Antonina!“
Cethegus wollte ſich auf das Lager ſtrecken, da meldete
Fidus, ver Oſtiarius: ,Ralliftratos von Korinth.“
„Immer willkommen.“
Der junge Grieche mit dem ſanften Antlitz trat ein.
Ein Hauch anmuthiger Röthe von Scham oder Freude
färbte ſeine Wangen: es war erſichtlich, daß ihn ein
beſonderer Anlaß herführte.
137
„Was bringft du des Schönen nod) auger vir felbft2
fo fragte Gethegus in griechifder Sprade.
Der Jüngling ſchlug die leudtenden Augen auf:
win Hey ; voll Bewunderung fiir vid): und den
Wunſch, dir diefe zu bewabhren.
Ich bitte um die Gunft, wie die beiden Licinier und
Pifo, für vid) und Rom fedten gu dürfen.“
„Mein Kalliſtratos! was kümmern did, unfern
Friedens-Gaſt, den liebenswiirdigften ver Hellenen,
unfre blutgen Handel mit ven Barbaren?
Bleibe vu von Ddiefem fdweren Ernft und pflege
deines heitern Erbes, ver Schönheit.“
„Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis ſind ferne
wie ein Mythos: und ihr eiſernen Römer habt uns nies
mals Kraft zugetraut.
Das iſt hart — aber doch leichter zu tragen, weil
ihr es ſeid, die unſre Welt, die Kunſt und edle Sitte
vertheidigt gegen die dumpfen Barbaren.
Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus.
So faß ich dieſen Kampf und ſo gefaßt, ſiehſt du,
ſo geht er wohl auch den Hellenen an.“
Erfreut lächelte der Präfect.
„Nun, wenn dir Rom Cethegus iſt, ſo nimmt Rom
gerne die Hülfe des Hellenen an: du biſt fortan Tribun
ver Milites Romani wie Lieinius.“
„In Thaten will id vir danken!
Aber eins nod muß ich div geftehn — denn id
weig: du liebſt nicht überraſcht zu fein.
138
Oft bab’ ih gefehen, wie theuer dir das Grabmal
Hadrians und feine Bier von Gitterftatuen ift.
.Neulich hab’ ich diefe marmornen Wächter gezählt
und zwei hundert adt und neunzig gefunden.
Da macht' id denn das dritte Hundert voll und
habe meine beiden Letoiden, die du fo bod gelobt, ven
Apollon und die Artemis, dort aufgeftellt, vir und Rom
zu einem Weihgefdent.«
»dunger lieber Verſchwender,“ ſprach Cethegus, was
baft du da gethan!"
„Das Gute und Schöne,“ antwortete Kalliſtratos
einfach.
„Aber bedenfe — das Grabmal iſt jetzt eine Schanze —
Wenn die Gothen ſtürmen —“
„Die Letoiden ſtehen auf der zweiten, der innern
Mauer.
Und ſoll ich fürchten, daß je Barbaren wieder den
Lieblingsplatz des Cethegus erreichen?
Wo ſind die ſchönen Götter ſichrer als in deiner
Burg?
Deine Schanze iſt mir ihr beſter, weil ihr ſicherſter
Tempel.
Mein Weihgeſchenk ſei zugleich ein glücklich Omen.“
„Das ſoll es ſein,“ rief Cethegus lebhaft „und ich
glaube ſelber: dein Geſchenk iſt gut geborgen.
Aber geſtatte mir dagegen“ —
„Du haſt mir ſchon dafür erlaubt, für dich zu kämpfen.
Chaire!“ lachte der Grieche und war hinaus
139
„Der Knabe hat mich ſehr lieb,“ fagte Gethegus, ihm
nachſehend.
Und mir geht's wie andern Menſchenthoren: — mir
thut das wohl.
Und nicht bloß, weil ich ihn dadurch beherrſche.“
Da hallten feſte Schritte auf dem Marmor ves Vefti-
bulums und ein Tribun der Milites ward gemeldet.
Es war ein junger Krieger mit edeln, aber über
ſeine Jahre hinaus ernſten Zügen.
In echt römiſchem Schnitt ſetzten die Wangenknochen
faſt im rechten Winkel an die grade ſtrenge Stirn: in
dem tief eingelaſſſen Auge fag römiſche Kraft und —
in dieſer Stunde — entſchloſſner Ernſt und rüchſichts⸗
loſer Wille.
„Siehe da, Severinus, des Boéthius Sohn, will:
fommen mein junger Held und Philoſoph.
Viele Monate habe id) dich nicht gefehn — wober
fommit du 2"
oom Grabe meiner Mutter ,“ fagte Severinus mit’
feftem Blick auf den Prager.
Cethegus fprang auf.
„‚Wie? Rufticiana? meine Bugendfreundin! meined
Boethius Weib!“
Sie iſt todt,“ ſagte der Sohn kurz.
Der Prafect wollte ſeine Hand faſſen.
Severinus entzog ſie.
„Mein Sohn, mein armer Severinus! Und ſtarb
ſie — ohne ein Wort für mich?“
„Ich bringe dix iby letztes Wort — es galt dir!"
140
‚Wie ftarb fie? an weldem Leiden 2%
„An Schmerz und Reue."
„Schmerz —“ ſeufzte Gethegus, dad begreif id.
Uber was follte fie bereuen!
Und mir galt ihr legtes Wort! — fag’- an, wie
lautet es?“
Da trat Severinus hart an den Prifecten, dak er
fein Knie berithrte und blidte ibm bobrend in's Auge.
„Fluch, Fluch über Gethegus, ver meine Seele vers
giftet und mein Sind.”
Rubig fah ihn Cethegus an.
„Starb fie im Irrſinn?“ fragte er falt.
ein, Mörder: fie lebte im Irrſinn, fo lang fle
Dir vertrante.
Sn ihrer Tovesftunde hat fie Gaffiodor und mix ges
ftanden, daß ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift
gereicht, das du gebradt.
Sie erzablte uns den Hergang.
Der alte Corbulo und feine Lodter Daphnidion
ſtützten fie.
„Spät erft exfubr id," ſchloß fle, daß mein Rind aus
vem tödtlichen Beder getrunfen. Und niemand war
va, Camilla in den Arm gu fallen, als fie trinfen
wollte.
Denn id) war nod) im Bot auf vem Meere und
Gethegus nod) in dem Platanengang.“
Da rief ver alte Corbulo erbleidhend: Wie? der
Prafect wukte, daß der Beder Gift enthielt 2”
„Gewiß,“ antwortete meine Mutter.
141
„Als id) ihn im Garten traf, fagt’ id es ibm: „es
iſt geſchehen.“
Corbulo verſtummte vor Entſetzen: aber Daphnidion
ſchrie in wildem Schmerz.
eh! meine arme Domina! fo hat er fie ers
morbdet !
Denn er ftand dabei, dicht neben mir, und fah 3u,
wie fie tranf.” —
„Er fah gu, wie fle trank?“ fragte meine Mutter
mit einem Zone, der ewig durch mein Leben gellen wird.
„Er fah gu, wie fie trant!" widerbolten der Frei-
gelafine und fein Sind.
wd fo fet den untern Damonen fein verfludtes Haupt
geweibt | :
Rade, Gott, in ver Hille, Race, meine Söhne,
auf Erden fiir Camilla!
Fluch über Cethegus!“
Und ſie fiel zurück und war todt.“
Der Präfect blieb unerſchüttert ſtehen.
Nur griff ev leiſe an den Dold unter den Bruſt⸗
falten der Tunica.
wou aber” — fragte er nad) einer Paufe — ,was
thateft bu 2“ -
Ich aber tniete nieder an der Leide und küßte ibre
kalte Gand und fdwor ihr's gu, ihr Sterbewort 3u
vollenden.
Wehe dir, Präfect von Rom: Giftmiſcher, Mörder
meiner Schweſter — du ſollſt nicht leben.“
„Sohn des Boethius, willſt du gum Mörder werden
142:
um die Wahnworte eines lappifden Sklaven und feiner
Dirne?
Wiirdig ves Helden und des Philofophen !“
„Nichts von Mord.
Wire id ein Germane, nad dem Brauche diefer
Barbaren — er diint mir heute fehr vortrefflid —
rief' ich did) zum Rweifampf, du verbafter Feind.
Sh aber bin ein Rimer und fuce meine Rade
auf dem Wege des Redhts.
Hüte did), Prafect, nok giebt es Richter in Italien.
Lange Mtonate hielt mid) der Krieg, ver Feind von
viefen Mauern ab. —
Erſt heute babe id) Rom, von ver Gee ber, erretdt ;
und morgen erheb’ id) die Rlage bei ven Genatoren,
pie deine Richter find — dort finden wir ung wieder.“
Gethegus vertrat ihm pliglid) ven Weg an die
Thüre.
Aber Severinus rief:
„Gemach, man ſieht ſich vor mit Mördern.
Drei Freunde haben mid an dein Haus begleitet. —
Sie werden mid) mit den Lictoren fuden, komm' ip
nicht wieder, nod) in diefer Stunde."
„Ich wollte vid) nur,“ fagte Cethegus wieder ganz
rubig, ,vor vem Wege der Schande warnen,
Willft du ven alteften Freund deines Hanfes um
per Gieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweis⸗
barer Mordklage verfolgen, — thu’s: id fann’s nidt
hinder.
Aber nod) einen Wnftrag zuvor — du bift mein
143
Ankläger geworden: aber du bleibſt Soldat: und mein
Tribun.
Du wirſt gehorchen, wenn dein Feldherr befiehlt.“
„Ich werde gehorchen.“ |
Morgen fteht ein Ausfall Belifars bevor: und ein
Sturm ver Barbaren.
Sd mug vie Stadt befdhirmen.
Dod) abnt mir Gefahr fiir ven löwenkühnen Mann:
— id mug ibn treu gebittet wifjen.
Du wirft morgen, ic) befehl’ e8, den Feldherrn bes
gleiten und fein eben decken.“
„Mit meinem eignen."
„Gut, Lribun, id) verlaffe mid auf dein Wort."
„Bau' Du auf meines: auf Wiederfehn: nad ver
Schlacht: vor dem Senat.
Nad beiden Kämpfen litftet mic) gleich febr.
Auf Wiederfebn: — — wor dem Genat.”
„Auf Nimmerwiederſehn,“ fprad) Gethegus, als fein
Schritt verhallte.
„Syphar,“ rief er laut, ,bringe Wein und das
Hauptmal.
Wir müſſen uns ſtärken: — auf morgen."
Glftes Capitel.
Früh am andern Morgen wogte ſowohl in Rom als
in dem Lager der Gothen geſchäftige Bewegung.
Mataſwintha und Syphar hatten gwar Einiges ents
deckt und gemeldet: — — aber nicht Alles.
Sie hatten von dem Gelübde der drei Männer
gegen Beliſar erfahren und den früheren Plan eines bloßen
Scheinangriffs gegen das Sanct Pauls Thor, um von
vem Gedanken an Beliſar's Geſchick abzulenken.
Aber nicht hatten ſie erfahren, daß der König, in
Aenderung jenes Planes eines bloßen Scheinangriffs,
für dieſen Tag der Abweſenheit des großen Feldherrn
einen in tiefſtes Geheimniß gehüllten Beſchluß gefaßt
hatte: es ſollte ein letzter Verſuch gemacht werden, ob
nicht gothiſches Heldenthum doch dem Genius Beliſars
und den Mauern des Prafecten überlegen fei.
Man hatte fic) tm Kriegsrath des Königs nicht über
vie Widhtigkeit ves Unternehmens getaufdt: wenn es wie
alle fritheren, vereinzelten Ungriffe — adt und ſechzig
Schlachten, Ausfälle, Stürme und Gefedte hatte Profop
während ver Belagerung bis dahin aufgezählt — ſchei⸗
145
terte, fo war von dem ermiideten, ſtark gelidteten Heer
feine weitere Anftrengung mehr zu erwarten.
Deßhalb hatte man fic) auf Teja's Rath eidlid) vers
pflidjter, über den Plan gegen Jedermann ohne Wuse
nahme zu fdweiger.
Daher hatte auch Mataſwintha nichts vom König
erfahren. und ſelbſt ihres Mauren Spürnaſe konnte nur
wittern, daß auf jenen Tag etwas Großes gerüſtet werde
— die gothiſchen Krieger wußten ſelbſt nicht was.
Totila, Hildebad und Teja waren ſchon um Mitter⸗
nacht mit ihren Reitern geräuſchlos aufgebrochen und
hatten ſich ſüdlich von der valeriſchen Straße bei dem
Grabmal der Fulvier, an dem in einer Hügelfalte Beliſar
vorbeikommen mußte, in Hinterhalt gelegt: fie hofften,
mit ihrer Aufgabe bald genug fertig zu ſein, um noch
weſentlich an den Dingen bei Rom Theil nehmen zu
können.
Während der König mit Hildebrand, Guntharis und
Markja die Scharen innerhalb ver Lager ordnete, 30g
um GSonnenanfgang- Belijfar, von einem Theil feiner
Leibwadhter umgeben, zum tiburtinifden Thor hinaus.
Profop und Severinus ritten ihm zur Redhten und
Linken: Aigan, ver Maſſagete, trug fein Banner, vas bei
allen Gelegenbeiten den Magifter Militum yu begleiten
hatte.
Gonftantinus, rem er an feiner Statt die Gorge
für den „beliſariſchen Theil’ von Rom itbertragen, bes
febte alle Boften längs der Mauern doppelt, und lief
rie Crippen hart an ven Wallen unter ren Waffen
Dabhn, Cin Kampf um Rom. III. 10
146
bleiben. Er itberfandte den gleiden Befehl bem Prafecten
fiir die Byzantiner, die diefer führte.
Der Bote traf ibn auf den Wallen zwiſchen dem
paulinifden und bem appifden Thor.
~Velifar meint alfo:" höhnte Cethegus, während er
gehordte, ,mein Rom ift nidt fier, wenn ev es nicht
bebittet: id) aber meine: Cr ift nicht fider, wenn
ibn mein Rom nicht beſchirmt.
Komm , Lucius Licinius ," flifterte ex diefem gu, wir
milffen an den Fall venfen, daß Belifar einmal nicht
wiederfehrt von feinen Heldenfabrten: rann mug etn
Andrer fein Heer mit fefter Hand ergreifen."
od) fenne die Hand.“
‚Vielleicht giebt e8 alsdann einen furjen Kampf mit
fetnen in Rom belaffnen Letbwadtern: in den Thermen
des Diokletian oder am tiburtinifden Thore. Ste müſſen
dort in ihrem Lager erdriidt fein, ebe fle fic) recht bee
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile
fie, ohne Auffehen, rings um die Thermen her: auch
befebe mir vor Wem das tiburtinifde Thor.“
„Von wo aber foll ich fie fortgiehen 2”
„Von dem Grabmal Hadrians,“ fagte Cethegus nach
einigem Befinnen.
„Und vie Gothen, Feldherr?“
Bah! das Srabmal ift feft, es ſchützt ſich felbft.
Erſt miiffen vom Süden her die Stiirmenden ber
ven Glug: und dann dieſe eisglatten Wände von parifdem
Marmor hinan, meine und des Korinthers Freude.
Und zu dem,“ lächelte er, „ſieh' nur hinauf: da
147
oben fteht ein Geer von marmornen Göttern und
Heroen: fie mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen
die Barbaren.
‚„Siehſt du, — id) fagte e8 ja — es geht nur bier
gegen das Sanct Pauls Thor,” ſchloß er, auf das Lager
ver Gothen deutend, aus weldem eben eine ftarfe Whs
thetlung in dieſer Ridtung aufbrad.
Licinius gehordte und führte alsbald dreitauſend
Iſaurier, etwa die Hälfte der Deckung, ab: von dem
Grabmal über den Fluß und den Viminalis hinab
gegen die Thermen Diokletians.
Beliſar's Armenier am tiburtiniſchen Thor löſte er
dann auch durch dreihundert Iſaurier und Legionare ab.
Cethegus aber wandte ſich nach dem ſalariſchen Thor,
wo jetzt Conſtantinus als Vertreter Beliſar's hielt.
„Ich muß ihn aus dem Wege haben, dachte er,
wenn die Nachricht eintrifft.“
„Wenn du die Barbaren zurückgeworfen,“ ſprach er ihn
an, ,wirft Du dod) wohl einen Ausfall machen müſſen?
Welche Gelegenheit, Lorbern gu fammeln, wabhrend der
Feldherr fern iſt!“
„Ja wohl.“ rief Conſtantinus, „ſie follen’ s erfabren,
Dag wir fie aud) ohne Beliſarius fdlagen können.“
Hr müßt aber rubiger zielen,“ fagte Cethegus, einem
perfifden Schützen den Bogen abnehmend.
„Seht ven Gothen dort, den Führer gu Pferd! Er
ſoll fallen.“
Cethegus ſchoß; der Gothe fiel vom Roß, durch den
Hals geſchoſſen.
10*
140
‚Wie flarh fle? an weldem Leiden 2
„An Schmerz und Reue.“
„Schmerz —“ feufste Gethegus, „das begreif id.
Uber was follte fie bereuen!
Und mir galt iby legtes Wort! — fag’- an, wie
fautet es?"
Da trat Severinus hart an den Préfecten, daß er
fein Knie berithrte und blidte ibm bohrend in's Auge.
„Fluch, Fluch über Gethegus, ver meine Seele ver⸗
giftet und mein Sind.”
Rubig jah ihn Cethegus an.
„Starb fle im Irrſinn?“ fragte er falt.
tein, Mörder: fie lebte im Irrſinn, fo lang fle
dir vertraute.
Sn ihrer Todesftunde hat fte Caſſiodor und mix ges
ftanden, daß thre Hand dem jungen Tyrannen dads Gift
gereidjt, das du gebradt.
Gie erzählte uns den Hergang.
Der alte Corbulo und feine Tochter Daphnidion
ftiigten fie.
„Spät erft erfubr id, ſchloß fie, „daß mein Rind aus
pem tintliden Beder getrunfen. Und niemand war
pa, Camilla in den Arm gu fallen, al fie trinfen
wollte.
Denn id) war nod im Bot auf vem Meere und
Cethegus nod) in dem Platanengang.“
Da rief ver alte Corbulo erbleicend: ‚Wie? der
Prafect wußte, va ver Beder Gift enthielt 2
„Gewiß,“ antwortete meine Mutter.
141
„Als id) ihn im Garten traf, fagt? id e8 ihm: „es
ift geſchehen.“
Corbulo verftummte vor Entſetzen: aber Daphnidion
fdrie in wildem Schmerz.
eh! meine arme Domina! fo bat er fie ers
mordet !
Denn er ftand dabei, didt neben mir, und fal 3u,
wie fie trank.“ —
„Er fah gu, wie fie tran? fragte meine Mutter
mit einem Zone, der ewig durd) mein Leben gellen wird.
„Er fah gu, wie fle trant!" widerbolten der Frei
gelafine und fein Sind.
ww fo fet den untern Damonen fein verfludtes Haupt
geweibt |
Rade, Gott, in der Halle, Race, meine Söhne,
auf Erden fiir Camilla!
Slud über Cethegus!“
Und ſie fiel zurück und war todt.“
Der Präfect blieb unerſchüttert ſtehen.
Nur griff er leiſe an den Dold) unter den Bruſt⸗
falten der Tunica.
„Du aber* — fragte er nad einer Paufe — ,,was
thateft dn 2" |
„Ich aber Eniete nieder an der Leiche und küßte ihre
lalte Hand und fdwor ihr's gu, thy Sterbewort gu
vollenden.
Wehe dir, Prafect von Rom: Giftmifder, Marder
meiner Schweſter — du follft nidt leben."
„Sohn des Boéthins , willft du gum Mörder werden
142:
um die Wabhnworte eines lippifden Sklaven und feiner
Dirne?
Witrdig veS Helden und des Pbhilofophen !"
„Nichts von Mord.
Wire id ein. Germane, nad dem Brauche diefer
Barbaren — er dünkt mir heute fehr vortrefflid —
vief id) did) gum Rweifampf, du verbafter Feind.
Sd aber bin ein Rimer und fuche meine Rade
auf bem Wege ves Rechts.
Hüte dich, Prafect, nok giebt es Richter in Stalien.
Lange Monate hielt mid ver Krieg, ver Feind vou
viefen Mauern ab. —
Grft heute habe id) Rom, von ver Gee ber, erreicht:
und morgen erbeb’ ich die lage bet den Senatoren,
pie Deine Richter find — Dort finden wir und wieder.“
Gethegus vertrat ihm pliglid) ven Weg an die
Thitre.
Aber SGeverinus rief :
„Gemach, man fieht fid) vor mit Mördern.
Dret Freunde haben mid an dein Haus begleitet. —
Sie werden mid) mit ven Lictoren fuden, fomm’ ich
nidt wieder, nod) in dieſer Stunde."
„Ich wollte did) nur,“ fagte Gethegus wieder ganz
ruhig, vor dem Wege der Schande warnen.
Willſt du den älteſten Freund deines Hauſes um
per Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweis⸗
barer Mordklage verfolgen, — thu's: ich kann's nicht
hindern.
Aber noch einen Auftrag zuvor — du biſt mein
143
Ankläger geworden: aber du bleibft Goldat: und mein
Tribun.
Ou wirft gehorden, wenn dein Feldherr befiehlt.”
„Ich werde gehorden.” |
Morgen fteht etn Ausfall Belifars bevor: und ein
Sturm ver Barbaren.
Ich mug die Stadt befdirmen.
Dod) ahnt mir Gefahr für den löwenkühnen Mann:
— id) mug ibn treu gebittet wiffen.
Du wirft morgen, ic) befehl’ e8, den Feldherrn bes
gleiten und fein Leben decken.“
» Mit meinem eignen."
„Gut, Lribun, id) verlaffe mid) auf dein Wort."
„Bau' Du auf meines: auf Wiederfehn: nad ver
Schlacht: vor dem Senat.
Nad beiden Kämpfen litftet mid) gleich febr.
Auf Wiederjehn: — — wor dem Senat."
„Auf Nimmerwiederſehn,“ fprad Cethegus, als fein
Schritt verhallte.
„Syphar,“ rief er laut, ,bringe Wein und das
Hauptmal.
Wir miiffen uns ftarfen: — auf morgen."
Glftes Capitel.
Früh am andern Morgen wogte ſowohl in Rom als
in dem Lager der Gothen geſchäftige Bewegung.
Mataſwintha und Syphar hatten zwar Einiges ents
deckt und gemeldet: — — aber nicht Alles.
Sie hatten von dem Gelübde der drei Männer
gegen Beliſar erfahren und den früheren Plan eines bloßen
Scheinangriffs gegen das Sanct Pauls Thor, um von
dem Gedanfen an Beliſar's Geſchick abzulenken.
Aber nicht hatten ſie erfahren, daß der König, in
Aenderung jenes Planes eines bloßen Sdeinangriffs,
für dieſen Tag der Abweſenheit des großen Feldherrn
einen in tiefſtes Geheimniß gehüllten Beſchluß gefaßt
hatte: es ſollte ein letzter Verſuch gemacht werden, ob
nicht gothiſches Heldenthum doch dem Genius Beliſars
und den Mauern des Prafecten überlegen fei.
Man hatte fid) tm Kriegsrath des Königs nidt über
pie Widhtigkeit bes Unternehmen’ getaufdt: wenn es wie
alle fritheren, vereinzelten Angriffe — acht und ſechzig
Schlachten, Ausfalle, Stürme und Gefedte hatte Profop
während der Belagerung bis dahin aufgezählt — ſchei⸗
145
terte, fo war von dem ermiideten, ftarf gelidteten Heer
feine weitere Anftrengung mehr gu erwarten.
Deßhalb hatte man fic) auf Teja's Math eidlich vers
pflidtet, über den Plan gegen Sedermann ohne Aude
nahme gu jdjweigen.
Daher hatte aud) Matafwintha nidts vom König
erfabren. und felbft ihres Mauren Spitrnafe fonnte nur
wittern, daß auf jenen Lag etwas Großes gerüſtet werde
— die gothiſchen Rrieger wuften felbft nicht was.
Cotila, Hildebad und Teja waren fdon um Mitter⸗
nacht mit ihren Reitern geräuſchlos aufgebrodjen und
hatten fic) ſüdlich von der valerifden Strage bet dem
Grabmal ver Fulvier, an dem in einer Hiigelfalte Belifar
vorbeifommen mufte, im Hinterbalt gelegt: fie hofften,
mit ihrer Wufgabe bald genug fertig zu fein, um nod
mefentlid’ an ven Dingen bet Rom Theil nehmen gu
können.
Während der König mit Hildebrand, Guntharis und
Martja die Scharen innerhalb ver Lager ordnete, 30g
um Sonnenanfgang- Beliſar, von einem Theil feiner
Leibwächter umgeben, jum tiburtinifden Thor hinaus.
Profop und Severinus ritten ihm zur Redhten und
Linken: Aigan, der Mafjagete, trug fein Banner, das bet
allen Gelegenbeiten den Magifter Militum zu begleiten
hatte.
Conſtantinus, dem er an ſeiner Statt die Sorge
für den „beliſariſchen Theil” von Rom übertragen, bes
ſetzte alle Poſten längs der Mauern doppelt, und ließ
rie Trũͤppen hart an den Wallen unter ren Waffen
Dabhn, Cin Kampf um Rom. LI. 10
146
bleiben. Gr itherfandte den gleiden Befehl bem Prafecten
fiir die Byzantiner, die diefer fithrte.
Der Bote traf ihn auf den Wallen zwiſchen dem
paulinifden und dem appifden Thor.
‚„Beliſar meint alfo:" höhnte Cethegus, wabrend er
gehordte, ,mein Rom ift nicht ficher, wenn er es nidt
bebittet: ic) aber meine: Cr ift nicht ficer, wenn
ibn mein Rom nicht befdirmt.
Komm , Lucius Licinins ,“ fllifterte ex diefem gu, „wir
milffen an den Gall denken, daß Beliſar einmal nicht
wiederfebrt von feinen Qeldenfabrten: tann mug em
Andrey fein Heer mit fefter Hand ergreifen.“
„Ich fenne die Hand.”
‚Vielleicht giebt es alsdann einen turjen Kampf mit
feinen in Rom belaffnen Leibwächtern: in den Thermen
des Diofletian over am tiburtinifden Chore. Sie milffen
dort in ihrem Lager erdriidt fein, ee fle fich recht bes
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile
fie, ohne Auffehen, rings um die Thermen her: auch
befege mir vor Wem das tiburtinifde Chor.“
„Von wo aber foll ich fie fortgiehen 2"
„Von dem Grabmal Hadrians,“ fagte Cethegus nad
einigem Befinnen.
„Und vie Gothen, Feldherr?“
Bah! vas Grabmal ift feft, es ſchützt fich felbft.
Erſt miiffen vom Süden her die Stitrmenden fiber
ven Fluß: und dann dieſe eisglatten Wande von pariſchem
Marmor hinan, meine und des Kovinthers Freude.
Und zu dem," lächelte er, „ſieh' nur binauf: da
147
oben ftebt ein Geer von marmornen Géttern und
Heroen: fie mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen
die Barbaren.
„Siehſt bu, — id) fagte eB ja — es gebt nur bier
gegen das Sanct Pauls Thor,” ſchloß er, auf das Lager
ver Gothen deutend, aus weldem eben eine ftarfe Wh:
theilung in dieſer Richtung aufbrad.
Licinins gehordte und führte alébald dreitauſend
Sfaurier, etwa die Halfte ver Deddung, ab: von dem
@rabmal ither den Flug und ven BViminalis binadb
gegen die Thermen Diofletians.
Belifar’s Armenier am tiburtinifdyen Thor löſte er
dann and) Durd) dreihundert Sfaurier und Legionare ab.
Gethegus aber wandte fid) nad) dem falarifden Thor,
wo jetzt Gonftantinus als Bertreter Belifar’s bielt.
„Ich mug ihn aus vem Wege haben, dadjte er,
wenn die Nachricht eintrifft."
„Wenn da die Barbaren zurückgeworfen,“ fprad er ibn
an, ,wirft Du dod) wohl einen Wusfall machen müſſen?
Welche Gelegenheit, Lorbern gu fammeln, wahrend der
Feldherr fern it!” |
va wohl," rief Conftantinus, _,,fie follen’ 8 erfabren,
Dag wir fle aud) ohne Belifarius fdlagen können.“
„Ihr müßt aber rubiger zielen,“ fagte Cethegus, einem
perfifden Sdiigen ven Bogen abnehmend.
„Seht ven Gothen dort, den Führer gu Pferd! Er
fol fallen.“
Cethegus ſchoß; ver Gothe fiel vom Rok, durd den
Hals geſchoſſen.
10*
140
‚Wie flarh fie? an weldem Leiden 2”
„An Schmerz und Reue."
„Schmerz —“ feufgte Gethegus, „das begreif id.
Uber was follte fie bereuen!
Und mir galt ihr letztes Wort! — fag’ an, wie
lautet es?“
Da trat Severinus hart an den Präfecten, dah er
fein Stnie berührte und blidte ihm bohrend in's Ange.
„Fluch, Fluch über Cethegus, ver meine Seele ver⸗
giftet und mein Rind.”
Rubig fah ihn Cethegus an.
„Starb fie im Irrſinn?“ fragte er falt.
tein, Mörder: fle lebte im Srrfinn, fo lang fie
dir vertraute.
Sn ihrer Todesftunde hat fle Caffiodor und mir ges
ftanden, ra ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift
gereidt, das du gebradt.
Gie erzählte uns den Hergang.
Der alte Gorbulo und feine Tochter Daphnidion
ſtützten fie.
„Spät erft erfubr id," ſchloß fle, „daß mein Rind aus
bem tödtlichen Beder getrunfen. Und niemand war
pa, Camilla in den Arm gu fallen, al8 fle trinten
wollte.
Denn id) war nod im Bot auf dem Meere und
Cethegus nod in dem Platanengang.”
Da rief ver alte Corbulo erbleidhend: Wie? der
Prafect wußte, daß ver Becher Gift enthielt 2
„Gewiß,“ antwortete meine Mutter.
141
„Als ich thn im Garten traf, fagt’ ich es ihm: „es
iſt geſchehen.“
Corbulo verſtummte vor Entſetzen: aber Daphnidion
ſchrie in wildem Schmerz.
‚Weh! meine arme Domina! fo hat er fie ers
mordet!
Denn er ſtand dabei, dicht neben mir, und ſah zu,
wie fie trank.“ —
Sx fa gu, wie fle trank?“ fragte meine Dtutter
mit einem Tone, der ewig durch mein Leben gellen wird.
„Er fah gu, wie fie trank!“ widerbholten der Frei⸗
gelaffne und fein Sind.
wo fo fet den untern Damonen fein verfludtes Haupt
geweiht! =.
Rache, Gott, in ver Hille, Race, meine Sohne,
auf Erden fiir Camilla!
Fluch her Cethegus!“
Und ſie fiel zurück und war todt.“
Der Prafect blieb unerſchüttert ſtehen.
Nur griff er leiſe an den Dold) unter den Bruſt⸗
falten der Tunica.
„Du aber’ — fragte er nad) einer Pauſe — „was
thateft du?
Ich aber kniete nieder an der Leiche und küßte ihre
kalte Hand und ſchwor ihr's yu, ihr Sterbewort gu
vollenden.
Wehe dir, Präfect von Rom: Giftmiſcher, Mörder
meiner Schweſter — du ſollſt nicht leben.”
„Sohn des Boẽthius, willſt du gum Mörder werden
142:
um die Wahnworte eined lappifden SHaven und ſeiner
Dirne?
Würdig ves Helden und des Philoſophen!“
„Nichts von Mord.
Wäre ich ein Germane, nad dem Brauche dieſer
Barbaren — er dünkt mir heute ſehr vortrefflich —
rief' ich dich zum Zweikampf, du verhaßter Feind.
Ich aber bin ein Römer und ſuche meine Rache
auf dem Wege des Rechts.
Hüte dich, Präfect, noch giebt es Richter in Italien.
Lange Monate hielt mich der Krieg, der Feind von
dieſen Mauern ab. —
Erſt heute habe id) Rom, von ver Gee ber, erreicht:
und morgen erheb’ ich die Klage bet den Genatoren,
die deine Richter find — dort finden wir uns wieder.“
Cethegus vertrat ihm pliglid) ven Weg an die
Thüre.
Aber Severinus rief:
„Gemach, man ſieht ſich vor mit Mördern.
Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet. —
Sie werden mich mit den Lictoren ſuchen, komm' ich
nicht wieder, nod in dieſer Stunde.“
„Ich wollte dich nur,“ ſagte Cethegus wieder ganz
ruhig, „vor dem Wege der Schande warnen,
Willſt du den älteſten Freund deines Hauſes um
der Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweis—
barer Mordklage verfolgen, — thu's: ich kann's nicht
hindern.
Aber noch einen Auftrag zuvor — du biſt mein
143
Anklager geworden: aber du bleibft Soldat: und mein
Cribun.
Du wirft gehorden, wenn dein Feldherr befiehlt.”
wd) werde gehorden.” |
Morgen fteht etn Ausfall Beliſars bevor: und ein
Sturm der Barbaren.
$d mug die Stadt befdyirmen.
Dod ahnt mir Gefahr fiir ven löwenkühnen Mann:
— id mug ibn tren gebittet wiſſen.
Du wirft morgen, ich befebl’ e8, den Feldherrn bes
gleiten und fein Leben deen.“
» Mit meinem eignen."
„Gut, Tribun, ic) verlaffe mid) auf dein Wort.”
„Bau' du auf meines: anf Wiederfehn: nad ver
Schlacht: vor dem Senat.
Nad beiden Kämpfen lüſtet mich gleich febr.
Auf Wiederfehn: — — vor dem Senat.“
„Auf Nimmerwiederſehn,“ ſprach Cethegus, als fein
Schritt verhallte.
„Syphar,“ rief er laut, ,bringe Wein und das
Hauptmal.
Wir müſſen uns ſtärken: — auf morgen.“
Elftes Capitel.
Früh am andern Morgen wogte ſowohl in Rom als
in dem Yager der Gothen gefdaftige Bewegung.
Matafwintha und Syphar Hatten gwar Ciniges ents
vedt und gemeldet: — — aber nicht Wes.
Gie Hatten von vem Geliibde der drei Manner
gegen Belifar erfahren und den fritheren Blan eines blofen
Scheinangriffs gegen das Sanct Pauls Thor, um von
vem Gedanfen an Belifar’s Geſchick abzulenken.
Aber nicht Hatten fie erfabren, da der König, in
Aenderung jenes Planes eines bloßen Scheinangriffs,
für biefen Tag ver Whwefenheit des grofen Feldherrn
einen in tiefftes Geheimniß gehüllten Beſchluß gefaßt
hatte: es ſollte ein letzter Verſuch gemacht werden, ob
nicht gothiſches Heldenthum doch dem Genius Beliſars
und den Mauern des Prafecten überlegen fei.
Man hatte fid) tm Kriegsrath des Königs nicht über
vie Widhtigfeit des Unternehmens getdufdt: wenn e8 wie
alle fritheren, vereingelten Angriffe — adjt und ſechzig
Schlachten, Ausfalle, Stürme und Gefedte hatte Profop
wabrend der Belagerung bi8 dahin aufgezählt — ſchei⸗
145
terte, fo war von dem ermildeten, ſtark gelidteten Geer
feine weitere Unftrengung mehr yu erwarten.
Deßhalb hatte man fic) auf Teja’s Rath eidlid) vers
pflichtet, fiber den Plan gegen Sedermann ohne Aus-
nahme ju fdjweigen.
Daher hatte aud) Matafwintha nichts vom König
erfabren. und felbft ihres Mauren Spiirnafe fonnte nur
wittern, Da auf jenen Tag etwas Großes gerüſtet werde
— die gothifdjen Krieger wußten felbft nidjt was.
Lotila, Hildebad und Teja waren fdon um Mitters
nadt mit ihren Reitern geräuſchlos aufgebrodjen und
ha:ten ſich fiidlid) von der valerifden Straße bet dem
Grabmal der Fulvier, an dem in einer Hiigelfalte Belifar
vorbeikommen mufte, in Hinterbalt gelegt: fie bofften,
mit ihrer Aufgabe bald genug fertig zu fein, um nod)
mejentlidy an den Dingen bei Rom Theil nehmen zu
fonnen.
Während ver Konig mit Hildebrand, Guntharis und
Martja die Scharen innerhalb ver Lager ordnete, 30g
um Gonnenanfgang- Belifar, von einem Theil fener
Leibwächter umgeben, zum tiburtinifden Chor hinaus.
Profop und Severinus ritten ihm zur Redten und
Linken: Wigan, der Maffagete, trug fein Banner, das bet
allen Gelegenbeiten den Magiſter Militum zu begleiten
hatte.
Gonftantinus, rem er an feiner Statt die Corge
fiir den „beliſariſchen Theil” von Rom iibertragen, bee
febte alle Boften fangs ver Mauern doppelt, und liek
rie Trippen fart an den Wallen unter ten Waffen
Dahn, Gin Rampf um Rom. WI. 10
146
bleiben. Gr itberfandte den gleiden Befehl vem Brafecten
fiir die Byzantiner, die diefer führte.
Der Bote traf ihn auf den Wallen zwifden dem
pauliniſchen und dem appifden Thor.
‚Beliſar meint alfo:" hihnte Cethegus, wabrend er
gehordte, ,,mein Rom ift nicht ſicher, wenn er e8 nidt
bebiitet: id) aber meine: Cr ift nicht fider, wenn
ibn mein Rom nicht befdirmt.
Komm , Lucius Licinins ,” flifterte er diefem gu, wir
miiffen an den Fall denfen, dak Belifar einmal nidt
wiederfehrt von feinen Heldenfabrten: dann mug ein
Andrer fein Geer mit fefter Hand ergreifen.“
„Ich fenne die Hand.“
Bielleiht giebt es alspann einen turzen Kampf mit
feinen in Rom belaffnen Leibwächtern: in ven Thermen
ves Diofletian oder am tiburtinifden Thore. Ste müſſen
vert in ihvem Lager erdriidt fein, ehe fle fic) redjt bee
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile
fie, ohne AWuffehen, rings um die Thermen ber: aud
befege mir vor Alem das tiburtinifdhe Chor.“
„Von wo aber foll id) fie fortgiehen 2"
„Von dem Grabmal Hadrians,“ fagte Cethegus naw
einigem Befinnen.
„Und vie Gothen, Feldhery 2" .
Bah! pas Grabmal ift feft, es ſchützt fic felbft.
Erſt miiffen vom Süden her die Stitrmenden Aber
den Flug: und dann dieſe eigglatten Wande von parifdem
Marmor hinan, meine und des Korinthers Freuve.
Und zu dem," lächelte er, ,fieh’ nur hinauf: da
147
oben ſteht ein Geer von marmomen Giéttern und
Heroen: fle mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen
die Barbaren.
„Siehſt du, — ich fagte e8 fa — e8 geht nur bier
gegen das Ganct Pauls Thor,” ſchloß er, auf vas Lager
ver Gothen deutend, aus welchem eben eine ftarfe Whe
theilung in dieſer Richtung aufbrad.
Licinius gehorchte und führte alsbald dreitauſend
Sfaurier, etwa die Hälfte ver Deckung, ab: von dem
Grabmal fiber den Flug und den Biminalis hinab
gegen die Thermen Diolletians.
Belifar’s Armenier am tiburtinifden Thor löſte er
dann auch durch dreihundert Sfaurier und Legionare ab.
Cethegus aber wandte fid) nad dem falarifden Thor,
wo jegt Conftantinus als Vertreter Belifar’s bielt.
wd) mug ibn ans dem Wege haben, dachte er,
wenn die Nachricht eintrifft.”
„Wenn du die Barbaren zuriidgeworfen,” ſprach er ibn
an, ,wirft du dod) wohl einen Wusfall machen müſſen?
Welche Gelegenheit, Lorbern gu fammeln, wahrend der
Feldherr fern ift!”
„Ja wohl,” rief Conftantinus, fie follen’s erfabren,
daß wir fle and) ohne Belifarius ſchlagen können.“
Ihr müßt aber rubiger zielen,“ fagte Cethegus, einem
perfifden Schützen den Bogen abnehmend.
„Seht den Gothen dort, den Fithrer gu Pferd! Er
foll fallen.” .
Cethegus ſchoß; ver Gothe fiel vom Rok, durch ven
Hals gefdoffen.
10*
142:
um die Wahnworte eines läppiſchen Sklaven und feiner
Dirne?
Würdig ves Helden und des Pbhilofophen !“
„Nichts von Mord.
Wire id) ein. Germane, nad dem Brande diefer
Barbaren — er diint mir heute ſehr vortrefflth —
rief id) did) gum Zweikampf, du verhaßter Feind.
Sd aber bin ein Römer und ſuche meine Rade
auf dem Wege des Rechts.
Hüte dich, Prefect, nok giebt es Ridter in Italien.
Lange Mtonate hielt mid ver Krieg, ver Feind von
Diefen Mauern ab. —
Erſt heute habe id) Rom, von ver Gee ber, erreicht:
und morgen erheb' ich die Klage bet den Genatoren,
pie deine Richter find — dort finden wir uns wieder.“
Cethegus vertrat ihm pliglich ven Weg an die
Thüre.
Aber Severinus rief:
„Gemach, man ſieht ſich vor mit Mördern.
Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet. —
Sie werden mid) mit ven Lictoren ſuchen, komm' ich
nidt wieder, nod in diefer Stunde."
„Ich wollte did) nur," fagte Cethegus wieder gang
tubig, ,vor dem Wege ver Schande warnen,
Willft vu ven aAlteften Freund deines Haufes mm
per Ficberreden einer Sterbenden willen mit unbeweis⸗
barer Wordflage verfolgen, — thu’s: id) kann's nidt
hindern.
Aber noch einen Auftrag zuvor — du biſt mein
143
Ankläger gemorden: aber du bleibft Soldat: und mein
Cribun.
Du wirſt gehorden, wenn dein Feldherr befieblt.”
„Ich werde gehorden.” |
Morgen fteht ein Ausfall Belifars bevor: und ein
Sturm ver Barbaren.
Ich muß die Stadt befdirmen.
Dod) ahnt mir Gefabr für ven löwenkühnen Mann:
— id mug ihn tren gebittet wiffen.
Du wirft morgen, ic) befehl’ e8, den Feldherm bes
gleiten und fein Leben decken.“
„Mit meinem eignen."
„Gut, Lribun, id) verlaffe mid) auf vein Wort.”
„Bau' Du auf meines: auf Wiederfehn: nad) ver
Schlacht: vor dem Senat.
Nad beiden Kämpfen liiftet mich gleich febr.
Wuf Wiederfehn: — — wor dem Genat."
»Auf Nimmerwiederſehn,“ fprad Cethegus, als fein
Schritt verballte.
„Syphar,“ rief er faut, ,bringe Wein und das
Dauptmal.
Wir miiffen uns ſtärken: — auf morgen."
Elftes Capitel.
Früh am anvern Morgen wogte ſowohl in Rom als
in dem Yager ber Gothen geſchäftige Bewegung.
Matafwintha und Syphax Hatten gwar Ciniges ents
vedt und gemeldet: — — aber nicht Wes.
Sie hatten von vem Gelübde der drei Manner
gegen Belifar erfahren und den fritheren Plan eines bloßen
Sdeinangriffs gegen das Sanct Pauls Thor, um von
dem Gedanfen an Belifar’s Geſchick abgulenten.
Aber nidjt Hatten fie erfahren, dak der Koͤnig, in
Aenderung jenes Planes eines bloßen Scheinangriffe,
für viefen Tag ver UAbwefenheit bes grofen Feldherrn
einen in tiefftes Geheimniß gebitllten Beſchluß gefaßt
hatte: e8 follte ein letzter Verſuch gemacht werden, ob
nidt gothifdes Heldenthum vod dem Genius Beliſars
und den Mauern des Prafecten itberlegen fei.
Man hatte fic im Kriegsrath ves Königs nicht über
Die Widhtigkeit des Unternehmen’ getäuſcht: wenn es wie
alle fritheren, vereinzelten Angriffe — acht und ſechzig
Schlachten, Ausfalle, Stinme und Gefedte hatte Profop
während ver Belagerung bis dahin aufgezählt — ſchei⸗
145
terte, fo war von dem ermiideten, ſtark gelidteten Heer
feine weitere UAnftrengung mehr gu erwarten.
Deßhalb hatte man ſich auf Leja’s Rath eidlid) vers
pflidjtet, ber den Plan gegen Sedermann ohne Wuss
nahme gu fdjweigen.
Daher hatte aud) Matafwintha nidts vom König
erfabren. und felbft ihres Mauren Spiirnafe konnte nur
wittern, daß auf jenen Tag etwas Großes gerüſtet werde
— die gothifden Rrieger wußten felbft nicht was.
Totila, Hildebad und Teja waren ſchon um Mitters
nadht mit ihren Reitern geräuſchlos aufgebroden und
Hatten fich ſüdlich von der valerifden Strage bet dem
Grabmal der Fulvier, an dem in einer Hiigelfalte Belifar
vorbeilommen mufte, in Hinterbalt gelegt: fie bofften,
mit ihrer Wufgabe bald genug fertig zu fein, um nod
wejentlid) an ven Dingen bet Rom Theil nehmen zu
können.
Während der König mit Hildebrand, Guntharis und
Martja die Sdaren innerhalb ver Lager ordnete, 30g
um GSonnenanjgang- Velifar, won einem Theil fetner
Leibwächter umgeben, jum tiburtinifden Thor hinaus.
Profop und Severinus ritten ihm zur Redjten und
Linfen: Aigan, der Maffagete, trug fein Banner, das bei
allen Gelegenheiten den Magiſter Militum gu begleiten
(atte.
Conftantinus, rem er an feiner Statt die Sorge
für ven ,belifarifden Theil’ von Rom itbertragen, bes
febte alle Poften fangs ver Mauern doppelt, und lief
rie Crippen hart an den Wallen unter ren Waffen
Dahn, Cin Rampf um Rom. LI. 10
146
bleiben. Er überſandte den gleiden Befehl vem Prafecten
fiir die Byzantiner, die diefer fiibrte.
Der Bote traf ihn auf den Wallen zwiſchen dem
paulinifden und dem appiſchen Thor.
‚Beliſar meint alfo:" höhnte Cethegus, wabrend er
gehordte, ,mein Rom ift nicht fider, wenn er es nidt
bebittet: id) aber meine: Cr ift nicht ficher, wenn
ihn mein Rom nidt beſchirmt.
Komm , Lucius Licinius ," fliifterte ex diefem gu, wir
müſſen an den all venfen, dag Belifar einmal nidt
wiederfebrt von feinen Qeldenfabrten: dann mug em
Andrer fein Heer mit fefter Hand ergreifen."
„Ich fenne die Hand.“
‚Vielleicht giebt eS alsdann einen kurzen Kampf mit
feinen in Rom belaffnen Leibwadtern: in den Thermen
des Diokletian oder am tiburtinifden Thore. Sie miiffen
dort in ihrem Lager erdriidt fein, ehe fle fic) recht bee
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile
fie, ohne Wuffehen, rings um die Thermen ber: aud
befege mix vor Alem vas tiburtinifde Chor.“
woon wo aber foll id) fie fortgtehen 2"
„Von dem Grabmal Hadrians,“ fagte Gethegus nad
einigem Befinnen.
„Und tie Gothen, Feldherr 2”
„Bah! pas Grabmal ift feft, es ſchützt ſich felbft.
Erſt miiffen vom Süden her die Stiirmenden fiber
den Flug: und dann diefe eisglatten Wande von parifdem
Marmor hinan, meine und des Korinthers Freure.
Und zu dem," lächelte er, ,fteh’ nur binauf: da
147
oben fteht ein Heer von marmornen Göttern und
Heroen: fle mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen
die Barbaren.
„Siehſt bu, — id) fagte es ja — es geht nur bier
gegen das Sanct Pauls Thor," ſchloß er, auf das Lager
ver Gothen deutend, aus weldjem eben eine ftarfe Ab⸗
theilung in dieſer Richtung aufbrad.
Licinids gehorchte und führte alsbald dreitauſend
Iſaurier, etwa die Hälfte der Deckung, ab: von dem
Grabmal über den Fluß und den Viminalis hinab
gegen die Thermen Diolletians.
Belifar’s Armenier am tiburtinifden Thor löſte er
dann auch durch drethundert Sfaurier und Legionare ab.
Gethegus aber wandte fid) nad) dent falarifden Thor,
wo jest Gonftantinus als Bertreter Belifar’s bielt.
„Ich mug ibn aus dem Wege haben, dachte er,
wenn die Nachricht eintrifft.”
„Wenn du die Barbaren zuritdgeworfen,” fprad) er ibn
an, ,wirft Du dod) wohl einen Wusfall machen miiffen?
Weldhe Gelegenbheit, Lorbern yu fammeln, wahrend der
Feldherr fern ift!”
0a wohl,” rief Gonftantinus, fie follen’s erfahren,
Dag wir fie aud ohne Beliſarius ſchlagen können.“
whe müßt aber rubiger zielen,“ fagte Cethegus, einem
perſiſchen Schützen ven Bogen abnehmend.
„Seht ven Gothen dort, den Fithrer yu Pferd! Er
foll fallen.” ;
Cethegus ſchoß; der Gothe fiel vom Rok, durch den
Hals gefdofjen.
10 *
148
„Und meine Wallbogen, — ihr brandt ſie ſchlecht!
Seht ihr dort die Gide? ein Taufendfiihrer der
Gothen fteht davor, gepangert.
Gebt Acht!“
Und er richtete den Wallbogen, gielte und ſchoß: durch⸗
bohrt war der gepanjerte Gothe an ven Baum genagelt.
Da fprengte ein faracenifdher Reiter heran:
„Archon,“ redete er Conftantinus an, ‚Beſſas lage
vid bitten, Berftarfungen an das Vivarium, vas prines
ftinifhe Thor: die Gothen ritden an."
Brweifelnd fah Conftantinus auf Cethegus.
„Poſſen:“ fagte dieſer, „der eingige Angriff droht an
meinem Thore von Sanct Paul: und das iſt gut ges
hütet: ic) weiß es gewiß: laß Beffas fagen: er fürchte
ſich zu früh.
Uebrigens, im Vivarium habe ich noch ſechs Löwen,
zehn Tiger und zwölf Bären für mein nächſtes
Circusfeſt!
Laßt ſie einſtweilen los auf die Barbaren!
Es iſt auch ein Schauſpiel für die Römer dann!“
Aber ſchon eilte ein Leibwächter den Mons Pincius
herab: „Zu Hülfe, Herr, zu Hülfe! Conſtantinus, dein
eignes, das flaminiſche Thor! Unzählige Barbaren! Urſi⸗
cinus bittet um Hülfe!“
Aud dort?“ fragte ſich Cethegus ungläubig.
„Hülfe an die gebrodine Mauer! zwiſchen dem flami⸗
niſchen und dem pincianiſchen Thor!” rief ein zweiter Bote
pes Urficinus. |
149
„Dieſe Strede braudt ihr nicht yu decken! Ihr wift,
fie fteht unter Ganct Peters befonderem Shug: das
reicht!“ ſprach berubigend Gonftantinus.
Gethegus lachelte: „Ja, heute gewiß: denn fle wird
gar nidt angegriffen.”
Da jagte Marcus Licinius athemlos heran.
„Präfect, raſch auf's Capitol, von wo ich eben
fomme. We fieben Lager ver Feinde fpeien Barbaren
zugleich aus allen Lagerpforten: e8 vrobt ein allgemeiner
Sturm gegen alle Thore Roms."
„Schwerlich!“ lächelte Gethegus.
„Aber id) will hinauf. Du aber, Mareus Licinius,
ſtehſt mir ein für das tiburtiner Thor.
Mein muß es ſein, nicht Beliſar's!
Fort mit dir! Führe deine zweihundert Legionare
dorthin!“
Er ſtieg zu Pferd und ritt zunächſt gegen das Capitol
zu, um den Fuß des Viminal.
Hier traf er auf Lucius Licinius und ſeine Iſaurier.
Feldherr,“ ſprach ihn dieſer an, „es wird Ernſt da
draußen. Sehr Ernſt! Was iſt's mit den Iſauriern?
Bleibt es bei deinem Befehl?“
abe ich ihn guriidgenommen 2 fagte Cethegus ſtreng.
Lucins, bu folgit mix und ihr andern Tribunen. Ihr
Sfaurier ritdt unter eurem Häuptling Asgares zwiſchen
vie Thermen ves Diofletian und vas tiburtiner Thor.”
Gr glaubte an feine Gefahr fiir Rom.
150
Meinte er dod) gu wiffen, was allen in dtefem
Augenblick vie Gothen wirklich beſchäftigte.
„Dieſer Schein eines allgemeinen Angriffs fol,” dachte
er, ,dte Byzantiner nur abbalten, ihres bedrohten Feld:
herrn vor den Thoren gu gedenken.“ .
Bald hatte er einen Thurm des Capitols erreicht,
von weldem er die ganze Ebne überſchauen fonute.
Gie war erfiillt von gothifden Waffen.
Es war ein herrlides Schaufpiel.
Aus allen Lagerthoren wogte vie ganze Strettmadt
des gothiſchen Heeres heran, die ganze Ausdehnung der
Stadt umgürtend. |
Der Angriff follte offenbar gegen alle Thore zugleich
unternommen werden und war nad Einem Gedanfen
entworfen. |
Voran in dem ganjen, zu dret Vierteln gefdloffnen
Kreife fdritten Bogenſchützen und Sdleuderer, in leichten
Plänklerſchwärmen, die Zinnen und Bruftwebren von
BVertheidigern zu faubern. |
Darauf folgten Sturmbide, Widder, Mauerbrecher
aus rimifden Wrfenalen entnommen ober römiſchen
Muftern, wiewohl oft ungeſchlacht genug, nachgebildet,
mit Pferden und Rinvdern befpannt, bedient von Truppen,
bie, ohne Angriffswaffen, nur mit breiten Schilden fid
und die Beſpannung gegen die Gefdoffe ver Belagerten
decken follten.
Dict hinter thnen fdjritten vie gum eigentliden An⸗
griff beftimmten Rrieger: in tiefen Gliedern, mit voller
191
Bewaffnung, jum Handgemeng mit Beilen und ftarfen
Meffern geriiftet, und lange, fdwere Sturmleitern
ſchleppend.
In großer Ordnung und Ruhe rückten dieſe drei
Angriffslinien überall gleichmäßigen Schrittes vor: die
Sonne glitzerte auf ihren Helmen: in gleichen Bwifden-
räumen erſchollen die lang gezognen Rufe der gothiſchen
Horner.
„Sie haben etwas von uns gelernt,“ rief Cethegus
in kriegeriſcher Freude.
Der Mann, der dieſe Reihen geordnet hat, verſteht
den Krieg.“
oer iſt es wohl?" fragte Kalliſtratos, der, in reicher
Riifhing, neben Lucius Licinius hielt.
Ohne Zweifel, Witichis, ver König,“ ſagte Cethegus.
„Das hätte id) dem ſchlichten Mann mit den bes
ſcheidnen Zügen nie zugetraut.“
„Dieſe Barbaren haben manches Unergründliche.“
Und vom Capitol herab ritt er nun, über den Fluß,
nad ver Umwallung am pankratiſchen Thor, wo der
nadfte Angriff gu drohen ſchien, und beftieg mit feinem
Gefolge den dortigen Ed-Thurm.
‚Wer ift der UWlte dort, mit dem webenden Bart,
ver mit dem Stembeil ren Geinen voranfdreitet2
Gr fieht aus, als hatte ihn ver Blig des Beus
vergeffen in der Gigantenfdladt.”
„Es ift der alte Waffenmeifter Theoderichs; er rite
gegen vas pankratiſche Thor,“ antwortete der Prafect.
152
„Und wer ift der Reidhgeriiftete dort, anf dem Braunen,
mit dem Wolfsraden auf dem Helm? Er zieht gegen die
Portuenfis."
„Das ift Herzog Guntharis, der Wölſung,“ ſprach
Lucius Licinius.
„Und ſieh, auch drüben auf der Oſtſeite der Stadt,
über'm Fluß, ſo weit man ſchauen kann, gegen alle
Thore, rücken Sturmreihen der Barbaren,” ſagte Piſo.
„Aber wo iſt der König ſelbſt?“ frug Kalliſtratos.
„Siehe, dort in der Mitte ragt die gothiſche Haupt⸗
fahne: dort hält er, oberhalb des pankratiſchen Thors,“
antwortete der Präfect.
„Er allein ſteht regungslos mit ſeiner ſtarken Schar,
weit, um dreihundert Schritt zurück, hinter der Linie,“
ſprach Salvius Julianus, der junge Juriſt.
„Sollte er nicht mit kämpfen?“ frug Maſſurius.
‚Wäre gegen ſeine Weiſe.
Aber laß uns vom Thurm auf den Wall hinab
das Gefecht beginnt,“ ſchloß Cethegus.
„Hildebrand hat den Graben erreicht.“
„Dort ſtehen meine Byzantiner, unter Gregor.
Die Gothen-Schützen zielen gut. Die Zinnen am
pankratiſchen Thor werden leer.
Auf, Maſſurius, ſchicke meine abasgiſchen Jäger
und von den römiſchen Legionaren die beſten Pfeilſchützen
dorthin: ſie ſollen auf die Rinder und Roſſe der Sturm⸗
böcke zielen.“
Bald war der Kampf auf allen Seiten entbrannt:
153
und mit Verdruß bemerfte Cethegus, daß vie Gothen
überall Fortſchritte machten.
Die Byzantiner ſchienen ihren Feldherrn zu vers
miſſen: fie ſchoſſen unſicher und wichen von den Wällen,
indeß die Gothen heute mit beſonderer Todesverachtung
vordrangen.
Schon hatten ſie an mehreren Stellen den Graben
überſchritten und Herzog Guntharis hatte ſogar ſchon
Leitern angelegt an den Wallen bei dem portuenfifden
Chore, wabrend der alte Waffenmeifter einen ftarfen
Wirderfopf Herangefdleppt und denſelben durd etn
Schirmdach gegen die Feuergefdoffe von oben gefidert
hatte. :
Schon donnerten die erften Stife laut durch dads
Getiimmel ves Kampfes gegen vie Galfen ves pantras
tiſchen Thors. |
Diefer wobhlbelannte Ton erfdittterte ven Präfecten,
ver eben bier anlangte: ,Offenbar, fagte ex gu fic felbft,
maden fie jegt bittern Ernſt, nachdem ber Scheinverſuch
fo gut gelungen.“
Und wieder ein dröhnender Stok.
Gregor, ver Byzantiner, fah thn fragend an.
„Das darf nicht lange währen!“ rief Cethegus zürnend,
entrig dem nadften Schützen Bogen und Rider und
eilte auf ben Mauerkranz an vem Thore:
‚Hieher, ihr Schützen und Schleuderer!
Mir nach!“ rief er, „ſchafft ſchwere Steine bei. Wo
iſt der nächſte Balliſt?
Wo die Scorpionen? vas Schirmdach muß entzwei.“
146
bleiben. Gr itberfandte den gleiden Befehl vem Prafecten
für die Byzantiner, die diefer führte.
Der Bote traf ihn auf den Wallen zwiſchen vem
paulinifden und dem appifden Thor.
„‚Beliſar meint alfo:" höhnte Cethegus, während er
gebordte, „mein Rom ift nicht fider, wenn er e8 nidt
bebittet: id) aber meine: Cr ift nicht ſicher, wenn
ibn mein Rom nidt beſchirmt.
Komm , Lucius Licinins ,“ fliifterte er diefem gu, „wir
miiffen an den Fall venfen, daß Beliſar einmal nicht
wiederfehrt von feinen Heldenfabrten: dann mug ein
Andrer fein Geer mit fefter Hand ergreifen.“
„Ich fenne die Hand.”
‚Vielleicht giebt eS alsdann einen kurzen Kampf mit
feinen in Rom belaffnen Letbwadtern: in den Thermen
des Diofletian over am tiburtinifden Chore. Sie müſſen
Dert in ihrem Lager erdrückt fein, ehe fle fic) recht bee
finnen. Nimm dreitaufend meiner Sfaurier und vertheile
fie, ohne Wuffehen, rings um die Thermen her: aud
befege mir vor Alem das tiburtinifde Thor.“
woon wo aber foll id) fie fortgiehen 2"
„Von dem Grabmal Hadrian’ ,“ fagte Cethegus nad
einigem Befinnen.
„Und vie Gothen, Feldherr 2"
Bah! pas Grabmal ift feft, es ſchützt ſich felbft.
Erſt miifjen vom Süden her die Stitrmenden ber
den Flug: und dann dieje eisglatten Wande von parifdem
Marmor hinan, meine und des Korinthers Freuve.
Und zu dem," lächelte er, ,fieh’ nur hinauf: da
147
oben ſteht ein Geer von marmornen Göttern und
Heroen: fie mögen felber ihren Tempel ſchirmen gegen
die Varbaren.
„Siehſt bu, — id) fagte e8 ja — e8 gebt nur bier
gegen das Sanct Pauls Thor," ſchloß er, auf das Yager
der Gothen deutend, aus weldem eben eine ftarfe Ab⸗
theilung in dieſer Richtung aufbrad.
Licinius gehorchte und führte alsbald dreitauſend
Sjaurier, etwa die Hälfte ver Deckung, ab: von dem
Grabmal fiber den Flug und den BViminalis hinab
gegen die Lhermen Diollerians.
Belifar’s Armenier am tiburtinifden Dhor löſte er
Dann auch durch dreihundert Sfaurier und Legionare ab.
Gethegus aber wandte fid) nad) dent falarifden Thor,
wo jest Conftantinus als Bertreter Belifar’s hielt.
„Ich mug ihn aus vem Wege haben, dachte er,
wenn die Nachricht eintrifft."
„Wenn du die Barbaren zurückgeworfen,“ fprad er ihn
an, ,wirft Du dod) wohl einen Wusfall maden milfjen?
Welche Gelegenheit, Lorbern zu fammeln, während der
Feldherr fern iſt!“
wa wohl.“ rief Conſtantinus, fie ſollen's erfahren,
daß wir ſie auch ohne Beliſarius ſchlagen können.“
whe müßt aber ruhiger zielen,“ fagte Cethegus, einem
perſiſchen Schützen den Bogen abnehmend.
„Seht den Gothen dort, den Führer zu Pferd! Er
ſoll fallen.“
Cethegus ſchoß; der Gothe fiel vom Roß, durch den
Hals geſchoſſen.
10*
148
„Und meine Wallbogen, — ihr brandt fle ſchlecht!
Seht ihr dort die Gide? ein Tanfendfiihrer der
Gothen fteht davor, gepangert.
Gebt Acht!“
Und er ridtete den Wallbogen, zielte und ſchoß: durch⸗
bohrt war der gepanjerte Gothe an den Baum genagelt.
Da fprengte ein faracenifdher Reiter heran:
„Archon,“ redete ex Conftantinus an, ,Befjas läßt
vid bitten, Berftarkungen an das Vivarium, vas pranes
ſtiniſche Thor: die Gothen ritden an.“
Zweifelnd fah Conftantinus anf Cethegus.
„Poſſen:“ fagte dieſer, „der eingige Ungriff droht an
meinem hore von Sanct Paul: und das ift gut ges
hütet: ic) weiß e8 gewiß: laß Beſſas fagen: er fürchte
ſich zu früh.
Uebrigens, im Vivarium habe ich noch ſechs Löwen,
zehn Tiger und zwölf Bären fiir mein nächſtes
Circusfeſt!
Laßt ſie einſtweilen los auf die Barbaren!
Es iſt auch ein Schauſpiel für die Römer dann!“
Aber ſchon eilte ein Leibwächter den Mons Pincius
herab: „Zu Hülfe, Herr, zu Hülfe! Conſtantinus, dein
eignes, das flaminiſche Thor! Unzählige Barbaren! Urſi⸗
cinus bittet um Hülfe!“
Aud dort?“ fragte ſich Cethegus ungläubig.
„Hülfe an die gebrochne Mauer! zwiſchen dent flami⸗
niſchen und dem pincianiſchen Thor!" rief ein zweiter Bote
des Urficinus. .
149
Diefe Strede braucht ihr nidt zu veden! Ihr wift,
fie fteht unter Ganct Peters befonderem Schutz: das
reicht!“ ſprach berubigend Gonftantinus.
Cethegus ladelte: a, heute gewiß: denn fle wird
gar nidt angegriffen.”
Da jagte Marcus Licinius athemlos heran.
„Präfect, raſch aufs Capitol, von wo id eben
fomme. Alle fieben Lager ver Feinde fpeien Barbaren
gugleid) aus allen Lagerpforten: e8 drobt ein allgemeiner
Sturm gegen alle Thore Roms.“
Schwerlich!“ lächelte Cethegus.
„Aber ich will hinauf. Du aber, Mareus Licinius,
ſtehſt mir ein für das tiburtiner Thor.
Mein muß es ſein, nicht Beliſar's!
Fort mit dir! Führe deine zweihundert Legionare
dorthin!“
Er ſtieg zu Pferd und ritt zunächſt gegen das Capitol
zu, um den Fuß des Viminal.
Hier traf er auf Lucius Licinius und ſeine Iſaurier.
Feldherr,“ ſprach ibn dieſer an, „es wird Ernſt da
draußen. Sehr Ernſt! Was iſt's mit den Iſauriern?
Bleibt es bei deinem Befehl?“
abe ich ihn zurückgenommen?“ ſagte Cethegus ſtreng.
‚Lucius, bu folgſt mix und ihr andern Tribunen. Ihr
Sfaurier rückt unter eurem Häuptling Asgares zwiſchen
die Thermen des Diokletian und das tiburtiner Thor.“
Er glaubte an keine Gefahr für Rom.
150
Meinte er dod) gu wiffen, was allem tm diefem
Uugenblid vie Gothen wirklich befdaftigte.
„Dieſer Sdein eines allgemeinen Angriffs fol," dachte
er, ,die Byzantiner nur abbalten, ihres bedrohten Feld:
herrn vor den Thoren gu gevenfen." |
Bald hatte er einen Thurm des Capitol erreidt,
von weldem er Die ganze Ebne überſchauen fonnte.
Sie war erfüllt von gothifden Waffen.
Gs war ein herrlidhes Schauſpiel.
Aus allen Lagerthoren wogte die ganze Streitmadt
des gothifden Heeres heran, die ganze Auspehnung der
Stadt umgiirtend.
Der Angriff follte offenbar gegen alle Thore zugleich
unternommen werden und war nad Cinem Gedanfen
entworfen.
Voran in dem ganzen, zu drei Vierteln geſchloſſnen
Kreiſe ſchritten Bogenſchützen und Schleuderer, in leichten
Plänklerſchwärmen, die Zinnen und Bruſtwehren von
Vertheidigern zu ſäubern.
Darauf folgten Sturmböcke, Widder, Mauerbrecher
aus römiſchen Arſenalen entnommen oder römiſchen
Muſtern, wiewohl oft ungeſchlacht genug, nachgebildet,
mit Pferden und Rindern beſpannt, bedient von Truppen,
bie; ohne Angriffswaffen, nur mit breiten Schilden ſich
und die Beſpannung gegen die Geſchoſſe der Belagerten
decken ſollten.
Dicht hinter ihnen ſchritten vie zum eigentlichen An⸗
griff beſtimmten Krieger: in tiefen Gliedern, mit voller
191
Bewaffnung, jum Handgemeng mit Beilen und ftarfen
Meffern geriifter, und flange, ſchwere Sturmleitern
ſchleppend.
In großer Ordnung und Ruhe rückten dieſe drei
Angriffslinien überall gleichmäßigen Schrittes vor: die
Sonne glitzerte auf ihren Helmen: in gleichen Zwiſchen⸗
räumen erſchollen die lang gezognen Rufe der gothiſchen
Hörner.
„Sie haben etwas von uns gelernt,“ rief Cethegus
in kriegeriſcher Freude.
Der Mann, der dieſe Reihen geordnet hat, verſteht
ven Krieg.“
Wer iſt es wohl?“ fragte Kalliſtratos, der, in reicher
Riifting, neben Lucius Licinius hielt.
„Ohne Brweifel, Witichis, ver Konig,” fagte Cethegus.
„Das hatte id) dem ſchlichten Mann mit den bes
ſcheidnen Riigen nie gugetrant.”
wDiefe Barbaren haben mandes Unergriindlide. “
Und vom Capitol herab ritt er nun, über den Flug,
nad ver Umwallung am panfratifden Chor, wo der
nadfte Angriff gu drohen fdien, und beftieg mit feinem
Gefolge den dortigen Cds Thurm.
oer ift ver Wlte dort, mit dem webenden Bart,
ver mit dem Stembeil ben Seinen voranſchreitet?
Gr fieht aus, als hatte ihn ver Blig ves Bens
vergeffen in der Gigantenſchlacht.“
„Es ift der alte Waffenmeifter Theoverids; er rückt
gegen vas panfratifde Thor," antwortete der Prafect.
152
„Und wer ift der Reidigeriiftete dort, auf den: Braunen,
mit dem Wolfsraden auf dem Helm? Er zieht gegen die
Portuenfis."
„Das ift Herzog Guntharis, der Wölſung,“ ſprach
Lucius Licinius. |
„Und fieh, aud) dritben auf ber Oftfeite ver Stadt,
über'm lug, fo weit man fdauen fann, gegen alle
Chore, ritden Sturmrethen ver Barbaren," fagte Pifo.
„Aber wo ift der Konig felbft?" frug Ralliftratos.
„Siehe, dort in der Mitte ragt die gothiſche Haupte
fabne: dort halt er, oberbalb des pantratifden Thors,“
antwortete der Prafect. .
„Er allein fteht regungslos mit feiner ftarfen Scar,
weit, um Dreihundert Schritt guritd, inter ver Linie,”
{prad) Salvius Julianus, ver junge Surift.
„Sollte ex nicht mit kämpfen?“ frug Maſſurius.
Loare gegen ſeine Weiſe.
Uber laf uns vom Thurm anf den Wall hinab:
bas Gefecht beginnt,” ſchloß Cethegus.
„Hildebrand hat den Graben erveidt.“
»Dort ftehen meine Bygantiner, unter Gregor.
Die Gothen- Schiiten gielen gut. Die Zinnen am
pantratifden Chor werden leer.
Auf, Maffurius, ſchicke meine abasgifden Jager
und von den römiſchen Legionaren die beften Pfeilſchützen
dorthin: fie follen auf die Rinder und Rofje ver Sturm:
bide zielen.“
Bald war ber Kampf auf allen Seiten entbrannt:
153
und mit Gerdrug bemerfte Cethegus, daß die Gothen
fiberall Fortſchritte machten.
Die Byzantiner ſchienen ihren Feldherrn zu ver⸗
miſſen: fie ſchoſſen unſicher und wichen von den Wällen,
indeß die Gothen heute mit beſonderer Todesverachtung
vordrangen.
Schon hatten ſie an mehreren Stellen den Graben
ũberſchritten und Herzog Guntharis hatte ſogar ſchon
Leitern angelegt an den Wallen bei vem portuenſiſchen
‘hore, während ver alte Waffenmeifter einen ftarfen
Widderkopf herangefdleppt und venfelben durch ett
Sdirmdad gegen die Feuergefdoffe von oben gefichert
hatte. ;
Schon donnerten die erften Stöße laut durd das
Getiimmel ves Kampfes gegen die Balfen ves pantras
tifden Thors.
Diefer wohlbekannte Ton erfdhittterte ven Prajecten,
ver eben bier anlangte: ,Offenbar, fagte er gu fich felbft,
maden fie jegt bittern Ernft, nachdem der Scheinverſuch
fo gut gelungen.”
Und wieder ein dröhnender Stoß.
Gregor, ver Byzantiner, fah ihn fragend an.
Das darf nicht lange währen!“ rief Gethegus zürnend,
entrif dem nächſten Schützen Bogen und Köcher und
eilte anf den Mauerkranz an dem Chore:
„Hieher, ihr Schützen und Schleuderer!
Mir nach!“ rief er, „ſchafft ſchwere Steine bei. Wo
iſt der nächſte Balliſt?
Wo die Scorpionen? das Schirmdach muß entzwei.“
—
154
Unter dem Schirmdach aber ſtanden gothiſche Schützen,
die eifrig durch die Schießſcharten nach den Zacken der
Mauerzinnen lugten.
„Es iſt umſonſt, Haduſwinth,“ ſchalt der junge
Gunthamund, „zum drittenmal leg’ ich vergeblich an! es
wagt ja Keiner nur die Naſe über die Bruſtwehr.“
„Geduld,“ fagte der Alte, „halte den Bogen nur ges
fpannt !
Gs fommt fdon Ciner, den der Fürwitz plagt.
Wud) mir leg’ einen Bogen bereit. Nur Geduld.”
„Die bat man leidter mit deinen fiebjig als mit
meinen zwanzig Jahren.“
Inzwiſchen hatte Cethegus die Wallzinne hier erreicht:
er warf einen Blick in die Ebne: da ſah er den König,
in der weiten Ferne, unbeweglich, im Centrum ſtehen der
gothiſchen Scharen, auf dem rechten Tiber⸗Ufer.
Das ſtörte und beunruhigte ihn.
„Was hat er vor?
Sollte er gelernt haben, daß der Feldherr nicht
fechten ſoll?
Komm, Gajus,“ rief er dem jungen Schützen zu,
der ihm kühn gefolgt war, „deine jungen Augen ſehen
ſcharf, bli’ mit mir über die Zinne hier — was treibt
der König dort?“
Und er beugte ſich ither die Bruftwehr, Gajus folgte,
eifrig fpabend, ſeinem Beifpiel.
vest, Gunthamund!“ rief Hadufwinth unter.
Bwei Sehnen flangen und die beiden Späher fubren
zurück.
155
Gajus ſtürzte, in vie Stirn gefchoffen, nieder: und
unter deS Prafecten Helmdach zerſplitterte klirrend ein
Pfeil.
Gethegus ftrid) mit der Gand über die Stirn.
„Du lebft, mein Feldherr?“ rief Pifo, heranfpringend.
oa, Freund. Es war gut gezielt. Wber vie Gutter
brauden mid now: nur die Haut ift geribt,” fprad)
Gethegus und ſchob den Helm zurecht.
Bwilftes Capitel.
Da flog Syphax die Mauertreppe hinauf.
Streng hatte ihm fein Herr verboten, fic) am Kampf
gu betheiligen: , die Barbaren follen did) mir nicht tödten
und aud did) nicht erfennen — diz bift unerfeglid als
Slave Matafwinthens und Rundfdafter ves Königs
Witichis,” hatte Cethegus gefagt.
„Wehe, wehe,“ fdrie er fo itberlaut, daß e8 feinem
Herrn auffiel, ver des Manren Huge Rube fannte,
„welch' ein Unglück!“
„Was iſt geſchehen?“
„Conſtantinus iſt ſchwer verwundet. Er wollte einen
Ausfall führen aus dem ſalariſchen Thor und ſtieß ſogleich
auf die gothiſchen Sturmreihen.
Ein Schleuderſtein traf ſein Geſicht.
Mit Muhe rettete man ihn auf den Wall. Dort
fing ic) ben Ginfenden auf — er ernannte den Prafecten
su feinem BVertreter.
Hier ift fein Feldherrnſtab.“
Das ift nicht möglich!“ ſchrie Beffas, ver auf
Syphax’ Ferfe folgte.
157
Er hatte in Perjon vom Prafecten neue Verftarfungen
verfangen wollen und fam eben recht, die Nachricht gu hören.
over ex war fdon finnlos als er's that."
„Hätte ex dich beftellt, jedesfalls ,“ ſprach Cethegus,
ruhig bas Scepter ergreifend und dem fdlauen Slaven
mit einem rafden Wink ves Wuges danfend.
Mit einem wiithenden Blide fprang Beffas von der
Brüſtung und etlte davon.
„Folg' thm, Syphar, und beadt’ ihn wohl," flifterte
ver Prifect.
Da eilte ein iſauriſcher Söldner herbet: ,,Verftirtung,
Prafect, ans portuenfifde Thor. Herzog Guntharis
hat zahlloſe Leitern angelegt.“
Da fprengte Gabao, der Führer der ‘ maurifden
berittnen Schiigen heran: Conſtantinus ift toot.
Vertritt du Conftantinus."
„Beliſar vertret’ id), ſprach Cethegus ftol;: fiinfs
hundert Armenier ziehet ab vom appifden und fdidt jie
an's portuenfifde Thor."
Hülfe, Hitlfe an’s appifde Thor! alle Vertheidiger
auf den Zinnen ſind erſchoſſen!“ meldete ein perſiſcher
Reiter, „die Vorſchanze iſt halb verloren: vielleicht iſt
ſie noch zu halten: aber ſchwer!
Aber unmöglich wär's, ſie wieder zu nehmen!“
Cethegus winkte ſeinem jungen Jurisconſulten, Sal⸗
pins Julianus, jest ſeinem Kriegstribun:
„Auf, mein Juriſt: »beati possidentes«!
„Nimm hundert Legionare und halte vie Schanze um
jeden Preis, bis weitere Hülfe kommt.“ —
158
Und er fah von der Mtauerfrone wieder hinab.
Unter feinen Füßen tobte das Gefecht, donnerte ber
Mauerbrecher Hildebrands.
Aber ihn Himmerte mehr die rathfelhafte Rube, in
welder der Konig im Hintergrund unbeweglid ftand.
„Was bat er nur vor?"
Da drdhnte von unten ein furdtbar krachender Stok
und Lauter Siegesjubel ver Barbaren: Cethegus braudte
nicht gu fragen: in drei Spriingen war er unten. —
„Das Thor ift eingeſtoßen!“ riefen ihm entfegt die
Ceinigen entgegen.
„Ich weiß es: jest find wir felbft der Riegel Roms.“
Und ven Schild fefter andritdend, trat er bart an den
rechten Thorflügel, in welchem in der That ein breiter
Rip flaffte; und fdon ſtieß ver Widder an die fplitterns
den ‘Platten neben der Oeffnung.
„Noch ein folder Stoß und das Thor liegt ganz,“
fagte Gregor, der Byzantiner.
„Richtig. deßhalb varf es nidjt mehr dazu fommen.
Her gu mir, Gregor und Lucius: ftellt eud), Milites!
vie Speere gefallt! Fadeln und Brande! gum Ausfall!
Winke id), fo öffnet das Thor und werft Widder und
Schirmdach und Alles in ven Graben.”
Du bift ſehr kühn, mein Feldherr!“ rief Lucius
Licinius, entzückt neben ihn fpringend.
„Ja, jetzt hat die Kühnheit Vernunft, mein Freund!”
Sdon war die Golonne geftellt, ſchon wollte der
Prafect vas Schwert jum Zeichen ves Angriffs erbeben,
— va erfdoll vom Riiden her ein Larm, größer ſelbſt
159
als per der ftiirmenden Gothen: Wehegeſchrei und
Pferdegetrappel: — und Beffas drängte fid) heran: er
fate ben Arm des Prafecten: — feine Stimme verfagte.
„Was bemmft du mid in dieſem Augenblick?“ rief
dieſer und ſtieß ihn zurück. —
„Beliſars Truppen,“ ftammelte entfegt der Thraker,
aftehen ſchwer gefdlagen vor dem tiburtinifden Thor —
fie flehen um Einlaß — wilthende Gothen binter ihnen
— Beliſar ift in einen Hinterhalt gefallen — ev ift todt."
‚Beliſar ift gefangen!” fdrie ein Thürmer vom
tiburtinifden Thor, athemlos eran eilend.
„Die Gothen! die Gothen find da! fie ftehn vor
Dem nomentanifden und vor dem tiburtinifden Thor!”
ſcholl's aus der Tiefe der Strafe.
„Beliſars Fahne ift genommen! Profop vertheivigt
feine Leiche!“ |
Laß dad tiburtinifde Thor öffnen, Präfect!“ vrangte
Beffas, deine Bfaurier ftehen plsglid) dort. Wer hat
fie dorthin geſchickt?
„Ich!“ ſagte Cethegus, überlegend.
Sie woll'n nicht öffnen ohne deinen Befehl! rette
doch ſeine — Beliſars! Leiche!“
Cethegus zauderte — er hielt das Schwert halb er⸗
hoben — er ſchwankte.
„Die Leiche, dachte er, rett' id) gern.”
Da flog Syphax heran.
oem! ex lebt nod!" rief er feinem Germ in’s
Obr, ic bab ihn gefeben von ver Rinne: ev regt fid
‘
152.
„Und wer ift ber Reidigeriiftete dort, auf dem Braunen,
mit bem Wolfsrachen auf dem Helm? Er zieht gegen die
Portuenfis.”
„Das ift Herzog Guntharis, der Wölſung,“ fprad
Lucius Licinins.
„Und fieh, aud dritben auf der Oftfeite der Stadt,
über'm Flug, fo weit man ſchauen fann, gegen alle
Thore, ritden Sturmreihen ver Barbaren,” fagte Pifo.
„Aber wo ift der König felbft?" frug Ralliftratos.
„Siehe, dort in der Mitte ragt die gothifde Haupte
fabne: dort halt er, oberhalb des pantratifden Thors,“
antwortete der Prafect. .
„Er allein fteht regungslos mit feiner ſtarken Schar,
weit, wm Ddreihundert Schritt zurück, hinter der Line,”
fprad) Salvius Julianus, der junge Surift.
„Sollte er nidt mit kämpfen?“ frug Maſſurius.
„Wäre gegen feine Weife. |
Aber lak uns vom Thurm auf den Wall hinad:
ras Gefedt beginnt,” ſchloß Cethegus.
„Hildebrand hat den Graben erveidt."
„Dort ftehen meine Byzantiner, unter Gregor.
Die Gothen Schiigen gielen gut. Die Binnen am
pantratifden Thor werden leer.
Wuf, Maffurius, ſchicke meine abasgifden ager
und von den römiſchen Legionaren die beften Pfeilſchützen
dorthin: fie follen anf die Rinder und Roffe ver Sturm:
bide zielen.“
Bald war der Kampf auf allen Geiten entbrannt:
3
153
und mit Verdruß bemertte Cethegus, daß vie Gothen
überall Fortſchritte machten.
Die Byzantiner ſchienen ihren Feldherrn zu vers
miſſen: fle ſchofſen unſicher und widen von den Wallen,
indeB die Gothen heute mit befonderer Todesverachtung
vordrangen.
Schon hatten ſie an mehreren Stellen den Graben
überſchritten und Herzog Guntharis hatte ſogar ſchon
Leitern angelegt an den Wallen bei vem portuenfifden
Chore, wabrend der alte Waffenmeifter einen ftarfen
Widderkopf herangefdleppt und denfelben durch ein
Schirmdach gegen die Feuergefdoffe von oben gefichert
batte. ,
Schon donnerten die erften Stöße laut durch das
Getiimmel des Rampfes gegen die Balken des pantras
tijden hors.
Diefer wobhlbefannte Ton erſchütterte ven Präfecten,
ver eben bier anlangte: ,Offenbar, fagte ev gu fich felbft,
maden fie jegt bittern Ernft, nachdem der Scheinverfud)
fo gut gelungen.”
Und wieder ein dröhnender Stoß.
Gregor, der Byzantiner, ſah ihn fragend an.
was darf nidt lange währen!“ rief Cethegus gitrnend,
entrig dem nadften Schiigen Bogen und Rider und
eilte anf den Mauerkranz an vem Thore:
Dieber, hr Sdhiigen und Schleuderer!
Mir nad!" rief er, „ſchafft ſchwere Steine bei. Wo
ift der nächſte Ballift?
Wo die Scorpionen? das Schirmdach muß entzwei.“
154
Unter dem Schirmdach aber ftanden gothifde Schützen,
vie eifrig durch die Schießſcharten nad ben Baden der
Mauerzinnen lugten.
„Es ift umfonft, Haduſwinth,“ fdalt ver junge
Gunthamund, „zum drittenmal leg’ ich vergeblid an! es
wagt ja Reiner nur die Naſe iiber die Bruſtwehr.“
„Geduld,“ fagte ver Wte, ,balte den Bogen nur ges
fpannt !
Es fommt fdon Ciner, den der Fürwitz plagt.
Wud mir leg’ einen Bogen bereit. Nur Geduld.«
„Die bat man leidter mit deinen fiebsig als mit
meinen zwanzig Jahren.“
Inzwiſchen hatte Cethegus die Wallzinne hier erreicht:
ex warf einen Olid in die Ebne: da ſah er den Konig, ©
in Der weiten Ferne, unbeweglid), im Centrum ftehen dev
gothifden Scharen, auf dem rechten Liberslifer.
Das ftirte und beunrubigte ihn.
„Was hat er vor?
Gollte er gelernt haben, vag der Feldherr nicht
fedjten foll? .
Komm, Gajus,“ rief er dem jungen Schützen zu,
ver thm fithn g:folgt mar, ,deine jungen Augen feben
ſcharf, blic’ nut mir über die Binne hier — was treibt
Der König dort?“
Und er beugte ſich über die Bruſtwehr, Gajus folgte,
eifrig ſpähend, ſeinem Beiſpiel.
„Jetzt, Gunthamund!“ rief Haduſwinth unten.
Zwei Sehnen klangen und die beiden Späher fuhren
zurück.
155
Gajus ftiirzte, in vie Stirn gefdoffen, nieder: und
unter des Prafecten Helmdach zerſplitterte flivrend ein
Pfeil.
Sethegus ftridh mit der Hand über die Stirn.
„Du lebft, mein Feldherr?“ rief Pifo, heranfpringend.
da, Freund. Es war gut gegielt. Wher die Gatter
brauden mid nod: nur die Haunt ift geritzt,“ fprad
Gethegus und ſchob ven Helm zurecht.
Bwilftes Capitel.
Da flog Syphar vie Mauertreppe hinauf.
Streng hatte ihm fein Herr verboten, fid) am Kampf
gu betheiligen: ,die Barbaren follen did) mir nicht tddten
und aud did) nicht erfennen — dit bift unerfeglid als
Slave Matafwinthens und RKundfdafter ves Königs
Witichis, hatte Cethegus gefagt.
„Wehe, wehe,“ ſchrie er fo überlaut, daß es feinem
Herrn auffiel, der des Mauren kluge Ruhe kannte,
„welch' ein Unglück!“
„Was iſt gefdeben 2"
„Conſtantinus iſt ſchwer verwundet. Er wollte einen
Ausfall führen aus dem ſalariſchen Thor und ſtieß ſogleich
auf die gothiſchen Sturmreihen.
Ein Schleuderſtein traf ſein Geſicht.
Mit Muhe rettete man ibn auf ven Wall. Dort
fing ic) den Sinkenden auf — er ernannte den Prafecten
su feinem Vertreter.
Hier ift fein Feldherrnſtab.“
„Das ift nidt möglich!“ ſchrie Beffas, ver anf
Syphax’ Ferfe folgte.
157
Er hatte in Perfon vom Prafecten neue Verftartungen
verfangen wollen nnd fam eben recht, die Nachricht zu hören.
ober er war fdon finnlos als er's that.“
wpatte er dich beftellt, jedesfalls,“ fprad) Gethegus,
ruhig das Scepter ergreifend und bem fdlauen Sflaven
mit einem rafden Wink ves Anges dankend.
Mit einem wiithenden Blide fprang Beffas von der
Briiftung und eilte davon.
„Folg' thm, Syphax, und beacht' ihn wobl," fliifterte
ver Prafect.
Da eilte ein ifaurifder Söldner herbei: ,,Verftartung,
Prhfect, ans portnenfifhe Thor. Herzog Guntharis
hat zahlloſe Leitern angelegt.“
Da fprengte Gabao, der Führer der ‘ maurifden
berittnen Schützen heran: .Conftantinus ift tort.
Pertritt du Conftantinus.”
Oelifar vertret’ id), ſprach Cethegus ſtolz: fiinfs
hundert Armenier ziehet ab vom appifden und ſchickt fie
an's portuenfifde Thor.“ ;
Hülfe, Hülfe an's appiſche Thor! alle Vertheidiger
auf den Zinnen ſind erſchoſſen!“ meldete ein perſiſcher
Reiter, „die Vorſchanze iſt halb verloren: vielleicht iſt
ſie noch zu halten: aber ſchwer!
Aber unmöglich wär's, ſie wieder zu nehmen!“
Cethegus winkte ſeinem jungen Jurisconſulten, Gals
vius Julianus, jetzt ſeinem Kriegstribun:
„Auf, mein Juriſt: »beati possidentes«!
‚„Nimm hundert Legionare und halte vie Schanze um
jeden Preis, bis weitere Hiilfe kommt.“ —
158
Und er fah von ver Dtauerfrone wieder binab.
Unter feinen Figen tobte das Gefecht, vonnerte der
Mauerbrecher Hildebrands.
Aber ihn Himmerte mehr die rathfelhafte Rube, in
welder der Konig im Hintergrund unbeweglid ſtand.
„Was hat er nur vor"
Da dröhnte von unten ein furdthar fracender Stoß
und lauter Siegesjubel der Barbaren: Cethegus braudhte
nicht gu fragen: in drei Spriingen war er unten. —
„Das Thor ift eingeſtoßen!“ riefen ihm entfegt die
Seinigen entgegen.
„Ich weiß es: jegt find wir felbft der Riegel Roms.”
Und ven Schild fefter andritdend, trat er hart an den
rechten Thorfliigel, in welchem in der That ein breiter
Riß flaffte; und ſchon ftieR ver Widder an die fplitterns
den Platten neben der Oeffnung.
„Noch ein folder Stoß und das Thor liegt ganz,“
fagte Gregor, ver Byzantiner.
‚„Richtig. deßhalb darf e8 nicht mehr dazu fommen.
Her zu mir, Gregor und Lucius: ſtellt euch, Milites!
die Speere gefällt! Fackeln und Brände! zum Ausfall!
Winke ich, ſo öffnet das Thor und werft Widder und
Schirmdach und Alles in den Graben.“
„Du biſt ſehr kühn, mein Feldherr!“ rief Lucius
Licinius, entzückt neben ihn ſpringend.
„Ja, jetzt hat die Kühnheit Vernunft, mein Freund!“
Schon war die Colonne geſtellt, ſchon wollte der
Präfect das Schwert zum Zeichen des Angriffs erheben,
— va erſcholl vom Rücken ber ein Lärm, größer ſelbſt
159
als per der ftiirmenden Gothen: Webhegefdret und
Pferdegetrappel: — und Beffas drangte ſich heran: er
fafte den Arm ves Prafecten: — feine Stimme verfagte.
a8 hemmſt du mid in diefem Augenblick?“ rief
dieſer und ſtieß ihn zurück. —
„Beliſars Truppen,“ ftammelte entfegt per Thraker,
.ftehen ſchwer gefdlagen vor dem tiburtinifden Thor —
fie fleben um Einlaß — witthende Gothen hinter ihnen
— Belifar ift in etnen Hinterbhalt gefallen — ev ift tot.”
Bveliſar ift gefangen!" ſchrie ein Thürmer vom
tiburtinifden Thor, athemlos heran eilend.
„Die Gothen! die Gothen ſind da! ſie ſtehn vor
dem nomentaniſchen und vor dem tiburtiniſchen Thor!“
ſcholl's aus der Tiefe der Straße.
„Beliſars Fahne iſt genommen! Prokop vertheidigt
ſeine Leiche!“
ak das tiburtiniſche Thor öffnen, Präfect!“ drängte
Beſſas, deine Iſaurier ſtehen plötzlich dort. Wer hat
ſie dorthin geſchickt?
„Ich!“ ſagte Cethegus, überlegend.
„Sie woll'n nicht öffnen ohne deinen Befehl! rette
doch ſeine — Beliſars! Leiche!“
Ceethegus zauderte — er hielt das Schwert halb ers
hoben — er ſchwankte.
„Die Leiche, dachte er, rett' id) gern."
Da flog Syphar heran.
„Nein! ex lebt nod!“ rief er ſeinem Herrn in's
Ohr, „ich ab ihn geſehen von ver Rinne: er regt ſich
160
nod): aber ev ift gletd gefangen: die gothifden Reiter
braufen heran: — Zotila, Leja, gleich find fie bet thn!"
„Gieb Befehl, laf das tiburtiner Thor öffnen!“
mabnte Beſſas.
Uber veS Prafecten Auge blitzte: fem Wntlig itbers
flog jener Ausdruck ftoljer, kühner Entſchloſſenheit, der
es mit Damonifder Schönheit verflaren fonnte.
Gr fdlug mit dem Schwert an den jertritmmerten
Thorfliigel vor fid:
„Auf, gum Ausfall.
Erſt Rom: dann Beliſar!
Rom und Triumph!“
Das Thor flog auf.
Die ſtürmenden Gothen, ſchon des Sieges ſicher,
hätten Alles eher erwartet als dies Wagniß der, wie ſie
wähnten, ganz verzagten Byzantiner.
Sie waren ohne Fechtordnung um das Thor herum
zerſtreut, wurden völlig überraſcht und durch den Anlauf
ver feſt geſchloſſſen Colonne raſch in den hinter ihnen
klaffenden Graben geworfen.
Der alte Hildebrand wollte ſeinen Widder nicht laſſen.
Sich hoch aufrichtend zerſchmetterte er Gregor, dem
Byzantiner, mit ſeinem Steinhammer den hochgeſchweiften
Helm und das Haupt.
Aber gleichzeitig faſt ſtieß ihn ſelber Lucius Licinius
mit dem Schildſtachel in den Graben.
Cethegus zerhieb mit dem Schwert die Seile der
Maſchine, die krachend auf den Alten ſtürzte.
161
vest Feuer in die Holjmafdinen, die nod) ftehen,”
befahl Gethegus.
Rafd loderten deren Balfen auf in Flammen.
Sogleich kehrten die ſiegreichen Römer zurück in die
Walle.
Da rief Syphax vem PBrafecten entgegen:
„Gewalt, Herr, Aufrubr und Empörung!
Die Byzantiner gehorden div nicht mebr!
Beſſas rief fie auf, das tiburtinifde Thor mit Gewalt
zu öffnen.
Seine Leibwächter drohen, Mareus Licinius anzugreifen
und deine Legionare und Iſaurier zu ſchlachten durch die
Hunnen.“
„Das büßen ſie!“ rief Cethegus grimmig.
‚Wehe Beffas! Ich will's ihm gedenfen! .
Auf, Lucius Licinius, nimm den halben Reft der
Sfaurier !
Nein, nimm fie We! Whe! yu weißt wo fie ftehn:
faſſe die Leibwächter des Thrakers von Porta Claufa ber
im Riiden.
Und ftehn fie nicht ab, — fo hau’ fie nieder,
ohne Sdonung.
Hilf deinem Bruder!
Ich folge gleich!“
Lucius Licinins zauderte.
vind das tiburtiniſche Thor?“
„Bleibt geſchloſſen.“
wind Belifar?
Dabhn, Sin Kampf um Rom. IIT. 11
162
— — —
‚Bleibt draußen.“
„Teja und Totila find ſchon heran.“
„Deſto weniger kann man öffnen.
Erſt Rom: dann Alles Andre.
Gehorche, Tribun!“
Cethegus blieb noch, die Ausflickung des pankratiſchen
Thores anzuordnen.
Das währte ſehr geraume Zeit.
oie ging es, Syphar?“ fragte ev. ‚Lebt er wirk⸗
lich?“ —
„Er lebt nod.” —
„Tölpel, dieſe Gothen!“
Da kam ein Bote von Lucius.
„Dein Tribun läßt melden: Beſſas giebt nicht nach:
— ſchon iſt das Blut deiner Legionare am tiburtiner Thor
gefloſſen.
Und Asgares und deine Iſaurier zögern, einzuhauen.
Sie zweifeln an deinem Ernſt.“
„Ich will ihnen meinen Ernſt zeigen!“ rief Cethegus,
warf ſich auf's Pferd, verließ dieſen Theil der Stadt,
und jagte wie der Sturmwind davon.
Weit war ſein Weg: über die Tiberbrücke des Jani⸗
culum, am Capitol vorbei, über das Forum Romanum,
durch die facra Via und den Bogen des Titus, die
Thermen des Titus rechts laffend, über den Esquilin
hinaus, endlich durch das eSquilinifdhe Thor an dads
tiburtinifde Uufenthor — ein Weg vom auferften Weften
an Den äußerſten Often der wmeitgeftredten Stadt.
163
Hier, inter dem Thore, ftanden dte Leibwächter
von Beffas und Belifar mit gedoppelter Front.
Die eine Schar ſchickte ſich an, die Legionare und
Iſaurier des Prafecten unter Marcus Licinius an der
Thorwache zu überwältigen und das Thor mitt Gewalt gu
öffnen, während die zweite Fronte mit gefallten Speeren
ver Mafje ver andern Sfauriern gegenitber ftand, welde
Lucius vergeblid) gum Angriff befebligte.
„Söldner,“ rief Cethegus, vas ſchnaubende Roß didht
vor deren Linie parirend, ‚„wem habt ihr geſchworen:
mir oder Beliſar?“
„Dir, Herr," fprad Wegares, ein Anfithrer, vor-
tretend, ,aber id) dachte“ —
Da bligte das Schwert des Prafecten und tödtlich
getroffen ftitrgte der Dtann.
„Zu gehorden habt ihr, eidbrüchige Schurken, nidt
qu denfen !"
Entfewt ftanden die Söldner.
Aber Gethegus commandirte rubig :
„Die Speere gefallt! gum Angriff! mir nad!“
Und die Sfaurier gehordten thm und nun, — ein
Augenbli€ nod, und e8 begann tn Yom felbft der
Kampf. .
Aber da erfdoll von Weften, von der Ridtung des
aurelifden Chores, her ein furchtbares, Alles übertäu—
bendes Geſchrei:
„Wehe, Wehe, Wes verloren!
Die Gothen über und!
11*
164
Die Stadt ift genommen!”
Cethegus erbleichte und blidte zurück.
Da ſprengte Kalliſtratos heran, Blut floß ihm Aber
Geſicht und Hals.
„Cethegus,“ rief er, „es ift aus!
Die VBarbaren find in Rom!
Die Mauer ift erftiegen.”
„Wo?“ Fragte der Prafeet tonlos.
„Am Grabmal Hadrians!“
„O mein Feldherr!“ rief Lucius Licinius, „ich habe
dich gewarnt.“ |
Das war Witichis!“ fagte Cethegus, vie Wugen zu—⸗
fammendriidend.
„Woher weikt Du vas!" ftaunte Ralliftratos.
„Genug, id) weiß es.“
Es war etn furchtbarer Ungenblid fiir ven Präfecten.
Gr mufte fid) fagen, dap er, rückſichtslos feinen Blan
jum BVerderben Beltjars verfolgend, eine Spanne eit
Rom itberfehen hatte.
Er biß vie Zähne in die Unterlippe.
»Gethegus hat das Grabmal Hadrian’ entblößt!
Cethegus hat Rom in’s BVerderben geſtürzt!“ rief
Befjas an ver Spibe ver Letbwadper.
Und Cethegus wird es retten!" rief diefer, ſich bod
im Gattel aufricdtend. |
„Mir nad, alle Sfaurier und Legionare.“
„Und Beliſar?“ flitfterte Sypbhar.
‚Laßt ihn beret.
165
Grft Rom: yann Ales Andre!
Golgt mir!“
Und im Sturmflug fprengte er zurück, ves Weges,
ben ev gefommen.
Nur wenige Berittne fonnten ihm folgen: tm Lauf
eilte fein Fußvolk, Sjaurier und Legionare, nad.
164
Die Stadt ift genommen!”
Cethegus erbleidte und blidte zurück.
Da fprengte Kalliftratos heran, Blut flog ihm über
Geſicht und Hals.
.Gethegus ,“ rief er, „es ift aus!
Dte VBarbaren find in Rom!
Die Mauer ift erftiegen.”
„Wo?“ fragte der Prafeet tonlos.
yum Grabmal Hadvians !“
© mein Feloherr!" reef Lucius Licinius, „ich habe
bid) gewarnt.“
Das war Witichis!“ fagte Cethegus, vie Wugen jus
fammendritdend.
„Woher weit Du vas!” ftaunte Ralliftratos.
„Genug, ich weiß es.“
Es war ein furchtbarer Augenblick für den Präfecten.
Er mußte ſich ſagen, daß er, rückſichtslos ſeinen Plan
zum Verderben Beliſars verfolgend, eine Spanne Zeit
Rom überſehen hatte.
Er biß die Zähne in die Unterlippe.
„Cethegus hat das Grabmal Hadrians entblößt!
Cethegus hat Rom in's Verderben geſtürzt!“ rief
Beſſas an der Spitze der Leibwächter.
„Und Cethegus wird es retten!“ rief dieſer, ſich hoch
im Sattel aufrichtend. J
„Mir nad, alle Iſaurier und Legionare.“
„Und Beliſar?“ flüſterte Sypbhar.
„Laßt ibn herein.
165
Grft Rom: dann Ales Andre!
Folgt mir!"
Und im Sturmflug fprengte er zurück, des Weges,
ren ev gefommen.
Nur wenige Berittne fonnten ihm folgen: im Lauf
elte fein Fupoolf, Sfaurier und Legionare, nad.
Dreizehntes Capitel.
Draufen vor dem tiburtinifden Thore ward es zu
gleider Beit filler.
Cin Bote hatte vie gothifden Reiter yon dem itber:
fliiffigen Gefechte abgerufer.
Gie follten hier inne halten und alle verfiigbare
Mannfdhaft um die Stadt und über den Flug eilig an
nas aureliſche Thor fenden, durch weldes man fo eben
in die Stadt gedrungen fet: dort braude man alle
Kräfte.
Die Reiter jagten, rechtsum ſchwenkend, nach jenem
Thor, wo ſich jetzt Alles zuſammendrängte: aber ihr
eignes Fußvolk, ſtürmend an den zwifchen liegenden fünf
Thoren: der Porta clauſa, nomentana, ſalaria, pin⸗
ciana und flaminia, verſperrte ihnen den Weg ſo lange,
daß ſie zu der Entſcheidung zu ſpät kamen, die am
Grabmal des Hadrian gefallen war.
Wir erinnern uns ver Lage dieſes Lieblingsplatzes
des Prajecten: dem vaticanifden Hügel gegenitber, einen
Steinwurf etwa vor dem aurelifden Thor gelegen, mit
viefem durch Seitenmauern verbunden und ftberall, aufer
167
im Gilden, wo der Fluß decken follte, durch neue Walle
geſchützt, ragte die »moles Hadriani«, ein gewaltiger
runder Thurm oon fefteftem Ban. —
Cine Art Hofraum umgab dad eigentlide Gebäude:
wor der erften, äußern Dedungsmaner im Gilden flog
ver Liber.
Unf den Binnen diefer Außenmauer, in dem Hof:
raum und auf ben Rinnen der Innenmauer lagerten
fonft die Sfanrier, welche der Prafect yu übler Stunde
binweggezogen hatte, feinen Plan gegen Belifar durchzu⸗
fegen.
Auf den Rinnen der Innenmauer aber ftanden die
zahlreichen Statuen von Marmor und Erz, deren drittes
Hundert das Geſchenk ves Ralliftratos vervollftindigt
batte.
Der König der Gothen hatte fic für heute in der
Mitte ves großen Halbkreiſes, welchen vie Barbaren aud
um die Weftfeite, auf nem redjten Tiberufer, um die Stadt
gezogen, auf dent Felde Nero's zwiſchen dem pantratifden
‘alten aurelianifden) und dem (neuen) aurelianiſchen
Thor, wo fonft nur Graf Markja von Mediolanum
lagerte, eine weit guritdgenommene, abwartenre Stellung
gewablt.
Gr baute feinen Plan darauf, dak ver allgemeine
Sturm gegen alle Thore nothwendig die Kräfte ver Bes
lagerten werde jerfplittern miiffen: und fowie an irgend
einem Punet durch Hinwegziehung der Vertheidiger eine
Blöße entftehen würde, gedadjte er, fie fofort gu benützen.
168
In diefer Abſicht hielt er unbeweglid) im sweiten
Creffen weit hinter den Sturmcolonnen.
Gr hatte allen Anführern Anftrag gegeben, ihn ſchleunig
herbeizurufen, wo fid) eine Lücke der Vertheidigung zeige
Lange, Tange hatte er fo gewartet.
Mandes Wort der Ungedulp hatte er von feinen
Scharen gu tragen gehabt, welche müſſig ftehen follten,
wabrend die Genoſſen überall im frifden BVordringen
waren: flange, lange harrten fie auf einen Boten, der
fie abriefe zur Theilnahme am Kampf.
Da bemerfte endlid) des Königs fdarfes Auge felbft
guerft, wie bon den Rinnen der Außenmauer am Grab«
mal Hadrians die woblbefannten Feldzeichen und die
dichten Speere der Sfaurier verſchwanden.
Aufmerkſam blickte er hin: ſie wurden nicht abgelöſt,
die Lücken nicht erſetzt.
Da ſprang er aus dem Sattel, gab ſeinem Roſſe
einen Schlag mit der flachen Hand auf den ſtolzen
Bug, ſprach: „Nach Hauſe, Boreas!" und das kluge Thier
lief gerade aus in das Lager zurück.
- ,Sebt, vorwarts meine Gothen! vorwarts, Graf
Marta!" rief der Konig, dort über den Fluß — die
Mauerbreder laßt hier zurück: nur die Sdilde und dite
Sturmleitern nehmt mit. Und die Beile. Boran!“
Und im Rauf erreidte ex den fteilen Uferhang an
ver ſüdlichen Biegung ves Fluffes und eilte den Hiigel
hinab.
„Keine Brücke, König, und keine Furt?“ fragte ein
Gothe hinter ihm.
169
Mein, Freund Iffamer, ſchwimmen!“ und ver König
fprang in die gelbe ſchmutzige Fluth, daß fie ziſchend hod)
über femem Helmbuſch zuſammenſchlug.
In wenigen Minuten hatte er das andere Ufer er⸗
reicht, die vorderſten ſeiner Leute mit ihm.
Bald ſtanden ſie hart vor der hohen Außenmauer
des Grabmals und die Männer blickten fragend, beſorgt
hinauf.
‚Leitern her!" rief Witichis, ,feht ihr nicht? Die
Vertheidiger fehlen ja! Fürchtet ihr euch vor hohen
Steinen 2
Raſch waren vie Leitern angelegt, raſch vie Augen:
walle erftiegen, die wenigen Waden hinabgeſtürzt, die
Leitern nachgezogen und an der Snnenfeite der Augen:
maner in den Hof bhinabgelaffen.
Der Konig war der Erfte in dem Hofraum.
Hier freilid) wurde das Vordringen ver Gothen eine
Weile gehemmt. ;
Dem auf ven Rinnen der Snnenmauer ftanden,
yom pankratiſchen Thore hieher geeilt, Quintus Pifo und
RalliftvatoS mit hundert Legionaren und nur ein Par
Sfauriern: und diefe ſchleuderten einen dichten Hagel von
Speeren und Pfeilen auf die nur vereinzelt in den Hof-
raum hinabfteigenden Gothen: aud) ihre Balliften und
Katapulten wirkten verheerend.
»~Sdidt um Hilfe, um Hülfe zu Cethegus! rief
oben auf der Mauer Pifo.
Und Ralliftratos flog davon.
170
Rechts und links fielen die Gothen unten im Hof
neben Witichis.
„Was thun?“ fragte Markja an feiner Seite.
‚Warten, bis fte fid) verſchoſſen haben," fagte diefer
rubig.
„Es fann nicht lange mehr wabren.
Gie werfen und fdieken viel gu haftig in ihrem
Schrecken.
Seht ihr: ſchon fliegen mehr Steine denn Pfeile.
Und die Speere bleiben aus.“
„Aber die Balliſten, die Katapulten —“
„Werden uns bald nicht mehr ſchaden. Ordnet end
gum Sturm. Seht, der Hagel wird ſehr ſpärlich.
~ Go, nun die Leitern bereit und die Beile. — est,
raf mir nad.“
Und in fdnellem Anlauf rannten die Gothen über
den Hof.
Nur wenige waren dabei gefallen.
Und ſchon ſtanden ſie hart an der zweiten, der
inneren Mauer: und hundert Leitern waren angelegt.
Jetzt aber waren alle Balliſten und Katapulten Piſo's
nutzlos geworden: denn, gum Schuß in die Weite geſpannt,
konnten ſie nichk ohne große Mühe und lange Zeit zu
ſenkrechtem Schuß gerichtet werden.
Piſo bemerkte es wohl und erbleichte.
„Wurfſpeere her! Speere! Speere! oder Alles iſt hin!“
„Alle verſchoſſen,“ keuchte troſtlos neben ihm der
dicke Balbus.
171
Dann iſt's vorbei!" feufgte Pifo, ven rechten Arm
todtmüde fenfend.
~romm, Maſſurius, lag uns fliehn,“ mabnte Balbus.
„Nein, laßt uns bier fterben," rief Pifo.
Und ſchon tauchte ver erfte gothiſche Helm über den
Rand ver Mauer.
Da fdoll eS die Manertreppen von der Stadtfeite
herauf:
Cethegus! Cethegus der Prãfect 1"
Und er war's; rafd fprang er auf die Zinne vor
und hieb bem Gothen, ver eben vie Hand auf vie Brut
webr ſtützte, ſich herauf zu fdwingen, die Hand ſammt
dem Arme ab. — Der Mann ſchrie und ſtürzte.
„O Cethegus,“ ſagte Piſo, „du kommſt zu rechter
Zeit!“
„Ich hoffe es,“ ſprach dieſer und ſtieß die Letter um,
die vor ihm angelegt ſtand.
Witichis war darauf geſtanden — behend ſprang er
hinab.
„Aber jetzt Geſchoſſe ber, Speere, Lanzen. Sonſt
hilft Alles nichts,“ rief Cethegus.
„Kein Geſchoß mehr weit und breit,“ antwortete
Balbus.
„Du kommſt, hofften wir, mit deinen Iſauriern?“
„Die ſind noch weit, weit hinter mir!“ rief Kalliſtratos,
der eben als der erſte nach Cethegus wieder erſchien.
Und auf's neue wuchs die Zahl der Leitern und der
aufſteigenden Helme.
Und es wuchs die dringendſte Gefahr.
172 ,
\
Wild blidte Cethegus um fid.
„Geſchoſſe,“ rief er mit dem Fuge ftampfend, „es
müſſen Geſchoſſe herbei!
Da fiel ſein Auge auf die rieſige Marmorſtatue
Zeus, des Erretters, die zu ſeiner Linken auf der Zinne
ſtand.
Ein Gedanke durchzuckte ihn mit Blitzesſchnelle, er
ſprang hinzu und ſchlug mit einem Handbeil den rechten
Arm der Statue mit ſammt dem Donnerkeil in ihrer
Fauſt herab.
„Zeus,“ rief er, fei mir deinen Blitz! — Was hältſt
du ihn ſo müßig?
Auf! zerſchlagt die Statuen: und ſchleudert ſie den
Feinden auf die Köpfe.“
Und raſcher, als er dies geſagt, ward ſein Beiſpiel
befolgt.
Mit Aexten und Beilen fielen die geängſtigten
Vertheidiger über die Götter und Heroen her und im
Augenblick waren all' die herrlichen Geſtalten zertrümmert.
Es war ein grauſenhafter Anblick: da barſt ein er:
habner Hadrian, eine Reiterſtatue, Roß und Reiter mitten
aus einander: da ſtürzte eine lächelnde Aphrodite in die
Knie: da flog der ſchöne Marmorkopf eines Antinous
vom Rumpfe und ſauſte, von zwei Händen geſchleudert,
auf einen gothiſchen Büffelſchild.
Und weithin ſpritzten, die Zinnen bedeckend, Splitter
und Trümmer von Marmor und Erz, von Bronce und
Gold.
Krachend und dröhnend ſchlugen die gewaltigen Laſten
173
pon Stein und Metall von den Rinnen herab und
zerſchmetterten die Helme und Schilde, die Panzer und
vie Glieder der ftitrmenden Gothen und die Leitern felber,
die fie trugen.
Mit Granen blidte Cethegus auf vas furdtbare
Werk ver Berftdrung, das fein Wort angeridtet.
Aber e8 hatte -gerettet. ,
Bwilf, fünfzehn, zwanzig Leitern ftanden leer von
den hart aufeinander folgenden Männern, die fie tur;
zuvor ameifendicdt beſetzt batten: ebenfoviele lagen gers
broden am Fuk der Mauer: fiberrafdt von diefem un-
erwarteten Erz⸗ und Marmor-Hagel, widen die Gothen
einen Wugenblid.
, Uber gleich wieder rief fle das Horn Markja's gum
Sturm: und wieder fauften die centnerfdweren Laften
hernieder.
„Unſeliger, was haſt du gethan?“ jammerte Kalli⸗
ſtratos und ſtarrte auf die Trümmer.
„Das Nothwendge!“ antwortete Cethegus und ſchleu⸗
derte den Reſt von Zeus dem Erretter über den Wall.
„Siehſt du, wie das traf? — zwei Barbaren auf
Einen Schlag“ — und zufrieden blickte er hinab.
Da hörte er den Korinther rufen:
‚„Nein, nein. Nicht dieſen! Nicht den Apoll!“
Und Cethegus wandte ſich und ſah, wie ein rieſiger
Iſaurier fein Beil gegen das Haupt des Latoniden
ſchwang.
„Narr, ſollen vie Gothen herauf?“ fragte der Barbar
md bolte wieder aus.
174
„Nicht meinen Apollon!" wiederholte ver Hellene und
umfdlang ben Gott ſchützend mit beiden Armen, weit
fic vorbengend.
Das erfah auf der nächſten Leiter Graf Marka: und
glaubend, jener wolle die Statue auf ihn ntederfdlendern,
fam er ihm guvor: fein Wurffpeer flog und traf den
Griechen mitten in die Bruft.
„Ach — Cethegus!“ feufgte er und ftarb.
Der Prafect ſah thn fallen und prefte die Brauen
zuſammen.
„Rettet die Leiche und ſeine beiden Götter verſchont!“
ſprach er kurz — und ſtieß die Leiter um, auf der
Marka geſtanden: mehr konnte er nicht ſagen und nicht
thun: enn ſchon vief ibn eine meue, die drohendſte
Gefahr.
Witichis, von ſeiner Leiter halb herabgeſchleudert, halb
herab geſprungen, war ſeither bart an ver Mauer ges
ftanden unter dem Hagel der Steins und Metalltrümmer
nad neuen Mitteln fpabend.
Denn feit ver erfte Verfud ver Sturmleitern durd
die unverbofften, neuen Gefdoffe, die Götter und Heroen,
abgewiefen war, hoffte er faum nod, den Wall gu gee
gewinnen.
Während er ſann und ſpähte, ſchlug das ſchwere
Marmorfußgeſtell eines Mars gradivus dicht neben ihm
auf die Erde, prallte noch mal empor und traf dabei
an eine Mauerplatte.
Und ſiehe, dieſe Platte, welche ein Quader von här⸗
teſtem Stein geſchienen hatte, zerſprang zerbröckelnd in
175
Meine Stiide von Mörtel und Lehm: und an ihrer Stelle
wurde fidtbar eine ſchmale Holzpforte, welche, von jener
Maffe nur Loder verfleipet und verdedt, den Maurern
unt Werfleuten gum Aysgang und Cingang gedient
hatte, wenn fle an bem grofen Gebaube reparivten und
nachbeſſerten.
Kaum erſah Witichis die Holzthür, als er jubelnd
ausrief:
»Dierher, hierher, ihr Gothen! Beile zur Hand!"
Und ſchon ſchlug ſeine eigne Streitaxt donnernd an
die dünnen Bretter, welche nichts weniger als ſtark
ſchienen.
Verhängnißvoll drang ver neue, ſeltſame Ton an ves
Prafeeten Ohr: er hielt oben inne in der Blutarbeit
und laufdte.
„Das ift Cifen gegen Holy! Bei Gafar!" fagte er
zu ſich felbft und fprang die ſchmale Mauertreppe herab,
die an der Snnenfeite der zweiten Mauer in den ſchwach
durch OelsLampen beleudteten Innenraum des Grabmals
fiibrte.
Da dröhnte ein Schlag lauter als alle fritheren, ein
dumpfes Krachen und belles Splittern folgte und jauchzen⸗
ves Siegesgefdret der Gothen.
Wie Gethegus auf vie legte Stufe ver Treppe fprang,
fiel bie Pforte tradend nad innen in den Hof und
König Witidhis ward fidtbar auf ver Schwelle.
„Mein ift Rom!" jubelte er, vas Beil fallen laſſend
und das Schwert aus der Scheide ziehend.
ou lügſt, Witichis! yum erſten Mal im Leben!"
176
vief Gethegus grimmig und fprang vor, fo gemaltig den
ftarten Sdhildftachel ftoBend gegen des Gothen Bruft,
daß diefer überraſcht einen Schritt zurück trat.
Dieſen Schritt benützte der Präfect und ſtellte fich
ſelbſt auf die Schwelle, die ganze enge Pforte füllend.
„Wo bleiben die Iſaurier!“ rief er.
Aber nur einen Augenblick hatte ihm Witichis Zeit
gelaſſen, bis er ihn erkannte.
„So treffen wir uns doch im Zweikampf um Rom.
Und nun war das Anſpringen an ihm.
Cethegus, bemüht die ganze Oeffnung der Pforte
zu verſchließen, deckte mit dem Schild ſeine Linke; ſein
rechter Arm mit dem kurzen Römerſchwert vermochte nicht
genug, ſeine rechte Seite zu decken.
Der Stoß ves langen Schwertes des ſtarken Gothen
drang, nicht ſtark genug von Cethegus parirt, die
Schuppenringe des Panzers durchſchneidend, nef in feine
rechte Bruft.
Cethegus wantte nad) links: fdon neigte ex fic, gu
fallen: aber er fiel nidt.
rom! Rom!" fagte er tonlos, und frampfhaft
bielt er fid) nod) aufredt.
Witichis war einen Schritt guriidgetreten, um in
neuem UAnfprung dem gefabrliden Feind ven Reſt gu
geben.
Aber in dieſem Wugenbli€ erfannte ihn oben auf der
Rinne Pifo und fdleuderte einen pradtvollen fdlafenden
Gaun, der bereits mit abgehauenen Füßen auf vem Walle
177
fag, auf ren König berab; er traf die Sdulter und
Witichis ſtürzte nieder.
Graf Markja, Iffamer und Aligern trugen ihn aus
dem Gefecht.
Cethegus ſah ihn noch fallen.
Dann brach er ſelbſt auf der Schwelle der Pforte
zuſammen; ſchützende Arme eines Freundes fingen ihn
auf — aber er erkannte dieſen nicht mehr: ſein Bewußt⸗
ſein ſchwand.
Doch weckte ihn gleich wieder ein wohlbekannter Ton,
ver ſeine Seele entzückte: es war die Tuba ſeiner Legio⸗
nare, das Feldgeſchrei ſeiner Iſaurier, welche jetzt endlich
im Sturmſchritt eintrafen und, von den Liciniern geführt,
in dichten Scharen ſich auf die durch den Fall ihres
Koönigs erſchütterten Gothen ſtürzten.
Sie drängten ſie ſiegreich zu einer (einſtweilen von
den eingedrungnen Gothen von Innen hinaus ge⸗
brochnen) Breſche der erſten Mauer unter großem Bluts
vergießen hinaus.
Der Präfect ſah die letzten Barbaren flüchten — da
ſchloſſen fich abermals ſeine Augen.
„Cethegus!“ rief ver Freund, der ibn im Arme
hielt, ,, Belifar im Sterben: und fo bift aud ru verloren?“
Cethegus erfannte jest vie Stimme Profeps.
3G weiß nicht,“ fprad er mit lester raft, ,aber
Rom, — Rom ift gerettet !”
Und damit vergingen ihm die Sinne.
Dabn, Gin Kampf um Rom. III. 12
Vierzehntes Capitel.
Mad ver Anfpannung aller Kräfte gu dem allge⸗
meinen Sturm und feiner Abwehr, der mit dem More
genroth begonnen und bei fintender Gonne erft beendet
war, trat bet Gothen und Römern eine lange Paufe der
Erſchlaffung ein. Die drei Fithrer Belifar, Cethegus
unt Witichis lagen Wodyenlang an ihren Wunbden das
nieder.
Aber noch mehr wurde die thatſächliche Waffenruhe
veranlaßt durch die tiefe Niedergeſchlagenheit und Ent⸗
muthigung, welche das Heer der Germanen befallen
hatte, nachdem der mit höchſter Anſtrengung angeſtrebte
Sieg in dem Augenblick, da er bereits gewonnen ſchien,
ihnen entriſſen wurde.
Sie hatten einen ganzen Tag lang ihr Beſtes gethan :
ihre Helden Hatten an Tapferteit gewetttifert: und dod)
ware beide Plane, der gegen Belifar und der gegen
die Stadt, tm Gelingen felbft nod) gefdeitert.
Und wenn aud König Witichis in feinem ftaten
Muthe vie Gedriidtheit ves Heeres nicht theilte, fo ers
179
fannte er dafür defto Marer, daß er feit jenem blutigen
Lage das ganze Syftem der Belagerung andern mufte.
Der Verluft ver Gothen war ungeheuer; Protop fave
thn auf dreifigtaufend Lode und mehr als ebenfoviele
Verwundete; fie Hatten fid) im gangen Umfreis der Stadt
mit dugerfter Todesverachtung ven Geſchoſſen ver Bes
fagerten ausgeſetzt und am pantratifden Thor und bet
vem Grabmal Hadrians waren fie zu Taufenden gefallen.
Da nun aud in den achtundſechzig fritheren Gee
fedjten die Angretfenden immer viel mehr als die inter
Maner und Thurm gededten Vertheidiger gelitten batten,
fo war das grofe Heer, welches Witidhis vor Monden
gegen die ewige Stadt gefithrt, furdtbar zuſammenge⸗
ſchmolzen. Dazu fam, daß ſchon feit-geraumer Reit
Seuchen und Hunger in ihren Zelten wütheten.
Bei dieſer Entmuthigung und Abnahme ſeiner Trup⸗
pen mußte Witichis den Gedanken, die Stadt mit
Sturm zu nehmen, aufgeben und ſeine letzte Hoffnung
— er verhehlte ſich ihre Schwäche nicht — beſtand in
der Möglichkeit, ver Mangel werde ven Feind zur Ueber⸗
gabe zwingen.
Die Gegend um Rom war völlig ausgeſogen: und
es ſchien nun darauf anzukommen, welche Partei die
Entbehrung länger würde ertragen oder welche ſich aus
der Ferne würde Vorräthe verſchaffen können.
Schwer fehlte den Gothen die an der Küſte von
Dalmatien beſchäftigte Flotte. —
Der Erſte, welcher ſich von ſeiner Wunde erholte,
war der Praject.
12*
\
180
Von ver Pforte, weldhe er mit feinem Leibe vers
ſchloſſen, bewußtlos weggetragen, lag er anderthalb Lage
in einem Buftand ver halb Schlaf, halb Obnmadt war.
Wis er am Abend des zweiten Tages die Augen auf:
ſchlug, traf fein erfter Blid auf den trenen Mauren, der
am Fußende des Lager8 auf ver Erde fauerte und fein
Auge von ihm wandte. Die Sdlange war um feinen
Urm gerollt.
die Holzpforte!“ war des Brafecten erftes, nod
ſchwach gebaudtes Wort, , die Holjpforte mug fort —
erfegt durd Dtarmorquadern —“
„Danke, dante dir, Schlangengott!“ jubelte der
Slave, jest ift der Mann gerettet. Und aud) du felbft.
Und ih, th, Herr, habe dich gerettet.”
Und er warf fich mit gekreuzten Armen nieder und
küßte nas Lagergeftell feines Herrn. — Er wagte nidt,
deffen Füße gu beriihren.
„Du mid) gerettet? — Wodurd 2"
„Als id) did) fo todesbleich auf dieſe Decfen gelegt,
habe id) den Sehlangengott herbeigeholt, did) ihm gezeigt
und gefproden: „Du fiebft, ftarfer Gott, ves Herrn Augen
find gefdloffen.
Hilf, daß ev fie wieder auffdlagt.
Bis du gebolfen, erhalft du fetne Krume Brod und
feinen Zropfen Mild.
Und wenn er die Augen nidt wieder aufſchlägt —
an vem Lage, da fie thn verbrennen, verbrennt Syphar
mit: aber du, o grofer Sdlangengott, deßgleichen.
Du fannft helfen: alfo hilf: over brenne. “
181
Go fprad ich, und er hat gebolfen.“
„Die Stadt ift fidher — dad fühl' toh, fonft hatte th
nicht entfdlafen können. Lebt Beliſar? wo iſt Profop 2”
von der Bibliothek mit deinen Tribunen. Sie er—
warten nad des Arztes Ausſpruch nod) heute dein Er:
wachen oder deinen —“
Lod? Diesmal hat dein Gott noch geholjen, Syphar.
Laß die Tribunen ein.“
Bald ftanden die Licinier, Pifo, Galvius Julianus
und einige Andre vor ihm; fie wollten bemegt an fein
Lager eilen: er winkte ihnen Rube ju.
„Rom dankt eud, durd mid. Ihr habt gefodten
wie — wie Römer. Mehr, Stolzeres fann ich eud
nidt fagen."
Und er itherfah wie nadfinnend die Rethe, dann
fagte er:
wCiner fehlt mir — ah mei Rorinther!
Die Leiche ift gerettet. Denn id) empfahl fie Pifo,
fie und die beiden Letoiden; ſetzt ihm als Denkinal, eme
ſchwarze Blatte von forinthifdem Marmor an die Stelle,
wo er fiel: ftellt die Statue des Upollo über vie Afchen-
urne und fdretbt darauf:
Kalliſtratos von Korinth ift hier fiir Rom geftorben ;
ex bat den Gott, ver Gott nicht ihn gerettet.“
Segt gebt, bald feben wir uns wieder — anf den
Wallen.
Syphax, nun fende mir Profop, Und bring einen
grofen Beder Falernerwein.“
„Freund,“ rief er dem eintretenden Profopius ent:
182
gegen, ,miv ift, ich babe vor diefem Fieberſchlaf nod
fliiftern biven: „Prokop hat den grofen Belifar gerettet.”
Gin unfterblid Verdienſt!
Die ganze Nadwelt wird dir's danken — fo brandy’
ich's nicht zu thun. |
Seve vid) hieher und erzähle mir das Ganze —
Uber halt: erft ſchiebe vie Siffen zurecht, daß ich
meinen Cäſar wieder fehen fann.
Sein Anblick ſtärkt mehr als Argueien.
Nun fprid.“
Profopius fah ven Liegenden durddringend an.
„Cethegus,“ fagte er dann, ernften Tones, ,Belifar
weif} Wes."
wiles?" lächelte ver Prafect, „das ift viel.“
„Laß den Spott und verfage Bewunderung nicht dem
Edelſinn: du, ver du felber edel bift.”
„Ich? Nicht daß ic) wüßte.“
„Sowie er zum Bewußtſein fam, Hat ihm Beſſas
natürlich ſofort Alles mitgetheilt: hat ihm haarklein er⸗
zählt, wie du befohlen, das Thor geſperrt zu halten,
als Beliſar in ſeinem Blute davor lag, den wüthgen
Teja auf den Ferſen: daß du befohlen, ſeine Leibwächter
nieder zu hauen, welche mit Gewalt öffnen wollten:
jedes Wort von dir hat er berichtet, auch deinen Aus⸗
ruf: „Erſt Rom, dann Beliſar“: und hat deinen Kopf
verlangt im Rath der Feldherrn.
Ich erbebte.
Aber Beliſarius ſprach: „er hat recht gethan! hier,
183
Prokop, bring ihm mein eigen Schwert und die ganze
Rüſtung, die ich an jenem Tage trug, zum Dank.“
Und in dem Bericht an den Kaiſer hat er mir die
Worte dictirt: ,Cethegus Hat Rom gerettet und nur
Sethegus !
Shik ihm den Patriciat von Byzanz!“
„Ich danke: id habe Rom nidt flr Byzanz ge
vettet.“
„Das braudft du mir nidt erft gu fagen, unattifder
Romer.“ |
od) bin nicht in attifeher Laune, Lebensretter !
Was war dein Dant 2
„Still. Cr wei nidts davon.
Und foll es nie erfahren.“
Syphax, Wein. —
So viel Edelſinn fann id) nicht vertragen!
Es madt mid) ſchwach.
Nun, wie war der Reiterfpak 2”
„Freund, das war fein Spa.
Gondern der furdtbarfte Ernft, der mir nod) bee
gegnet.
Um em Haar feblte es, fo war Belifar verloren.“
Ja, es ift jenes Gine Gaar, um das es immer
fehlt bet diefen Gothen!
Dumme Tölpel find fie fammt und fonders.“
„Du fpridft, als war’ es dir febr eid, daß Belifar
nicht umgefommen.“
emt mir ihm gefdebn.
Sd) bab ihn dretmal gewarnt.
184
Er follte endlich wiffen, mas einem alten deldherrn
ziemt und was einem jungen Raufbold.“
„Höre,“ ſagte Prokop, ihn ernhaft betrachtend, „du
haſt dir ein Recht erworben, ſo zu ſprechen, vor dem
Grabmal Hadrians.
Früher, wenn du des Mannes Heldenthum herab⸗
zogſt· —
„Dachteſt du, ich ſpräche aus Neid gegen den tapfern
Beliſar!
Hört es, ihr unſterblichen Götter.“
„Ja, zwar deine gepidiſchen Lorbern“ —
„Laß mich mit dieſen Knabenſtreichen zufrieden!
Freund, wenn es gilt, muß man den Tod verachten,
ſonſt aber vorſichtig das Leben lieben.
Denn nur die Lebendigen herrſchen und lachen, nicht
die ſtummen Todten.
Das iſt meine Weisheit, und nenn' es meine Feige
heit, wenn du willft.
Alſo — ener Ueberfall — mach's ac Wie
ging's?“
„Scharf genug.
Als wir die Gegend erkundet hatten — Alles ſchien
frei vom Feind und ſicher zum Futter holen — da wandten
wir die Roſſe allmälig wieder gegen die Stadt, die
wenigen Ziegen und die magern Schafe, die wir aufe
getrieben, in ver Mitte, Belifar voran, ver junge Severi⸗
nus, Sohannes und id an feiner Seite.
Ploglid), wie wir aus dem Dorf ad aras Bacchi
in's Freie fommen, jagen aus den Gehölzen gu beiden
185
Geiten ver valeriſchen Straße von links und redts
gothiſche Reiter auf uns gu.
Sd fah, vag fie und ftarf itberfegen waren und
rieth die Flucht mitten durd fie hindurd auf ver Straße
nad) Roni zu verfuden.
Aber Beliſar meinte: ‚Viele find e8, doch nidt alls
zuviele,“ und fprengte gegen die Ungreifer zur Linfen,
thre Reihen gu durchbrechen.
Dod da famen wir Abel an: die Gothen ritten beffer
und fodten befjer al8 unfre mauretanifden Reiter: und
ihre Führer, Totila und Hildebad — jenen erfannte
id) an den langflatternden gelben Haaren und Ddiefen
an der ungefdladten Größe — hielten ſichtlich ſcharf
auf den Feldherrn felbft. .
„Wo iſt Belifar und fein Muth?“ frie der lange
Hildebad vernehmlich durch das Klirren der Waffen.
‚Hier!“ antwortete Dtefer unverjiiglid): und ebe
wir ihn abhalten konnten, bielt ex ſchon dem Rieſen
gegeniiber. -
Der war nist faul und hieb thm mit feinem wuds
tigen Beil auf den Helm, dak der golone Ramm mit dem
weigen Roßhaar⸗Büſchel zerſchmettert zur Erde rollte
und Belifar’s Haupt bis auf den Kopf des Pferdes niever
fubr.
Und fdon holte jener gum gweiten, dem tödlichen
Streiche aus: da war der junge Severinus, des Bokthius
Sohn, heran und fing den Hieb nut dem runden Schilde
auf.
184
Gr follte endlich wiffen, wads einem alten Feldherrn
giemt und was einem jungen Raufbold.” |
„Höre,“ fagte PBrofop, ihn ernbaft betradtend, du
haft div ein Recht erworben, fo ju fpreden, vor dem
Grabmal Hadrians.
Früher, wenn du des Mannes Heldenthum herab⸗
zogſt· —
„Dachteſt du, ic fprade aus Meid gegen den tapfern
Belifar !
Hort e8, iby unfterbliden Götter.“
» da, zwar Deine gepidifden Lorbern” —
„Laß mid) mit dieſen Knabenſtreichen gufrieden!
Freund, wenn e8 gilt, muß man den Tod veradten,
fonft aber vorficdtig pas Leben lieben.
Denn nur die Lebendigen herrſchen und laden, nicht
die ftummen Todten.
Das iſt meine Weisheit, und nenn’ es meine Feige
heit, wenn du willft.
Alſo — ener Ueberfall — mach's fury! Wie
ging’s 2"
„Scharf genug.
Als wir vie Gegend erfundet hatten — Alles ſchien
{ret vom Feind und fider gum Futter holen — da wandten
wir die Rofje allmalig wieder gegen die Stadt, die
wenigen Biegen und die magern Schafe, die wir auf
getrieben, in der Mitte, Belifar voran, der junge Severi⸗
nus, Sohannes und id) an feiner Seite.
Plsplich, wie wir aus dem Dorf ad aras Bacchi
in’S Freie kommen, jagen aus ven Gehölzen zu beiden
185
Geiten der valeriſchen Straße von linfs und redts
gothifde Reiter auf uns gu.
Sh fah, daß fie uns ftarf überlegen waren und
rieth die Flucht mitten durch fie hindurd auf ver Strage
nad Rom zu verfucen.
Aber Belifar meinte: Viele find es, doch nicht alle
zuviele,“ und fprengte gegen die Angreifer zur Linfen,
ihre Reihen yu durchbrechen.
Doc da famen wir übel an: die Gothen ritten beffer
und fodjten bejjer al8 unfre mauretanifden Reiter: und
ibre ihrer, Totila und Hildebad — jenen erfannte
id) an den langflatternden gelben Haaren und diefen
an der ungefdladten Größe — hielten ſichtlich ſcharf
anf den Feldherrn felbft. .
oo ift Belifar und fein Muth? ſchrie ver lange
Hildebad vernehmlid durch das Klirren der Waffen.
Hier!“ antwortete Ddtefer unverzüglich: und ebe
wir ibn abbalten fonnten, bielt er fdon dem Rieſen
gegeniiber. -
Der war nidt faul und hieb ihm mit feinem wud
tigen Beil auf den Helm, dak der goldne Ramm mit dem
weigen Roßhaar⸗Büſchel zerſchmettert zur Erde rollte
und Beliſar's Haupt bis auf den Kopf des Pferdes nieder
Und ſchon holte jener zum zweiten, dem tödlichen
Streiche aus: da war der junge Severinus, des Boẽthius
Sohn, heran und fing den Hieb mit dem runden Schilde
auf.
186
Aber vas Beil ves Barbaren orang durch ven Schild
und flog nod tief in den Hals des edeln Diinglings.
Er ſtürzte“ —
Prokop ſtockte in ſchmerzlichen Gedanken.
„Todt?“ fragte Cethegus ruhig.
„Ein alter Freigelaſſner ſeines Vaters, der ihn be⸗
gleitete, trug ibn aus vem Gefedt.
Dod) flav er ſchon, fo Hirt’ ich, eh ex das Dorf
erreichte.“
„Ein ſchöner Tod!“ ſagte Cethegus.
„Syphar einen Becher Wein!“
„Beliſar hatte ſich aber inzwiſchen aufgerafft und ſtieß
nun in großem Zorn mit ſeinem Speer dem Gothen ſo
gewaltig auf die Bruſiplatte ſeines Harniſches, daß er der
Länge nach vom Pferde flog.
Laut jubelten wir auf, aber der junge Totila“ —
„Nun?“
„Sah kaum ſeinen Bruder fallen, als er ſich grimmig
durch die Lanzen der Leibwächter Bahn brach zu Beliſar.
Aigan, ſein Bannerträger, wollte ihn decken, aber des
Gothen Schwert traf ſeinen linken Arm: er riß ihm
die Fahne aus der erſchlafften Hand und warf ſie dem
nächſten Gothen zu.
Laut auf ſchrie Beliſar vor Zorn und wandte ſich
gegen ihn: aber der junge Totila iſt raſch wie der Blitz
und zwei ſcharfe Hiebe trafen, eh' er ſich's verſah, des
Feldherrn beide Schultern: der wankte im Sattel und
ſank langſam vom Pferd, das im ſelben Augenblick ein
Wurfſpeer traf und niederwarf.
187
„Gieb vid gefangen, Beliſar!“ rief Totila.
Der Feldherr hatte gerade nod vie Rraft, vas
Haupt verneinend gu fdittteln, da ſank er vollends yur
Erde.
Raſch war ich abgeſprungen, hatte ihn auf mein
eigen Pferd gehoben und der Sorge des Johannes
empfohlen, der fünfzig Leibwächter um ihn ſcharte und
ihn ſchnell aus dem Getümmel flüchtend nach der Stadt
bin brachte.“
Und du?“
„Ich focht zu Fuß weiter.
Und es gelang mir, da jetzt unſre Nachhut eintraf,
— die Vorräthe in der Mitte hatten wir preisgegeben —
das Gefecht gegen Totila zu ſtellen.
Aber nicht auf lange.
Denn nun war auch die zweite Schar der gothiſchen
Reiter heran; wie der Sturmwind ſauſte der ſchwarze
Teja herzu, durchbrach unſern rechten Flügel, der ihm
zunächſt ſtand, von vorn, durchbrach dann meine eigne
gegen Totila gerichtete Front von der Flanke und jer:
fprengte unfern ganjen Schlachthaufen.
Ich gab vas Gefedht verloren, ergriff ein ledig Roß
und eilte dem Feldherrn nad.
Aber aud Leja hatte die Richtung von deſſen Flucht
erfannt und jagte uné wilthend nad.
An ver fulviſchen Britde holte er die Bedeckung ein;
Sohannes und id) Hatten mehr als vie Halfte der nod
übrigen Leibwadter an rer Briide anfgeftellt, ren Ueber:
188
gang zu webren, unter Principins, dem tapfern Pifidier,
und Zarmuth, dem riefigen Bfauvier.
Dort fielen fie Wie dreißig, gulegt ancy die betden
treuen Führer, von dem Schwerte des Teja allein,
wie id) vernabm.
Dort fiel vie Blithe von Beliſars Letbwadhtern :
Darunter viele meiner nächſten Waffenfreunde, Alamun⸗
Darus der Garacene, Artafines der Perfer, Banter der
Armenier, Longinus der Sfaurier, Buda und Chorſaman⸗
tes vie Maffageten, Kutila ver Thrafier, Hildeger der
Vanrale, Buphrut der Maure, Theodoritos und Geors
gios die Kappadokier.
Aber ihr Lod erfanfte unfre Rettung.
Wir holten bhinter ver Brite unfer bier zurückge⸗
laſſnes Fußvolk ein, weldes dann nod die feindliden
Reiter fo lang befdaftigte, bis vas tiburtinifde Chor
fich, fpat genug, dem wunden Feldherrn sffnete.
Dann eilt’ ih, als wir ihn auf einer Sänfte Anto-
ninens Pflege jugefandt, an vas Grabmal Hadrians,
wo, wie es hieß, die Stadt genommen fet und fand
did) Dem Lode nah."
„Und was bat jest Belifar beſchloſſen?“ .
„Seine Wunden find nidht fo ſchwer wie die Demme
und dod) die Heilung langfamer.
Sr hat den Gothen den Waffenftillftand gewährt,
den fie verlangten, ihre vielen Todten gu bejtatien.“
Gethegus fubr auf von den Rifjen.
„Er hatte ihn verweigern follen!
Reine unnilge Verzögerung ver Entſcheidung mehr!
189
id kenne diefe gothiſchen Stiere; nun haben fie fic die
Hörner ftumpf geftiirmt: jest find fie mito und miirbe.
Segt fam die Beit für einen letzten Schlag, ven ih
ſchon lang erfonnen.
Die Hike draußen in der glühenden Ebne werden
ihre grofen Leiber ſchlecht ertragen: ſchlechter den Hunger:
am {dlecdteften den Durſt. —
Denn ver Germane mui faufen, wenn er nidit
ſchnarcht oder pritgelt.
Nun braudt maw nur ibren vorfidtigen Kinig nod
ein wenig einzuſchüchtern.
Gage Velifar meinen Grug: und mein Dank fiir
fen Schwert fet mein Rath:
Gr folle nod heute den gefitrdteten Johannes mit
adt Tauſend Mann vurd das Picenum gegen Ravenna
ſchicken: die flaminiſche Straße ift fret und wird wenig
gededt fein: denn Witichis hat vie Beſatzungen aller
Heftungen hierher gezogen: und leichter gewinnen wir jest
Ravenna, als vie Barbaren Rom.
So wie aber der König Ravenna, feinen aller legten
Hort, bedroht fieht, wird er eilen, ibn um jeden Preis
zu retten.
Gr wird fein Heer hinwegziehen von dieſen unein-
nehmbaren Mauern und wieder ver Verfolgte ftatt ved
BVerfolgers fein."
Sethegus,” ſprach Brofop auffpringend, ,,ou bift ein
großer Feldher.“
‚„Nur nebenbei, Prokopius! geh jetzt und grüße mir
den großen Sieger Beliſar.“
Fünfzehntes Capitel.
Wr vem lewten Tage des Waffenſtillſtands tonnte
Cethegus bereits wieder auf den Wallen des Grabmals
Hadrians erfdeinen, wo ihn feine Legionare und Bfaus
rier mit fautem Zuruf begrüßten.
Gein erfter Gang war zu dem Grabmal des Kalli⸗
ftrato8; er legte auf die ſchwarze Dtarmorplatte einer
Kranz von Lorbern und von Rofen nieder.
Während er von hier aus die Verſtärkung ver Be⸗
feftigungen anordnete, bradte ihm Syphar ein Schreiben
pon Matafwintha.
Es fautete lakoniſch genug:
„Mach' bald ein Ende.
Nicht langer fann ich dew Bammer anfebn.
Die Veftattung von vierzig Tauſend Mannern meines
Volks hat mir die Bruft zerriſſen.
Die Klagelieder fchienen alle mid anzuklagen.
Währt das nod langer, fo erlieg id).
Der Hunger witthet furdthar tn dem Lager.
Shre letzte Hoffnung ift eine groge Zufuhr von
Getreide und Vieh, die aus Siidgallien unter Segel ift.
191
Wn den nächſten Galenden wird fle auf der Hobe
bon Portus ertwartet.
Hanvle vanad — aber mac’ rafd ein Ende.“
„Triumph,“ fprad ver Brafect, die Belagerung
ift aus.
Unfre Heine Flotte lag bisher faft mitgig gu Popu-
fonium.
Sept foll fle Arbeit finden.
Diefe Ninigin ift vie Erinys ver Barbaren."
Und er ging felbft gu Belifar, ver ihn mit edler
Großheit empfing. —
In verfelben Nacht, der legten ver Waffenrube,
30g Johannes gum pincianifden Chore hinaus, dann
links nad der flaminifden Strage ſchwenkend. Ravenna
war fein Biel.
Und eilende Boten flogen gur Gee mit rafden
Segeln nad Populonium, wo fid) ein kleines römiſches
Gefdwader gefammelt hatte.
Der Kampf um die Stadt rubte, troy Wblauf ves
Waffenftillftands , faft gang.
Eine Woche darauf etwa, machte ver König, der
fein Schmerzenslager gum erften Mal verließ, in Be-
gleitung feiner Freunde ven erften Gang durd die
Zelte.
Drei von den ſieben vormals menſchenwimmelnden
Lagern waren völlig verödet und aufgegeben: auch die
übrigen vier waren nur noch ſpärlich bevölkert.
Todmüde, ohne Klage, aber aud) ohne Hoffnung.
Fünfzehntes Capitel.
Wn vem legten Tage des Waffenftillftands tonnte
Cethegus bereits wieder auf den Wallen des Grabmals
Hadrians erfdeinen, wo ihn feine Legionare und Iſau⸗
rier mit [autem Zuruf begrüßten.
Gein erfter Gang war zu vem Grabmal des Malis
ftrato8; er legte auf die ſchwarze Dtarmorplatte einen
Kranz von Lorbern und von Rofen nieder. -
Während er von hier aus die Verſtärkung ver Bes
feftigungen anordnete, bradjte ihm Syphar ein Schreiben
von Matafwintha.
Es lautete lakoniſch genug:
„Mach' bald ein Ende.
Nicht länger kann ich den Jammer anſehn.
Die Beſtattung von vierzig Tauſend Männern meines
Volks hat mir die Bruſt zerriſſen.
Die Klagelieder ſchienen alle mich anzuklagen.
Währt das noch länger, ſo erlieg ich.
Der Hunger wüthet furchtbar in dem Lager.
Ihre letzte Hoffnung iſt eine große Zufuhr von
Getreide und Vieh, die aus Südgallien unter Segel iſt.
191
An den nadften Calenden wird fie auf der Hobe
von Portus erwartet.
Hanvle danach — aber mad’ rafd ein Ende.“
„Triumph,“ fprad) der Präfect, die Belagerung
ift and.
Unfre Heine Flotte lag bisher faſt müßig gu Popu-
fontum.
Sept foll fle Arbeit finden.
Diefe Ninigin ift die Erinys ver Barbaren.”
Und er ging felbft gu Belifar, ver ihn mit edler
Großheit empfing. —
In derſelben Nacht, der letzten der Waffenruhe,
zog Johannes zum pincianiſchen Thore hinaus, dann
(ints nad der flaminiſchen Straße ſchwenkend. Ravenna
war fein Riel.
Und eilende Boten flogen zur Gee mit rafden
Segeln nad Populonium, wo fic ein kleines römiſches
Gefdwader gefammelt hatte.
Der Kampf um die Stadt rubte, troy Ablauf ves
Waffenftillftands , faft ganz.
Cine Wode darauf etwa, madte ver König, der
fein Scdmerjenslager gum erften Mal verließ, in Be-
gleitung feiner Freunde den erften Gang durd die
Relte.
Dret von den fieben vormals menfdenwimmelnden
Lagern waren völlig verddet und aufgegeben: aud die
fibrigen vier waren nur nod) ſpärlich bevölkert.
Todmüde, ohne Klage, aber aud) ohne Hoffnung.
192
lagen die abgemagerten Geftalten, von Hunger and
Fieber verzehrt, vor ihren Belten.
Rein Buruf, tein Gruß erfreute den wadern König auf
feinem fchmerzensreiden Gang: kaum daß fie vie müden
Augen auffdlugen bet dem Schall der nahenden Schritte.
Aus dem Innern der Belte drang das laute Stdhnen
ber Kranten, ver Sterbenden, die den Wunden, dem
Mangel, den Seuden erlagen.
Raum fand man die hinlanglide Bahl von Gefunden,
die nöthigſten Poſten gu begiehen.
Die Wachen fdleppten vie Speere hinter ſich ber,
gu matt, fie aufredt oder auf ver Schulter gu tragen.
Die Heerfithrer famen an die Schanjen wor dem
aurelifden Chor; im Wallgraben lag ein junger Schütz
und faute an dem bittern Gras.
Hildebad rief ihm ju: ,Beim Hammer! Gunthas
mund, was ift bas? deine Sebne ift ja gefprungen, was
ziehſt du keine andre auf?"
„Kann nidt, Herr! vie Sehne fprang geftern bet
meinem legten Schuß.
Und id) und die drei Burfde neben mir, wir haben
pie Kraft nidt, eine neue aufzuziehen.“
Hildebad gab ihm einen Trunk aus feiner Kürbis⸗
Flaſche: ,baft du auf einen Römer gefdofjen 2"
„O nein, Herr," fagte der Mann, eine Ratte nagte
port an dev Leidhe.
Ich traf fie glücklich und wir theilten fie gu viert."
„Iffaſwinth, wo ift dein Obeim Iffamer?“ fragte der
König.
193
Todt, Herr.
Gr fiel binter dir, als er did) hinweg trug.
Vor dem verfiludten Marmorgrab.“
Und dein Vater Sffamuth 2
Auch todt.
Er vertrug’s nidt mehr, das giftige Wafer aus den
Pfiigen. .
Der Durſt, Konig, brennt nocd heifer als der Hunger.
Und es will ja nicht regnen aus diefem bleiernen
Simmel.”
„Ihr feid Alle aus dem Athefis-Chal 2”
Sa, Herr Rinig, vom ffinger- Berg. O welsh
{Sftlid) Quell⸗Waſſer dort daheim!“
Teja fah in einiger Entfernung einen andern Krieger
aus feiner Sturmbaube trinfen.
Seine Riige verfinfterten fic nod) mehr.
woe Du, Arulf!“ vief ex ihm gu, „du ſcheinſt nicht
Durſt gu leiden?"
„Nein, id trinfe oft,“ fprad der Mann.
Was trinkſt du
„Das Blut von den Wunden der Friſchgefallnen.
Anfangs ekelt's ſehr: aber man gewöhnt's in der
Berzweiflung.“
Schaudernd ſchritt Witichis weiter.
Schick all’ meinen Wein in's Lager, Hildebad.“
wie Wadden follen ihn theilen.“
oA’ deinen Wein?
D Konig, mein Schenkamt ift gar leicht geworden.
Du haft nod anderthalb Rriige.
Dabhn, Cin Kampf um Rom. LI. 13
194
Und Hildebrand, dein Arzt, ſprach, du follft dich
ſtärken.“
„Und wer ſtärkt dieſe, Hildebad?
Die Noth macht ſie zu wilden Thieren!“
„Komm mit nach Hauſe, mahnte Totila, des Königs
Mantel ergreifend.
Hier iſt nicht gut ſein.“
Sm Belt des Koönigs angelangt, ſetzten ſich bie Freunde
ſchweigend um den ſchönen Marmortiſch, der auf goldnen
Gefäßen ſteinhartes verſchimmeltes Brod aufwies und
wenige Stücke Fleiſch.
„Es war das letzte Pferd aus den königlichen Ställen,
ſagte Hildebad, — bid auf Boreas.“
„Voreas wird nicht geſchlachtet! — mein Weib, mein
Kind ſind auf ſeinem Rücken geſeſſen.“
Und er ſtützte das müde Haupt anf vie beiden Hände:
eine neue ſchwere Pauſe trat ein.
„Freunde, hob er endlich an, das geht nicht länger
alſo.
Unſer Volk verdirbt vor dieſen Mauern.
Mein Entſchluß iſt ſchwer und ſchmerzlich gereift —“
„Sprich's noch nicht aus, o König!“ rief Hildebad.
In wenig Tagen trifft Graf Odoſwinth von Cremona
ein mit der Flotte: und wir ſchwelgen in allem Guten.“
„Er iſt noch nicht da!“ ſprach Teja.
„Und unſer Verluſt an Menſchen, ſo ſchwer er
iſt,“ ermuthigte Totila, wird er nicht durch friſche
Mannſchaft erſetzt, wenn Graf Ulithis von Urbinum
eintrifft, mit den Beſatzungen, die der König ans ben
195
BVeften von Ravenna bis Rom weggesogen Hat, unfre
leeren Zelte zu füllen?
Aud Ulithis iſt noch nicht da, ſprach Teja.
Er ſoll noch in Picenum ſtehen.
Und kommt er glücklich an, ſo wird der Mangel im
Lager noch größer.“
„Doch auch die Römerſtadt muß faſten! meinte
Hildebad, das harte Brod mit der Fauſt auf vem Stein⸗
tiſch zerſchlagend.
Laß ſehn, wer's länger aushält!“
„Oft bab’ ich's überdacht in ſchweren Tagen und
ſchlummerloſen Nächten, fuhr der König langſam fort.
Warum? warum das Alles ſo kommen mußte?
Nach beſtem Gewiſſen hab' ich immer wieder Recht
und Unrecht abgewogen, zwiſchen unſern Feinden und
uns: und ich kann's nicht anders finden, als daß Recht
und Treue auf unſrer Seite ſtehen.
Und wahrlich, an Kraft und Muth haben wir's
nicht fehlen laſſen.“
„Du am Wenigſten,“ ſagte Totila.
allnd an keinem ſchwerſten Opfer!“ ſeufzte der König.
Und wenn nun doch, wie wir Alle ſagen, ein Gott
im Himmel waltet, gerecht und gut und allgewaltig,
warum [aft er all’ dies ungeheure, unverdiente Elend zu?
Warum müſſen wir erliegen vor Byzanz?“
Wir dürfen aber nicht erliegen,“ ſchrie Hildebad.
„Ich habe nie viel gegrübelt über unſern Herrgott.
Aber wenn er das geſchehen ließe, müßte man Sturm
13*
188
gang zu webren, unter Principins, dem tapfern Pifidier,
und Tarmuth, dem riefigen Sfaurier.
Dort fielen fie Wie dreißig, zuletzt auc) die beiden
treuen Führer, won dem Schwerte des Teja allein,
wie id vernabm.
Dort fiel die Blithe von Beliſars Lethmachtern :
darunter viele meiner nadften Waffenfreunde, Wlamune
darus der Garacene, Artafines der Perfer, Ranter der
Armenier, Longinus der Sfaurier, Buda und Chorfamans
tes vie Maffageten, Kutila ver Thralier, Hildeger der
Vanrale, Juphrut der Maure, Cheodoritos und Geors
gios die Rappadofier.
Aber ihr Lod erfaufte unfre Rettung.
Wir holten hinter der Brücke unfer bier zurückge⸗
faffnes Fußvolk ein, weldes dann nod die feindlicden
Reiter fo lang befdaftigte, bis das tiburtinifde Thor
fic, fpat genug, dem wunden Feldherrn sffnete.
Dann eilt’ ih, als wir ihn auf einer Sänfte Anto⸗
ninens Bflege gugefandt, an vas Grabmal Habdrians,
wo, wie es hieß, die Stadt genommen fet und fand
did) bem Lode nah.”
„Und was hat jest Belifar beſchloſſen?“
„Seine Wunden find nidt fo fdwer wie die Deine
und dod die Heilung langſamer.
Sr bat den Gothen den Waffenftillftand gewährt,
den fie verlangten, thre vielen Todten gu bejtatien.“
Gethegus fubr auf von den Kiſſen.
„Er hatte thn vermeigern follen!
Keine unniige Verzögerung der Entſcheidung mehr!
189
id kenne diefe gothifden Stiere; nun haben fle fic die
Horner ftumpf geftitrmt: jest find fie mito und miirbe.
Jetzt fam die Reit far einen legten Schlag, ven ih
ſchon fang erfonnen.
Die Hike draußen in der glithenden Ebne werden
ihre grofen Leiber ſchlecht ertragen: ſchlechter den Hunger:
am ſchlechteſten den Durft. —
Denn ver Germane mug faufen, wenn er nidt
ſchnarcht oder pritgelt.
Nun braudht man nur ihren vorfidtigen Kinig nod)
ein wenig einzuſchüchtern.
Sage Beliſar meinen Grug: und mein Dank fiir
fein Schwert fet mein Rath:
Er folle nod heute ven gefitrdjteten Sohannes mit
adt Taufend Mann vurd das Picenum gegen Ravenna
ſchicken: die flaminiſche Strafe ift frei und wird wenig
gededt fein: denn Witichis hat die Befagungen aller
Seftungen hierher gezogen: und leidhter gewinnen wir jest
Ravenna, als vie Barbaren Rom.
So wie aber der Kinig Ravenna, feinen aller letzten
Hort, bedroht fieht, wird er eilen, ihn um jeden Preis
zu retten.
Gr wird fein Heer hinwegziehen von diefen unein:
nehmbaren Mauern und wieder ver Verfolgte ftatt ved
Berfolgers fein."
„Cethegus,“ fprad Profop auffpringend, .duw bift ein
großer Feldher.“
„Nur nebenbei, Prokopius! geh jetzt und grüße mir
den großen Sieger Beliſar.“
Fünfjzehntes Capitel.
Wn vem legten Tage des Woaffenftillftands fonnte
Cethegus bereits wieder auf den Wallen des Grabmals
Hadrians erfdeinen, wo ihn feine Legionare und Iſau⸗
rier mit lautem Zuruf begriiften.
Sein erfter Gang war zu dem Grabmal ves Ralli-
ftrato8; er fegte auf die ſchwarze Dtarmorplatte einen
Kranz von Lorbern und von Rofen nieder. ;
Wahrend er von hier aus die Verſtärkung ver Bee
feftigungen anorbdnete, bradte ihm Syphar ein Schreiben
von Matafwintha.
Es fautete lafonifd genug:
„Mach' bald ein Ende.
Nicht (anger fann ich den Jammer anfebn.
Die Beftattung von vierzig Taufend Männern meines
Volks hat miv die Bruft zerriſſen.
Die Klagelieder ſchienen alle mid anzuklagen.
Währt das nod) linger, fo erlieg id.
Der Hunger wiithet furdtbar in dem Lager.
Shre legte Hoffnung ift eine große Bufubr von
Getreide und Vieh, vie aus Südgallien unter Segel ift.
191
An ven nächſten Galenden wird fle auf ver Hobe
pon Portus erwartet.
Hanvle vanad — aber mad’ rafd ein Ende.”
„Triumph,“ fprad ver Prafect, die Belagerung
ift ans.
Unfre Heine Flotte lag bisher faſt müßig yu Popu-
fonium. ,
Sept foll fle Arbeit finden.
Diefe Königin ift die Erinys der Barbaren."
Und er ging felbft gu Beliſar, ver ibn mit edler
Grogbeit empfing. —
In derfelben Nacht, ver flegten der Waffenrube,
30g Sohannes gum pincianifden Thore hinaus, dann
links nad der flaminifden Strafe ſchwenkend. Ravenna
war fein Riel.
Und eilende Boten flogen gur Gee mit rafden
Gegeln nad Populonium, wo fic ein kleines römiſches
Geſchwader gefammelt hatte.
Der Kampf um die Stadt rubte, troy Wblauf ves
Waffenftillftands , faft ganz.
Cine Wore darauf etwa, madte ver König, der
fein Schmergzenslager gum erften Mal verlieg, in Be-
gleitung feiner Freunde den erften Gang durd die
Zelte.
Drei von den ſieben vormals menſchenwimmelnden
Lagern waren völlig verödet und aufgegeben: auch die
übrigen vier waren nur noch ſpärlich bevölkert.
Todmüde, ohne Klage, aber auch ohne Hoffnung.
192
{agen dte abgemagerten Geftalten, von Hunger und
Fieber vergzehrt, vor ihren Relten.
Rein Buruf, tein Gruß erfreute den wadern Konig auf
feinem fdmerzensreiden Gang: faum dah fie die mitden
Augen auffdlugen bet dem Schall ver nahenden Sehritte.
Aus dem Innern der Belte drang das lante Stdhnen
ver Kranken, der Sterbenden, die den Wunden, dem
Mangel, ven Senden erlagen.
Kaum fand man die hinlanglidhe Zahl von Gefunden,
bie ndthigften Poften gu beziehen.
Die Wachen ſchleppten vie Speere hinter ſich ber,
gu matt, fie aufredt oder auf der Schulter gu tragen.
Die Heerfiihrer famen an die Schanzen voor dent
aurelifden Thor; im Wallgraben lag ein junger Schütz
und faute an dem bittern Gras.
Hildebad rief ihm yu: ,Beim Hammer! Gunthas
mund, was ift das? deine Sehne ift ja gefprungen, was
ziehſt du keine andre auf?"
„Kann nicht, Herr! die Sehne ſprang geſtern bei
meinem letzten Schuß.
Und ich und die drei Burſche neben mir, wir haben
die Kraft nicht, eine neue aufzuziehen.“
Hildebad gab ihm einen Trunk aus ſeiner Kürbis⸗
Flaſche: „haſt du auf einen Römer geſchoſſen?“
„O nein, Herr," ſagte ver Mann, eine Ratte nagte
port an der Leidhe.
Ich traf fie glitdlid) und wir theilten fie zu viert.”
„Iffaſwinth, wo tft dein Obeim Iffamer?“ fragte der
König.
193
Todt, Herr.
Gr fiel hinter dir, als er dich hinweg trug.
Vor vem verfludten Marmorgrab.“
„Und dein Vater Bffamuth 2"
Auch todt.
Gr vertrug’s nicht mehr, dad giftige Waffer aus den
Pfigen. .
Der Durſt, Konig, brennt nod heifer als ner Hunger.
Und es will ja nicht regnen aus diefem bleiernen
Himmel.”
voor feid We aus dem Athefis-Dhal
Sa, Herr Konig, vom Sffinger- Berg. O weldh
köſtlich Quell⸗Waſſer dort daheim!“
Teja ſah in einiger Entfernung einen andern Krieger
aus ſeiner Sturmhaube trinken.
Seine Züge verfinſterten ſich noch mehr.
„He du, Arulf!“ rief er ihm zu, „du ſcheinſt nicht
Durſt zu leiden?“
„Nein, ich trinke oft," ſprach der Mann.
„Was trinkſt du?“
„Das Blut von den Wunden der Friſchgefallnen.
Anfangs ekelt's ſehr: aber man gewöhnt's in der
Verzweiflung.“
Schaudernd ſchritt Witichis weiter.
„Schick all’ meinen Wein in's Lager, Hildebad.“
„Die Waden follen ihn theilen.”
oA deinen Wein?
D Konig, mein Sdhentamt ift gar leidt geworden.
Du haft nod) anderthalb Rriige.
Dahn, Gin Kampf um Rom. LI. 13
194
Und Hildebrand, dein Arzt, fprad), du follft dich
ftarfen.“
„Und wer ftirft diefe, Hildebad?
Die Noth macht fie gu wilben Thieren!“
„Komm mit nad Haufe, mabhnte Totila, ves Königs
Mantel ergreifend.
Hier ift nidjt gut fein."
Sim Belt des Königs angelangt, fegten fid bie Freunde
fdweigend um den ſchönen Marmortifd, der auf goldnen
Gefäßen fteinhartes verfdhimmeltes Brod aufwies und
wenige Stiide Fleifd.
„Es war das legte Pferd ans ven königlichen Ställen,
fagte Hildebad, — bis auf Boreas.”
„Boreas wird nidt geſchlachtet! — mein Weib, mein
Kind find auf ſeinem Rücken geſeſſen.“
Und er ſtützte das müde Haupt auf die beiden Hände:
eine neue ſchwere Pauſe trat ein.
„Freunde, hob er endlich an, das geht nicht länger
alſo.
Unſer Volk verdirbt vor dieſen Mauern.
Mein Entſchluß iſt ſchwer und ſchmerzlich gereift —*
„Sprich's noch nicht aus, o König!“ rief Hildebad.
In wenig Tagen trifft Graf Odoſwinth von Cremona
ein mit der Flotte: und wir ſchwelgen in allem Guten.“
„Er ift nod nidt da!" ſprach Teja.
„Und unfer BVerluft an Menfden, fo ſchwer er
ift,” ermuthigte Zotila, ,wird er nidt durch frifde
Mannfdaft erfest, wenn Graf Ulithis von Urbinum
eintrifft, mit ven Befagungen, die der Konig ans den
195
BVeften von Ravenna bis Rom weggezogen hat, unfre
feeren Zelte zu füllen?
„Auch Ulithis iſt nod) nicht da, ſprach Teja.
Er ſoll noch in Picenum ſtehen.
Und kommt er glücklich an, ſo wird der Mangel im
Lager noch größer.“
„Doch auch die Römerſtadt muß faſten! meinte
Hildebad, das harte Brod mit der Fauſt auf dem Stein⸗
tiſch zerſchlagend.
Laß ſehn, wer's länger aushält!“
„Oft bab’ ich's überdacht in ſchweren Tagen und
ſchlummerloſen Nächten, fuhr der König langſam fort.
Warum? warum das Alles ſo kommen mußte?
Nach beſtem Gewiſſen hab' ich immer wieder Recht
und Unrecht abgewogen, zwiſchen unſern Feinden und
uns: und ich kann's nicht anders finden, als daß Recht
und Treue auf unſrer Seite ſtehen.
Und wahrlich, an Kraft und Muth haben wir's
nicht fehlen laſſen.“
„Du am Wenigſten,“ ſagte Totila.
„Und an keinem ſchwerſten Opfer!“ ſeufzte der König.
Und wenn nun doch, wie wir Alle ſagen, ein Gott
im Himmel waltet, gerecht und gut und allgewaltig,
warum läßt er all’ dies ungeheure, unverdiente Clend gu?
Warum müſſen wir erliegen vor Byzanz?“
„Wir dürfen aber nicht erliegen ,” ſchrie Hildebad.
„Ich habe nie viel gegrübelt ither unfern Herrgott.
Aber wenn ex das gefdeben ließe, müßte man Sturm
13*
188
gang zu webren, unter Principius, dem tapfern Pifidier,
und Larmuth, dem riefigen Sfauvier.
Dort fielen fie We dreißig, zuletzt aud) die beiden
treuen Führer, von dem Schwerte des Teja allen,
wie td) vernahm.
Dort fiel vie Blüthe von Belifars Leibwächtern:
darunter viele meiner nadften Waffenfreunde, Wlamuns
Darus der Saracene, Wrtafines ver Perfer, Banter der
Armenier, Longinus der Sfaurier, Buda und Chorfamans
tes die Maffageten, Kutila ver Thratier, Hilveger der
Vanrale, Juphrut ver Maure, Theodoritos und Geor⸗
gios die Rappadofier.
Aber thy Lov erfaufte unfre Rettung.
Wir holten hinter der Britde unfer hier zurückge⸗
laffnes Fußvolk ein, weldes dann nod die fembdliden
Reiter fo lang befdaftigte, bis das tiburtinifde Thor
fic, fpat genug, dem wunden Feldherrn sffnete.
Dann eilt’ id, alS wir ihn auf einer Sänfte Anto-
ninens Pflege gugefandt, an vas Grabmal Hadrians,
wo, wie es hie, die Stadt genommen fet und fand
bid) dem Lode nab."
„Und was hat jest Belifar beſchloſſen?“ ,
„Seine Wunden find nidjt fo ſchwer wie die Deine
und dod die Heilung langſamer.
Sr hat ven Gothen den Woaffenftillftand gewährt,
Den fie verlangten, thre vielen Todten gu bejtatien.“
Gethegus fubr auf von den Siffen.
„Er hatte ibn verweigern follen!
Keine unniige Verzögerung der Entideidung mehr!
189
id fenne diefe gothifden Stiere; nun haben fie fic die
Horner ftumpf geftitrmt: jest find fie mito und miirbe.
Jetzt fam die Beit für einen legten Schlag, ven id
ſchon Tang erfonnen.
Die Hike draufen im ver glihenden Ebne werden
ihre grofen Leiber ſchlecht ertragen: ſchlechter den Hunger:
am ſchlechteſten den Durſt. —
Denn der Germane muß ſaufen, wenn er nicht
ſchnarcht oder prügelt.
Nun braucht man nur ihren vorſichtigen König noch
ein wenig einzuſchüchtern.
Sage Beliſar meinen Gruß: und mein Dank für
ſein Schwert ſei mein Rath:
Er ſolle noch heute den gefürchteten Johannes mit
acht Tauſend Mann durch das Picenum gegen Ravenna
ſchicken: die flaminiſche Straße iſt fret und wird wenig
gedeckt ſein: denn Witichis hat die Beſatzungen aller
Feſtungen hierher gezogen: und leichter gewinnen wir jetzt
Ravenna, als die Barbaren Rom.
So wie aber der König Ravenna, ſeinen aller letzten
Hort, bedroht ſieht, wird er eilen, ihn um jeden Preis
zu retten.
Er wird fein Heer hinwegziehen von dieſen unein—
nehmbaren Mauern und wieder der Verfolgte ſtatt des
Verfolgers fein."
„Cethegus,“ ſprach Prokop aufſpringend, „du biſt ein
großer Feldher.“
„Nur nebenbei, Prokopius! geh jetzt und grüße mir
den großen Sieger Beliſar.“
Fünfzehntes Capitel.
Wn dem letzten Tage des Waffenſtillſtands fonnte
Cethegus bereits wieder auf den Wällen des Grabmals
Hadrians erſcheinen, wo ihn ſeine Legionare und Iſau⸗
rier mit lautem Zuruf begrüßten.
Gein erſter Gang war zu dem Grabmal des Kalli⸗
ftvato8; er fegte auf bie ſchwarze Dtarmorplatte einen
Kranz von Lorbern und von Rofen nieder. ;
Während er von hier aus die Verſtärkung ver Bes
feftigungen anordnete, bradjte ihm Syphax ein Schreiben
von Matafwinthe.
Es lautete lafonifd genug:
„Mach' bald em Ende.
Nicht (anger kann ich den Bammer anfehn.
Die Beftattung von vierzig Taufend Mannern meines
Volks hat mix die Bruft zerviffen.
Die Klagelieder ſchienen alle mid) angullagen.
Währt das nod) linger, fo erlieg id.
Der Hunger wikthet furchtbar in dem Lager.
Shre legte Hoffnung ift eine große Bufubr von
Getreide und Vieh, die aus Südgallien unter Segel ift.
191
Wn den nadften Galenden wird fle auf ver Hobe
pon Portus erwartet.
Handle danach — aber mach’ rafd ein Ende.”
„Triumph,“ fprad der Prafect, vie Belagerung
ift ans.
Unfre Heine Flotte lag bisher faſt müßig zu Popu⸗
lonium.
Jetzt ſoll ſie Arbeit finden.
Dieſe Königin iſt die Erinys der Barbaren.“
Und er ging ſelbſt zu Beliſar, der ihn mit edler
Großheit empfing. —
In derſelben Nacht, der letzten der Waffenruhe,
zog Johannes zum pincianiſchen Thore hinaus, dann
links nach der flaminiſchen Straße ſchwenkend. Ravenna
war ſein Ziel.
Und eilende Boten flogen zur See mit raſchen
Segeln nach Populonium, wo ſich ein kleines römiſches
Geſchwader geſammelt hatte.
Der Kampf um die Stadt ruhte, trotz Ablauf des
Waffenſtillſtands, faſt ganz.
Eine Woche darauf etwa, machte der König, der
fein Schmerzenslager gum erſten Mal verließ, in Be—⸗
gleitung ſeiner Freunde den erſten Gang durch die
Zelte.
Drei von den ſieben vormals menſchenwimmelnden
Lagern waren völlig verödet und aufgegeben: auch die
übrigen vier waren nur noch ſpärlich bevölkert.
Todmüde, ohne Klage, aber auch ohne Hoffnung,
192
lagen die abgemagerten Geftalten, oon Hunger und
Fieber vergzehrt, vor ihren Relten.
Rein Zuruf, fein Gruß erfrente den wadern Konig auf
feinem ſchmerzensreichen Gang: faum daß fie die müden
Augen auffdlugen bet vem Sdall ver nahenden Schritte.
Aus dem Innern der Belte orang das lante Stdhnen
ber Kranken, der Sterbenden, die den Wunden, dem
Mangel, det Senden erlagen.
Kaum fand man die hinlanglide Zahl von Gefunden,
bie nöthigſten Poſten gu begiehen.
Die Wachen fdleppten die Speere hinter fic ber,
gu matt, fie aufredt oder auf der Schulter gu tragen.
Die Heerführer famen an die Schanzen vor dent
aurelifden Thor; im Wallgraben lag ein junger Shits
und faute an dem bittern Gras.
Hildebad rief ihm gu: ,Beim Hammer! Gunthas
mund, was ift das? deine Sehne ift ja gefprungen, was
ziehſt du feine andre auf?"
„Kann nidt, Herr! vie Sehne fprang geftern bei
meinem lebten Schuß.
Und id) und dte drei Burfde neben mir, wir haben
pie Kraft nidt, eine neue aufzuziehen.“
Hildebad gab ihm einen Trunk aus feiner Kürbis⸗
Flaſche: ,baft Du auf einen Römer gefdoffen 2"
„O nein, Herr," fagte ver Mann, eine Ratte nagte
port an der Leidje.
Sh traf fie glücklich und wir theilten fie gu viert."
„Iffaſwinth, wo ift bein Obeim Iffamer?“ fragte der
König.
193
Todt, Herr.
Gr fiel hinter dir, als er vic) hinweg trig.
Vor vem verfludten Marmorgrab.“
Und dein Vater Sffamuth 2"
Auch todt.
Er vertrug’s nidt mehr, dad giftige Wafer aus den
Pfigen. .
Der Durſt, Konig , brennt nod) heifer als der Hunger.
Und es will ja nicht regnen aus diefem bleiernen
Himmel.“
„Ihr feid Ae ans dem Athefis-Thal
Sa, Herr Konig, vom Bffinger- Berg. O weld
fHftlih Quell⸗Waſſer dort daheim!“
Teja fah in einiger Entfernung einen andern Krieger
aus fener Sturmbaube trinfen.
Seine Ritge verfinfterten ſich nod) mehr.
wpe Du, Wrulf!” rief er ihm gu, „du ſcheinſt nicht
Durft ju leiden?”
„Nein, idj trinfe oft,” fprad) ver Mann.
„Was trinkft du?“
„Das Blut von den Wunden der Friſchgefallnen.
Anfangs ekelt's ſehr: aber man gewöhnt's in der
Verzweiflung.“
Schaudernd ſchritt Witichis weiter.
„Schick all’ meinen Wein in's Lager, Hildebad.“
„Die Wachen follen ihn theilen.”
„All' deinen Wein?
„O Konig, mein Sdenfamt ift gar leidt gewerden.
Du haſt noch anderthalb Krüge.
Dahn, Gin Kampf um Rom. III. 13433
194
Und Hildebrand, dein Arzt, ſprach, du follft did
ftarfen.“
„Und wer ftirtt dieſe, Hildebad?
Die Noth macht ſie zu wilden Thieren!“
„Komm mit nach Hauſe, mahnte Totila, des Königs
Mantel ergreifend.
Hier iſt nicht gut ſein.“
Sm Belt des Königs angelangt, ſetzten ſich die Freunde
ſchweigend um den ſchönen Marmortiſch, der auf goldnen
Gefäßen ſteinhartes verſchimmeltes Brod aufwies und
wenige Stücke Fleiſch.
„Es war das letzte Pferd aus den königlichen Ställen,
ſagte Hildebad, — bis auf Boreas.“
„Voreas wird nicht geſchlachtet! — mein Weib, mein
Rind find auf ſeinem Rücken geſeſſen.“
Lind er ſtützte das müde Haupt anf die beiden Hände:
eine neue ſchwere Pauſe trat ein.
„Freunde, hob er endlich an, das geht nicht länger
alſo.
Unſer Volk verdirbt vor dieſen Mauern.
Mein Entſchluß iſt ſchwer und ſchmerzlich gereift —
„Sprich's noch nicht aus, o König!“ rief Hildebad.
In wenig Tagen trifft Graf Odoſwinth von Cremona
ein mit der Flotte: und wir ſchwelgen in allem Outen.”
„Er ift nod nicht da!" fprad Leja. |
„Und unfer BVerluft an Menfden, fo fdwer er
ift," ermuthigte Totila, wird er nidt durch friſche
Mannſchaft erfegt, wenn Graf Ulithis von Urbinum
eintrifft, mit ven Befabungen, die ver König ans den
195
BVeften von Ravenna bis Rom weggesogen hat, unfre
leeren Zelte zu füllen?
Aud Ulithis iſt noch nicht da, ſprach Teja.
Er ſoll noch in Picenum ſtehen.
Und kommt er glücklich an, ſo wird der Mangel im
Lager noch größer.“
„Doch auch die Römerſtadt muß faſten! meinte
Hildebad, das harte Brod mit der Fauſt auf dem Stein⸗
tiſch zerſchlagend.
Laß ſehn, wer's länger aushält!“
„Oft hab' ich's überdacht in ſchweren Tagen und
ſchlummerloſen Nächten, fuhr der König langſam fort.
Warum? warum das Alles ſo kommen mußte?
Nach beſtem Gewiſſen hab' ich immer wieder Recht
und Unrecht abgewogen, zwiſchen unſern Feinden und
uns: und ich kann's nicht anders finden, als daß Recht
und Treue auf unſrer Seite ſtehen.
Und wahrlich, an Kraft und Muth haben wir's
nicht fehlen laſſen.“
„Du am Wenigſten,“ ſagte Totila.
„Und an keinem ſchwerſten Opfer!“ ſeufzte der König.
Und wenn nun doch, wie wir Alle ſagen, ein Gott
im Himmel waltet, gerecht und gut und allgewaltig,
warum läßt er all' dies ungeheure, unverdiente Elend zu?
Warum müſſen wir erliegen vor Byzanz?“
„Wir dürfen aber nicht erliegen,“ ſchrie Hildebad.
„Ich habe nie viel gegrübelt über unſern Herrgott.
Aber wenn er das geſchehen ließe, müßte man Sturm
13*
196
c
faufen gegen den Himmel und ifm feinen Chron mit
Keulen zerſchlagen.“
‚Läſtre nicht, mein Bruder!" ſprach Totila.
„Und du, mein edler König, Muth und Vertrauen.
Ja, es waltet ein gerechter Gott dort über den
Sternen.
Drum muß zuletzt die gute Gade ſiegen.
Muth, mein Witidhis, und Hoffnung bis an’s Ende.”
“Aber der Viefgebeugte ſchüttelte nas Haupt.
„Ich geftehe e8 eud), id) babe aus diefem Irrſal,
aus den fdjredliden Bweifeln an Gottes Gerechtigkeit,
nur Ginen Ausweg gefunden.
Es fann nidt fein, daß wir all’ died ſchuldlos leiden.
Und da unfres Volkes Sache zweifellos geredt, fo
muff verborgne Schuld an mir, an eurem König haften.
Widerholt, erzählen unfre Lieder aus ver Heidengeit,
hat fid) ein König für fein Bolt felbft den Göttern
geopfert, wenn Unfieg, Seuche, Mißwachs dahre lang
den Stamm verfolgte.
Er hat die verborgne Schuld auf ſich genommen,
die auf den Volksgenoſſen zu laſten ſchien und ſie durch
Tod gebüßt, oder indem er ohne die Krone in's Elend
ging, ein friedloſer Landflüchtiger. —
Laßt mich die Krone abthun von dieſem Haupt ohne
Glück noch Stern.
Wählt einen Andern, dem Gott nicht zürnt: wählt
Totila, oder —
„Das Wundfieber faſelt noch aus dir!“ unterbrach
ihn der alte Waffenmeiſter.
197
Du mit Sduld beladen! du, der Treufte von uns
Wien !
Nein, ich will’s euch fagen, ihr Kinder allgujunger
Tage, die ihr ver Vater alte Kraft mit ver Vater altem
Glauben verloren habt, und nun feinen Croft wift fiir
eure Herzen.
Mich erbarmt eurer Reden ohne Buverfidt.” — Und
feine grauen Augen lendteten im feltnem Glanze über
die Freunde hm.
Ales was hier auf Erden erfreut und ſchmerzt, if
faum ver Freude nod) des Schmerzes werth.
Nur auf Eines kommt eS hier unten an: ein treuer
Mann gewefen fein, fein Neiding, und den Schlachttodt
ſterben, nidt ben Strobtodt.
Den treuen Helden aber tragen die Walfyren aus
vem blutigen Feld auf rothen Wolfen hinauf in Odhins
Gal, wo die Cinheriar mit vollen Bechern ibn begritfen.
Dann reitet er alltaglich mit ihnen hinaus yu Jagd
und Waffenfpiel beim Mtorgenlidt und wieder herein zu
Trunf und Staldenfang in goloner Halle beim Whendlidt.
Und fine Schildjungfrauen fofen mit den Sungen:
und weife Vorzeitrunen raunen wir Alten mit den alten
Helden ver Vorzeit.
Und id) werde fie alle wieder finden, die ftarfen
Gefellen meiner Sugend, den kühnen Winithar und
Herm Waltharis von Aquitanien und Guntharis den
Burgunden.
Und ſchauen werd’ id) and ibn, deſſen Anblid id
Fünfzehntes Capitel.
Wn vem letzten Tage ves Waffenftillftands konnte
Cethegus bereits wieder auf den Wallen ves Grabmals
Hadrians erſcheinen, wo thn feine Legionare und Iſau⸗
rier mit fautem Zuruf begrüßten.
Gein erfter Gang war zu vem Grabmal des Rallis
ſtratos; er legte auf bie ſchwarze Marmorplatte einen
Kranz von Lorbern und von Roſen nieder.
Während er von hier aus die Verftarfung ver Bee
feftigungen anordnete, brachte ihm Syphar ein Schreiben
von Mataſwintha.
Es lautete lafonifd genug:
„Mach' bald ein Ende.
Nicht länger kann ich den Jammer anſehn.
Die Beſtattung von vierzig Tauſend Männern meines
Volks hat mir die Bruſt zerriſſen.
Die Klagelieder ſchienen alle mich anzuklagen.
Währt das noch länger, ſo erlieg ich.
Der Hunger wüthet furchtbar in dem Lager.
Ihre letzte Hoffnung iſt eine große Zufuhr von
Getreide und Vieh, die aus Südgallien unter Segel iſt.
191
An ven nadften Galenden wird fle auf ver Hobe
pon Portus erwartet.
Handle vanad) — aber mad’ rafd ein Ende.“
„Triumph,“ fprad ver Präfect, vie Belagerung
tft ans.
Unfre Meine Flotte lag bisher faſt müßig yu Popu⸗
fonium.
Jetzt foll fie Arbeit finden.
Diefe Königin ift die Erinys ver Barbaren."
Und er ging felbft gu Belifar, ver ihn mit edler
Großheit empfing. —
Sn verfelben Nacht, der legten der Waffenrube,
30g Johannes zum pincianifdhen Thore binaus, dann
links nad) der flaminifden Strage fdwenfend. Ravenna
war fein Riel.
Und eilende Boten flogen zur See mit rafden
Gegeln nad) Populonium, wo fic) ein kleines römiſches
Gefdwader gefammelt hatte.
Der Kampf um vie Stadt rubte, trotz Wblauf ves
Waffenftillftands , faft gang.
Cine Woche varauf etwa, madjte der König, der
fein Schmerzenslager gum erften Mal verließ, in Bez
gleitung ſeiner Freunde den erften Gang durd die
Relte.
Dret von ven fieben vormals menfdhenwimmelnden
Lagern waren völlig verddet und aufgegeben: aud) die
fibrigen vier waren nur nod) ſpärlich bevdlfert.
Todmüde, ohne Klage. aber and) ohne Hoffnung,
192
{agen dte abgemagerten Geftalten, von Hunger und
Fieber verzehrt, vor ihren Relten.
Kein Buruf, tein Gruß erfreute den wadern Konig auf
feinem ſchmerzensreichen Gang: kaum daß fle die müden
Augen auffdlugen bet dem Schall ver nahenden Schritte.
Aus dem Snnern der Belte orang das laute Stdhnen
ber Kranfen, ver Sterbenden, die den Wunden, dem
Mangel, den Seuchen erlagen.
Kaum fand man die hinlanglide Babl von Gefunden,
bie nbthigften Poſten gu begtehen.
Die Wachen ſchleppten vie Speere inter fich her,
gu matt, fie aufredt ober auf ber Schulter gu tragen.
Die Heerführer famen an die Schanzen vor dem
aurelifden Thor; im Wallgraben lag ein junger Schütz
und faute an dem bittern Gras.
Hildebad rief thm gu: ,Beim Hammer! Gunthas
mund, was ift bas? deine Sebne ift ja gefprungen, was
ziehſt du feine andre auf?"
„Kann nidt, Herr! vie Sehne fprang geftern bei
meinem letzten Schuß.
Und ich und die drei Burſche neben mir, wir haben
die Kraft nicht, eine neue aufzuziehen.“
Hildebad gab ihm einen Trunk aus ſeiner Kürbis⸗
Flaſche: „haſt du auf einen Römer geſchoſſen?“
„O nein, Herr," ſagte der Mann, eine Ratte nagte
port an dev Leidhe.
Ich traf fie glitdlid) und wir theilten fie zu viert.”
„Iffaſwinth, wo ift dein Obeim Iffamer?“ fragte der
König.
193
Todt, Herr.
Er fiel hinter dir, als er did) hinweg trig.
Vor dem verfludten Marmorgrab.”
Und vein Vater Sffamuth 2"
Auch todt.
Gr vertrug’s nidt mehr, dad giftige Waffer aus den
Pfitgen. .
Der Durft , Konig, brennt nod) heifer als ver Hunger.
Und e8 will ja nidt regnen ans diefem bleiernen
Himmel.“
„Ihr feid Alle aus dem Atheſis⸗Thal?“
Sa, Herr Konig, vom ffinger- Berg. O weld
köſtlich Quell⸗Waſſer dort daheim!“
Teja ſah in einiger Entfernung einen andern Krieger
aus ſeiner Sturmhaube trinken.
Seine Züge verfinſterten ſich nod) mehr.
„He du, Arulf!“ rief er ihm zu, „du ſcheinſt nicht
Durſt zu leiden?“
„Nein, ich trinke oft,“ ſprach der Mann.
„Was trinkſt du?“
„Das Blut von den Wunden der Friſchgefallnen.
Anfangs ekelt's ſehr: aber man gewöhnt's in der
Verzweiflung.“
Schaudernd ſchritt Witichis weiter.
„Schick“ all’ meinen Wein in's Lager, Hildebad.“
„Die Waden follen ihn theilen.”
‚All' deinen Wein?
© Konig, mein Sdhenfamt ift gar leidt geworden.
Du haft nod anderthalh Rriige.
Dabhn, Gin Kampf um Rom. LI. 13
194
Und Hildebrand, dein Arzt, fprady, du follft vic
ſtärken.“
„Und wer ſtärkt dieſe, Hildebad?
Die Noth macht ſie zu wilden Thieren!“
„Komm mit nach Hauſe, mahnte Totila, des Königs
Mantel ergreifend.
Hier iſt nicht gut ſein.“
Sm Belt des Kinigs angelangt, ſetzten ſich bie Freunde
fdweigend um den ſchönen Marmortiſch, ver auf goloner
Gefäßen fteinhartes verfdhimmeltes Brod aufwies und
wenige Stiide Fleifd.
„Es war das legte Pferd aus ven königlichen Ställen,
fagte Hildebad, — bi8 auf Boreas.“ |
» Boreas wird nidjt geſchlachtet! — mein Weib, mein
Kind find auf feinem Rücken gefeffen.”
Und er ſtützte das müde Haupt auf die beiden Hände:
eine neue ſchwere Pauſe trat ein.
„Freunde, hob er endlid) an, das gebt nicht linger
alfo.
Unfer Volk verdirbt vor diefen Mauern.
Mein Entſchluß ift fewer und ſchmerzlich gereift —*
„Sprich's nod) midt aus, o König!“ rief Hilvebad.
Sn wenig Tagen trifft Graf Ovofwinth von Cremona
ein mit der Glotte: und wir fdwelgen in allem Guten.”
„Er ift nod nidt da!“ fprad Teja.
wind unfer Berluft an Menfden, fo ſchwer er
iſt,“ ermuthigte Totila, wird er nidt durch friſche
Mannſchaft erjest, wenn Graf Wlithis oon Urbinum
eintvifft, mit den Beſatzungen, die der König ans den
195
BVeften von Ravenna bis Rom weggesogen hat, unfre
leeren Belte gu füllen?
Aud Ulithis ift nod) nicht da, fprad Teja.
Gr foll nod) in Bicenum fteben.
Und fommt er gliidlid an, fo wird ber Mangel im
Lager nod) größer.“
„Doch aud) die Römerſtadt mug faften! meinte
Hilbebad, das harte Brod mit ver Fauft auf dem Stein:
tiſch zerſchlagend.
Laß ſehn, wer's länger aushält!“
„Oft hab' ich's überdacht in ſchweren Tagen und
ſchlummerloſen Nächten, fuhr der König langſam fort.
Warum? warum das Alles ſo kommen mußte?
Nach beſtem Gewiſſen hab' ich immer wieder Recht
und Unrecht abgewogen, zwiſchen unſern Feinden und
uns: und ich kann's nicht anders finden, als daß Recht
und Treue auf unfrer Seite ſtehen.
Und wabrlid, an Kraft und Muth haben wir's
nicht feblen laſſen.“
„Du am Wenigſten,“ ſagte Totila.
„Und an keinem ſchwerſten Opfer!“ ſeufzte der König.
Und wenn nun doch, wie wir Alle ſagen, ein Gott
im Himmel waltet, gerecht und gut und allgewaltig,
warum läßt er all' dies ungeheure, unverdiente Elend zu?
Warum müſſen wir erliegen vor Byzanz?“
„‚Wir dürfen aber nicht erliegen,“ ſchrie Hildebad.
„Ich habe nie viel gegrübelt über unſern Herrgott.
Aber wenn er das geſchehen ließe, müßte man Sturm
13*
196
6
laufen gegen den Himmel und ihm feinen Chron mit
Reulen zerſchlagen.“
‚Läſtre nidt, mein Bruder!“ fprad Totila.
nUnd du, mein edler König, Muth und Vertrauen.
Ja, es waltet ein gerechter Gott: dort fiber den
Sternen.
Drum muß zuletzt vie gute Sache fiegen.
Muth, mein Witichis, umd Hoffnung bis an’s Ende.”
Aber ver Tiefgebeugte fciittelte vas Haupt.
„Ich geftehe es euch, ich babe aus diefem Irrfal,
aus den ſchrecklichen Zweifeln an Gottes Gerechtigkeit,
nur Einen Ausweg gefunden.
Es kann nicht ſein, daß wir all' dies ſchuldlos leiden.
Und da unſres Volkes Gade zweifellos gerecht, fo
muß verborgne Schuld an mir, an eurem Köonig haften.
Widerholt, erzählen unſre Lieder aus der Heidenzeit,
hat ſich ein König für ſein Volk ſelbſt den Göttern
geopfert, wenn Unſieg, Seuche, Mißwachs Jahre lang
den Stamm verfolgte.
Er hat die verborgne Schuld auf ſich genommen,
die auf den Volksgenoſſen zu laſten ſchien und ſie durch
Tod gebüßt, oder indem er ohne die Krone in's Elend
ging, ein friedloſer Landflüchtiger. —
Laßt mich die Krone abthun von dieſem Haupt ohne
Glück noch Stern.
Wählt einen Andern, dem Gott nicht zürnt: wählt
Totila, oder —
„Das Wundfieber faſelt noch aus dir!“ unterbrach
ihn der alte Waffenmeiſter.
197
Du mit Sduld beladen! du, ber Treuſte von uns
Wien !
Nein, id will’s end fagen, ihr Rinder alltzujunger
Tage, die ihr der Väter alte Kraft mit der Väter altem
Glauben verloren habt, und nun keinen Troſt wißt für
eure Herzen.
Mid erbarmt eurer Reden ohne Zuverſicht.“ — Und
ſeine grauen Augen leuchteten in ſeltnem Glanze über
die Freunde hin.
‚„Alles was bier auf Erden erfreut und ſchmerzt, if
faum der Freude nod) des Schmerzes werth.
Nur auf Cines fommt e8 hier unten an: ein treuer
Mann gewefen fein, fein Neiding, und den Schlachttodt
fterben, nicht ben Strobtodt.
Den treuen Helden aber tragen die Waltyren aus
dem biutigen Feld auf rothen Wolfen hinauf in Odhins
Sal, wo die Cinheriar mit vollen Bedern ihn begrüßen.
Dann reitet er alltiglid mit ihnen hinaus yu Jagd
und Waffenfpiel beim Morgenlicht und wieder herein zu
Trunf und Sfaldenfang in goloner Halle beim Abendlicht.
Und ſchöne Schildjungfrauen fofen mit den Sungen :
und weife Vorzeitrunen raunen wir Alten mit den alten
Helden der Vorzeit.
Und ich werde fie alle wieder finden, die ftarfen
Gefellen meiner Jugend, den kühnen Winithar und
Herm Waltharis von Aquitanien und Guntharis ven
Burgunden.
Und fdjauen werd’ td aud) ihn, deffen Anblick ich
198
lange begehrt: Herrn Beowulf, den Geaten, und ans
grauen Urtagen den Cherusken, der guerft die Römer
ſchlug, von bem nod) die Sanger der Sachſen fingen
und fagen.
Und wieder trag’ id) Schild und Speer meinem
Herm, dem König mit ven Adleraugen.
Und fo leben wir fort in alle Ewigkeit in Licht und
heller Freude, vergeffen ber Erde hier unten und alles
ibres Webs.“
Ein fin Geridt alter Heide, lächelte Totila.
Wenn uns aber das nicht mehr tröſtet fitr wirkliches,
herznagendes Leid?
Sprich du dod aud, Teja, du finftrer Gait.
Was ift vein Gedanke bet diefen unfern Leiden ?
Mie fehlt uns vein Schwert: was verfagft du dein
Wort 2
Was fdhweigt dein triftender Harfenfdlag, du lievers
fundiger Sanger 2"
Mein Wort,“ fagte Teja anfftehend, mein Wort
und Gedante wire euch vielleicdht ſchwerer gu tragen als
all’ vied Leid.
Lak mic) nod) ſchweigen, mein fonnenbeller Totila.
BVielleidht fommt nod) der Lag, da ih div Antwort
gebe.
Vielleicht aud gur Harfe fpiele, wenn dann nod eine
Saite daran halt.”
Und er ſchritt aus dem Zelte.
Denn draußen in dem Lager hatte ſich ein wirrer,
199
räthſelhafter Larm von rufenden, fragenden Stimmen
erboben.
Die Freunde ſahn ihm ſchweigend nad.
„Ich weiß wohl, was er denft, fagte der alte Hilde.
brand endlich.
Denn id fenne ihn vom Rnaben auf: Er ift nicht
wie Andre.
Aud) im Nordland denfen mande fo, die nidt an
Thor und Odhin glauben, fondern nur an die oth
und ihre eigne Kraft und Stärke.
Es ift faft gu ſchwer für ein Menſchenherz.
Und glitdlid) — glitdlid) macht e8 nicht, wie er zu
denken. |
Mid) wunbdert, dak er fingt und Harfe fdlagt
dabei.“
Da riß Teja, wieder eintretend, die Zeltvorhänge
auf: ſein Antlitz war noch bleicher als zuvor: ſeine
dunkeln Augen blitzten: aber ſeine Stimme war ruhig
wie ſonſt, da er ſprach:
„Brich das Lager ab, König Witichis.
Unſere Schiffe find bei Oſtia in der Feinde Hand
gefallen.
Sie haben Graf Odoſwinth's Kopf in's Lager ges
ſchickt.
Und ſie laſſen auf den Wällen Roms, vor den Augen
unſrer Wachen, von den gefangnen Gothen die erbeuteten
Rinder ſchlachten.
Große Verſtärkungen aus Byzanz unter Valerian und
198
lange begehrt: Herrn Beowulf, ven Geaten, und ans
grauen Urtagen den Cherusken, der guerft die Römer
ſchlug, won dem nod) bie Ginger der Sachſen fingen
und fagen.
Und wieder trag’ id) Schild und Speer meinem
Herm, dem Konig mit den Adleraugen.
Und fo leben wir fort in alle Ewigkeit in Licht und
beller Freunde, vergeffen der Erde hier unten und alles
ibres Webs.“ .
Sin ſchön Gedidt, alter Heide, lächelte Lotila.
Wenn uns aber das nicht mehr troftet fitr wirkliches,
hergnagendes Leid?
Sprid du vod) aud), Teja, du finftrer Galt.
Was ift vein Gedanfe bei diefen unfern Leiden?
Mie fehlt uns dein Sdwert: was verfagft du dein_
Wort 2
Was ſchweigt dein trbftender Harfenfdlag, du levers
fundiger Sänger?“
Mein Wort, fagte Teja aufftehend, mein Wort
und Gedanke ware euch vielleidht ſchwerer gu tragen als
all’ dies Leid.
Lak mid) nod) ſchweigen, mein fonnenheller Totita.
Vielleicht kommt nod) der Tag, da ich dir Antwort
gebe.
Vielleicht aud) zur Harfe fpiele, wenn dann nod eine
Catte daran halt."
Und ev fdritt aus dem Zelte.
Denn draußen in dem Lager hatte fic) ein wirrer,
199
rathfelbafter Lärm von rufenden, fragenden Stimmen
erhoben.
Die Freunde ſahn ihm ſchweigend nach.
„Ich weiß wohl, was er denkt, ſagte der alte Hildes
brand endlid.
Denn ich fenne ibn vom Knaben auf: Cr ift nicht
wie Andre.
Aud im Nordland denfen mandje fo, die nidjt an
Chor und Odhin glauben, fondern nur an die Noth
und ihre eigne Kraft und Stärke.
Es ift faft zu fdjwer für ein Menſchenherz.
Und glücklich — glücklich macht es nidt, wie er zu
denken.
Mich wundert, daß er ſingt und Harfe ſchlägt
dabei.“
Da riß Teja, wieder eintretend, die Zeltvorhänge
auf: ſein Antlitz war noch bleicher als zuvor: ſeine
dunkeln Augen blitzten: aber ſeine Stimme war ruhig
wie ſonſt, da er ſprach:
„Brich das Lager ab, König Witichis.
Unſere Schiffe ſind bei Oſtia in der Feinde Hand
gefallen.
Sie haben Graf Odoſwinth's Kopf in's Lager ge⸗
ſchickt.
Und ſie laſſen auf den Wällen Roms, vor den Augen
unſrer Wachen, von den gefangnen Gothen die erbeuteten
Rinder ſchlachten.
Große Verſtärkungen aus Byzanz unter Valerian und
200
Euthalius: Hunnen, Sclavenen und Anten, hat eine ſegel⸗
reide Flotte aus Byzanz in den Liber gefithrt.
Denn der blutige Johannes hat das Picenum durch⸗
gogen —“
„Und Graf UWUltthis
„Er hat Ulithis gefdlagen und getddtet, Ancona
und Wriminum ‘genommen.
Und —"
„Iſt das nod) nicht Wes?" rief der König.
mein, Witichis! Eile thut noth!
Gr bedroht Ravenna: er fteht nur nod wenige
Meilen von der Stadt.”
Sechzehntes Capitel.
Wn Tage nad vem Cintreffen diefer fiir die Gothen
fo verbangnipvollen Nadridten, hatte Witichis die Bes
lagerung Roms aufgegeben und fein tief entmuthigtes
Heer aus den vier nod iibrigen Lagern herausgezogen.
Gin volles Jahr und neun Tage hatie vie Einſchließung
gemabrt.
So viel Muth und Kraft, fo viele Wnftrengungen
und Opfer waren vergeblid) gewefen.
Schweigend gogen die Gothen an ven ftoljen Wallen
voriiber, an denen ihy Olid und ihre Macht zerſchellt
waren.
Schweigend trugen fie vie höhnenden Worte, welde
Romer und „Romäer“ (Byzantiner) ihnen won den
fidern Zinnen herab zuriefen.
Ihr Zorn und ihre Trauer waren zu groß, um durch
ſolchen Spott getroffen zu werden.
Aber als Beliſar's Reiterei, aus dem pincianiſchen
Thore brechend, die Abziehenden verfolgen wollte, wurde
ſie grimmig zurückgewieſen.
Denn Graf Teja führte die gothiſche Nachhut.
202
So 30g das Heer von Rom auf der flaminifden
Straße durch Picenum in rafden Märſchen, (obwohl den
von den Feinden befegten Plagen Narnia, Spoletium und
Perufium ausgemiden werden mufte,) nad Ravenna,
wo Witidhis zur redten Beit cintraf, die gefährliche
Stimmung ver Bevilferung, welde auf die Kunde von
rem Unglitd ver Barbaren fdon mit dem drohenden
Sohannes in geheime Verhandlungen getreten war, i
unterdrücken.
Johannes zog ſich bei der Annäherung der Gothen
in ſeine letzte wichtige Eroberung Ariminum zurück.
In Ancona lag Konon, der Nauarch Beliſars, mit
den thrakiſchen Speerträgern und mit Kriegsſchiffen.
Der König führte aber keineswegs ſein ganzes, von
der Belagerung Roms aufgebrochnes Heer nach Ravenna,
ſondern hatte unterweges viele Mannſchaften in Feſtungen
vertheilt.
Eine Tauſendſchaft ließ er unter Gibimer in Cluſium
in Tuſcien, eine andre in Urbs Vetus unter Albila, eine
halbe in Tudertum unter Wulfgis: in Auximum vier
Tauſendſchaften unter Graf Wiſand, dem tapfern Bane
dalarius: in Urbinum zwei unter Morra: in Caefena
und Monsferetrus je eine halbe.
Hildebrand entfandte er nad) Verona, Totila nab
Carvifium und Teja nad Ticinum, da aud) der Nordoften
rer Halbinfel durch byzantiniſche, von Iſtrien aus dros
hende Xruppen gefährdet wurde.
Gr that dies übrigens noc) aus andern Oriinden.
203
Ginmal, um Veltfar auf dem Wege nad Ravenna
aufzuhalten.
Dann, um im Fall einer Einſchließung nicht wieder
fobald durch die groffe Angahl bes Heeres dem Manyel
ausgefetzt gu fem.
Und endlich, um fir den namlichen Fall die Belagerer
auch vom Rücken und zwar von mehreren Seiten her
beunruhigen gu können.
Sein Plan war zunächſt, die ſeinem Hauptſtützpunct
Ravenna drohende Gefahr abzuwenden, und ſich mit
ſeinen zerrütteten Streitkräften auf die Vertheidigung zu
beſchränken, bis fremde Hülfstruppen, langobardiſche und
fränkiſche, die er erwartete, ibn in den Stand ſetzen
würden, wieder das offne Feld zu halten.
Aber vie Hoffnung, Belifar auf feinem Wege nad
Ravenna durch viefe gothifden Burgen hingubalten, er-
füllte fich nicht.
Er begnügte ſich, ſie durch beobachtende Truppen ein⸗
zuſchließen und zog ohne Weiters gegen die Hauptſtadt
und den letzten bedeutenden Waffenplatz der Gothen.
„Habe ich das Herz zum Tode getroffen,“ ſagte er,
„werden ſich die geballten Fäuſte von ſelbſt öffnen.“
Und ſo dehnten ſich alsbald um die Königsſtadt
Theoderichs in weit geftredtem Bogen vie Zelte der
Byzantiner, an allen drei Landfeiten, von ver Hafenftavt
204
Glaffis an bis gu den Candlen und Bweigarmen des
Padus, welde im Weften befonders die Vertheidigung
der Feſtungslinien bildeten.
Zwar hatte die alte, vornehme Stadt damals ſchon
viel verloren von dem Schimmer, in welchem ſie ſeit
zwei Jahrhunderten faſt ſtrahlte als Reſidenz der Impe⸗
ratoren: und auch das letzte Abendroth, welches die glor⸗
reiche Regierung Theoderichs über ſie gebreitet, war
ſeit dem Ausbruch des Krieges verſchwunden.
Aber gleichwohl. Welch andern Eindruck muß damals
die immer noch volkreiche, dem heutigen Venedig gleichende
Waſſer⸗Stadt gemacht haben als heute, wo es den
Wandrer aus den ausgeſtorbnen Straßen, den leeren
Plätzen, den einſam ſchweigenden Baſiliken nicht minder
melancholiſch anhaucht als draußen, vor den Mauern
der Stadt, wo ſich weithin die sre Sumpflandſchaft der
Padusniederungen dehnt, bis fie in den Schlamm des
weit 3uriidgetretenen Meeres auslaufen.
Wo einft in ver Hafenftadt Claffis gu Wafer und
gu Lande geſchäft'ges Leben wogte, wo die ſtolzen Triremen
ver faiferliden Ravenna-Flotte tief ſchaukelnd ſich wiegten,
ba liegen jegt fumpfige Wiefen, in deren hohem Schilf und
Riedgras verwilderte Büffel grafen; verfumpft die Straßen,
verfandet der Hafen, verfdollen das Volk, vas hier
freudig geberrfdt — nur ein riefiger runder Thurm ans
ver Gothenjeit fteht nod neben der allein erhaltnen, ein⸗
famen Bafilita Gan Apollinare in Clafje fuori, welche,
von Witidhis begonnen, von Juftinian vollenvet, nun
205
eine Stunde fern von aller Menfdenwohnung auf der
fumpfigen Ebne trauernd ragt.
Die ſtarke Seefeftung galt damals für uneinnehmbar :
parum batten fie feit dem Ginfen ihrer Macht die Raifer
gur Refidens gewablt.
Die Süd⸗Oſt⸗Seite deckte das ramals nod bis an
und in ibre und der Hafenftadt Mauern fpitlende Meer.
Und um alle dret Landfeiten atten Natur und Kunft
ein labyrinthiſches Netz von Canälen, Graben und
Sümpfen des vielarmigen Padus geſponnen, in welchem
ſich der Belagerer rettungslos verſtricken mußte.
Und dieſe Mauern! noch jetzt erfüllen ihre gewaltigen
Reſte mit Staunen; ihre coloffale Dicke und — weniger thre
Höhe als — die Anzahl von ſtarken Rundthürmen, welche
von ihren Zinnen noch heute (1863) aufſteigen, trotzten
vor der Erfindung der Feuerwaffe jedem Sturm, jedem
gewaltſamen Angriff.
Nur durch Aushungerung hatte nach faſt vierjährigem
Widerſtand der große Theoderich dieſe letzte Zuflucht
Odovakars bezwungen.
Vergebens hatte Beliſar verſucht, gleich nach ſeiner
Ankunft die Stadt mit Sturm zu nehmen.
Kräftig ward fein Angriff abgewieſen und die Bes
lagerer muften fid) begniigen, die Feftung enge gu ume
fclieBen und, wie einft ber Gothenkönig, durch Mangel
gur Uebergabe yu nothigen.
Dem aber fonnte Witichis getroft entgegen febn.
Denn er hatte mit ver Vorſicht, vie ihm eigen, in
viefem feinem Haupt-Bollwerf, ſchon vor dem Aufbruch
206
nad Rom, Vorrathe aller Urt, namentlid aber Getreide,
tn augerordentlider Dtenge in befonders von ihm (mit
Benugung und in den Raumen des ungeheuren Marmor⸗
Circus des Theodofius) erbauten Korn⸗Speichern von
Holzgezimmer aufgehauft. Dieſe ansgedehuten Holz
bauten, grade gegenitber dem Palaft und der Bafilifa
Sancti Apollinaris, waren ves Königs Stolz, Freude
und Troſt.
Nur Weniges von diefen Nahrungsmitteln hatte man
durch Das von den Feinden durdftreifte Land nad) dem Lager
vor Rom fithren können: und bei einiger Sparfameit
reichten dieſe Magazine ohne Zweifel fiir die Bevölkerung
und das nicht mehr zahlreiche Heer leicht noch zwei und
drei Monate aus.
Bis dahin aber war das Eintreffen eines fränkiſchen
Hülfsheeres in Folge der auf's Neue angeknüpften Ver⸗
handlungen ſicher zu erwarten.
Und dieſer Entſatz mußte nothwendig die Aufhebung
der Belagerung herbeiführen.
Dies wußten oder ahnten doch Beliſar und Cethegus
ſo gut wie Witichis: und raſtlos ſpähten ſie nach allen
Seiten, ein Mittel zu finden, den Fall der Stadt zu
beſchleunigen.
Der Präfect ſuchte natürlich vor Allem ſeine geheime
Verbindung mit der Gothenkönigin zu dieſem Zwecke zu
benutzen.
Aber einmal war der Verkehr mit derſelben jetzt ſehr
erſchwert, da die Gothen alle Ausgänge der Stadt ſorg⸗
fältig überwachten.
207
Und dann ſchien aud) Matafwintha wefentlich verändert
und feineswegs mehr fo bereit und willfabrig, fic als
Werkzeug gebrauchen gu laffen, wie ehedem.
Sie hatte eine raſche Vernidtung oder Demilthigung
ves Konig’ erwartet.
. Das lange Hingdgern ermildete fie: und gugleid batten
vie grofen Leiden ihres Volleys in Kampf und Hunger
und Krankheit angefangen, fle zu erfdjiittern.
Dazu fam endlid, daß die traurige Verwandlung
in Dem fonft fo fraftigen und gefundfreudigen Weſen
des Königs, der ftille, aber tiefe und finftre Gram,
ber itber feiner Geele lag, madtig an ihrem Herzen
ritttelte. |
Wenn fie aud) mit ber ganzen Ungeredtigheit des
Schmerzes, mit vem bittern Stolz gekränkter Liebe ihn
verflagte, daß ex ihr Herz verworfen und dod, um der
Krone willen, mit Gewalt ihre Hand erjwungen hatte,
und wenn fie ihn dafür aud) mit der ganjen leiden⸗
ſchaftlichen Gluth ihres Wefens gu haffen glaubte und
gum Theil aud) wirklich hagte, fo war dod) diefer Haß
nur untigefdlagne Liebe.
Und alé fie ihn nun von dent fdweren Unglitd der
gothifden Waffen, von dem Fehlſchlagen all’ feiner
Plane — an weldhem ihr heimtückiſcher Verrath fo
grofen Antheil trug, — tief, bis zur krankhaft⸗ſchwer⸗
milthigen Verjinfterung ves Geiftes, zu marternder Selbſt⸗
peinigung niedergebeugt fab, fo wirkte diefer Anblick
gewaltig auf ihre aus Harte und Gluth feltjam gemifdte
Natur,
Siebzehntes Capttel.
Hitvebad, ungeduldig über das lange Mußigliegen,
hatte aus dex ihm, gu befonderer Chhut anvertrauten
Porta Faventina mit Tagesanbrud einen heftigen Ansfall
auf das byzantiniſche Lager gemadt, anfangs in unge⸗
ftiimem Anlauf rafde Vortheile errungen, einen Theil
ber Belagerungswerkeuge verbrannt und ringsum Schrecken
verbreitet.
Er hatte unfeblbar nod) viel größern Schaden ans
geridjtet, wenn nidjt ber raſch herbei eilende Beliſar on
viefem Tage all’ feine Feldherrnfdaft und all fein Heldens
thum zugleich entfaltet hatte.
Ohne Helm und Harnijd, wie er vom Lager aufs
gefprungen, hatte er fid) zuerſt feinen eignen flichenven
Borpoften, dann den gothifden Berfolgern entgegens
geworfen und durch äußerſte perſönliche Anftrengung und
Aufopferung vas Gefecht yum Stehen gebradt.
Darauf aber hatteer mit feinen beiven Flanten fo geſchickt
manövrirt, daß Hildebads Rückzug ernſtlich bedroht war
und tie Gothen, um nicht abgeſchnitten zu werden, all’
211
ihre errungenen Vortheile aufgeben und fdleunigft in die
Stadt guritd eilen mußten.
Gethegus, der mit fetnen Bfanriern vor ver Porta
Honoriana lag und gur Hilfe herbeifam, fand das Treffen
ſchon beendet und fonnte nidt umbin, nachher Belifar
in feinem Zelte aufzuſuchen und ihm, als Feldherrn wie
alg Krieger, femme Anerfennung andszufpreden, ein Lob,
bas Antonina begiertg einfog.
‚Wirklich, Belifarius,” ſchloß ver Prafect, Kaiſer
Suftinian fann dir das nidt vergelten.”
„Da fpridft du war,” antwortete Velifar ſtolz: „er
vergilt mir nur durch feine Freundfdaft.
Gir feinen Feldherrnftab könnte id nidt thun, was
id) für ihn ſchon gethan habe und nod) immer thue.
Ich thu's, weil id) thn wirklich liebe. |
Denn er ift ein groper Mann mit allen feinen
Sdwaden. 7
Wenn er nur Eins nod lernte: mir vertrau’n. Wher
getroft — er wird’s nod) lernen.”
Da fam Brofop und bradte einen Brief von Byzanz,
per fo eben von einem faiferliden Gefandten überbracht
worden.
Mit freudeftrablendem Antlig fprang Belifar, aller
Müdvigkeit vergeffen, vom Polfter auf, küßte die purpurnen
Schnüre, durchſchnitt fle dann mit bem Dold und öffnete
Das Sdreiben mit ven Worten:
Von meinem Herrn und RKaifer felbft! Wh, nun wird
ex mir die Leibwadter fenden und den lang geſchuldeten
Gold, ven ich Awarte, und das vorgefdoffne Gold."
14%
212
Und er begann zu leſen.
Wufmertfam beobadteten ihn Antonina, Profop und
Gethegus: feine Züge verfinfterten fic) mehr und mehr:
feine breite Bruft fing an fic) wie in ſchwerem Nrampf
gu eben: die beiden Hände, mit welchen er das Schreiben
hielt, zitterten.
Beforgt trat Antonina beran: aber ehe fie fragen
fonnte, ſtieß Belifar einen dumpfen Schrei der Wuth
aus, fdjleuderte das kaiſerliche Schreiben anf die Erde
und ftiirgte auger fic, aus dem Gezelt; etlend folgte ihm
feine Gattin.
„Jetzt Darf ibm nur Antonina vor die Augen,” fagte
Profop, ven Brief aufhebend.
„Laß fehn: wobl wieder ein Stuclein kaiſerlichen
Dankes,“ — und er las:
„Der Eingang iſt Phraſe, wie gewöhnlich — aba,
jetzt kommt es beſſer: |
„Wir finnen gleichwohl nicht verbeblen, dag wir,
nad) deinen eignen fritheren Berithmungen, eine rafdere
Beendigung des Krieges gegen dieſe Barbaren erwartet
batten und glauben aud, daß eine ſolche bet grifrer
Anftrengung nicht unmiglid) gemefen ware. Deßhalb
finnen wir aud) deinem widerbolt geäußerten Wunſche
nicht entfpreden, dir deine itbrigen fiinftanfend Dtann
Leibwächter, die nod in Perjien ftehn, fowie die vier
Gentenare Goldes nadgufenden, welche in deinem Palafte
in Byzanz legen.
Allerdings find betbe, wie du in deinem Briefe ziem⸗
lich itberfliiffigermagen bemerfft, dein Gigenthum: und
213
dein in demfelben Brief geduerter Entſchluß, ou wolleft
dieſen Gothentrieg bet vermaliger Erſchöpftheit ves taifer-
fiden Seckels aus eignen Mitten zu Ende fithren, ver-
vient, daß wir thn als pflichtgetreu bezeichnen.
Da aber, wie du in gleidem Briefe ridtiger hingu-
gefiigt, all bein Hab’ und Gut deines Raifers Majeſtät
gu Dienften fteht und faiferlidje Majeſtät die erbetne
Verwendung deiner Garden und deines Goldes in Stas
lien für überflüſſig balten mug, fo haben wir, demer
Buftimmung gewiß, anderweitig darüber verfligt und
bereits Xruppen und Shige, zur Beendung des Perfer-
frieg8, deinem Gollegen Narſes ithergeben.” —
wa, unerhört!“ unterbrad ſich Prokop.
Cethegus lächelte: Das iſt Herrendank für Sklaven⸗
dienſt.“
„Auch das Ende ſcheint hübſch, fuhr Prokopius
fort. —
„Eine Vermehrung deiner Macht in Italien aber
ſcheint uns um ſo minder wünſchbar, als man uns
wieder täglich vor deinem ungemeſſenen Ehrgeiz warnt.
Erſt neulich ſollſt du beim Weine geſagt haben: das
Scepter ſei aus dem Feldherrnſtab und dieſer aus dem
Stock entſtanden — gefährliche Gedanken und ungezie⸗
mende Worte.
Du ſiehſt, wir ſind von deinen ehrgeizigen Träumen
unterrichtet.
Diesmal wollen wir warnen, ohne zu ſtrafen: aber
wir haben nicht Luſt, dir noch mehr Holz zu deinem
Feldherrnſtab zu liefern: und wir erinnern dich, daß die
214
ftolzeft ragenden Wipfel bem kaiſerlichen Blig am Näch⸗
ften ſtehn.“
as ift ſchändlich!“ rief Prokop.
„Nein, das ift fdlimmer: e8 ift dumm!“ fagte Ce⸗
thegus. Das heißt die Treue felbft gum Aufruhr
peitſchen.“
„Recht haſt du,“ ſchrie Beliſar, der, wieder herein⸗
ſtürmend, dieſe Worte noch gehört hatte.
„Oh, er verdient Aufruhr und Empörung, der un⸗
dankbare, boshafte ſchändliche Tyrann.“
„Schweig! Um aller Heilgen willen, du richteſt dich
zu Grunde!“ beſchwor ihn Antonina, die mit ihm wieder
eingetreten war und ſuchte, ſeine Hand zu faſſen.
„Nein, ich will nicht ſchweigen,“ rief der Zornige,
an der offnen Zeltthür auf und niederrennend, vor
welder Beffas, Acacius, Demetrius und viele andre
Heerjiihrer mit Staunen laufdend ftanden.
„Alle Welt foll’s hören.
Gy ift etn undanfbarer, hetmtitdifder Tyram!
Ja Du verdienteft, daß icy dich ſtürzte!
Dak ich div thite nach vem Argwohn deiner fal⸗
ſchen Seele, Suftinianus !”
Gethegus warf einen Blick auf die draußen Stehens
ven: fie Hatten offenbar Wes vernommen: jegt, eifrig
Antoninen winkend, trat er an den Cingang und zog
die Vorhange zu.
Antonina dankte ihm mit einem Blide.
Gie trat wieder zu ihrem Gatten: aber diefer hatte
fic) jest neben dem Zeltbett auf die Erde geworfen,
215
ſchlug die geballten Fäuſte gegen feine Bruft und ſtam⸗
melte ;
„O Juſtinianus, hab’ id das um did verdient?
O zu viel, gu viel!"
Und plötzlich brad der gewalt’ge Dtann in einen
Strom von ellen Thränen aus.
Da wandte ſich Cethegus verächtlich ab: Leb wohl,”
fagte er leife zu Prokopius, „mich efelt 8, wenn Män⸗
ner heulen.“
Achtzehntes Capitel.
Yn ſchweren Gedanten fdjritt ver Prafect aus dem
Belt und ging, das Lager umwandelnd, nad der ziem⸗
lid) entlegnen Verſchanzung, mo er mit feinen Sfauriern
fid) eingegraben hatte vor dem Thor des Honorius.
G8 war auf der Süd-Seite der Stadt, nabe dem
Hafenwall von Claffis, und der Weg fithrte gum Theil
am Meeresftrand entlang.
So febr den einfamen Wanderer in diefem Angen-
bid der große Gedante, der der Pulsſchlag feines Lebens
geworden war, beſchäftigte, fo ſchwer die Unberedjenbar-
feit Belifars, dieſes gefühlsüberſchwänglichen Gemüths—⸗
menſchen, und die Spannung wegen der Antwort der
Franken gerade jetzt auf ihm laſtete — doch ward ſeine
Aufmerkſamkeit, wenn auch nur vorübergehend, auf den
außergewöhnlichen Character der Landſchaft, des Himmels,
der See, der ganzen Natur abgezogen.
Es war October — aber die Jahreszeit ſchien ſeit
langen Wochen ihr Geſetz geändert zu haben.
Seit zwei Monden faſt hatte es nicht geregnet: ja
7
217
fein Gewölk, fein Streif von Nebel hatte fic) in dies
fer fonft fo dünſtereichen Gumpflandfdaft gezeigt.
Jetzt plötzlich — e8 war gegen Sonnenuntergang —
bemerfte Gethegus im Often, ither bem Meere, am fern:
ften Horizont, eine einjelne rundgeballte, rabenſchwarze
Wolfe, die feit kurzem aufgeftiegen fein mufte.
Die untertaucdende Gonnenfdeibe, obwohl frei von
Nebeln, zeigte keine Strablen.
Kein Lufthauch kräuſelte die bleierne Fluth des Meeres.
Keine noch ſo leiſe Welle ſpielte an den Strand.
In der weitgeſtreckten Ebene regte ſich kein Blatt
an den Olivenbäumen.
Ja nicht einmal das ſchwankende Schilf in den
Sumpfgräben bebte.
Rein Laut eines Thieres, fein Vogelflug war vers
nebmbar: und ein frembdartiger, erftidender Qualm, wie
Schwefel, ſchien dritdend über Land und Meer gu [tegen
und bemmte das Wthmen.
Maulthiere und Pferde fdlugen unrubig gegen die
Bretter der Planfen, an welden fie im ager angebunden
waren. —
Cinige Kamele und Dromedare, welde Belifar aus
Afrila mitgebradt, withlten den Kopf in den Gand. —
Schwer bellommen athmete ver Wanderer mehrmals
auf und blidte befrembet um fic. |
„Das ift ſchwül: mie vor dem Wind des Toded" -
in den Wiiften Aegyptens,“ fagte er au fic) felber. —
„Schwül überall — augen und innen --.
218
Auf wen wird fid ver fang verfparte Grol der
Natur und Leidenſchaft entladen 2"
Damit trat er in fein Relt.
Syphar fprad gu ihm, „Herr, war’ id) daheim, ich
glaubte heute: der Gifthaud ved Wiiftengottes fet un
Anzug“, und er reichte ihm einen Brief.
G8 war die Antwort des Franfentinigs!
Haftig rip Sethegus vas grofe, prunfende Sigel auf.
„Wer hat ihn gebracht?“
„Ein Gefandter, der, nachdem er ven Prifecten nicht
getroffen, ſich gu Belifar hatte fithren laſſen.
Er hatte den nadften Weg — den durch's Lager —
verlangt."
Deßhalb hatte ihn Cethegus verfeblt.
Er las begierig:
Theudebald, der Konig der Franfen, Cethegus dem
Brafecten Roms.
Kluge Worte haft du uns gefdrieben.
Nod) klügere nidt der Schrift vertraut, fondern uns
durch unfern Major Domus fund gethan.
Wir find nicht übel geneigt, danach gu thun.
Wir nehmen deinen Rath und pie Gefdente, die
ibn begleiten, an.
Den Bund mit ven Gothen hat ihr Unglitd get8Rt
Dies, nicht unfern Rücktritt, mögen fie verklagen.
Wen ver Himmel verlakt, von dem follen auch bie
Menſchen laffen, wenn fie fromm und flug.
Bwar haben fie uns den Sold fiir das Hilfsheer
in mebreren Centenaren Goldes vorausbezablt.
219
Allein das biltet in unfern Augen fein Hindernif.
Wir bebhalten diefe Schätze als Pfand, bis fie uns
vie Stidte in Sitdgallien abgetreten, weldje in die von
Gott umd der Natur dem Reid der Franken vorgezeich⸗
nete Gebietsgrenje fallen. |
Da wir aber ven Feldzug bereits vorbereitet und
unfer tapferes Heer, das ſchon den Kampf erwartet, nur
mit gefabriidem Murren die Langeweile ves Friedens
tragen würde, find wir gewillt, unfere ſiegreichen Scharen
gleichwohl fiber die Wlpen gu fciden.
Nur anftatt für: gegen bie Gothen.
Uber fretlid), aud) nicht fiir ven Kaiſer Iuftinianns,
der uns fortwabrend den Königstitel vorenthalt, fic auf
feinen Münzen Herrn von Gallien nennt, uns feine Golds
miingen mit eignem Bruſtbild pragen laffen will und uns
nod) andere höchſt unertraglide Rranfungen unferer Ehre
angethan.
Wir geventen vielmehr, unfere eigne Macht nad
Stalien auszudehnen.
Da wir nun wohl wiffen, dak des Kaiſers ganje
Stärke in dieſem Lande auf feinem Feldherrn BVelifar
berubt, diefer aber eine große Zahl alter und neuer
Beſchwerden gegen ſeinen undanfbaren Herrn zu führen
hat: ſo werden wir dieſem Helden antragen, ſich zum
Kaiſer des Abendlandes aufzuwerfen, wobei wir ihm ein
Geer von hunderttauſend Franken⸗Helden gu Hilfe fenden
und uns dafür nur einen Heinen Theil Staliens vom
Meere hin bis Genua abtreten laffen werden.
220
Wir halten fiir unmöglich, daß ein Sterblicer diefes
Anerbieten ablehne.
Halls du gu diefem Plane mitwirten willft, verheißen
wir dir eine Gumme von zwölf Centenaren Goldes und
werden, gegen eine Rückzahlung von zwei Centenaren,
beinen Namen in die Lifte unferer Tifdhgenoffen auf⸗
nebmen.
Der Gejandte, der dir dieſen Brief gebradht, Herzog
Liutharis, hat unfern Antrag Belifar mitgutheilen.“
Mit Anftrengung hatte Cethegus yu Ende gelefen.
Jetzt fubr er anf.
„Ein folder Antrag gu diefer Stunde: — in diefer
Stimmung: — er nimmt ibn an!
Kaifer des Abendlandes mit hunderttanfend Franken⸗
Kriegern!
Er darf nicht leben.“ —
Und er eilte an den Eingang ſeines Zeltes.
Dort aber blieb er plötzlich ſtehen:
„Thor, der ich war! lächelte er kalt.
Heißblütig noch immer? Er iſt ja Beliſar und nicht
Cethegus!
Er nimmt nicht an.
Das wäre, wie wenn der Mond ſich gegen die Erde
empören wollte, als ob der zahme Haushund plbtzlich
zum grimmigen Wolfe würde.
Er nimmt nicht an!
Aber nun laß ſehen, wie wir die Niedertracht und
Gier dieſes Merowingen nutzen.
Nein, Frankenkönig,“ und er lächelte bitter auf den
221
gufammengefnitterten Brief, ,fo lang Gethegus lebt, —
nicht einen Fuß breit von Staliens Boden.“
Und einen rafden, heftigen Gang durch's Belt.
Einen zweiten langfamern.
Und einen dritten —: nun blieb er ſtehen —: und
über ſeine mächtige Stirn zuckt' es hin.
„Ich hab' es!“ frohlockte er.
„Auf, Syphar, rief er, geh' und rufe mir Prokop.“ —
Und bei einem neuen Durchſchreiten des Gemachs
fiel ſein Blick auf den zur Erde gefallenen Brief des
Merowingen.
„Nein,“ lächelte er triumphirend, ihn aufhebend, ,nein,
Frankenkönig, nicht ſoviel Raum als dieſer Brief be⸗
deckt, ſollſt du haben von Italiens heiliger Erde.“
Bald erſchien Prokop.
Die beiden Männer pflogen über Nacht ernſte, ſchwere
Berathung.
Prokop erſchrak vor den ſchwindelkühnen Plänen des
Prafecten und weigerte fic) lange, darauf einzugehn.
Aber mit überlegner Geiftesmadht hatte ihn ver ges
waltige Mann umflammert und bielt ihn eifern feft mit
zwingenden Gedanten, ſchlug jeden Cinwand, nod) eh’ er
ausgefproden, mit fiegender Ueberredung nierer und
ließ nidt eber ab, feine unzerreißbaren und didten
Haden um den BWiderftrebenden zu ziehen, bis dem Cin-
gefponnenen die Straft des Widerftandes verfagte. —
Die Sterne erblicen und das erfte Tagesqrauen
erhellte den Often mit blafjem Streif, als Profopius von
dem Freunde Abſchied nahm.
222
„Cethegus,“ fagte er aufftehend, „ich bewundere did.
War’ id) nicht Belifars, — id) möchte dein Geſchichts⸗
ſchreiber fein.“ ,
„Intereſſanter wire e8," fagte der Präfect rubig, ,aber
ſchwerer.“
„Doch graut mir vor der ätzenden Schärfe deines
Geiſtes.
Sie iſt ein Zeichen der Zeit, in der wir leben.
Sie iſt wie eine blendendfarbige Giftblume auf einem
Sumpfe.
Wenn ich denke wie du den Gothenkönig durch
fein eigen Weib gu Grunde gerichte — —"
‚„Ich mußte dir das jetzt ſagen. Leider bab’ ih in
letter Beit wenig von meiner fdinen Berbiindeten ges
hort."
„Deine BVerbiindete!
Deine Mittel find’ —
„Immer zweckmäßig.“
„Aber nicht immer —
Gleichviel, ich gehe mit dir: — noch eine Strecke
Weges, weil ich meinen Helden aus Italien fort haben
will, ſobald als möglich.
Er ſoll in Perſien Lorberen ſammeln, ſtatt hier
Dornen.
Aber ich gehe nicht weiter mit dir als bis —"
„Zu deinem Riel, das verfteht ſich.“
„Genug. Sd) ſpreche fofort mit Wntoninen: id
sweifle nicht am Erfolg.
Sie langweilt ſich hier auf's Tödtlichſte.
223
Sie brennt vor VBegierde, in Byzanz nicht nur fo
manden Freund wieder gu finden, aud) die Feinde ihres
Gatten gu verderben.”
„Eine gute fdledte Frau."
Aber Witichis?
Meinſt du, er wird eine Empörung Beliſars für
möglich halten?“
„König Witichis iſt etn guter Soldat und ſchlechter
Pfydologe.
Ich kenne einen viel ſchärfern Kopf, der's dod) einen
Angenblid fiir möglich hielt.
Und du jeigft ihm ja Wiles ſchriftlich.
Und jetzt gerade, da er von den Franken im Stid
gelaffen ift, geht ihm das Wafjer an ven Hale — er
greift nad jedem Strohhalm.
Daran alfo zweifle ich nicht — verfidre dich nur
Antoninens” —
„Das laß meine Gorge fein.
Bis Mittag hoff’ id) als Gefandter in Ravenna eins
zuziehn.“
„Wohl — dann vergiß mir nicht, die ſchöne Königin
gu ſprechen.“
Neunzehntes Capitel.
Und Mittags ritt Prokop in Ravenna ein.
Gr trug vier Briefe bei ſich: den Brief Juftinians
an Belifar, vie Briefe ves Frankenkönigs an Cethegus
und an Belifar und einen Brief Belifars an Witichis.
Diefen letztern hatte Profop gefdrieben und Cethegus
batte ihn Ddictirt.
Der Gefandte hatte keine Whnung, tn welder Geelens
verfafjfung er den König ver Gothen und feine ſchöne
Königin antraf.
Der gefunde, aber einfadhe Sinn bes Konigs hatte
ſchon feit geraumer Reit begonnen, unter dem Drud une
ausgefegten Ungliids gwar nidt gu verjagen, aber fid
zu verdiiftern.
Die Crmordung feines einjigen Kindes, bas herz⸗
zerfleifdyende Losreißen von feinem Weibe Hatten ihn
ſchwer erſchüttert — aber er hatte es getragen fir den
Sieg ver Gothen.
Und nun war Ddicfer Sieg hartnäckig ausgeblieben.
Cros allen Anftrengungen war vie Sache feines
Volkes mit jedem Monat feiner Regierung tiefer gee
225
fallen: mit einziger Ausnahme ves Gefedhts bei dem
Bug nad Rom hatte ihm nie das Glück gelächelt.
Die mit fo ftoljen Hoffmungen unternommene Bes
lagerung von Rom hatte mit vem Verluft von drei
Bierteln feines Heers und traurigem Rüchzug geendet.
Nene Unglücksſchläge, Nachrichten, vie betaubend wie
Kenlenſchläge auf ven Helus in vichter Folge fic drängten,
mebrten fetne Niedergeſchlagenheit und fteigerten fie ju
Dumpfer Hoffnungsloſigkeit.
Saft ganz Stalien, auferhalh Ravenna, ſchien Tag
für Lag verloren gu geben.
Schon von Rom aus hatte VBelifar eine Flotte gegen
Genua gefendet, unter Mundila, vem Heruler und
Ennes, dem Iſaurier: ohne Schwertſtreich gewannen
deren gelandete Lruppen ven feebeherrfdenden Hafen
und von da ans faft gang Ligurien.
Nady dem widtigen Mtediolanum lud fle Datius, der
Biſchof viefer Stavt, felbft: won dort aus gewannen
fie BVergomum, Gomum, Novaria.
Andrerfeits ergaben fic die entmuthigten Gothen in
Glufium und dem balbverfallnen Dertona den Belagerern
und wurden gefangen aus Stalien gefiihrt.
Urbinum ward nad. tapferm Widerſtand von den
Byzantinern erobert, ebenfo Forum Cornelii und die
ganze Landfdaft Wemilia urd) Johannes den Blutigen:
vie Verſuche der Gothen, Ancona, Ariminum und Medios
(anum wieder gu nehmen, fdjeiterten.
Nod ſchlimmere Botfdaften aber trafen bald des
Königs weides Gemiith.
Dahn, Cin Kamyj um Rom. III. 15
226
Denn ingwifden wüthete ver Hunger in den weiten
Landfdaften Aemilia, Picenum, Tufcien.
Dem Pfluge feblten Manner, Rinder und Roſſe.
Die Leute fliicdteten in die Berge und Wilber,
bufen Brod anus Cideln und verfdlangen das Gras
und Unfraut.
BVerheerende Krankheiten entftanden aus der mangelns
ben oder ungefunden Nahrung.
Sn Picenum allein erlagen fünfzig Taufend Menfdjen,
nod) mebr jenfeits des jonifden Meerbufens in Dal⸗
matien, dem Hunger und den Senden.
Bleich und abgemagert wankten die nod) Lebenden
vem Grabe gu: wie Leder ward die Haut und fdwarg,
die glithenden Augen traten aus dent Ropf, die Cinges
weide brannten.
Die As-Vögel verfdmabten die Leichen diefer Peſt⸗
Opfer: aber von Menſchen ward bas Menfdenfleifd gierig
gegeffer.
Mütter tdpteten und verzehrten ihre neugebornen
Kinder.
Sn einem Gehöft bet Ariminum waren nur nod zwei
römiſche Weiber itbrig.
Diefe ermordeten und verjehrten nad einander fiebs
zehn Menſchen, weldje vereingelt bet ihnen Unterkunft
geſucht.
Erſt der Achtzehnte erwachte, bevor ſie ihn im Schlaf
zu erwürgen vermochten, tödtete die werwölfiſchen Un⸗
holdinnen und brachte das Schickſal der früheren Opfer
an's Licht.
227
Endlich fdjeiterte andy die auf Langobarden und
Franken gefeste Hoffnung.
Die Lewteren, welde groge Gummen fiir das zu—
gefagte Hülfsheer empfangen batten, verharrten in
ſchweigender Rube.
Die ungeftiim zur Eile, zur Erfüllung der vers
fprodnen und vorausbezahlten etftungen mahnenden
Boten ves Königs wurden gu Mettis, Aurelianum und
Paris fefigehalten: feinerlet Antwort fam von Ddiefen
Höfen.
Der Langobardenkönig Audoin aber ließ ſagen: er
wolle nichts entſcheiden ohne feinen kriegsgewaltigen Sohn
Alboin.
Dieſer jedoch ſei mit großem Gefolge auf Abenteuer
ausgezogen.
Vielleicht komme derſelbe ſelbſt einmal nach Italien
— er ſei mit Narſes eng befreundet.
Dann werde er das Land ſich anſehn und ſeinem
Vater und Volke rathen, welche Beſchlüſſe ſie über dies
Land Italia fafjen ſollten.
Tapfer widerſtand zwar noch das wichtige Auximum
monatelang allen Anſtrengungen des ſtarken Belagerungs⸗
heeres, welches Beliſar ſelbſt, begleitet von Prokop, vor
die Mauern geführt hatte und während der Einſchließung
befehligte.
Aber es zerriß dem König das Herz, als ihm durch
einen Boten (der nur mit Mühe und verwundet ſich
purd) die Reihen beider einfdlieRenden Heere in das drei
Tagreifen entfernte Ravenna ſchlich) der helrenmilthige
° 15*
222
~Sethegus," fagte er aufftehend, ich bewundere did.
Wir’ id) nicht Beliſars, — icy möchte vein Geſchichts⸗
ſchreiber fein.“ ;
„Intereſſanter ware es,“ fagte der Prafect rubig, aber
ſchwerer.“
„Doch graut mir vor der ätzenden Schärfe deines
Geiſtes.
Sie iſt ein Zeichen der Zeit, in der wir leben.
Sie iſt wie eine blendendfarbige Giftblume auf einem
Sumpfe.
Wenn id) denke wie du den Gothenkönig durch
fein eigen Weib gu Grunde gerichtet — —"
„Ich mußte dir bas jetzt ſagen. Leider hab’ ich in
letzter Zeit wenig von meiner ſchönen Verbündeten ge⸗
hört.“
„Deine Verbündete!
Deine Mittel find’ —
„Immer zweckmäßig.“
„Aber nicht immer —
Gleichviel, ich gehe mit dir: — noch eine Strecke
Weges, weil ich meinen Helden aus Italien fort haben
will, ſobald als möglich.
Er ſoll in Perſien Lorberen ſammeln, ſtatt hier
Dornen.
Aber ich gehe nicht weiter mit dir als bis —“
„Zu deinem Biel, das verfteht ſich.“
„Genug. Ich fpredje fofort mit Antoninen: id
zweifle nidt am Erfolg.
Sie langweilt fid) hier auf's Tödtlichſte.
223
Gie brennt vor Begterde, in Byzanz nidt nur fo
manden Freund wieder gu finden, auc) die Feinde ihres
Gatten zu verderben.“
„Eine gute ſchlechte Frau."
Aber Witichis?
Meinſt du, er wird eine Empörung Beliſars für
möglich halten?“
„König Witichis iſt ein guter Soldat und ſchlechter
Pſychologe.
Ich kenne einen viel ſchärfern Kopf, der's doch einen
Augenblick für möglich hielt.
Und du zeigſt ihm ja Alles ſchriftlich.
Und jetzt gerade, da er von den Franken im Stich
gelaſſen iſt, geht ihm das Waſſer an den Hals — er
greift nach jedem Strohhalm.
Daran alſo zweifle ich nicht — verſichre dich nur
Antoninens” —
„Das laß meine Sorge ſein.
Bis Mittag hoff' ich als Geſandter in Ravenna ein⸗
zuziehn.“
„Wohl — dann vergiß mir nicht, die ſchöne Königin
gu ſprechen.“
Neunzehntes Capitel,
Und Mittags ritt Profop in Ravenna ein.
Gr trug vier Briefe bei fic): ven Brief Juſtinians
an Belifar, die Briefe ves Frankenkönigs an Cethegus
und an Beliſar und einen Grief Belifars an Witichis.
Diefen legtern hatte Profop gefdrieben und Cethegus
batte ihn dictirt.
Der Gefandte hatte feine Ahnung, in welder Seelen⸗
verfaffung er den König ver Gothen und feine ſchöne
Königin antraf.
Der geſunde, aber einfache Sinn bes Konigs hatte
ſchon feit geraumer Beit begonnen, unter dem Drud une
ausgefebten Ungliids gwar nicht gu vergagen, aber fid
qu verdüſtern.
Die Ermordung feines einzigen Kindes, bas herz⸗
jerfleifdende Losreifen von feinem Weibe Hatten ihn
ſchwer erſchüttert — aber er hatte e8 getragen fir den
Sieg ver Gothen.
Und nun war Ddiefer Sieg bhartnadig ansgeblieben.
Troy allen Anftrengungen war vie Gade feines
Bolles mit jedem Monat feiner Regierung tiefer ges
225
fallen: mit eingiger Ausnahme ves Gefedhts bet dem
Bug nad) Rom hatte ihm nie das Glück gelächelt. |
Die mit fo ſtolzen Hoffnungen unternommene Bes
lagerung von Nom hatte mit dem Berluft von drei
Bierteln feines Heers und traurigem Rückzug geendet.
Neue Unglitdsfdlage, Nachrichten, die betaubend wie
Keulenfdlage auf den Helm in dichter Folge fid vrangten,
mebrten fetne Miedergefdlagenheit und fteigerten fie zu
Dumpfer Hoffnungslofigfeit.
Saft gang Stalien, außerhalb Ravenna, fdien Tag
fiir Lag verloren gu geben.
Schon von Rom aus hatte Belifar eine Flotte gegen
Genua gefendet, unter Mundila, dem Heruler und
Ennes, dem Bfanrier: ohne Schwertſtreich gewannen
deren gelandete Sruppen den feebeherrfdenden Hafen
und von da ans fat gang Ligurien.
Nach vem widtigen Mtediolanum Iud fle Datius, der
Biſchof viefer Stavt, felbft: von dort aus gewannen
fie Bergomum, Comum, Novaria.
Andrerfeits ergaben ſich die entmuthigten Gothen in
Cluſium und bem halbverfallnen Dertona den Belagerern
und wurden gefangen aus Stalien gefiihrt.
Urbinum ward nad). tapferm Widerſtand von den
Byzantinern erobert, ebenfo Forum Cornelii und die
ganze Landſchaft Wemilia durch Sohannes den Blutigen :
vie Berfude der Gothen, Ancona, Ariminum und Medio⸗
fanumt wieder gu nebmen, ſcheiterten.
Nod) fdlimmere Botfdaften aber trafen bald des
Königs weiches Gemiith.
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 15
228
Graf Wifand ver Bandalarius die folgenden Worte
fandte :
„Als du mir Auximum anvertrauteft, fagteft du:
id) follte damit die Schlüſſel Ravennas, ja des Gothen⸗
reidjes bitten.
Ich follte männlich widerftehen, dann würdeſt du
bald mit all’ deinem Heer zu wunfrem Entſatz heran⸗
geben.
Wir haben mannlich widerftanden Belifar und dem
Hunger.
Wo bleibt dein Entſatz?
Wehe, wenn du redt gefproden und mit unfrer
Veſte jene Sdliiffel in der Feinde Hande fallen.
Deßhalb fomm und hilf — mehr um des Reichs,
al8 unfrer willen.”
Diefem Boten folgte bald ein gweiter, ein mit vielem
Golde beftodner Soldat der Belagerer, Burcentius: fein
Auftrag lautete — mit Blut mar ver kurze Brief ges
ſchrieben. —
„Wir haben nur mehr das Unkraut zu eſſen, das aus
den Steinen wächſt. Länger als fünf Tage können wir
uns nicht mehr halten.“
Der Bote fiel auf der Rückkehr mit der Antwort
des Königs in die Hand der Belagerer, welche ihn im
Angeſicht der Gothen vor den Wällen von Auximum
lebendig verbrannten.
Ach und der König konnte nicht helfen!
Nod immer widerſtand das Häuflein Gothen m
Auximum, obwohl thnen Velifar durch Zerſtörung der
229
Wafferleitung das Waffer abfdnitt und den legten Brunnen,
ver ihnen geblieben und nidt absugraben war, durd
Leiden von Menſchen und Thieren und Kalfldfungen
vergiftete.
Sturmangriffe {lug Wifand immer nod) blutig ab:
nar durch Aufopferung eines Leibwächters entging ete
mal Belifar hiebei dem gang naben Lode.
Endlich fiel guerft Cafena, die letzte gothifde Stadt
in der Aemilia, und dann Fäſulä, weldes Cyprianus
und Suftinus belagerten.
- Mein Fafula!" rief ver König, als er es erfubr
— denn er war Graf diefer Stadt gewefen und didt
vabei lag das Haus, das er mit Rauthgundis bewohnt
hatte. .Die Hunnen hanfen wohl an meinem zerſtörten
Herd!“
Als aber die gefangne Beſatzung von Fäſulä den Bee
lagerten in Auximum in Ketten vor Augen geführt und
von dieſen Gefangnen ſelbſt jeder Entſatz von Ravenna
her als hoffnungslos bezeichnet wurde, da nöthigten den
Bandalarius ſeine verhungerten Scharen zur Uebergabe.
Er ſelbſt bedang ſich freies Geleit nach Ravenna aus.
Seine Tauſendſchaften wurden gefangen aus Italien
geführt. | °
Sa, fo tief gefunfen war Muth und BVolfsgefithl
ver endlich Begwungnen, daß fie unter Graf Sififrid von
SGarfina gegen die eignen VollSgenoffen Dienfte nahmen
unter Belifars Fabnen.
Der Sieger hatte Auximum ftark befest und alsbald
vie bisherigen Belagerer diefer Vefte guritdgefiihrt m vas
230
Lager vor Ravenna, wo er CGethegus ven bieher ans
vertrauten Oberbefehl wieder abnahm.
8 war, als ob ein Fluch an vem Haupte des Gothen-
finigs afte, auf dem fo ſchwer die Rrone laftete.
Da er nun den Grand feines Mißlingens feiner
Schwäche, feinem BVerfehn auf feiner Seite zuſchreiben,
da ev ebenfo wenig an dem guten Recht ver Gothen
gegen die Byzantiner gweifeln und da feine einfache
Gottesfurdht in diefem Ausgang nidts andres als das
Walten ves Himmels erbliden fonnte, fo fam er auf
ven quälenden Gedanfen, es fet um feiner unvergebnen
Sündenſchuld willen, daß Gott vie Gothen züchtige:
eine Borftellung, welche die Anſchauungen des die
Beit bebervfdenven alten Teftaments thm nicht minder
nabe legten als viele Züge der alten germantfden
Königsſage.
Dieſe Gedanken verfolgten unabläſſig den tüchtigen
Mann und nagten Tag und Nacht an der Kraft ſeiner
Seele.
Bald ſuchte er im ſelbſtquäleriſchen Grübeln jene
ſeine geheime Schuld zu entdecken.
Bald ſann er nach, wie er den ihn verfolgenden
Fluch wenigſtens von ſeinem Volke wenden könne.
Längſt hätte er die Krone einem Andern abgetreten,
wenn ein ſolcher Schritt in dieſem Augenblick nicht ihm
und Andern als Feigheit hätte erſcheinen müſſen.
So war ihm auch dieſer Ausweg — der nächſte
und liebſte — aus ſeinen quälenden Gedanken vere
ſchloſſen.
231
Gebeugt ſaß jept oft ver fonft fo ſtattliche Mann,
blidte {ange ſtarr und fdmeigend vor fid bin, nur
manchmal das Haupt ſchüttelnd over tief aufſeufzend.
Der taglide Anblid viefes ftillen, ſtolzen Leivens,
dieſes ſtummen und hülfloſen Croulvens eines nieder⸗
drückenden Geſchickes blieb, wie wir geſehen, nicht ohne
Eindruck auf Mataſwintha.
Auch glaubte ſie ſich nicht darin getänſcht zu haben,
daß ſeit geraumer Zeit ſein Auge milder als ſonſt, mit
Wehmuth, ja mit Wohlwollen auf ihr geruht habe.
Und ſo drängte ſie theils uneingeſtandne Hoffnung,
welche ſo ſchwer erliſcht im liebenden Herzen, theils
Reue und Mitleid mächtiger als je zu dem leidenden
König.
Oft wurden ſie jetzt auch durch ein gemeinſames
Werk der Barmherzigkeit vereint.
Die Bevolferung von Ravenna hatte in den letzten
Woden angefangen, wabrend die Belagrer von Ancona
aus das Meer beherrſchten und aus Galabrien und
Gicilien reide Vorräthe begogen, Mangel gu leiden.
Mur die Reidjen vermodjten nod) vie hohen Preife
des Getreides gu begablen.
Des Königs milves Herz nahm feinen Wnftand, aus
rem Ueberflug feiner Magazine.’ weldje, wie gefagt, die
peppelte Bett bis gu dem Einireffen ver Franken auss
zureichen verfpraden, aud) an die Armen der Stadt
wohlibatige Vertheilungen gu maden, wenn er feine
gothifden Tauſendſchaften verforgte: aud) boffte er auf
eine groge Menge von Getreidefchiffen, welde vie Gothen
232
in ben oberen Padus⸗Gegenden auf diefem Flufſe zu⸗
ſammen gebracht batten und in die Stadt gu ſchaffen
tradteten.
Um aber jeden Mißbrauch und alles Uebermaß bei
jenen Gpenden fernjubalten, ithermadte ver König ſelbſt
viefe Wustheilungen: und Matafwintha, welde thn eine
mal mitten unter den bettelnden und vanfenden Haufen
angetroffen, batte fic) neben ihn auf die Marmorſtufen
ver Bafilifa von Ganct Wpollinaris geftellt und ihm ge
holfen, die Körbe mit Brod vertheilen.
Es war em {diner Anblid, wie bas Par, ex yur
Redhten, die Königin zur Linfen, wor ver Kirchenpforte
ftanden und itber die Stufen hinab dem fegenrufenden
Volt die Spende reidten.
Während fie fo ftanden, bemerfte Matafmintha unter
per drangenden, fluthenden Volksmaffe, — denn es war
viel Landvolf ja aud) von allen Seiten vor den Schrecken
des Krieges in die rettenden Mauern zuſammengeſtrömt, —
auf der unterften Stufe der Bafilifa feitwarts ein Weib
in fdlichtem, braunem, halb über den Kopf gezognem
Mantel.
Dies Weib vrangte nicht mit den Andern die Stufen
hinan, um aud) Broo für fich yu fordern: fondern
lehnte, vorgebeugt, den Kopf auf die linfe Hand und
diefen Arm auf einen hohen Sarfophag geftiigt, binter
ver Eckſäule der Bafilifa und blidte fdarf und unvere
wandt auf die Königin.
Mataſwintha glaubte, das Weib fet etwa von Furcht
oder Scham oder Stolz abgehalten, ſich unter die tedern
233
Bettler gu bringer, welde auf den Stufen ſich ftiefen
und drängten: und fle reidte Afpa einen befondern Korb
mit Brod, hinabzugehn und ihn der Frau zu reiden.
Sorglich bemüht hanfte fie mit mildem Blick und
mit den beiden weigen Händen thatig das duftenve
Als fie auffah, begeqnete fle bem Auge ves Königs,
welded, fanft und freundlich gerithrt, wie nod) nie, auf
ihr gerubt hatte. —
Heiß ſchoß ihr vas Blut in vie Wangen und fie
gudte leiſe und fentte die ſchönen Wimpern.
Als fie wieder auffah und nad) dem Weib im braunen
Mantel blidte, war diefe verfdwunden.
Der Platz am Sarfophag war leer.
Gie hatte, während fie den Korb fiillte, nicht bee
mertt, wie ein Mann mit einem Bilffelfell und einer
Sturmbaube, dev hinter der Frau ftand, fie beim Arme
gefaßt und mit fanfter Gewalt hinweggeführt hatte.
„Komm,“ hatte er gefagt, ,bier ift fein guter Ort
für did.“
Und wie im waden Traum hatte das Weih geant-
wortet :
det Gott, fie ift wunderſchön.“
„Ich dante dir, Matafwintha!” fprad der König
freundlicy, als die fiir heute beftimmten Spenden ver-
theilt waren. |
Der Blid, ver Ton, pas Wort drangen tief in
iby Herz.
234
Mie hatte ex fle bieher bet ihrem Namen genannt,
immer nur die Königin in ihr gefehn und angefproden.
Wie begliidte fie ras Wort aus feinem Munde —
und wie fdwer laſtete doc) zugleich diefe Milde auf ihrer
ſchuldbewußten Seele!
Ofſenbar hatte ſie ſich zum Theil ſeine wärmere
Stimmung durch ihr werkthätiges Mitleid mit den Armen
erworben.
„O ex iſt gut," ſagte fle, halb weinend vor Er⸗
regung, id) will auch gut fein.“
Wis fie mit diefem Gedanken in den Borhof des
iby angewiefenen linfen Flügels des Palaftes trat —
Witichis bewohnte den redjten — eilte thr Afpa geſchäf⸗
tig entgegen.
„Ein Gejandter aus vem Lager,“ fliifterte fie der
Herrin eifrig gu.
„Er bringt geheime Botfdhaft vom Präfecten —
einen Brief, von Syphax Hand, in unfrer Sprache —
er barrt auf Untwort" —
Nag," rief Matafwintha, die Stirne furdend, „ich
will nichts hören, nichts lefen.
Aber wer ſind dieſe?“
Und ſie deutete auf die Treppe, die aus der Vor⸗Halle
in ihre Gemächer jiihrte.
Da kauerten auf den rothen Steinplatten Weiber,
Kinder, Kranke, Gothen und Italier durcheinander, in
Lumpen gehüllt — eine Gruppe des Elends.
„Bettler, Arme, ſie liegen hier ſchon den ganzen
Morgen. Sie ſind nicht zu verſcheuchen.“
235
„Man ſoll fle nicht verſcheuchen!“ ſprach Mata⸗
ſwintha, näher tretend.
„Brod, Königin! Brod, Tochter ver Amelungen!“
riefen mehrere Stimmen ihr entgegen.
„Gieb ihnen Gold, Aſpa, Alles, was du bei dir
trägſt und bole —
„Brod! Brod! Königin, nicht Gold! um Gold iſt
fein Brod mehr zu haben in der Stadt.“
voor des Königs Speichern wird e8 umfonft ver:
theilt.
Sd fomme gerade davon her, warum wart iby nicht
Dort?"
„Ach Königin, wir können nidt durchdringen,“
jammerte eine hagre Frau.
„Ich bin alt und meine Tochter hier iſt krank und
jener Greis dort iſt blind. |
Die Gefunden, die Sungen ftogen uns zurück.
Dret Lage haben wir's umfonft verſucht: wir dringen
nicht durch.“
„Nein, wir hungern, grollte ver Alte.
O Theoderid), mein Herr und König, wo bift tu?
Unter deinem Gcepter batten wir vollauf —
Da famen vie Armen und Siechen nicht gu kurz.
Aber dieſer Ungliidstinig —“
„Schweig,“ fprad Matafwintha, ,der Konig, mein
Gemahl" — und hier flog ein wunderfdines Moth
fiber ihre Wangen — ,thut mehr als thr verbdient.
Wartet hier, id) ſchaffe eud Brod.
Folge mix, Aſpa.“
236
Und raſch ſchritt fle binweg.
„Wohin eilft du?“ fragte die Sklavin flaunend.
Und Diatafwintha ſchlug den Schleier fiber thr Ants
lig, al8 ſie antwortete:
„Zum Konig!“
Als fie das Vorgemach ves Witichis erreicht, bat fie
der Thürſteher, ver fie mit Befrembden erfannte, zu ver⸗
weilen.
„Ein Abgefandter Belifars habe geheime Audienz;
ex fei fon lange im Gemad und werde e8 bald vers
laſſen.“
Da öffnete ſich die Thüre — und Prokop ſtand
zögernd auf der Schwelle.
„König der Gothen,“ ſprach er, ſich nochmals wendend,
„iſt das dein letztes Wort?“
„Mein letztes, wie's mein erſtes war,“ ſprach der
König voller Würde.“
„Ich gönne dir noch Zeit — ich bleibe noch bis
morgen in Ravenna.“ —
oon jest an bift pu mir als Gaſt willfommen,
nicht mehr als Gefandter.“
„Ich widerhole: fat die Stadt mit Sturm, fo
werden alle Gothen, die höher als Belifars Schwert,
getintet — er hat's gefworen — Weiber und Kinder
alg Sflaven verfauft —
Du begreifft: Belifar fann femme Barbaren brauchen
im ſeinem Stalien —
Dich mag ver Tod ves Helden locken: aber bedenfe
vie Hillflofen — ihy Blut wird vor Gottes Thron —“
237
„Geſandter Belifars, ihr fteht in Gottes Hand wie
wir; lebewohl.“
Und fo madtig wurden diefe Worte gefprocden, dak
ver Byjantiner gehen mufte, fo ungern er e8 that.
Die ſchlichte Würde diefes Mannes wirkte ftart
auf ihn.
Aber auch auf die Lauſcherin.
Als Prokop vie Thitre ſchloß, fab er Mataſwintha
vor ſich ſtehn und trat bewundernd einen Schritt zurück,
geblendet von ſoviel Schönheit.
Ehrerbietig begrüßte er ſie.
„Du biſt die Königin der Gothen!“ ſagte er, ſich
fafſend, ,du mußt es fein.”
wd bin's!“ fagte Matafwintha, batt’ id Das nie
vergeſſen.“
Und ſtolz rauſchte ſie an ihm vorüber.
„Augen haben dieſe Germanen, Männer und Weiber,“
fagte Profop im Hinausgehen, ,wie ich ſie nie geſehn.“
Bwansigftes Capitel.
Matafwintha war ingwifden ungemeldet bei ihrem
@Gatten eingetreten.
Witichis hatte alle Gemader, welche die Amelungen,
Theoderich, Athalarid, Amalafwintha bewohnt, (fle lagen
im Mittelbau des weitliufigen Palaftes) unberührt ge
faffen und einige auch frither fdyon von tht, went er
pie Wade am Hofe hatte, bewohnte Raume im redten
Flügel bezogen.
Er hatte die Gold- und Purpurinſignien der Amaler
nie angelegt und aus ſeinen Zimmern allen koͤniglichen
Pomp entfernt.
Ein Feldbett auf niedern Eiſenfüßen, auf welchem
fein Helm, fein Schwert und mehrere Urkunden lagen,
ein flanger Gichentifd) und wenig Holggerath ftanden
in dem einfaden Gelaß.
Gr hatte fid) nad) des Gefandten Cntfernung, ers
ſchöpft, mit dem Rücken gegen die Thür in einen Stubl
geworfen und ftiigte das mitre Haupt in beiden Handen
auf den Tiſch.
239
So hatte er den leicht fdwebenden Schritt ver Cine
tretenden nicht bemerft.
Matafwintha blieb, wie gebannt, an der Sdwelle
ſtehn.
Sie hatte ihn noch niemals aufgeſucht.
Ihr Herz pochte mächtig.
Sie konnte ihn nicht anſprechen: ſie konnte nicht
näher treten.
Endlich ſtand Witichis mit Seufzen auf.
Da ſah er die regungsloſe Geſtalt an der Thüre
ſtehn.
„Du hier Königin?“ ſprach er ſtaunend und trat ihr
einen Schritt entgegen.
„Was kann dich zu mich führen?“
„Die Pflicht — das Mitleid“ — ſagte Mataſwintha
raſch.
„Sonſt hätte ich nicht — — ich habe eine Bitte an
dich.“
„Es iſt die erſte,“ ſagte Witichis.
„Sie betrifft nicht mid” — fiel ſie ſchnell etn —
88 bitte dich um Brod für Arme, Kranke, welche“ —
Da reichte ihr der König ſchweigend die Rechte hin. —
Es war das erſte Mal: ſie wagte nicht, ſie zu faſſen:
und hätte es doch, o wie gerne, gethan. |
Go fate er felbft ihre Hand und drückte fie leicht.
„Ich dante dir, Matafwintha, und bitte dir ein Une
redjt ab.
Du Haft dennod ein Herz fiir vein Voll und feine
Leiden.
240
Ich hatte das nie geglanbt: id babe bart von dit
gedacht.“
„Hätteſt du von jeher anders von mir gedacht — es
wäre vielleicht Manches beſſer.“
„Schwerlich!
Das Unglück heftet ſich an meine Ferſen.
Eben jetzt — du haſt ein Recht, es zu wiſſen —
brach meine letzte Hoffnung:
Die Franken, auf deren Hülfe ich hoffte, haben uns
verrathen.
Entſatz iſt unmöglich: die Uebermacht der Feinde
durch den Abfall der Italier allzugroß.
Es bleibt nur noch ein letztes: ein freier Tod.“
aR mid) thn mit dir theilen,“ rief Mataſwintha,
und ihre Augen leuchteten.
„Du? nein; die Tochter Theoderichs wird ehren⸗
volle Aufnahme finden am Hofe von Byzanz.
Man weiß, daß du gegen deinen Willen meine
Königin geworden —
Du kannſt dich laut darauf berufen.“
„Nimmermehr!“ ſprach Mataſwintha begeiſtert.
Witichis fuhr, ohne ihrer zu achten, in ſeinen Ge⸗
danken fort:
„Aber die Andern!
Die Tauſende! die Hunderttauſende von Weibern,
von Kindern!
Beliſar hält, was er geſchworen!
Es iſt nur Eine Hoffnung noch für ſie — eine
einzige!
241
Derm — alle Mächte der Natur verſchwören ſich
gegen mid).
Der Padus ift pliplid) fo feidt geworden, daß
zweihundert Getreideſchiffe, die id) erwartete, nicht rafd
genug den Fluß herab gebracht werden fonnten: die
Byzantiner haben fle anfgefangen.
Sh habe nun um Hillfe an den Weftgothenfinig ge:
ſchrieben: er foll fetne Flotte fenden.
Die unfre ift ja in Feindes Hand!
Dringt fie in den Hafen, fo fann darauf entfliehn,
was nidjt fedten fann und nicht fterben foll.
And on fannft dann, wenn du es vorziehſt, nad
Spanien entfliehn." .
vod) will mit dir —, mit end) fterben.“
von wenig Woden tinnen die weftgothifden Segel
vor der Stadt erſcheinen.
Bis dahin reiden meine Magazine — der lebte
Troſt.
Doch, das mahnt mich an deinen Wunſch —
Hier iſt der Schlüſſel zu dem Hauptthor der Speicher.
Ich trag' ihn Tag und Nacht auf meiner Bruſt.
Bewahre ihn wohl: — er verwahrt meine letzte
Hoffnung.
Er ſchließt das Leben von vielen Tauſenden ein.
Es war meine einzige Mühewaltung, die nicht frucht⸗
los blieb.
„Mich wundert,” fiigte er ſchmerzlich hingu, „daß niche
vie Erde ſich aufgethan. hat oder Feuer vom Himmel ges
fallen ift, biefe meine Bauten zu verfdlingen.“
Dahn, Gin Kampf um Rom. III. 16
242
Und er nahm ven ſchweren Schlüſſel ans dem Brule
fag feines Wammfes.
„Hüt' ihn wohl, es ift mein letzter Schatz, Matas
ſwintha.“
„Ich danke dir, Witichis — König Witichis —“ fagte
fie, verbeſſernd, und griff nach bem Schlüfſel, aber ihre
Hand jitterte. |
Gr fiel.
„Was ift dir,” fragte der König, den Schlüſſel ihr
in die Rechte dritdend, — fie ftedte ihn in den Gürtel
ibres weißſeidnen Unterfletbes — „du zitterft?
Bift du krank?“ fete er beforgt hinzu.
„Nein — es ift nidts —
Aber ſieh mich nicht an ſo — ſo wie jetzt und wie
heute morgen —"
„Vergieb mir, Königin,“ fagte Witichis, fic) abwendend.
Meine Blide follten vid) nicht franfen.
Ich hatte viel, recht viel Gram in diefen Tagen.
Und wenn id nadfann, mit welder Schuld ih all
vied Unglitd verdient haben könnte“ — feine Stimme
wurde weid).
Dann? o reve!" bat Matafwintha bingeriffen.
Denn fie gweifelte nicht mehr an dem Sinn ſeines
unausgeſprochnen Gedankens.
„Dann hab' ich, unter all' den ringenden Zweifeln,
oft auch gedacht, ob es nicht Strafe ſei für eine harte,
harte That, die ich an einem bergen Geſchöpf bes
gangen.
An einem Weibe, vas ids meinem Bolt geopfert —*
243
Und unwillkürlich fah ev im Gifer feiner Rede auf
pie Hörerin.
Matafwinthens Wangen erglühten: ſie faßte, ſich auf⸗
recht zu halten, nach der Lehne des Stuhles neben ihr.
„Endlich — endlich erweicht ſein Herz und ich —
was habe id) ihm gethan!“ dachte fie ,und Gr bereut. —“
„Ein Weib,“ fubr ex fort, „das unſäglich um mid) ge-
fitten, mebr als Worte fagen können.“ —
„Halt em!" fliifterte fie fo leife, daß er es nidt vers
nahm.
„Und wenn ich dich in dieſen Tagen um mich walten
ſah, weicher, milder, weiblicher als je zuvor —
Dann rührteſt du mein Herz mit Macht: und Thränen
brangen in meine Augen.“ —
„O Witichis!“ handte Matajwintha.
„Jeder Ton deiner Stimme ſogar drang tief in
meine Geele.
Denn du mabhnft mid vann fo ganz, fo berger:
ſchütternd an —“
„An wen?“ fragte Mataſwintha und wurde leichen⸗
blaß.
nud an fie, die id) geopfert!
Die Aes um mid gelitten, an mein Weib Rauth-
gundis, die Geele meiner Seele.“
Wie lange hatte er den geliebten Namen nidht mehr
faut gefproden !
Sekt fiberwaltigte ihn bei diefem lang die Macht
pes Schmerzes und ver Sehnſucht: und in den Stubl
finfend bedeckte er fein Geficht mit beiden Händen.
16*
244
Es war gut.
Denn fo bemerfte er nicht, wie es blitzähnlich durch
vie Geftalt der Königin zuckte, ihr ſchönes Antlitz fid
mebujenbaft verzerrte.
Dod) hörte er einen dumpfen Sdlag und wandte fid.
Matafwintha war yu Boren gefunten.
Ihre linte Hand HMammerte ſich in die durchbrochne
Rücklehne des Stuhls, an vem fie ntedergeglitten war,
während vie Rechte fich feft auf ven WMofaitboden
ftemmte.
Shr bleidhes Haupt war vorgebengt, das pradjtvoll
rothe Haar fluthete, loSgeriffen ans dem Scheitelband, itber
ihre Sehultern: ihve ſcharf geſchnittnen Nüſtern flogen.
„Königin!“ rief er hingueilend, fie aufzuheben, ,was
hat did) befallen 2”
Wher ehe er fte berithren tonnte, fdnellte fie wie eine
Schlange empor und ridtete fid) hod auf:
„Es war eine Schwäche,“ fagte fie, die jest vorbei:
— leb wohl!"
Wankend erreichte fie die Thür und fiel vraufen bes
wußtlos in Aſpa's Arme.
Unterdeffen hatte fich das unheimliche drohende Ane
feben ver ganjen Natur nod) gefteigert.
Die Heine, rundgeballte Wolfe, welche Cethegus
am Lage zuvor bemerft, war ver Vorbote einer unge⸗
245
heuren ſchwarzen Wolfenwand gewefen, weldye die Nacht
fiber aus tem Often aufgeftiegen war, jedoch feit dem
Morgen unbeweglich, wie Verderben briitend, über bem
Meere ftand und die Halfte des Horizonts bedeckte.
Aber im Süden brannte die Sonne mit unerträg—
lid) ſtechenden Strablen aus dem unbewölkten Himmel.
Die gothifchen Wachen batten Helm und Harniſch
abgelegt: fie festen ſich lieber den BPfeilen der Feinde
alg dieſer unleidliden Hitze aus.
Rein Lüftchen regte fid) mebr.
Der Oftwind, der jene Wolkenſchicht heranfgefithrt,
war pliglidy gefallen.
Unbeweglid, bleigrau lag das Meer: die Ritters
pappeln im Schloßgarten ftanden regungslos.
Aber in vie Tags zuvor ebenfall8 verftummte Thiers
welt war Angſt und Unrube gerathen.
An vem eigen Gand der Küſte Hin flatterten
Schwalben, Möven und Sumpfyvögel unfider, ziellos,
hin und her, ganz nieder an der Erde hinſtreichend und
manchmal ſchrille Rufe gellend.
In der Stadt aber liefen die Hunde winſelnd aus
den Häuſern: die Pferde riſſen ſich in den Ställen los
und ſchlugen, ungeduldig ſchnaubend, dröhnenden Hufes
um ſich; kläglich ſchrieen Ragen, Eſel und Maulthiere
und von den Dromedaren Beliſars raſten und ſchäum⸗
ten ſich drei zu Tode in wüthenden Anſtrengungen, zu
entkommen. —
Es neigte jetzt gegen Abend.
246
Die Gonne drohte, alsbald unter den Horizont zu
finfen.
Auf dem Forum des Hercules ſaß ein Bürger von
Ravenna auf ver Mtarmorftufe vor feinem Haufe.
Er war ein Winzer und fdenfte, wie der verdorrte
Rebenzweig über fetner Thür jeigte, in feinem Haufe
felbft von feinem Gewächs.
Cr blidte nad) dem drohenden Wettergewölk.
„Ich wollte, es fime Regen," feufzte er.
„Kömmt nidt Regen, fo kömmt Hagel und zerſchlägt
vollends, was an Wachsthum draufen die Roffe der
Feinde nod nidjt gerftampft haben.“
„Nennſt du vie Truppen unfres Raifers Feinde 2“
fliifterte fein Sohn, ein römiſcher Patriot.
Uber leife.
Denn eben bog um die Ee eine gothiſche Runde.
„Ich wollte, der Orcus verſchlänge fle alle miteinander,
Grieden und Barbaren !
Die Gothen haben wenigftens immer Durft.
Siehſt du, da kömmt der lange Hildebadus, der ift
ver Durftigften Ciner.
Sollte mid) wundern, wenn er heute nicht trinfen
wollte, da die Steine berften möchten vor Trockenheit.“
Hildebad hatte die nächſte Wade abgelöſt und
fdlenderte nun fangfam eran, den Helm im inten
Arm, die lange Lange läſſig über der Schulter.
Er fdritt an ver Weinfdente vorbet, gu großem
Befremben~ ihres Herrn, bog in die nächſte Seitengaffe
und ftand bald vor einem hohen und diden Rundthurm,
247
— er hieß der Thurm ves Aëtius —, in veffen Schatten
oben auf vem Walle ein ſchöner junger Gothe auf und
nieder ſchritt.
Lange, hellblonde Loden viefelten auf feine Schultern:
und das jarte Weiß und Roth feines Gefichts, wie die
milden blauen Augen gaben thm ein faft mädchenhaftes
Anfebn.
„He, Fridugern,“ rief ihm Hildebad hinauf, „huiweh!
Blitzjunge, hältſt du's nod) immer aus anf dieſem
Bratroſt da oben?
Und mit Schild und Panzer — uf!“
„Ich habe die Wache, Hildebad!“ ſagte der Jüngling
ſanft.
„Ach, was Wade!
Glaubft vu, bet diefer Schmelzofenhitze wird Belifar
ftitrmen ?
Ich fage viv, der ift froh, wenn er Luft bat und
verlangt heute fein Blut.
Komm mit: id) fam did) zu holen — der dice Ba:
pennate auf dem Herculesplag hat alten Wein und
junge Töchter — laß uns beide zu Munde führen.“
Der junge Gothe ſchüttelte die langen Locken und
ſeine Stirn faltete ſich.
„Ich habe Dienſt und keinen Sinn für Mädchen.
Durſt habe ich freilich — ſchicke mir einen Becher
Wein herauf.“
„Ach, richtig, bei Freia, Venus und Maria! du haſt
ja eine Braut über den Bergen am Danubius!
Und du glaubſt, die merkt es gleich und die Treue
248
fet gebroden, wenn bu hier einer Römerdirne in die
Kohlenaugen gudft.
DO lieber Freund, bift du nod jung!
Nun, nun, mits fiir ungut.
Mir fann’s ja recht fein.
Biſt fonft ein guter Gefell und wirft ſchon nod
Glter werden.
Ich fcide dir vom rothen Maſſiker heraus — da
fannft du dann allen ANgunthens Mtinne trinfen.”
Und er wanbdte fid und war rafd in der Schenke
verſchwunden.
Bald brachte ein Sklave dem jungen Gothen einen
Becher Wein; dieſer flüſterte: „All Heil, Allgunthis!“ und
leerte ihn auf einen Zug.
Dann nahm er die Lanze wieder auf die Schulter
und ging auf der Mauer auf und nieder, langſamen
Schrittes.
„Von iby ſinnen und träumen darf ich wenigſtens,“
ſagte er, „das wehrt kein Dienſt.
Wann werd' ich ſie wohl wieder ſehn?“
Und er ſchritt weiter: und blieb dann gedankenvoll
im Schatten des mächtigen Thurmes ſtehn, der ſchwarz
und drohend auf ihn nieder ſah.
Bald nach Hildebad zog eine andre Schar Gothen
vorbei.
Sie führten in der Mitte einen Mann mit vers
bundenen Augen und ließen thn zur Porta - Honorii
hinaus.
249
Es war Profop, ver vergeblid nod) die feftgeftellten
bret Stunden gewartet hatte.
G8 war umfonft: feine Botfdhaft vom König fam:
und mißmuthig verlieR der Gefandte die Stadt.
Des Prafecten fener Plan war, fo fdien e8, an
ber fdlicten Witrde bes Gothenkönigs gefdeitert. —
Und nod eine Stunde verging.
Es war duntler, aber nidt kühler geworbden.
Da erhob fic vom Meere pliglich ein ftarfer Wind:
ftoR aus Süden: er ſchob die ſchwarzen Wolfenballen
mit rafender Gile nad Jorden.
Gie lagerten jest didjt und fdwer über der Stadt.
Aber aud vas Meer, der Gildoften, ward dadurd
nicht fret.
Denn eine gweite, gleiche Wolfenmauer war dort
emporgeftiegen und hatte fic unmittelbar an die erjte
gefdlofjen.
Der ganze Himmel über Meer und Land war jest
Gin ſchwarzes Gewölbe.
Hildebad ging, weinmüde, nach ſeinem Nachtpoſten an
der porta Honorii:
„Noch immer auf Wache, Fridugern?“ rief er dem
jungen Gothen hinauf.
„Und noch immer kein Regen!
Die arme Erde!
Wie ſie dürſten muß! ſie dauert mich!
Gute Wache!“
In den Häuſern war es unleidlich ſchwül: denn der
Wind kam aus den heißen Sandwüſten Afrika's.
250
Die Leute brangten fich, gedngftigt von bem drogen:
ren Ausſehen ves Himmels, hinaus in’s Freie, gogen in
ridten Haufen durd die Stragen oder lagerten ſich in
Gruppen in ven BVorhallen und Säulengängen der
Bafilifen.
Auf den Stufen von Ganct Apollinaris drängte fid
piel Volt zuſammen.
Und e8 ward, obwohl erft Sonnenuntergangsgeit,
pod) völlig dunkle Nacht. —
Auf dem Ruhebett in ihrem Schlafgemach lag Mata⸗
ſwintha, die Königin, mit todesbleichen Wangen, in
ſchwerer Betäubung.
Aber ohne Schlaf.
Die weitgeöffneten Augen ſtarrten in die Dunkelheit.
Nicht eine Silbe hatte ſie auf Aſpa's ängſtliche
Fragen geſprochen und zuletzt die Weinende mit einer
Handbewegung entlaſſen.
Unwillkürlich kehrten in ihrem monotonen Denken
die Worte wieder:
Witichis — Rauthgundis — Mataſwintha!
Mataſwintha — Rauthgundis — Witichis!
Lange, lange lag fie fo und nichts ſchien den une
aufhörlichen Kreislauf dieſer Worte unterbreden zu
können.
Da plötzlich fuhr ein rother Strahl grell und blendend
durch das Gemach und im ſelben Augenblick ſchmetterte
ein furchtbarer Donnerſchlag, ein Donner, wie fle ihn
nie vernommen, grollend, fnatternd, praſſelnd, fradend
itber die bebende Stadt.
251
Der Angftfdret ihrer Frauen ſchlug an ihr Dir:
e fubr empor.
Sie febte fid) aufredjt auf dem Rubebett.
Afpa hatte ihy das Obergemand abgenonmmen.
Gie trug nur nod) das weiffeidne Unterfleid: fie
arf die wallenden Wogen ihres pradtvollen Haares
ber die Schultern und laufdte.
G8 war eine bange Stille.
Lind nod) ein Blig und nod ein Donnerſchlag.
Cin Windſtoß riß beulend das Fenfter von Milch—
(a8 auf, das nad) dem Hofe führte.
Matafwintha ftarrte in die Finfternig hinaus, die
‘Bt jeden Uugenbli€ von grellen Bligen unterbrodjen
urde.
Unaufhörlich rollte der Donner, felbft vas furcht—
are Geheul des Sturmes überdröhnend.
Dex Kampf der Clemente that ihr wohl.
Sie laufdte begterig, auf vie Linke geftitgt und mit
er Rechten langfam über die Stirne ftreichend.
Da eilte Aſpa herein mit Licht.
Es war etne Fadel, deren Flamme im einer gefdlognen
Masfugel brannte.
»Ronigin, du —
Aber, bei allen Göttern, wie ſiehſt du aus.
Wie eine Lemure.
Wie die Rachegöttin!“
wd wollte, id) ware es,“ ſagte Mataſwintha — es
sar das erſte Wort feit langen Stunden, — ohne den
Sid vom Fenfter gu wenden.
252
Und Blig auf Blig und Sdhlag auf Slag.
Afpa ſchloß vas Fenfter.
„O Königin, die Chriftinnen unter deinen Dtagden
fagen: Das fet das Ende der Welt, das da fomme, und
ver Sohn Gottes fteige nieder anf feurigen Wolfen, gu
vidten die Lebendigen und die Todten.
Hub, weld’ ein Blig!
Und nod) tein Tropfe Regen.
Nie hab’ ich fold) ein Unwetter gefebr.
Die Götter zürnen ſchwer.“
„Wehe, wem ſie zürnen.
©, ich beneide ſie, die Götter.
Sie können haffen und lieben, wie's ihnen gefällt.
Und zermalmen ben, der fie nicht wieder liebt.“
wid Herrin, id) war auf der Strafe: ich fomme
grade zurück.
Wes Volk ſtrömt in vie Kirchen mit Beten und
Gingen, den Himmel yu verſöhnen.
Ich bete gu Kairu und Aftarte —
Herrin, beteft du nicht and)?
Ich flude !
Das ift and) gebetet.”
„Oh, weld etn Donnerfdlag! frie die Sklavin und
ftitrgte gitternd in die Rnie’.
Der dunfelblaue Mantel, den fie trug, glitt von ihren
Schultern.
Der Blitz und Donner war ſo ſtark geweſen, daß
Mataſwintha aus den Kiſſen geſprungen und an's Fenſter
geeilt war.
253
„Gnade, Gnade, ihr grofen Götter! erbarmt end
per Mtenfdjen !“ flebte die Afrifanerin.
„Nein,. keine Gnade!
Fluch und Verderben über die elende Menſchheit!
Ha, das war ſchön!
Hörſt du, wie ſie unten heulen vor Angſt auf der
Straße?
Noch Einer, und noch ein Strahl!
Ha, ihr Götter, wenn ein Himmelsgott oder
Himmelsgötter ſind — nur um eins beneid' ich euch —:
um die Macht eures Haſſes, um euren raſchen, geflügel⸗
ten, tödtlichen Blitz!
Ihr ſchwingt ihn mit der ganzen Wuth und Luſt
eures Herzens und eure Feinde vergehn: und ihr lacht
dazu — der Donner iſt euer Gelächter!
Ha, was war das?“
Gin Blitz und ein Donner, der alle frühern über—
traf, judte und fradte.
Afpa fuhr vom Boden auf.
„Was ift das fiir ein grofes Haus, Aſpa? die runfle
Maffe uns gegenitber?
Der Blig hat wohl gezündet — brennt es 2"
„Nein, Dank den Göttern! es breunt nidt!
Der Blitz hat fie nur beleuchtet.
Es find vie Rornfpeider des Königs.“
„Ha, habt ihr fehl gebligt, thy Götter?“
So ſchrie die Königin.
„Auch vie Sterbliden fithren ven Glig ver Bache."
254
Und fie fprang vom Fenfter binweg, — und dads
Gemad war plötzlich dunkel.
„Königin — Herrin — wo biſt — wohin biſt du
verſchwunden?“ rief Aſpa.
Und ſie taſtete an den Wänden.
Aber das Gemach war leer: und Aſpa rief umſonſt
nad ihrer Herrin. — —
Unten auf der Straße wogte nach der Baſilika von
Ganct Apollinaris hin ein frommer Zug.
Ravennaten und Gothen, Kinder und Greife, ſehr
viele Frauen: Knaben mit Fadeln ſchritten voran, hinter
ibnen Priefter mit Kreuzſtangen und Fahnen.
Und purd) tas Brüllen ves Donner und durd das
Pfeifen ves Sturmes fdoll die alte. feierlich ergreifende
Weife :
dulce mihi cruciari,
parva vis doloris est:
malo mori quam foedari:
major vis amoris est.
Die Antwort aber des gweiten Halbdors lautete:
parce, judex, contristatis
parce pecatoribus,
- qui descendis perflammatis
ultor jam in nubibus.
Und der Bittgang verfdwand in der Kirche.
Aud die nächſten Aufſeher ver Kornſpeicher ſchloſſen
ſich dem Zuge an.
Auf ven Stufen ver Baſilika, gerade der Thitr der
2595 \
Speicher gegenitber, ſaß das Weib im braunen Mantel:
til und furchtlos im Aufruhr der Elemente, die Hanvde
tit gefaltet, aber ruhig im Schos liegend.
Der Mann in ver Sturmbaube ftand neben ihr.
Cine gothifde Frau, die in die Kirche eilte, erfannte
le im Schein eines Bliges.
„Du wieder hier, Landsmannin ?
Ohne Obdach?
Ich habe dir doch oft genug mein Haus angeboten!
Du ſcheinſt fremd hier in Ravenna?“
Ich bin fremd.
Doch hab' ich Obdach.“
Komm mit in die Kirche und bete mit uns.“
„Ich bete bier.”
„Du beteft?
Du fingft nicht und fpridft nicht
„Gott hart mid dod.“
„Bete dod) für die Stadt.
Sie fürchten, es fomme das Ende der Welt.”
„Ich fiirdte e8 nidt, wenn es fommt.”
Und bete für unfern guten König, der uns Brod
iebt alle Lage."
vod) bete für thn."
Da tinte der waffenflirrende Schritt von zwei
jothifdjen Runden die ſich an der Bafilifa kreuzten.
„Ei fo donnre, bis du ſpringſt,“ ſchalt der Führer der
inen Gar, aber brumme mir nicht in meinen Befehl.
Haltet an." |
Wifand, du biſt's?
2686
Wo iſt der König?
Wud in der Kirche?“
„Nein, Hildebad, auf ven Wallen.“
„Recht fo, da gehört er bin!
Vorwarts, Heil dem Konig."
Und die Schritte verballten.
Da fam ein rimifder Lehrer mit einigen feiner
Schüler vorbet.
„Aber, Magiſter,“ mahnte der jüngſte, „ich dachte,
du wollteſt in die Kirche?
Warum führſt du uns ſonſt aus dem Hauſe m’'s
rete bet diefem Unwetter?“
„Das fagte id) nur, um end und mid ans dem
Haufe zu bringen.
Was Kirde!
Ich fage dir, je weniger ih Dächer und Mauern
um mid) wei, Ddefto wohler ift mir.
Sd führ' eud) auf die grofe, freie Wiefe im der
Vorftart.
Ich wollte, wir batten Regen.
Ware rer Vefuvius nahe genug, wie in meiner
Heimat, id) vadte, Ravenna werde heut' ein zweites
Herculaneum.
Ich fenne folde Luft, wie fie heute weht — id) traue
nicht!“
Und ſie gingen vorüber.
„Willſt du nicht mit mir gehn, Frau?“ ſprach der
Mann in der Sturmhaube au ver Gothin.
257
Ich muß ſehen, Dromon, unſern Gaſtfreund, jetzt zu
treffen: ſonſt kommen wir dieſe Nacht wieder nicht unter
Obdach.
Ich kann dich nicht allein lafſen im Dunkeln.
Du haſt kein Licht bei dir.“
„Siehſt du nicht, wie mir die Blitze leuchten?
Geh' nur, ich komme nach.
Ich muß noch was zu Ende denken —, zu Ende
beten.“
Und die Frau blieb allein.
Sie preßte beide Hände feſt gegen die Bruſt und
ſah gegen den ſchwarzen Himmel: leiſe nur bewegten
ſich ihre Lippen.
Da war es ihr, als ſähe ſie in den Hoch-Gängen,
Gallerien und Ober⸗Hallen des gewaltigen Holzbau's der
Speicher, die in dunkeln Maſſen ihr gegenüber lagen,
aus dem ſteinernen Rundbau des Circus ragend, ein
Licht auftauchen und hin und wieder, auf und abwärts
wandeln.
Es mußte wohl eine Täuſchung durch die Blige
fein.
Denn jedes frei getragne Licht hatte ber Wind in
den nach Außen offnen Gallerien verlöſcht.
Aber nein: es war doch ein Licht.
Dem in regelmäßigen Zwiſchenräumen wechſelte fein
Aufleuchten und ſein Verſchwinden, wie wenn es haſtigen
Schrittes entlang den Gängen mit ihren verdeckenden
Pfeilern und Halbmauern getragen würde.
Dahn, Cin Kampf um Rom. TI. 17
258
Scharf fah vie Frau nad dem wedfelnden Lidt und
Schatten — —
Aber plötzlich — o Entſetzen — fuhr ſie empor.
Es war ihr: als ſei die Marmorſtufe, auf der fie
gefeſſen, ein ſchlafend Thier geweſen, das, plötzlich er⸗
wachend, ſich leiſe regte, lebendig wurde — und ſchwankte,
— ſtark, — von der Linken zur Rechten. —
Blitz und Donner und Sturm ruhten auf einmal. —
Da ſcholl aus den Speichern ein ſchriller Schrei.
Hell aufflammte das Licht und verſchwand plötzlich. —
Aber auch die Frau auf der Straße ſtieß einen leiſen
Angſtruf aus.
Denn jetzt konnte ſie nicht mehr zweifeln: die Erde
bebte unter ihr! — |
Gin leiſes Buden: und plötzlich zwei, drei ftarfe
Stipe: als hebe ſich wellenfarmig ver Boden von der
Vinten zur Rechten.
Aus der Stadt her tönte Angſtgeſchrei.
Aus den Thüren der Baſilika ſtürzte in Todesangſt
die laut kreiſchende Schar der Beter. —
Noch ein Stoß! —
Die Frau hielt ſich mit Mühe aufrecht. —
Und fernher, von der Außenſeite der Stadt, ſcholl
ein gewaltiges dumpfes Krachen, wie von maſſenhaft
ſtürzenden, ſchweren Laſten.
Ein furchtbares Erdbeben hatte Ravenna heim⸗
geſucht.
Ginundpwansighes Capitel.
Wahrend vie Frau fic) in ver Ridtung jenes dumpfen
SAHlages wandte, drehte fie einen Wugenblid ven Speichern
den Rücken. |
Aber raf wandte fie fid) dieſen wieder yu.
Denn es war ihr, als fei eine ſchwere Thüre zu⸗
gefallen.
Scharf blidte fie bin.
Dod in der tiefen Finſterniß fonnte thy Auge nichts
wahrnehmen.
Nur ihr Ohr hörte etwas ſacht an der Außenmauer
des Gebaudes dahin raſcheln.
Und ſie glaubte, ein leiſes Seufzen zu vernehmen.
„Halt,“ ſchrie die Frau, „wer jammert da?“
„Still, ſtill,“ flitfterte eine feltfame Stimme, vie Erde
Gat darüber — vor Abſcheun — ſich geſchüttelt, gebebr.
Die Erde bebt — die Lodten ftehen auf. —
Es kommt der jiingfte Lag, — der vedt Alles auf. —
Bald wird er's wiffen. —
Oh. —"
260
Und ein tief gejogner Klagelaut — und ein Raufder
von Gewändern — und Stille.
„Wo bift du? bift du wund?“ rief die Fran taftend.
Da gudte ein beller Blig, — der erfte fett bem
Erdſtoß — und zeigte, wor ihren Füßen liegend, einc
verhüllte Geftalt.
Weife und dunfelblaue Frauenkleider. —
Das Weib langte nad) dem Arm der Liegenden.
Aber rafd fprang diefe bet ver Berithrnng auf und
war mit einem Schrei im Dunfel verſchwunden.
Das Ganze war fo raſch und ungebeuerliG wie ein
Traumgeſicht: nur eine breite golone Armfpange, mit emer
grünen Schlange von Smaragden, die in ihrer Gand
juriidgeblieben, war ein Pfand ver Wirklichkeit diefer
unheimlichen Erſcheinung.
Und wieder tönten die ehrnen Schritte der gothiſchen
Wachen.
„Hildebad, Hildebad, zu Hülfe!“ rief Wiſand.
„Hier bin id) — was iſt? wohin ſoll ich?“ fragte
dieſer mit ſeiner Schaar entgegen kommend.
„An das Thor des Honorius!
Dort iſt die Mauer eingeſtürzt und der vicke Thurm
des Aẽëtius liegt in Trümmern. —
Zu Hülfe, in die Lücke!“
„Ich komme — — armer Fridugern.“
261
In vem gleiden Augenblick ſtürmte draugen im Lager
dex Byzantiner Cethegus ver Prifect in das Feldherrn⸗
gelt Belifar’s.
Er war in voller Rüſtung, der purpurduntle Rog:
ſchweif flatterte um feinen Helm.
Geine Geftalt war hod) aufgerichtet.
Feuer leuchtete in feinen Wugen.
„Auf! was faumft du, Feldherr Buftinians?
Die Mauern deiner Feinde ſtürzen von felber ein.
Offen liegt vor dix deS lebten Gothenkönigs letzte
Burg. —
Und du? was thuft pu in veinem Belt? — —“
„Ich verebre die Größe des Allmächtigen!“ fagte
Belifar mit edler Rube.
Antonina ftand neben thm, den Arm um feinen
Maden gefdlungen. —
Cin Betſchemel und ein hohes Kreuz yeigte, in
weldem Chun die wilde Gluth des Prafecten das Paar
geſtört.
„Das thu' morgen. — Nach dem Sieg.
Jetzt aber: ſtürme!“
Jetzt ſtürmen!“ ſprach Antonina, „welcher Frevel!
Die Erde bebt in ihren Grundveſten, erſchüttert und
erſchreckt.
Denn Gott der Herr ſpricht in dieſen Wettern!“
ag ihn ſprechen!
Wir wollen handeln.
Beliſar, der Churm des Aëtius und ein gutes Stiid
Mauer ift eingeftitrt.
262
Ich frage did), willft du ſtürmen?“
„Er hat nidt Unrecht,“ meinte Velifar, im bem dte
Rampfluft erwadte. —
„Aber es ift finftre Nacht. — —,
om Finftern find’ id den Weg zum Sieg und in
tas Herz von Ravenna.
Aud lendten die Blige.“
„Du bift ja ploglich ſehr fanmpfeseifrig ,” zogerte
Belifar.
wa, denn jegt hat's Sermunft it tampfen.
Die Barbaren ſind verblüfft.
Sie fürchten Gott und oetgcfen ihrer Feinde.
Im gleichen Augenblick eilten Profop und Marcus
Lieinius in das Zelt.
‚Beliſar,“ meldete der erſte, „der Erdſtoß bat deine
Zelte am Nordgraben umgeſtürzt und eine halbe Cohorte
Illyrier darunter begraben!“
„Hülfe, Hitlfe! meine armen Lente!“ rief Beliſar
und etlte aus dem Relte.
„Cethegus,“ bericdhtete Marcus, ,aud eine Cohorte
deiner Sfaurier liegt unter ihren Belten verſchüttet.“
Aber ungeduldig, den Helm ſchüttelnd, frug der Pri
fect: ,was ift mit dem Wafjer in vem gothifden Graben
por dem Aétiusthurm? hat ver Erdfpalt es nicht vere
ringert?“
„Ja, das Waſſer iſt verſchwunden — der Graben iſt
ganz trocken.
Horch, das Wehegeſchrei! Deine Iſaurier find’s:. fle
263
ftdhnen nnd wimmern unter der Berſchüttung und ſchreien
um §iilfe.
wag fie ſchreien!“ ſprach Gethegus. Der Graben
ift wirklich troden ?
So lag zum Sturm blafen.
Folge mix mit allen Söldnern, die nod) leben.”
Und unter Blig und Donner, die jest wieder uns
aufhirlich raften, eilte der Prafect zu feinen Schanzen,
wo feine rimifden Legionare und der Reſt der Sfaurier
unter Waffen ftanden.
Raſch itberfah er fie: e8 waren viel gu wenige, um
mit ibnen allein die Stadt zu nehmen. ;
Aber er wufte, dak etn giinftiger Erfolg alsbald
Belifar mit fortreifen würde.
wtidter, Fadeln ber!“ rief er und trat mit etner
Pedhfadel in der Linfen vor die Fronte feiner rimifden
Legionare. |
„Vorwärts,“ befahl er, ,die Schwerter heraus!“
Aber fein Arm rührte fid.
Spradlos vor Staunen und mit Granen blidten
Alle, anch die Führer, and) die Licinter, auf den dämoni⸗
fen Mann, der im Aufruhr ver ganjen Natur nur
an fein Riel dadte und die Elemente, die Schrecken
Gottes, nur als Mtittel anfah zu femem Zweck.
aun, babt ihr anf mid) zu boven, oder anf den
Donner?” rief er.
„Feldherr,“ mabnte ein Genturio vortretend, „ſie
beten.
Denn vie Erde bebt.”
264
„Glaubt ihr, Stalia wird ihre Kinder verfdlingen?
Nein, thr Römer, feht: ver Boden felbft von Italien
erbebt fic) gegen die Barbaren.
Gr bäumt fid), fprengt ihr Bod) und ihre Dtanern
fallen.
Roma! Roma aeterna !“
Das zündete.
Es war eines jener chfarifden Worte, weldje die
Männer und die Waffen fortreifen.
»Roma! Roma aeterna!” riefen guerft die Licinier
dann die Taufende der römiſchen Singlinge: und durd
Nacht und durch Grauen, durch Blig und Donner und
Sturm, folgten fie vem Prafecten, deſſen dämoniſcher
Sdhwung fie mit fortriß.
Die Begeifterung lieh ihnen Fliigel.
Rafd waren fie über den breiten Graben hinweg,
vem fie fonft faum gu naben gewagt. —
Cethegus der erfte am jenfeitigen Mand. —
Die Fadeln hatte der Sturm gelöſcht. —
Sm Finſtern fand er ven Weg.
„Hieher, Licinius,“ rief er, ,mir nad! bier muß die
Wide fein.“ :
Und er fprang vorwärts, rannte aber gegen einen
barten Körper und taumelte zurück.
„‚Was ift das?" fragte Lucius Licinius Hinter ihm,
„eine zweite Mauer?“
„Nein,“ ſprach eine ruhige Stimme von drüben, ,aber
gothiſche Schilde.“
265
„Das ift der König Witichis,“ fagte ver Prafect
grimmig und mak mit bittrem Hak die dunfeln Geftalten.
Cr hatte auf Ueberraſchung gezählt.
Seine Hoffnung war getäuſcht.
Patt’ id ihn,” fprad er grimmig in fid hinein,
ex follte nicht mehr ſchaden.“
Da wurden von riidwarts viele Fackeln fidtbar und
die Crompeten fdhmetterten.
Belifar führte fein Heer gum Sturm gegen den
Mauerſturz.
Prokop erreichte den Präfecten: „Nun, was ſtockt ihr?
Halten euch neue Wälle auf?“
„Ja, lebendige Walle.
Da ſtehen ſie,“ und der Präfect deutete mit dem
Schwert.
Unter den nod fallenden Trümmern, dieſe Gothen! —
Nun wahrlich!“ rief Prokop:
ysi fractus illabatur orbis,
impavidos ferient ruinae! «
Das ſind muthige Männer.“
Aber jetzt war Belifar mit ſeinen dichten, zum An⸗
griff bereiten Scharen heran.
Einen Augenblick noch, — nur die Führer eilten
nod, Befehle ertheilend hin und wieder, — einen Augen:
bli nod und ein furdthares Morden mufte beginnen.
Da erglithte plötzlich der ganze Horizont über der
Stadt.
Cine Flammenfaule ſchoß hoch empor, - und zahlloſe
Funken ftoben nieder. —
bBweiundzwanigſtes Capttel.
Der Konig hatte ven Schutz ver Mauerlücke am
Thurm ves Wétins Hildebad übertragen und war fofort
auf die Brandftatte geeilt.
Als er dort eintraf, fand er das Feuer im Erldſchen
— aber nur aus Mangel an Mabhrung.
Der ganze Inhalt der Speicher, fammt beren Bretters
geriiften, und dem Dah, Alles was durd Feuer zerſtör⸗
bar, war bid auf den legten Splitter und das legte
Korn verbrannt.
Nur die nadten, ruß⸗ und rauchgeſchwärzten Stein⸗
mauern ded urfpriingliden Marmorbaus, des Circus des
Theovofius, ftarrten nod gen Himmel.
Cin Mal des Bligftrahls war an ihnen nicht wahr⸗
gunebmen. |
Das Feuer mute fehr lange Beit von Innen
heraus, wo der Blitz ven Holzbau entgiindet haben
modte, unvermerft fortgeglimmt fein und fic) über alle
Innenräume ves Holzbaus ſchleichend verbreitet haben.
Wis Flammen und Raud) aber gu ven Dachlücken
herausſchlugen, war alle Hülfe gu ſpät.
269
Rradhend war bald darauf der Reft des Holsbaues
zuſammengeſtürzt: die Einwohner batten vollauf zu thun,
die nächſten, thetlweife ſchon vom Feuer ergriffenen Häu⸗
fer zu vetten.
Dies gelang mit Hülfe ves MRegens, welder fur;
vor Tagesanbrud endlich einfiel und dem Sturm, fowie
bem Blitz und Donner ein Ende madte.
Uber ftatt ver Speicher beleudtete die aufgehende
Gonne, als fie das Gewölk jerftreute, nur einen troſt⸗
lofen Hanfen Schutt und Afdhe in der Mitte des Marmor⸗
Rundbaus.
Sdweigend, mit tief gefenttem Haupt, lehnte der
Konig lange Zeit dieſen Ruinen gegenither an einer
Giule ver Bafilifa.
Ohne Regung, nur mandmal den Mantel anf der
madtig arbettenden Bruft gufammen drückend.
Im Aunblick diefer Trimmer war ein ſchwerer Ent:
{Glug in ihm gereift.
Jetzt ward eS grabesftill in feinem Inner.
Uber um ihn her auf dem Plage wogte das Elend
der verzweifelnden Armen von Ravenna betend, fluchend,
weinend, ſcheltend.
„O, was wird jetzt aus uns!“
„O, wie war das Brod ſo weiß, ſo gut, ſo duftend,
bas id) nod) geſtern hier erhielt.“
„O, was werden wir jest effen.”
Bay, der Konig muß aushelfen.“
wa, der Konig mug Rath ſchaffen.
„Der König?“
270
wd, der arme Mann, woher foll er’s nehmen
wat er dod felbft nichts mebr.“
„Das tft feine Gade."
„Er allein hat uns in all die Moth gebracht.“
„Er ift an Alem Schuld.“
„Was hat er die Stadt nidt lang vem Kaiſer über⸗
geben.“
wa wobl, ihrem rechtmäßigen Hern!“
„Fluch den Barbaren!“
„Sie ſind an Allem Schuld.“
‚Nicht alle, nein, der König allein.
Seht ihr's denn nicht?
Es iſt die Strafe Gottes!“
„Strafe? wofür?
Was hat er verbrochen?
Gr gab vem Volke von Ravenna Brod!“
„So wißt ihr's nidt? Wie fann der Ehe⸗Schaͤnder
Gnade Gottes haben?
Der fiindige Mann bat ja zwei Weiber zugleich!
Der ſchönen Matafwintha hat ibn geliiftet.
lind er ruhte nit, bis fie fein eigen war. —
Gein ehlich Weib hat er verftogen.“
Da ſchritt Witichis unwillig vie Stufen herab.
Shn efelte ves Volfes.
Aber fie erkannten feinen Schritt.
„Da ift der Konig!
Wie finfter er blickt,“ riefen fie durcheinander und
widen zur Seite.
„O, ich fürchte thn nidt.
di
—
fe)
271
Ich fürchte den Hunger mehr als feinen Born.
Schaff' uns Brov, Kinig Witichis
Hörſt du's, wir hunger!" ſprach ein zerlumpter
Alter und faßte ihn am Mantel.
„Brod, König!“
.Guter König, Brod!"
‚Wir verzweifeln!“
„Hilf uns!“
Und wild drängte ſich die Menge um ihn.
Ruhig, aber kräftig machte ſich Witichis frei.
„Geduldet euch,“ ſprach er ernſt.
„Bis die Sonne ſinkt, iſt euch geholfen.“
Und er eilte nach ſeinem Gemach.
Dort warteten auf ihn mehrere Diener Mataſwinthens
und ein römiſcher Arzt.
Here," ſprach dieſer mit beſorgter Miene, „die
Königin, deine Gemahlin iſt ſehr krank.
Die Schrecken dieſer Nacht haben ihren Geiſt ver:
wirrt.
Sie ſpricht wirre Fieberreden.
Willſt du fie nicht ſehen?“
Midt jetzt, ſorgt fiir fe.”
„Sie reichte mir," fubr ver Arzt fort, „mit größter
Angſt und Sorge dieſen Schlüſſel.
Er ſchien ſie in ihren Wahnreden am Meiſten zu
beſchäftigen.
Sie holte ihn unter ihrem Ropffifjen hervor.
272
Und fie ließ mid) ſchwören, ihn nur in deme Hand
gu geben, er fet von höchſter Wichtigkeit.“
Mit einem bittern Lächeln nahm der Rinig den
Schlüſſel und warf ihn zur Seite.
„Er ift e8 nicht mebr.
Geht, verlakt mid und fendet meinen Schreiber.“
Cine Stunde fpater ließ Profop den Prafecten in
ras Belt ves Feldherrn eintreten.
Als er eintrat, rief ihm Belifar, ver mit haſt'gen
Schritten auf und nieder ging, entgegen: Das Cunt
von einen Plänen, Prifect!
Bon deinen Miinften! von deinen Lilgen!
Ich hab’ es immer gefagt: vom Lügen kömmt Vers
berben: und td) verftehe mid) nicht d'rauf!
O, warum bin id dir gefolgt!
Jetzt fted’ id) in Noth und Schande!“
„Was bedeuten diefe Tugendreden?“ fragte Cethegus
feinen Freund.
Diefer reidhte ihm einen Brief. wties. Diefe Bare
baren find unergritndlid) in ihrer grofartigen Cinfalt.
Gie ſchlagen ven Teufel durch Rindesfinn ; lies.“
lind Gethegus las mit Staunen.
„Du Haft mir geftern drei Dinge gu wiffen gethan:
Da vie Franken mid verrathen haben.
Daf du im Bund mit den Franken das Weſtreich
deinem undanfbaren Kaiſer entrelRen willft.
Dag du uns Gothen freien Abzug ber die Alpen
ohne Waffen anbieteſt.
Darauf habe ich dir geſtern geantwortet, die Gothen
273
geben nie ihre Waffen ab und raumen nicht Stalien,
vie Eroberung und Crbfdaft ihres grofen Königs: eber
fal’ id bier mit meinem ganjen Heer.
Go habe id) geftern gefproden.
So fprede id) heute nod, obwohl fic) Feuer, Wafer,
Luft und Erde gegen uns empirten.
Aber was id) immer dunkel gefiihlt, hab’ id) heut’
Nacht unter den Flammen meiner Vorrithe flar erfannt:
e8 liegt ein Fluch anf mir.
Um meinetwillen erliegen vie Gothen.
Ich bin das Unglück meines Bolts.
Das foll nidt (anger alfo fein.
Nur meine Krone verjperrte einen ehrenvollen Aus⸗
weg: fie foll’s nicht mehr.
Du erbebft vid) mitt Recht gegen Buftinian, den
treulofen und undanfbaren Mann.
Er ift unfer Feind wie deiner.
Wobhlan: ſtütze did), ftatt auf etn Heer der falſchen
Granfen: auf das ganze Voll ver Gothen, deren Kraft
und Treue dir befannt.
Mit jenen follft du Stalien theilen: mit uns kannſt
du es ganz bebalten.
Lak mid) den Erſten fein, ver dich begrüßt wie als
Raifer des Abendlands fo als Konig ver Gothen.
Alle Rechte bleiben meinem Volf, du trittit einfad)
an meine Stelle.
Ich felber fege dir meine Krone auf das Haupt und
wahrlich: fein Juſtinian foll fie div entreifen.
Dahn, Cin Rampj um Rom. LL. 18
274
Berwirfft bu viefen Antrag: fo mache vid gefaßt auf
einen Kampf, wie du nod) feinen gekämpft.
Sd brede dann mit fiinfigtaufend Gothen in vem
Lager.
Wir werden fallen.
Aber aud) vein ganzes Heer.
Eins oder das Andre.
Sd) hab's gefdworen.
Wähle.
Witichis.“
Einen Augenblick war ver Präfect auf's Furchtbarſte
erſchrocken.
Raſch hatte er einen forſchenden Blick auf Beliſar
geworfen.
Aber dieſer Eine Blick beruhigte ihn wieder ganz.
„Er iſt ja Beliſar,“ ſagte er ſich abermals.
„Aber gefährlich iſt es immer, mit dem Teufel ſpielen.
Welche Verſuchung! —“
Er gab den Brief zurück und ſagte lächelnd:
„Welch ein Einfall!
Wozu doch die Verzweiflung führt.“
„Der Einfall,“ meinte Prokop, „wäre gar fo übel
nicht, wenn —.“
„Wenn Beliſar nicht Beliſar wäre,“ lächelte Cethegus.
„Spart euer Lachen,“ ſchalt dieſer.
„Ich bewundre den Mann.
Und es darf mich nicht mehr beleidigen, daß er mich
der Empörung fähig hält.
Hab' ich es ihm doch ſelber vorgelogen.“
275
Und er ftampfte mit dem Fug.
Rathet jegt und belft!
Denn ihr habt mich in diefe leivige Wahl geffthrt.
Sa fagen fann ich nicht.
Und fag’ id) nein: — darf ich des Raifers Heer als
vernichtet anfeb’n.
Und mug obenein befennen, dak ic) die Empdrung
nur erfogen." ;
Sethegus fann fdweigend nad, das Rinn mit der
infen langfam ftreidend.
Plötzlich durchblitzte ihn ein Gedanke.
Ein Strahl der Frende flog verſchönend über ſein
Geſicht: „ſo kann ich ſie beide verderben!“
Er war in dieſem Augenblick ſehr mit ſich zufrieden.
Aber erſt wollte er Beliſar ganz ſicher machen.
„Du kannſt vernünftigerweiſe nur zwei Dinge thun,“
ſagte er zaudernd.
„Rede: id) ſehe weder eins nod) das andre.“
„Entweder wirklich annehmen —"
„Präfect,“ rief Beliſar grimmig und fuhr an's Schwert.
Prokop hemmte erſchrocken ſeinen Arm. —
„Keinen ſolchen Scherz mehr, Cethegus, fo lieb dir
dein Leben.” .
oder,” fubr diefer rubig fort, „züͤm Gein an:
nebmen.
Ohne Schwertſtreich einziehn in Ravenna.
Und — — die Gothenfrone fammt dem Gothen⸗
tinig nad) Byzanz ſchicken.“
Das ift glänzend!“ rief Prokop.
276
„Das ift Verrath!“ rief Velifar.
„Es ift beides,” fagte Cethegus rubig.
„Ich könnte dem Gothenvolf nidt mehr in tie Augen
ſehn.“
„Das iſt auch nicht nöthig.
Du führſt den gefangnen König nach Byzanz.
Das entwaffnete Volk hört auf, ein Volk zu ſein.“
„Nein, nein, das thu' ich nicht.“
„Gut. So laß dein ganzes Heer Teſtamente machen.
Leb wohl, Beliſar.
Ich gehe nach Rom.
Ich habe durchaus nicht Luſt, fünfzigtauſend Gothen
in Verzweiflung kämpfen zu ſehen.
Und wie wird Kaiſer Juſtinianus den Verderber
ſeines beſten Heeres loben!“
„Es iſt eine furchtbare Wahl,“ zürnte Beliſar.
Da trat Cethegus langſam auf den Feldherrn zu.
„Beliſar,“ ſprach er mit gemüthvoller, tief aus ber
Bruſt geſchöpfter Stimme: ,du haſt mid oft für deinen
Feind gehalten.
Und ich bin zum Theil dein Gegner.
Aber wer kann neben Beliſar im Feld geſtanden ſein,
ohne den Helden zu bewundern?“
Und ſeine Weiſe war fo feierlich und ſalbungsvoll,
wie man fie nie an dem ſarkaſtiſchen Präfecten fab.
Belifar war ergriffen und felbft Profop erftaunte.
„Ich bin dein Freund, wo id es fein fann.
Und will dir diefe Freundſchaft in diefem Augenblict
durch meinen Rath bewähren.
207
Glaubft pu mir, Beliſarius?“
Und er legte die linfe Hand auf des Selden Schulter,
bot ihm treuherzig die Rechte, und ſah ihm tief in's
Auge.
Ja,“ ſagte Beliſar, „wer könnte ſolchem Blick miß⸗
trauen.“
„Siehe, Beliſar, nie hat ein edler Mann einen
mißtrauiſchern Herrn gehabt als Du. —
Der letzte Brief des Kaiſers iſt vie ſchwerſte Kränkung
deiner Treue.“
Das weiß der Himmel."
„Und nie bat ein Mann,“ — hier fagte er thn an
beiden Handen — ‚herrlichere Gelegenheit gehabt, das
ſchnödſte Mißtrauen zu befdamen, fid auf's Glorreidfte
zu rächen, ſeine Treue ſonnenklar zu zeigen.
Du biſt verläumdet, du trachteteſt nach der Herrſchaft
des Abendlandes.
Wohlan, bei Gott: du haſt ſie jetzt in Händen.
Zieh' in Ravenna ein, laß dir von Gothen und
Italiern huldigen und zwei Kronen auf dein Haupt ſetzen.
Ravenna dein, dein blindergebnes Heer, die Gothen,
die Italier — wahrlich, du biſt unantaſtbar.
Juſtinian muß zittern zu Byzanz und ſein ſtolzer
Narſes iſt ein Strohhalm gegen deine Macht.
Du aber, der du all' dies in Händen haſt, — du legſt
all' die Macht und all' die Herrlichkeit deinem Herrn zu
Füßen und ſprichſt:
Siehe, Juſtinianus, Beliſar iſt lieber dein Knecht
als der Herr des Abendlands.
276
„Das ift Verrath!” rief BVelifar.
„Es -ift beides," fagte Cethegus rubig.
„Ich könnte dem Gothenvolk nidt mehr in tie Augen
ſehn.“
„Das iſt auch nicht nöthig.
Du führſt den gefangnen König nach Byzanz.
Das entwaffnete Volk hört auf, ein Volk gu fein.“
„Nein, nein, das thu’ id nicht.”
„Gut. So lak dein ganzes Geer Teftamente maden.
Leb wohl, Belifar.
Ich gehe nad Rom.
Ich habe durchaus nicht Luft, fiinfigtaufend Gothen
in Bergweiflung kämpfen gu feben.
Und wie wird Raifer Suftinianus den Verderber
ſeines beften Heeres {oben |”
„Es ift eine furdjtbare Wahl,“ zürnte Beliſar.
Da trat Cethegus langſam auf den Feldherrn zu.
„Beliſar,“ ſprach ex mit gemüthvoller, tief aus der
Bruſt geſchöpfter Stimme: „du haſt mich oft für deinen
Feind gehalten.
Und ich bin zum Theil dein Gegner.
Aber wer kann neben Beliſar im Feld geſtanden ſein,
ohne den Helden zu bewundern?“
Und ſeine Weiſe war fo feierlich und ſalbungsvoll.
wie man ſie nie an dem ſarkaſtiſchen Präfecten ſah.
Beliſar war ergriffen und ſelbſt Prokop erſtaunte.
„Ich bin dein Freund, wo ich es ſein kann.
Und will dir dieſe Freundſchaft in dieſem Augenblic
durch meinen Rath bewähren.
277
Glaubft pu mir, Beliſarius?“
Und er legte die linfe Hand anf des Selden Schulter,
bot ihm treuherzig die Rechte, und ſah ihm tief in's
Auge.
Ja,“ ſagte Beliſar, „wer könnte ſolchem Blick miß⸗
trauen.“
„Siehe, Beliſar, nie hat ein edler Mann einen
mißtrauiſchern Herrn gehabt als Du. —
Der letzte Brief des Kaiſers iſt die ſchwerſte Kränkung
deiner Treue.“
„Dab weiß der Himmel.“
„Und nie hat ein Mann,“ — hier faßte er ihn an
beiden Händen — ,herrlichere Gelegenheit gehabt, das
ſchnödſte Mißtrauen zu beſchämen, ſich auf's Glorreichſte
zu rächen, ſeine Treue ſonnenklar zu zeigen.
Du biſt verläumdet, du trachteteſt nach der Herrſchaft
res Abendlandes.
Wohlan, bei Gott: du haſt ſie jetzt in Händen.
Zieh' in Ravenna ein, laß dir von Gothen und
Italiern huldigen und zwei Kronen auf dein Haupt ſetzen.
Ravenna dein, dein blindergebnes Heer, die Gothen,
vie Italier — wahrlich, du biſt unantaſtbar.
Juſtinian muß zittern zu Byzanz und ſein ſtolzer
Narſes iſt ein Strohhalm gegen deine Macht.
Du aber, der du all' dies in Händen haſt, — du legſt
all’ die Macht und all’ vie Herrlichkeit deinem Herrn gu
Füßen und fpridft:
Siehe, Juſtinianus, Belifar ift lieber dein Knecht
als ver Serr des Abendlands.
278
So glorreth, Belifar, ward Treue nod nie auf
Erden erprobt.“ ,
Cethegus hatte das Herg feines Herzens getroffen.
Sem Auge leuchtete.
‚Recht haft bu, Gethegus, fomm an mein Herz, hab’
Dant.
Das ift grok gedacht.
OD, Suftinian, du follft vor Sdam vergebhn !“
Cethegus entzog fic) Der Umarmung und ſchritt zur
Thüre.
Armer Witichis,“ flüſterte Prokop ihm yu; er wird
dieſem Muſterſtück von Treue aufgeopfert. —
Jetzt iſt er verloren.“
wa," ſagte Cethegus, „er iſt verloren, gewiß.“
Und draußen vor dem Zelt warf er den Mantel
über die linke Schulter und ſprach:
weber gewiſſer noch du ſelber, Beliſar.“
In ſeinem Quartier trat ihm Lucius Licinius gerüſtet
entgegen.
„Nun, Feldherr,“ fragte er, ,die Stadt iſt noch nicht
übergeben. Wann geht's zum Kampf?“
„Der Kampf iſt aus, mein Lucius.
Leg’ deine Waffen ab und gitrte did, gu reifen.
Du gebft nod heute mit geheimen Briefen von
mir ab."
wan wen
279
wan den Rafer und die Raiferin.”
„Nach Byzanz?“
„Nein, zum Glück find fie ganz nab, in ven Bädern
von Epidaurus.
Eile dich.
In fünfzehn Tagen mußt du zurück ſein, nicht
einen halben fpater.
Staliens Schickſal harrt auf veine Wiederfunft.“
Sowie Profop miinvlid die Antwort Belifar’s dem
Gothentinig überbracht, berief vdiefer in feinen Palaft
pie Führer des Heeres, die vornehmften Gethen und
eme Anzahl von vertrauten einfach Freien, theilte ihnen
das Geſchehene mit und forderte ihre Buftimmung.
Wohl waren fie anfangs mächtig überraſcht: und ein
Schweigen des Staunens folgte auf feine Worte.
Endlich fprad Herzog Gunthari8, mit Rührung auf
den Konig blidend:
| „Die legte deiner Königsthaten, Witichis, ift fo edel,
ja edler als alle deine fritheren.
Dich bekämpft gu haben werd’ ic) ewig berenen.
Ich habe mir lange gefdworen, e8 ju fiihnen, indem
id) dir Blindlings folge.
Und wahrlich: in diefem Fall halt pu gu entſcheiden:
denn du opferft das Höchſte: eine Krone.
Soll aber ein Andrer als du König fein, — letdter
280
migen die Walfungen einem Fremden, einem Belifar al’
einem Gothen nachſtehn.
Und ſo folg' ich dir und ſage: ja, du haſt gut und
groß gehandelt.“
„Und ich ſage nein! und tauſendmal nein!“ rief
Hildebad.
Bedenkt, was ihr thut!
Ein Fremder an der Spitze der Gothen!“
„Was iſt das Andres, als was andre Germanen vor
uns gethan, Quaden und Heruler und Markomannen?“
ſagte Witichis ruhig, „ja was Andres, als was unſre
glorreichſten Könige und ſelbſt Theoderich gethan?
Sie leiſteten dem Kaiſer Waffendienſt und erhielten
dafür Land.
So lautet der Vertrag, nach dem Theoderich Italien
von Kaiſer Zeno nahm.
Ich erachte Beliſar nicht geringer als Zeno und mich
wahrlich nicht beſſer als Theoderich.“
„Ja, wenn es Juſtinian wäre,“ fügte Guntharis bei.
„Nie unterwerf' ich mich dem feigen und falſchen
Tyrannen.
Aber Beliſarius iſt ein Held. —
Kannſt du das leugnen, Hildebad?
Haſt du vergeſſen, wie er dich vom Gaul gerannt?“
„Schlag mich der Donner, wenn ich's ihm vergeſſe.
Es iſt das Einzige, was mir an ihm gefallen hat.“
„Und das Olid iſt mit ihm, wie mit mir das Un-
glück war.
281
Und wir bleiben frei wie bisher und ſchlagen nur
fine Schladten gegen Byzanz.
Er wird uns Rade ſchaffen an dem gemeinfamen
Feind.“
Und faſt alle Verſammelten ſtimmten bei.
„Nun, id kann end nicht in Worten widerlegen.“
rief Hildebad. —
Bon je hab’ id die Bunge ungefüger, als die Art
gefiibrt. —
Wber id) fühl' es deutlich: thr habt Unrecht. —
Hätten wir nur den ſchwarzen Grafen hier: der
würde ſagen können, was ich nur ſpüre.
Mögt ihr's nie bereuen!
Mir aber ſei's vergönnt, aus dieſem ungeheuerlichen
Miſchreich davon zu gehn.
Ich will nicht leben unter Beliſar.
Ich zieh' auf Abenteuer in die Welt: mit Schild und
Speer und groben Hieben kömmt man weit.“
Witichis hoffte, den treuen Geſellen in vertrautem
Geſpräch wohl noch umzuſtimmen.
Er fuhr jetzt in der Sache fort, die ihm ſo ſehr am
Herzen lag.
oor Allem hat ſich Beliſar Schweigen ausbedungen,
bis er Ravenna beſetzt hat.
Es ſteht zu fürchten, daß einige ſeiner Heerführer
mit ihren Truppen von einer Empörung gegen Juſtinian
nichts wiſſen wollen.
Dieſe, ſowie die verdächtigen Quartiere von Ravenna.
282
niiiffen von den Gothen und den verliffigen Anhängern
Beliſar's umftellt fein, ehe die Entſcheidung fällt.“
„Hütet euch,“ warnte Hildebad, „daß ihr nicht ſelbſt
in dieſe Grube fallt!
Wir Gothen ſollen uns nicht auf's Fein⸗Spinnen
verlegen.
's iſt, wie wenn der Waldbär auf das Seil ſteigt —
er fällt doch über kurz oder lang.
Lebt wohl — mög' es beſſer ausfallen als ich ahne.
Ich gehe, von meinem Bruder Abſchied zu nehmen.
Der, wie ich ihn kenne, wird wohl mit dieſem
Römer⸗Gothen⸗Staate ſich verſöhnen.
Der ſchwarze Teja aber, vent’ ic), zieht mit mir
davon.“ —
Am Abend durchlief die Stadt das Gerücht von einer
Capitulation.
Die Bedingungen waren ungewiß.
Aber gewiß war, daß Beliſar auf Verlangen des Königs
große Vorräthe von Brod, Fleiſch und Wein in die Stadt
ſchickte, welche an die Armen vertheilt wurden.
„Er hat Wort gehalten!“ ſagten dieſe und ſegneten
den König.
Dieſer erkundigte ſich nun nach dem Befinden der
Königin und erfuhr, daß ſie ſich langſam wieder beruhige
und erhole.
283
„Geduld: — ſprach Witichis aufathmend — anc) fie
wird bald fret und meiner lerig.“
Es dunkelte bereits, als eine ftarfe Scar berittner
Gothen fid) aus der innern Stadt nad ver Mauerliide
am Thurm des Aëtius wandte. —
Gin flanger Reiter voran: dann eine Gruppe, welche
auf quergelegten angen eine mit Tüchern und Mänteln
verhüllte Laft in ſchweren Kiſten trug.
Dann ver Reft der ftart geriifteten Männer.
„Auf mit dem Ytothriegel! rief ver Führer, wir
wollen binans."
wou biſt es, Hildebad?“ rief rer Wade haltenve
Graf Wifand, und gab Befehl gu öffnen.
„Weißt dw ſchon, vie Stadt wird morgen übergeben.
Wo wilt du bin?"
„In die Freiheit!“ rief Hildebad und gab feinem
Rok die Sporen.
Dreiundpwansigftes Capitel.
Mehrere Tage waren vergangen, bis die Konigin
Matafwintha ſich aus den wirren ieberphantafien und
aus dem von wilden Träumen gequalten Schlummer,
ver auf diefelben gefolgt war, erhoben hatte.
Theilnahmslos und ftumpf ftand fie der ganjen
AuKenwelt und den gewaltigen Entſcheidungen gegenitber,
welde fid) damals vorberetteten. :
Gie ſchien feine Empfindung mehr zu haben, ald
nas eine Gefiihl ihrer ungebenern frevelhaften Thaten.
Und rafd hatte fid) ver wild frohlodende Triumph
des Haffes, mit weldem fie die Fadel in der Hand durd
pie Nacht geftiirmt war, in zerftdrende Rene, in Graven
und Entſetzen verwandelt.
Sn vem Augenblid, ba fie die arge That gethan,
hatte fie der Erdſtoß in die Kniee geworjen: und thr von
allen Leidenfdaften erregter Ginn, ihy im Moment des
vollendeten Frevels erwachendes Gewiffen glaubte, vie Erde
wolle fic iiber ihre Unthat empören: und fie fah die Mache
des Himmels herembreden über ihr ſchuldiges Haupt.
Und als fie nun, in ihrem Gemache wieder angelangt,
285
alsbald die Lohe, welche ihre Hand entzündet, riefengrog
emporfteigen fab, als fie tas taufendftimmige Wehegeſchrei
ter Ravennaten und Gothen vernahm, da fdien jere
Flamme an ihrem Herzen zu nagen und jeve ver flagenden
Stimmen fie 3u verfluden.
Sie verlor ras Bewuftfein: fie brach zuſammen
unter den Folgen ihrer That.
Als fie vie Befinnung wieder gefunden und fic alle
malig des Geſchehenen wieder erinnert hatte, war die
Kraft ihres Haffes gegen ven König villig gebrodjen.
Shre Seele war gefnict.
Rieffte Rene über ihre That, zitternde Scheu, je
wieder vor fein Antlig treten gu follen, erfiillte fie ganz.
Um fo mehr, als fie felbft wufte und von allen
Seiten vernahm, wie ver Untergang ver Magazine den
Rénig zur CErgebung an feine Feinde zwingen werre.
Ihn felbcr fah fie nidt.
And als ex einmal einen Augenklid Beit fand, per:
{anlid nad ihrem Buftand in ihren Gemadern ſich yu
erfundigen , befdiwor fie die ftaunente Aſpa, um feinen
Preis den Konig vor ihr Untlig treten zu laffen: obs
wohl fie wieder feit mebreren Tagen das Lager verlaffen
und haufig arme Leute aus ver Stadt empfangen hatte,
ja vie Darbenden auffordern ließ, fic bet ihr gu
melden.
Sie pflegte dann eigenhändig die für ſie und ihren
Hof beſtinmten Speiſen und mit maßloſer Freigebigkeit
Schmuck, Gold und Koſtbarkeiten an ſie zu vertheilen.
Solchen Beſuch eines Bettlers erwartete ſie, als ein
Dreiundpwansigftes Capitel.
Mehrere Tage waren vergangen, bis die Konigin
Matafwintha fid aus den wirren Fieberphantafien und
aug dem von wilden Träumen gequalten Schlummer,
ber auf diefelben gefolgt war, erhoben hatte.
Theilnahmslos und ftumpf ftand fie der ganjen
AuKenwelt und den gewaltigen Cntfdeidungen gegeniiber,
welde fic) damals vorbereiteten. ;
Gie ſchien feine Empfindung mehr zu haben, ald
pas eine Gefiihl ihrer ungeheuern frevelhaften Thaten.
Und raſch hatte fid) ver wild frohlodende Triumph
des Haffes, mit weldem fie die Fadel in ver Hand durd
vie Nacht geftiirmt war, in zerſtörende Rene, in Granen
und Entfesen verwandelt.
Sn dem Wugenblid, va fie die arge Tha gethan,
hatte fie der Erdſtoß in vie Kniee geworfen: und ihr von
allen Leidenſchaften erregter Ginn, ihr im Moment ves
vollenteten Frevels erwachendes Gewiffen glaubte, die Erde
wolle fic) iiber thre Unthat empören: und fie fab die Rache
des Himmels hereinbreden über thy fchuldiges Haupt.
Und als fie nun, in ihrem Gemache wieder angelangt,
285
alsbald die Lohe, welde ihre Hand entzündet, rieſengroß
mporfteigen fab, als fie tas taufendftimmige Wehegeſchrei
vr Ravennaten und Gothen vernahm, da fdien jeve
Flamme an ihrem Herzen yu nagen und jede ver flagenden
Stimmen fie gu verfluden.
Sie verlor ras Bewuftfein: fie brad) zuſammen
unter den Folgen ihrer That.
Als fie die Befinnung wieder gefunden und fic all
malig res Gefdehenen wieder erinnert hatte, war die
Kraft ihres Gaffes gegen ven König villig gebrodjen.
Shre Seele war gefnidt.
Tieffte Reue über ihre That, gitternte Scheu, je
wieder vor fein Antlig treten gu jollen, erfiillte fie ganz.
Um fo mebr, al8 fie felbft wufte und von allen
Seiten vernahm, wie der Untergang der Magazine den
König zur Ergebung an feine Feinde zwingen werde.
Ihn felber ſah fie nidt.
Auch als er einmal einen Augenblid Beit fand, per-
ſönlich nad ihrem Buftand in ihren Gemächern ſich gu
erkundigen, beſchwor fie die ftaunenve Ufpa, um feinen
Preis den Konig vor ihr Antlig treten zu laffen: ob-
wohl fie wieder feit mehreren Tagen das Lager verlafjen
und häufig arme Leute aus der Stadt empfangen hatte,
ja die Darbenden anffordern ließ, fic) bet ihr gu
melden.
Sie pflegte dann eigenhandig die fiir fie und ihren
Hof beftimmten Speifen und mit maflofer Freigebigkeit
Schmuck, Geld und Koftbarfeiten an fie yu vertheilen.
Colden Befud) eines Bettlers erwartete fie, als ein
286
Mann in braunem Mantel und einer Sturmbaube
widerholt und dringend fie um die Gnade gebeten hatte,
fie möchte nicht ihm, fondern einer armen Frau ihres
Bolfes die Gunft einer Unterredung ohne Beugen ges
währen.
„Es gelte des Königs Heil: es gelte zu warnen vor
thätigem überführbarem Berrath, der feine Krone, viele
leicht fein Leben, bedrobe.
Matafwintha gemabhrte eifrig die Bitte. ---
Modte es ein Srrthum, ein Vorwand fein: ſie
urfte nidt mehr abweifen, was aud nur mit dem
Vorwand fener Rettung an fte trat.
Auf Sonnenuntergang beftellte fie nas Weib. —
Die Gonne war gefunten.
Der Süden fennt faft feine Dämmerung.
Es war finfter beinahe, als der don lange im Vorſal
harrenden Frau eine Slavin wintte.
Die Königin, tranf und fdjlaflos des Nachts, habe
erft gur adten Stunde Schlummer gefunden.
Shen erft erwacht fet fle febr ſchwach.
Gleichwohl folle vie Bittende vorgelaffen werden, da
e8 rem König gelte.
„Iſt das aber aud) gewiß wahr?“ forfdte die Stlavin.
Midht unniig möcht' ih meine Herrin mühen:“
— e3 war Afpa — , wenn ihr nur Gold damit erliften
wolltet, fagt e8 mir fret.
Shr follt mehr haben als ihr begehrt — nur ſchont
meine Herrin.
Gilt es vem König wirklid 2“
}
287
C8 gilt dem König!“
Seufzend führte Afpa vie Frau in das Gemad
Ratafwinthen’s.
Diefe erhob ſich, das Haupt und Haar von dichtem
Tud umwunden, gang in leidtes, weißes Kranfengewand
gefleidet, im Hintergrund des großen Gemades von dem
Lager, an weldem ein runder Moſaiktiſch ſtand.
Die golone Ampel, welche her demfelben in die Wand
eingelaffen war, brannte bereits mit mattem Vidt.
Aber fie blieh anf rem Rand ves Lagers mide figen.
Tritt naber," fprad fie.
„Es gilt bem König? warum zögerſt du?
Rede.”
Das Weib veutete auf Afpa.
note tft verſchwiegen und tren.“
„Sie ift ein Weib.”
Auf einen Wink Matafwinthen’s entfernte fic) ungern
bas Marden.
»Amelungentodter — id) wei}: nur ded Reides Noth,
nidt Liebe, hat did) gu ihm gefithrt. —
(Wie wunderſchön fie ift, obzwar todesblag !)
Dod, Gothenfsnigin bift bu: feine Königin — ob
bu ibn aud nicht liebſt: — fetn Reich, fein Sieg muß
pir dad Höchſte fein.”
Matafwintha griff nad) der Goldlehne des Lagers.
„So denkt jede Vettlerin im Gothenvolk!“ ſeufzte fie.
Su ihm fann ich nicht ſprechen.
Ans eignen Grilnden.
288
So fpred’ ich denn zu dir, der es am Meiſten
guftebt, ihn vor BVerrath gu warnen. Höre mid.”
Und fie trat naber, fdarf auf die Königin blickend.
„Wie feltfam, ſprach fie zu fich felbft. „Welche Aehn-
lidjfeit der Geſtalt.“
„Verrath! Noch mehr Verrath?“
„So ahnſt auch du Verrath?“
„Gleichviel. Von wem?
Von Byzanz?
Von Außen?
Von dem Präfecten?“
„Nein,“ ſprach das Weib kopfſchüttelnd.
„Nicht von Außen.
Von Innen.
Nicht von einem Mann.
Von einem Weib.“
„Was redeſt du?“ ſprach Mataſwintha, noch bleicher
werdend.
„Wie kann ein Weib —“
„Dem Helden ſchaden?
Durch hölliſche Bosheit des Herzens!
Nicht mit Gewalt.
Mit Liſt und Verrath.
Vielleicht bald mit heimtückiſchem Gift, wie ſchon
geſchehn — mit heimtückiſchem Feuer.“
„Halt em!"
Mataſwintha, die ſich erhoben hatte, wankte zurück
an den Moſaiktiſch, ſich daran lehnend.
Aber das Weib folgte ihr, leiſe flüſternd:
289
‚Wiſſe das Unglaublide, das Schändliche!
Der Konig glaubt und das Boll: der Blige ves
Himmels habe fein Korn verbrannt.
3d aber weiß es beffer.
Hind aud) Gr foll es wifjen.
BWiffen, gewarnt durd deinen Mund, zu erforfden
und gu entwaffnen die Bosheit.
Ich fah in jener Nacht eine Fadel durch vie Speiders
gange eilen und ein Weib hat fie hineingefdleudert.
Du fdauderft?
Sa, en Weib.
Du wilft hinweg?
Nein, hive nur noch ein Wort.
Dann will ich did lafjen.
Den Namen? .
Sh weiß ihn nicht.
Uber fie brad vor mir jufammen und entfam mir:
dod verlor fie als Wahrzeiden, als Erkennungszeichen —
diefe Sdhlange von Smaragd.” |
Lind die Frau trat hart an den Tiſch, dict unter
ben Schein der Ampel, ven Armreif erhebend.
Da fubr die Gepeinigte hod) empor.
Vor vas Antlig hob fie die beiden nadten Arme. —
Bon der haftigen Bewegung fiel vie Kopfhülle.
Shr rothes Haar fluthete nieder und durch das Haar
hindurch fdimmerte an threm linfen Arm eine Goldfpange
mit fmaragdner Schlange.
Da!” frie das Weib laut auf. ,Bei'm Gott der
Treue!
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 19
290
ou! Du felber bift’s!
Seine Réinigin!
Gein Weib hat ihn verrathen!
Fluch itber vid)! Das foll er wiffen'” .
Mit gellendem Auffdret fiel Mtatafwintha auf ihr
Antlig in vie Kiſſen zurück.
Der Schrei bradjte Aſpa ans rem Nebengemad yur
Stelle.
Uber als fie eintrat, war die Königin fdon allein.
Der Vorhang des Cingangs raufdte.
Die VBettlerin war verfdwunden.
Vierundwanzigſtes Capitel.
Am andern Morgen fdon ſahn vie Ravennaten mit
Staunen Profop, Johannes, Demetrius, Beſſas, Ucacius,
Vitalius und eine Reihe andrer belifarifder Heerfithrer in
ten Palaft des Königs ziehn.
Sie beriethen dort mit ihm die naberen Bedingungen
und die Formen der Uebergabe.
Unter ven Gothen verlautete einftweifen nur: der
Friede fei geſchloſſen.
Die beiden Hauptwünſche, um deren willen das Volk
den ganzen ſchweren Kampf getragen, würden erreicht:
ſie würden frei ſein und im ungetheilten Beſitz des ſchönen
Südlands bleiben, das ihnen ſo theuer geworden war.
Das war weitaus Mehr als nach dem ſchlimmen Stand
der gothiſchen Sache ſeit dem Abzug von Rom und dem
unvermeidlich gewordnen Verluſt von Ravenna zu evs
warten war.
Und vie Haupter der Sippen und fonft die einflup-
reidhften Männer im Heere, weldje jest von dem bevor⸗
ftehenden Schritt Belijar’s verftandigt wurden, billigten
vollſtändig die befdloffnen Beringungen.
19°
292
Die Wenigen, welde die Buftimmung weigerten,
erbielten freien Whjug aus Ravenna und Italien.
Aber aud abgefehen hiervon, wurde das in Ravenna
ftehende Gothenheer nad allen Richtungen zerſtreut.
Witichis ſah die Unmiglicfeit ein, in der ausgefognen
Landfdhaft auger den Truppen BVelifar’s mit defjen Vor⸗
rathen aud) nod bas gothifde Heer und die Bevölkerung
gu verforgen: und fo bewilligte er die Forderung Beliſar's,
daß die Gothen, in Gruppen von Hunderten und Tanfens
den, gu allen Thoren der Stadt hinaus gefiihrt und in
allen Ridtungen nad ihren Heimftatten entlafjen würden.
Beliſar fiirdhtete ven Ausbruch gothiſcher Versweiflung,
wenn Der arge Verrath, den man gegen fie vor hatte,
rudtbar würde: und er wünſchte deßhalb vie Vertheilung
des aufgeldften Heeres.
War er einmal im fidern Befig von Ravenna, fo
hoffte ex etwaige Erhebungen auf dem fladen Lande
leicht gu Dampfen. .
Und Tarvifium, Verona und Licinum, die legten
feften Plage ver Gothen in gang Stalien, fonnten dann
nidt lange mehr feiner gefanunten gegen fle gewendeten
Macht widerftehen.
Dte Ausfithrung dieſer Maßregeln erforderte mehrere
Lage Beit.
Erft als nur mehr wenige Mann Gothen in Ras
penna verfammelt waren, beſchloß Belifar ſeinen Einzug.
Und aud) von diefem geringen Reft wurde die Halfte
in das byzantiniſche Lager verlegt, die andre Halfte in
ven Qluartieren der Statt vertheilt unter rem Vorwann,
_ 293
ven etwaigen Widerftand von hartnadigen Anhängern
Juftinian’s gu brechen.
Was aber die Ravennaten und die in den Plan
nidt eingeweihten Gothen am Meiſten wunderte, war,
daß nad) wie vor die blaue gothifde Fahne auf den
Binnen ves Palaftes webte.
Freilich ftand ein Lanzenträger Belifar’s dort oben
bet ihr Wache.
Denn aud ver Palaft war fdon voll von Byzan⸗
tinern.
Gegen einen etwaigen Verſuch des Prafecten, fid
wie in Rom durd Befesung der widtigften PBuncte yum
Herm ver Stadt gu mtaden, hatte Belifar vorfidtige
Maßregeln getroffen.
Cethegus durchſchaute fie und lächelte.
Gr that nichts dagegen.
Am Morgen ves gum Einzug beftimmten Tags trat
Gethegus in glanjender Rüſtung in das Belt Beliſars.
Gr traf nur Prokop.
„Seid ihr bereit?“ fragte er.
Vollſtändig.“
„Welches iſt der Moment?“
„Der Augenblick, in dem ver König im Schloßhof
zu Pferde ſteigt, uns entgegenzureiten.
Wir haben Alles bedacht.“
‚Wieder einmal Alles?" lächelte ver Präfect.
„Eins habt ihr mir vod) nod) übrig gelaſſen.
Es wird nicht ausbleiben, daß die Barbaren, ſowie
—
294
unfer Blan gelungen und befannt ift, im ganzen Land
in beller Wuth auflodern werden.
Mitleid und Rachedurft fiir ihren König könnten fie
zu febr wilben Thaten führen.
Die ganze Begeifterung für Witidhis und die Ents
riiftung gegen uns würde nun im Reim erftidt, und die
Wothen faben fic) nicht von uns, fondern von ihrem
Kinig verrathen, wenn diefer felbft fcbriftlid) bezeugen
wiirbe, er habe die Stadt nicht an Beliſar al’ Gothen-
fonig und Rebellen gegen Buftinian, fondern einfach an
den Feldherrn Suftinian’s übergeben.
Sene Empörung Beliſar's, die ja aud) wirklich aus.
bleibt, erfdeint dann den Gothen als eine bloke von
ihrem König erfonnene Lüge, die Sdande der Ergebung
ihnen ju verbiillen.“
„Das ware vortrefflich; aber Witichis wird das nicht
thun.“
‚Wiſſentlich ſchwerlich.
Aber vielleicht unwiſſentlich.
Ihr habt ihn den Vertrag doch nur im Original
unterſchreiben laſſen?“
„Er hat nur einmal unterſchrieben.“
„Dieſe Urkunde iſt in ſeinem Beſitz?
Gut, ich werde ihn hier dies von mir aufgeſetzte
Duplicat unterzeichnen laſſen, anf dak aud) Belifar, “ lächelte
er, „das werthvolle Schriftſtück befige.“
Prokop blidte hinein. —
„Wenn er das unterzeichnet, hebt fic) freilich fein
gothifd) Sdywert mebr für ihn.
299
Uber —“
‚Laß die Aber mid) befiegen.
Entweder unterfdretbt er heute fretwillig, im Drang
des Augenblids, ohne yu lefen* — |
Oder?“
„Oder,“ vollendete Cethegus finſter, .er unterſchreibt
fpater.
Unfreiwillig.
3h eile voraus.
Entfduldige, wenn ich euern Triumphzug nidt bes
gleite.
Meinen Glückwunſch an Beliſar.“
Aber da trat Beliſar in das Zelt.
Antonina folgte ihm.
Gr war nicht geriiftet und blidte düſter vor ſich bin.
wile, Feldherr,“ mahnte Profoy, Ravenna harrt
ibres Befiegers. Der Einzug —"
„Nichts von Einzug,“ ſprach Beliſar grimmig.
Ruf' die Soldaten ab.
Mich reut der ganze Handel.“ —
Cethegus blieb an dem Ausgang des Zeltes ſtehn.
„Beliſar!“ rief Prokop entſetzt, „welcher Danton hat
dir das eingeblafen 2"
„Ich!“ fagte Antonina ftoly, ,was ſagſt du nun 2
woo) fage, Daf grofe Staatémanner feine Frauen
haben follten!" rief Brofop argerlid.
pelifar entbedte mir erft in dtefer Nacht ener Vor⸗
baben.
Und ich bab’ ibn unter Thränen —“
296
„Verſteht ſich,“ brummte Profop, „die fommen ftets
zu vedjter eit." |
wUnter Thranen befdworen, abzuſtehn.
Sd fann meinen Helden nidt von fo ſchwarzem Vers
rath befledt ſehn.“
„Und ich wills nicht fein.
Lieber reit' ich beſiegt im Orcus ein, denn alſo
als ein Sieger in Ravenna.
Meine Briefe an ven Kaiſer find nod nicht abge⸗
gangen — |
Alfo iſt's nod eit.“
ein,” fagte Cethegus herriſch, von der Thür in’s
Belt fdreitend.
„Zum Glück fiir vid iſt's nicht mehr Beit.
Wiffe: ich habe fdon vor act Tagen an den Raifer
gefdrieben, ihm Wes mitgetheilt und Glück gewünſcht,
dak fein Felbbery ohne minbdeften Verluft Ravenna gee
wonnen hat und ber Krieg beendet.“
„Ha, Prafect," rief Belifar.
ou bift ja fehr dienftfertig.
Woher viefer Cifer 2
„Weil id) Beliſarius fenne und feinen Wantelmuth.
Weil man vid) gu vdeinem Glide zwingen mug.
Und weil id) ein Ende diefes Srieges will, der mein
Stalien zerfleiſcht.“
Und vrohend trat er gegen die Frau eran, welde
aud jest der dämoniſchen bebherrfdenden Gewalt feines
Blides nicht gu entgehen vermodte.
„Wag' e8, verſuch es jest!
297
Tritt zurück, enttäuſche Witihis und opfre einer
Grille deines Weibes Ravenna, Stalien und vein Heer.
Siehe gu, ob dir vas Juſtinianus je vergeben fann.
Auf Antonina’s Seele viefe Schuld!
Hord), die Trompeten rufen: rüſte vid!
Gs bleibt dir feine Wahl!“
Und er eilte hinaus.
Beſtürzt fah ihm Antonina nad.
„Prokop,“ fragte fie Dann, „weiß es ber Rafer wirt-
lich ſchon?“
„Und wenn er es nod) nidt wiigte, — gu Viele find
fdon in das Geheimniß eingeweiht.
Nachträglich erfährt er jedesfalls, daß Ravenna und
Italien ſein war, und — daß Beliſar um die Gothen⸗
krone, die Kaiſerkrone warb.
Nur daß er fie erlangt und — abliefert, kann ihn
rechtfertigen vor Juſtinian.“
„Ja,“ fagte Beliſar fenzend, ,er hat Recht.
Es bleibt mix feine Wahl."
So geh,“ fprad) Antonina eingeſchüchtert.
Mir aber ſei's erlaſſen, bet dieſem Einzug dich zu
begleiten: — es iſt ein Schlingen⸗Legen, kein Triumph!“
Die Bevöllerung von Ravenna, wenn and im Un⸗
flaren über vie näheren Veftimmungen, war dod) gewiß,
daß dex Friede gefdloffen und den langen und ſchweren
Leiden ves verheerenden Kampfes ein Ende gemacht fei.
298
Und vie Viirger hatten in aufathmender Freunde über
diefe Erldfung vie Trümmer, welche das Erdbeben anf
fehr viele Straßen geworfen, hinweggeräumt und ibre
befreite Stant feftlich geſchmückt.
Laubgewinde, Fahnen und Leppiche zierten die
Strafen, vas Voll orangte ſich anf den grofen Fora,
in den Lagunen-Gandlen und in den Badern und Bafi-
lifen in freudiger Bewegung, begterig, den Helden Velifar
und das Heer gu ſehen, welde fo lange ihre Mauern
bedrobt und endlich die Barbaren iiberwunden Hatten.
Schon zogen ftarfe AWbtheilungen von Byjantinern
ftol; und triumpbivend ein, während die in ſchwachen
Zahlen iberall zerſtreuten gothiſchen Poſten mit Schweigen
und mit Widerwillen die verhaßten Feinde in die Reſidenz
Theoderichs einrücken ſahen.
In dem ebenfalls reich geſchmückten Königs-Palaſt
verſammelten ſich die vornehmſten Gothen in einer Halle
neben den Gemächern der Königs.
Dieſer bereitete ſich, als die für den Einzug Beliſars
anberaumte Stunde nahte, die königlichen Kleider anzu⸗
legen — mit Befriedigung, denn es war ja das letzte Mal,
daß er die Abzeichen einer Würde tragen, ſollte, die
ihm nur Schmerz und Unheil gebracht.
„Geh, Herzog Guntharis.“ ſprach er zu dem Wölſung,
„Hildebad, mein ungetreuer Kämmerer, hat mid) verlaſſen.
Vertritt du dies eine Mal ſeine Stelle: die Diener
werden dir im Königsſchatz die goldne Truhe zeigen,
welche Krone, Helm und Purpurmantel, Schwert und
Schild Theoderichs verwahren.
299
Ich werde fie heute zum erften und letztenmal anlegen,
fie dem Selden abyuliefern, der fie nicht unwürdig tragen
wird.
Was giebt es dort fir Lärm!“
Derr, en Web,” antwortete Graf Wijand, „eine
gothijde Bettlerin:
Sie hat fid) ſchon dretmal herangedrangt.
Sie will ihren Namen vir nur nennen!
Weiſt fie hinans! —“
Nein, fagt ihr, id) will ſie hören — heute Abend
fol fie im Palaſt nad mir fragen.“
Als Guntharis vas Gemach verlaffen, trat Beffas
ein mit Gethegus.
Der Prafect hatte diefem, ohne ihn einzuweihen, das
Duplicat der Capitulation iibergeben, welches ver Gothen-
finig nod unterfdreiben follte.
Aus diefer unverdadtigen Hand, glaubte er, witrde
jener die Urkunde arglofer nehmen.
Witichis begrüßte die Cintretenden.
Bei dem Anblick des Prafecten flog iiber fein Antlig,
das heute heller als ſeit langen Monden glingte, ein
dunkler Schatte.
Doch bezwang er ſich und ſprach:
sou bier, Präfect von Rom?
Anders hat diefer Kampf geendet als wir meinten!
Sedod, du fannft aud) damit zufrieden fein.
BWenigftens fein Griechentaifer, fein Sujtinianus wird
dein Rom bebherrfden."
lind foll es nidjt, fo lange id) lebe.“
300
„Ich fomme, König ver Gothen," fiel Beffas ein,
wit den Vertrag mit Beliſar zur Unterfdrift vorgulegen.”
„Ich bab’ ihn fdon unterfdrieben.“
„Es ift die für meinen Herm beftimmte Doppelſchrift.“
„So gieb,” fprad Witidhis und wollte das Pergament
aus des Byzantiners Hand nehmer. |
Da trat Herzog Guntharis mit den Dienern eil-
fertig in's Gemad:
‚Witichis,“ rief er, der Königsſchmuck ift vere
ſchwunden.“
‚Was iſt dase" fragte Witichis.
„Hildebad allein führte die Schlüſſel davon.“
„Die ganze Gold⸗Truhe, auch noch andre Truhen
ſind fort.
In der leeren Niſche, da ſie ſonſt ſtanden, lag dieſer
Streif Pergament.
Es find die Schriftzüge von Hildebad's Schreiber.“
Der König nahm und las.
„Krone, Helm und Schwert, Purpur und Schild
Theoderich's ſind in meinem Gewahrſam.
Wenn Beliſar ſie will, ſoll er ſie von mir holen.“
„Die Rune H — für Hildebad.“
„Man muß ihn verfolgen,“ ſagte Cethegus finſter,
„bis er ſich fügt.“
Da eilten Johannes und Demetrius herein.
„Eile dich, König Witichis,“ drängten ſie.
„Hörſt du die Tubatöne?
Beliſar hat ſchon die Porta des Stilicho erreicht.“
„So laßt uns gehn,“ ſprach Witichis, ließ fid von
301
pen Dienern den Purpurmantel, welden fie ftatt ves
verſchwundenen mitgebradt, um die Schultern werfen und
driidte einen golbnen Reif anf das Haupt.
Statt des Sdrwertes reidte man ihm ein Scepter.
Und fo wandte er fic) zur Thür.
„Du Haft nicht unterfdrieben, Herr," mahnte Befjas.
„So gieb,“ und er nahm die Schrift jest aus der
Hand ves Byzantiners.
„Die Urkunde ift ſehr lang,” fagte er bineinblidend
and bob an 3u leſen.
n@ile, Rinig,” mabnte Sohannes.
‚Zum Lefen ift nicht mehr Beit,“ fagte Cethegus
gleichgültig, und reidte ihm pte Schilffeder von dem
Lifd.
„Dann aud nidt mehr zum Schreiben,“ antwortete
ver Konig.
OU weift: th war ein Konig nad Bauernart, wie
die Lente fagten.
Bauern unterfdreiben feine Beile, che fie genau ges
leſen: geben wir."
Und lächelnd gab er die Urtunde an den PBrifecten
und fdjritt binaus.
Die Byyantiner und alle Anwefenden folgten.
Cethegus driidte das Pergament zuſammen:
„Warte nur,“ flifterte er grimmig, „du fellft rod
nod unterfdreiben.”
Langfam folgte er den Wndern.
Die Halle vor dem Gemad ves Königs war bereits
Leer,
302
Der Prafect fdritt hinaus auf ven gewölbten Bogen
gang, der im Biered den erften Stod des Palaftes um⸗
gab und deſſen byzantinifd + romanifde Rundbogen den
freien Blid in den weiten Hofraum gewährten.
Der weite Hofraum war von VBewaffneten dicht gee
fit. |
An allen vier Thoren ftanden die Lanjentrager Be⸗
liſars
Cethegus lehnte hinter einem Bogenpfeiler und ſprach,
dem Gang der Ereigniſſe folgend, mit ſich ſelbſt:
„Nun, Byzantiner genug, um ein kleines Heer ge⸗
fangen zu nehmen!
Freund Prokop iſt vorfichtig —
Da! — Witichis erſcheint im Portal —
Seine Gothen ſind noch weit hinter ihm auf der
Treppe.
Des Königs Pferd wird vorgeführt. —
Beſſas hält dem König den Bügel. —
Witichis tritt heran, er hebt den Fuß. —
Jetzt ein Trompetenſtoß —
Die Treppenthüre des Palaſtes fällt zu und ſchließt
die Gothen in den Treppenbau.
Auf dem Dache reißt Prokop das Gothenbanner
nieder. —
Johannes faßt ſeinen rechten Arm, brav Johannes. —
Der König ruft: „Verrath, Verrath!“
Er wehrt ſich mächtig. —
Aber der lange Mantel hemmt ihn. —
Da, da, er ſtrauchelt. —
303
Gr ſtürzt gu Boren. —
Da liegt vas Reich der Gothen.” — — —
„Da liegt Das Reid der Gothen!”
Mit viefen Worten begann aud) Profop die Sige,
welde ex an diefem Whend in fein Tagebud) eintrug:
| „Ein widtig Sti Weltgeſchichte hab’ id) heut bei
Lage machen helfen und zeichne ich nun Nachts bier ein.
Wis id) heute das römiſche Heer feinen Einzug
balten fab in die Thore und Königsburg von Ravenna,
fam mir abermals der Gedanfe: nicht Tugend oder
Bahl oder Verdienft entſcheidet den Erfolg in ver Gee
ſchichte.
Es giebt eine höhere Gewalt, die unentrinnbare
Nothwendigkeit.
An Zahl und an Heldenthum waren uns die Gothen
überlegen: und ſie haben es nicht fehlen laſſen an irgend
denkbarer Anſtrengung.
Die gothiſchen Frauen in Ravenna ſchmähten ihren
Männern laut in's Angeſicht, als ſie die kleinen Ge—
ſtalten, die nicht zahlreichen Scharen unſerer einziehenden
Truppen ſahen.
Summa: in gerechteſter Sache, in heldenmüthigſter
Anſtrengung kann ein Mann, kann ein Boll doch er-
liegen, wenn übermächtige Gewalten entgegen treten.
welche durchaus nicht immer das beſſere Recht für ſich
haben.
302
Der Prafect ſchritt hinaus auf den gewölbten Bogen
gang, der im Biered den erften Stod des Palaftes um⸗
gab und deffen byzantiniſch-romaniſche Rundbogen den
freien Blid in den weiten Hofraum gewährten.
Der weite Hofraum war von VBewaffneten vidt ge-
füllt.
An allen vier Thoren ſtanden die Lanzenträger Be⸗
liſars
Cethegus lehnte hinter einem Bogenpfeiler und ſprach,
dem Gang der Ereigniſſe folgend, mit ſich ſelbſt:
„Nun, Byzantiner genug, um ein kleines Heer ge⸗
fangen zu nehmen!
Freund Prokop iſt vorſichtig —
Da! — Witichis erſcheint im Portal —
Seine Gothen ſind noch weit hinter ihm auf der
Treppe.
Des Königs Pferd wird vorgeführt. —
Beſſas hält dem König den Bügel. —
Witichis tritt heran, er hebt den Fuß. —
Jetzt ein Trompetenſtoß —
Die Treppenthüre des Palaſtes fällt zu und ſchließt
die Gothen in den Treppenbau.
Auf dem Dache reißt Prokop das Gothenbanner
nieder. —
Johannes fat ſeinen rechten Arm, brav Johannes. —
Der König ruft: „Verrath, Verrath!“
Er wehrt ſich mächtig. —
Aber der lange Mantel hemmt ihn. —
Da, da, er ſtrauchelt. —
303
— zu Boren. —
Da liegt vas Reid) der Gothen.” — — —
„Da liegt Dad Reid) der Gothen!"
Mit diefen Worten begann aud) Profop die Gage,
welde er an diefem Abend in fein Tagebud) eintrug:
| „Ein widtig Stück Weltgeſchichte hab’ id) heut bet
Lage machen helfen und zeichne ich nun Nachts bier ein.
Wis id) heute dad römiſche Heer feinen Einzug
balten fal im die Thore und Königsburg von Ravenna,
fam mir abermals ver Gedanke: nidt Tugend oder
Bahl over Verdienſt entfdeidet den Erfolg in ver Gee
ſchichte.
Es giebt eine höhere Gewalt, die unentrinnbare
Nothwendigkeit.
An Zahl und an Heldenthum waren uns die Gothen
fiberlegen: und fie haben es nicht fehlen laſſen an irgend
renfbarer Anſtrengung.
Die gothiſchen Frauen in Ravenna ſchmähten ihren
Männern laut in's Angeſicht, als ſie die kleinen Ge—
ſtalten, die nicht zahlreichen Scharen unſerer einziehenden
Truppen ſahen.
Summa: in gerechteſter Sache, in heldenmüthigſter
Anſtrengung kann ein Mann, kann ein Volk pod) er-
liegen, wenn übermächtige Gewalten entgegen treten,
welche durchaus nicht immer das beſſere Recht für ſich
haben.
304
Mir ſchlug vas Herz im Bewußtſein des Unredts,
al8 id) das Gothenbanner heute niederriß und den Gold-
vraden Suftinians an feine Stelle febte, die Fahne ded
Unredt8 erhob her dem Banner des Redjts.
Nicht vie Geredhtigheit, eine unfrem Denfen un-
durchdringbare Nothwendigheit beherrſcht die Gefdide der
Menſchen und der Völker.
Aber den rechten Mann madt das nidt irre.
Denn nist was wir ertragen, erleben und erleiden
— wie wir e8 tragen, das madt den Mann gum
Helden.
Ehrenvoller ift ver Gothen Untergang denn unſer
Sieg.
Und dieſe Hand, die ſein Banner herabriß, wird den
Ruhm dieſes Volkes aufzeichnen fiir die tommenden Ges
ſchlechter.
Jedoch, wie immer dem ſei: — da liegt das Reich
der Gothen.” —
Finfundswansigftes Capitel.
Und fo ſchien es.
Auf vas Gliidlidfte war, Dank den Maßregeln
Profops, ver Streich gelungen.
$m Augenblid, va auf vem Thurme ves Palaftes
pie Fahne ver Gothen fiel und der Konig ergriffen ward,
ſahen fid) die überraſchten Gothen überall im Schloßhof,
im den Strafen und Lagunen der Stadt, im Lager von
weit fiberlegenen Rraften umftellt: ein Redjen von Lanjen
ftarrte ihnen itberall entgegen: faft ausnahmslos legten
die Betaubten vie Waffen nieder: — vie Wenigen, welde
Widerftand verjucdten, — fo vie nächſte Umgebung des
Königs — wurden niedergeftofen.
Witichis felbft, Herzog Guntharis, Graf Wifan,
Graf Markja und die mit ihnen gefangenen Grofen des
Heeres wurden in getrennten Gewahrſam gebradt, ver
König im den Zwinger Theoderichs“: einen tiefen, ftar-
ten Thurm ves Palaftes felbft.
Belifars Bug von vem Thore Stilido’s nad vem
Yorum des Honorius wurde nidt geſtört.
Sm Palaft angelangt, berief er ven Senat, vie Des
Dahn, Sin Rampf um Rom. LIL 20
306
curionen der Stadt, und nabm fie in Cid und Pflicht
fiir Kaiſer Suftinianus.
Profopius wurde mit den goldenen Seblitffeln von
Neapolis, Rom und Ravenna nad Byzanz gefendet.
Gr follte ausführlichen Beridt erftatten und fiir Bes
lifar Verlangerung des Amtes erbitten bis gur demnadft
gu erwartenden völligen Berubigung Staliens und hierauf,
wie nad) Dem Bandalentrieg, die Ehre des Triumphes,
unter Wuffithrung bes gefangenen Königs ver Gothen
im Hippodrom.
Denn Belifar fah den Krieg für beendet an.
Gethegus theilte beinah diefen Glauben.
Dod) firdtete er in den Provinzen den Ausbruch
gothiſchen Bornes fiber den geiibten Verrath.
Er forgte daher dafür, daß über die Art ves Falles
ver Stadt vorlaufig feine Kunde durd die Thore drang :
und er ſuchte eifrig im Geifte nad einem Mittel, den
gefangenen König felbft als ein Mittel gur Dampfung
des etwa neu auflodernden ationalgefithls gu vere
werthen. — ;
Aud) bewog er Beliſar, Hildebad, der in der Ridtung
nad Larvifium entfommen war, durch Akacius wit den
perfifden Reitern verfolgen yu laſſen.
Vergebens verſuchte er, die Königin zu fpredjen.
Gie hatte fic) feit jener Nacht ver Schrecken nod
immer nidt ganz erbolt und ließ Niemand vor.
Aud) die Nachricht von dem Falle ver Stadt hatte
fie mit bumpfem Schweigen hingenommen.
307
Der Profect beftellte ihr eine Ehrenwache — um fid
ihrer gu verfidern.
Denn er hatte nod grofe Blane mit thr vor.
Danu fandte er ihr vas Schwert des gefangenen
Königs und fdjrieb ihr vabei:
Mein Wort ift geldft.
Konig Witichis ift vernidtet.
Du bift gerächt und befreit. —
Run erfiille and) du meine Wünſche.“
Einige Lage daranf beſchied Belifar, feines treuen
Berathers Profop beraubt, ven Prafecten zu fic) m den
rechten Flügel des Palaftes, wo er fein Quartier auf:
gefdlagen.
Unerhörte Meuterei!“ rief er dem Gintretenden ents
gegen.
Was iſt gefdeben ?"
wou weift, id) habe Beſſas mit den laziſchen Söld⸗
nern in die Schanze des Honorius gelegt, einen der
widtigften Puncte der Stadt.
Ich vernehme, dak der Geift siefer Truppen unbots
magig — ih rufe fle ab und Beſſas —“
Nun?“
„Weigert den Gehorſam.“
hue Grund? Unmöglich!“
Lacherlicher Grund!
Geftern iff der letzte Tag meiner Amt8gewalt abs
gelaufen.“
aun?
20*
308
‚Beſſas erflart, feit lester Mitternacht hätt' id) thm
nichts mehr gu befehlen.“
„Schändlich. Wher er ift im Redt.“
our Recht ?
Sn ein paar Tagen trifft ves Raifers Antwort ein,
auf mein Geſuch.
Natürlich ernennt er mich, nach dem Gewinn von
Ravenna, auf's Neue zum Feldherrn, bis zur Beendigung
des Krieges.
Uebermorgen fann die Nachricht da fem.“
Vielleicht ſchon früher, Beltfar.
Die Leuchtthurmwächter von Claſſis haben ſchon ber
Gonnenaufgang ein Schiff angemeldet, das yon Aris
minum ber nabt.
Es foll eine faiferlide Trireme fein.
Seve Stunde fann fie einlaufen.
Dann [Aft fid) der Knoten von felbft.“
~ 06 will ihn aber guvor durdbauen.
Meine Leibwadter follen vie Schanze ſtürmen und
Beffas ven halsftarrigen Kopf —"
Da eilte Johannes athemlos herein.
„Feldherr,“ meldete er, „der Kaiſer!
Der Kaiſer Juſtinianus ſelbſt ankert ſo eben im
Hafen von Claſſis.“
Unmerklich zuckte Cethegus zuſammen.
Sollte ein ſolcher Blitzſtrahl aus heiterer Luft, eine
Laune des unberechenbaren Deſpoten, nach ſolchen Mühen,
das faſt vollendete Gebäude ſeiner Pläne gerade vor der
Bekrönung niederwerfen?
309
Uber Beliſar fragte mit leudhtenden Augen: der
Raifer 2
Woher weißt du? —
„Er ſelbſt kommt, dir für deine Siege zu danken. —
Solche Ehre ward nod feinem Sterblichen zu Theil.
Das Schiff von Ariminum trägt die kaiſerliche Prä⸗
ſenzflagge.
Purpur und Silber.
Du weißt, das bedeutet, daß der Kaiſer an Bord.“
„Oder ein Glied ſeines Hauſes!“ verbeſſerte Cethe⸗
gus in Gedanken, aufathmend.
„Eilt in den Hafen, unſern Herrn zu empfangen,“
mahnte Beliſar. —
Sein Stolz und ſeine Freude wurden enttäuſcht, als
ihnen auf dem Wege nach Claſſis die erſten ausgeſchifften
Höflinge begegneten und im Palaſt Quartier forderten,
nicht für den Kaiſer ſelbſt, ſondern für deſſen Neffen,
den Prinzen Germanus.
„So ſendet er doch den Erſten nach ihm ſelbſt,“
ſprach Beliſar, ſich ſelber tröſtend im Weitergehen zu
Cethegus.
8 iſt der edelſte Mann am Hof.
Unbeſtechlich, geredjt und unverfithrbar rein.
Gie nennen ihn: ,die Lilie im Sumpf'.
Aber du hörſt mich nicht!“
310
woergied, td bemerfe dort im Gedränge, unter den
eben Gelandeten, meinen jungen Freund Licinius.“
„Salve Cethege!“ rief dieſer ſich Weg zum Pra-
fecten bahnend.
„Willkemmen im befreiten Italien!
Was bringſt bu von der Raiferin’? fragte er flüſternd.
„Das Abfdiedswort: Nike (Victoria)! und diefen
Brief," fliifterte ner Bote ebenfo leife. —
weber,” und feine Stirne furdte fid) — „ſchicke mid
nie mehr gu diefem Weibe.“
„Nein, nein, junger Hippolytos, ich venfe, es wird
nte mebr nöthig fein.”
Damit batten fie die Steindamme ves Hafens ers
reidjt, deſſen Stufen fo eben ver kaiſerliche Pring hinan⸗
ftieg.
Die edle Erfcheinung, von einem reid) gefdmitdten
Gefolg umgeben, ward von den Truppen und dem rafd
zuſammenſtrömenden Boll mit Jubelruf und faiferliden
Ehren empfanger.
Cethegus faßte ibn ſcharf in’s Auge.
„Das bleide Antlig iſt nod bleicher geworden,“
ſagte er zu Licinius.
„Ja, man ſagt: die Kaiſerin hat ihn vergiftet, weil
fie ihn nicht verführen fonnte.“
Der Prinz, nad allen Seiten dankend, hatte jest
Beliſarius erreidt, der ihn ehrfurdtsvoll begritftte.
„Gegrüßt aud vu, Belifarius,“ erwiderte er ernft.
„Folge mir fogleid in den Palaſt.
Wo ift Cethegus per Prafect 2
311
Wo Beffas?
way Cethegus,” fagte ex deffen Hand ergreifend, „ich
frene mid, den größten Mann Staliens wieder zu feben.
Du wirft mid alsbald gu ver Enkelin Theoveridhs
begleiten.
Shr gebithrt mein erfter Gang.
Ich bringe ihr Geſchenke Juſtinians und meine
Huldigung.
Sie war eine Gefangene in ihrem eigenen Reid.
Gie foll eine Königin fein am Hofe zu Byzanz.“
„Das foll fie,“ dachte Cethegus.
Er verneigte ſich tief und ſprach:
„Ich weiß: du kennſt die Fürſtin ſeit lange: ihre
Hand war dir beſtimmt.“
Eine raſche Gluth flog über des Prinzen Wange.
Leider nicht ihr Herz.
Ich ſah ſie hier, vor Jahren, am Hofe ihrer Mutter:
und ſeitdem hat mein inneres Auge nichts mehr als ihr
Bild geſehen.“
wa, fle iſt das ſchönſte Weib der Erde,” ſagte der
Prafect, ruhig vor ſich hin ſehend.
„Nimm dieſen Chryſopas zum Dank fiir dieſes Wort,“
ſagte Germanus und ſteckte einen Ring an des Präfecten
Finger.
Damit traten ſie in das Portal des Palaſtes.
wept, Mataſwintha,“ ſprach Cethegus zu ſich ſelbſt,
„jetzt hebt dein zweites Leben an.
Sh tenne tein römiſch Weib — Ein Mädchen vielleicht
312
ausgenommen, das id) fannte, — welches folder Bere
fudjung wider(tehen fdnnte.
Soll diefe rohe Germanin widerſtehen? —
Sowie ſich der Prinz von den Mühen der Seefahrt
einigermaßen erholt und die Reiſekleider mit einem Staats⸗
gewand vertauſcht hatte, erſchien er an der Seite des
Präfecten in dem Thronſal des großen Theoderich im
Mittelbau des Palaſtes.
An ven Wänden der ſtolz gewölbten Halle hingen
noch die Trophäen gothiſcher Siege.
Ein Säulengang lief an drei Seiten des Sales hin:
in der Mitte der vierten erhob ſich der Thron Theoderichs.
Mit edlem Anſtand ſtieg der Prinz die Stufen hinan.
Cethegus blieb mit Beliſar, Beſſas, Demetrius, Akacius,
Johannes und zahlreichen andern Heerführern im Mittel⸗
grund.
„Im Namen meines kaiſerlichen Herrn und Ohms
nehme ich Beſitz von dieſer Stadt Ravenna und von
dem abendländiſchen Römerreich.
An dich, Magiſter Militum, dies Schreiben unſeres
Herrn, des Kaiſers.
Erbrich und lies es ſelbſt der Verſammlung vor.
So befahl Juſtinianus.“
Beliſar trat vor, empfing knieend den kaiſerlichen
Brief, küßte das Siegel, erhob ſich wieder, öffnete und las:
„Juſtinianus, der Imperator der Römer, Herr des
Morgen⸗ und des Abendreichs, Beſieger der Perſer und
Saracenen, der Vandalen und Alanen, der Lazer und
Sabiren, der Hunnen und Bulgaren, der Avaren und
313
Sklavenen und gulegt ver Gothen, an Beliſar den Gon:
fularen, ehemals Magifter Militum.
Wir find durch Cethegus ven Prafecten von den
Vorgingen unterridtet, die jum Fall von Ravenna
geführt.
Sein Bericht wird, auf ſeinen Wunſch, dir mitgetheilt
werden.
Wir aber können ſeine darin ausgeſprochene gute
Meinung von dir und deinen Erfolgen wie von deinen
Mitteln mit nichten theilen: und wir entheben dich deiner
Stelle als Befehlshaber unſeres Heeres.
Und wir befehlen dir angeſichts dieſes Briefes ſofort
nach Byzanz zurückzukehren, um dich vor unſerem Throne
zu verantworten.
Einen Triumph wie nach dem Vandalenkrieg können
wir dir um ſo weniger gewähren, als weder Rom noch
Ravenna durch deine Tapferkeit gefallen. ſondern Rom
durch Uebergabe, Ravenna durch Erdbeben, den Zorn
Gottes fiber vie Ketzer und höchſt verdadtige Verhand-
lungen, deren Unfduld du, des Hochverraths angeflagt,
vor unferem Thron erweifen wirſt.
Da wir, eingevent fritherer Verdienfte, nidt ohne
Gehör vid) verurtheilen wollen, — denn Morgenland
und AWbendfand follen uns fiir ferne Zeiten feiern als
pen Raifer vex Geredtigheit — fehen wir von der Vers
haftung ab, die deine Antlager beantragt.
Ohne Ketten — nur in den Feffeln deines dich ſelbſt
anflagenden Gewiſſens — wirft du vor unfer faiferlices
Antlitz treten.“
314
Da wantte Velifar.
Er fonnte nicht weiter leſen: er bededte dad Gefidt
mit den Handen: das Schreiben entfiel ihm.
Beſſas hob es auf, küßte e8 und [a8 weiter.
„Zu deinem Nadfolger tm Heerbefehl ernennen wir
ten Strategen Beffas.
Ravenna iibertragen wir dem Archon Sohannes.
Die Stenerverwaltung bleibt, trog der wider ihn von
den Staliern erhobnen höchſt ungerecten lagen, dem m
unſrem Dienft fo eifrigen Logotheten Alerandros.
Bu unfrem Statthalter aber in Stalien ernennen
wit den hochverdienten Prafecten von Rom, Cornelius
Cethegus Céfarius.
Unfer Neffe, Germanus, mit taiferlider Vollmacht
ausgeriiftet, baftet mit ſeinem Haupt dafitr, dich unver⸗
weilt nad) unfrer Flotte auf der Höhe von Ariminum
zu bringen, auf welder did) Areobindos nad) Byzanz
fiibren wird."
Germanus erhob fic und befahl Allen, bis auf Beli
fav und Gethegus, ven Gal gu verlaffen.
Darauf ftieg er vie Stufen bes Thrones herab und
{dritt auf Beliſar gu, der nicht mehr wahrnabm, was
um ibn ber gefdabh.
Gr ftand unbeweglid), das Haupt und den linker
Arm an eine Gaule gelehnt und ftarrte zur Erde.
Der Pring fate feine Rechte.
„Es ſchmerzt mid), Belifarvius, ver Träger folder
Botſchaft gu fein.
Ich übernahm den Wuftrag, weil ihn em Freund
315
milder als einer der vielen Feinde, die ſich dazu drangten,
ausführen fanz.
Uber id) verhehle dir nicht: diefer vein legter Sieg
bebt die Ehre deiner frühern auf.
Rie Hatte id) von vem Helden Belifar fold) Lügen⸗
ſpiel erwartet.
Cethegus hat ſich ausgebeten, daß fein Bericht an
den Kaiſer dir vorgelegt werde.
Er iſt deines Lobes voll: hier iſt er.
Ich glaube, es war die Kaiſerin, welche Juſtinians
Ungnade gegen dich entzündet hat.
Aber du hörſt mich nicht —“
Und er legte die Hand auf ſeine Schulter.
Beliſar fchitttelte vie Berührung ab.
wag mid, Knabe — du bringft mir — du bringft
mir den edjten Dank der Kronen.”
Vornehm ridtete ſich Germanus auf.
Oelifar, bu vergiffeft wer ich bin und wer du biſt.“
Oh nem, id bin ein Gefangner und du bift mein
Wächter.
Ich gehe ſofort auf dein Schiff — erſpare mir
nur Ketten und Bande.”
Erſt ſpät konnte ſich der Präfeet von dem Prinzen
losmachen, der in vollſtem Vertrauen die Angelegenheiten
des Staates und ſeine perſönlichen Wünſche mit ihm bes
ſprach.
316
Gr eilte, fo wie er in feinen Gemächern, die er
ebenfalls im Balafte bezogen, allen war, den thm von
Lucius Licinius mitgetheilten Brief ver Kaiferin gu lefen.
Er lautete:
„Du haſt gefiegt, Gethegus.
Wis id) dein Sehreiben empfing, gedacht' ih alter
RBeiten, da deine Bricflein in diefer Chiffrefdrift an Theo⸗
Dora nicht von Staaten und Rriegen handelten, fondern
von Küſſen und Rofen —“
„Daran müſſen fie immer erinnern,“ unterbrad fid
der Prafect.
„Aber aud) in diefem trodnen Briefe erfannte ich die
Unwiderftehlichtert jenes Geiftes, der einft die Frauen
von Byzanz nod) mehr al8 deine Jugendſchönheit zwang.
Go gab id denn aud diesmal den Wünſchen des
alten Freundes nad, wie einft denen des jungen.
Ad, id) dachte gern unfrer Sugend, der ſüßen.
Und id) erfannte wohl, vag Antoninens Gemabl
alzufeft in Zukunft ftehn witrde, wenn er Ddiesmal
nidht fiel.
So raunte ich denn — wie du gefdrieben — dem
Raifer in die Obren:
‚„Allzugefährlich fet ein Unterthan, der ein ſolches
Spiel mit Kronen und mit Aufruhr treiben könne.
Reinen Feldherrn diirfe man lange folder Verfucdung
ausſetzen. =
Was er dieSmal gegaulelt, könne ex ein andermal
im Ernſt verfudjen. :
_ 317
Diefe Worte wogen fdwerer als alle Siege Velifars,
md alle meine, d. h. deine Forderungen, gingen durd).
Denn Mißtraun ift die Seele Suftinians.
Gr traut nur einer Treue anf Erden — der Theo:
dora’.
Dein Bote Licinius ift hübſch — aber unliebens-
wirdig: er hat nur Rom und Waffen in Geranfen.
Ad, Cethegus, mein Freund, es lebt feine Jugend
mehr wie Die unfre war.
„Du haſt gefiegt, Cethegus" — weift du nod) den
Abend, va ich div dieſe Worte fliifterte? — Wher ver:
gif nidt, wem du den Sieg verdankſt.
Und merfe dir. Theodora läßt fide nur folang fie
felber will als Werkzeug brauden.
Vergiß das nie.“
„Gewiß nicht,“ fagte Cethegus, vas Schreiben forge
faltig jerftdrend, ,du bift eine gu gefährliche Verbündete,
Sbheodora, — nein, Damonodora! — laf fehn, ob du
unerfegbar bift. —
Geoulb — in wenig Woden ift Mataſwintha in
Byzanz.“ —
Sedoundpwansigftes Capitel.
Der Rundthurm, in deffen tiefen Gewölben Witichis
gefangen fag, lag an dem redten Eckflügel ves Palaftes,
veffelben Querbaues, in weldem er als König gewohnt
und geberrfdt hatte.
Der Churm bildete mit feiner Eiſenthür den Whe
ſchluß eines langen Ganges, welder von einem Hof
aus, zur Redjten lief und von diefem Hof wieder durch
eine ſchwere Eiſenpforte abgeſchloſſen war.
Gerade dieſer eiſernen Hofpforte gegenüber lag im
Erdgeſchoß auf der linken Seite des Hofes die kleine
Wohnung Dromons, des Carcerarius oder Kerlermeiſters
des Palaſtes.
Sie beſtand aus zwei kleinen Gemächern: das erſte,
von dem zweiten durch einen Vorhang getrennt, war
ein bloßes Vorzimmer.
Das zweite Gemach gewährte durch ein logenartiges
Fenſter den Ausblick auf den Hof und den Rundthurm.
Beide waren von einfachſter Einrichtung: ein Strobe
lager im Snnengemad und zwei Stithle und Tifde im
319
Aeußern nebft ven Schlüſſeln an den Wanden waren
ihr ganzes Gerãth.
Und auf der Holzbank an jenem Fenſter ſaß Tag
und Nacht, unverwandt den Blick auf die Mauerlücke
heftend, aus welcher allein Luſt und Licht in des Königs
Kerlker fiel, ſchweigend und ſinnend ein Weib. —
Es war Rauthgundis.
Niemals ließ ihr Auge von jenem kleinen Spalt im
Thurm.
wenn dort,” ſagte fle ſich, „dort hängt aud fein
Blick, vorthin fdwebt feine Sehnſucht.“
And wenn fie mit Wadhis, ihrem Begleiter, oder
mit dem Rerfermeifter, der fie beherbergte, ſprach, wandte
fle das Auge nidt von dem Thumm.
Es war, als ob ber Bann ihres Blides Unheil von
vem @efangnen abbalten könne.
Lange, Lange war fie hente wieder fo gefeffer.
Es war dunfler Abend geworden.
Drohend und finfter ragte der gemaltge Thurm und
warf einen breiten Schatten fiber den Hof und diefen
linfen Flügel ded Palaftes.
„Dank dir, gittiger Himmelsherr,“ ſprach fie.
wand deine ſchweren Schläge treiben jum Heil.
War’ ich in die elfen ver Skaranzia, auf den
boben Arn, gum Vater, wie id mir ausgefonnen, —
nie hatte id) von bem Gang des lends hier vers
nommen.
Over dod) viel gu fpit.
Uber mid zog die Sehnſucht nad ver Todesftitte
322
„Ich fage, du mußt jet and einmal tidtig eſſen
und trinfen.
Sonft verlaffen dich die Kräfte.
Und du wirft fie brauden, arme Frau.”
„Ich werde fle haben.“
„So nimm wenigftens einen Becher Wein.”
„Von Dtefem 2
Nein, er ift für ihn allein.”
Und fie trat in das innere Gemach juritd, wo fie
ihren alten Platz einnabm.
„Der Krug reidjt ja nod lang," fuhr der alte Dromon
für fid) fort.
„Und id fiirdte: wir müſſen thn bald retten. wenn
ev gerettet werden foll.
Da kömmt Wadis.
Wenn ex nur gute Nachricht bringt, fonft —“
Wachis trat ein.
Gr hatte feit vem Beſuch bet der Kinigin die Sturm:
haube und feinen Mantel mit Gewandern Dromons
vertauſcht.
„Gute Botſchaft bring ich,“ ſprach er im Eintreten.
„Aber wo wart ihr vor einer Stunde?
Ich pochte vergeblich.“
„Wir waren beide ausgegangen, Wein gu kaufen.“
„Ach ja, deßhalb duftet das ganze Gemach ſo ſtark
— was ſeh ich?
Das iſt ja alter, köſtlicher Falerner!
Womit haſt du den bezahlt?“
323
„Womit?“ widerholte der Altey mit dem ebelften
Golde ver Welt
Und femme Stimme bebte vor Rithrung.
wd) erzählte ihr, dag ver Prifect ihn abfidtlid
Mangel leiden laffe, daß er elend werde.
Seit vielen Tagen hat man mir gar feine Ration
fav thn gegeben.
Sd habe ihn, gegen mein Gewiffen, nur dadurch
erhalten, daß id) den andern Gefangnen an dem Ihren
abbrach.“
Das wollte ſie nicht.
Sie ſann nach und fragte dann:
„Nicht wahr, Dromon, die reichen Römerinnen bes -
zahlen immer noch das gelbe Haar der Germaninnen
fo hoch?
„Und ich, in meiner Einfalt nichts ahnend, ſage ja.“
Und ſie geht hin und ſchneidet ſchweigend ihre reichen,
ſchönen, goldbraunen Flechten und Zöpfe ab und bringt
ſie mir.
Und damit ward der Wein bezahlt.“
Da ſtürzte Wachis in das nächſte Gemach, warf ſich
vor ihr nieder und bedeckte den Saum ihres Gewandes
mit Rifjen.
„O Herrin” — rief er mit verſagender Stimme —
goldne, goldtrene Frau!“
„Was treibſt bu, Wachis? fteh auf und erzähle.“
Ja erzähle,“ ſprach Dromon hinzutretend, ,was rath
mein Sohn?“
„Wozu brauchen wir ſeinen Math?
324
Ich, ich alletn will e8 vollenden.“
„Sehr nöthig brauden wir ihn.
Der Prafect hat aus allen jungen Ravennaten, nad
dem Mufter der römiſchen, neun Cohorten Legionare ge:
bildet und meinen Paulus aud eingeretht.
Bum Glück hat er diefen Legionaren die Bewadung
der Stadtthore anvertraut. —
Die Byzantiner fliegen draugen im Hafen, feine
Sfaurier bier im Palaſt.“
„Die Thore nun,“ fuhr Wadhis fort, werden gur
Nacht forgfaltig gefperrt.
Aber vie Mauerlücke am Thurme ves Actius ift
immer nod nicht ausgebaut.
Nur vie Wachen ftehen dort.“
„Wann trifft meinen Gobn die Wade?”
„In gwet Tagen: die dritte Nachtwache.“
„Allen Heiligen fet Dank.
Biel (anger durft’ es nicht währen — ich fürchte —
Und er ſtockte.
20082 ſprich,“ mahnte Rauthgundis entſchloſſen.
„Ich kann Alles hören.“
„Es iſt am Ende beſſer, du weißt es.
Denn du biſt klüger und findiger als wir beide.
Und findeft eher Rath als wir.
Ich fürchte: fie haben’s ſchlimm mit ihm vor.
So lange Beliſar hier befahl, ging e8 ihm nod gut.
Uber feit der fortgebracht und der Prafect, der ſchweig⸗
fam falte Damon, Herr im Palaft ift, hat’s ein gefähr⸗
lid) Anfebn.
325
Alle Tage beſucht ex ihn felbft im Kerker.
Und fpridt fang und eifrig und drohend im ijn
hinein.
Ich habe oft im Gang gelauſcht.
Er muß aber wenig ausrichten.
Denn der Herr giebt ihm, glaub' ich, gar keine
Antwort.
Und wenn ver Prafect heraus fommt, blickt er fo
finfter wie — wie der König ver Schatten.
Und feit ſechs Tagen erhalte id) feinen Wein und
feine Gpeifen fitr ihn als ein fleines Stitd Brod.
Und vie Luft da unten ift fo moderdumpf wie im
Grabe.“
Rauthgundis ſeufzte tief.
Und geftern, als ver Brafect herauf fam, — er fab
grimmiger al8 je darein — da fragte er mid) —“
tun? fprid) e8 aus, was e8 aud) fet!"
„Ob die Foltergerdthe in Ordnung feien."
Rauthgunvdis erbleidte, aber fie fchwieg.
Der Neiding!“ rief Wachis, was haft ou” —
„Sorget nidt, Cine Weile hat’s nod) gute Wege.
Clariſſimus, antwortete id," — und e8 ift die reine
Wahrheit — , die Sdrauben und die Zangen, die
Gewidte und die Stacheln und der ganze faubere Apparat
{tegt in ſchönſter Ordnung alles beifammen."
„Wo?“ fragte er.
Im tiefen Meer.
Sh felbft hab’ ihn, ſchon anf König Theoderichs
Befehl, hineingeworfen.
326
Denn wiffet, Fran Rauthgunvdis: ewer Herr hat
einmal, ba er nod einfacer Graf war, mid) gerettet,
va die Geräthe an mir felbft verfudt werten follten.
Da wurde auf fein Bitten das Foltern völlig abs
gethan: id) ſchulde ihm mein Leben und meine heilen
lieder.
Und barum wag’ id) mit Freunden meinen Hals
für thn.
Und will aud, wenn’s nidt anders geht, gern diefe
Stadt mit eud) verlaffen.
Aber lange dürfen wir nidt fiumer.
Denn ver Prafect bedarf nicht meiner Bangen und
Sdrauben, wenn er Cinem das Mark aus dem Leibe
qualen will.
Ich fürcht' ihn, wie den Teufel.”
„Ich bag’ ihn, wie die Lüge,“ fagte Rauthgundis
grimmig.
„Darum müſſen wir rafd fein, eb’ ex fetne ſchwarzen
Gedanfen vollfithren fann.
Denn er finnt Urges gegen den guten Konig.
Sd wei nicht, wads er nod Weiter von dem armen
@Gefangnen will.
Ulfo srt und merkt euch meinen Plan.
Sn der dritten Nacht, wann mein Paulus die Wade
hat, wenn ic) ihm den Nachttrunk bringe, fdliefe id
ihm die Retten (08, werfe ihm meinen Mantel ber und
fibre ihn aus dem Rerfer und dem Gang in den Hof.
Von va kömmt er ungebindert bis an das Thor des
Palaftes, wo ihn die Thorwache um die Lofung fragt.
327
Diefe werd’ th ihm fagen.
Sft ex auf ver Strage, dann rafd an ven Thurm
des Wétins, wo ibn mein Paulus die Mauerlücke paffiren
lãßt.
Draußen im Pinienwald, im Hain der Diana, we⸗
nige Sdritte vor dem Thore, wartet Wachis auf ihn,
per ihn auf Wallada hebt. |
Begleiten aber darf ihn Miemand.
Aud du nicht, Rauthgunvis.
Gr flieht am fiderften allein.”
‚Was liegt an mir!
Frei foll er fein, nicht noch einmal an mid) gebunden.
Du nennft meinen Namen gar nidt.
Sh hab’ ihm nur Unglück gebracht.
Ich will ihn nur nod einmal feben, von diefem
Fenſter aus, wenn er in die Freiheit tritt.“
- Der Prafect fonnte fid) in diefen Fagen im Voll⸗
gefithle ver Macht.
Er war Statthalter von Stalien: in allen Stadten
wurden auf feine Anordnung die Vefeftigungen geflidt
und verſtärkt, vie Biirger an die Waffen gewöhnt.
Die Bertreter von Byzanz vermodten ihm in feiner
Weife Gegengemidht gu balten.
Shre Heerfithrer fatten fein Gliid, vie Belagerungen
von Tarvifium, Verona und Ticinum madten feine
Fortſchritte.
328
Und mit Vergniigen vernahm Cethegus, daß Hilbes
bad, deſſen Schar ſich durch Zulauf unterweges anf
etwa ſechſshundert erhöht, den Akacius, der ibn mit tauſend
Perſer⸗Reitern eingeholt und angegriffen, blutig zurück⸗
geſchlagen hatte.
Eine ſtarke Abtheilung von Byzantinern aber, die
ibm von Mantua aus entgegen rückte, verlegte ihm alle
Wege — er wollte nad Larvifium gu Lotila — und
ndthigte ihn, fid) in das nod) von den Gothen unter
Thorismuth beſetzte Caftell von Caftra Nova zu werfen.
Hier hielten ihn die Byzantiner eingefdlofjen, vers
mochten aber nidjt den feften Bau gu nehmen und fdon
jah ver Prafect vie Stunde fommen, da ihn Afacius gu
Hülfe rufen witrde, ven Gothen, ver thm dann nicht
mebr entrinnen fonnte, zu vernichten.
Es freute thn, daß die Kriegsmadt von Byzanz feit
Belifars Cntfernung fid) offen vor gang Stalien als
unfabig erwies, den letzten Widerftand der Gothen gu
bredjen. «
Und die Harte der byzantiniſchen Finangverwaltung,
welde Belifar itherall, wo er einjog, mit fic) fitbren
mußte — er fonnte die auf Befehl ves Kaiſers geitbte
Ausſaugung nidjt hindern — erweckte ober fteigerte in ben
Stadten und auf dem fladen Lande die Wbneigung gegen
die Oftrdmer.
Cethegus hütete fic) wohl, wie BVelifar gethan, den
Gvgften Uebergriffen der Beamten Suftinians 3u webren.
Gr fah es mit Freude, daß in MNeapolis, im Rom
329:
widerholt pas Volk gegen die Bedvritder in offnem Auf—⸗
ruhr empor loderte.
Waren die Gothen vollends vernichtet, der Byzantiner
Macht verächtlich, ihre Tyrannei verhaßt genug geworden,
dann konnte Italien aufgerufen werden, frei zu ſein und
der Befreier, der Beherrſcher hieß Cethegus.
Dabei verließ ihn nur die Eine Beſorgniß nicht —
denn er war fern von Unterſchätzung ſeiner Feinde, —
rer Gothenkrieg, deſſen letzte Funken nod) nicht ausge⸗
treten, könne nochmal aufflammen, geſchürt durch die
nationale Entrüſtung über den geübten Verrath.
Schwer fiel dem Präfecten in's Gewicht, daß die
tiefſtgehaßten Führer der Gothen, daß Totila und
Teja nicht mit im Netze zu Ravenna waren gefangen
worden.
Um ver Gefahr jener nationalen begeiſterten Erhebung
zuvor zu kommen, trachtete er ſo eifrig, dem gefangnen
Gothenkönig die Erklärung zu entreißen, er habe ſich
und die Stadt zuletzt ohne Hoffnung und Bedingung
unterworfen, und er fordre die Seinen auf, den ausſichts⸗
loſen Widerſtand aufzugeben.
Und and das Caſtell, in welchem der Kriegsſchatz
Theoderichs geborgen lag, ſollte ihm ſein Geſangner an⸗
geben.
Auch in jener Zeit war ein ſolcher, ſchon um fremde
Fürſten und Söldner zu gewinnen und anzuziehen, von
höchſter Bedeutung.
Verloren ihn die Gothen, ſo verloren ſie die letzte
330
Hoffnung, ihre geſchwächte Kraft urd frembe Waffen zu
ergänzen.
Und viel lag dem Präfecten daran, jenen als unermef-
lid) reid von der Sage gepriefenen Hort nidt in die Hände
der Brzantiner fallen gu laffen, deren Geldnoth und daber
verurfadte Tyrannei ein widtiger BundeSgenoffe feiner
Plane war: fondern thn ſich felbft gu ſichern, — and
feine Mittel waren ja nidt unerſchöpflich.
Aber all fein Bemühen ſchien an ver Unerſchütterlich⸗
feit fetned Gefangnen gu ſcheitern.
Siebenundwanjigſtes Capitel.
Die Makregeln zur Befreiung des Königs waren
getroffen.
Rauthgundis war mit Wachis hinausgegangen, ſich das
Walddickicht genau einzuprägen, wo der treue Freigelaſſne
mit dem treuen Roß Dietrichs von Bern ihrer warten ſollte.
Und mit der Ruhe, welche die Vollendung aller Vor⸗
bereitungen ſtarkem Sinn gewährt, war die Gothin nach
der Wohnung des Kerkermeiſters zurückgekehrt.
Aber fie erbleichte, als dieſer ihr wie verzweifelt
entgegenſtürzte und ſie über die Schwelle in das Gemach
zog.
Dort warf er ſich vor ihr nieder, ſchlug die Bruſt
mit den Fäuſten und raufte ſein graues Haar.
Lange fand er keine Worte.
‚Rede,“ gebot Rauthgundis und preßte die Hand auf
das wild pochende Herz, „iſt er todt?“
„Nein, aber die Flucht iſt unmöglich!
Alles dahin! Alles verloren!
Bor einer Stunde fam der Präfect und ſtieg gu dem
König binab.
332
Wie gewöhnlich ſchloß id) ihm felbft dite beiven Chitren,
die Gangthür und die RKerferpforte, auf — da —"
Nun?“
„Da nahm er mir die beiden Schlüſſel ab: er werde
fie fortan ſelbſt verwahren.“
„Und du gabſt ſie ihm?“ knirſchte Rauthgundis.
‚Wie konnt' id fie weigern!
Ich wagte das Aeußerſte.
Sch hielt fie zurück und fragte: ,O Herr, vertrauſt
du mir nicht mehr?“
Da warf er mir einen ſeiner Blicke zu, die Leib und
Seele wie ein Meſſer trennen können.
„Von jetzt an — nicht mehr!“ ſprach ex und riß mir
die Schlüſſel aus der Hand.“
„Und du ließeſt es geſchehen!
Doc freilich! Was iſt dir Witichis 2
„O Herrin, du thuſt mir weh und unrecht!
Was hätteſt du an meiner Stelle thun können?
Nichts andres!“
„Erwürgt hätt' ich ihn mit dieſen Händen!
Und nun?
Was ſoll jetzt geſchehn?“
„Geſchehn? Nichts!
Nichts kann geſchehen.“
„Er muß frei werden.
Hörſt du, er muß!“
„Aber Herrin! Ich weiß ja nicht wie.“
Rauthgundis ergriff ein Beil, das an dem Herde lehnte.
„Erbrechen wir die Thüren mit Gewalt.“
333
Dromon wollte ihr die Art entwinden.
„Unmöglich! Dide Cifenplatten ! “
“So rufe den Unbold.
Sage, Witichis verlange ihn gu ſprechen.
Und vor der Gangthür erſchlag id) ihn mit diefem
Beil.”
„Und dann?
Du rafeft!
Lak mid hinaus.
Ich will Wadhis abrufen von feiner nuglofen Wacht.“
„Nein, ich fann’s nicht denfen, dag eS heut' nidt
werden fol.
Vielleicht kömmt diefer Leufel von felbft wieder.
„Vielleicht“ — ſprach fie nadfinnend.
„Ha,“ ſchrie ſie plötzlich, „gewiß, das iſt's.
Er will ihn ermorden!
Er will ſich allein zu dem Wehrloſen ſchleichen.
Aber weh' ihm, wenn er kommt!
Die Schwelle jener Gangthür will ich hüten wie ein
Heiligthum, beſſer als meines Kindes Leben.
Und weh ihm, wenn er ſie beſchreitet.“
Und fle drückte ſich hart an die Halbthür des Ge⸗
maches Dromons und wog das ſchwere Beil.
Aber Rauthgundis irrte.
Nicht um ſeinen Gefangnen zu tödten, hatte der
Prafect vie Schlüſſel an ſich genommen.
Gr war mit pemfelben in den linfen, den Südbau
des Palaſtes gefdritten.
Spät am Nachmittag trat Cethegus — er kam
334
aus dem Kerker des Königs — m das Gemach
Matafwinthens.
Die Rube ves Todes und die Erregung des Fiebers
wedjfelten im der feelifd) Tieferkrankten fo oft, fo rafd,
vag Ufpa nur mit Thränen erfiillten Angen nod auf
ihre Herrin fab.
„Zerſtreue,“ fprad Cethegus, „ſchönſte Tochter der
Germanen, die Wolken, die auf deiner weißen Stirn
lagern und höre mich ruhig an.“
„Wie ſteht es mit bem König?
Du läſſeſt mich ohne Nachricht.
Du verſprachſt, ihn frei zu geben nach der Ent⸗
ſcheidung.
Ihn über die Alpen führen gu laſſen.
Du hältſt dein Wort nicht.“
„Ich habe das verſprochen — unter zwei Bedingungen.
Du kennſt ſie beide, und haſt die Deine noch nicht
erfüllt.
Morgen kommt der kaiſerliche Neffe Germanus zurück
von Ariminum, — dich nach Byzanz zu führen: — du
giebſt ihm Hoffnung, ſeine Braut zu werden.
Die Che mit Witichis war erzwungen und nidtig.”
„Ich fagte div ſchon: nein, niemals !“
„Das thut mir leid — um meinen Gefangnen.
Denn ebher nicht fieht er vas Licht ber Sonne, bis
Du mit Germanus auf dem Wege nad Byzanz.“
„Niemals.“
„Reize mich nicht, Mataſwintha!
Die Thorheit des Mädchens, das ſo theuren Preis
330
einft um einen Areskopf bezahlt. ift, denk' ich. fiber.
wunden.
Dasfelbe Geſchöpf bat den Ares der Gothen ja ſeinen
Geinden verrathen.
Aber ehrft du noch wirklich den Mädchentraum, fo
rette den einft Geliebten.”
Matafwintha fdiittelte das Haupt.
wit babe dich bisher als eine Freie, als Königin
bebandelt.
Grinnere mid nidt, daß du fo gut wie er in meiner
Gewalt.
Du wirft dieſes edlen Prinzen Gemabhlin — bald
feine Wittme — und Buftinian, Byzanz, vie Welt liegt
Dir zu Füßen.
Tochter Amalaſwinthens — ſollteſt du nicht die
Herrſchaft lieben 2"
wd) liebe nur —! Niemals !"
„So mug id) dich swinger !"
Sie ladte: „Du? mich? zwingen?“
3a, id) did) gwingen.
(Sie liebt ihn nod immer, den fle zu Grunde ge=
richtet!)
Die zweite Bedingung nämlich iſt: daß der Ge—
fangne dieſen leer gelaffnen Namen ausfüllt — es iſt
der Name des Schatz⸗Schloſſes der Gothen — und dieſe
Erklaͤrung unterſchreibt.
Er weigert ſich mit einem Trotz, der anfängt, mich
zu erbittern.
336
Giebenmal war id) bet thm — ich, der Sieger —
er hatte nod fein Wort fiir mid.
Mur dads erfte Mal, da erhielt id) einen Blid — fir
den er allein den ftoljen Kopf verlieren mußte.“
„‚Nie giebt er nad."
„Das fragt {id dod).
Auch Felfen zermürbt beharrlicer Tropfenfall.
Aber ich kann nicht lange mehr warten.
Heute früh kam Nachricht, daß der tolle Hildebad in
wüthigem Ausfall Beſſas ſo geſchlagen, daß er kaum die
Einſchließung noch aufrecht hält.
Ueberall flackern gothiſche Erhebungen empor.
Ich muß fort und ein Ende machen und dieſe Funken
auslöſchen mit vem Waſſer der Enttäuſchung, beffer als
mit Blut.
Dazu muß id) des gefangnen Königs Erlãrung und
Schatz⸗Geheimniß haben.
Ich ſage dir alſo: wenn du bis Morgen Mittag
nicht des Prinzen Begleiterin nad Byzanz und mir vor⸗
her nicht die Unterſchrift des Gefangnen verſchaffſt, die
Echtheit von dir ſelbſt bezeugt, ſo werd' ich den Ge⸗
fangnen — — ich ſchwöre es dir beim Styr, — werd’
ich den Gefangnen —“
Entſetzt von ſeinem furchtbar drohenden Ausdruck
fuhr Mataſwintha von ihrem Sitz empor und legte ihre
Hand auf ſeinen Arm.
„Du wirſt ihn doch nicht tödten?“
„Ja, das werd' ich.
Ich werd' ihn erſt foltern.
337
Dann blenden.
Und dann tédten."
nem, nein!" fdrie Matafwintha auf.
wa, id) hab's befdjloffen.
Die Henfer ftehen bereit.
Und du wirft thm das fagen: dir, diefer händeringen⸗
ven BVergweiflung wird er glauben, dak es Ernſt.
Du vielleicht rührſt ihn: mein Anblick hartet feinen
Trop.
Gr wähnt vielleidt nod, in Belifars, ves Weid)s
herzigen, Hand zu fein.
Du wirft ihm fagen, in weffen Gewalt ‘er ift.
Hier vie beiden Pergamente.
Hier vie Schlüſſel — du follft deine Stunde fret
wählen — gu feinem Rerfer."
Cin Strahl freudiger Hoffnung bligte aus Matas
ſwinthens Geele durch thr Auge.
Gethegus bemerfte e8 wohl.
Uber rubig lächelnd ſchritt er hinaus.
Dahn, Gin Kampf um Rom. IT. 22
Adtundpwansiaftes Capitel.
Bato, nachdem ver Prefect vie Königin verlaſſen,
war e8 dunkel geworden über Ravenna.
Der Himmel war dict mit zerrißnem Gewölk bee
vet, weldjes heftiger Wind an dem Neumond voriiber
jagte, fo daß kurzes, ungewiſſes Licht mit defto tieferem
Dunfel wedhfelte.
Dromon hatte feinen Whendrundgang in den Gellen
ver übrigen Gefangnen vollendet und fam müde und
traurig in fetn Vorgemach zurück.
Er fand fein Licht brennend.
Mit Mithe nur nahm er Rauthgundis wabhr, welde
nod) immer reglos an der Halbthür lehnte, das Beil in
ver Hand, ven Blick auf die Gangthiir gebeftet.
„Laß mid) Vict fdlagen, Frau, den Sienfpan im
Herd-Cifen entziinden: und theile das Nachtmahl mit mtv.
Romm, du harreft bier umfonft.“
ein, fein Lidt, fein Feuer in dem Gemach! Ich
jebe fo Sefjer, wa8 draugen im Hofe, tm Mondlicht
nabt."
339
„Nun fo fomm wenigſtens bierherein und rube auf
dem Dreifug. Hier ift Brod und Fleiſch.“ .
„Soll ih effen, wabrend er Hunger leidet?“
„Du wirft erliegen!
Was denkſt, was finnft du den ganjen Whend?*
„Was id) denle?“ widerbolte Rauthgundis, immer
binausblidend :
oon!
Und wie wir fo oft gefcfien in dem Saulengang vor
unfrem fddnen Haufe, wenn der Brunnen plätſcherte
in dem Garten und die Cicaden jirpten auf den
Biumen.
Und die thle Nachtluft ſtrich fret um fein liebes
Haupt. .
Und ich ſchmiegte mic) an feine Schulter.
Und wir fpraden nicht.
Und oben gingen die Sterne mit Schweigen.
Und wir laufdten den vollen, tiefen Athemzügen des
Rindes, das eingefdlafen war auf meinem Schos, die
Händchen, wie weide Feffeln, um den Arn ves Vaters
geſchlungen.
Jetzt trägt ſein Arm andre Feſſeln.
Eiſenfeſſeln trägt er, — die ſchmerzen — —“
Und ſie drückte die Stirn an das Eiſengitter, feſt
und feſter, bis ſie ſelbſt Schmerz empfand.
„Herrin, was quälſt du dich?
Es iſt doch nicht zu ändern!“
„Ich will es aber ändern!
Ich muß ihn retten und —
22*
340
Ha, Dromon, hieher!
Was ift vase fliifterte fle und wies in den Hof.
Der Alte fprang gerdufdlos an thre Sette.
Jn vem Hofe ftand eine hohe, weiffe Geftalt, ote
fautlo8 an der Mauer dahin glitt.
Rafd nur, aber fdarf, fiel vas Mondlicht darauf.
„Es ift etne Lemure!
Gin Schatte der hier Ermordeten,“ ſprach der Alte
bebend.
„Gott und vie Heiligen ſchützet mich!“
Und er befreuzte fid) und verbiillte das Haupt.
Mein,” ſprach Rauthgundis, die Todten kommen
nidjt wieder vom Jenſeits.
Sest ift’8 verfdwunden —
Dunfel ringsum —
Ha, da bridt ver Mond durch — da tft e8 wieder!
G8 fdwebt voran gegen die Gangthitr.
Was fdhimmert da roth im weifen Licht?
Ha, dads ift die Königin — ihr rothes Haar!
Sie halt an ver Gangthitr.
Sie ſchließt auf!
Gie will thn im Schlaf ermorden!"
„Weiß Gott, es ift die Königin!
Aber ihn ermorden!
Wie finnte fie!"
„Sie könnte ed!
Aber ſie ſoll es nicht, ſo wahr Rauthgundis lebt.
Ihr nach!
Ein Wunder thut uns ſeinen Kerker auf!
341
Aber leife!
Leiſe!“
Und ſie trat aus der Halbthür in den Hof, das Beil
in der Rechten, vorſichtig den Schatten der Mauer
ſuchend, langſam, auf den Zehen ſchleichend.
Dromon folgte ihr auf dem Fuße.
Inzwiſchen hatte Mathaſwintha vie Gangthür auf—⸗
geſchloſſen und ihren Weg erſt viele Stufen hinab, dann
durch den ſchmalen Gang, mit den Händen taſtend, gue
riidgelegt.
Nun erreidte fle die Pforte ves Kerkers.
Leife erſchloß fie aud) diefe.
Durd einen ausgehobnen Biegelftein hod) oben im
Thurm fiel ein ſchmaler Streif ves Mondlidis in das
enge Quadrat.
Es zeigte ihr den Gefangnen.
Gr fag, den Riiden gegen vie Thüre gemandt, das
Haupt auf vie Hände geftiigt, reglos auf einem Steins
blod.
Bitternd lehnte fic) Matafwintha an vie Pfoften der
Pforte.
Eiskalte Luft ſchlug ihr entgegen.
Sie fror.
Ste fand keine Worte: vor Grauen.
Da ſpürte Witichis an dem Windzug, daß die Pforte
geöffnet worden.
Er hob das Haupt.
Aber er ſah nicht um.
342
‚„Witichis — König Witichis“ — ftammelte endlid
Mataſwintha — „ich bin's. Hörſt du mich?“
Aber der Gefragte rührte ſich nicht.
„Ich komme, dich zu retten — fliehe! Freiheit!“
Aber der Gefangne ſenkte wieder das Haupt.
woh ſprich! — of ſieh nur auf mid!“ —
Und fie trat ein.
®erne hatte fie feinen Arm berithrt, feine Hand
gefaft.
Sie wagte es nod) nidht.
„Er will dic) tidten — qualen.
Gr witd e8 thun, — wenn du nicht fliehſt.“
Und nun gab ihr Verzweiflung den Muth, näher gu
freten.
ou follft aber fliehn!
Du follft nicht fterben!
Du follft gerettet fetn — durch mid!
Sh flehe vid an — fliehe!
Du hirft mid nidt!
Die eit drangt!
Einſt follft vu Wes wiffen!
Nur jest flich in Freiheit und Leben.
Sd habe vie Sehliiffel per Rerkerpforte und der
®angthiir! flieh!“
Und nun fafte fie ſeinen Arm, wollte ihn entpors
reißen.
Da klirrten ſeine Ketten an den Armen, an den
Füßen. —
Er war an den Steinblock feſtgeſchloſſen. —
343
„Oh, was ift das?" rief fle und fiel in die Rniee.
„Stein und Eiſen.“ fagte er tonlos.
wtafy mid).
Sd gehöre dem Tove.
Und bielten mid aud dieſe Vande nicht — id folgte
Dir dod) nidt!
Buriid in die Welt?
Die Welt ift etne große Lüge.
Wes ift Lage."
„Du haft edt! fterben tft beffer.
Laß mid fterben mit dir.
Und verjeih mir.
Denn aud ich habe dir gelogen.“
„Es mag wobl fein.
Es wundert mid nidt.“
„Aber du mußt mir nod) vergeben, ehe wir fterben.
Ich habe vid gehaßt — ich habe gejubelt über deinen
MNiedergang — id) habe — of, eB ift fo ſchwer gu
ſagen!
Ich habe die Kraft nicht, es zu geſtehn.
Und doch muß ich deine Verzeihung haben — und
miift’ id) fie mir erſtehlen.
Vergieb mir — reidhe mir die Hand gum Zeichen,
dag du mir verzeihſt.“
Aber Witichis war in ſein Brüten zurück geſunken.
„Oh, id) flehe did) an — verzeihe mir, was immer
id dir mag gethan haben.”
„Geh — warum foll id) dir nicht verzeihn?
Du biſt wie We! nicht beffer, micht ſchlimmer!“
344
„Nein, td) bin böſer als Wile.
Und vod beffer.
Wenigftens elender.
Wiffe venn: td) habe did) gehaft, ja, aber nur, weil
Du mid) von dir geſtoßen!
Du ließeſt mid) nicht detn Leben theilen, — vers
zeihe mir. —
Gott, ich will ja nur mit dir ſterben dürfen. —
Reich mir einmal noch die Hand, zum Zeichen, daß
du mir verzeihſt.“
Und ſie ſtreckte kniend, flehend, beide Hände zu ihm
empor.
Der König erhob das Haupt.
Der Grundzug ſeines Weſens, die tiefe Herzensgüte,
regte ſich in ihm und übertönte den eignen dumpfen
Schmerz.
„Mataſwintha,“ ſagte er, und erhob die kettenklirrende
Hand, „geh', es erbarmt mich dein.
Laß mich allein ſterben.
Was immer du an mir gethan — geh hin,— td
babe dir verziehn.“
„Oh Witichis!“ handte Matafwintha und wollte
feine Hand ergreifen.
Uennundzwanzigſtes Capitel.
Aber heftig fühlte fle fic hinweg geriffen.
„Nachtbrennerin, nte foll er dir vergeben!
Komm Witichis, mein Witidis.
Folge mir! du bift fret.”
Der Kinig fprang auf, von diefer Stimme wie aus
Betäubung gewedt.
„Rauthgundis!
Mein Weib! ja du logſt nie!
Du biſt getreu.
Ich hab' dich wieder.“
Und tief aufathmend, jauchzend aus voller Bruſt,
breitete er die Arme aus.
Sein Weib flog an ſeine Bruſt und ſie weinten
beide ſüße Thränen der Liebe und der Freude.
Mataſwintha aber, die ſich erhoben hatte, wankte
gegen die Mauer.
Sie ſtrich ſich langſam die rothen, losgegangnen
Haare aus der Stirn und blickte auf das Par, das
ver Mondſtrahl, ver durch vie Thurmluke fiel, bell bes
leuchtete.
346
‚Wie er fie liebt!
Ihr, ja ihr würd' er foigen in Freiheit und Leben.
Aber er muß ja bleiben!
Und ſterben — mit mir.“ —
„Säumt nicht länger!“ mahnte von der Kerkerthüre
die Stimme Dromons.
„Ja, raſch fort, mein Leben!“ rief Rauthgundis.
Sie zog einen kleinen Schlüſſel aus dem Buſen und
taftete an ben Ketten, ded Schloſſes kleine Oeffnung
ſuchend.
Bie? ſoll ich wirklich nochmal hinaus?“ fragte der
Gefangne, halb in ſeine Betäubung zurück ſinkend.
„Ja, hinaus in Luft und Freiheit,“ rief Rauthgundis
und warf die losgeſchloſſnen Armfeſſeln zur Erde.
„Hier Witichis, eine Waffe! Ein Beil!
Nimm!“
Begierig ergriff der gothiſche Mann die Art und
holte kräftig damit aus: „Ah! die Waffe thut dem Arm,
der Seele wohl!“
„Das wußte ich, mein tapfrer Witichis!“ rief Rauth⸗
gundis, kniete nieder und ſchloß die Kette auf, die ſeinen
linken Fuß an den Steinblock gefeſſelt hielt.
„Nun ſchreite aus!
Denn du biſt frei.“
Witichis that, das Beil in der Rechten hebend, hoch
ſich reckend, einen Schritt gegen die Thüre.
„Und ſie darf ſeine Ketten löſen!“ flüſterte Mata⸗
ſwintha.
„Ja, frei!“ ſprach Witichis, hoch aufathmend.
her
~
347
Ich will fret fein und mit dir gehen.”
„Mit ihr will er geben!” rief Mtatafwintha und
warf fid) den Gatten in den Weg.
‚Witichis — [eb wohl — geh! —
Mur fage mix nochmal — dak du mir vergiehft.”
„Dir vergeben?“ rief Rauthgundis.
Nie! Riemals !
Sie hat unfer Reich zerſtört.
Sie hat did verrathen.
Nicht ver Blig ves Himmels — ihre Hand hat
deine Gpeider verbrannt!”
O fo fet verfludjt!" rief Witidis.
„Hinweg von dieſer Sdlange der Hille!
Und fie von dev Pforte hinweg ſchleudernd, ſchritt
er fiber die Schwelle, gefolgt von Rauthgunvis.
„‚Witichis!“ rief Matafwintha fic) aufraffend.
„Halt! Halt an!
Hire mid nur nod einmal!
Witichis!“
„Schweig!“ ſprach Dromon, ihren Arm ergreifend.
„Du wirſt ibn verderben.“
Aber Mataſwintha, ihrer nicht mehr mächtig, riß
ſich los und folgte, die Stufen hinauf in den Gang.
„Halt!“ rief ſie, „Witichis!
Du darfſt nicht ſo hinweg.
Ou mußt mir verzeihn.“
Da brach ſie ohnmächtig zu Boden.
Dromon eilte an ihr vorbei, den Fliehenden nach.
348
Aber fdon hatte das gellende Rufen den Mann des
leifeften Schlafes geweckt.
Cethegus trat, das Schwert in der Hand, nur halb
gegürtet, aus ſeinem Schlafgemach auf den Gang,
deſſen offne Logen in den viereckigen Palaſthof blickten
„Wachen,“ rief er, „unter die Speere!“
Auch Soldaten waren aufmerkſam geworden.
Kaum hatten Witichis, Rauthgundis und Dromon
den Gang und die Gangthüre durchſchritten und, grade
dieſer gegenüber, die Gemächer Dromons erreicht, als
ſechs iſauriſche Söldner laut lärmend in den Gang
hinein ſtürmten.
Raſch ſprang Rauthgundis aus ver Halbthür, ſprang
auf die ſchwere eiſerne Gangthüre zu, warf ſie klirrend
ins Schloß, drehte den Schlüſſel um, und zog ihn
heraus.
„Die ſind geborgen und unſchädlich!“ flüſterte ſie.
Schnell eilten nun die beiden Gatten von dem Gemache
Dromons dem großen Ausgang zu, der aus dem Schloß⸗
hof auf die Straße führte.
Mit gefälltem Speer trat hier der letzte Mann der
Wache, der hier zurückgeblieben, ihnen entgegen.
„Gebt die Loſung,“ frug er. Rom und —
ade!" ſprach Witichis und ſchlug ibn mit dem
Beile nteder.
Laut fdreiend fiel der Söldner, und warf nods den
Speer ven Fliidtigen nad: er durchbohrte den letzten
der Dret — Dromon.
Ueber die Marmorftufen ves Palaftes auf vie Straße
349
hinab fpringend, hörten die Gatten nod) die eingefperrten
Soldaten donnernd gegen die fefte Cifenthitre ſchlagen,
aud einen lauten Befehlruf hirten fie nod:
„Syphar! mein Pferd!“
Dann nahm ſie Nacht und Dunkel auf.
Wenige Minuten arauf ſchimmerte der Palaſthof
von Fackeln: und Reiter flogen nach allen Thoren der
Stadt.
„Sechs Tauſend Solidi wer ihn lebend, drei Tauſend
wer ihn erſchlagen bringt!“ rief Cethegus, — ſich in den
Sattel ſeines ſchwarzen Hengſtes ſchwingend.
„Nun auf, ihr Söhne des Winvdes, Eat und
Mundzuch, Hunnen und Maſſageten.
Jetzt reitet, wenn ihr je geritten!“
weber wohin, Herr?“ frug Syphax, an ſeines Herrn
Seite aus dem Palaſtthor ſprengend.
„Das iſt ſchwer rathen.
Aber alle Thore ſind geſchloſſen und beſetzt.
Sie können nur etwa zu den Mauerbreſchen bins
ang.“
„Zwei groge Manerbrefden finds."
„Sieh dort den Supiter, Der eben aus der Wolfe
tritt im Oſt.
Gr winkt mir.
Oft nicht dort —?“
„Der Mauerfturzy am Xhurme ves Wetius."
„Gut! dort hinaus!
Sd folge meinem Stern!" — — —
390
Glücklich Hatten inzwiſchen die Gatten, Hindurd) gee
faffen von Paulus, dem Sohn des Dromon, die nur halb
ausgefüllte Manerliide durcheilt und in dem nahen Pinien:
Hain der Diana Wacdhis, den Getrenen, und zwei Pferde
gefunden.
Wallada nahm die Gatten auf ven Rücken —
Der Freigelaſſne ritt raſch voran, dem Ufer des hier
ſehr breiten Fluſſes zu.
Witichis hielt Rauthgundis vor ſich, hinter dem Hals
des Roſſes.
„Mein Weib! mit dir hatte ich Alles verloren!
Leben und Lebensmuth.
Aber nun will ich's noch einmal wagen um das
Reich.
O wie konnte ich dich von mir laſſen, du Seele
meiner Seele.“
„Dein Arm iſt wund vom Druck der Kette!
So! leg ihn hier auf meinen Nacken, o du mein
Alles.“
„Vorwärts, Wallada! Raſch! es gilt das Leben.“
Da bogen ſie aus dem Dickicht des Hains in's
Freie.
Das Ufer des Fluſſes war erreicht.
Wachis trieb ſein bäumendes Pferd in die dunkle
Fluth.
Das Thier ſcheute und widerſtrebte.
Der Freigelaſſne ſprang ab.
„Er geht ſehr tief, ſehr reißend.
Es iſt Hochwaſſer ſeit drei Tagen.
3951
Die Furth ift nicht zu brauchen.
Die Gaule miiffen ſchwimmen und ftarf rechts abs
wirts wird’s uns reißen.
Und es find Felfen im Flug.
Und das Mondlicht wechſelt fo oft und taufdt.”
Und rathlos priifte er am Ufer hin und ber.
„Horch, was war das?" fragte Rauthgundis.
„Das war nidt der Wind in den Steineiden."
„Pferde ſind's,“ fagte Witichis.
„Sie nahen in Eile.
Ja, wir ſind verfolgt.
Waffen klirren.
Da — Fackeln
Jetzt hinein in den Strom auf Leben und Sterben.
Aber leiſe!“
Und er führte ſein Pferd am Zügel in die Fluth.
‚Kein Bodengrund mehr.
Die Gäule müſſen ſchwimmen.
Halte dich feſt an der Mähne, Rauthgundis.
Vorwärts, Wallada!“
Schnaubend, zitternd, blickte das Thier in die ſchwarze
Fluth. — Die Mähne flog wirr kopfüber — die Vorder⸗
füße vorgeſtreckt, den Hinterbug zurückgehemmt.
„Vorwärts, Wallada!“
Und leiſe rief Witichis dem treuen Roß in's Ohr:
„Dietrich von Bern!"
Da fete vas edle Thter in ftokem Sprung will
fabrig in die Fluth.
Schon jagten die verfolgenden Reiter aus dem Wald,
352
voran Gethegus, ihm zur Seite Syphar, eine Fadel
hebend.
„Hier, im Uferfand, verſchwindet die Spur, 0
Herr." |
„Sie find im Waffer!
Vorwarts, ihr Hunnen !“
Aber die Reiter gogen die Zügel an und rithrten
fid) nicht.
„Nun, Ellak? was zögert ihr?
Sofort in die Fluth!“
„Herr, das können wir nicht.
Ehe wir zur Nachtzeit in fließend Waſſer reiten,
müſſen wir Phug, den Waſſergeiſt, um Verzeihung
bitten.
Wir müſſen erſt zu ihm beten.“
‚Betet nachher, wenn iby drüben ſeid, fo lang ihr
wollt, nun aber —“
Da fubr ein ftarferer WindftoR über den Flug und
verlöſchte alle Fadeln. —
Hod) auf raufdte die Fluth.
„Du fiebft, o Herr, Phug zürnt.“
„Still! ſaht ihr nichts?
Da unten, links?“
Der Mond war ans dent jagenden Gewölk ge⸗
taucht. —
Er zeigte Rauthgundis helles Untergemand — den
braunen Mantel hatte ſie verloren.
„Zielt raſch, dorthin.“
„Nein, Herr! Erſt ausbeten.“ —
353
Da war eS wieder dunkel am Himmel, —
Mit einem Flud) rif dem Hunnen-Hauptling Cethegus
Bogen und Köcher von ver Schulter.
„Nun raſch vorwärts!“ rief leife Wachis, der ſchon
faſt das rechte Ufer gewonnen hatte, zurück — „ehe der
Mond aus jener ſchmalen Wolfe tritt.
„Halt, Wallada!“ rief Witichis, abſpringend, die
Laſt zu erleichtern, und ſich an der Mähne haltend.
da iſt em Fels!
Stoße vid) nicht, Rauthgundis.“ —
Roß, Mann und Weib ſtockten einen Augenblick an
dem ragenden Stein, wo in gurgelndem, tiefem Wirbel
das Waſſer reißend zog.
Da ward der Mond ganz frei.
Hell beleuchtete er vie Fläche des Stroms urd die
Gruppe am Felfen.
„Sie find es!“ rief Cethegus, ver ſchon den gee
fpannten Langbogen bereit hielt, gielte und ſchoß.
Schwirrend flog ver lange, ſchwarz gefiederte Pfeil
von der Sebne.
Rauthgundis!“ rief Witichis entfegt. —
Denn fie gudte gufammen und fan’ nad vorwärts
auf die Mähne des Roſſes: aber fie Hagte nidt. —
wOift Du getroffen 2”
Ich glaube.
Laß mid bier.
Und rette dic."
„Niemals! Lak did) ftilgen.“
„Um Gott, Herr, duckt end)! taucht! fte zielen!“
Dahn, Ein Kampf um Rom. TIL 93
354
Die Hunnen Hatten jest ausgebetet.
Gie ritten bis hart an den Strom, bis in fein
Uferwaffer, bogenfpannend und jielend.
ag mid, Witichis! Flieh, ich fterbe hier.”
Nein, ich laſſe vid) nie mehr!“
Gr wollte fie aus rem Sattel beben und fie auf dem
Stein bergen.
Sn hellem Mondlicht ftand die Gruppe.
„Gieb did) gefangen, Witichis!“ rief Cethegus, fein
Roß bis an den Bug in vas Waſſer fpornend.
„Fluch itber did), du Lügner und Meiding.“
- Da fhwirrten zwölf Pfetle auf emmal.
Hod) auf fprang das RoR Cheoderids und verfant
fiir immer in die Tiefe.
Aber aud) Witidhis war auf ven Cod getroffen.
Bet dir!" — hauchte nod) Rauthgundis.
Heft mit beiden Armen umfing fie Witichis. — —
„Mit dir!”
Umfdlungen verſchwanden fie im Flug.
Sammernd rief drüben Wachis im Schilf ves Ufers
nod) dretmal ihren Namen.
Er erbielt feine Antwort.
Da jagte er davon in die Macht.
„Schafft die Leiden an’s Land!" befabl Cethegus
piifter, fein Roß wendend.
Und die Hunnen ritten und ſchwammen bis an den
Stein und fudten.
Uber fie ſuchten vergebens.
Der rajdhe Strom hatte fie mit fort geriffen und
355
pie wieder vereinten Gatten mit fic) hinaus getragen
in's tiefe, frete Meer.
Am gletden Tage war Pring Germanus von Ari-
minum in den Hafen von Ravenna zurückgekehrt, bereit,
demnächſt Matafmintha nah Byzanz gu führen.
Diefe war aus ibrer Betäubung erft durd die
Hammerfdlige ver Werkleute gewedt worden, welde das
Mauermerf neben ver Gangthür durchbrachen, die ein:
gefperrten Söldner gu befreien.
Man fand die Fürſtin auf den Rerferftufen zu—⸗
fammengebrodjen.
Sie ward in vollem Fieber in ihre Gemächer hinauf
getragen, wo fle auf den PBurpurpolftern ofne Laut und
Regung, aber mit ftarr geöffneten Augen lag.
Gegen Mittag ließ ſich Cethegus melden.
Sein Blick war finfter und drobend, fein Antlig
pon eifiger Ralte.
Er trat dicht an iby Lager.
Matafwintha fal ihm in's Wuge.
„Er ift todt!“ fagte fie dann ruhig.
„Er wollte es nidjt anders.
Gr — und du.
Dir Vorwürfe maden ift swedlos.
Aber du fiehft, was das Ende wird, wenn du mir
entgegen handelſt.
. 23 *
354
Die Hunnen batten jest audsgebetet.
Sie ritten bis hart an den Strom, bis in fein
Uferwaffer, bogenfpannend und jielend.
rag mid, Witichis! Flieh, icp fterbe bier."
„Nein, ich laſſe did) nie mebr!"
Er wollte fie aus rem Gattel beben und fie auf vem
Stein bergen.
Sn hellem Mondlicht ftand vie Gruppe.
„Gieb vid gefangen, Witichis!“ rief Gethegus, fetn
Roß bis an den Bug in das Wafer fpornend.
„Fluch über did), du Lügner und Neiding.“
Da ſchwirrten zwölf Pfeile auf einmal.
Hoch auf ſprang das Roß Theoderichs und verſank
für immer in die Tiefe.
Aber auch Witichis war auf den Tod getroffen.
Bei dir!" — hauchte nod) Rauthgundis.
Feſt mit beiden Armen umfing ſie Witichis. — —
„Mit dir!“
Umſchlungen verſchwanden ſie im Fluß.
Jammernd rief drüben Wachis im Schilf des Ufers
noch dreimal ihren Namen.
Er erhielt keine Antwort.
Da jagte er davon in die Nacht.
„Schafft die Leichen an's Land!“ befahl Cethegus
düſter, ſein Roß wendend.
Und die Hunnen ritten und ſchwammen bis an den
Stein und ſuchten.
Aber ſie ſuchten vergebens.
Der raſche Strom hatte ſie mit fort geriſſen und
355
pie wieder vereinten Gatten mit ſich hinaus getragen
in's tiefe, freie Meer.
. Unt gletden Tage war Pring Germanus von Ari-
minunt in den Hafen von Ravenna zurückgekehrt, bereit,
demnächſt Matafmintha nad Byzanz zu fithren.
Diefe war aus threr Betaubung erft durch die
Hammerſchläge ver Werkleute gewedt worden, welde das
Mauermerf neben der Gangthiir durchbrachen, die ein:
gefpercten Siloner gu befreien.
Man fand die Fürſtin auf den Merferftufen zu—⸗
fammengebrodjen.
Sie ward in vollem Fieber in ihre Gemader hinauf
getragen, wo fie auf den Burpurpolftern ohne Laut und
Regung, aber mit ftarr gedffneten Wugen lag.
Gegen Mittag ließ fic) Cethegus melden.
Sein Blick war finfter und drohend, fein Antlig
von eifiger Kälte.
Gr trat dicht an ihr Lager.
Matafwintha fal ihm in’s Auge.
„Er ift todt!" fagte file dann rubig.
„Er wollte e8 nidjt anders.
Gr — und du.
Dir Vorwiirfe maden ift swedlos.
Aber du fiebft, was pas Ende wird, wenn du mir
entgegen handelſt.
. 23 *
396
Das Gefdret von feinem Untergang wird unfehlbar
die Barbaren in neue Wuth treiben.
Schwere Arbeit haft vu mir geſchaffen.
Denn nur ou Haft ihm Fludt und Tod bereitet.
Das Mtindefte, was du yur Sithne thun fannft, ift:
meinen zweiten Wunſch erfiillen.
Pring Germanus ift gelandet, did) abjubolen.
Du wirft ihm folgen."
„Wo iſt die Leiche?
‚Nicht gefunden.
Der Strom hat ihn davon getragen.
Ihn und — vas Weib.“
Mataſwinthens Lippe zuckte. Noch im Tode!
Sie ſtarb mit ihm?“
weap dieſe Todten!
In zwei Stunden werde ich mit dem Prinzen wieder
kommen.
Wirſt du bis dahin bereit fein, ihn gu begrüßen?
„Ich werde bereit ſein.“
„Gut. Wir wollen pünktlich fein.”
Auch ich.
Aſpa, rufe alle Sklavinnen herbei.
Sie ſollen mich ſchmücken: Diadem, Purpur, Seide.“
„Sie hat den Verſtand verloren,“ ſagte Cethegus im
Hinausgehen.
ber die Weiber find zäh.
Sie wird ihn wieder finden.
Gie finnen fort leben mit aus ver Bruſt geriffnem
Herzen."
357
Und er ging, Den ungeduldigen Pringen gu vertriften.
Vor Ablanf der bedungnen Beit fam eine Slavin,
beide Ptanner zur Königin zu entbieten.
Germanus eilte mit rafdem Fuße Aber vie Sdwelle
ihres Gemaches.
Aber gefeſſelt von Staunen blieb er ſtehen.
So ſchön, ſo prachtvoll hatte er die Gothenfürſtin
nie gegeſehn.
Sie hatte das hohe, goldne Diadem auf das leuchtende
Haar geſetzt, welches, gelöſt, in zwei dichten Wellen auf
ihre Schultern und von den Schultern bis über den
Rücken floß.
Das Unterkleid, von ſchwerſter weißer Seide mit
goldnen Blumen durchwirkt, war nur unterhalb der
Kniee ſichtbar.
Denn Bruſt und Schos bedeckte der weite Purpurmantel.
Ihr Antlitz war marmorweiß, ihr Auge loderte in
geiſterhaftem Glanz.
„Prinz Germanus,“ rief fie dem Eintretenden ents
gegen, „du haſt mir von Liebe geredet?
Aber weikt du, was du gereret?
Lieben ift fterben.”
Germanus fah fragend auf Cethegus.
Diefer trat vor.
Gr wollte fpreden.
Aber Matafwintha hob mit heller Stimme wieder an:
„Prinz Germanus, fie rühmen did den Feinftgebildeten
an einem weifen Hof, wo man fic bt in fpiger Räthſel
Rathung. |
358
Auch ich will dtr eine Rathfelfrage ftellen: — ſieh yu,
ob du fie löſeſt.
Laß div nur belfen dabei von dem Mugen Prafecten,
ver fid) fo gang auf Menſchengemüther verfteht.
Was ift vas?
Weib und dod) Mädchen?
Wittwe und ded) nie Weib ?
Vermagſt e8 nidjt gu deuten?
Haft Recht.
Der Tod nur löſt alle Räthſel.“
Rafd) sur Seite warf fie den Purpurmantel.
Cin breiteds, ftarfes Schwert bliste.
Mit beiden Hanvden ſtieß fie ſich's tief in die Bruſt.
Aufſchreiend fprangen Germanus von vorne, Aſpa
von rückwärts hinzu.
Schweigend fing Cethegus vie Sinlende auf.
Sie ſtarb, ſowie er das Schwert aus der Wunde zog.
Er kannte das Schwert.
Er hatte ſelbſt ihr es einſt geſendet.
Es war das Schwert des Königs Witichis.
Sedstes Such.
Sotila.
Heil, daß uns diefer Sonnen-Jüngling lebt.
Markgraf Rüdeger von Bedhelaren
I. Aufgug, 1. Ecene.
Erfte Abtheifung.
Grftes Capitel.
Wenige Tage nad dem Tode Matafwinthens und
ver Wbreife des tieferſchütterten Prinzen fam eine Botfdaft
aus Gaftra nova, welde den Aufbrud byjzantiniſcher
Truppen von Ravenna nothwendig madte.
Hildebad war durd) flüchtige Gothen, weld fic) durch
pie Linien der Belagerer gefdlicen, von der verrathes
rifden Gefangennebmung des Königs unterridjtet worden.
Da lieR er durch Gefangne, die er fret gab, Belifar
und Gethegus, jeden einjeln oder beide gufammen, wie
fie wollten, gum Zweikampf laden, ,wenn fte eine Ader
von Muth, einen Tropfen von Ehre im Leibe triigen.”
«Cr glaubt Belifar nod) im Lande und fdeint ibn
nidt eben gu fürchten,“ fagte Beſſas.
Hier lage ein Mittel,“ erwiderte Cethegus lauernd,
wen ungeftimen Raufbold yu verderben.
Aber fretlid, Muth gehsrt dazu.
Muth, wie ihn Beliſar gehabt.“
362
„Du weikt, id weide thm aud darin nicht."
„Gut,“ fprad Cethegus, ,folge mir in mein Gemad.
Ich will dir Rath und Mittel zeigen, den Riefen gu
vernichten.
Du ſollſt vollbringen, was Beliſar mißlang.“
Bu fic) ſelber aber ſprach er: ,,Beffas iſt gwar em
löblich ſchlechter Feldherr: aber Demetrius fein beffrer,
und leichter gu letter.
Und Beffas ſchuld' id) noch Vergeltung fiir das tiburs
tinifche Thor yu Rom.“
Nicht ohne Grund hatte der Prafect gefitrehtet, der
ſchon faft erlofdne Widerftand ver Gothen werde fid
new beleben bet der Kunde von der hinterliftigen Bers
nidtung ded Königs.
Mit jedem Mittel hatte er daher jene Erflarung von
Witihis ergwingen wollen, welche jede Begeifterung der
Rache erftidt haben würde.
Noch war an den alten Hildebrand zu Verona, an
Lotila nad Tarvifium und an Teja gu Teinum keine
genauere Nachricht gelangt.
Nur die Kunde, dak Ravenna gefallen, ver König
gefangen fet, hatte fie erreidt.
Dunfel verlautete vabei von Verrath.
Und der Sdmerz und Zorn der Freunde ließen es
363
fid) nicht nehmen: mit rechten Dingen könne nicht die fefte
Stadt, ver wadre König, erlegen fein.
Statt fie gu entmuthigen, verftarfte bas Unbeil die
Kraft ihres Wirerftands.
In wiederbolten gliidliden Ansfallen fdwidten fie
bie Belagerer. :
Und diefe faben fic) fchon faft gendthigt, vie Cin-
ſchließung aufzugeben.
Denn die Anzeichen einer höchſt bedeutſamen Verän⸗
derung der Verhältniſſe in ganz Italien ſtrömten von allen
Seiten auf ſie ein.
Dieſe Veränderung war ein ſich raſch vollziehender
Umſchwung in Stimmung und Geſinnung der römiſchen
Bevölkerung, wenigſtens des geſammten Mittelſtandes:
der Kaufleute und Handwerker in den Städten, der
Bauern und Colonen auf dem flachen Lande.
Die Italier hatten überall die Byzantiner jubelnd
als Befreier begrüßt.
Aber nach kürzeſter Zeit legte ſich dieſer Jubel.
Im Gefolge Beliſars zogen ganze Scharen von
Finanzbeamten aus Byzanz, von Juſtinian geſendet, fo-
fort die Früchte des Kampfes zu erndten, und die immer
leeren Kaſſen des Oſtreichs mit den Reichthümern Italiens
zu füllen.
Mitten in den Leiden des Krieges begannen und
betrieben dieſe Eifrigen ihr Werk.
Sowie Beliſar eine Stadt beſetzt hatte, ſo berief der
mit eingerückte Logothetes (Kaſſenrechnungsführer) alle
freien Bürger in die Curie oder auf das Forum, ließ
364
vie Birger fih felbft nah dem Vermögen in feds
Claſſen theilen und forderte nun je die drmere Claffe auf,
pie nadft höhere nad ihren Vermögen gn ſchätzen.
Auf Grund diefer Schätzung legten dann die kaiſer⸗
liden Beamten jeder Claffe eine möglichſt hod gegriffne
Steuer auf.
Und ba fie, ſchon durch die Vorenthaltung, Bere
kürzung, Verzögerung bet dem niemals piinctlid) bezahlten
Gehalte faſt darauf angewieſen, ſtets neben den Caſſen
des Kaiſers die eigne Taſche zu füllen bedacht waren,
wurde der Druck unerträglich.
Die Logotheten waren nicht zufrieden mit den hohen
Steuerſätzen, welche ver Kaiſer fiir drei Jahre voraus⸗
bezahlt verlangte, mit der beſondren, jeder befreiten Stadt
Italiens auferlegten „Freiheits, Dank⸗ und Freuden⸗
Schatzung“: — neben den ſtarken Contributionen und
Requiſitionen, welche Beliſar und ſeine Heerführer zur
Verpflegung des Heeres ausſchreiben mußten — denn von
Byzanz kam weder Geld noch Vorrath — verlegten ſich
jene Finanzkünſtler darauf, mit beſonderen Mitteln den
reicheren Bürgern noch beſondere Zahlungen abzundthigen.
Sie ſtellten überall Revifionen ver Steuerliſten an,
entdeckten Rückſtände aus der Zeit der Gothen⸗Könige
oder gar nod) aus ben Tagen Odovakars und ließen der
Bitrgern nur vie Wahl zwiſchen ungehenren Abfindungs⸗
{ummen oder ungeheuren PBroceffen mit dem Fiscus
Suftinians, der faft mod nie einen Proceß verloren.
Waren aber die Stenerliften unvollftindig oder zerſtört
— was haufig genug in diefen Sabren ver Kämpfe
365
gefdeben — fo reconftruirten die Rechnungéfithrer fie
nad eigner Willkür.
Kurz, alle Ginangliinfte, welche die Provingen ded
Oſtreichs gu Grunde ridteten, wurden feit Beliſars Landung
in ganz Stalien geübt, ſoweit die faiferliden Waffen
reidten. .
Ohne Ruckſicht auf die Moth ves Krieges fpannten
die Steuer⸗Executoren dem Bauer das pfliigende Rind
ans dem Pflug, nahmen dem Handwerler das Gerath
aus ver Werkltatt, vem Raufmann die Waren aus der
Dalle.
In manden Stadten erhob fic) das Voll, vie Steners
liften verbrennend, in hellem Aufruhr gegen feine
Peiniger, vie freilich alsbald in größeren Scharen mit
ftvengerer Harte widerfebrten.
Mit afrifanifden Bluthunden jagten die mauretanis
ſchen Reiter Suftinian’s die vergweijelnden Bauern aus
ifren Waldverfteden, wobhin fie fic gefliictet, den
Stenererhebern gu entrinnen.
Gethegus aber, der allein in der Stellung gewefen
wire, Abhülfe gu verfuden, fah dem Wen gu mit
berechnender Ruhe.
Ihm war es erwünſcht, daß Italien ſchon vor
Beendung des Krieges die Tyrannei von Byzanz fühlbar
kennen lernte.
Deſto leichter würde er es mit fortreißen können,
fich zu erheben mit eigner Kraft und nach den Gothen
auch die Byzantiner abzuſchütteln.
Mit Achſelzucken hörte er vie Klagen ver Städte⸗
366
deputationen an, die fetne Vermittlung anriefen und gab
pie lakoniſche Antwort:
„Das iſt byzantiniſch Regiment — ihr müßt euch
dran gewöhnen.“
„Nein,“ hatten die Abgeordneten von Rom gerufen,
das Unerträgliche gewöhnt man nicht.
Und der Kaiſer könnte ein Unerhörtes erleben, das
er ſich nicht träumen läßt.“
Dies Unerhörte konnte ſich Cethegus nur als die
Erhebung Italiens zur Selbſtändigkeit denken: er kannte
kein Drittes.
Aber er irrte.
So klein er von ſeiner Zeit und ſeinen Landsleuten
dachte, — er hatte geglaubt, ſie durch ſein Beiſpiel ge⸗
hoben zu haben.
Jedoch den Gedanken: „Freiheit und Crnenerung
Italiens,“ ſeinem Geiſt ſo geläufig, ja ſo nothwendig wie
der Bruſt das Athmen — dies Geſchlecht vermochte ihn
nicht mehr zu faſſen.
Nur zwiſchen verſchiednen Herren ſchwanken und
wählen konnten ſie.
Und da das Sod von Byzanz ſich als unertragbar
erwies — fing man an, wieder der milden Gothen:
herrfdjaft gu gebdenfen: eine Möglichkeit, die dem
Prafecten gar nicht in die Gevanken gerieth.
Und dod fant es fo.
Vor Tarvifium, Licinum und Verona geſchah ſchon
jept im Kleinen, auf dem flachen Lande, was fich im
Großen in den Städten wie Neapolis und Bom vor
367
bereitete: die italiſche Landbevdlferung erhob fic gegen
vie byzantinifden Beamten und Soldaten wie vie Be-
wohner jener bret Städte in jeder Weife die gothifden
Befagungen unterſtützten.
Go wurden die Belagerer von Larvifium genöthigt,
ihre Angriffe aufgugeben und fid) auf Vertheidigung thres
Lagers gu befdranten, nachdem Totila in einem Ausfall,
unterftitgt von bewaffneten Golonen des Flachlands,
ihre Werke gum großen Theil zerſtört hatte.
Aus der Landſchaft zog er nun Vorrathe und Streiter
in feine Befte.
Mit froherem Herzen alB feit fehr flanger eit hielt
Totila femen Abendrundgang auf den Wallen von
Larvifiun.
Die Sonne, welche hinter den venetifden Bergen
niederfant, vergoldete die Ebne vor ihm und rothe Wolfen
flogen freundlid) an dem Himmel bin.
Mit geriihrtem Hergen ſah er, wie vie Bauern von
per Umgegend von Tarviſium durch das gesffnete Thor
ftrSmten und feinen ausgehungerten Gothen Brod, Fleiſch,
Kafe, Wein zutrugen, während diefe in's Freie eilten
und nun G@ermanen und Stalier, mit verfdlungnen
Armen, vie jingft gemeinfam über die verhaften Feinre
erfochtnen Bortheile gemeinfam feterten.
Und follte e8 denn unmiglid fein," fagte der Sieger
gu fid) felbft, „dieſe Eintracht gu erhalten, zu ermeitern
fiber das game and?
Miiffen denn diefe Balter beharren in unverſöhnlichem
Zwieſpalt?
368
Wie ſchön fteht beiden viefe Freundfdaft !
Haben nicht anc wir gefeblt, fie als Feinde, als
Befiegte zu bebandeln?
Mit Argwohn ift man ihnen begegnet, ftatt mit
ebrendem BVertrauen.
Shren Geborfam haben wir verlangt, nicht ihre
Liebe gefudht.
Und pdiefe wire wohl des Suchens werth gemefen.
War fie gewonnen — nie hatte Byzanz hier Fuh
gefaßt.
Die Löſung meines Gelübdes — Baleria — ſie
wäre nicht ſo unerreichbar fern.
Wär' mir es noch vergönnt, auf meine Weiſe nach
jenem Ziele gu ringen!“ —
Da unterbrach ſein Denken und Träumen ein Bote
von den vorgeſchobnen Wachen mit der Meldung, die
Feinde hätten ihr Lager eilig geräumt und ſeien in
vollem Abzug nach Süden, gegen Ravenna —: auf der
Straße von Weſten her wirble Staub —: ein ftarfer
Haufe Reiter nae, vermuthlid) Gothen.
Grjreut, aber nod) zweifelnd nahm Totila die Nachricht
auj: ex traf alle Vorkehrungen wider eine Rriegslift
Dod) in der Macht wurden feine Zweifel geldſt.
Cr wurde gewedt mit der Nachricht eines gothiſchen
Gieges und des Cintveffens der Sieger.
Gr eilte in nen Vorſal und fah Hildebrand, Teja,
Thorigmuth und Wadis.
Mit vem Buruf „Sieg! Sieg!" begriiften ibn die
Freunde: und Teja und Hiltebrand meldeten, daß and
369
bei Ticinum und Verona vas Landvolf ſich gegen die
Byzantiner erhoben und ihnen geholjen habe, die Bes
fagerer gu itberfallen und, nad) Zerſtörung ihrer Werte,
jum Abzug gu swinger.
Wher bei diefem Bericht lag dod) in Teja’s Auge und
Stimme mod) tiefere, als die gewohnte Schwermuth.
„Was aft pu meben dieſer Freude Trauriges zu
finden 2" fragte Zotila.
.„Des beften Mannes ſchmähliches Verderben!" wd
ex wintte Wachis, welder nun die Leiden und den Tod
pes Königs und feines Weibes erzählte.
vom Röhricht des Fluſſes,“ ſchloß er, , war id) den
Pfeilen der Hunnen entgangen. So feb’ ich nod.
Aber nur yu dem Einen Ende, meinen Herrn, meine
Herrin gu rächen an ihrem Verrvather und Mörder, vem
Prafecten.“
stein, mir ift bed Brafecten Haupt verfallen!“
fprad) Leja. |
„Das nadfte Recht auf ibn," fagte Hildebrand, „haſt
bu, Totila.
Denn einen Bruder Haft du an ihm gu rächen.“
„Mein Bruder Hildebad!“ rief Totila, was ift mit
ihm 2"
„Schändlich ermorbdet ift er, Herr," fprad) Lhorismuth,
„von dem Brafecten!. Vor meinen Augen! Und id) fonnt’s
nidjt wenden.“
» Mein ſtarker Hildebad todt!“ klagte Totila. „Rede!“
„Der Held lag mit uns in rer Burg Caftra Nova
bet Mantua. 7
Tabhn, Cin Kampf um Rom. UL 24
370
Das Gerücht vom ſchmählichen Untergang des Königs
atte uns erreidt.
Da forderte Hildebad beide, Velifar und Gethegue,
gum Bweifampf.
Bald darauf erfdien ein Gerold, meldend, Belifar
habe die Forderung angenommen und erwarte deinen
Bruder gum Kampf auf der Chne gwifden unferem Wall
und ihrem Lager.
Srohlodend eilte vein Bruder hinaus, wir Reiter
alle folgten.
Wirklich ritt aus dem Belte in feiner gofonen Rüſtung,
mit gefdloffnem Helm und weifem Roßſchweif, mit dem
runden Buckelſchild, uns allen wohlbekannt, Belifarius.
Nur zwölf Reiter folgten ihm.
Alen voran auf feinem Rappen Cethequs, der
Prafect.
Die andern Byzantiner hielten vor ihrem Lager —
Hildebad befahl mir, mit elf Reitern thn tn gleichem
Abftand gu folgen.
Die beiden Kampfer begriiften fic) mit bem Speere:
vie Tuba tönte und Hildebad fprengte auf feinen
Gegner 108. ;
Sm Augenblid flog diefer durchſtoßen vom Pferd.
Dein Bruder, völlig unverlegt, fprang ab, mit vem
Ausruf: „Das war fein Stok ves VBelifar!" und öffnete
dem Sterbenden den Helm.
„Beſſas!“ rief er und fab, ergrimmt ither den BVetrug,
gegen die Feinde.
La winkte ver Prafect.
371
Die zwölf mauriſchen Reiter fdhleuderten ihre Speere —
unt ſchwer getroffen ſtürzte etn Bruder zuſammen.“
Cotila verhüllte fen Haupt.
Teja trat ihm theilnehmend naber.
„Hör' zu Ende,” fprad) Thorismuth.
„Da ergriff uns, die wir den Mord mit angefehn,
grimmiger Schmerz.
Wiithend warfen wir uns auf die Feinde, welde, anf
unfre Entmuthigung hoffend, aus dem Lager gedrungen
waren.
Rad wildem, heißemn Kampf ſchlug ſie unſer Ingrimm
in die Flucht.
Nur ſeines Obllenrappens Schnelligkeit hat den von
meinem Wurfſpeer an der Schulter verwundeten Präfecten
gerettet.
Mit leuchtenden Augen ſah dein Bruder noch unſern
Sig.
Gr ließ fic) die Truhe, die er aus Ravenna entfiihrt
pom Schloß herab bringen, öffnete und fprad) gu mir:
Kronhelm, Schild und Schwert Theoderich’s.
Bring’ fie metnem Bruder!"
Und mit legtem Athem fprad) er:
„Er foll mic) rächen und das Reid erneuen.
Gag’ ihm, —- id) ab’ ihn febr geliebt!“
Damit fiel ex zurück auf feinen Schild und feine
treue Seele war rabin.”
tein Bruder! o mein lieber Bruder!“ flagte Totila.
Gr lehnte jid) an die Saule. Thranen bracen aus
ſeinen Augen.
24*
3/2
Wohl ihm, dev nod weinen kann!“ fprad Teja leife.
Cine Paufe des Schmerzes trat ein.
„Gedenke deiner Eid⸗Pflicht!“ rief endlich Hildebrand.
„Er war zwiefad dein Bruder!
Du mut thn rächen!“
oa," rief Lotila auffpringend: — und nnvoiliteli
ri er das Schwert aus der Scheide, defen Griff ihm
Teja hinreichte.
ww will ibn rächen!“
Es war das Schwert Theoderich’s.
„Und das Reich ernenen!” ſprach feierlich, ſich hoch⸗
aufrichtend, der alte Hildebrand und drückte feſt die
Krone auf Totila's Haupt.
„Heil dir, König der Gothen!“
Totila erſchrak.
Er griff raſch mit der Linken nach dem goldnen
Reif.
‚Was thut ihr?“
„Das Rechte!
Der Sterbende hat Weiffagung geſprochen.
Qu wirft das Reid) ernenen.
Drei Siege rufen vid), den Kampf aufzunehmen.
Gerenfe ves Blut « Cids.
Nod) find wir nicht wehrlos.
Sollen wir die Waffen aus der Hand legen? fle vor
Verrath und Tiide ftrecen 2"
„Nein,“ rief Totila, das wollen wir nidt!
Und woblgcthan ift's, etnen König wablen, als
Zeichen neuer Hoffnung! —
373
Uber hier fteht Graf Leja, witrdiger, bemabrter denn
meine Sugend.
Wählt Teja.“
„Mich als Bürgen der Hoffnung!
Mein!“ fagte diefer, bas Haupt ſchuttelnd.
„Erſt trifft vie Reihe did!
Dir hat der Bruder ſterbend Schwert und Krone
geſendet.
Trage ſie glücklich.
Iſt dies Reich zu retten — wirſt du es retten.
Iſt es nicht zu retten, — ſo muß noch ein Rächer
Rbrig fem! —
„Jetzt aber," fiel Hildebrand ein, jest gilt es,
Siegeszuverficht in alle Herzen ſchimmernd ausſtreuen.
Das ift dein Amt, Totila.
Sieh, leuchtend taucht der junge Lag empor.
Der Gonne frithefte Strablen breden in die Halle
und fiiffen glänzend deine Stirn.
Das ift em Götterzeichen.
Heil, Rinig Totila — du follft vas Gothenreich
crnei'n.“
Und der Fiingling drückte fic) den Kronhelm feft auf
bas goldene Lodenbaupt und fdmang vas Schwert
Rheoveridhs bligend der Morgenſonne entgegen.
wa,” rief er, ,wenn Menſchenkraft es mag — id
will vied’ Reid) erneuen.“
Bweites Capitel.
Und König Totila hat fein Wort gehalten.
Nod einmal hat er die Macht ver Gothen, deren
ganzer Halt in Stalien bet fener Grhebung zuſammen⸗
gefdrumpft war auf bret fleine Städte mit wenigen
Tanfenden von Bewaffneten, gewaltig aufgerichtet: ge⸗
waltiger als fie zur Beit Theoderichs geweſen.
Gr vertrieh die Byzantiner aus allen Stadten ver
Halbinfel: mit Einer verhängnißvollen Ausnahme.
Er gewann die Inſeln Sardinien, Sicilien, Corſica
zurück.
Ja, noch mehr: ſiegreich überſchritt er die alten
Grenzen des Reichs und, da der Kaiſer hartnäckig die Aner⸗
kennung des gothiſchen Reiches und Beſitzſtandes verwei⸗
gerte, trugen, ihn gu zwingen, des Gothenkönigs Flotten
bis tief in die Provinzen des oſtrömiſchen Reiches Schreck
und Zerſtörung.
Italien aber gewann unter ſeinem milden Ccepter,
unerachtet des nie völlig erlöſchenden Krieges, eine Blüthe
wie in den Tagen Theoderichs.
375
Und es ift begeichnend, dag die Cage der Gothen und
Stalier den glidliden König bald al8 einen Enkel des
Numa Pemypilius oder des Litus oder Theoderids, bald
alg deffen zur Wiederbherftelung und Beglückung feines
Reiches in jugendlider Geftalt auf vie Erde zurück—
gefehrten Genius feierte.
Wie der Wufgang ver Morgenfonne aus dunklem
Nachtgewölk, Licht und Segen bringend und unwirere
ſtehlich, wirkte feine Erhebung.
Die finſtern Schatten wichen Schritt für Schritt vor
ſeinem Nahen: Glück und Sieg flogen vor ihm her und
bie Chore ver Städte, die Herzen der Menſchen erſchloſſen
fid) vor ihm faft ohne Wirerftand.
Die Genialitat ves Feldherrn, ves Herrſchers und
bes Menſchen, welche in diefem blonden Biingling gee
ſchlummert hatte, die nur von Cinjelnen, von Theoderich
unt Leja, geahnt, von niemand in ihrem ganzen Umfang
erfannt war, entfaltete fid) nun glangend, da fie vollen
Gliigel-Raum erhalten.
Das Heiter-Sugendlide feines Wefens war in den
fdweren Prüfungen diefer Jahre, in den Schmerzen, rie
ex gu Meapoli8 vor Rom erduldet, in der fortwabrenten
Entbehrung der Geliebten, welde ihm jerer Sieg der
Byzantiner jerner rückte, gwar nicht ausgeldfdt, jerod
in ernftere Männlichkeit vertieft worden.
Aber jener ſchimmerhelle Grundjug feines Wefens
war gcblieben und warf ben Rauber rer Unmuth, der
herzgewinnenden Liebengwiirdigfeit über all fein Thun.
376
Getragen won ber eigenen Idealität wandte er fid
vertranend iiberall an das Ideale in den Menſchen.
Und unwiderftehlid fanden die meiften, fanden alle
nicht von iiberlegenen feindfeligen Dämonen beherrſchten
Menſchen feine zuverſichtliche Berufung auf vas Ele
und Schöne.
Wie vas Licht erhellt, was es berithrt, fo fchien die
Hochherzigkeit viefes lichten Königs ſich feinem Hof, femer
Umgebung mitzutheilen und aud) die Gegner verſöhnend
zu ergretfer.
„Er ift unwiderfteblid) wie der Gonnengott,” riefen
pie Stalier. .
Naber betradtet lag vas Geheimniß feiner grofen
und rafden Erfolge in der genialen Runft, mit welder
ex, jugleid) bem innerften Impuls feiner Natur folgend,
bie neu vorgefunde Verbitterung der Stalier fiber den
Drud der Byzantiner überall gum Umfdlag, sur Sym⸗
pathie mit feiner, mit ber gothifden Milde zu fteigern
unt umzulenken verftand.
Wir fahen, wie diefe Stimmung das Landvelf, die
reidjen Raufleute, die Handwerfer in den Städten, dte
Colonen und fleinen und mittleren Bitrger, alfo weitaws
bie Mehrzahl ver Bevölkerung bereits ergriffen hatte.
Die Perfenlichleit des jungen Gothenfinigs zog fie
dann vollends von den byzantiniſchen Drangern ab, von
welden auc) das Waffenglück gewiden ſchien, feit vie
Gothen mit dem helljaudyenden Schlachtruf: ,Totila!” im
ven Kampf eilten.
Freilich blich eine Meine Minderzahl unbeugfam: vie
377
rechtgläubige Rirde, vie feinen Frieden mit den Ketzern
fannte, ftarre Republicaner, und der Kern der Katakomben⸗
verſchwoͤrung: die ſtolzen römiſchen Wnelegefdledter, die
Sreunde ves Prafecten.
ber viefe Meine Zahl fam bet vem Abfall ver Maſſe
ves Bolles nicht in Betracht.
Die erfte That des neuen Königs war der Erlaf
eines Manifeftes an vie Gothen und an die Stalier.
Jenen wurde genau dargethan, wie der Fall Ravenna’s
und der Untergang des Konigs Witidhis nur das Werk
fiberlegener Lige, nidjt Aberlegener Kraft gewefen: und
eingeſchärft wurde ihnen die Pflidt ver Race, welde
bereit® drei Siege erbffnet batten.
Die Stalier aber wurden aufgerufen, nun, naddem
fie erfahren, welchen Taufd fie durd den Whfall yu By⸗
zanz gemadt, gu ihren alten Freunden zurückzukehren.
Dafür verhieR der König nicht nur volle Amneftie,
aud Oleidftelung mit ven Gothen, Aufhebung aller
bisherigen gothifden Vorredte, namentlid) Bildung eines
eignen italifdjen Heeres und, was durch ven Gegenſatz
befonders wirtte: Befreiung alles italt{den Bodens und
Vermigens von jever Steuer bis zur Beendung des
Rrieges.
Cine Mafregel hidfter Kiugheit war es ferner, daß,
pa ver Adel byzantinifd, die Colonatbevilferung gothifd
gefinnt war, jeder rimifde Cole, der fid) nidt binnen
pret Woden den Gothen ftellte und unterwarf, ſeines
Grundeigenthums ju Gunften feiner bisherigen Colonen
verluftig erflart wurde.
378
Und enbdlid) feste der König auf jede Dtifch-Che
swifden Gothen und Römern eine hohe, ans dem Könige⸗
ſchatz zu zahlende Pramie und verfprad Anfiedlung res
Pares auf confiscirtem Grundbeſitz römiſcher Cenatoren.
„Italia,“ ſchloß das Manifeft, .blutend ans den Wane .
ven, welde die Tyrannei von Byzanz ihr gefdlagen,
foll fic) erheben unter meinem Schilde.
Helft uns, Söhne Stalia’s, unfere Brilder, von diefem
beiligen Boden die gemeinfamen Feinde, die Hunnen und
Sfythen Juftinians, vertreiben. |
Dann foll im neuen Reid der Stalier und Gothen,
gexeugt aus italifder Schönheit und Bildung, ans
gothifder raft und Treue, ein neues Voll erftehen,
deßgleichen an Adel und Herrlichkeit nod nie vie Welt
geſchaut.“
Ale Cethegus der Präfect auf ſeinem Feldbett gu
Ravenna, wo ihn die Wunde feſſelte, morgens vom Schlaf
erwachend, die Nachricht erfuhr von Totila's Erhebung,
ſprang er mit einer Verwünſchung aus den Decken.
„Herr,“ warnte ibn der griechiſche Arzt, Du mußt
vid) ſchonen und —“
„Hörſt du nicht?
Totila trägt die Gothenkrone.
Jetzt iſt nicht Zeit, ſich zu ſchonen.
Meinen Helm, Syphar.“
379
Und er rig Lucius Licinius, der die Botfdhaft ges
bracht, das Manifeft aus der Hand und (a8 begierig.
. waft Dad nicht lächerlich?
Nicht Wabhnfinn 2” frug diefer.
„Wahnſinn iff e8, wenn die Römer nod Römer
find.
Aber find fie’s nod ? :
Sind fie es nicht mehr: — dann fdaffen wir —
und nidt der Barbarenfiirft — ein Wert ves Wahns.
Diefe Probe darf gar nicht gemacht werren.
Im Keim mu diefe neue Gefahr yertreten werden.
Der Streich gegen den Woel und fiir vie Colonen
ift ein Meiſterſtück.
Gr darf nidt Beit haben, yu wirken.
Wo ift Demetrius?”
„Schon geftern Abend aufgebroden, Totila entgegen.
Du febliefft, ver Arzt verbot, vid) zu wecken.
Aud) Demetrius verbot es."
pLotila König, und ihr laßt mid) ſchlafen!
Wißt ihr nicht, daß dieſer Blondkopf der Genius
des Gothenvolles iſt?
Demetrius will ſich den Lorber allein holen.
Wie ſtark iſt er?
„Den Gothen mehr als zweimal überlegen: Zwölf⸗
tauſend gegen Fünftauſend.“
‚Verloren iſt Demetrius.
Auf, zu Pferd.
Bewaffnet Alles, was eine Lanze tragen kann.
Laßt nur die Wunden auf ven Wallen.
380
Diefer Brand Totila muß erftidt werren im erſten
Rniftern.
Gonft löſcht ihn fein Ocean von Blut mehr aus.
Meine Waffen, yu Pferd.” |
„So hab ich den Präfecten nie gefehen,” fagte Lucius
Licinius gu dent Wrst.
„Es ift wohl das Fieber?
Er erbleichte.“
„Er iſt fieberfrei.“
„Dann faß ich's nicht.
Denn Furcht kann es nicht ſein.
Syphar, laß uns ihm folgen.“
Raſtlos trieb Cethegus ſeine Scharen vorwärts.
So raſtlos, daß nur ein kleines Reitergefolge mit
ſeinem Ungeſtüm und Pluto, ſeinem raſchen and uner⸗
müdlichen Rappen, Schritt halten fonnte.
In weiten Zwiſchenräumen folgten Marcus Licinius,
Maſſurius mit des Cethegus Söldnern, und Balbus mit
den in Eile bewaffneten Bürgern von Ravenna.
Denn wirklich nur Greiſe und Kinder hatte Cethegus
neben den Wunden in der feſten Stadt zurückgelafſen.
Endlich hatte rer Prafect wenigftens Fühlung mit
Dem Nachtrab des byzantinifden Feldherrn gewonnen.
Totila 30g von Tarvifium her nach Siden gegen
Ravenna.
Zahlreiche Haufen bewaffneter Stalter, aus den
Provinzen Ligurien, BVenetien, Wemilia ftieBen gu ihm,
turd fein Manifeft aufgerufen, gu neuer Hoffnung und
neuen Entſchlüſſen. |
381
Gie verlangten, ſeine erſte Schlacht gegen die By⸗
jantiner mit fdlagen gu dürfen.
„Nein,“ hatte Totila ihren Führern erwidert, „erſt
nad ber Schlacht fat euren legten Entſchluß.
Wir Gothen fedten allein.
Siegen wir, fo mögt ihr uns folgen.
Gallen wir, fo foll euch nidt der Byzantiner Rache
treffen.
Wartet ab.“
Die Verbreitung fold hochſinniger Entſcheidung zog
neue Scharen gu den Gothen heran.
Totila’s Heer aber verftirtte fic) von Stunde zu
Stunde auf vem Marſche auch urd gothifde Krieger,
weld, einzeln oder in Heinen Scharen, aus der Gefangen⸗
ſchaft entfommen, oder aud aus ibren früher erreidten
Verfteden wieder aufbrachen, nachdem fte den Verrath
an Witichis und die Erhebung eines neuen Königs, das
Piederaufflammen ves Rrieges erfubren.
Bei ver Eile, mit welder Totila vorwärts drangte,
vie frifdhe Begeifterung feiner Scharen nod unverkühlt
git verwerthen, und bei dem Cifer, mit welchem Demetrius
ihm entgegen flog, um ihn allein gu ſchlagen, ſtießen
pie beiden Heere bald aufeinanvder.
Bet Pond Padi war es.
Die Byzantiner ftanden in ver Ebene: fic batten den
Glug, ven fie erft mit der Halfte ihres Fußvolkes über—⸗
ſchritten batten, binter fid.
Da. erfdienen die Gothen auf den ſanft geneigten
Höhen. den Rücken nad) Rordwefter.
382
Die untergehende Gonne blendete vie Byzantiner.
Totila itherfah von vem Hiigel, vicht vor den Feinven,
veren Stellung.
Mein ift ber Sieg!" rief er jauchgend, 30g das
Schwert und jagte mit feiner Reiterei anf die Feinde
hernieder, wie ver Falke auf feine Bente fragt.
Sethegus hatte bald nad) Gonnenuntergang mit
feinen Reitern das legte, verlaffne Lager ter Byzantiner
erreicht.
Da jagten ihm ſchon die erſten Flüchtlinge entgegen.
„Wende dein Roß, Präfect,“ rief ihm der erſte
Reiter zu, der ihn erkannte, „und rette dich.
Totila über uns! Er hat Artabazes, dem tapferſten
Führer der Armenier, mit eigener Hand Helm und Kopf
durchhauen.“
Und unaufhaltſam jagte der Flüchtling weiter.
„Ein Gott vom Himmel führte die Barbaren!“
ſchrie ein Zweiter. Wes verloren!
Der Feldherr gefangen! Alles in wilder Flucht.“
„Unwiderſtehlich iſt dieſer König Totila!“ rief ein
Dritter, und wollte an dem Brifecten vorbet, Der den
Weg verfperrte.
„Sag's in ver Halle weiter!" ſprach Cethegns und
ſtieß ihn nieder.
Vorwärts!“
Aber kaum ausgeſprochen, nahm er ten Befehl
zurück.
Denn ſchon flutheten in dichten Maſſen die geſchlagnen
383.
Byzantiner, den ganjen Wald erfitllend, zurück und ibn
entgegen.
Der Prafect erfannte: unmöglich war's mit feinent
Häuflein die Fludt ver Taufende aufzuhalten.
Cine Beit lang fah er unſchlüſſig vem Gewoge zu.
Schon wurden rie gothiſchen Verfolger in der Ferne
ſichtbar.
Da erreichte ihn verwundet Vitalius, ein Heerführer
des Demetrius.
„O Freund,” rief ihn dieſer an. Da iſt fein
Halten mehr!
Das fluthet fort bis Ravenna.“
wd glaub’ es ſelbſt,“ ſprach Cethegua.
„Sie werden die Meinen eher mit fic) fortreifen
al8 ſtehen.“ -
„Und dod) verfolgt uns nur die Hälfte ber Sieger,
unter Teja und Hildebrand.
Der Konig wandte nod auf vem Schlachtfeld um.
Ich fah thn abziehen.
Er fdwentte nad Südweſten.“
„Wohin?“ frug Gethegus aufmerkſam, „ſag' nods
mal an! ; |
Sn welder Richtung?“
„Nach Siidweften bog er aus!"
Ex will nad Rom!" rief Cethegus und riß den
Hengit herum, dak er bod) baumend ftieg.
„Folgt mir! zur Küſte!“
„Und das geſchlagne Heer? ohne Führer!“ rief Lucius
Licinius, ſieh, wie fie fliehen!“
384
„Laß fle fliehen!
Ravenna ift feft!
G8 wird fld alten.
Hirt ihr denn nicht?
Der Gothe will nach Rom!
Wir müſſen vor ihm dort ſein.
Folgt mir! an die Küſte, der Seeweg iſt fret!
Nach Rom!“
Drittes Capitel.
Lieblich iſt — und weit berühmt ob ſeiner Lieblich⸗
keit — das Thal, in welchem die Paſſara von Norden
her in die von Weſten nach Südoſten eilende Atheſis
rinnt.
Wie eine vorgebeugte, nach dem ſchönen Südland
ſehnende Geſtalt, neigt ſich in der Ferne auf dem rechten
Ufer die Mendola herab.
Hier, oberhalb des Einlaufs der Paſſara, lag die
römiſche Siedelung Manſio Majä.
Noch etwas weiter flußaufwärts auf beherrſchendem
Fels die Burg Teriolis.
Heute heißt — von einer Berg⸗, Muhr“ oder „Mar“
(Rutſche) — die Stadt Meran.
Die Burg hat der Grafſchaft Tirol ven Namen
gegeben.
„Manſio Majä“ klingt heute nod) fort in dem Orte
Mais, vem villenreiden.
Damals aber fag in vem Caftrum Teriolis oft:
gothiſche Befagung: wie in all den alten rhätiſchen Gelfen-
neftern am UWthefis, Sfarcus und Oenus zur Nieder—
Dabhn, Cin Kampf um Rom, IIT. 95
386
haltung ber nur balb unterworfnen Cueven, Wlamannen
und Marfomannen oder, wie fie bereits genannt wurden:
„Bajuvaren“, welde in Rhätien, am Licus und am
untern Lauf ded Oenus fagen.
Aber auch abgefehen von ver Beſatzung ver Caftelle
waren gerade bier in dem frudtreiden milden Thal,
auf den nicht allzu ſchroffen, meideretden Berghöhen oft.
gothiſche Sippen in groger Zahl angefiedelt worden.
Nod) heute zeidynet die Bauern vom Meraner,
Ultner und Garnthal eine feltne, edle, ernfte Schönheit
aus. Biel feiner, vornehmer und overtiefter ald rer
bajuvariſche Schlag an Sun, Led) und Iſar find die
ſchweigſamen Leute.
Mundart und Sage beftatigen die Annahme, dak
hier ein Reft verfdonter Gothen forthlitht.
Denn vie Amelungenfage, Dietrich von Bern und
rer Rofengarten lebt nod in den Ortsnamen und der
Ueberfieferung ves Volks.
Auf einem ver höchſten Berge an dem linken Ufer
ver Athefis hatte fid) voveinft ver Gothe Iffa niederge-
laffen: fein Geſchlecht baute da fort.
Der „Iffinger“ heißt heute nod der Berg.
Wuf vem Südabhang in halber Hohe des. Berges
war die fdlidjte Siedelung errichtet.
Der gothifde Cinwanderer hatte bereits Culturen
bier angetroffen.
Das rhätiſche Wlpenbaus, das fdon Druſus vor:
gefunten, als er die rafenifden Bergvölker bezwang
charakteriſtiſch und wohlgeeignet für die Alpen, hatte auf
387
den Höhen teine Aenderungen erfabren durch die rimifde
Eroberung, welde im Thal ihre Villen baute und anf
ben beberrfdenden Felshügeln thre Wartthiirme.
Die gang romanifirten Bewohner ves Etſchthales
waren nad) der oftgothifden Cinwanderung ruhig in
ihren Sitzen geblieben.
Denn nicht hier, fondern weiter sftlid), von der Gave
her, ither den Sfonjo, waren die Gothen in der Halb-
infel eingedrungen und erft, naddem Ravenna und
Ovowatar gefallen, hatte Theoderich in friedlid) geregelter
Ordnung feine Sdaren aud über Norditalien und das
Etſchland verbrettet.
Spo hatten and Sffa und die Seinen auf vem da-
mals nod) rafenifd benannten Berg fic) mit den vor:
gefundnen römiſchen Anfaffigen friedlid) getbeilt.
Gin Drittel von Aderland, Wiefe und Wald, den
vritten Theil von Haus, Sklaven und Vieh hatte aud
bier, wie überall, ver gothifde Anlömmling vom römiſchen
Wirth in Anſpruch genommen.
Im Lauf der Jahre jedod) hatte der römiſche Hoſpes
piefe nabe unfreiwillige Nadbarfdaft mit den Barbaren
unbequem gefunden.
Gr überließ ven Gothen gegen dreißig Pare der
ausge;eidneten, aus Pannonien mit gefiihrten Rinder,
welde der Germane fo trefflich gu züchten verftand, den
Reft feines Cigens auf vem Berge und 30g fic) weiter
gen Sliven, wo die Römer dichter neben etnander
fagen. —
25*
388
Go war nun der Berg der Sffinger ganz germanifd
geworden.
Denn plötzlich hatte einmal der jetzige Herr auch die
wenigen römiſchen Sklaven verkauft und neue Knechte
und Mägde germaniſchen Stammes, gefangne Gepiden.
angeſchafft.
Dieſer jetzige Herr ver Siedelung hieß wieder Iffa,
wie der Ahn: er lebte einſam, ein ſilberhariger Mann:
ein Bruder, ſein Weib und eine Schwiegertochter waren
vor langen Jahren durch einen Bergſturz begraben worden.
Ein Sohn, ein jüngerer Bruder und deſſen Sohn
waren König Witichis' Waffenruf gefolgt und nicht wieder
gekehrt von der Belagerung Roms.
So waren ihm nur ſeine beiden Enkelkinder ge⸗
blieben, des gefallnen Sohnes Knabe und Mädchen. —
Die Sonne war prachtvoll niedergegangen hinter den
Bergen, welche in weiter duftiger Ferne den Süden und
Weſten des unvergleichlichen Etſchthales begrenzen.
Warmer rothgoldner Schimmer lag über dem mürben
Porphyr der Berge, daß er erglühte wie dunkelrother
Wein.
Da ſtieg langſam, Schritt vor Schritt, immer wieder
anhaltend und, die Hand über die Augen gelegt, in den
flimmernden Sonnenuntergang ſchauend, ein Kind, —
oder war es ſchon ein Mädchen? — eine Schar
Lämmer vor ſich her treibend, den Raſenhang hinan, auf
deſſen Höhe ſeitab vom Wohnhaus die Stallungen
lagen.
Sie ließ ihren Schutzbefohlnen immer wieder Zeit,
389
mit wiblerifdem Bahn die würzigen Alpenkräuter gu
rupfen auf threm Wege und fdlug mit der Hafelgerte,
bie fie ftatt des Hirtenftabes trug, den Tact gu der
uralten und etfaden Melodie des Lieddyens, das fie
letfe fang:
wtiebe Lämmer,
Laßt euch feiten
Von der Hirtin
Hand, gehorſam,
Wie des Himmels
Lichte Lämmer,
Wie die Sterne
Still und ſtäte,
Fromm und friedlich
Ihrem hehren
Hirt gehorchen:
Mühlos meiſtert,
Mühlos muſtert
Sie Herr Mond.“
Sie ſchwieg nun und ſah mit vorgebeugtem Köpfchen
in die tief eingeſchnittne Schlucht zu ihrer Linken, welche
der bier abwärts ſchießende Wildbach in den Hang ge⸗
furcht hatte: jetzt, im Sommer, war er nur halb gefüllt:
drüben ſtieg die Anhöhe wieder ſteil empor.
oo ex nur iſt?“ fragte fie.
„Sonſt flettern feine Biegen immer fdjon den Hang
herab zurück, wenn die Gonne ju Golde gegangen.
Bald welfen meine Blumen.“
390
Und fle fegte fim nun auf einen Steinblod am
Wege, liek die Lammer nod grafen, flegte die L afele
gerte neben ſich und ließ einen Schurz von Schaffell,
weldhen fie bisher mit der inten aufgenommen hatte,
nieder gleiten: pa fielen die ſchönſten Blumen ver Alpen
in Didjten Flocken vor ihr nieder.
Sie begann einen Sranz zu fledten.
„Der blaue Speif fteht feinem braunen Haar am
beſten,“ fagte fie etfrig windend.
„Ich werde viel frither müde, wenn ich allein treibe,
als wenn er dabet ift.
lind boc flettern wir dann viel höher.
Möchte wohl wiffen, wie das kommt.
Und wie mid die nadten Fike brennen!
Sd könnte wohl einmal Hinabfteigen i in den Wilde
bad), fie zu kühlen.
Und da febe ich thn aud) gleich, wenn er drüben
auf den Hang tretbt.
Die Sonne ftidht nidt mehr.“
Und fie ftreifte das breite grofe Ritrbisblatt ab,
welches fie bisher ftatt eines Hutes getragen.
Da ward rie fdimmernde Farbe des ganz weiß—⸗
blonden Haares fidthar, das fie, von den Schläfen gus
rück geftricen, mit einem rothen Bande binter dem Wirbel
zufammengebunden und bisher unter dem wmgebognen
Blatt geborgen hatte.
Wie eine Fluth von Gonnenftrablen riefelte e8 nun
iiber ihren Naden, den nur ein weifes Wollenhembd bes
391
deckte, das, um die Hüften mit breitem Ledergurt ju:
fammen gebalten, nur wenig über tie Kniee reidte.
Gie mak vie Linge ihres Kranzes an dem eignen
Haupt.
„FFreilich,“ fagte fle, fein Kopf ift größer!
Noch dieſe Alpenrofen dazu!“
Und nun verknüpfte ſie die beiden Enden des Kranzes
mit zierlichem Bandgras, ſprang auf, fchüttelte die letzten
Blumen aus dem Lederſchurz, nahm den Kranz in die
Linke und wandte ſich, den ſteilen Abhang hinab zu ſteigen,
an deſſen Fuß der Bach an das Geſtein toſte.
ein, bleibt nur bier oben und wartet!
Aud vu bleib, Weiß-Elbchen, Liebling.
Gleich fomm’ ich wieder."
Und fie trieh die Lammer zurück, welche ihr folgen
wollien und nun blökend der Herrin nadfaben.
Behend Eletterte und fprang die Woblgeitbte den
fteinigen Abhang der Schlucht hinab, bald fic) mit den
Händen an zähem Geſträuch, Seidelbaft und Goldweide,
haltend, bald kühnlich von Stein zu Steinplatte ſpringend.
Unter ihrem Sprung bröckelte das mürbe Geſtein
und die Trümmer polterten hinab — da, als ſie den
Rollenden nachhüpfte, hörte ſie plötzlich von unten ein
ſcharfes, drohendes Ziſchen.
Und eh' ſie wenden konnte, bäumte ſich, wohl von
einem Stein unſanft aus der Sonnung geſtört, eine
große kupferbraune Schlange hoch gegen ſie empor.
Das Kind erſchrak, die hurtigen Kniee verſagten und
laut aufſchreiend rief ſie:
386
haltung ber nur halb unterworfnen Cueven, Alamaunen
und Marfomannen cder, wie fie bereits genannt wurden:
„Bajuvaren“, welde in Rhätien, am Licus und am
untern Yauf des Oenus fafen.
Aber aud abgefehen von ver Befagung ver Caftelle
waren gerade bier in dent frudtreiden milden Lal,
auf den nicht allju ſchroffen, weidereiden Berghöhen oft
gothifde Sippen in großer Zahl angefiedelt worden.
Nod) heute zeidynet die Bauern vom Meraner,
Ulmer und Sarnthal eine feltne, edle, ernfte Schönheit
aus. Biel feiner, wornehmer und vertiefter al8 ver
bajuvarifde Schlag an Sun, Led und Iſar find die
ſchweigſamen Leute.
Mundart und Gage beftatigen die Annahme, dak
hier ein Reft verſchonter Gothen forthlitht.
Denn die Amelungenfage, Dietrid) von Bern und
rer Rofengarten lebt nod in den Ortsnamen und der
Ueberlieferung des Volks.
Auf einem der höchſten Berge an dem linken Ufer
ver Atheſis hatte ſich voreinſt ver Gothe Iffa niederge⸗
laſſen: ſein Geſchlecht baute da fort.
Der „Iffinger“ heißt heute nod) ver Berg.
Auf vem Südabhang in halber Hike des. Verges
war die ſchlichte Siedelung errichtet.
Der gothiſche Einwanderer hatte bereits Culturen
hier angetroffen.
Das rhätiſche Alpenhaus, vas ſchon Druſus vor:
gefunden, ald er die raſeniſchen Bergvdlfer bezwang
charakteriſtiſch und woblgectgnet für die Alpen, hatte anf
387
den Höhen keine Aenderungen erfahren durd) die römiſche
Croberung, welche im Thal ihre Villen baute und anf
den Seberrfdenden Felshügeln ihre Wartthiirme.
Die ganz romanifirten Bewohner ves Etſchthales
waren nad der oftgothifdben Cinwanderung ruhig in
ihren Sitzen geblieben.
Denn nicht hier, fondern weiter stlid, von der Gave
her, fiber den Iſonzo, waren die Gothen in ver Halb-
inſel eingedrungen und erft, nadjdem Ravenna und
Opovaltar gefallen, hatte Theoderich in friedlid) geregelter
Oronung feine Scharen and ither Morditalien und dads
Etſchland verbreitet.
So batten auc) Sffa und die Seinen auf vem da—
mals nod rafenifd) benannten Berg fic) mit den vor:
gefundnen römiſchen Anfaffigen friedlich getheilt.
Ein Drittel von Aderland, Wiefe und Wald, den
vritten Theil von Haus, Slaven und Vieh hatte aud
bier, wie überall, ver gothiſche Ankömmling vom römiſchen
Wirth in Anſpruch genommen.
Im Lauf der Sabre jedod) hatte der römiſche Hofpes
viefe nabe unfreiwillige Nachbarſchaft mit den Barbaren
unbequem gefunden.
Gr überließ ven Gothen gegen dreifig Pare der
ausge;eidyneten, aus Bannonien mit gefiihrten Minder,
welde der Germane fo trefflid) gu züchten verftand, den
Reft feines Cigens auf dem Berge und 30g fid) weiter
gen Silden, wo die Römer dichter neben einander
jagen. —
25*
388
Go war nun der Berg der Iffinger ganz germanifd
geworden.
Denn plötzlich hatte einmal der jetzige Herr auch die
wenigen römiſchen Sklaven verkauft und neue Knechte
und Mägde germaniſchen Stammes, gefangne Gepiden,
angeſchafft.
Dieſer jetzige Herr der Siedelung hieß wieder Iffa,
wie ver Ahn: ev lebte einſam, ein ſilberhariger Mann:
ein Bruder, ſein Weib und eine Schwiegertochter waren
vor langen Jahren durch einen Bergſturz begraben worden.
Ein Sohn, ein jüngerer Bruder und deſſen Sohn
waren König Witichis' Waffenruf gefolgt und nicht wieder
gekehrt von der Belagerung Roms.
So waren ihm nur ſeine beiden Enkelkinder ges
blieben, des gefallnen Gohnes Snabe und Darden. —
Die Gonne war pradtooll niedergegangen binter den
Bergen, welde in weiter duftiger Ferne den Süden und
Weften des unvergleidhliden Etſchthales begrenzen.
Warmer rothgoloner Schimmer lag ther dem miirben
Porphyr ver Berge, daß er erglithte wie dunfelrother
Wein.
Da ftieg langfam, Schritt vor Schritt, tmmer wieder
anhaltend und, die Hand über die Augen gelegt, im den
flimmernden Gonnenuntergang fdauend, ein Rind, —
oder war es ſchon ein Mädchen? — eine Scar
Lammer vor fic) her tretbend, den Rafenbang binan, anf
deffen Hohe feitah vom Wobhnhaus pie Stallungen
lagen.
Sie liek ihren Schutzbefohlnen immer wieder eit,
389
mit wähleriſchem Zahn die würzigen Wlpentrauter zu
rupfen auf ihrem Wege und ſchlug mit der Haſelgerte,
die ſie ſtatt des Hirtenſtabes trug, den Tact zu der
uralten und einfachen Melodie des Liedchens, das ſie
leiſe ſang:
‚Liebe Lämmer,
Laßt end) leiten
Von der Hirtin
Hand, gehorſam,
Wie des Himmels
Lichte Lammer,
Wie vie Sterne
Still und ftate,
Fromm und friedlid
Ihrem hehren
Hirt gebhorden:
Mühlos meiftert,
Mihlos muftert
Gie Herr Mond.“
Sie ſchwieg nun und fah mit vorgebeugtem Köpfchen
in Die tief eingeſchnittne Schlucht gu ihrer Linfen, welche
Der bier abwarts ſchießende Wildbad in den Hang ge—
furdt hatte: jest, tm Sommer, war ev nur halb gefiillt:
drüben ftieg die Anhöhe wieder {teil empor.
„Wo ex nur ift?” fragte fie.
„Sonſt flettern feine Ziegen immer fdon den Hang
berab zurück, wenn die Gonne zu Golde gegangen.
Bald welfen meine Blumen."
390
Und fie feste fic) nun auf einen Steinblod ant
Wege, liek vie Lanmmer nod) grafen, legte die Lafele
gerte neben fid) und ließ einen Schurz von Schaffell.
welden fie bisher mit der Vinfen aufgenommen hatte,
nieder gleiten: da fielen die ſchönſten Blumen ver Wlpen
in dichten Flocken wor ihr nieder.
Sie begann einen Kranz 3u fledten.
Der blaue Speik fteht fetnem braunen Haar am
beften ,“ fagte fie etfrig windend.
„Ich werde viel früher müde, wenn id allein treibe,
alg wenn er dabei ift.
Und dod) flettern wir dann viel höher.
Möchte wohl wiffen, wie das fommt.
Und wie mid die nadten Füße brennen!
Ich finnte wohl einmal hinabſieigen i in den Wild⸗
bach, ſie zu kühlen.
Und da ſehe ich ihn auch gleich, wenn er drüben
auf den Hang treibt.
Die Sonne ſticht nicht mehr.“
Und ſie ſtreifte das breite große Kürbisblatt ab,
welches ſie bisher ſtatt eines Hutes getragen.
Da ward rie ſchimmernde Farbe des ganz weife
blonden Haares fidtbar, das fie, von den Schläfen gue
rück geftrichen, mit einem rothen Bande inter vem Wirbel
zuſammengebunden und bisher unter dem umgebognen
Blatt geborgen hatte.
Wie eine Fluth von Gonnenftrablen riefelte es nun
iiber ihren Raden, den nur ein weißes Wollenhemd bee
391
vedte, das, um die Hüften mit breitem Levergurt zu—
fammen gebalten, nur wenig itber rie Rnice reidte.
Sie maf die Lange ihres Kranzes an dem eignen
Haupt.
„Freilich,“ fagte fle, ,fein Kopf ift größer!
Noch viefe Alpenrofen dazu !" |
Und nun verfniipfte fle die beiden Enden des Kranzes
mit zierlichem Bandgras, fprang auf, ſchüttelte die lesten
Blumen aus dem Lederfdurz, nahm den Kranz in die
Linfe und wandte fic), den fteilen Abhang hinab zu fteigen, .
an deffen Fuß ver Bad an das Geftein tofte.
Mein, bleibt nur bier oben und wartet! -
Aud du bleib, Weiß-Elbchen, Liebling.
Gleich fomm’ ich wieder."
Und fie trieb vie Lammer zurück, welde ihr folgen
wollen und nun blökend der Herrin nachſahen.
Behend fletterte und fprang die Wohlgeübte den
fteinigen Wbhang ver Schlucht hinab, bald fid) mit den
Händen an zähem Geftraud, Seidelbaft und Goldweide,
haltend, bald kühnlich von Stein zu Steinplatte fpringend.
Unter ihrem Sprung bridelte vas mürbe Geftein
und Die Trümmer polterten hinab — da, als fie den
Rollenden nachhüpfte, hörte fie ploplid) von unten ein
ſcharfes, drohendes Ziſchen.
Und eh' ſie wenden konnte, bäumte ſich, wohl von
einem Stein unſanft aus der Sonnung geſtört, eine
große kupſerbraune Schlange hoch gegen ſie empor.
Das Kind erſchrak, die hurtigen Kniee verſagten und
laut aufſchreiend rief ſie:
392
„Adalgoth, gu Hilfe! gu Hülfe!“
Auf diefen Angſtſchrei folgte fofort als Antwort ein
beller Ruf:
‚Alarich! Alarich!“ was wte ein Sdhladtruf flang.
Es tnadte in den Gebüſchen zur Rechten, Steine
rollten den Hang hinab und pfeilgefdwind flog gwifden
rie züngelnde Schlange und das angftlich weidende
Marden ein fdlanfer Bube in jzottigem Wolfsolies.
Hod) fdwang er den ftarfen Bergftod gleid einem
Speer und fo woblgesielt war fein Stoß, dak vie Cifen-
fpige den fdmalen Kopf der Schlange in die Erde
bobrte.
Shr flanger Leib ringelte gudend um den töodtlichen
Shaft.
Sotho, vu bift vod heil?“
„Dank dir, du Treuer!“
„Dann lag mid) den Sehlangenfprud fpreden, fo
lang die Matter noch gudt — das bannt ihre Gefippen
auf drei Stunden tm Umkreis.
Und er fprad, die dret erften Finger der redten
Hand wie beſchwörend erhoben, den uralten Spruch:
„Warte, du Wolf-Wurm!
Bapple, Gezücht!
Beife den Boden,
Giftigen Geifers ;
Manner und Maide
Sollft pu nidt fehren:
393
Rieder, yy Neiding,
Du nichtige Natter,
Rieder sur Nacht:
Dod ob den Häupten
Schuppiger Schlangen
Schreitet das ſchimmernde Gothengeſchlecht
8
Viertes Capitel.
Wis ex gu Ende gefprocen und ſich neigte, die
todte Schlange gu prilfen, drückte ihm rafd die Gerettete
ihren Kranz auf das goldbraune, kurzkrauſe, didte Haar. ©
„Heil, Held und Helfer!
Gieh, der Siegeskranz war fdon vorher gewunden.
Gia, wie ſchön fteht div die blaue Rrone.”
Und fie ſchlug freudig bewundernd die Hände jue
fammen.
„Du bluteft am Fuge!" fprad er beforgt, lah mig
pie Wunde faugen — wenn did der Giftwurm gee
biffen |“
„S' ift nur ein ſcharfer Stein.
Möchteſt wohl Lieber vu fterben !“
„Für Tid), Gotho, wie gerne dod!
Aber unſchädlich ware das Gift im Munde.
Nun, laf viv die Wunde wafden: ih habe nod
Gffig und Waffer hier in der Kürbisflaſche.
Und dann leg’ id) dir Salvei vrauf oder heilſame
Wegewarte."
395
Und zärtlich drückte er fie nieder auf das Gejtein,
fniete vor iby, bob den nadten Fuß forgfam in feine
Imfe Hand und pflegte ihn, die Miſchung aus dem
Kugelkürbis drauf träufend.
Dann ſprang er auf, ſuchte auf dem Raſen und
fam bald mit den gefundnen Kräutern zu ihr zurück, mit
pen Lederriemen, die er fid) vom eignen Fue löſte, die
Blatter forgfam über die Heine Wunde bindend.
„Wie gut du bift, Lieber!“ fagte fie, fein Haupt
ſtreichelnd.
„Nun laß dich tragen — nur den Hang hinauf!
bat er.
Ich halte dich ſo gern auf meinen Armen.“
„Was nicht gar!“ lachte ſie aufſpringend.
„Bin kein wundes Lamm!
Sieh, wie ich laufen kann.
Aber wo find deine Ziegen?“
„Dort kommen fie aus den Wachholderbüſchen.
Sh rufe fie!“ .
Und er fegte das Hirtenrohr an den Mund und
blies einen ſchrillen Ton, den Bergftod im Kreiſe über
vem Haupte fdwingend.
In eilfertigen Sprüngen famen die ftarfen Ziegen
berber — fie fcheuten die Strafe!
Und aus der Tafde einen diinnen GStreifen Cal;
auf die Erbe ftreuend, welchen vie Thiere, gierig ledend,
verfolgten, fdjritt ev nun, ven Arm jartlid) um res
Mädchens Nacken gelegt, den Hang hinauf.
Sag mir nur, Lieber,” fragte fie, oben angelangt
396
und die Lammer verfammelnd, „weßhalb bu heute wieder
den Draden anfprangf{t mit bem Ruf: „Alarich! Wlaridy
Wie neulich, da du miv den Steinadler von Weiß⸗
Elbchen fcheuchteft, das er fdon im den Fängen hatte.“
„Das ift mein Schlachtruf.“
„Wer hat ihn did gelehrt?”
Der Ahn, da ex mid) gum erften Mal mit nahm
auf vie Wolfsjagd — als ich mir hier dads VlieR von
Meifter Isgrimms Rippen holte. |
Da fpradh er, als ih ,Sffa, Offa!" ſchreiend, —
ebenfo, wie id) ihn rufen hörte, — auf den Wolf, der
nidjt mehr entweiden fonnte und fic) mtr ftellte, mit
bem Schwerte fprang:
„Du mugt nist „Iffa!“ rufen, Adalgoth, wie id.
Wenn vu Held oder Ungethier angebft, ruf du nur:
Alarich!“
Das bringt dir Sieg."
„Heißt aber dod Feiner unfrer Ahnen und Gefippen
fo, Bruder!
Wir fennen doch ihre Namen alle.“
Und nun hatten fie vie Stallungen erreicht, die
Thiere hineingetrieben und fic) vor der Thüre des Wohn⸗
haufes, vor dem offnen Fenfter, auf die Holzbank geſetzt,
welde vie Vorderſeite des Hauſes auf beiden Seiten der
Hausthitre unyog.
„Da ift,” zählte das Mädchen nachdenkend auf,
„Iffamer, unſer Vater, Wargs der Ohm, den der Berg
verſchüttet hat, Iffa der Ahn, Iffamuth, der andre Ohm,
397
Sffajwinth, deſſen Sohn, unfer Vetter, und Iffarich, der
Großahn und wieder Sffa — aber fein Alarich.“
nnd dod ift mir nod wie ein Dammertraum aus
der Beit, da ich guerft auf dem Berg umber gu laufen
anfing, aus der Beit vor dem großen Bergfall, der den
ftarfen Oheim Wargs begrub, als hatte id) den Namen —
oft gehört.
Und er gefallt mir.
Und der Ahn hat mir erzählt von einem Helden:
finig dieſes Namens, der zuerſt vor allen Helden die
Romaburg bezwang: — du weit: die Stadt, von welder
unfer Vater und der Obeim Iffamuth und der Vetter
Sffafwinth nicht wieder gefehrt find, — und der dann frith
verftarb, wie Sigfrid, der Schlangentödter und Balthar,
ber Hetdengott.
Und fein Grab ift in einem tiefen Fluß.
Da liegt er, anf goldnem Schild, unter feinen
Schaätzen: und hohes Schilf wogt darüber hin.
Und nun hat fid ein andrer König aufgethan, der
heißt Totila, wie die Heer-Männer, welde die Beſatzung
briiben in Schloß Teriolis ablöſten, erzählten.
Der ſoll ſein wie jener Alarich und wie Sigfrid und
wie der lichte Sonnengott.
Und id), hat der Ahn geſagt, ſoll aud ein Kriegs—
mann werden: und einſt hinabziehn zu König Totila und
unter die Feinde ſtürmen mit dem Ruf „Alarich, Alarich!“
Und es iſt mir auch ſchon lange verleidet, dies
Umherſteigen hier auf dem Berg und das Ziegenhüten, wo
fen Feind gu bekämpfen iſt als ver Wolf und höchſtens
398
ein Gar, der vie Trauben und die Honigwaben bes
nafdt. :
Und ihr Ale lobt mein Harfenfdlagen und meine
Lieder.
Aber id) fpitre, dak es damit nicht viel ift und dak
id) von dem Alten nichts mebr darin lernen fann.
Und ic) möchte dod) nod) viel ſtolzre Weifen fingen.
Und id fann gar nidt genug erzählen hören von
pen Heermannern drüben in der Burg von den Siegen
des Sonnenkönigs Totila.
Neulich hab’ id) dem alten Hunibad, ven der König
zur Pflege feiner Wunden hieher in die Rube gefdidt
hat, den ſchönſten Berghirfd geſchenkt, ven id) erlegt,
vafitr, dag er mir die Sdlacht an der Padusbritde gum
dritten Mal erzählt.
Und wie König Totifa felbft den finftern Höllen⸗
könig, den ſchrecklichen Cethegus, überwindet.
Und ich habe ſchon ein Harfenlied davon gedichtet,
das hebt an:
„Zittre und zage,
Zäher Cethegus:
Nicht taugt dir die Tücke:
Teja, der Tapfre,
Zertrümmert den Trotz dir:
Und taghell emportaucht,
Wie Maiglanz und Morgen
Aus Nacht und aus Nebel,
Der leuchtende Liebling
Des Himmels⸗Herrn:
399
Der ſchimmernd⸗ſchöne,
Der kühne König.“
Aber weiter geht es noch nicht.
Und ich kann auch nicht allein weiter dichten.
Ich brauche einen kundigen Meiſter für Wort und
Harfe.
Und auf den Speer⸗Schwinger Teja, den ſie den
ſchwarzen Grafen nennen und der wunderbar die Harfe
ſchlagen ſoll, möcht' ich auch ein halbfertiges Lied
vollenden. |
‘Und id) wire fdon lang — aber das fag’ th nur
pir — davon gegangen, obne den Whn gu fragen, der
immer nod fagt: ich bin gu jung.
Wenn mid Cins nicht hier hielte.“
Und er fprang baftig auf. :
„Was denn? Bruder,” fragte Gotho, rubig figen
bleibend und ihn aus ihren grofen bell-blauen Augen voll
anfebend.
„Ja, wenn du’s nicht weißt,“ — fprad) ev faft zornig,
»fagen Fann ich's dir nidt.
Sd mug hinüber und neue Pfeilfpigen ſchmieden in
der Schmiedhütte.
Gieb mir nod einen Rug, fo!
Und nun laß dir nody einen anf jedes Auge legen!
Und einen auf das lidte Haar!
Fahr wohl, lieb Schwefterlein, bis gum Nachtmal.“
Und er eilte hinweg von ihr nad) einem Neben-
gebäude, vor deffen Thür ein Schleifſtein und allerlei
Urbeitsgerath ftand.
398
ein Bar, ver die Tranben und die Honigwaben bes
nafdt.
Und ihr We lobt mein Harfenfdlagen und meine
Lieder.
Aber id fpiive, dak e8 damit nidt viel ift und daß
id) von Dem Wlten nichts mehr darin lernen fann.
Und id) midjte dod) nod) viel ftolgre Weifen fingen.
Und ich fann gar nicht genug ergablen hören von
ven Heermannern drüben in der Burg von den Siegen
des Sonnenfinigs LTotila.
Neulid) hab’ id) dem alten Hunibad, den der Konig
zur Pflege feiner Wunden hieher in die Rube gefdidt
hat, den ſchönſten Berghirſch gefdentt, ven ich erlegt,
dafür, Dak er mir die Sdladht an der Padusbritde zum
Dritten Mal erzählt.
Und wie König Totila ſelbſt den finſtern Höllen⸗
könig, den ſchrecklichen Cethegus, überwindet.
Und ich habe ſchon ein Harfenlied davon gedichtet,
das hebt an:
„Zittre und zage,
Zäher Cethegus:
Nicht taugt dir die Tücke:
Teja, der Tapfre,
Zertrümmert den Trotz dir:
Und taghell emportaucht,
Wie Maiglanz und Morgen
Aus Nacht und aus Nebel,
Der leuchtende Liebling
Des Himmels⸗Herrn:
399
Der ſchimmernd⸗ſchöne,
Der kühne König.“
Aber weiter geht es noch nicht.
Und ich kann auch nicht allein weiter dichten.
Ich brauche einen kundigen Meiſter für Wort und
Harfe.
Und auf den Speer⸗Schwinger Teja, den ſie den
ſchwarzen Grafen nennen und der wunderbar die Harfe
ſchlagen ſoll, möcht' ich auch ein halbfertiges Lied
vollenden. |
‘Und ich ware ſchon fang — aber das fag’ id) nur
bir — davon gegangen, ohne den Whn gu fragen, der
immer nod fagt: id bin gu jung.
Wenn mid Cins nicht bier hielte.“
Und er fprang baftig auf. :
„Was denn? Bruver,” fragte Gotho, rubig figen
bleibend und ihn aus ihren großen bell-blanen Augen voll
anfebenb.
„Ja, wenn du's nicht weißt,“ — ſprach er faft zornig,
„ſagen kann ich's dir nicht.
Ich muß hinüber und neue Pfeilſpitzen ſchmieden in
der Schmiedhütte.
Gieb mir noch einen Kuß, ſo!
Und nun laß dir noch einen auf jedes Auge legen!
Und einen auf das lichte Haar!
Fahr wohl, lieb Schweſterlein, bis zum Nachtmal.“
Und er eilte hinweg von iby nach einem Nebens
gebäude, vor deſſen Thür ein Sebleifftein und allerlei
Arbeitsgerath ftand.
400
Gotho ftiigte rie Wange auf vie Hand und fab vor
fic) bin, dann fagte fie laut:
„Ich kann's nidt rathen.
Denn mic würd' er ja mit nehmen, natitrlid.
Wir könnten ja gar nidt leben obne einander.“
Gie ftand mit einen leichten Seufzer auf und wandte
fid) Dem Wiesgrund neben dem Hauſe yu, nach dem
Linnen zu fehen, das dort zur Bleide lag.
Aber im Wohnhaus hinter dem offnen Fenfter erhob
fid) jetzt der alte Offa.
Gr hatte Wes mit angebirt.
Das thut fein gut mehr!" fprad er, fid lebbeft
den Kopf reibend.
„Hab's immer nicht über das Herz gebracht, die
Kinder zu trennen.
Waren ja Kinder!
Hab' immer noch ein Weilchen gewartet.
Und jetzt hätt' ich gar ſchon bald ein Weilchen zu
lang gewartet.
Fort mit dir, jung Adalgoth!“
Und er trat aus dem Wohnhaus und ſchritt lang⸗
ſam hinüber in die Schmiede.
Er fand den Knaben in eifriger Arbeit.
Mit vollen Backen blies er in die Kohlengluth am
Schmiedeherd und hielt dann die ſchon roh bearbeiteten
Pfeilſpitzen hinein, ſie zu erweichen und hämmerbar zu
glühen.
Dann griff er mit der Zange die Spike heraus,
401
fegte fle auf den Schmied⸗Knecht, ven Amboß, und
hämmerte zierlich ihre Spigen und Widerhaken zurecht.
Er nickte nur ſtumm dem eintretenden Großvater zu,
ohne ſich in der Arbeit ſtören gu laffen.
Tapfer hieb er auf den Amboß, daß die Funken
ſprũhten.
„Nun, dachte der Alte bei ſich, jetzt denkt er doch
nur an Pfeil und Eiſen.“
Aber plötzlich ſchloß der junge Schmied mit einem
ſauſenden Streich, warf den Hammer weg, ſtrich ſich
über die glühende Stirn und fragte, raſch gegen Iffa
ſich wendend:
„Ahn, woher kommen die Menſchen?“
„Jeſus, Wodan und Maria!“ rief der Alte und trat
erſchrocken einen Schritt zurück.
„Bub, wie kommſt bu anf ſolche Gedanken?“
„Die Gedanken kommen gu mir: — nicht ih zu
ihnen.
Ich meine nämlich die erſten Menſchen, vie Aller:
erſten.
Der lange Hermegiſel da drüben in Teriolis, der
aus der Arianerkirche zu Verona davon gelaufen iſt und
ſchreiben und leſen kann, ſagt: der Chriſtengott habe in
einem Baumgarten einen Mann aus Lehm gemacht und
aus deſſen Rippe, da er ſchlief, ein Weib.
Das iſt zum Lachen.
Denn aus einer noch ſo langen Rippe kann man
fein nod fo kleines Mädchen machen.“
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 26
402
„Ja, ich glaub’s aud nicht!“ geftand der Alte, nach⸗
denklich.
v8 iſt ſchwer vorzuſtellen.
Und ich erinnere mich:
Mein Vater hat einmal geſagt, an einem Abend am
Herdfeuer: die erſten Menſchen ſeien auf den Bäumen
gewachſen.
Der alte Hildebrand aber, der ſein Freund war,
obzwar tüchtig älter — und der von Tridentum her auf
einem Streifzug gegen die wilden Bajuvaren hier einge⸗
kehrt war, und der zunächſt am Herde ſaß — denn es
war noch früh im Jahr und ſehr rauh und kalt —, der
ſagte: mit den Bäumen, das ſei richtig.
Aber nicht gewachſen ſeien die Menſchen darauf,
ſondern zwei Heidengötter — Dämonen nennt ſie Herme⸗
giſel — haben einſt am Meeresufer den Eſchenbaum
und die Erle liegend gefunden: und aus ihnen bildeten
ſie Mann und Weib.
Es geht auch noch ein altes Lied davon.
Hildebrand wußte noch ein par Worte daraus.
Mein Vater ſchon nicht mehr.“
„Das will ich ſchon lieber glauben!
Aber jedesfalls waren da Anfangs der Menſchen
ſehr wenige?“
„Gewiß.“
„Und es gab nur Eine Sippe anfangs?“
„Sicher!“
„Und die Alten ſtarben meiſtens vor den Jungen“
„Freilich.“
403
„Dann will id Dir was fagen, — Obm.
Dann muften die Menſchen entweder ausfterben.
Over, da fie nod da find, — und ſiehſt du, da
wollt’ id) drauf hinaus, — muften Bruder und Sdwefter
fic) oft heirathen, bis mebrere Sippen entftanden.“
„Adalgoth, dic reiten die Elben, du redeft wirr.“
„Ganz und gar nidt.
Und kurz und gut: wenn’s frither gefdehen fonnte,
fann’8 aud heute nod gefdjeben. |
Und ih will meine Schweſter Gotho jum Weibe
baben.“
Der Alte fprang auf ihn gu und wollte ihm den
Mund verbalten.
Aber der Fiingling wich ihm ane.
„Ich weiß ſchon Wiles, was du fagen willſt.
Hier famen die Priefter von Tridentum wohl bald
pabinter.
Und dann des Königs Graf.
Aber id fann ja mit ihr in ein fernes Land ziehen,
wo uns Jiemand fennt.
Und fie geht ſchon mit, bas wei id."
„So! das weigt Du aud) fdon 2?"
oa, dad weiß id."
Aber das weit du nod) nidt,” fprad nun ernft
und entfdeidend der Alte, „daß diefe Nacht vie leste iſt,
bie du bier gubringft auf vem Berg ver Offinger.
Auf, Woalgoth, ich gebiete div: dein Whn und dein
Muntwalt.
Du haft eine Chrenpflidt, vie Pflicht heiliger Rade,
26 *
404
zu erfüllen am Hofe Konid Totila's und in ſeinem
Heer: einen heiligen Auftrag des Oheim Wargs, der
unter'm Berg verfchüttet liegt — einen Auftrag deines —
Ahns.
Du biſt nun reif und ſtark genug, ihn zu erfüllen.
Morgen, mit dem erſten Tagesgrauen, brichſt du auf
nad Süden, nad Italia, wo König Totila das Unrecht
ſtraft, dem Recht zum Siege hilft und den Neiding
Cethegus niederkämpft.
Folg' mir in meine Kammer.
Dort hab' ich dir ein Kleinod einzuhändigen von
Oheim Wargs und manches Wort nod auf ven Weg
gu geben.
Mand Wort ves Rathes und der Rare.
Vor Gotho aber fdweige.
Mad’ iby vas Herz nicht ſchwer.
Befolgft du meine und deines Oheims Worte, wirft
vu ein ftarfer, freudiger Held werden an Konig Toti⸗
la's Hof.
Und dann, aber aud nur dann, wirft bu aud Sotho
— wiebderfeben.“
Tief ernft, bleid) geworden folgte der Jüngling vent
Ahn in vas Haus.
Lang fprachen fie dort leife in des Alten Kammer. —
Bei dem Nachtmal feblte Adalgoth.
Gr habe fic, mehr müde als hungrig, fdon ſchlaſen
gelegt, ließ er der Schweſter ſagen durch den Ahn.
Aber nachts, da ſie ſchlief, trat er auf leiſen Zehen
in ihr Gemach.
405
Der Mond warf einen zarten Strahl auf ihr engels
haftes Angefidt.
Auf der Schwelle blieb er ftebn.
Nur die Redte ftredte er nach ihr aus.
„Ich feh did) wieder,” fprad er, meine Gotho!“
Und er überſchritt bald die Schwelle des jdjlidjten
Alpenhaufes. ;
Nod begannen kaum vie Sterne gu bleichen: frifd,
ftablend, webte die Nachtluft ves Berges um feine
Schläfe.
Er ſah in den ſchweigenden Himmel.
Da ſchoß ein Stern in hohem Bogen über ſein
Haupt.
Gen Silden flog er nieder.
Da erhob der Jüngling den Hirtenftab in der
Tedhten :
.dorthin rufen mid die Sterne!
Nun wahre did, Neiding Cethegus!“
Finftes Capitel.
Der Prifect hatte nad ver Schlacht an der Padus
britde Boten feinen nadriidenden Scharen entgegen ges
fchidt, welde zunächſt femme Soldner, dann and die
langfamer folgenden SGiirger von Ravenna nad diefer
Stadt zurück wiefen. |
Die fliichtenden Truppen des Demetrius überließ er
ihrem Schickſal. :
Totila hatte alle Feldjeidhen und Fahnen der zwölf
Taufend erbentet, ,was ben Römern nie zuvor gefdab, “
ſchreibt Profopius zürnend.
Cethegus ſelbſt eilte mit ſeinem geringen Gefolge
quer durch die Aemilia an die Weſtküſte von Italien
die er bei Populonium erreichte, beſtieg ein raſches Kriegs⸗
ſchiff und ließ ſich von einem ſtarken Nordnordweſt, den,
wie er ſagte, die alten Götter Latiums geſendet, nach
dem Hafen von Rom, Portus, tragen.
Auf dem Landweg hätte er nicht mehr durchdringen
können: denn nad dem Sieg Totila's an der Padus-
brite fiel ganz Tuscia und ganz Valeria den Gothen
gu: das Fladland ritdhaltlos: und aud die State.
407
woelche nicht ftarfe byzantiniſche Befagung in Baum
Dielt.
Bei Mucella, einen Tagmarſch von Florenz, fdlug
ver König nodmal ein ſtarkes Heer der Byzantiner unter
elf uneinigen Führern, weldje die kaiſerlichen Beſatzungen
der tuscifden State gufammengerafft batten, thm den
Weg gu verlegen. Mit Mühe entfam ver Oberfeldherr
Suftinus nad Florentia. |
Der Konig behandelte feine zahlreichen Gefangnen
mit folder Güte, daß febr viele derfelben, Stalier und
kaiſerliche Söldner, in feine Dienfte traten. .
Und nun waren alle Strafen von Mittelitalien bes
det von neu gu den Waffen eilenden Gothen und von
Golonen, welde, unter deren Anfiihrung, Totila's
Märſchen gegen Rom folgten.
Qn diefer Stadt angelangt, hatte Cethegus fofort
alle Unftalten zur Vertheidigung getroffen.
Denn im Fluge nabte nun, nad dem gweiten Siege,
bet Mucella, Konig Totila, anfgehalten faft nur nod
purd die Huldigungen der Stavte und Caftelle auf feinem
Wege, welde wetteifernd ihm und jubelnd die bet feinem
Einritt befranjten Thore erſchloſſen.
Die wenigen Burgen, welche, von ſtarken byzan⸗
tiniſchen Beſatzungen gehalten, widerſtanden, wurden
eingeſchloſſen von kleinen Abtheilungen, welche Totila
aus Italiern bildete, durch wenige gothiſche Kerntruppen
zuſammengehalten.
Er konnte dies, da ſeine Macht während des Marſches
Fünftes Capitel.
Der PBrafect hatte nad ver Schlacht an ver Padus.
britde Boten feinen nadriidenden Scharen entgegen ges
ſchickkt, welche zunächſt femme Söldner, dann and die
langfamer folgenden Bürger von Ravenna nad diefer
Stadt zurück wiefen.
Die flüchtenden Cruppen des Demetrius überließ er
ihrem Schidfal.
Totila hatte alle Feldjeichen und Fahnen der zwölf
Taufend erbeutet, ,was den Römern nie zuvor gefdah, “
ſchreibt Profopius zürnend.
Cethegus ſelbſt eilte mit ſeinem geringen Gefolge
quer durch die Aemilia an die Weſtküſte von Italien
die er bei Populonium erreichte, beſtieg ein raſches Kriegs⸗
ſchiff und ließ ſich von einem ſtarken Nordnordweſt, den,
wie er ſagte, die alten Götter Latiums geſendet, nach
dem Hafen von Rom, Portus, tragen.
Auf dem Landweg hätte er nicht mehr durchdringen
können: denn nad dem Sieg Totila's an der Padus⸗
brite fiel gang Tuscia und gan; Valeria ven Gothen
gu: das Fladhland rückhaltlos: und aud die Städte
407
welche nicht ftarfe byzantiniſche Befabung in Baum
hielt.
Bei Mucella, einen Tagmarſch von Florenz, ſchlug
der König nochmal ein ſtarkes Heer der Byzantiner unter
elf uneinigen Führern, welche die kaiſerlichen Beſatzungen
der tusciſchen Städte zuſammengerafft hatten, ihm den
Weg zu verlegen. Mit Mühe entkam der Oberfeldherr
Suftinus nad Florentia.
Der Konig behanvdelte feine zablreiden Gefangnen
mit folder Güte, daß ſehr viele derfelben, Stalier und
kaiſerliche Goldner, in feine Dienfte traten. .
Und nun waren alle Strafen von Mittelitalien be-
dedt von new gu den Waffen eifenden Gothen und von
Golonen, welde, unter deren Anfiihrung, Totila’s
Marden gegen Rom folgten.
Sn diefer Stavt angelangt, hatte Gethegus fofort
alle Unftalten gur Vertheidigung getroffen.
Denn tm Fluge nabte nun, nad dem gweiten Siege,
bei Mtucella, König Totila, aufgebalten faft nur nod
durch die Huldigungen der Stavte und Gaftelle auf feinem
Wege, welche wetteifernd ihm und jubelnd die bei feinem
Ginritt bekränzten Thore erſchloſſen.
Die wenigen Burgen, welche, von ſtarken byzan⸗
tiniſchen Beſatzungen gehalten, widerſtanden, wurden
eingeſchloſſen von kleinen Abtheilungen, welche Totila
aus Italiern bildete, durch wenige gothiſche Kerntruppen
zuſammengehalten.
Er konnte dies, da ſeine Macht während des Marſches
408
auf Rom von allen Seiten, einem Strome gleid, groge
und Heine Zuflüſſe von Gothen und Staliern erbielt.
Bu Taufenden eilten die italifden Golonen, die er
fret erklärt, gu feinen Fahnen.
In fleinen Städten erhoben ſich die Bürger gegen
die byzantiniſche Beſatzung, entwaffneten ſie oder zwangen
ſie zum Abzug.
Ja ſogar Söldner Beliſar's, welche ſeit deſſen Ent⸗
fernung Monate lang von den kaiſerlichen Logotheten
keinen Sold erhalten hatten, boten nun den Gothen
ihre Waffen an.
So war es ein ſehr anſehnliches Heer von Gothen
und Italiern, welches Totila, wenige Tage nach dem
Eintreffen des Präfecten, vor die Thore Roms führte.
Mit lautem Jubel wurden bald darauf in dem
gothiſchen Lager der tapfre Wölſung Herzog Guntharis,
Wiſand der Bandalarius, Graf Markja und der alte Grippa
begrüßt, deren Auswechſelung gegen ven an der Paduse
Briide gefangnen faiferliden Oberfeloherrn und mebhrere
feiner Heerfithrer Totila bei Conftantianus und Jo⸗
Hannes, ven Befehlehabern von Ravenna, erwirkt hatte.
Auf Gethegus aber fiel nun die faft unldsbare Auf⸗
gabe, feine grogartig angelegten Befeſtigungen hinlänglich
zu bemannen.
Fehlte ihm vod nicht blos vas ganze Heer Belifar’s,
— aud) der größte Theil ver eignen Söldner, welde erft
allmalig auf dem Geeweg von Ravenna her in dem
Hafen Portus eintrafen.
Um ben ganzen Kreis vex weiten Umwmallung aud
409
mir nothditrftig gu decken, mußte Cethegus den römiſchen
Legionaren nidt. nur ungewohnte und unerwartete Ans
firvengungen unabgeliften Wachdienſtes zumuthen, — er
mupte and deren Zahl durch Gewaltmaßregeln erhöhen.
Bom ſechzehnjährigen Knaben bis gum ſechzigjährigen
Greiſe rief er „alle Söhne des Romulus, Camillus und
Caſar gun den Waffen, die Heiligthümer der Väter gu
ſchirmen wider die Barbaren".
Aber fein Aufruf wurde faum gelefen und verbreitet
und führte ibm nur wenige Freiwillige zu, während er
mit Sngrimm fah, wie das Manifeſt ves Gothentdnigs,
welches jede Nacht an vielen Stellen ither die Mtauern
flog, itberall umlief und vor dichten Gruppen verlefen
wurde: fo daß er gornig befahl, jeden mit Einziehung des
VermBgens oder Verfnedtung zu ſtrafen, ver das Manifeſt
aufhbbe, anſchläge, vorlafe, verbreite. |
Aber es lief dod) fiberall um: und feine in allen
Regionen ver Stadt aufgelegten Liften der Freiwilligen
blieben leer.
Da fdidte er feine Iſaurier in alle Haufer und
ließ Knaben und Greife mit Gewalt auf vie Walle
fdleppen: bald war er mehr gefitrdtet, ja gehaft als
geliebt.
Nur feine eiferne Strenge und das allmalige Cin-
treffen feiner ifaurifden Söldner bielt nod die Unzu—
friedenhett ber Romer nieder.
Jn vem Gothenlager aber überholte eine Glidsbot-
ſchaft die Andre.
410
Teja und Hildebrand atten die Byzantiner bis vor
vie Thore von Ravenna verfolgt.
Diefe Stadt vertheidigten der wieder freigegebue
Demetrius und Johannes ver Blutige, und die Hafens
ftadt Gonftantianus gegen Hildebrand, der Ariminum
im Vorüberziehen gewonnen, da die Bürger die armenis
ſchen Söldner des Urtafires entwaffneten und die Thore
öffneten.
Teja aber ſchlug und tödtete im Zweikampf den
tapfern byzantiner Feldherrn Verus, der mit auserleſenen
piſidiſchen und kililiſchen Söldnern thm den Uebergang
des Santernus verwehren wollte, durchzog gang Nord⸗
italien, das Manifeft Totila’s in der Linken, das drohende
Schwert in der Redten: und in wenigen Woden waren
alle State und Burgen bis auf Mediolanum yur Unters
werfung gewonnen oder gefdredt. |
Totila aber, durch die Erfahrungen der erften Bes
lagerung gewivigt, wollte fein Heer einem Sturm auf
pie furchtbaren Werle ves Prafecten nicht ausfegen und
aud) feine künftige Hauptſtadt nidt den Zerſtörungen
ftiirmender Einnahme preisgeben.
Auf hölzernen Briiden, auf finnenen Flügeln gelang’
id) nad) Rom!" fo rief ex eines Tages Herzog Guntharis
ju, überließ diefem die Einſchließung der Stadt, brad anf
mit Der ganzen Reiterei und etlte nad) Neapolis.
Sn diefem Hafen lag, ſchwach bemannt, eine kaiſer⸗
liche Flotte.
Einem Triumphzug, nicht einem Feldzug, glich Totila's
Marſch auf der appiſchen Straße durch Unteritalien.
411
Diefe Gegenden, weldhe am Langften unter dem
Doche der Byzantiner litten, waren am Meiften beret,
Mun die Gothen als Befreier gu begriigen.
Mit Blumengewinden zogen die Sungfrauen von
Terracina dem ſchönen Gothenkönig entgegen.
Das Volk von Minturnä fuhr, ihm zum Empfang,
einen vergoldeten Wagen hinaus, hob ihn vom weißen
Roß und zog ihn auf dem Wagen jubelnd in die Thore.
„Sehet hin:“ — ſcholl es in den Straßen von Caſi⸗
linum, einer alten Cultſtätte der campaniſchen Diana, —
Phobus Apollo iſt niedergeſtiegen vom Olymp und halt
befreienden Einzug in der Stadt ſeiner Schweſter.“
Die Bürger von Capua aber baten ihn, die erſten
Goldmiinjen feines Königs⸗Namens in ihrer Münze gu
pragen mit der Umfdrift: »Capua revindicatac.
Go ging es fort bis Neapolis: diefelbe Straße, welche
ex dereinft, ein Flüchtling, verwundet, in nächtlicher Haft
guriidgelegt.
Der Befehlshaber der armenifden Söldner in der
Start, einer ſehr tapfern, aber fdwaden Scar der
Arfative Phaza, wagte nicht, ver Bevölkerung fiir den
Fall einer Belagerung zu traven. |
Gr fithrte feine Lanzentrager und bewaffnete Biirger
pon Reapolis dem König zur offnen Feldfdjladt entgegen.
Da, vor dem Beginn ves Gejechts, ritt ein Metter
auf weifem Roß aus ver Sehladtreihe der Gothen,
nahm den Helm von Haupt und rief:
Kennt iby mid nicht mehr, ihr Manner der parthenos
paifden Stadt?
1
412
Sd bin Totila.
Shr habt mid geliebt, da ich der Seegraf eures
Hafens war.
Shr follt mich fegnen als euren Konig.
Gedenkt ihr nidt mehr, wie id eure Weiber und
Kinder auf meinen rettenden Schiffen geflüchtet vor den
Hunnen Belifars?
Vernehmt: dieſe eure Frauen und Tider, fle
find abermalé in meiner Hand: nidt als Schitelinge,
alg ®efangene. —
Nad) Cuma habt ihr fie gebracht, in das fefte Schloß,
fie vor den Byzantinern gu ſchützen, vielleicht ang
por mir.
Wiffet aber: Cuma hat ſich mir ergeben: und alle
borthin Geflüchteten find in meine Gewalt gefallen.
Mean rieth mir: fle als Geifeln gu behalten, eud und
bie anbdern Stidte gur Ergebung zu gwingen.
Das widerftrebt mir.
Frei liek ich fie alle — nad) Rom hab’ ich die Frauen
der römiſchen Senatoren geleiten laſſen.
Nur eure Weiber und Kinder, ihr Männer von
Neapolis, hab’ ich in mein Lager fommen laffen: nicht als
Geifeln, nidt als Gefangene: — als meine Gifte. —
Sebet hin: — dort ſtrömen fle aus meinen Belten. —
Oeffnet die Arme, fle yu empfangen — fie find frei.
Wollt ihr jest gegen mid) fampfen?
Ich fann’s nidt glauben!
Wer ift ber erfte unter euch, der zielt auf dicfe
Bruft 2
413
Und weit ſchlug er den weißen Mantel auseinander.
weil Rinig Totila dem Gittigen!” war die jubelnde
Antwort.
Und das heigblittige Völklein warf die Waffen nieder,
Ftrdmte heran und begrüßte jubelnd die befreiten Frauen
und Kinder und küßte dem jungen König den Saum
pes Mantels und die Fife.
Der Filhrer der Söldner ritt gu ihm heran.
„Meine Langen find umringt und gu fdwad, allein
gu fampfen. .
Hier, o Rinig, nimm mein Schwert: id) bin dein
Gefangner.“
„Nicht alfo, tapfrer Arſakide!
Du biſt unbeſiegt: — deßhalb auch ungefangen.
Zieh' ab, wohin du willſt, mit deiner Schar.“
wd) bin beſiegt und gefangen durch deines Herzens
Hohheit und deiner Augen lichten Glanz: — verſtatte,
bag wir fortan für deine Fahne fechten.“
Eine auserleſne Kriegerſchar war ſo Totila gewonnen,
die fortan treu bei ihm aushielt.
Unter einem Regen von Blumen hielt er ſeinen
Einzug durch die Porta nolana.
Noch bevor Aratius, der Admiral der Flotte im
Hafen, die Anter feiner Kriegsſchiffe lidten fonnte, war
deren Bemannung von-den zahlreichen Matroſen der
vielen neben ihnen liegenden Handelsfdiffe der Kaufleute,
alter Bewunderer und dankbarer Schiiglinge Totila's,
fiberwaltigt und die Führer gefangen.
414
Ohne Blutvergieken hatte fich der Gothenkönig eine
Flotte und die dritte Stadt des Reides gewonnen.
Aber von vem Feftmal, das ihm am Abend die
jubelnde Stadt bereitete, ftabl er leife fic) hinweg.
Mit Staunen erfannten gothifde Wadjen in ver Stille
per Nacht ihren Konig, ohne Gefolge, in altem, halb eins
geſtürztem Lhurmgemauer hart am capuanifden Thor
neben einem uralten Olivenbaum verfdwinden. —
Am andern Tag erfdjien ein Decret Totila’s, welches
bie Frauen und Mädchen der Juden von Neapolis fiir
immer von dem bisher entridteten Ropfgeld befreite,
und, während ihnen font unterfagt war, öffentlich
Schmuck yu zeigen, verftattete, als Chrengetden auf dem
Bruftgewand ein golones Herz gu tragen. —
Sn dem dicht verwadjenen Gartden aber, in weldem
verwilderter Ephen und Rofen das hohe Steinkrenz und
einen tief eingefunfenen ©rabftein völlig überwachſen
hatten, erhob fid) in Bälde ein Gedenkſtein von edelftem
ſchwarzen Marmor mit ver einfadhen Auffdrift: ,Dtiriam
Valeria.” —
Und niemand lebte in Neapolis, der das gu deuten
wußte.
Sechstes Capitel.
Bon allen Seiten ſtrömten nun aus Campanien und
Samnium, Bruttien und Lucanien, Apulien und Calas
hrien Wbgefandte der Stavte nad) Neapolis, ven Gothen⸗
fonig als Befreier in ihre Mauern gu laden.
Auch vas widtige und ftarfe Benevent ergab ſich
und die benadbarten Felten Asculum, Canufia und
Udheruntia.
Nad Tanfenden zählten die Falle, in welden in
viefen Landfdaften die Colonen in die Landereien ihrer
gefallnen, entflohnen, nad) Byzanz oder Rom gewanderten
Herren eingewiefen wurden.
Auger, Kom und Ravenna waren von grofen Plagen
jest nur nod Florentia unter Suftinus, Spoletium unter
Bonus und Herodianus, Perufia unter dem Hunnen
Ulougant in den Handen der Byzantiner. ”
In wenigen Tagen hatte der feefundige König, durch
viele Stalier aus vem Süden der Halbinfel verſtärkt, feine
eroberte Flotte new bemannt und fithrte fie, in vollent
Sdhmud ver Segel und Flaggen, aus dem Hafen, indeß
416
rie Reiterei feines Heeres auf vem Landweg (der Via
appia) gegen Norden jog.
. Rom war vas Biel ver Schiffe und der Reiter:
wabrend Leja, nachdem er alles Land gwifden Ravenna
und dem Liber gemonnen — die feften Burgen Petra
und Gaefena fielen ohne Schwertſtreich — oder unters
worfen und gefidert: die Aemilia und beide Tuscien, (das
annonarifdhe und fuburbicarifde,) auf der Bia flaminia
mit einem Dritten Gothenheer gegen die Stadt des Ces
thegus heranzog.
Der Prafect erfannte: nun ward es grimmiger Ernft.
Und grimmig, gleid vem in feiner Hable angegriff:
nen Drachen, wollte er fid) webren.
Mit ſtolz zufriednem Blid maß er vie Schanzen und
Walle, fein ungeheures Werk: und gu den Waffenfreunden,
welde die Anniberung ver Gothen beunrubigte, fprad er:
„Getroſt! an dieſen Mauern follen fie gum gweiten
Mal zerfdellen.“
Aber nicht fo rubig wie feine Reden und Mienen
war im tiefften Snnern fein Geift.
Nicht, daß er fein Thun jemals berent, feinen Gee
panfen je al8 unausfithrbar erfannt hatte.
Aber daß fein Werk, nad widerholtem Seheitern der
Vollendung fo nabe gefithrt, nun nad Totila’s Erhebung
abermals fo fern vom Ziele ſchien, — diefe Empfin⸗
bung wirfte auf die eiferne Kraft aud des Cethegus.
„Der Gropfe höhlt zuletzt den Fels!" antwortete er,
alé ihn Licinius einmal fragte, weßhalb er fo finfter ſehe.
417
wind dann — id kann nicht mebr fdjlafen wie
ebedem."
„Seit wann?“
„Seit — Totila! —
Dieſer blonde Königsknabe hat mir den Schlummer
geſtohlen.“
So ſicher und überlegen ſich der Präfect gegenüber all'
ſeinen Feinden und Gegnern gefühlt hatte — die leuch—
tende, offne Natur, die Sigfrid-Natur dieſes Jünglings
und ihre ſpielend gewonnenen Erfolge reizten ſeinen Haß
ſo ſchwer, daß ihm manchmal in heißer Leidenſchaft die
überlegne Eiſesruhe ſchmolz, — während Totila dem
Allgefürchteten mit einer Siegeszuverſicht entgegen trat,
als könne es ihm gar nicht fehlen.
„Er hat Glück, dieſer Milchbart!“ knirſchte Cethegus,
als er die ſpielende Eroberung von Neapolis erfuhr.
„Glück wie Achilleus und Alexandros.
Aber vortrefflicherweiſe werden ſie nicht alt, dieſe
ewigen Jünglinge!
Das weiche Gold dieſer Seelen zermürbt — wir
Klumpen von gediegenem Erz halten länger.
Ich habe dieſes Schwärmers Roſen und Lorbern ge-
ſehen: mir iſt, bald ſeh' ich auch ſeine Cypreſſen.
Es kann nicht ſein, daß ich dieſer mädchenhaften
Seele erliege.
Das Glück trug ibn raſch und ſchwindelhoch empor.
Plötzlich und ſchwindelhoch wird er auch fallen.
Trägt es ihn noch über die Zinnen meines Rom? —
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 27
418
Sliege nur, junger Barus, mithelos, im warmiten
Sonnenſchein.
Ich klimme, Schritt für Schritt, durch Blut und
Kampf, empor im Schatten. —
Aber hoch aufathmend werd' ich oben ſtehn, wenn
dir der verrätheriſche Sonnenkuß des Glücks das Wachs
in den kühnen Fittigen geſchmolzen hat.
Wie ein fallender Stern wirſt du unter mir erlöſchen.“
Aber es hatte nicht das Anſehen, als ob dies ſchon
bald geſchehen ſolle.
Sehnlich erwartete Cethegus das Eintreffen einer
ſtarken Flotte aus Ravenna, welche ihm den Reſt ſeiner
Söldner und Alles, was daſelbſt von Legionaren und von
dem Heere des Demetrius entbehrlich war, mit reichen
Mundvorräthen zuführen ſollte.
Waren dieſe Verſtärkungen eingetroffen, konnte er
das murrende letzte Aufgebot der Römer von ſeinem un⸗
erträglichen Dienſt entlaſſen.
Seit Woden hatte ev die immer drohender vere
bitterten Einwohner auf diefe Flotte vertriftet.
Endlich war fie von Oftia her durch etnen voraus⸗
geſchickten Schnellſegler verfitndet worden.
Sethegus ließ die Nachricht oon Herolden, unter
Tubaſchall, purd alle Strafen rufen, liek verkiinden: an
ben nächſten Iden des Octobers würden adjttanfend Birger
von den Wallen an ihren Herd entlaffen: er lief doppelte
Wein-Rationen auf ven Mauern vertheilen.
Un ven Boden des Octobers deckte vichter Rebel Oftia
und das Peer.
419
Wm Tage nad ven Sven flog ein Heines Segelbot
con Oftia nad Portus, in den Hafen von Rom.
Geine zitternde Bemannung, Legionare aus Ravenna,
verfinbeten :
Rinig Totila habe mit der Flotte aus Neapolts die
ravennatifden Triremen im Schutze vidten Rebels iber=
fallen: von den achtzig Schiffen zwanzig verbrannt oder
in der Grimd gebohrt, ſechzig aber mit allem Seevolk
und Mundvorrath genommen.
Gethegus wollte e8 nidt glauben.
Gr fprang an Bord feines eigenen Schnellrudrers
„Sagitta“ und flog ben Tiber hinab. |
Aber mit Noth entfam er ven Sdhiffen des Königs,
welde bereits den Hafen Portus fperrten und kleine
Krenzer Tiber aufwarts fdidten.
Jn höchſter Cile lieR nun der Präfect einen doppel⸗
ten Strom⸗Riegel, den erften aus gefappten Maſten,
ben gweiten aus Gifentetten, einen Pfeilſchuß weiter oben,
wieder quer über ben Tiber werfen, wie ibn Belifar bei
per erften Belagerung hatte fertigen laffen.
Den Raum gwifden dem unteren, dem Balken⸗, und
dem oberen, dem Gifen-Riegel, fitllte er mit emer großen
Zahl Heiner Bote aus.
Sawer empfand Cethegus dte volle Wucht jenes
Schlages.
Nicht nur waren ſeine heiß erſehnten Verſtärkungen
in Feindes Hand gefallen: nicht nur mußte er den ihn
verfluchenden Römern, ſtatt ver verſprochenen Erleich⸗
terung, noch ſchwerere Laſten auflegen: — denn auch
27*
420
die Flußſeite mute nun gegen die unablaffigen Durd-
bruchsverſuche der gothiſchen Schiffe gededt werden —
mit leiſem Grauen fah Cethegus unaufhaltbar näher und
naber dringen den furdtbarften Feind — den Hunger.
Die Wafjerftrake, auf welder er, wie frither Velifar,
alle Vorräthe reidlich gugefithrt hatte, war gefperrt.
Stalien hatte feine dritte Flotte mebr.
Die von Neapolis und die von Ravenna blofirte
unter gothifden Wimpeln Rom.
Die legten Reiter aber, welde Marcus Licinius auf
Kundfdaft und Fouragirung die flaminifde Straße hinauf
geſchickt, jagten erſchrocken zurück und meldeten: ein ftarfes
Gothenheer, gefithrt von dem Favdhtertijen Leja, ride
im Gilmarfd beran.
Seine Vorhut ftehe ſchon in Reate.
Tags darauf war Rom auch von der letzten, der
Nordſeite, her eingeſchloſſen und beſchränkt auf ſeine
eigenen Kräfte: ſeine Bürger.
Dieſe aber waren ſchwach genug, ſo ſtark auch die
Mauern des Präfecten und ſein Muth.
Mod) durch Wochen, nod) durch Monate hielt des
Cethegus eiſerner Zwang die Verzagenden gegen ihren
Willen aufrecht.
Aber ſchon erwartete man nicht durch Sturm. durch
Hunger den baldigen Fall.
Da trat ein Allen unerwartetes Ereigniß ein, das
die Hoffnungen der Belagerten neu belebte und des jungen
Königs Genius und Glück auf harte Probe ſtellte: auf
dem Kriegsſchauplatz erſchien nochmal — Beliſarius.
Siebentes Capitel.
Wis in dem goldenen Palafte per Cäſaren zu Bys
zanz nad einander die ſchlimmen Nachrichten eintrafen
von den Niederlagen an der Padusbrücke und bei Mucella,
von der neuen Belagerung Roms, von dem Verluſt von
Neapolis und des größten Theils von Italien, — da wurde
Kaiſer Juſtinian, der das Abendland ſchon wieder mit
dem Oſten vereinigt geſehen, furchtbar aus ſeinen Träu⸗
men geweckt.
Leicht war es damals den Freunden Beliſars, den
Beweis zu führen: die Abberufung dieſes Helden ſei der
Grund aller Mißerfolge.
Klar lag es vor Augen: ſo lang Beliſarius in Italien,
Sieg auf Sieg: ſowie er den Rücken wandte: Schlag
auf Schlag des Unheils.
Die byzantiniſchen Heerführer in Italien ſelbſt er⸗
kannten nun offen an, daß ſie Beliſar zu erſetzen nicht
vermochten.
„Ich vermag nicht,“ ſchrieb Demetrius aus Ravenna,
„vor Totila das offene Feld zu halten, kaum dieſe
Feſtung der Sümpfe zu behaupten.
422
Neapolis ift gefallen.
Rom fann fallen jeden Tag.
Gende uns wieder den löwenkühnen Mann, ren
wir in eitler Ueberbebung erfeben gu können wabnten,
ver Vandalen und Gothen Befieger."
Und Belifar, objwar er fic) hod verſchworen, nie
wieder Ddiefem Kaiſer des Undanks au dienen, hatte alle
Unbill augenblids vergeffen, als Duftinianus ibn wieder
lächelnd anblidte.
Und al er ihn vollends — nad) dem Fall von Nea⸗
polis — untarmte und ,fein treues Schwert˖ nannte, —
nie hatte er in Wahrheit an feine Untrene geglaubt, nur
feine königgleiche Stellung nicht dulden wollen — da
war Belifarius von Antonina und Prokop nidht mehr
zurückzuhalten.
Da aber der Kaiſer die Koſten ſcheute einer zweiten
Unternehmung gegen Italien, neben denen des Perſer⸗
krieges, welchen Narſes glücklich, aber koſtſpielig, in Afien
führte, ſo geriethen Geldgeiz und Ehrgeiz in ſeiner Bruſt
in einen Widerſtreit, welcher vielleicht länger gedauert
hätte, als der Widerſtand von Rom und von Ravenna,
wenn ihm nicht Prinz Germanus und Beliſar durch
einen gemeinſchaftlichen Vorſchlag einen Ausweg gewieſen.
Den edlen Prinzen trieb die Sehnſucht, Ravenna
und das Grab Mataſwinthens zu beſuchen und die Un—⸗
vergeßene an dem rohen Barbarenvolk zu rächen.
Denn Cethegus hatte ihm als Erklärung des tragiſchen
Ausgangs der Unvergleichlichen angegeben: die erzwungene
Ehe mit Witichis habe ihren Geiſt zerrüttet.
423
Belifar aber fand es unerträglich, durch Totila’s
Grfolge all’ feine eigenen Siege in Frage geftellt au
feben.
Denn, war ein Volk wirklidd kberwunden, — fo
fragten fetne Meider am Hofe, — welches binnen eines
Sahres ſich fo glänzend wieder erhoben hatte?
Gr hatte fein Wort gegeben, vie Gothen vernidten
gu können — bas wollte er einldfen. ~
So madjten Germanus und Beliſar dem Kaiſer den
Vorſchlag, Stalien auf ihre RKoften für thn erobern 3u
wollen.
Der Pring bot fein ganzes Vermögen zur Ausriiftung
einer Flotte, Belifar alle feine new verſtärkten Leibwächter
und Lanzentraäger.
„Das iſt ein Vorſchlag nach dem Herzen Juſtinians!“
rief Prokop, als Beliſar ihm davon ſprach.
einen Solidus aus ſeiner Taſche und vielleicht eine
Provinz nebſt Lorberen für die Erde und gottgefälliger
Ketzervertilgung für Theodora und den Himmel, ohne
Auslagen!
Sei gewiß: er nimmt es an und giebt euch ſeinen
vãterlichen Segen mit.
Sonſt aber nichts.
Ich weiß es: du biſt ſo wenig zu halten wie Balan,
dein Scheck, wenn die Trompete bläſt.
Sch aber werde nicht zuſehen, wie du kläglich erliegſt.“
„Erliegen? Weßhalb, du Rabe des Unheils?“
„Diesmal haſt du die Gothen und Italien gegen
bid.
424
Du Haft jene aber nicht vernidtet, da du Stalien
für dich hatteſt.“
Aber Beliſar ſchalt ſeine Feigheit und ging alsbald
mit Germanus in See.
Der Kaiſer gab ihnen wirklich nichts mit als ſeinen
Segen und den großen Zeh des heiligen Mazaſpes. —
Hoch auf athmeten die Byzantiner in Italien bei
der Nachricht, daß eine kaiſerliche Flotte bei Salona in
Dalmatien gelandet ſei.
Und ſelbſt Cethegus, zu welchem Kundſchafter die
Botſchaft getragen, ſeufzte: ,Beffer Beliſar in Rom als
Totila.“
Auch der Gothenkönig war ſchwer beſorgt.
Er mußte vor Allem die Stärke von Beliſars Heer
zu erkunden ſuchen, um danach ſeine Beſchlüſſe einzu⸗
richten, — etwa gar die Einſchließung Roms aufzugeben,
um dem mächtigen Entfagheer entgegen zu ziehen.
Von Salona ſegelte Beliſar nach Pola, wo er Schiffe
und Mannſchaft muſterte.
Dort kamen zu ihm zwei Männer, welche ſich als
heruliſche Söldner zu erkennen gaben, alſo gothiſch, aber
aud) ſehr gut lateiniſch ſprachen, und erklärten: fie ſeien
Boten von Bonus, dem einen Befehlshaber von Spoles
tium.
Glücklich hätten ſie ſich durch die gothiſchen Linien
geſchlichen: und ſie drängten den Feldherrn zu raſchem
Entſatz.
Sie baten um genaue Auskunft über ſeine Stärke,
die Zahl ſeiner Segel, Reiter und Fußtruppen, um
425
durch genane Nachrichten den finfenden Muth per Bes
lagerten gn beben. |
„Ja, meine Freunde,“ fprad Belifar, , ihr müßt
ſchon Ciniges hinzufügen in eurem Bericht.
Denn die Wahrheit ift, daß mid) der Kaiſer gan;
auf die eigene Kraft angewiefen bat.”
Ginen Tag fang zeigte Belifar ven beiden Boten
Flotte, Lager und Heer.
Sn per Nacht darauf waren fie verſchwunden.
G8 waren Thorismuth und Aligern gewefen, welde
König Lotila, der fie ausgefendet hatte, getreulidh die
gewünſchte Wusfunft hinterbrachten.
Das war übel von Anfang an.
Und auch der ganze Verlauf des Feldzuges entſprach
nicht dem Ruhm des tapfern Feldherrn.
Zwar gelang es, in die Hafenſtadt von Ravenna
einzulaufen und dieſe Stadt mit neuen Vorräthen zu
verſehen.
Aber noch am Tage der Ankunft brach, in einem
Anfall ſeines alten Leidens, Prinz Germanus an dem
Sarkophage Mataſwinthens zuſammen.
In den Gruftgewölben des Palaſtes, neben ihres
. jugendfiden Bruders, neben König Athalarichs Leiche,
hatte man ſie beigeſetzt.
Germanus ſtarb: und er ward nach ſeinem letzten
Wunſche beſtattet an der ſchönen, nie erreichten Geliebten
Seite.
Aber in einer kleinen unſcheinbaren Niſche der Gruft
426
rubte nod ein Herz, vas tren fiir die Königin Schönhaar
geſchlagen.
Aſpa, vie Numiderin, hatte die geliebte Herrin nicht
überlebt.
„In meiner Heimat, hatte ſie geſagt, ſpringen die
Dienerinnen der Sonnengöttin oft freiwillig in den
Scheiterhaufen, drin rie Gottheit verſinkt.
Auch Aſpa's Sonnengöttin, die ſchone, ſchimmernde,
gütevolle iſt verſunken.
Aſpa lebt nicht verlaſſen und in kaltem Dunkel fort.
Aſpa folgt ihrer Sonne nach.“
Hügelhoch hatte ſie ſtark duftende Blumen in der
Gebieterin Todtengemach — höher noch, als da derſelbe
kleine Raum zu ihrem Brautgemach gedient hatte — ge⸗
häuft und unbekannten Räucherſtoff aus afrikaniſchem
Harz entzündet, deſſen betäubender Geruch die andern
Sklavinnen verſcheuchte.
Sie aber blieb die Nacht über in dem engen Todten⸗
gemach.
Am andern Morgen ſtahl ſich Syphar, gelockt durch
den alt vertrauten, aber gefährlichen Duft, in Erinnerung
heimiſcher Opfergebräuche, leis heran.
Er drang endlich in das wie ein Grab ſchweigende
Gemach. —
Zu den Füßen Mataſwinthen's, das Haupt unter
Blumen vergraben, fand er ihre Antilope todt.
„Sie ſtarb,“ ſprach er zu Cethegus, „ihrer Göttin nach.
Nun hab ich nur noch dich auf Erden. —“
427
Nad ver Beftattung des Germanus brad) Belifar
mit Der gangen Flotte von Ravenna auf.
Wber gleid vas nachfte Unternehmen, ein BVerfucd,
Pifaurum gu Hberfallen, fceiterte mit blutigen Verluften.
BVielmehr liek König Totila, nun über die geringe
Truppenzahl Belifar’s unterridtet, faft unter deſſen
Augen, durch kühne entfendete Streiffdaren unter Wifand
gu Lande, welde einige Segel unterſtützten, an eben jenem
Küſtenſtrich Firmum wegnehmen.
Die Byzantiner Herodian und Bonus übergaben an
Graf Grippa das wichtige Spoletium, nach Ablauf der
Friſt von dreißig Tagen, binnen welcher ſie noch Cntfag
von Beliſar gebofft.
Sn Affifium befebligte Siſifrid, ein gothiſcher Uebers
laufer, ber in den Tagen von Witichis’ Unftern fid
Belifar angefdloffen hatte. ©
- Der Mann wußte, was ihm bevorfiand, wenn er in
Hilbebrand’s Hunde fiel, der ihn in Perſon belagerte:
— ber grimme Hag hatte den Wten von der Cin:
ſchließung Ravenna’s zu diefer Wufgabe herangelodt.
Der Gothe vertheidigte vie Stadt hartnadig.
Uber als ihm bet einem Ausfall vie Stetnaxt ves
alten Waffenmeifters das Haupt zerſchmettert hatte,
zwangen vie Biirger ver Stadt die thrakiſche Beſatzung
zur Ergebung.
Viele vornehme Italier, Glieder des alten Katakomben⸗
bundes, dreihundert illyriſche Reiter und erleſene Leib⸗
wächter Beliſar's hatten die Beſatzung gebildet. Grippa
führte ſie gefangen dem König zu.
428
Gleich darauf fiel Placentia, die leste Stadt der
Aemilia, welde nod Me faracenifde Beſatzung fiir den
Raifer gehalten hatte: fie ergab fic) bem Grafen Marfja,
der das kleine Belagerungsheer befebligte.
Sn Bruttien aber ergab fid) das fefte Ruscia, der
widitige Hafenort für Thurii dem kühnen Aligern.
Belifar vergweifelte nun daran, auf dem Landweg
gegen Rom vorzudringen.
Er verſuchte jest, von der ‘fteigenden Poth der
Stadt vernehmend, ohne weiteren Verzug, Rom von
ver Geefeite her Entfak gu bringen und die Einſchließung
purd) vie Gothenfdiffe gu fprengen.
Aber auf ver Hohe von Hydrunt, bet Umfeglung der
Siidfpige Galabriens, jerftreute ein furdtbarer Sturm
feine Gchiffe: er felbft wurde mit einigen Triremen tief
ſüdlich, bis nad Sicilien, verfdlagen.
Und der größte Theil feiner Segel, welder in der
Bucht bei Croton Zufludt gefudt, wurde hier von einem
gothifden Gefdywader, bas der König von Rom ents
gegengefdidt und bet Squillactum in Hinterbhalt gelegt
hatte, itberfallen und genommen: — eine febr bedentende
Verſtärkung der gothiſchen Seemacht, welche, wie wir
fehen werden, dadurch tn den Stand geſetzt wurde, bald die
Byzantiner in thren Inſeln und Küſtenſtädten, angreifend,
aufzuſuchen.
Seit dieſem Schlag war die von Anfang zu geringe
Streitkraft Beliſars völlig ohnmächtig.
Alle Feldherrnkunſt und Kühnheit vermochte nicht,
die fehlenden Schiffe, Krieger, Roſſe zu erſetzen.
429
Die Hoffnung, daß fic) Stalien, wie bet dem erften
Feldzug, dem Feldherrn des Kaiſers zuwenden werde,
ſchlug völlig fehl.
So mißlang das Unternehmen vollſtändig, wie uns
Prokop in ſchonungsloſen Worten überliefert hat.”
Auf die Bitten um Verſtärkung antwortete der
Raifer gar nidt.
Auf die dann dringend widerholte Bitte Wntoninens
um Erlaubniß gur Rückkehr erwiderte die Raiferin nur
mit dem höhniſchen Beſcheid: man wage nidt zum
gweiten Mal durch Whberufung den Helden in dem Lanje
fetner Siege gu unterbredjen.
Go verbradte Belifar bet Sicilien eine qualvolle
Beit ver That⸗ und Rath-Lofigfeit.
Achtes Capitel.
Inzwiſchen aber ſtieg in dem belagerten Rom die
Noth und die Erſchöpfung der Bürger auf den höchſten
Grad.
Der Hunger lichtete die ohnehin ſo dünne Beſatzung
der weiten Wälle.
Umſonſt that der Präfect fein Aeußerſtes.
Umſonſt griff er zu allen Mitteln, bald der Ueber⸗
redung, bald der Gewalt.
Umſonſt verſchwendete er fein Gold, neue Lebens⸗
mittel in die Stadt zu ſchaffen.
Denn bis auf die letzten Körner faſt waren die
Getreide-Vorräthe aufgezehrt, welche er anus Sicilien hatte
kommen und auf dem Capitole bergen laſſen.
Unerhörte Belohnungen verhieß er jedem Schiff,
dem es gelänge, ſich mit Vorräthen durch die Flotte des
Königs zu ſtehlen, jedem Söldner, der es wagte, ſich
durch die Thore und die Zelte der Belagerer hinaus und
mit Mundvorrath zurück zu ſchleichen.
Die Wachſamkeit Totila's war nicht zu täuſchen.
431
Anfangs hatte einzelne goldgierige Waghälſe des
Prafecten Lohn zur Nacht hinaus gelockt.
Als aber Graf Teja jeden Morgen darauf über die
Wälle bei'm flaminiſchen Thor ihre Köpfe ſchleudern ließ,
verging auch den Begehrlichſten die Luſt.
Theuer wurde das As der gefallnen Maulthiere ver⸗
kauft.
Um das Unkraut und die Brenneſſeln, die ſie gierig
aus ven Schutthaufen rupften, ſchlugen ſich die hungern—
den Weiber.
Der Hunger hatte längſt gelehrt, das Uneßbare gierig
zu verſchlingen.
Und nicht mehr zu zählen waren die Ueberläufer,
welche aus den Häuſern, von den Mauern gu den Gos
then eilten.
Teja gwar wollte diefe mit, SpeersReden zurück⸗
getrieben wiffen in die Stadt, —* früher zum Fall
zu bringen.
Totila aber befahl, ſie Alle aufzunehmen, zu ſpeiſen
und nur darüber fürſorglich zu wachen, daß ſie nicht
durch plötzliche, maßloſe Befriedigung des maßloſen Heike
hungers, wie anfangs oft geſchehen war, dem Tode ver⸗
fielen.
Cethegus verbrachte nun jede Nacht auf den Wällen.
In wechſelnden Stunden beging er ſelbſt, mit Speer
und Schild, muſternd die Wachen, aud) wohl eine Schild⸗
wade ablöſend, welder Schlaf und Hunger den Lanjen-
ſchaft aus ter Hand ju löſen drohten.
Solch' Beiſpiel wirkte dann freilich wieder eine Weile
432
ermannend auf die Tüchtigen: begeiftert ftanden and
jest die Licinier und Pifo und Salvius Julianus ju
rem Prafecten und die blind ergebenen Dfaurier.
Nicht aber alle Römer: fo nicht Balbus, der Schlemmer.
dein, Piſo,“ fagte diefer einft, ,ich halte es nicht
langer mehr ans.
Es ift nidt in Menſchenart.
Wenigftens nicht in meiner.
Heiliger Lucullus! Wer hatte das je von mir ges
glaubt.
Ich gab neulich meinen allerletzten, größten Diaman⸗
ten fiir einen halben Stein-Marder hin.“
„Ich weiß die Beit,“ lächelte Piſo, „da du den Kod
in Eiſen ſchmieden ließeſt, hatte er den Meerkrebs eine
Minute zu lang ſieden laſſen.“
wo Meerkrebs!
Bet der Barmherzigkeit ves blaſſen Heilands!
Wie kannſt vu vies Wort, dies Bild herauf be-
ſchwören!
Meine ganze unſterbliche Seele geb' ich fir eine
Scheere, ja fiir den Schweif.
Und niemal8 audsfdlafen!
Wet nicht ver Hunger, wedt vas Wadter- Horn.“
„Sieh den Prafecten an!
Seit vierzehn Tagen hat er nidt vietzehn Stunden
geſchlafen.
Er liegt auf dem harten Schild und trinkt Regen⸗
waſſer aus dem Helm.“
Der Präfect!
433
Der braucht nicht gu effen.
Er zehrt von feimem Stolz, wie der Bar von feinem
Bett, und faugt an feiner Galle.
Iſt ja nights an ihm als Sehnen und Muskeln,
Stolk; und Hak!
Ich aber, ach ich hatte fo lieblid) weifes Fett anges
Hauft, daß mid) im Schlaf vie Mäuschen anbiffen: fie
bielten mic) fiir einen fpanifden Maſtſchinken.
Weikt du das Neuefte ?
Im Gothenlager ift heute eime ganze Herve feifter
Rinder eingetrieben worden — Lauter apuliſche: Lieblinge
der Götter und Menſchen!“
Am andern Morgen friih fam Pifo mit Salvins
Julianus, den Prafecten yu weden, ver auf dem Wall
an ber Porta portuenfis fag, nahe vem gefährdetſten
Punct, dem Strom- Riegel.
Vergieb, ich ſtöre did) im feltnen Schlaf —“
Ich ſchlief nicht.
Ich wachte.
Melde, Tribun.“
„Balbus iſt mit zwanzig Bürgern heute Nacht von
ſeinem Poſten entflohen.
An Seilen haben ſie ſich herabgelaſſen an der
Porta Latina.
Dort brüllten die ganze Nacht die apuliſchen Rinder.
Ihr Ruf war, ſcheint's, unwiderſtehlich.“
Aber das Lächeln verging dem Satirenſchreiber, als
ihn der Blick des Cethegus traf.
Dahn, Ein Kampf um Rom. III. 28
434
„Ein Kreuz, dreißig Fuß hod, wird erridtet vor
vem Hauſe ded Balbus an der Via facra. |
Seter Ueberlaiufer, der wieder in unfre Hand fallt,
wird daran geſchlagen.“
„Feldherr, — Kaiſer Conftantinus bat die Rreu-
zigungsſtrafe abgefdafft, gu Ehren des Heilands," warnte
Galvius Julianus.
„So fithr’ ich fie wieder ein, gu Ehren Roms.
Sener Raifer hielt wohl nicht fiir möglich, daß ein
römiſcher Ritter und Tribun vie Stadt Rom um einen
Braten verrathen werbe.“
„Aber nod mebr!
Sd kann die Thurmwache nidt mehr beftellen an
per Porta pinciana.
Bon den ſechzehn Legionaren find neun hungertodt
over hungerkrank.“
„Das gleide faft meldbet Marcus Licinius von der
Porta tiburtina,” fiigte Julianus bei.
„Wer foll wehren ver iberall her drohenden Gefahr?“
wd! Und der Muth ver Romer.
Geh! laß durch Herolde alle Biirger und Alles, was
nod in den Haufern ift, berufen auf das Forum ros
manunt.”
„Herr, e8 find nur nod Weiber, Kinder und Kranke —*
„Gehorche, Tribun!“
Und finſtern Blickes ſtieg ver Prafect vom Wall,
ſchwang fid) auf Pluto, fein edles, ſchwarzes, ſpaniſches
RoR und zog langfam, von einer Scar berittner Iſau⸗
rier gefolgt, iiberall die Wachſamkeit der Poften, die
435
Bahl dex Truppen priifend, auf den weiteften Wegen
burd einen grofen Theil ber Stadt: zugleich dadurch
pew Herolden und den Biirgern Beit verftattend, yu
rufen und gu folger.
So ritt er auf langem Wege das rechte Tiberufer
aufwãrts.
Aus den Häuſern ſchlich nur ſpärlich zerlumptes
Volk, die Reiter anſtarrend in dumpfer Verzweiflung.
An der Brücke des Ceſtius erſt wurden die Haufen
dichter.
Cethegus hielt ſein Pferd an, die dort aufgeſtellten
Wachen zu muſtern.
Da eilte plötzlich aus der Thür eines niedrigen
Hauſes ein Weib, mit fliegenden Haaren, ein Kind auf
dem Arm.
Ein älteres zerrte an den Lumpen ihres Gewandes.
„Brod? Brod? ſchrie fie.
„Ja, werden Steine zu Brod durch Thränen?
O nein! Sie bleiben hart!
Hart wie — ha, hart wie jener da!
Seht Kinder: das iſt der Präfect von Rom.
Der dort, auf dem ſchwarzen Roß, mit dem purpurnem
Helmbuſch, mit dem furchtbaren Blick!
Aber ich fürchte ihn nicht mehr.
Seht Kinder: ver hat euren Vater auf die Walle
geywungen, Tag und Nacht, bid er umfiel, todt.
Sludh dir, Prafect von Rom!"
Und fie ballte die Faufte gegen den unbeweglid
haltenden Reiter.
23 *
436
„Brod, Mutter!
Gieb uns zu eſſen!“ heulten die beiden Kinder.
„Zu eſſen bab’ ich nicht für euch, aber gu trinken
vollauf! Hier!“ ſchrie das Weib, umklammerte das
ältere Kind mit der Rechten, drückte das kleinere mit der
Linken feſter an die Bruſt und ſchwang ſich mit beiden
Kindern über das Geländer in die Fluth.
Ein Schrei des Entſetzens, gefolgt von Flüchen, lief
durch die Menge.
„Sie war wahnſinnig!“ ſprach ver Präfect mit lauter
Stimme und ritt weiter.
„Nein, fle war die klügſte von und Allen!“ ants
wortete eine Stimme aus ber Menge.
„Schweigt!
Ihr Legionare, laßt die Tuba ſchmettern!
Vorwärts! auf das Forum!“ befahl Cethegus und
ſauſend ſprengte die Reiterſchar davon.
Und über die fabriciſche Brücke, durch das carmen⸗
taliſche Thor, gelangte der Präfeet an den Fuß des
capitoliniſchen Hügels auf das Forum romanum.
Leer ſah der weite Raum aus: nicht gefüllt durch
die paar tauſend Menſchen, welche in elenden Kleidern
auf den Stufen der Tempel und Hallen kauerten oder
ſich mühſam an Speeren und Stäben aufrecht hielten.
„Was will der Präfect?“
„Was kann er nod) wollen?“
weir haben nichts mehr als unſer Leben.“
„Grade das will er —"
437
‚„Wißt ihr ſchon? vorgeftern hat fid aud) Centum:
cella an ver Küſte den Gothen ergeben.”
»da, die Birger haben die Sfaurier des Prafecten
iberwiltigt und die Thore geöffnet.“
„O, könnten wir's nad thun.“
„Bald miiffen wir’s thun, fonft iſt es zu fpat.“
„Mein Bruder fiel geſtern todt um, die gefodten
Brennneffeln nod tim Munde: er fonnte fie nidt mehr
verſchlingen.“
„Auf dem Forum Boarium ward geſtern eine Maus
in Gold aufgewogen.“
„Ich bezog heimlich eine Woche gebratnes Fleiſch von
einem Mezger — roh wollte er's nicht liefern —“
„Sei froh! Sie ſtürmen ja das Haus, wo ſie Bra⸗
tendunſt riechen —"
Aber vorgeſtern ward er zerriſſen vom Volk auf
der Straße.
Er hatte bettelnde Kinder in ſein Haus gelockt —
ihr Fleiſch hatte er uns verkauft.“
„Der Gothenkönig aber, wißt ihr, wie der mit ſeinen
Kriegsgefangnen umgeht?“
pote ein Vater mit feinen hülfloſen RKindern.“
»die Meiften treten fofort in ſeine Dienfte.”
wa, aber die, melde es nidt wollen, verfieht er
mit Reifegeld —“
Oa, UND mit Reidern und Schuhen und Lebensmitteln.”
„Die Wunden und Rranfen werden gepflegt.”
„Und er läßt fle durch Wegtundige bis an bie Miften-
ſtädte geletten.“
438
wud die Meberfabrt in’s Oſtreich auf Kauffahrer⸗
ſchiffen bat ev ihnen fdjon bezahlt.“
„Seht, da fteigt der Prafect von dem ſchwarzen Roß.“
‚Wie Pluto fieht er aus.“
‚„Nicht Princeps fenatus mehr, princeps infecorum."
„Seht — feinen Blick!“
walt: und dod) wie Flammenpfeile.“
oa, meine Dtubme hat Red.
So fann nur bliden, wer fein Herz mehr bat.”
„Das ift was Altes.
Strigen und Lamien haben ihm Nachts das Heyy
ausgefreſſen.“
‚Was nicht gar!
Es giebt gar keine Lamien.
Aber den Teufel giebt es: denn der ſteht in der Bibel.
Und er hat ein Bündniß mit ihm geſchloſſen.
Der Numider, der dort ſein ſchwarzes Roßz am
Biigel Halt, iſt ver Bote der Hölle, ver ihn überall
beglettet.
Reine Waffe fann dem Prafecten die Haut rigen.
Nicht Nachtwachen nod) Hunger verfpitrt er.
Aber er fann aud) mie mehr ladeln.
Denn er hat feine Seele ver Hille verpfindet.”
„Woher weißt du's?“
„Der Diakon von Sanct Paul hat's uns neulich Alles
gedeutet.
Und Sünde iſt es, einem ſolchen länger zu dienen.
Hat er doch auch unſern Biſchof Silverius dem
Kaiſer verrathen und in Ketten über's Meer geſchickt.“
439
„Und hat er dod) neulich fechzig Priefter, redtglaubige
und arianifde, alS des BVerraths verdächtig ans der
Stadt gemiefen."
„Das ift wabr.”
„Er mug aber aud dem Lenfel gelobt haben, alle
Oualen fiber Rom und die Romer gu bringen.“
„Aber wir wollen’s nidt mehr dulden.“
‚Wir find fret, ex hat's un oft gefagt.
Ich will ihn fragen, mit weldem Redht —“
Aber mitten im Wort verftummte der tapfere Redner:
— ein Blid des Prafecten hatte ihn getroffen, ver im
Emporfteigen zur Rednerbühne die kleine murrende
Gruppe fireifte.
„Quiriten,“ bob er an, „ich rufe end We auf,
Legionare gu werden.
Hunger und — ſchmählich gu fagen von römiſchen
Männern — Verrath lidten die Reihen unfrer Wachen. —
Hort iby die Hammerfdlage ?
Gin Kreuz wird gesimmert fitr die Ueberlaufer. —
Nod) größere Opfer fordert Rom von den Römern.
Denn ihr habt feine Wahl.
PBiirger anderer State möchten ſchwanken gwifden
Uebergabe und Untergang.
Wir, erwachſen im Schatten ves Gapitols, haben
diefe Wahl nist. Hier gehn vie Schauer von mehr
al8 taufendjabrigem Heldenthum.
Hier tann fein feiger Gedanke laut werden
Shr könnt nicht wieder vie Barbaren ihre Roffe
binden feben an die Säulen des Trajan.
440
Cine (este Anftrengung gilt es.
Früh reift vas Heldenmark in den Knaben des
Romulus und Cafar: ‘fpat weidt vie Kraft aus den
tibertrinfenden Dannern : .
Ich rufe die Knaben vom zwölften, die Danner
bis gum achtzigſten Jahre auf die Walle.
Stil! murrt nicht!
Ich werde meine Tribunen mit den Lanjentriigern
von Haus zu Haus geben faffen: mur um gu bindern,
daß nidt allguzarte Knaben, alu müde Greife gu den
Waffen greifen.
Was murrt ihr da drüben?
Weiß jemand beffern Rath der Vertheidigung ?
Gr gebe thn: laut, von diefem Platz herab, den ih
ihm Dann räumen werde.“ .
Da ward es {til an der Stelle, wohin der Blick
tes Prafecten geblitt.
Aber hinter thm erhob fich, bet denen, die fein Auge
nidt banbigen fonnte, grollendes Gemurmel.
worn |"
„Uebergabe!“
„Friede!“
„Brod!“
Cethegus wandte ſich.
„Schämt ihr euch nicht?
So viel habt ihr ertragen, eures Namens würdig.
Und nun, da es noch kurze Zeit gilt, auszuharren.
wollt ihr erlahmen?
Jn wenigen Tagen bringt Beliſar Entſatz.“
441
„Das haſt du uns fdon fiebenmal gefagt.“
nnd nad) dem fiebten Male verlor Belifar faft
alle Schiffe.“
„Die belfen jest mit, unfern Hafen fperren.”
wou follft uns eme Frift, ein Ende fegen dieſes
Elends. Denn mid) erbarmt e8 dieſes Volks.“
„Wer Lift put" fragte Gethegus den unſichtbaren
Redner.
„Du kannſt fein Römer fein.”
„Ich bin Pelagius der Diakon, ein Chriſt und ein
Prieſter des Herrn.
Und ich fürchte nicht die Menſchen, ſondern Gott.
Der König der Gothen, obwohl ein Ketzer, ſoll ver⸗
ſprochen haben, in allen Städten, die ſich unterwerfen,
die Kirchen, welche ſeine Mitketzer, die Arianer, den
Rechtgläubigen entriſſen, zurück zu geben.
Schon dreimal ſoll er Herolde an die Bürger Roms
geſendet haben mit gütigſten Bedingungen: — man hat
ſie nie zu uns ſprechen laſſen.“ —
„Schweig, Prieſter.
Du haſt kein Vaterland als den Himmel, keinen
Staat als das Reich Gottes, kein Volk als die Gemeinde
der Heiligen, kein Heer als die Engel.
Beſtelle du dein himmliſch Reich. Männern über⸗
laß' das Reich der Römer.“
„Aber der Mann Gottes hat Recht.“
Eine Friſt!“
„Einen nahen Termin!“
‚Bis dabin wollen wir nod ausharren.“
442
„Doch verläuft er ohne Entſatz“ —
„Dann Lebergabe !
Dann öffnen wir die Thore.“
Aber diefen Gedanken ſcheute Cethegus.
Wußte er dod, feit langen Woden ohne alle Kunde
pon der Außenwelt, durchaus nidt, wann etwa Belifar
por der Tibermiindung erfdeinen fonnte.
„Wie?“ rief er. ,Goll id euch eine Frift ſetzen,
wie lang iby nod) Römer fein wollt und von wann ab
Memmen und Slaven ?
Die Chre fennt feine Lermine."
„So ſprichſt du, weil du felbft nicht mehr an Ents
fas glaubjt."
„So fpreche id, weil id an Euch glaube.“
Aber wir wollen e8 fo.
Wir Wie.
Hörſt du?
Du fprach(t ja immer von der rimifden Freibeit.
Wohlan, find wir fret oder dir verfallen, wie deine
Siloner ?
Hörſt vu?
Wir fordern einen Termin.
Wir wollen es!"
Wir wollen es!“ widerbolte ver Chor.
Da fdollen, ehe Cethegus erwidern konnte, Tubas
rufe von der Sitdoftede des Forum her: von der facra
Via ftrimten Vol! und Bewaffnete gemifdht heran, in
ihrer Mitte zwei Reiter in fremden Waffen.
Neuntes Cayitel.
Lucius Lieinius fprengte ihnen allen voraus, fprang
ab und flog die Rednerbühne hinan.
win Herold ver Gothen!
Ich fam gu ſpät, ihn wieder, wie fonft, abzuweiſen.
Die verhungernden Legionare am tiburtiniſchem Thor
lieBen ihn herein.“
„Nieder mit ihm!
Er darf nidt reden,“ ſprach Cethegus, fprang die
Tribiine herab und 30g das Schwert.
Aber die Menge errieth ihn.
Subelnd, ſchützend umdrängte fie den Herold.
„Friede! Heil! Brod!"
„Friede! Hört den Herold!“
„Nein, Hort ihn nicht,“ donnerte Cethegus.
Wer ift Prafect von Rom ?
Wer vertheidigt viefe Stadt?
3h: Cornelius Cethegus Caefarius.
Und id) fage: hört ihn nidt.“
Und mit vem Schwert warf er fic) vorwarts.
Aber dict, wie ein Bienenfdwarm, geballt, hemmten
444
Weiber und Greife feinen Weg, während die Bes
waffneten Den Herold ſchützend umwogten.
„Sprich, Bote, was bringft du?“ forfdten fie.
„Frieden und Erlöſung,“ rief Thorismuth und ſchwenkte
feinen weißen Stab.
Lotila, der Stalter und der Gothen König, entbietet
eud) Huld und Grug und fordert frees Geleit, end
Widhtiges gu finden und den Frieden.“
„Heil ihm!“
„Hört ihn!“
„Er ſoll kommen!“
Cethegus war eilig zu Pferd geſtiegen und ließ ſeine
Tubablafer vie Schlachtfanfare ſchmettern.
Da wurde es ſtill auf dem Forum.
„Höre, Herold: ich, der Befehlshaber dieſer Stadt,
verweigere das Geleit.
Jeden Gothen, der die Stadt betritt, werd' ich als
Feind behandeln.“
Aber da erſcholl tauſendſtimmiges Geſchrei der Wuth.
Ein Bürger erklomm die Rednerbühne.
„Conelius Cethegus, biſt du unſer Tyrann oder
unſer Beamter?
Wir ſind frei.
Und oft haſt du's gerühmt: das Höchſte iſt in Rom
des römiſchen Volkes Majeſtät.
Wohlan, das römiſche Volk befiehlt, ven Köonig gu
hören.
Befiehlſt du vas nicht, Volk von Rom?“
„Wir wollen ed!"
445
„Es ift Geſetz,“ brüllten vie Quiriten.
Haſt du's vernommen?
Willſt du dem Volk von Rom gehorchen oder trotzen.“
Cethegus ſtieß das Schwert in die Scheide.
Thorismuth ſprengte davon, ſeinen König zu holen.
Der Präfect winkte die jungen Tribunen an ſich heran.
„Lucius Licinius,“ befahl er, „auf's Capitol.
Salvins Julianus, du deckſt den untern, ven Balken⸗
Stromriegel.
Quintus Piſo, du deckſt den oberen, den Ketten⸗
Riegel.
Marens Licinius, du pattft > pie Schanze, die den Wufs
gang vom Forum gum capitolinifden Hügel und mein
Haus beſchützt.
Der Reft ver Söldner ſchart ſich dicht hinter mir.“
„Was willſt du, Feldherr?“ fragte Lucius Licinius,
ehe er davon eilte.
„Die Barbaren überfallen und verderben.“
Es waren etwa noch fünfzig Reiter und hundert
Lanjentrager, welche nach Entſendung der Tribunen
hinter dem Präfecten hielten.
Nach kurzer banger Spannung ſchmetterte das
gothiſche Heerhorn die heilige Straße herauf.
Und von dorther bogen auf das Forum ein Thoris⸗
muth und ſechs Hornblafer, Wifand, ver Bandalarius,
mit der blauen Königsfahne der Gothen, der König
zwiſchen Herzog Guntharis und Graf Teja und nod
etwa zehn Heerfithrer und Reiter, faft alle ohne Waffen:
nur Leja zeigte deutlid) das breite, das gefürchtete Beil.
446
Wis eben der Bug ſich aus vem Lager der Gothen
in Bewegung gefebt hatte, durch's metronifde Thor in
bie Stadt gu reiten, fithlte fic) Herzog Guntharis am
Mantel gefaft: er fah neben feinem Pferd einen Knaben
oder Slingling mit kurzkrauſem, goldbraunem Haar und
blauen Augen und einem Hirtenſtock in ver Hand.
„Biſt du der König?
Nein, du bift es nit.
Und jener dort? dad ift der tapfere Leja, der ſchwarze
Graf, wie ihn die Lieder nennen.“
„Was willft du, Burfde, von dem Konig 2
„Ich will fiir ihn fedjten unter feinen Heerlenten.“
„Du bift nod gu jung und jart.
Geh’ und fomm’ nad gwet Gommern wieder: und
hüte verweilen die Ziegen.“
„Ich bin nod) jung: aber nicht mehr ſchwach.
Und Riegen hab’ ich mir genug gebittet.
Ha, ich ſeh's: dad ift ver König.“
Und er trat vor Lotila und neigte ſich gierlid) und
fprad : ,
„Mit Gunſt, Herr Konig.“
Und er langte nad) des Pferdes Biigel, e8 gu führen:
alg müßte das alled fo fein.
Und der König fah mit Wobhlyefallen auf ihn berab
und lächelte thm zu.
Und der Rnabe führte fein Pferd am Baum.
Guntharis aber fprad) vor ſich hin: ,Diefes Knaben
Antlitz habe ich ſchon gefeben.
Nein, er gleicht ihm nur, —: doch ſolche Aehnlich⸗
447
feit fab id) nod) nie: und wie adelig ded jungen Hivten
Haltung!“
„Heil König Totila! Frieden und Heil,“ jauchzte
dem Gothen⸗König das Volk entgegen.
Der junge Zügelführer aber ſah empor in des
Königs ſchimmervolles Antlitz und ſang leiſe, aber mit
ſilbertöniger Stimme, zu ihm hinauf:
„Zittre und zage,
Baber Cethegus:
Nicht taugt dir die Tücke!
Es trümmert den Trotz dir
Teja, der Tapfre:
Und Tag⸗hell empor taucht,
Wie Maiglanz und Morgen
Aus Nacht und aus Nebel,
Der leuchtende Liebling
Des Himmels⸗Herr'n:
Der ſchimmernd ſchöne,
Der kühne König.
Ihm öffnen ſich alle
Die Thürme, die Thore,
Die Hallen und Herzen:
Ihm weicht, überwunden,
Wuth, Winter und Weh.“
Auf den Wink von des Königs Hand trat Stille ein.
Aber dieſen erwarteten Augenblick nutzte Cethegus.
Er trieb ſeinen Rappen vorwärts in vie Vollsmenge
und rief:
446
Wis eben der Bug ſich ans dem Lager der Gothen
in Bewegung gefegt hatte, durch's metroniſche Thor in
vie Stadt gu reiten, fithlte fid) Herzog Guntharis am
Mantel gefaft: er fah neben feinem Pferd einen Knaben
over Jüngling mit kurzkrauſem. goldbraunem Haar und
blauen Augen und einem Hirten(tod in der Hand.
‚Biſt Du der Konig?
Nein, du bift es mid.
Und jener dort? das ift Der tapfere Leja, ber ſchwarze
Graf, wie ihn die Lieder nennen.“
„Was willft bu, Burfde, vom dem König?“
od) will fiir ifn fedjten unter feinen Heerleuten.“
vou bift nod) gu jung und zart.
Geb’ und fomm’ nad) zwei Gommern wieder: und
hitte verweilen die Biegen.”
„Ich bin nod jung: aber nicht mehr ſchwach.
Und Biegen hab’ id) mir genug gebittet.
Ha, ich ſeh's: dad ift ber König.“
Und er trat vor Totila und neigte ſich gierlid) und
ſprach:
„Mit Gunſt, Herr König.“
Und er langte nach des Pferdes Zügel, es zu führen:
als müßte das alles ſo ſein.
Und ver König ſah mit Wohlgefallen auf ihn herab
und lächelte ihm gu.
Und ver Knabe fithrte fein Pferd am Baum.
Guntharis aber fprad vor fid hin: „Dieſes Knaben
Antlig habe ich ſchon gefeben.
Mein, er gletht ihm nur, —: doch ſolche Aehnlich⸗
447
feit fab id) nod nie: und mie adelig des jungen Hirten
Haltung!“
„Heil König Totila! Frieden und Heil,“ jauchzte
dem Gothen⸗König das Volk entgegen.
Der junge Zügelführer aber ſah empor in des
Königs ſchimmervolles Antlitz und ſang leiſe, aber mit
ſilbertöniger Stimme, gu thm hinauf:
„Zittre und zage,
Biber Cethegus:
Nicht taugt dir die Tücke!
Es trümmert den Trotz dir
Teja, der Tapfre:
Und Tag-hell empor taucht,
Wie Maiglanz und Morgen
Aus Nacht und aus Nebel,
Der leuchtende Liebling
Des Himmels⸗Herr'n:
Der ſchimmernd ſchöne,
Der kühne König.
Ihm öffnen ſich alle
Die Thürme, die Thore,
Die Hallen und Herzen:
Ihm weicht, überwunden,
Wuth, Winter und Weh.“
Auf den Wink von des Königs Hand trat Stille ein.
Aber dieſen erwarteten Augenblick nutzte Cethegus.
Er trieb ſeinen Rappen vorwärts in vie Volksmenge
und rief:
448
„Was willft du, Gothe, in diefer meiner Stadt?”
Nad einem lodernden Blid wandte fid) Totila von
thm ab:
„Mit hm ved’ id nur mehr mit dem Schwert, dem
ſechsfachen Lügner, dem Mörder!
Bu dir ſprech' ich, unſeliges, bethörtes Vol! von Ftom.
Der Schmerz um euch zerreißt mein Herz.
Sd fam, ener Elend gu enden.
Obne Waffen bin ich gefonmmen.
Denn beffer als Schwert und Schild ſchützt mich des
Rimervolfes Ehre.“ |
Gr hielt inne.
Cethegus unterbradh ihn nicht mebr.
„Quiriten, wohl habt iby felbft erfannt: längſt
fonnt id mit meinen Tauſenden euere Mauern ſtürmen.
Denn ihr habt nur nod Steine, feine Manner
mebr darauf.
Uber fiel Rom durch Sturm, ging Rom in Flam-
men auf.
Und id) gefteh’s: lieber will ich niemals Bom be
treten al8 Rom jerftdren.
Ich will end) nicht vorhalten, wie ihr Theoderichs und
der Gothen Gitte vergolten.
Habt ihr die Tage vergeffen, da ihr danfbar Münzen
ſchlugt mit der Umfchrift: „Roma feliz?
Wahrlich, ihr feid genug geftraft.
Schwerer geftraft durch Hunger und Peſt und Bys
gang und jenen Damon als euch jemals unſere ftrengfte
Strafe getroffen hatte.
449
Mehr als adjttaufend Männer von euch, Weiber
und Kinder ungezählt, find erlegen. ,
Eure verddeten Häuſer ſtürzen ein.
Gierig rafft ihr das Gras, das in euren Tempeln
wächſt.
Hohläugig ſchleicht durch eure Gaſſen die Verzweiflung.
Menſchenfleiſch, der eignen Kinder Fleiſch, haben
hungernde Mütter, römiſche Mütter verſpeiſt.
Und bis heute konnte man euren Widerſtand be—
klagen, aber bewundern.
Von heut' ab iſt er Wahnſinn.
Eure letzte Hoffnung war Beliſar.
Wohlan: Beliſar iſt heimgefahren von Sicilien nach
Byzanz.
Er giebt euch auf.“
Cethegus ließ die Trompeten ſchmettern, das Geheul
des Volkes zu übertönen.
Lang vergeblich.
Endlich drangen die ehernen Tubaſtimmen durch.
Als es ſtiller ward, rief der Präfect:
„Gelogen!
Glaubt nicht fo plumper Lüge!“
„Haben euch je die Gothen, hab' ich euch je gelogen,
iby Römer?
Aber nur euren eignen Augen und Ohren ſollt ihr
glauben.
Vowrwärts mit dir, Mann: nun ſprich.
Rennt iby ihn 2"
Dahn, Cin Kampf um Rom. III. 29
450
Cin Byjantiner, in reider Rilftung, ward von den
gothifdjen Reitern vorgefithrt.
„Konon!“
„Beliſars Nauarch!“
voit kennen ibn!" rief die Menge.
Cethegus aber erbleichte.
„Ihr Männer von Rom,“ ſprach der Byzantiner,
»Belifar, ver Magiſter Militum, hat mid) an den König
Totila gefdidt.
Heute traf ich ein.
Belifar mute von Sicilien nad) Byzanz zurück.
Er hat ſcheidend Bom und Italien der befannten
Güte König Tottla’s empfoblen.
Das mein Auftrag an ihn und an end.”
„Wohlan,“ fiel Cethegus dröhnend ein, „und ift ed
fo: dann ift der Zag gefommen, gu zeigen, ob ihr Ris
mer feid oder Baſtarde.
Hort e8 und wit es wohl!
Cethegus ver Prafect ergiebt fic und fein Rom nie,
niemals den Barbaren.
O, gedentt der Zeiten nur nod einmal, da id
euch Wes war.
Da thy meinen Namen neben Shrine, por den
Heiligen genannt.
Wer hat end) Jahre lang Arbei, Brot, und —
was mehr iſt — Waffen gegeben?
Wer hat euch geſchirmt — Beliſar oder Cethegus?
— als dieſer Barbaren fünfzehn Myriaden vor euren
Wällen lagen?
461
Wer hat Rom mit ſeinem Herzblut gerettet vor
König Witichis?
Wohlan, zum letzten Male ruf ich euch zum Kampf.
Hört mich, ihr Enkel des Camillus.
Wie er die Gallier, die ſchon die Stadt gewonnen,
vom Capitol herab hinweg gefegt, mit der Kraft des
römiſchen Schwertes, ſo will ich dieſe Gothen hinweg
fegen.
Schart euch um mich! Zum Ausfall!
Und erprobt, was Römerkraft vermag, wenn ſie
Cethegus führt und die Verzweiflung.
Wäaͤhlt!“
a wählt!“ rief Totila, ſich hod) erhebend in den
Bügeln.
„Wählt zwiſchen ſichrem Untergang und ſichrer
Freiheit.
Folgt ihr noch einmal dieſem Wahnwitzigen, kann
ich euch nicht mehr ſchützen.
Hört hier Graf Teja von Tarent zu meiner Rechten.
Ihr kennt ihn, denk' ich.
Ich kann euch nicht länger ſchützen.“
„Nein,“ rief Teja, das mächtige Schlacht-Beil er⸗
hebend, „dann keine allzugnädige Gnade mehr, bei'm Gott
des Haſſes.
Verwerft ihr dieſe allerletzte Gunſt: kein Leben wird
verſchont in dieſen Mauern.
Ich hab's geſchworen und Tauſende mit mir!“
„Ich biete euch volles Vergeſſen eurer Schuld und
will euch ein milder König ſein.
29*
452
Fragt in Meapolis, ob ich's verftebe.
Wählt awifden mir und dem PBrafecten.“
„Heil König Totila!
Zum Tode den Präfecten!“ ſcholl es einſtimmig in
der Runde.
Und, wie auf ein gegebenes Zeichen, warfen ſich die
Weiber und Kinder, mit erhobenen Händen, wie anbetend,
auf die Kniee vor dem König, während alle die Tauſende
von Bewaffneten drohend, fluchend ihre Speere und
Schwerter wider den Präfecten erhoben und mancher
Wurfſpieß gegen ihn flog: — es waren die Waffen, die
er ihnen ſelbſt geſchenkt.
„Hunde ſind es!
Nicht Römer!“
So ſprach Cethegus im tiefſten Zornesdrang und riß
ſein Roß herum.
„Auf's Capitol!“
Und in gewaltigem Satz, hochausgreifend, ſprang ſein
edler Rappe über die Reihe der knienden, kreiſchenden
Frauen hinweg, durch den Hagel von Geſchoſſen, welche
ihm jetzt die Römer nachſchleuderten, die wenigen Bee
herzten niederreitend, welche mit Lanzen ihm den Weg
verrennen wollten.
Bald war ſein rother Helmbuſch verſchwunden.
Sauſend folgten ihm ſeine Reiter.
Die Lanzenträger wichen langſam, in guter Ordnung,
manchmal wendend und die Speere fallend.
So erreichten fie die hohe Schanze, welche, beſetzt
453
bon Mtarens Licinius, den Aufgang auf das Capitol und
den Weg gu des Prafecten Hauſe fperrte. —
„Was zunächſt? Sollen wir folgen?“ fragten die
Römer den Konig.
„Nein! Halt!
Alle Thore reißt auf.
Wagen mit Brot und Fleiſch und Wein ſtehen bereit
in unſern Lagern.
Dieſe fahrt in alle Regionen der Stadt.
Speiſet und tränket drei Tage lang das Volk von Rom.
Meine Gothen überwachen und verhüten das Unmaß.“
„Und der Präfect?“ fragte Herzog Guntharis.
„Cethegus Cäſarius, ver Ex⸗Präfect von Mom, wird
dem Gott ver Rade nicht entgehn!“ rief Totila fid
wendend.
„Und nicht mir!“ rief der Hirtenknabe.
„Und nicht mir!" ſprach Leja, und fprengte davon.
Behntes Capitel.
Die meiften Regionen von Wom waren vurd die
Entfdheibung auf dem Forum romanum in die Hand
ber Gothen gefallen.
Was Cethegus nod) befewt hielt, war nur der Stadt
theil auf dem rechten Tiberufer vom Grabmal Hadrians
im Norden bis yur Porta portuenfis im Silden, bet
welder ither den Fluß der Riegel oon Maſten und
dahinter ein zweiter von ftraffgefpannten Setten ge⸗
zogen war.
Auf dent linken Tiberufer hatte ver Präfect nur
nod) Den fleinen, aber beherrſchenden Abſchnitt weftlid) vom
Forum romanum inne, deffen Mittelpunkt das Capitol
bildete: abgegrenst durch Mauern und hohe Schanzen,
weldje fic) von bem Tiberufer an den Fug des capitos
linifden Hiigels und um Ddiefen öſtlich her bis an das
Forum Trajans im Norden erftredten. während fle im
Rücken, im Weften ves Capitols, zwiſchen dem Cirens
flaminius und dem Theater deS Marcellus, jenen preis⸗
gebend, Ddiefed nod einſchließend, bis an die fabricifde
Bride und die Tiberinfel reidten.
455
Der Reſt des Tages verging den befreiten Römern
in der Stadt mit jubelnden Felten bei Schmaus und
Gelag. .
Auf ven Hauptplagen ver ihm geiffneten Regionen
ließ der Rinig de achtzig vierfpannigen Wagen voller
Borraithe auffabren.
Und um fie ber lagerte fic) auf den Steinen und
raſch gezimmerten Banfen das bungernde Voll, Gott,
ven Heiligen und vem ,beften König“ danfend.
Der Prafect hatte fofort bie Thore, welche won
jenem gothifd gewordnen Theil ver Stadt durch rie
Mauern⸗ und Sdangenrethen in fein Rom fiihrten, zu—
mal die Ruginge vom Forum romanum jum Capitol,
dann die porta flumentana, carmentalis und ratumena,
forgfaltig verrammeln laſſen und die geringe, ihm vers
bltebene Mtannfdaft mit rafdem Feldherrnblid auf die
widtigften Puncte verthetlt: war es dod) ungefabr der-
felbe Theil won Rom, den er ſchon früher, unter unr
gegen Belifar, befegt gehalten - hatte.
„Salvius Julianus erhalt nod) hundert Sfaurier fiir
pen Balten-Riegel im Flug!
Die abasgiſchen Pfeilfdiigen etlen yu Pifo an den
lug an dem Kettenriegel.
Marcus Licinius bleibt an der Sdanje beim Forum."
Aber da meloete Lucius Licinius, ver Reſt ver Lez
gionare, welder an der CEntfdeioung auf dem Forum
romanum nidt hatte theilnehmen können, weil er da-
malg in bem nun abgefperrten Theil der Start auf
Wache fland, werde ſehr fdrwierig.
456
„Ah,“ rief Gethequs, der Dunft ver Braten, wm
welde ihre BVettern ba unten die römiſche Ehre vers
fauft haben, fteigt ihnen figelnd in die Naſen.
Od fomme.”
Und er ritt auf’s Capitol, wo diefe Legionare, etwa
fiinfhundert Dtann, in Reih und Glied aufgeftellt, in
finftrer, drobender Haltung ftanden.
Langfam, prilfenden Auges ritt Cethegus die Front
entlang.
Endlich fprad er:
„Euch wollte id) den Ruhm zuwenden, die Laren
und Penaten ves Capitols gegen die Barbaren gu vers
theidigen.
Ich hörte gwar: ihr gieht die Rinderkeulen da
unten vor.
Aber id) will’s nicht glauben von end.
Shr werdet den Mann nidt verlaffen, der end
nad) Sabrhunbderten wieder fampfen und fliegen gee
lebrt bat.
Wer's mit Cethegus halt und mit vem Capitol —
dev bebe das Schwert.“
Aber feiner rithrte fid.
„Der Hunger ift ein ftartrer Gott, als der capitos
liniſche Jupiter,” fagte ex verächtlich.
Da trat ein Genturio vor.
„Es ift nidt ras, PBrafect von Rom.
Aber wir wollen nicht fedjten gegen unfre Vater
unt Briider, welde nun auf Geite ver Gothen ſtehen.“
457
„Als Geifeln follte id) euch bebalten für eure Bater
und Brüder.
Und ihnen, wenn fie ftiirmen, eure Köpfe entgegen
werfen.
Wber ich beforge: es hielte fie nidt auf in ihrer
Begeifterung, die aus dem Magen kömmt.
Geht! ihr feid nidt wiirdig, Rom zu retten!
Auf, Lieinius, mit dem Thor!
Lak fie bem Capitol den Ritden wenden — und
ver Ehre!“
Und die Legionare zogen ab: bi8 auf etwa hundert
Mann, die unſchlüſſig ftehen blieben, an ihre Speere
gelehnt.
„Nun? was wollt ihr noch hier?“ rief Cethegus,
dicht an ſie heran reitend.
„Sterben mit dir, Präfect von Rom!" rief Einer.
Und die Andern widerholten:
„Sterben mit dir!“
wy danke euch!
Siehſt du, Licinius, hundert Römer!
Sind ſie nicht genug, um neu ein Römerreich zu
gründen?
Euch geb' id) den Ehrenplatz: ihr ſchirmt vie Schanze,
bie ich mit Julius Cafars Namen geſchmückt.“
Er fprang vom Pferd, warf die Biigel Syphax ju,
rief feine Tribunen näher an fid) eran und fprad:
„Nun hört meinen Plan!“
„Du haft ſchon deinen Plan?
wa, wit greifen an!
488
Wie ich die Barbaren kenne, ſind wir heute Nacht
vor jedem Angriff ſicher.
Sie haben eine Stadt gewonnen zu drei Vierteln.
Dieſer Sieg muß erſt in hunderttauſend Räuſchen
gefeiert werden, ehe ſie an das letzte Viertel denken.
Um Mitternacht wird vas ganze Heer von gold:
lodigen Helden und Säufern in Subel, Wein und Schlaf
begraben fein.
Und die bungrigen Ouiriten da unten werben ihnen
heute nidt nachſtehen an Völlerei.
Seht, wie fie ſchmauſen und fpringen, mit Kränzen
geſchmückt.
Und nur ein kleiner Theil ver Barbaren erſt iſt in
die Stadt gerückt.
Das iſt unſre Siegeshoffnung!
Um Mitternacht brechen wir aus allen unſern Thoren
auf ſie nieder — ſie verſehen ſich keines Angriffs ſolcher
Minderzahl — und ſchlachten ſie im Schlaf.“
Dein Plan iſt todeskühn,“ ſprach Lucius Licinius.
„Doch wenn wir fallen — das Capitol wird unſer
Leichenſtein.“
„Du lernſt von mir," lächelte Cethegus: — ‚die
Worte, wie die Streiche.
Mein Plan iſt verzweifelt.
Aber er iſt der einzig mögliche.
Jetzt — die Wachen ſind beſtellt? — gehe ich in
mein Haus und ſchlafe zwei Stunden.
Niemand wecke mich vorher.
Nach zwei Stunden weckt mid."
459
„Du kannſt jest ſchlafen, Feldherr?“
„Ja, id) mug.
Und id) hoffe: id) ſchlafe gut.
Ich muß mid, wadend und fdlafend, in mir felbft
verfammeln — nad dem id das Forum romanum dem
Varbarentinig gerdumt.
Das war yu viel!
Das heiſcht Crholung!
Syphax, id) frug ſchon geftern: ift fem Wein mehr
aufgutretben , rechts vom Liber?"
„Ich forfdte, Herr:
Nur in den Tempeln eures Gottes.
Aber er ift, fo fagten eure Hrieſter, bereits geweiht,
beſtimmt zum Wunder des Altars.“
„Das wird ihn nicht verdorben haben.
Nehmt ihn den Prieſtern fort.
Vertheilt ihn unter die hundert Römer auf der
Schanze des Cäſar.
Es iſt der einzige Dank, der mir zu ſpenden ge⸗
blieben.“
Und langſam ritt er, gefolgt von Syphax, ſeinem
Hauſe zu.
Bor dem Haupteingang hielt er an: auf Syphar
Ruf erfdien ver Roßwärter Thrax.
Cethegus fprang ab und klopfte des edeln Rappen
Bug. |
Der nadfte Ritt wird fdarf, mein Pluto, ob zum
Sieg over in die Flucht.
460
Gebt ihm vas weife Brod, das fir mid gefpart
ward."
Das Pferd ward in die Stale neben dem Haupt⸗
gebaude abgefithrt.
Die Mtarmorraufen waren leer.
Pluto theilte den weiten Stall nur nod) mit des
Syphax Braunen.
Alle andern Roffe des Prafecten waren gefdladhtet
und von den Söldnern verzehrt.
Durd das pradtvolle Veftibulum und Atrium ſchritt
ver Hausherr in die Vibliothel.
Der alte Oftiariug und Schreibſtlave Fidus, der
ven Speer nicht mehr tragen fonnte, war der einjige
Diener im Haufe.
Wie andern Sflaven und Freigelaffnen lagen anf
ven Wallen — lebend oder todt.
„Reiche mir die Molle mit vem Cafar Plutardhs!
Und den grogen, mit Amethyften befegten Becher —
freilid) wird’s faum des Zaubers ber Steine beditrfen!
— voll Waffer aus dem Springbrunnen.“
Nod) weilte der Prafect in vem Bücherſal.
Den Randelaber, mit köſtlichem Nardenöl gefüllt,
hatte der Alte, wie in den Tagen des Friedens, ents
zündet.
Cethegus warf einen langen Blick auf die Büſten,
Hermen, kleinen Statuen, deren dunkle Schatten das
Licht ſcharf auf den Eſtrich von koſtbaren Moſaiken legte.
Da prangten ſie faſt Alle, die Helden Roms in Krieg
461
und Frieden, in fleinen Marmorbiiften auf Godeln und
Fußgeſtellen mit kurzen Undeutungen der Namen.
Bon den mythifden Rinigen an dard die lange
Reihe ver Gonfuln und Gafaren bis auf Trajan, Ha:
brian und Gonftantin.
Gine befondere dicht gedvangte Gruppe bildeten ie
eignen Ahnen der ‚Cethegi“.
Sdon war vas leere Poftament an die Wand ges
feftigt, welches dereinft fetne Biifte aufmehmen follte.
vie letzte an dtefer Seite des Gales.
Denn er war der Lebte feines Stammes.
Uber gur Linken zeigte fid) noc, zur Fortfesung bes
ftimmt, ein ganjer Bogengang mit leeren Nifden.
Nicht Che, aber Adoption follte ves Cethegus Namen
weiter fithren in glangendere Sabrhunderte. —
Zu feinem CErftaunen fah ex, an der Reihe der
Biiften langfam, gedanfenvoll vorüber fdreitend, auf dem
leeren Godéel, der dereinſt feine Büſte aufnehmen follte,
ein foldes Bruftbild heute ftehen.
a8 bedentet das?" fragte er.
wpebe die Lampe hieher, Alter.
Welche Biifte fteht an meinem Plas 2"
woergieb, o Herr!
Das Poftament des Einen, da oben, von den gan;
Ulten, muß reparirt werden.
Sd mufte es abnehmen.
Und da hob ich die Bitfte, damit fie einftweilen
nidt gu Schaden fomme, auf diefen leeren Godel."
Leuchte!
462
Nod höher!
Wer mag e8 fein?"
Und Gethegus {a8 auf ver Bitfte vie kurzen Worte:
„Tarquinius Superbus, Tyrann von Rom, ftarb,
wegen unertraglidber Gewalt von ven Bürgern vertrieben,
ferne ber Stadt im Gril.
Bur Warnung fpaterer Gefdledter.”
Cethegus felbft hatte — in jeiner Sugend — diefe
Inſchrift verfagt und unter die Büſte ſetzen laffen.
Rafd hob er nun den Ptarmorfopf berab und ftellte
thn abfeit nieder.
„Fort mit dem Omen,” fprad) er.
Sn ernfter Vertiefung trat er in das Studir⸗Gemach.
Helm, Schild und Schwert lehnte er an das Lager.
Der Sflave entgiindete die auf vem Schildplatt⸗Tiſch
ftehende Lampe, bradjte den Becher und vas verlangte
Bud) und ging. ° ,
Ceihegus ergriff vie Rolle. —
Aber er legte fie wieder weg.
Die Crgwingung der Rube verfagte ihm diesmal
Dod). |
Gie war zu unnatiirlid.
Auf rent r8mifden Forum tranten die Quiriten nit
pen Barbaren auf vas Heil ves Gothentinigs, auf den
Untergang des Brafecten von Rom, des princeps Ses
natus !
Sn zwei Stunden wollte er den Verſuch wagen, Rom
den Germanen 3u entreifen.
Gr fonnte nidt vie kurze Paufe mit Widerholung
a
463
einer Btographie ausfüllen, welde er halb auswendig
wufte.
Gr trank heißdurſtig Waffer aus vem Beder
Dann warf er ſich auf das Lager.
War es en Omen?” fragte er ſich.
„Aber es giebt fein Omen für den, der nidt daran
glaubt.
„Ein Wahrzeichen nur gilt: fir vie Erde ver Heimat
zu kämpfen.“
Sagt Homer.
Freilich, Cethegus kämpft nicht nur für die Erde
der Heimat.
Gr kämpft faſt nod) mehr für ſich.
Aber, hat es nicht dieſer Tag beſchämend gezeigt?
Rom iſt Cethegus: und Cethegus iſt Rom.
Nicht jene Namen⸗vergeßnen Römer.
Rom iſt heute nod viel mehr Cethegus als — das
mals Rom Gafar gewefen.
War er nidt aud ein Tyrann im Sinne ver Dhoren 2"
Und er fprang unrubig wieder auf und trat an die
Goloffalftatue des großen Whnberrn heran.
„Göttlicher Julius, fInnte id) beter: — heute witrd’
id) beten — beten gu div.
Gilf, vollende veines Enfels Wert!
Wie ſchwer, wie blutig, wie hart hab’ id) gerungen
feit jenem Zage, da mir guerft aus deinem Marmor⸗
haupt der Gedanke ver Erneuerung deines Pom ents
gegen fprang: fertig, in Waffen klirrend, wie Pallas
Athene aus dem Haupte des Reus!
458
Wie id) vie Barbaren fenne, find wir heute Nacht
por jedem Angriff ficer.
Gie haben eine Stadt gewonnen ju dret Vierteln.
Diefer Sieg muß erft in Hunderttaufend Räuſchen
gefeiert werden, ebe fie an das legte Biertel denken.
Um Mitternacht wird vas ganze Heer von gold:
fodigen Helden und Säufern in Subel, Wem und Schlaf
begraben fein.
Und die bungrigen Ouiriten da unten werben ihnen
heute nidt nachſtehen an Völlerei.
Seht, wie fie ſchmauſen und fpringen, mit Kränzen
geſchmückt.
Und nur ein kleiner Theil der Barbaren erſt iſt in
die Stadt gerückt.
Das iſt unſre Siegeshoffnung!
Um Mitternacht brechen wir aus allen unſern Thoren
auf ſie nieder — ſie verſehen ſich keines Angriffs ſolcher
Minderzahl — und ſchlachten ſie im Schlaf.“
„Dein Plan iſt todeskühn,“ ſprach Lucius Licinius.
„Doch wenn wir fallen — das Capitol wird unſer
Leichenſtein.“
„Du lernſt von mir," lächelte Cethegus: — die
Worte, wie die Streiche.
Mein Plan iſt verzweifelt.
Aber er iſt der einzig mögliche.
Jetzt — die Wachen ſind beſtellt? — gehe ich in
mein Haus und ſchlafe zwei Stunden.
Niemand wecke mich vorher.
Nach zwei Stunden weckt mich.“
459
edu fannft jest ſchlafen, Feldherr?“
a, id) mug.
Und ich hoffe: id) ſchlafe gut.
Ich muß mid, wachend und fdlafend, in mir felbft
verfammeln — nad) dem id) das Forum romanum vem
Sarbarentinig geraumt.
Das war zu viel!
Das heiſcht Crholung!
Syphar, id) frug ſchon geftern: ift fem Wein mehr
aufzutreiben, rechts vom Liber 2“
„Ich forfdte, Serr:
Nur in den Tempeln eures Gottes.
Uber er ift, fo fagten eure Hrieſter, bereits geweiht,
beſtimmt zum Wunder des Altars.“
„Das wird ihn nicht verdorben haben.
Nehmt ihn den Prieſtern fort.
Vertheilt ihn unter die hundert Romer auf der
Schanze des Cafar.
Es ift ver eingige Danf, der mir gu fpenden ges
blieben .“
Und langfam ritt er, gefolgt von Syphax, fetnem
Haufe gu. |
Vor vem Haupteingang hielt er an: auf Syphay
Ruf erfdien ver Rokwarter Thrax.
Sethegus fprang ab und klopfte des edeln Rappen
Bug.
Der nächſte Ritt wird fdarf, mein Pluto, ob gum
Gieg oder in die Flucht.
460
Gebt ihm das weiße Brod, das fiir mich gefpart
yard.”
Das Pferd ward in die Stille neben dem Haupt:
gebaude abgefithrt.
Die Dtarmorraufen waren leer.
Pluto theilte den weiten Stall nur nod mit des
Syphax Braunen.
Ale andern Roſſe ves Prafecten waren geſchlachtet
und von den Söldnern verzehrt.
Durd das pradtvolle Veftibulum und Atrium ſchritt
ver Hausherr in vie Bibliothek.
Der alte Oftiariug und Schreibſtlave Fidus, der
ven Speer nicht mehr tragen fonnte, war der einjige
Diener im Haufe.
We andern Sflaven und Freigelaffuen lagen auf
ven Wallen — lebend oder todt.
„Reiche mir die Rolle mit vem Cäſar Plutardhs!
Und den grogen, mit Amethyften befesten Becher —
freilich wird's faum des Zaubers der Steine beditrfen!
— voll Waffer ans dem Springbrunnen.“
Nod weilte der Prafect in vem Bücherſal.
Den Kandelaber, mit köſtlichem Nardendl gefüllt,
hatte der Wlte, wie in den Tagen des Friedens, ents
zündet. |
Cethegus warf einen langen Blick auf die Bilften,
Hermen, einen Statuen, deren dune Schatten dads
Lit ſcharf anf den Eftrid) von foftbaren Moſaiken legte.
Da prangten fie faft Alle, vie Helden Roms in Krieg
461
und Frieden, in fleinen Marmorbiiften auf Godeln und
Fußgeſtellen mit kurzen Andeutungen der Namen.
Bon den mythiſchen Rinigen an dard die lange
Reihe der Confuln und Cäſaren bis auf Trajan, Ha:
brian und Gonftantin.
Gine befondere dicht gedrängte Gruppe bildeten die
eignen Ahnen der ,,Cethegi’.
Schon war vas leere Poftament an die Wand ge-
feftigt, welches dereinft fetne Büſte aufmehmen follte.
vie letzte an dieſer Seite bes Gales.
Denn er war der Lewte feines Stammes.
Uber gur Linken zeigte fic) nod, zur Fortfesung bes
ftimmt, ein ganzer Bogengang mit leeren Niſchen.
Nicht Che, aber Adoption follte des Gethegus Namen
weiter führen in glangendere Jahrhunderte. —
Zu femem Crftaunen fah ex, an dev Reihe ver
Biiften langfam, gedanfenvoll vorüber ſchreitend, auf dem
leeren Godel, ver dereinft feine Büſte aufnehmen follte,
ein ſolches Bruſtbild heute ftehen.
tas bebdentet das?" fragte er.
wpebe die Lampe bieher, Alter.
Welche Biifte fteht an meinem Blah 2"
Vergieb, o Herr!
Das Poftament des Einen, da oben, von den ganz
Ulten, muß reparirt werden.
Ich mute es abnebmen.
Und va bob id) die Bitfte, damit fie einftweilen
night zu Schaden fomme, auf diefen leeren Godel.”
Leuchte!
462
Nod haber!
Wer mag eB ſein?“
Und Cethegus las anf der Bilfte vie kurzen Worte:
„Tarquinius Superbus, Tyrann von Rom, ftarb,
wegen unertraglider Gewalt von den Bürgern vertrieben,
ferne der Stadt im Gril.
Bur BWarnung fpiterer Gefdledter."
Gethegus felbft hatte — in feiner Jugend — bdiefe
Inſchrift verfaßt und unter die Büſte fegen flaffen.
Rafd hob er nun den Marmorfopf herab und ftellte
thn abfeit nteder.
„Fort mit Dem Omen," fprad er.
In ernfter Vertiefung trat er in das Studir-Gemad.
Helm, Schild und Schwert lehnte er an das Lager.
Der Slave entziindete die anf vem Schildplatt⸗Tiſch
ftehende Lampe, bradjte den Becher und vas verlangte
Bud und ging. ° ,
Ceihegus ergriff die Rolle. —
Aber er legte fie wieder weg.
Die Erywingung ver Rube verfagte ihm diesmal
pod).
Gie war zu unnatiirlid.
Auf Dem römiſchen Forum tranfen die Quiriten mit
pen Barbaren auf das Heil des Gothentinigs, anf den
Untergang ves Prafecten von Rom, des princeps See
natus !
In zwei Stunden wollte er den Verfud) wagen, Rom
den Germanen zu entreifen.
Gr fonnte nicht vie kurze Panfe mit Widerholung
a
463
einer Biographie ausfüllen, welde er halb auswendig
wußte.
Er trank heißdurſtig Waſſer aus dem Becher
Dann warf er ſich auf das Lager.
„War es ein Omen?“ fragte er ſich.
„Aber es giebt kein Omen für den, der nicht daran
glaubt.
„Ein Wahrzeichen nur gilt: für die Erde der Heimat
zu kämpfen.“
Sagt Homer.
Freilich, Cethegus kämpft nicht nur für die Erde
der Heimat.
Gr kämpft faſt nod) mehr für fid. -
Aber, hat es nicht dieſer Tag beſchämend gezeigt?
Rom iſt Cethegus: und Cethegus iſt Rom.
Nicht jene Namen⸗vergeßnen Römer.
Rom iſt heute noch viel mehr Cethegus als — da⸗
mals Rom Cäſar geweſen.
War er nicht aud ein Tyrann im Sinne der Thoren?“
Und er fprang unrubig wieder auf und trat an die
Coloffalftatue des großen Whnberrn eran.
„Göttlicher Julius, finnte id) beten: — heute würd'
id) beten — beten ju dir.
Gilf, vollende deines Enkels Werk!
Wie ſchwer, wie blutig, wie hart hab’ ich gerungen
feit jenem Lage, da mir guerft aus deinem Marmor⸗
haupt ver Gedante der ~Erneuerung deines Pom ents
gegen fprang: fertig, in Waffen flirrend, wie Pallas
Athene aus dem Haupte des Bens!
464
Wie hab’ ich gefampft mit vem Schwert und rem
mehr ermüdenden Gedanten Tag und Nacht!
Und mar id fiebenmal gu Boden gerungen von ver
Uebermadt zweier Völker, hab’ id) mich fiebenmal wieder
empor gerafft: unbezwungen und unverjagt!
Vor einem Bahr fdien mir das Biel fo nabe.
Und jest, bente Nacht, mug id um die lebten
Häuſer Roms, um mein Haus, um mein Leben timpfen
mit dieſem Rnaben im blonden Haar.
Wir’ es venfbar ?
Sollt’ th erliegen müſſen?
Nad fo viel Arbeit?
Nad ſolchen Chaten 2
Vor dem OGliidftern eines Jünglings?
Soll es denn wirklich unmöglich fein, and) fiir deinen
Enkel unerzwingbar, dak ein Mann fein Bolt erfege,
bis er e8 ernenen, bid es ſich felbft erneuen fann?
Daß ein Mtann der Barbarene und der Grieden- Welt
objiege ? . :
Soll nicht Cethegus das Rad der Dinge erft halten
und dann rückwärts roflen können?
Muß ich erliegen, weil id allein ftehe, ein Feldherr
ohne Heer, ein Mann ohne Voll an feiner Schulter?
Gol id) weiden müſſen aus deinem, aus meinem
Rom ?
Ich kann e8, id) will es nidt denken!
Hat nicht aud) dein Stern fic) verdunfelt fur; vor
Pharſalus?
465
Und ſchwammſt du nidt blutend, das Leben gn
retten, unter bundert Pfeilen ber den Mil?
Und dod) baft du's vollbradt.
Und jogft tm Triumphe wieder ein in deinem Rom.
Nicht ſchlimmer wird es mir, deinem Enkel, ergebn!
Mein, ic) merde mein Pom nidt verlieren.
Nicht mein Haus, nit dies dein göttergleiches Bild,
pas mir oft, mie den Cbriften ihres Kreuzes Anblid,
Xroft uud Hoffnung gefpendet. |
Und bem gum Wabhrzeidhen — bletbe dir anver-
traut, mas unter deinem Schild am Sicherſten geborgen:
— wo auf Erden ware Sicherheit, wenn nicht bet div?
Gs war eine Stunde der Verzagtheit, ba ich diefe
Geheimniſſe und manden Schatz Syphax gum Vergraben
in Der Erde anvertrauen wollte.
Geht Rom, vies Haus, dies Heiligthum mir ver-
loren, — mögen and dtefe Aufzeichnungen verloren fein.
Und dann — wer wird die-Chiffrenfdrift entgiffern 2
Nein, wie bie Briefe, vas Tagebud, follft pu mir
aud diefe Schätze wahren.“
Und ex zog ein ziemlich grofes Lederfadden, das er
unter dem Banger und der Tunica auf ver Brut gee
tragen, bervor.
Roftbarfte Perlen und edelfte Coelfteine hatte er darin
verborgen.
Dann rührte er an die Feder an den linken Rippen
ver Statue, unterhalh ves Schildrandes.
Und er holte aus der ſchmalen Oeffnung, die fid
aufthat, ein längliches Käſtchen von Elfenbein mit
Dabn, Gin Kampf um Rom. IIL 30
466
funftooll geſchnitzten Geftalten und mit goldenem Ber:
ſchluß, welches allerlei Aufzeichnungen in Heinen Papyros⸗
rollen enthielt.
Er legte das Säckchen in dies Käſtchen.
„Hier, großer Ahnherr: wahre mir Geheimniſſe und
Schätze.
Bei wem ſollten fie ſicher ſein, wenn nicht bet dir? —
Damit ſchloß er wieder die Klappe, welche nun nicht
durch die ſchmalſte Fuge eine Oeffnung verrieth. —
„Unter deinem Schild!
An deinem Herzen!
Bum Pfande, daß id) dir vertraue und meinem
cäſariſchen Olid. —
Daß ich nicht von dir, von Rom abzudrängen bin. —
Wenigſtens nicht auf die Dauer!
Müßte ich ſelbſt weichen, — ich kehre wieder.
Und wer ſucht meine Schätze und meine Gebeint-
niffe bet bem todten Cäſar!
Hüte fie mir.”
Wire das Waſſer in dem Amethyftenteldh ſchwerſter
Wein gewefen, ver Trunk hatte nicht berauſchender ers
regen können als dieſes ringende Gefpradh- halb Selbſt⸗
geſpräch, halb Zwiegeſpräch mit der wie ein Dämon
verehrten Statue.
Die übermenſchliche Anſpannung aller Kräfte des
Geiſtes und des Leibes in den letzten Woden: das flegs
lofe Ringen des heutigen Tages auf dem Forum: der
fofort nach dem Grliegen neu gefafte, faft vergweifelte
Plan: die Spannung, mit der defjen Ausfithrung herbei⸗
467
geſehnt wurde, hatte in dems eiſernen Mann die Er—
regung und zugleich die mühſam bekämpfte Erſchöpfung
auf's Aeußerſte geſteigert.
Er dachte, ſprach und handelte wie im Fieber.
Ermüdet warf er ſich auf's Lager gu Füßen der
Statue.
Und faft im Augenblid befiel ihn Schlaf.
Aber e8 war nidt der Schlaf, wie er ihn nach jeder
Schuldthat, vor jeder drohenden Gefahr bisher gefunden:
bie Frucht feiner gewaltigen, allen Crregungen über—⸗
legenen Natur. )
Unrubig war dieſer Schlaf.
Qualvoll vurd wedfelnde Träume, welche, haftig wie
vie Gedantenfludt des Fieberfranfen, emanbder jagten. —
Endlich fam State m die Gefidte ves Traumenden.
Gr fah vie Gajarftatue, yu deren Füßen er lag,
wadfen und wadfer.
Immer höher ragte das majeſtätiſche Haupt.
Son hatte fie das Dad des Hauſes durchdrungen.
Das Haupt mit vem Lorberkranz verſchwand jenfeit
des Nachtgewölks hod in den Sternen.
„Nimm mid) mit dir!" bat Cethegus.
Aber der Halbgott erwiderte: „Ich ſehe dic) faum
aus meiner Höhe.
Du bift gu fein!
Du fannft mir nicht nadfolgen.”
Da ſchien vem Traumenden plötzlich krachend ein
Donnerſtreich das Dad feines Haufes zu treffen.
Und in fdmetternden Schlägen ficlen die Balfen
30*
468
fiber ihm gufammen, unter den Trümmern dieſes Ge:
maces ibn begrabend.
Wud) vie Cafarftatue fchien zerfdlagen gn ſtürzen —
Nod) immer hallten die Schläge —
Auf fprang Gethegus und fah um fid.
Glftes Capitel.
Mod hallten die dröhnenden Schläge.
Sie waren wirklich — nidt geträumt!
Aber fie ſchmetterten gegen die Thüre feines Hauſes.
Cethegus ergriff Helm und Schwert.
Da flogen Syphar und Lucius Licinius in vas
Gemad.
auf, Feldherr!“
uf, Cethegus!“
„Es können nod nicht zwei Stunven fein.
In zwei Stunden erft wollt’ ich angreifen —*
„Ja, aber die Gothen!
Sie famen uns zuvor!
Sie ſtürmen!“
woerderben itber fie!
Wo ftiirmen fie 2"
Und fdon war Gethegus an der Hausthitre.
„Wo ſtürmt der König?“
wan der Hafenftadt.
Am Strom: Riegel.
Er hat Brander den Flug hinanfgefdidt.
470
Dromonen mit brennenden Chiirmen auf Ded, voll
Harz, Ped) und Schwefel.
Der erfte Riegel, ver Balkenriegel, und alle Sdifje
Dabinter ftehn in Flammen!
Dt
fa)
Salvius Julianus ift vermundet und gefangen.
Da, fieh die Lobe fteigen tm Südoſt.“
„Der Rettenriegel — Halt er noch 2"
Nod halt er!
„Aber wenn er reißt?“ —
„Bin id, wie einmal ſchon, der Riegel Roms!
Vorwärts!“
Syphar führte den ſchnaubenden Rappen vor.
Cethegus ſchwang ſich hinauf.
„Da rechts hinab!
Wo iſt dein Bruder Marcus?“
win der Schanze beim Forum.”
Da ftiefen fie auf Siloner, Bfaurier und Abasgen,
von der Hafenftadt her flüchteten.
„Flieht!“ riefen diefe.
„Rettet den Präfecten!“
„Wo iſt Cethegus?“
„Hier, — um euch zu retten!
Wendet euch!
Zum Fluß!“
Er ſprengte voran: der Flammenſchein der brennen⸗
den Balken und Schiffe bezeichnete das Ziel.
Am Ufer des Fluſſes angelangt, ſprang er vom
Pferd.
471
Syphar barg es forgfaltig in einer leeren Waren-
halle. .
„Fackeln ber! :
In vie Bote!
Dort liegt ein Dugend Heiner Nachen!
Längſt bereitet fiir ſolche Gefahr.
Alle Pfeilſchützen hinein!
Mir nach!
Licinius, du in's zweite Bot.
Rudert bis an die Kette!
Legt euch hart oberhalb an die Kette.
Wer der Kette, den Fluß herauf, nahe kommt, —
ein Hagel von Pfeilen über ihn. -
Sie können ſeitwärts nicht landen unterhalb der
Rette. |
Die thurmbohen Wallmauern geben links und rechts
ſenkrecht in ven Flug.
Sie müſſen hierher, an die Rette!“
Schon atten fid) eingelne kleine Kähne ver Gothen
su nahen verfudt.
Aber die einen wurden vom Feuer ded Balkenriegels
und der Bote ergrifjen.
Andere ſchlugen in vem Gedring, in ver Duntel-
heit, um.
ines, das bis anf halbe Pfeilſchußweite dem furdtbar
befegten Rettenriegel genaht war — trieb wieder fteuer:
los ſtromabwärts: alle Lente der Bemannung warer
ven Pfeilen erlegen ber Wbasgen.
„Seht ihr!
472
Da ſchwimmt ein Schiff ver Todten!
Harret aus!
Nichts ift verloren!
Aber ſchafft Fadeln, Brande herbet.
Entzündet dort die Schiffswerft.
Feuer gegen Feuer!“
„Sieh dorthin, Herr! warnte Syphax, ver nidt
pon feiner Ferſe wid.
Oa, Da ſchwimmt die Entſcheidung heran.“
Es war ein pradtooller Anblid.
Die Gothen Hatten erfannt, daß durch Meine Nachen
die Riegeltette nicht gu überſchreiten war.
Da atten fie von der brennenden Ballenfette mit —
Beilhieben fo viel hinweg gehauen, bak in der Mitte
ves Fluſſes fnapp genitgender Raum fret wurde, zwiſchen
ven brennenden Balten-Enden ein großes, ein Kriegs⸗
ſchiff hindurch zu ftenern.
Aber mit der Kraft der Ruder allein durch die nahen
Flammen langſam ſtromaufwärts dringen, dem Pfeil⸗
regen der Abasgen ausgeſetzt, — das konnte für das große
Schiff nod) ſchlimmer als für den „Nachen der Todten“
enden.
Zaudernd hielten vie Gothen unterhalb ver brennen-
ven Balfen.
Da plötzlich erhob fid) ein ftarfer Südwind, die
Wellen ves Fluffes aufwarts fraufelnn.
„Spürt thr den Hauch?
Das ift ves Siegesgottes Athent.
Dre Segel gehißt!
473
Run folgt mir, meine Gothen,” fo rief eine froh⸗
lodende Stimme.
Die Segel flogen empor und fpannten weit die
Gliigel des gewaltigen Königsſchiffes der Gothen, des
wilden Schwans“.
Und ein prachtvoller Anblick war es nun, als das
mãchtige Fahrzeug, mit aller Leinwand fliegend und von
hundert Ruderern geſchoben, den Strom herauf kam,
von beiden Seiten ſchauerlich beleuchtet durch die brennen⸗
den Balken und Bote der Römer.
Mit ungeſtümer, verderbendrohender Eile trieb das
Schiff ſtromaufwärts.
Zu beiden Seiten des Oberdecks, hoch über dem ge⸗
ſchloſſnen Unterdeck der Ruderknechte, knieten, dicht geſchart,
gothiſche Krieger, die Schilde dicht aneinander gedrängt:
eine eherne Schirmwand wider die Pfeile.
An dem Schiffſchnabel vorn erhob ſich ein rieſiger
Schwan mit hochgewölbten Schwingen.
Zwiſchen dieſen Schwingen aber, auf des Schwanes
Rücken, ſtand König Totila, pas Schwert in ver Rechten.
Vorwärts!“ befabl er.
„Zieht, thy Ruderer!
Mit aller Kraft!
Haltet ench bereit, ihr Gothen.”
Cethegus erfannte die jugendliche hohe Geftalt.
Gr erfannte fdon aud) vie Stimme.
„Laßt das Schiff nur eran.
Gang nabe.
Auf zwanzig Schritt.
474
Dann erft fdtekt.
Noch nicht.
Jetzt.
Jetzt! Pfeile los!“
„Deckt euch, ihr Gothen!“
Ein Hagel von Pfeilen ſchlug gegen das Schiff.
Aber an der Schildburg prallten ſie machtlos ab.
‚Verflucht!“ rief Piſo hinter dem Präfecten.
„Sie wollen die Kette ſprengen durch des Schiffes
Stoß.
Und ſie werden es ſicher, fielen auch alle Mann
auf Led.
Die Ruderer find ja unerreidbar.
Und unverwundbar ift dtefer Südwind.“
„Feuer in die Gegel!
Feuer auf das Schiff!
Branve herbei!“ befahl Cethegus.
Smmer naber raufdte ver drohende Schwan.
Immer näher drohte der verderblide Prall gegen die
ſtraff gefpannte Rette.
Schon erreidjten nun die gefdleuderten Brande das
Schiff.
Giner flog in das Segel ves Fockmaſtes: es brannte
rafd) auf: dann erlofd es.
Cin zweiter — Cethegus hatte ihn felbft geſchleudert |
— ftreifte des Gothenfinigs langes flatterndes Goldhaar.
Neben ihm fiel der Brand nieder.
Gr hatte es nicht bemerft.
478
Da ſprang ein Knabe hinzu, der, ſtatt aller Schutz⸗
und Trutzwaffen, nur einen derben Hirtenſtecken führte.
Mit ven Füßen trat er den Brand aus.
Die andern Brande prallten von ven Schilden in’s
Waffer und verlofden.
Nur acht Schritte nod war ver Vorderſtachel rer
Galeere von der Rette entfernt.
Die Ramer bebten wor dem Anprall.
Da trat Gethegus gang vor, an die Spite feines
Bots, einen ſchweren Wurffpeer erhebend und ſorgfältig
zielend.
„Gebt acht,“ ſagte er.
„Sowie der König der Barbaren ſtürzt — raſch
neue Brande.“
Mie hatte der waffentundige Mann beffer gesielt.
Run nod einmal ven Speer zurück ziehend ſchleuderte
ex ihn mit der ganjen Rraft feines Haffed und ſeines
Arms.
Athemlos harrte feine Umgebung.
Aber der König ſtürzte nicht.
Gr hatte den Rielenden ſcharf erfannt.
Gleichwohl warf ex ven langen, fdmalen Schild
nieder.
Er ſah der Spitze des Speeres entgegen mit zurück—
gehaltner ſchildloſer Linken.
Sauſend kam der Speer geflogen, gerade in der
Höhe, wo aus dem Panzer der nackte Hals ſich hob.
Hart am Leibe erſt fing ihn der König mit der
linken Hand und: — — warf ihn ſofort auf den Werfer
476
suritd: ev traf den Prafecten m den linfen Arm, ober⸗
halb ved Schildes: Cethegus fiel in’8 nie.
Sm gleiden Augenblid traf der StoR ves Schiffes
vie ftraffe Mette.
Sie barft.
Die Rimerbote, die an derfelben gerubt, ſchlugen um,
aud) das bes Cethegus, oder ˖ſchoſſen meiſterlos den Flug
herab.
„Sieg!“ jauchzte Totila.
„Ergebt euch mir, ihr Söldner.“
Cethegus erreichte ſchwimmend, blutend, das linlke
Tiberufer.
Er ſah wie das Gothenſchiff zwei kleine Bote herab
ließ, in deren Eines der König ſprang.
Er ſah, wie eine ganze Flotille leichter gothiſcher
Fahrzeuge, unter dem Schutz der Königsgaleere herauf ge⸗
fegelt, nun ebenfalls vie Reihe der Bote ſeiner Pfeilſchützen
durchbrach und auf beiden Ufern Mannſchaften landete.
Gr fah, wie feine AWbhasgen, fitr den Nahekampf
weber geritftet nod) geftimmt, in Scharen ſich einzelnen
ſchwertſchwingenden Gothen ergaben.
Sr fah, wie von dem Königsſchiff aus nun ein
Pfeilregen vie Vertherdiger des linfen Ufers traf.
Gr fab, mie das kleine Bot des Königs fid vem
Ufer näherte, wo er, waffertriefend, ftand.
Gr hatte ren Helm im Wafjer verloren, den Schild
fallen laſſen, um rafder das Land gu geminnen.
Mit vem Schwert wollte er fic) dem eben landenden
König entgegen werfen.
477
Da fireifte ein Gothenpfeil feinen Hals.
»Setroffen, Haduſwinth,“ jauchzte ein junger Schütze,
woeffer al8 vamals am Dtarmorgrab."
„Brav, Gunthamund.“
Cethegus wantte.
Syphar fing ihn auf. |
Gleichzeitig legte fic eine Hand auf feine Sehulter.
Gr erfannte Mavens Licinius.
du bier!
Wo find deine Krieger?
Todt,“ fagte Marcus.
„Die hundert Römer fielen auf ver Schanze.
Teja, ver ſchreckliche Teja, hat fie geſtürmt.
Die Halfte deiner Dfaurier fiel auf vem Wege nad)
_ dem Capitol. |
Der Reft halt nod vie Pforte des Capitols und
die Halb⸗Schanze vor deinem Hauſe.
Ich fann nidt mebr.
Teja’ Beil orang durd) meinen Schild in die
Tippen.
Leh wohl, o großer Cethegus!
Rette das Capitol.
Aber: fiehe hin.
Teja ift raſch.“ 7
Und Marcus fant gu Boden.
Flammen fdlugen hod) in die Nacht vom capitolint-
fen Berg.
„Hier am Glug tft nichts mebr gu retten,” ſprach
ver Prafect mühſam.
__478
Denn fein Blutverluft war grok und ſchwächte iba
raſch.
Sh rette das Capitol!
Dir, Pifo, befehl' ih den Barbaren⸗Konig.
Du haſt ſchon einen Gothenfinig auf der Sehwelle
Rom's getroffer. .
Triff einen Bmeiten! Und triff ihn tödtlich!
Du, rade deinen Bruder, Lucius.
Folge mix nicht.“
Cethegus warf noch einen grimmigen Blick auf den
König, um deſſen Füße fic) flehend die Abasgen drängten.
Tief ſeufzte er auf.
„Du wankeſt, o Herr?“ frug Syphar ſchmerzlich.
„Rom wankt!“ anwortete Cethegus.
„Auf's Capitol!"
Lucius Licinius drückte ſeinem ſterbenden Bruder
noch einmal die Hand.
a folge ihm dod,” fagte er dann. .
Gr ift wund.”
Während Cethegus, Syphax und Lucius Gicinius i in
Nacht verſchwanden, duckte fid) Pifo hinter die Säule
einer Bafilifa, an welder hart vorbet ver Weg den
Fluß aufwarts fithrte. |
Inzwiſchen hatte ber König die. fidy thm ergebenden
Abasgen ſeinen Gefolgen überwieſen.
Er machte einige Schritte ſtromaufwärts und wies
mit dem Schwert nach den Flammen, die vom Capitol
aufſtiegen.
479 |
Dann. wandte er fig, das Antlig vem Flug und
ben fangfamer landenden Gothen zu gefebrt.
Vorwärts,“ mahnte er. „Eilt.
Es gilt löſchen da oben.
Der Kampf iſt aus.
Nun, ihr Gothen, ſchirmt, erhaltet Rom.
Denn es iſt euer.“
Dieſen Augenblick erſah Piſo.
„Helfer Apollo,“ dachte er, „traf je mein Jambus,
jetzt lag mein Schwert treffen.“
Und hinter der Säule hervor ſprang er mit ge—
zücktem Schwert auf den König, der ihm den Rücken
zuwandte.
Uber wenige Zoll vor des Königs Leib ließ er, laut
aufſchreiend, die Klinge fallen.
Ein derber Stockhieb hatte ſeine Hand gelähmt.
Gleich darauf ſprang ein junger Hirt an ihm empor
und riß ihn nieder.
Der Sieger kniete ihm auf die Bruſt.
„Gieb dich, römiſcher Wolf!“ rief eine helle Knaben⸗
ſtimme.
„Ei Piſo, ver Jambenpoet . .
Gr iſt dein Gefangner, Knabe,“ ſprach der König,
der nun herzugetreten war.
„Und ſoll ſich löſen mit ſchwerem Gold.
Wer aber biſt du. junger Hirt, mein Zügelführer?“
dein Lebensretter ift er, o Herr," fiel rer alte
Haduſwinth ein.
‚„Wir faben den Romer auf dich ſtürzen.
480
Aber wir waren gu welt guriid, dir gu rufen oder
zu elfen.
Dem Knaben danken wir dein Leben.“
© , Wie heißt du, junger Held 2
Adalgoth.“
„Was ſuchſt du bier?”
„Cethegus den Neiding, den Präfecten von Rom!
Wo iſt er, Herr König?
Das fage du mir.
Hieber, auf das Schiff, ward id) gewiefen.
Hier, birt’ ich, werd’ er deinem Anfturm webren.”
„Er war bier.
Gr ift entfloben.
Wohl in fein Haus.“
»LWilft du mit dieſem Steden den Höllenkönig be-
zwingen?“ frug Hadufminth.
ein,” rief Avalgoth, ,nun hab’ id ja etn Schwert.“
Und er hob vom Boden feines Gefangnen Waffe,
ſchwang fie empor und war in Nacht verfdwunden.
Lotila übergab Pifo ven Gothen, die nun in didten
Scharen auf beiden Seiten des Fluſſes gelandet waren.
„Eilt,“ widerholte er.
„Rettet Das Capitol, bas die Römer verbrennen."
Bwilftes Capitel.
Inzwiſchen hatte der Präfect vas Flußufer verlaffer
und den Weg nad vent Capitol eingefdylagen.
Durd vie Porta trigemina gelangte er nad) dem
Forum boarium.
An dem Sanustempel traf er auf ein Volksgedränge,
pas ibn eine Weile aufhielt.
Trog fetner Verwundung war er fo geeilt, dak thm
Licinins und Syphax kaum gu folgen vermochten.
Piderholt hatten fie ihn aus den Augen verloren.
Erſt jest bolten fie thn ein.
Sr wollte nun durd die Porta carmentalts eilen und
fo die Rückſeite des Capitols gewinnen.
Aber er fand e8 fdon dicht von Gothen befet.
Darunter war Wachis.
Der erfanute thn von fern.
„Rache fiir Rauthgundis!" vief er
Cin fdwerer Stein traf ves Präfecten helmlejes
Haupt. -
Er wandte fid) und flob.
Dabhn, Gin Kampf um Rom. IT.
482
Nun erinnerte er fid einer Manerjentung nordöſtlich
pon jenem Thor.
Dort wollte er verfuden, fiber den Wall zu fteigen.
Wis er fic aber dem Mauerrand nährte, ſchlugen
abermals die Flammen auf vem Capitole hod empor.
Drei Manner fprangen thm gegeniiber über Ddie
Manerfentung.
Es waren Sfaurier.
Gie erfannten ihn.
„Flieh', o Herr!
Das ganze Capitol ift verloren!
Der ſchwarze Gothentenfel !“
„Hat er, — hat Leja den Brand geftiftet?”
„Nein: wir felbft zündeten eine Holzſchanze an, Darin
fid) vie Barbaren feftgefest.
Die Gothen löſchen.“
„Die Barbaren retten mein Capitol.”
Bittern Schmerzes voll ſtützte ſich Cethegus auf den
Speer, den ein Soldner dem Wankenden reidte.
„Nun mug id) nod in mein Haus."
Und er wandte fid nad Rechts, anf vem nadften
Weg ven Haupteingang feines Hanfes zu erreichen.
„O Herr, vas ift gefährlich!“ warnte einer der
Söldner.
„Bald werden die Gothen auch dort ſein.
Ich hörte, wie der ſchwarze Gothenfürſt immer nach
dir rief und fragte.
Er ſuchte dich überall auf dem Capitol.
Bald wird er dich in deinem Hauſe fuchen.“
483
„Ich muß nod einmal in mein Haus!"
Aber faum hatte er ein par Schritte vorwärts ges
madt, als eine Scar Gothen, mit Römern gemifd,
mit Fackeln und Brinden, von der Stadt her, ihm ges
rade entgegen fam.
Die Vorder(ten, e8 waren Römer, erfannten ihn.
der Brafect !"
„Der BVerderber Roms !“
„Er hat das Capitol angiinden laſſen!“
„Nieder mit thm!“
Pfeile, Steine, Speere flogen ihm entgegen.
Gin Söldner fiel, zwei entflohn.
Cethegus traf ein Pfeil: er drang ihm nuv leidt in
linke Schulter.
Er riß ihn heraus.
„Ein Römerpfeil! mit meinem Stempel,“ lachte er auf.
Mit Mühe entkam er in's Dunkel der nächſten
ſchmalen Gaſſe.
Vor ſeinem Hauſe lärmte nun der Haufe, vergeblich
bemũht, die mächtige Hauptthüre zu ſprengen.
Ihre Schwerter und Speere reichten dazu nicht aus.
Cethegus vernahm es wohl und die Rufe des Zorns
über das vergebliche Mühen.
„Die Thür iſt feſt!“ ſagte er ſich.
„Bevor fie eindringen, bin ich lange wieder ans dem
Hauſe.“
Durch die enge Seitengaſſe gelangte er an den
Hintereingang ſeines Hauſes, drückte an eine geheime
31*
di
ra)
484
Feder, trat in den Hof, und eilte, die Thüre offen laffend,
in das Gebiude. - |
„Horch!“ da donnerte von dem Hauptthore her em
ganz andres, ein gewaltigeres Schlagen al8 bisher.
„Eine Streitart!" fagte Cethegus.
„Das ift Teja.” ;
Gethegus eilte an eine fdmale Mauerliide, welde
pon dem Eckgemach auf vie Hauptitrage einen Blick ges
wabrte.
G8 war Leja.
Sein ſchwarzes, langes Haay flatterte um das unbes
helmte Haupt.
Sn ver Linken trug er eimen aus dem Feuer des
Capitols gerafften Brand.
Sn der Redjten vas gefitrdtete Schlachtbeil.
Ueber und über war er mit Blut befprigt.
„Cethegus!“ rief er faut bet jedem Schlag feines
Beils wider vie ächzende Hausthür.
„Cornelius Cethegus Cäſarius!
Wo biſt du?
Ich ſuchte did) im Capitol, Präfeet von Rom!
Wo biſt du?
Muß Teja dich an deinem Hausherd ſuchen?“
Da hörte der lauſchende Cethegus eilende Schritte
hinter ſich.
Syphar hatte das Haus erreicht und war durch die
Hinterthür ihm gefolgt.
Er erblickte ſeinen Herrn.
„Flieh', o Herr!
485
Oh vede deine Schwelle mit meinem Leib.”
Und er eilte an ihm voriiber, urd eine Reihe von
Gemadern, an die Hauptthüre.
Cethegus wandte fid) nad rechts.
Raum fonnte er fic) nod aufrecht balten.
Gr erreidte nod den Reusfal.
Hier fant er zuſammen.
Dod augenblidith fprang er wieder anf.
Denn fradend und fdmetternd fdoll es vom Haupt⸗
eingang ber.
Das fefte Thor war endlich eingefdlagen.
Dröhnend fiel e8 nad innen: und Teja betrat das
Haus feines Feindes.
Auf ver Schwelle fprang ihm, aus gedudt fanernder
Stellung auffdnellend wie ein Panther, der Maure
an Den Hals, mit der Linfen feine Gurgel umtrallend,
in der Rechten blitzte das Meſſer.
Aber der Gothe liek vie Wet fallen: ein Rud feiner
Rechten und wie eine fortgefdleuderte Rugel flog der
Angreifer zur Seite, die Thitre hinaus und rollte die
Stufen hinab anf vie Strafe.
„Wo bift bu, Cethegus?“ fdoll nun Teja’s Stimme
naher und näher dringend im Atrium, im Veftibulum.
Ginige Thüren, welde der Schreibſklave Fidus ver:
viegelt hatte, fprengte rafd) fein Beil.
Nur wenige Sdritte trennten die beiden Manner.
Mühſam hatte fic) Cethegus bis in die Mitte des
Beusfals gefdleppt.
Gr hoffte immer nod) vas Schreibgemach erreiden
486
und aus der Cäſarſtatue die anvertrauten Schriften und
Schätze nehmen zu können.
Da krachte nochmals eine geſprengte Thür und
Cethegus hörte Teja's Stimme aus dem Schreibgemach.
„Wo biſt du, Cethegus, Hausherr?“
Athemlos lauſchte Cethegus.
Gr hörte, wie in der Bibliothek ver Teja nach—⸗
dringende Haufe die Whnénbilder und die Büſten zer⸗
ſchlug.
„Wo iſt dein Herr, Alter?“ rief Teja's Stimme.
Der Sklave hatte ſich in das Schreibgemach ge⸗
flüchtet.
„Ich weiß es nicht, bet meiner Seele.“
„Auch bier nicht?
Cethegus, Feigling!
Wo ſteckſt du?“
Da hatte auch vie Menge offenbar vas Schreibgemach
erreicht.
Cethegus vermochte nicht mehr zu ſtehen.
Er lehnte ſich an den marmornen Jupiter.
„Was wird mit dem Hauſe?“
„‚Verbrannt wird es!“ antwortete Leja.
„Der König hat das Brennen verboten,“ mahnte
Thorismuth.
„Ja! dies Haus aber hab ich mir vom König erbeten.
Es wird verbrannt und der Erde gleich gemacht.
Nieder mit dem Tempel des Teufels!
Nieder mit ſeinem AWllerbeiligften -- dem Götzen
hier!“
487
Und ein furdtbarer Schlag erſcholl.
Krachend, ſchmetternd ſtürzte die Cäſarſtatue in vielen
Trümmern anf ven Moſaikboden.
Goldſtücke, Käſtchen, Capſeln rollten umher.
nay, der Barbar!" ſchrie Cethegus außer ſich.
Und Alles vergeſſend wollte er mit dem Schwert in
das Schreibgemach ſtürmen.
Da fiel er bewußtlos auf das Antlitz nieder zu Füßen
der Jupiterſtatue.
„Horch, was war das?” fragte eine Knabenſtimme.
Die Stimme des Prafecten!" rief Leja und rif
vie Thüre anf, welche das Sdreibgemad von bem Reuss
jal trennte.
Mit vem Brande vorleudtend und hod) die Streit.
axt fdwingend fprang er in den Gal.
Aber der Sal war leer.
Cine Blutladhe fag zu den Füßen des Supiter und
eine breite Blutfpur fiibrte von da an dads Fenfter,
weldes in ten Hofraum blidte.
Der Hof war leer.
Nacheilende Gothen aber fanden die Heine Hofpforte
gefdloffen und gwar von Außen.
Der Schlüſſel ftedte auf der Strafenfeite im Schloß.
Als man mit Mtithe nad flanger Arbeit aud) diefe
Thiire gefprengt — gleidettig faſt hatten andre Gothen,
aus dem Haupteingang auf die Strafe und um die
Ecke ves Haufes eilend, die fdmale Seitengaffe erreicht
— und die Gaffe mit deren Gebäuden abfudte, fand
486 _
und aus der Cäſarſtatue die anvertrauten Schriften und
Schätze nehmen gu können.
Da krachte nodmalé eine gefprengte Thür und
Cethegus hirte Teja’s Stimme aus dem Schreibgemach.
„Wo bift pu, Gethegué, Hausherr?“
Athemlos lauſchte Cethegus.
Er hirte, wie in ver Bibliothel der Teja nad
bringende Haufe die Ahnenbilder und die Büſten zer⸗
ſchlug.
„Wo iſt dein Herr, Alter?“ rief Teja's Stimme.
Der Sklave hatte ſich in das Schreibgemach ge⸗
flüchtet.
„Ich weiß es nicht, bei meiner Seele.“
„Auch bier nicht?
Cethegus, Feigling!
Wo ſteckſt vue
Da hatte aud vie Menge offenbar vas Schreibgemach
erreicht.
Cethegus vermochte nicht mehr zu ſtehen.
Er lehnte ſich an den marmornen Jupiter.
„Was wird mit dem Hauſe?“
„Verbrannt wird es!“ antwortete Leja.
„Der König hat das Brennen verboten,“ mahnte
Thorismuth.
„Ja! dies Haus aber hab ich mir vom König erbeten.
Es wird verbrannt und der Erde gleich gemacht.
Nieder mit dem Tempel des Teufels!
Nieder mit ſeinem Allerheiligſen -- dem Götzen
hier!“
487
Und ein furdtbarer Schlag erſcholl.
Krachend, ſchmetternd ſtürzte die Cäſarſtatue in vielen
Trümmern auf den Moſaikboden.
Goldſtücke, Käſtchen, Capſeln rollten umher.
„Ah, ver Barbar!" ſchrie Cethegus außer ſich.
Und Alles vergeſſend wollte er mit dem Schwert in
das Schreibgemach ſtürmen.
Da fiel er bewußtlos auf das Antlitz nieder zu Füßen
der Jupiterſtatue.
Horch, was war vas?" fragte eine Knabenſtimme.
Die Stimme des Prafecten!" rief Teja und rig
bie Thüre auf, welche das Schreibgemach von dem Zeus⸗
jal trennte.
Mit vem Brande vorleudtend und hoch die Streit⸗
axt ſchwingend ſprang er in den Sal.
Aber der Sal war leer.
Eine Blutlache lag zu den Füßen des Jupiter und
eine breite Blutſpur führte von da an das Fenſter,
welches in den Hofraum blickte.
Der Hof war leer.
Nacheilende Gothen aber fanden die kleine Hofpforte
geſchloſſen und zwar von Außen.
Der Schlüſſel ſteckte auf der Straßenſeite im Schloß.
Als man mit Mühe nach langer Arbeit auch dieſe
Thüre geſprengt — gleichzeitig faſt hatten andre Gothen,
aus dem Haupteingang auf die Straße und um die
Ecke des Hauſes eilend, die ſchmale Seitengaſſe erreicht
— und die Gaſſe mit deren Gebäuden abſuchte, fand
488
man nur an der Ede das Schwert des Präfecten, weldes
Tidus, ver Sdhreibfflave, erfannte.
Ginfter blidend nahm es Teja und febrte im das
Schreibgemach zurück.
Xeft Alles ſorgſam auf, was des Priifecten Götzen⸗
ftatue barg.
Hirt ihr, Alles.
Schreibereien zumal und bringt fie dem König —
wo ift der König?“
‚„Aus dem Capitol 30g er mit Römern und Gothen
in das Heiligthum Ganct Peters, dort mit allem Bolf
das Danfkgebet gu fpredjen.” —
„Gut, fudt ihn in der Kirche und bringt ihm Wes.
Dazu ves Entflohnen Sdywert.
Eagt: Leja ſchickt ihm das.”
„Soll geſchehn.
Du aber — gehſt du nicht mit zum König und in
pie Kirche?“
‚„Nein.“
„Wo verbringſt vu die Siegesnacht und ben Dank⸗
gottesdienſt?“
„Auf den Trümmern dieſes Hauſes!“ ſprach Teja.
Und er ſtieß den Brand in die Purpurteppiche des
Lagers.
488
man nur an ber Ede das Schwert des Präfecten, welches
Fidus, der Schreibſtlave, erfannte.
Ginfter blidend nabm es Teja und febrte in das
Schreibgemach zurück.
Left Alles ſorgſam auf, was des Präfecten Götzen⸗
ſtatue barg.
Hört ihr, Alles.
Schreibereien zumal und bringt ſie dem König —
wo iſt der König?“
„Aus dem Capitol zog er mit Römern und Gothen
in das Heiligthum Sanct Peters, dort mit allem Bol
das Dankgebet gu fpredjen.” —
„Gut, fudt ihn in der Rirde und bringt ihm Alles.
Dazu des Entflohnen Schwert.
Sagt: Teja fcidt ihm das."
„Soll gefdebn.
Du aber — gebft du nicht mit gum König und in
vie Kirche?“
‚„Nein.“
„Wo verbringſt du die Siegesnacht und den Dante
gottesdienſt?“
„Auf den Trümmern dieſes Hauſes!“ ſprach Teja.
Und er ſtieß den Brand in die Purpurteppiche des
Lagers.
Sin Kampf um Rom.
— —
Viceter Band.
—
Ein Kampf um Hom.
PPP OP 8*
Hiftorifdher Roman
vor
Jelix Dahn.
Motte:
Wenn etwas ift, gewalt’ger alé dad Schichſal.
Co ih's dex Muth, der'e unerichittert tragt.-
Seibel.
Bierter Band.
Wit zwei Karten.
Siebente Auflage.
— wvꝰD — —
Leipzig,
Druck und Verlag vor Breitkopf und Hartel.
1880.
Ueberfegungsrecht vorbebalten.
Sedstes Bud.
STotila.
Bwette Abthetinng.
„Heil, daß und diefer Sonnen-Fiingling lebt.“
Martgraf Rüdeger von Bedelaren
I. Aufjug, 1. Scene.
Dahn, Ein Kampf um Rom, LV. 1
Sweite Abtheilang.
Grftes Capitel.
Und fortan hielt König Totila Hof gu Rom herrlich
und in Freuden.
Des Krieges fdwerfte Aufgabe fdjien gethan.
Nad dem Falle von Rom sHffneten die meiften Heinen
Feſtungen an der Milfte oder im Gebirg des Apennin
die Thore, nur wenige muften belagert und erobert
werden.
Dazu fandte der Konig feine Feldherrn aus: Teja,
Guntharis, Grippa, Marka, Wligern: während er felbft
zu Rom die fdwere, die ftatsmannifde Wufgabe über⸗
nabm, das durd) langjdbrigen Rrieg und Wufftand gers
riittete Reich gu berubigen, neu gu ordnen, beinabe neu
zu griinden. .
Sn alle Landfdaften und Städte fandte er feine
Herzoge und Grafen, in allen Gebteten ves Staatslebens
des Königs Gedanfen auszuführen: gumal aud) die
| 1*
=
4
Stalier zu ſchützen wider die Rachſucht ver ftegretden
®othen.
Denn er hatte eine allumfaffende Ammeftie vom
Capitol herab verkündet: mit Ausnahme eines eingigen
Hauptes: ves Exrprafecten Cornelius Cethegus Cäſarius.
Neberall ließ er bie zerftdrten Rirden, der Ratho-
lifen wie der Arianer, wieder Herftellen, überall die
Grundbefisverhaltniffe pritfen, die Steuern new vertheilen
und berabfegen.
Die fegensreiden Früchte vtefer Mühen blieben
nidt aus.
Schon feitdem Cotila die Krone aufgefegt und fein erftes
Manifeſt erlaffen, batten vie Stalier in allen Landfdaften
vie lang verfaumte Feldarbeit wieder aufgenommen.
Ueberall waren die gothifden Krieger angewiefen, ſich
jeder Stdrung hierin gu enthalten, Störungen durd die
Byzantiner nad) Kraften abguwebren.
Und eine wunderfame Fruchtbarkeit ber Gefilde, ein
Herbft-Segen an Getreide, Wein und Oel, wie feit
Menfdrenaltern unerhirt, ſchien fidtharlid) die Gnade
bes Himmels fiir den jungen König gu beseugen.
Die Kunde von der Cinnahme von Neapolis wnd
Rom durchflog das ftaunende Abendland, welches bereits
das Gothenreich in Stalien als erlofden betrachtet hatte.
Mit danfbarer Bewunrerung erzählten die Kanflente,
welche ver kräftige Rechtsfdus, vie Sidjerung der Lands
ftragen durch umbergiehende Sajonen und Reitergefdmader,
ver See durch die immer wachſame Flotte der Gothen wieder
in die verddeten Städte und Hafen der Halbinfel 30g, von
‘
5
der Gerechtigkeit und Milde des königlichen Jünglings,
von dem Flor ſeines Reichs, von dem Glanze ſeines
Hofs zu Rom, wo er die aus Flucht und Empörung
zurück kehrenden Senatoren um ſich verſammelte und
dem Vollke reiche Spendungen und ſchimmervolle Circus⸗
feſte gab.
Die Könige der Franken erkannten den Umſchlag ver
Dinge: ſie ſchickten Geſchenke: — Totila wies ſie zurück,
fie ſchickten Geſandte: Totila ließ fie nicht vor.
Der König der Weſtgothen bot ihm offen Waffen⸗
bündniß gegen Byzanz und die Hand ſeiner Tochter;
die avariſchen und ſtlaveniſchen Rauber an der Oſtgrenze
wurden gezüchtigt: mit Ausnahme der wenigen noch be⸗
lagerten Plätze, Ravenna, Peruſium und einigen kleinen
Caſtellen, waltete Friede und Ruhe im ganzen Gothen⸗
reich, wie nur in den goldenſten Tagen von Theoderichs
Regiment.
Dabei verlor aber der König die Weisheit der Mäßigung
nicht.
Er erkannte, trotz ſeiner Siege, die drohende Ueber⸗
iegenheit des oſtrömiſchen Reiches und ſuchte ernſtlich
Friede mit dem Kaiſer.
Er beſchloß, eine Geſandtſchaft nach Byzanz zu ſchicken,
welche den Frieden auf Grund von Anerkennung des
gothiſchen Beſitzſtandes in Italien anbieten follte; auf
Sicilien, wo kein Gothe mehr weilte, — nie waren die
gothiſchen Siedelungen auf dem Eiland zahlreich geweſen
— wollte er verzichten: ebenſo auf die von den Byzan⸗
tinern beſetzten Theile von Dalmatien; dagegen ſollte
6
per Raifer vor Alem Ravenna raumen, weldes feine
Kunſt oder Ausdauer der gothifden Belagerer gu ges
winnen vermodt hatte.
Als ven geeignetiten Trager dtefer Gendung des
Griedens und der Verſöhnung faßte der Konig den Mann
in's Auge, welder durch Anfehen und Würde der Perfon,
durch hohen Ruhm der Weisheit aud im Oſtreich ge-
tragen, durd Liebe yu Stalien und den. Gothen aus⸗
gezeidynet war — den ehrwürdigen Gaffiodor. ©
Obwohl fi ver fromme Greis feit Jahren von ven
Staatsgeſchäften zurück gejogen hatte, gelang e8 der
Beredtfanifeit bes jungen Königs, ihn zu bewegen, fiir
jenen hohen, gottgefalligen Bwed, die Cinfamfeit feiner -
Kloſterſtiftung zu verlafjen und die Mühen und Gefahren
einer Reiſe nach Byzauz zu übernehmen.
Jedoch unmöglich konnte er dem alten Mann die
Laſt einer ſolchen Sendung allein aufbürden: er ſuchte
nad einem jugendkräftigen Gefährten von ähnlicher Milde
chriſtlicher Geſinnung, nach einem zweiten Apoſtel des
Friedens. —
Wenige Wochen nach der Einnahme von Rom, trug
ein königlicher Bote folgendes Schreiben über die cotti⸗
ſchen Alpen in die Provence:
„An Julius Manilius Montanus Totila,
ven fie ver Gothen und Italier König nennen.
Komm, mein geliebter Freund, komm zurück an
meine Brujt!
Sabre find verftriden: viel Blut, viele Thranen fine
7
gefloffen: in Schreck und in Freude hat fic) mebr ald
einmal Wiles um mic ber verwandelt, feit id div gum
legten Mal vie Hand gedritct.
Alles hat ſich verwandelt wm mid ber: aber nidts
in mix, nichts gwifden dir und mir.
Nod verehre id) alle die Götter, an deren Altaren
wit gemeinfam in den erften Lraumen der Jugend ge-
opfert, find aud) diefe Getter mit mir felbft gereift.
Du wideft vom italifden Boden, als Bosheit, Ge-
walt, Verrath, alé alle dunkeln Mächte darauf wiitheten.
Giehe: fie find verfdwunden, hinweg gehaudt, bins
weg gefonnt: fernab ziehen grollend die befiegten Das
monen: ein Regenbogen wölbt ſich ſchimmernd über
rieſem Reich.
Mid aber hat, nachdem beſſere Kräfte glücklos, fieg:
los erlegen, mich hat der Himmel begnadigt, das Ende
des furchtbaren Gewitterſturms zu ſchauen und die Sat
zu ſtreuen einer neuen Zeit.
Komm nun, mein Julius: Hilf mir jene Träume er-
füllen, die du dereinſt als Träume belächelt.
Hilf mix, aus Gothen und Italiern ein neues Miſch—
volt f{djaffex, bas beider Vorzüge vereint, das beider
Fehler ausſchließt.
Hilf mir erbauen ein Reich des Rechts und des
Friedens, der Freiheit und der Schönheit, geadelt durch
italiſche Anmuth, getragen durch germaniſche Kraft.
Du haſt, mein Julius, der Kirche ein Kloſter gebaut:
— hilf mir nun, der Menſchheit einen Tempel bauen.
Einſam bin ich, Freund, auf ver Hohe des Glücks.
8
Einſam harrt tie Braut dev vollen Löſung des Ge⸗
lübdes entgegen.
Den trenen Bruder hat mix ver Krieg geraubt.
Willft vu nicht fommen, mein diosfurifder Bruder?
Sn zwei Monaten warte ih dein im Kloſter zu Tas
ginae mit Baleria."
Und Julius (a8: und mit gerithrter Geele fprad
er nor fid) bin:
„Moin Freund, id komme.“
She König Totila von Rom nad Taginä anforad,
beſchloß er, eine Schuld tiefen Dankes abgutragen, mud
ein Verhältniß witrdig, das heißt ſchön, zu geftalten, das
bisher feiner nad) Harmonie verlahgenden Seele nidt
entfprad : fein Verhältniß yu dem erften Helden feined
Volks, yu Leja.
Tie waren feit frither Knabenzeit befreundet.
Obwohl Teja um mebrere Jabre alter, hatte er
vod) die Liefe des Jüngern unter der glingenden Hille
bes Frohfinns von je erfannt und geebrt.
Und ein gemeinfamer Bug jum Schwungvollen und
Sdealen, ja ein gewiffer Stolz und Hochſinn hatte fie
frith gu etnander gezogen.
Spater freilid) hatte entgegengefegtes Gefdid die
von Anfang verfdhieden angelegten Naturen weit aus-
einander geführt.
9
Die fonnenbelle Art des Cinen war wie blendende
Verlegung grell in das nadtige Dunkel des andern ge-
fallen.
Und Totila hatte in rafder Jugendluſt das Dilfter
des Schweigfamen, das er in feinem Wefen nicht be-
griff, im ſeinen Urfachen nidt fannte, nad) widerbolten
warmen BVerfuden der Umftimmung, als franfhaft von
ſich fern gebalten.
Des miloren Julius, obswar aud ernfte, aber fanftre
Weife, dann die Liebe, hatte ven Freund aus der
Knabenzeit zurückgedrängt.
Aber die letzten reifenden Jahre ſeit ‘dem nadtigen
Blut- und Bruder⸗Bund, die Leiden und Gefabren feit
dem Tod ves Valerius und Miriams, dem Brand von
Neapolis, der Noth vor Rom, vem Frevel yu Ravenna
und Gaftra Nova und zuletzt die Pflichten und Sorgen
des Königthums Hatten den Jüngling, den ungedulbdig
fröhlichen, fo voll gereift, bag er Dem dunklern Freunde
voll geredjt werden fonnte.
Und was hatte diefer Freund geleiftet, feit jener
Bundes⸗Nacht!
Wenn die andern Alle müde erlahmten: Hildebads
Ungeſtüm, Totila's Schwung, Witichis' ruhige Stäte,
ſelbſt des alten Hildebrand eiſige Ruhe — Teja hatte
nie geſeufzt und immer gehandelt, nie gehofft und immer
gewagt.
Bu Regeta, vor Rom, nad Ravenna’s Fall und
wieder vor Rom — was hatte ex nicht geleiſtet! Was
ſchuldete ihm das Reid!
10
Und er nahm keinen Danf.
Wie eine Kranfung hatte er e8 abgewiefen als ihm
ſchon Witichis vie Herzogswürde, Gold und Land bot.
Cinfam, ſchweigend ſchritt er melandolifd durch die
Strafen Roms, im Sonnenfdein von Totila’s Nähe
ver letzte Schatte.
Die ſchwarzen Augen tief gefentt, ftand er gunddft
an des Königs Thron.
Wortlos ſtahl er ſich von des Königs Feſten. —
Nie kamen Rüſtung und Waffen von ſeinem Leibe.
Nur im Kampfe lachte er manchmal, wenn er mit
ven Tod verachtender oder den Tod ſuchender Kühnheit
in die Speere der Byzantiner fprang: dann ſchien ihm
wohl 3u fein: dann war Wes an ihm Leben, Raſchheit
und Feuer.
Man wußte im SGothenvolf, zumal Totila wußte es
noch aus früheſter Jünglingszeit, daß die Gabe des
Geſanges in Ved und Wort dem ſchwermuthvollen Hel⸗
Den eigen war.
Aber feit er aus feiner Gefangenfdaft in Griedens
land zurückgekehrt war, hatte man nie ihn bemegen
können, eines feiner glilhenden, tief verhaltnen Lieder
anzuſtimmen vor Andern: dod) wufte man, daß die
tleine dreieckige Harfe feine Gegleiterin in Krieg und
Frieden war, ungjertrennlid) wie fein Schwert an ihn
gebunden.
Und in der Schlacht im Anſturm hörte man ihn
wohl manchmal wilde abgeriſſene Zeilen ſingen zu dem
Tact der gothiſchen Hörner.
11
Und wer ihn in der Macht befdltch, die er gern tm
Oreien, swifden der Wildniß von weißem Marmor und
punflem Gebüſch, in den römiſchen Ruinen, verbradte,
per modte wohl manchmal eine verlorne Weife feiner
Harfe erlanfden, zu der er trdumerifde Worte fang.
Fragte ihn aber Ciner, — was felten gewagt wurde,
— was ihm feble, fo wandte er fic) ſchweigend ab.
Einmal nad der Cinnahme Roms antwortete er Hers
30g Guntharis auf die gleide Frage: Der Kopf de3
PBrafectern.“
Der Cimige, mit dem er häufiger verfehrte, war
Analgoth, deſſen er fic) in jiingerer Beit angenommen.
Der junge Hirt war vom König zu feinem Herold
und gum Mundſchenk erhöht worden, gum Dank fiir feine
kühnen und rettenden Thaten bet der Erſtürmung des
Tiberufers.
Gr hatte eine ftarfe Anlage gum Gingen und Sagen
mit gebradt, obzwar mit geringer Schulung.
Teja hatte Freude an feiner Gabe gefunden: und
man fagte, er lehre ihn gebeim feine itberlegne Runft,
obwobl fie gu einanver ftimmten wie Nadt und Morgen:
glanz.
„Eben drum,“ hatte Teja geſagt, als ihm ſein
tapfrer Vetter Aligern dies vorhielt.
„Und es muß doch noch was übrig bleiben, wenn
die Nacht verſank.“ —
Der König fühlte: das Einzige was dieſem Mann
zu bieten war, hatte Er zu bieten: aber nicht Gold,
Land und Würden.
12
Cines Ahends — ſchon traten die Sterne aus dem
rafd) dunfelnden Himmel — madte fic) der Konig anf
von dem Abendgelage in femem Palaft, (rem Hans ver
Pincter, in welchem Beliſarius gewohnt hatte,) obne
Begleitung den fdenen Helden gu fuchen in der Wildniß
von Geftein und Lorber, welde die Garten ves Salluft
erfiite und wo Leja, wenn er in Rom war, zu hauſen
pflegte.
Avalgoth, der Mundſchenk, hatte fid) fir ben Abend
Urlaub von des Königs Tafel erbeten: dieſer ervieth,
daß er die Duntelnden Stunden, wie fo oft, bet dem duns
feln Harfenmeifter verbringen werbde.
Der König wußte daher, er werte Teja in fetner
Warten: Wilonig finden.
Wirklich weilten Lehrer und Schiller diefe Nacht
unter dem Schatten uvalter römiſcher Pinien und Cys
prefjen, gothifder Harfenfunft pflegend.
Mun hord einmal, Graf Teja,” hob ver JZüngling
an, ,was id) Da aus deinen neulid) angefangnen Zeilen
weiter erfonnen babe. .
Bet vir ift wieder alles fo traurig!
Das Ende ver hoffnungslofe Sprung in den Stront!
Ich habe pas viel (uftiger gewendet.“
„Wenn's nur aud fo wahr iſt.“
„Ei, wenn's nur ſchön ift! Und wabr! ift denn
nur Das wahr, was traurig ift?"
„Leider: ja." |
„Giebt's feine Freunde in ver Welt?
„O ja! Aber fie wabrt nicht fang.
13
Der Ausgang ift immer — Untergang.”
„Nun, aber dod) oft erft recht fpat.
Und was zwiſchen Aufgang und Untergang liegt —
hat das feinen Werth? |
Iſt's nicht aud ein Gang."
„Ja: es foll fein: Heldengang.“
„Nun, fo höre nur.
Ich habe deinen Aufgang beibehalten: in der Mitte
Trauergang: dann Siegesgang —
Aber deinen Untergang hab' ich weggelaſſen.
Bei dir ſpringen ſie hoffnungslos in den Iſterſtrom.
Ich aber habe unſern alten Waffenmeiſter Hilde⸗
brand“ —
„Wenn er doch endlich Ravenna hätte!“
„Und unſeren großen König Dietrich als Rind, als
geretteten Erben, habe ich ihn hinein gebracht.
Und das Ganze will ich nächſtens bei einem großen
Königsfeſt dem lieben Herrn vorſpielen.
Aber wohl verſtanden: — ich hab' es in der neuen
Kling⸗Weiſe geſetzt, die Du mid) gelehrt haſt und die
viel mehr das Ohr gewinnt und die Seele befängt, als
der alte Stabreim, nach dem unſere Heldengeſänge und die
Vorzeit⸗Sprüche geſetzt find.
Woher haſt du nur die Kling-Weiſe am Schluß
der Zeilen genommen?“
die Mönche fingen fo die lateiniſchen Lieder und die
Priefter in der Kirche: ic) hörte eS einmal, Abends, im
Dammerlidt in der Bafilifa Ganct Peters: vie Vorhange
ber Kirche waren zurückgeſchlagen: vas Ubendlidt fluthete
14
träumeriſch herein: die Kerzen am Altay gaben ihren
rothen Schein dazu: Weihrauchwollen gogen duftend da-
zwiſchen und unfidtbare Priefterfuaben fangen mit bellen
Stimmen aus der Krypta, wo fle emen Todten bargen.
Da zuerſt hörte ich den Klang, der gleich ift und dod
wieder nidt ganz gleid): und zauberhaft umfing der Wohl⸗
fang mein Gehör: und ich verfudte in unfrer Sprache
das Gleiche nachzubilden: und fiebe da: wunderbar
gelang es.“
„Ja, es paffen die Schlußklänge zuſammen mie —
wie der Helm auf das Haupt — wie dad Schwert in die
Scheide.
Wie Lippe auf Lippe im Kuß.“
„Ei, weißt du and) davon ſchon? Das iſt früh!“
„Ich habe nur meine ſchöne Schweſter Gotho geklüßt,“
ſagte der Jüngling erröthend.
Mun aber der Gleichklang! Für Bieles iſt er wohl
lieblich. Aber du mußt der Väter Weiſe nicht gang
verſäumen: den Runen⸗heiligen Stabretm.“
„Ja, fiir Manches iſt er wie angeboren und viel
fraftiger geeignet al8 der hinſchmelzende Klangreim.
Weikt du, wenn die Stibe, die flarfen, ſtolz ane
ftimmen, fo mahnt es mid) miadtig des wehenden
Windes, der im Walde durch die Wipfel dahin wogt,
beugend und biegend Baum nad Baum.”
Div, lieber Knabe, hat der Gott ves Gefangs wirklich
vie Lippen berührt.
Aud) wenn du's nicht weit und willft, überkömmt
15
vid) der Schrittgang des Wobhllauts, wie die Reve ihn
heiſcht und der Sinn ibn erfebnt.
Mun fage: wie lautet mein Lied von ver Gothen-
Treue in deiner Verjiingung 2"
nod) fange an, wie du:
„Erſchlagen war mit dem halben Heer
Der König ver Gothen, Theodemer.“
Und fo fort.
Wher wenn fie dann ate vergweifeln und hoffnungs⸗
los in den Strom fpringen wollen, dann lömmt bei mir
vie Hoffnung, vie Erlöſung, der Blick in die gerettete
Butunft. Namlid fo:
„Erſchlagen war mit vem halben Heer
Der Konig ver Gothen, Theodemer.“
Die Heunen jaudyten auf blutger Wal:
Die Geier ſtießen herab zu Thal.
Der Mond fcien hell, ver Wind pfiff falt —
Die Wilfe heulten im Föhren⸗Wald.
Drei Manner ritten durch's Heidegefild,
Den Helm zerſchroten, jerhadt ven Schild.
Der Erfte über dem Sattel quer
Trug feines Königs zerbrochnen Speer.
Der Rweite des Königs Kronhelm trug,
Den mitten durd) ein Schlachtbeil fdlug.
16
Der Dritte barg mit trenem Arm
Gin verhilt Gebeimnig im Mantel warm. —
Go famen fle an den Sfter tief: —
Und ver Erſte hielt mit dem RoR und rief:
„Ein zerhau'ner Helm, — ein zerbadter Speer —
Von vem Reide der Gothen blieb nicht mehr!“
Unr ver Zweite fprad: ,In die Wellen dort
Verſenkt ven traurigen Gothenhort:
Dann fpringen wir nad von dem Uferrand —
Was faumeft du — Meifter Hilvebrand 2
„Und tragt ihr des Königs Helm und Speer —
Shr treuen Gefellen: — id trage Mehr!“
Auf ſchlug er feinen Mantel weid :
wh trage der Gothen Hort und Reid!
Und habt Shr gerettet Speer und Kron’: —
Ich abe gerettet — des Königs Sobn!
Crwade mein Knabe: id grüße did:
Du Kinig ver Gothen — Bung Dieterich !*
wo{t aud) gar nicht itbel. Aber wabr ift —“
„Wahr ift wohl nur, was dir in Gefichten der hidften
Trauer nabt?
Sage, wie geht jenes andre, bas Traumgedicht weiter?
8 tft fen Traum gan}.
Und fein Gedicht gang.
17
Sd fiirdte, e8 wird die ganze Wahrheit. “
„Wie War eB Dodd)?"
„Ich hatte vor dem Cinfdlafen fang an Gelimer, ven
letzten König der Vandalen gedadht, den tapfern Mann,
rem zuletzt nichts geblieben von feinem fdhimmervollen
Reid) als vie Garfe, darauf ev in den FelSgebirgen
Ufrifa’s fetne Trauer fang.
Allmälig verſank id) in letjen Schlummer: oder dod
in Traum. |
Da fah id) vor mir eine Landfdaft Campaniens:
ſchön, wie kaum eine andre diefes wunderſamen Landed.
Die Budt von MNeapolis, vie blanen Wogen von
Baja, fonnenbeglangt im Bordergrund.
Sm Hintergrund ver gewaltige Berg mit dem Feuer-
Ahem und ver Raudhwolfe" —
oie heift er dod)?" forfdjte begierig der Hirt.
„Mons Vefuvius.
„Von feinen Schluchten aber herab ftieg, traurig, dod)
tores-trogig, eine Kriegerſchar in unfern, in den gothifden
Waffen: blutbededt, die Helme verhau'n, die Schilde
durchſtoßen.
Und ſie trugen auf eichenen Speeren einen todten
Mann — ihren König.“
„Totila?“ fragte erſchrocken der Jüngling.
„Nein, beruhige dich,“ antwortete Teja, mit einem
ſchwermüthigen Lächeln, „ſchwarz waren die Locken des
bleichen Todten.
Und quer durch die ehrfurchtvoll ſtaunenden Feinde
Dahn, Cin Kampf um Rom. 1V 2
18
zogen fie, langfam, in feierlidhem Trauer⸗Schritt, an die
Küſte rer Gee.
Dort fag eine ftolje, gewaltige Flotte: nicht der
Gothen und nidt der Grieden: mit ragenden Drachen⸗
bauptern am Bug ver Sdiffe.
Auf viefen Schiffen follte der Todte geborgen werden.
Dabei aber vernahm id die Worte ves Tranerliedes,
nes Todtengefangs fiir den König.
Und fie lauteten :
„Gebt Raum, ihr Valter, unferm Schritt!
Wir find die legten Gothen:
Wir tragen feine Krone mit —
Wir tragen einen Todten.
Mit Schild an Schild und Speer an Speer
Wir giehn nad Nordlands Winden, .
Bis wir im fernften grauen Meer
Die Inſel Thnle finden.
Das foll ver Treue Snfel fen —
Dort gilt nod) Gin und Ehre:* — —
Go viel vernahm id) von dem Todten-Gefang. —
Da wedte mid) das Heer-Horn der gothifden Wache,
weldje der forgfame König Nachts vurd die Strafen
ziehen läßt.
Du aber merke dir dieſen Anfang: vielleicht kommt
der Tag, da du's zu Ende ſingſt.
Du haſt ja in kurzer Zeit ſo viel gelernt, daß
ru bald harfenkund'ger und liedkund'ger biſt denn id.”
19
„Wenn Du mid uur aud lehren könnteſt, folde
Streiche gu führen wie du."
„Das wächſt mit den Sabren, ja mit pen Wodjen.
Du haſt genug gethan fiir deine fiebsehn Sabre.
Ware dem wadern Witihis ein Helfer zur Seite
gefprungen, ehe der rimifde Dichter den Stein auf thn
warf im Grab Hadvians, wie du dem Maienfinig Lotila
den von dem gleichen Mann drobenden Stoß haſt ab-
gewebrt, fo atten wir damals fdon Rom gewonnen
und den Prafecten verjagt, ver uns leider entfam.“
oa, leider! Weikt du: das Abentexer, das mir in
jener Nacht aufgeftogen, in des PrGfecten Haufe, das
fhwebt mir fdon lang in Gedanfen. Das gabe ein
rwounderbares Lied — feblt leider nur der Slug.”
arte nur. Vielleicht erlebft du ihn. Dann braudft
du thn nicht gu erdichten.
Uebrigens zog ich ſchon am Morgen nach jener
Siegesnacht in des Präfecten Haus zur Verfolgung der
flüchtigen Legionare aus. Ich weiß daher gar nicht, wie
Alles kam. Erzähle mir.“
— — —— — —
2¢
Bweites Capitel.
— — —
tun fo bere.
Nachdem ich den Prafecten nicht am Tiber und nidt
im Capitol gefunden, fuchte ich ibn mit dir an feinem
Herd.
Und fand nur feines Blutes Spur und fein Schwert.
Als vu aber feinen Götzen zertrümmert und fein
Haus verbrannt und Wiles gufammenbrad), bis i die
Kellergewölbe, da fand id, nachſpürend, in dem Gebalt
unter dem Godel der Marmorſtatue abermals einen holen
Raum: mit Gol, Geftein und allerlet Gefdreibjel ane
gefüllt.
Ich brachte das Ganze auf einem breiten Schild dem
König.
Und der ließ ſeine Buchleſer darin forſchen und
wühlen und las ſelbſt darin. Und rief plötzlich: „alſo
Alarich der Balthe unſchuldig!“
Und Tags darauf, da ich zu einem Königsherold aus⸗
erkoren, war mein erſt Geſchäft, umherzureiten in den
Straßen Roms, auf weißem Roß, mit dem goldnen
21
Heroldftah, und ausjurufen unter aller Gothen und
Römern:
„Adalgoth, des Königs Herold, ruft!
Gefunden ward in des Expräfecten Haws, durch Adal:
goth’s, des Hirtentnaben Gand, Beweis und Sdrift,
daß Herzog Wlarich, ver Balthe, der wor zwanzig Sabren
um Hodverrath gum Lode verurthetlt ward, unfdul-
Dig war.”
„Wie ward das entdedt?”
„Cethegus hatte in Gebeimfdrift, welde König
Totila entziffern ließ, felbft im fetnem Tagebuch ver:
zeichnet, daß er de Verhaßten durch Briefe, die er in
des getäuſchten Königs Hand fpielte, ven Balthen des
Hodverraths verdadtigt. Der Stolze, Hochgemuthe reizte
dann durd Trop ven Wmaler und verfdwand zuletzt
plötzlich, aus dem Rerfer, Niemand wufte, wie und
wobin.
Und weiter batt’ id) auszurufen in den Strafen:
»Unfduldig ift Wlarid) der Balthe.“
Gein Eigen, das der Staat eingezogen, wird ihm
zurückgeſtellt.
Ihm oder ſeinem echten Erben.
Das Herzogthum, das er geführt, das Herzogthum
Apulia, wird ihm zurückgegeben.
Ihm oder ſeinem echten Erben.
Es melde ſich laut an des Königs Thron Herzog
Alarich oder ſein echter Erbe.
Gold und Gabe, Echt und Eigen, Vieh und Fahr⸗
niß, Wagen und Waffen, Geſchmuck und Geſchmeide,
22
Neder und Erbe, Rinder und Roffe und das reide
apuliſche Herjogthum, es werde dem Balthen, dem
Balthen-Erben. |
Wo ift Wlarid? Wo fein Erbe?
Und wie id zogen die Königsherolde durch alle
Strafen und Städte Italiens, rufend und forfdend
nad Herzog Alarich vem Balthen und feinem echten
Erben.
Und weißt du: es ware doch wunderſchön, wenn fie
den verſchollnen, landflüchtigen, alten Mann irgendwo
fänden und wir ihn wieder mit Glanz und Ehren ein⸗
führten in ſein ſchönes Herzogthum.“
„Und da er dem Hirtenknaben die Rettung ſeiner Ehre,
ſeines Rechts verdankt — dürfte er ihm wohl ſchenken ein
ſchönes Schloß, etwa am blauen Meer, am Berge Gar⸗
ganus, nicht wahr, unter Lorber und Myrthen?“
„Nein, daran hab ich noch nicht gedacht.“
„Aber ſchwerlich lebt er noch, dev alte Herzog.“
„Nun, dann finden wir vielleicht den Jungen.
Herzog Guntharis ſagte mir, er habe den hohen
Balthenhelden noch wohl gekannt: der ſei mit einem
Knäblein in das Elend gegangen.
Und obwohl ſein Haus, die Wölſungen, mit den
Balthen erblichen Haver hegte, müſſe er vod ſagen:
er habe nie an die Schuld des ſtolzen Mannes geglaubt,
der ein Hauptfeind der Wälſchen war und ihnen lang
ein Dorn im Auge.
Und nie habe er ein ſchöner Kind geſehen, als jenes
vierjährige Knäblein.
23
Ich mug nun immer naddenfen: wo der wohl bin
gefommen fein mag?
Und wie der ftaunende Augen maden wir, wenn
er, Der vielleidt in irgend einer fleinen Stadt fid) vers
borgen Halt, unter falfdem Namen, — denn die Vers
bannung traf bet Todesſtrafe vas ganze Geſchlecht —
wenn Der den Königsherold durch vie Straßen feine Bes
rufung zum goltnen Reif ves Herzogs von Wpulien
fiinden hort.
Das gabe gar einen ſchönen Schluß gu einer ,Bale
then+ Sage" oder ,andflitdter= Lied". Was meinft vu?
„Das Lied vom landverbannten Herzogsſohn“: es flingt
nicht übel!“ ~ .
„Bei div Elingen alle Lieder glücklich aus!“
„Nun aber fage miv nod) den Anfang des andren
Gefanges, den du felbft, erwadt von jenem Traumgeſicht,
geſetzt.“
„Ja, denn das Todtenlied, das hab' ich nur im
Traum gehört, nicht ſelbſt erſonnen.
Aber nad) vem Erwachen führte id) mir jene wohl⸗
bekannte Landſchaft vor Augen am Veſuvius, gerade ge-
genüber dem Mons Lactarius, dem Milchberg: eine wun:
rerbare Felfenfdludt, gebildet von dem Auswurf ded
Feuerbergs: falt gewordnes ſchwarzes Feuer: fteil ragen
Die Sdhroffen: nur ein fdmaler Bugang, den ein Mann
mit einem Childe leicht verfperren und ftundenlang ver-
theidigen könnte wider jede Uebermadt —“
„Du denkft bet jedem Berg und Thal gleich, wie
man fie ftitrmen und vertheidigen mag."
24
„Und da kamen mir von ſelbſt die Worte:
„Wo die Lavaklippen ragen
An vem Yue ves Veſuvs,
Durd) die Nadtluft hart man lagen
Tine tiefen Wehe⸗Rufs.
Schafer, Rauber nidt nod) Baner
Dringet in die Bergſchlucht etn:
Und es fdhwebt ein banger Schauer
Briitend ob dem dunkeln Stein.
Tobte hier in Vorzeit-Lagen
Sidon vie Schlacht im Völker⸗Groll?
Over wird fie erft gefdlagen,
Die den Ort verew’gen foll?* — — —
Und ex griff auf per Harfe langfam einige Accorde :
— Avalgoth antwortete, leife, wie dads Edo.
Diefe Tine waren e8, welche Rinig Totila als un-
ſichtbare Wegfithrer heran [eiteten.
Sn dicht verwadfnen Pfaden folgte der König nun
den Klängen, welde aus vem Dunkel einer Cypreſſen⸗
gruppe her, Icife, in unregelmagigen Zwiſchenräumen,
unterbroden von halb gefungnen, halb gefprodnen
Worten, von zwei deutlich unterſcheidbaren Seitenin⸗
ftrumenten ausflingend, vom Nachtwind ihm augetrager
wurde.
Unbemerft war Lotila, aud) von dem fanften Mond⸗
licht nidjt verrathen, durch die zerfallnen Manern,
25
welde die weitlaufigen Anlagen umgeben, in die halb
verwilderten Lorber⸗ und Gyprefjen-Gange gelangt, melde
in dad Innere der Garten führten.
Teja vernahm die Schritte des Nahenden und legte
pie Harfe nieder.
„Es ift ber Konig,” fagte ev: id) fenne feinen
Gang. —
„Was ſuchſt du hier, mein König?“
„Ich fude did), Teja," antwortete diefer.
Teja fprang auf von der gefallnen Gaule, darauf
er fag.
„So gebt’s gum Kampf
Mein," fagte Totila, „doch verdien’ id) diefen Bor:
wurf.“
Er faßte ihn bei der Rechten und zog ihn liebevoll
wieder auf den Marmorſitz, fic neben ihm nieder
laſſend.
„Ich ſuche nicht dein Schwert, ich ſuche dich.
Ich brauche dich, aber nicht deinen Arm: — dein
Herz.
Nein, bleibe nur, Adalgoth: du darfſt und ſollſt es
hören, wie man den ſtolzen Mann, „den ſchwarzen Grafen“
lieben muß.“
„Das weiß ich ſeit ich ihn geſehn. Er iſt wie der
Dunkelwald, durch deſſen Wipfel geheimnißvolles Rauſchen
geht: voll Schauer und voll Reiz zugleich.“
Teja heftete einen langen Blick auf den König aus
ſeinen großen, traurigen Augen.
26
Sieh, mein Freund, fo viel ift mix geworren, fo
Reiches hat ver gnadige Himmelsgott mir zugewenret!
Cin halbverlornes Reid) hab’ ich zurück gewonnen —
foll id) nicht aud) guritd gewinnen können des Freundes
halbverlornes Her; ?
Greilid): der Freund hat vas Beſte gethan bei ver
Wiedergewinnung des Reichs — er muß auch hier das
Befte thun.
Was hat mir vein Herz entfremret ?
Verzeih mix, wenn ich, wenn mein ſtrahlendes Glück
vid) gefrantt.
Ich wei, wem id) die Krone dante: und id) fann
fie nicht mit Freude tragen, wenn nur dein Schwert,
nidjt aud) dein Herz; mein eigen.
Wir waren Freunde, Leja, ehedem — o laf uns
wieter Freunde fein, denn id) fann did) nicht entbebren.“
Und er wollte den Arm um feinen Maden fdlingen.
Aber Leja faßte feine betden Hände und drückte fie.
„Dieſer nadtige Gang ebrt dic) mehr als bein
Siegesgang durch Stalien.
Die Thrane, die id) im deinem Auge zittern fah,
ift mehr werth als vie evelfte Perle veiner Krone.
Vergieh Du mir — ich hatte dir Unrecht gethan.
Das Glück und dein Helles fröhliches Blut haben
Dod) deinem Herzen nicht geſchadet.
Sd habe dir nie gezürnt: id) habe vich ftets geliebt:
und mit Schmerzen hab’ ich's empfunden, wie unfere
Wege immer weiter ausetnander gingen.
Henn im Grunde gehörſt du ded) gu mix: näher
27
al8 zu dem waderen Witichis: naber als zu vent leib—⸗
(iden Bruder." )
„Ja, thy gehört zuſammen,“ fprad Adalgoth, wie
Licht und Sdhatte.”
‚Wir empfinden gleich rafd, gleid feurig," fagte Der
König.
„Wenn Witichis und Hildebad.“ fuhr Teja fort, den
geraden Heerweg gingen mit ſtätem Schritt — uns beide
will der ungeduldige Schwung ſtets wie mit Flügeln
durch die Lüfte tragen.
Und weil wir ſo zuſammen gehören, darum ſchmerzte
es mich, daß du in deinem ſonnigen Glück zu glauben
ſchienſt: jeder, der nicht lachen könne, wie du, ſei ein
kranker Thor.
O mein König und mein Freund: es giebt Geſchicke,
Schmerzen und Gedanken, — wer die einmal getragen.
empfunden und gedacht, der hat des Lächelns holde Kunſt
für immerdar verloren.“
Totila ſprach voll ernſter Achtung:
„Wer ſo heldenſtark wie du jeder höchſten vebens⸗
Pflicht genügt, ven darf man beklagen, aber nicht ſchel⸗
ten, wenn er des Lebens Freuden ſtolz verſchmäht.“
„Und du haſt geglaubt, ich grolle deinem Glück oder
deiner heiteren Art?
O Totila, nicht Groll, ach Wehmuth iſt's, mit der
ich dich und deine Art betrachte.
Wie uns ein Kind zu Wehmuth rühren kann, das
da wähnt, Sonne, Leng und Leben währen ewig und
Winter, Nacht und Tod nicht kennt.
28
Du vertrauft dem Sieg und Glück ves Freud’ gen
in der Welt.
Sd aber hire ftets ben Flügelſchlag ves Schickſals,
das, erbarmungslos und taub für Fluch, Gebet und
Dank, dahin rauſcht fiber die Scheitel ber Menfden und
ihre Werke.“
Und er blidte vor ſich hin in die Macht, als ere
ſpähe er den Schatten ver heranſchreitenden Zukunft.
wa, ja," fagte der junge Mundſchenk, ,dbnlid
lautete ein alter Spruch, welden Sffa anf dem Berge
fang: er hatte thn vom Obeim Wargs gelernt:
Auf Olid ift und Unglid
Die Welt nicht geridtet.
Das haben nur thorig
Die Mtenfden erdadt.
Es will ſich ein ewiger
Wilke vollenven:
Ihm vient der Gehorfam,
Shm dient aud der Trop."
„Aber.“ fragte der iingling, nadvenflid, „wenn
wir mit befter Kraft das Unvermeidlide nicht wenden
mögen, warum regen wir dann iiberhaupt die Hande?
Warunt erwarten wir dann nicht in dumpfem Briiten,
was da fommt? Worin ift dann der Unterſchied ges
legen gwifden Held und Feigling 2"
Midst tm Sieg ift er gelegen, mein Adalgoth! Su
ver Art res Ringens und Tragens!
29
Nicht vie Gerechtigkeit entfdeidet vie Gefchide der
Belfer, fondern die Nothwendigkeit.
Oft ſchon ift ver beffere Mann, das edlere Gefdledt
Dem Gemeineren erlegen.
Wohl ift aud) Crelfinn und Edelart eine Gewalt.
Uber fie find nicht immer ftarf genug gegen die
Uebermadt anderer dumpfer Gewalten.
Edelſinn und Edelart und Heldenthum fann immer
den Untergang wether, verherrliden, nicht aber immer
thn wenden.
Und nur das ift ber lebte Troſt: nidt was wir
tragen, wie wir's tragen verleiht die höchſte Ehre und
oft gebithrt der Lorber nicht dem Sieger, mehr dem bee
fiegten Helden.”
Der Konig ſtützte fich nachdenklich auf fein Schwert
und ſah zur Erde.
„Wie viel mußt du gelitten haben, Freund,” ſprach
ev dann innig, ,bi6 du gu fold’ ſchwarzem Irrthum
gelangt biſt!
Du haſt ja deiner Gott im Himmel verloren!
Mix ware vas viel arger als hatte ich die Gonne
am Himmel eingebüßt — als ware ich erblinret.
Sd könnte nicht mehr athmen, könnte ich nicht mehr
glauben an den geredten Gott, der vom Himmelsthore
aus herabfdaut auf die Shaten der Menſchen und der
bie reine, gute Gace zum Siege führt.“
„Und Konig Witichis, was hatte ex verbroden, der
Mann fonder Mal und Makel?
Und ich felbft und“ — er ſchwieg.
30
„Dein Leben ift mir verhüllt fett unferer Trennung
in frithfter Jünglingszeit“ —
„Genug davon fiir heut,“ fprad Teja.
„Mehr hab’ ih dicfe Nacht von tief Innerem aufe
gededt als fonft in Sabren.
Es fommt wohl nod die Stunde, aufyudeden, was
id erlebt unr gedacht.
Sd möchte,“ fagte er, ber Adalgoths Loden ftreidend,
»vem jingften und beften Ginger unſeres Boles nicht
gu frith pen bellen Lon feiner Seiten verdüſtern.“
„Wohl,“ fprad der König, aufftehend. „Dein
Schmerz ift mir hetlig.
Uber id) bitte, laß uns die ernente Freundſchaft
pflegen.
Ich gehe morgen nad) Taginä gu meiner Braut.
Begleite mid —: wenn dich's nicht frank, mid glide
lid gu febn mit emer Römerin.“
„O nein — e8 rührt mid) — e8 mabnt mid an....
— 3h gebe mit dir." —
Drittes Capitel.
Bato vavauf traf ver König mit Graf Teja, Adal
goth und zahlreichem Gefolge in dem Städtlein Tagina
ein, oberhalb deffen fic) auf fteiler, dichtbewaldeter Fels⸗
höhe das Rlofter ver Valerier erhob, in weldem Valeria
nod) immer ihren Wufenthalt fortfepte.
Der Ort hatte feine Schauer für fie verloren: nidt -
nur purd) aufere, durch innere Gewöhnung: ihre Seele
gerieth, widerftrebend, aber ſicher, unter die Cinflitffe ver
exnften Mächte diefer Statte.
Wis file dem König bet deffen Eintritt in den Kloſter⸗
garten entgegen fam, ſchien ihm ihre Farbe viel bleicher,
iby Gang viel langfamer als fonft.
„Was iſt mit vir? ſchalt ex zärtlich.
„Als unſer Gelübde faſt nicht mehr erfüllbar ſchien,
da hielteſt du Muth und Hoffnung hoch.
Und nun, da der Geliebte die Krone dieſes Reiches
trägt und faſt nur in Einer Stadt noch der Feind den
Boren Italiens tritt, jest willſt du ſinken und ver—
zagen?“
32
„Nicht verzagen, Freund,“ fprad Valeria ernft.
Aber Entfagen. Nein, hive mid nur in Geduld.
Weßhalb verfdwieg(t du mir, was ganz Stalien vox
feinem König weiß und wiinfdt?
Der Konig ver Weftgothen gu Toletum hat dir fein
Waffenbündniß gegen Byzanz und feiner Tochter Hand
geboten.
Das Reich wünſcht und erwartet, daß du beides
annimmſt.
Ich will nicht ſelbſtiſcher ſein, denn jene hochſinnige
Tochter eures Volks, Rauthgundis, ves Bergbauern
Kind, von der ſchon eure Sänger ſingen und ſagen auf
den Straßen.
Und ich weiß: auch du kannſt Opfer bringen, wie
jener ſchliche Mann, der euer glückloſer König war."
„Ich hoffe, daß ich's könnte, müßt' es ſein.
Zum Glück aber muß es nicht ſein.
Ich brauche fremde Hülfe nicht.
Bid’ um dich. Oder vielmehr blick' einmal hinaus
über dieſe Kloſtermauern.
Nie hat das Reich geblüht wie jetzt.
Noch einmal biete ich dem Kaiſer die Hand zum
Frieden.
Weiſt er ſie abermals zurück, dann entbrennt ein
Kampf, wie er ihn noch nicht geſehn.
Bald muß Ravenna fallen: — wahrlich, meine Macht
und mein Muth ſind nicht zum Entſagen angethan.
Die Luft in dieſen Mauern hat endlich deine feſte
Kraft erweicht.
33
Du follft mir fort von hier: — wähle dir die ſchönſte
Stadt Staliens zum Wufenthalt — lag’ ung dein Batere
Haus in Neapolis ernenen.”
„Nein. Lak’ mid) bier. Ich liebe nun diefen Ort
und feine Rube.“
„Es ift die Rube des Grabes!
Und weift du wohl, dag div entfagen bem Gedanken
meines Lebens entfagen hieße?
Du bift mir das lebendige Symbol all’ meiner Plane =
du bift mix Stalia felbft. |
Du follft ves Gothentsnigs eigen werden: völlig,
unentreigbar.
Und Gothen und Stalier follen fid) ihren Konig und
thre Königin zum Vorbild nehmen: fie follen ein’ und
glücklich werden wie wir.
Nein — feinen Cinwand — feinen Buweifel mehr!
Go erftid’ id ihn.”
Und er umarmte und fiifte fie. —
Ginige Tage darauf traf Sulius Mtontanus, von
Genua und Urbinum her, ein.
Der Konig ging ihm mit feinem Gefolge vor dem
Kloſtergarten entgeger.
Lange hielten fic) die Breunde fpradlc3 umfangen.
Teja ſtand an ihrer Seite und betradjtete fie mit
ernftem Blide.
Dabhn, Cin Kampf um Rom. IV. 3
34
„Herr,“ fliifterte Adalgoth, wer iſt ber Dann mit
ben tief fiegenden Auger.
Cin Mind 2"
„Innerlich, nidt von Augen!“
„Ein fo junger Mann mit dem Blick ved Alters!
Weißt vu, wem ev gleid fieht?
Dem Bilde dort auf Goldgrund im vem Mofters
gang."
wa wohl: dent fanjten, traurigen Gaupte dort, dem
Apoftel Johannes.“
dein Brief,“ fprad Sulins, ,fand mich ſchon ents
ſchloſſen, hieher zu kommen.“
„Du wollteſt mid — Valeria fuchen 2”
„Nein, Totila: ich fam, mich prüfen und weihen gu
laſſen von Caſſiodor.
Der fromme und heilige Mann, der unſer Jahr⸗
hundert mit ſeinen Wundern erfüllt, Benedict von Nurſia,
hat ein Kloſter gegründet, das mid) mächtig angiebt.*
„Julius, das darfſt du nicht!
Welch ein Geiſt der Flucht aus der Welt hat meine
Nächſten ergriffen.
Valeria: — du: und Teja.“
„Ich fliehe nichts,“ ſagte dieſer, „nicht einmal die
Welt.“
„Wie kommſt du,“ fuhr der König fort, den Freund
am Arme gegen den Eingang des Kloſters führend, „in
Der Blüthe ver Jahre gu dieſem Gedanken ves Selbſt⸗
mords?
Siehe, dort naht Valeria.
30
Gie mug mir elfen, dich belehren.
© hatteft bu je bie tebe gefannt — du würdeſt
nidt der Welt ven Rücken wenden.”
Sulius lächelte und ſchwieg.
Ruhig fate er Valeria’s freudig gebotne Hand und
ſchritt mit ihr in die Kloſterthür, wo ihnen Caffiodor
entgegen fam. —
Nur mit Miihe gewann vie Beredfamfeit ves Königs
rem Freunde das Verjpreden ab, nad einigen Tagen
ven greifen Gaffiodor nad Byzanz gu begleiten.
Julius fdeute ven Glanz. ven Lärm, die Sünde
des Raiferhofs, bis endlid) ras Beifpiel Caſſiodors ihn
überwand.
„Ich meine,” ſchloß der König, ,man kann in der
Welt mehr gottgefällige Werke thun, als im Kloſter.
Ein ſolches frommes Werk iſt dieſe Geſandtſchaft,
welche zwei Reichen neuen Krieg erſparen ſoll.
„Gewiß,“ ſagte Julius. „Der König und Held kann
Gott dienen wie der Mönch.
Ich tadle deine Art des Dienſtes nicht: — laß mir
die meine.
Und mir iſt: dieſe unſre Zeit, da eine alte Welt
unter ſchweren Schauern verſinkt und eine neue unter
rauhen Stürmen aufſteigt, da alle Laſter des verfaulten
Heidenthums mit aller Wildheit ver Barbaren ſich vers
miſchen, da Ueppigkeit, Fleiſchesluſt und blut'ge Gewalt
pas Morgen⸗- und das Abend-Land erfüllen, — da iſt es
wohl gethan, weltferne Stätten zu gründen, wo Armuth,
Reinheit und Demuth wohnen dürfen.“
3*
36
„Mir aber ſcheinen Prat, LiebeSglitd und freudger
Stolz feine Siinde vor dem Himmelsgott.
Was meinft du von unfrem Streit, Freund Teja
„Er hat keinen Ginn fiir mid,“ fprad viefer ruhig.
„Denn ener Gott ift nidt ver Meine. Aber fdweigt
davon. Dort nabt Valeria.”
Am Abend wor der Abreife ver beiden Gefandten
nad) Firmum, wo fle fidh nad Byzanz einſchiffen follten,
fiibrte Caffiopor die Greunde nod) nad einer Capelle,
weldje er, dicht bet vem Rlofter, auf der gerade gegen-
fiber ragenden hohen Felstuppe des namliden Berges
erbaut hatte.
„Es wird dir dort gefallen, mein Totila,” hatte
Valeria gefagt.
Vor Sonnenuntergang gerade erreidten die Freunde
pen Gipfel des einfam ragenden, runden Felsfopfes.
Diefer, mitten in dem Hiigelgrund gu fteiler Hobe
auffteigend, gewährte ben freieften Anbli€ über das
blithende picentinifde Land.
Sm Norden und Often begrenzten den Blid die
pradjtoollen Serraffen des Apennins mit jenen claffifden,
ftilvollen, grofartig rubigen Formen, wie fie nur der
italifdjen Landſchaft eigen.
Sn Weften ſchimmerte im Glanz der ſinkenden
Gonne, wie cin foftbarer goldner Giirtel, durch dad
37
Grün ver Gefildbe ver Flug Clafius, in welden hier
pie beiden kleineren, Sibola und Rafina, münden.
Sm Gilden glingte aus ven Bergen von Muceria
her der Linia- Flug durch üppiges Gelande.
Denn unter diefem lachenden Himmel hatte eine
reide Werndte, das Wunderjahr Totila’s, vie Spuren ber
fritheren BVerwiiftung und Verddung rafd und völlig
vermifdt: viele hunderte von weißen Marmor⸗vVillen,
von Sdliffern, von Wohn- und Wirthfdaftsgebaiuden
faufdten aus dem Dunfelgriin des Lorbers, aus bem
Silbergrau der Oliver, aus bem endloſen Gerant der
Reben. |
Gin uralter Wartthurm, vielleicht aus vorrömiſcher
Beit, ragte an vem Südabfall des Hangs: deffen Gee
maner fomwie der ganze Hiigelritden war von Epheu,
Feigen, Wein, Caftanien in reizender Verwildrung itbers
zogen.
Die Sonne aber, welche nun raſch verſank, warf
ein glühendes dunkelrothes Licht, warf einen Purpur⸗
mantel über die weite Ebne, indeß auf den fernen Höhen⸗
zügen, den plaſtiſch klaren, dem Terraſſenbau der ita⸗
liſchen Natur, eine violette Duftſchicht lag.
Ueberraſcht, geblendet ſtanden Alle.
Niemand fand die Worte für ſo viel Schönheit.
„So was dergleichen ahnte id) in Italia,“ flüſterte
Adalgoth gu Graf Leja, „wenn ich vom Iffinger oder
gar von der Mentula gen Südweſten ſah. Aber es iſt
doch viel ſchöner als ich geahnt.“
Der König aber rief: „Und hab' ich nun nicht recht,
38
Teja, daß ic) dies Land liebe wie eine Brant? daß id
e8 unferm Volk erhalten will um jeden Preis?
Wahrlid, diefer Ort ift vie befte Rechtfertigung
meines Trachtens!
Himmliſche Lüfte, - goldenes Licht umſchweben die
Stitte!" — —
Und mit lebhaftem, gerithrtem Blick fubr ex fort: ,ja
hier, ihy Freunde, hier, Caffiodor, will id) dereinſt
begraben fein!“
Und er legte bie Rechte auf einen uralten mächtigen
Sarkophag von verwittertem, dunklem Marmor: der
Dedel veffelben lag zerbrochen daneben auf der Erde:
wild’ wudernder Epheu hatte bas Innere des Sarges
gam, erfüllt.
„Welch ſchönes Zufammentreffen,” fprad Caffiodorius
ern{thaft.
„Weißt Du, wie diefer Ort feit Alters heißt?
Spes bonorum, „der Guten Hoffnung”.
Und weißt ru, wer, der Sage nad, in diefem Sarge
gerubt ?
Gin anverer weifer, mildfeliger Friedensfürſt: ure
fpriinglid) wohl ein uralter tuétifder König: fpliter bat
pie Sage des Landvolfs Numa Pompilins, den giitigen,
daraus gemadt.
Gin uraltes Heiligthum ves Friedens, eine Statte
des Gegens und der Bufludt haben ſchon die Heiden
hier verehrt: meine neugebaute Gapelle babe id) bet dem
Ausbrud ves Krieges Emmanuel dem Friedensgott gee
weiht.
39
Höchſte Chre würde e8 meiner einen Capelle,
wollteft Du, Friedens⸗-⸗König, fie gu deiner MRubeftatte
wählen.“
ein," rief Totila, ‚vergieb mir, ehrwürdiger Vater!
Nicht in der dumpfen Krypta deines Baus, — hier, unter
dem blauen Dach des auſoniſchen Himmels, hier will
ich ruhn,“ — und er ſchlug auf den Sarkophag. —
„Auf dieſer lichten Höhe, umſpült vom goldnen Licht,
überragt von nickendem Lorber, unter der Vögel ſüßem
Geſang.
Ich werde mich wohl vertragen mit den Manen des
Friedenskönigs.
Hört, ihr meine Freunde, das iſt mein Wille.
Höre du zumal: deſſen Jugend uns alle überleben
muß, Adalgoth, mein Liebling!“
Ber denkt an bie Nacht bet heller Mittagefonne!*
rief Adalgoth.
ote Whnungsvollen,” fagte Teja.
„Seht, wie rafd vie Gonne verfdwand und iby
warmes, freudiges Goldlicht.
Cine Purpurdede, wie ein rothes, blutiges Leidentuch,
vedt ſchon das Bhal von Tagina.
Und die veildhenblauen Schatten find fdon faltes
Schwarz geworden und fallen pliglid) herein! Go rafd!
Und rafder nod, als in Ddiefem Land die Nacht,
bridt ein, in allen Landern, das Sdhidfal und ber Tod.“
Viertes Capitel.
- Un rem gleicen Abend, da Wdalgoth im Gefolge
bes Königs vie Gonne finfen fah ber das mittelitaltfde
Land auf der spes bonorum, ftand aud) in ſchimmer⸗
vollem Gonnenuntergang auf dem Südabhang des Ifing⸗
berges auf ihren Stab gelehnt Gotho, vie Hittin. —
Um fie her hüpften und weideten die Schafe und
drängten fid) allmaltg mitde gufammen um die Hüterin,
ver Heimfehr nad) dem Senn⸗Haus gewartig und bee
gterig-
Aber fle harrten und blökten umfonft. ,
Denn vas ſchöne Kind beugte fich von mofigem Stein
an dem Mand ves filberflaren Gebirgsquells emfig vor:
‘in ihrer Leder⸗Schürze lagen gehäuft die ſchönen, würzig
duftenden Blumen ver Berghalde: ver Chymian, die
Wegrofe, vie Münze, die am feudhten Saume des Rinne
jal8 fprieft, und der tiefblaue Engian.
Und fie fann und fprad mit fic ſelbſt und mit
ihren Blumen und den hurtig enteilenden Wellen.
Und fie warf die Blumen in den rinnenden Onell:
41
bald einzeln, bald fleine Sträuße und halbfertige
Kaine. — —
wie viele,” fagte das Rind vor fid hin in die Wellen
und warf die langen, gelben Zöpfe über die Schultern,
wwie viele von euch bab’ ic) ſchon ausgefentet, ihn gu
griigen !
Denn nad Süden ift er gegogen und nad Süden
binab rinnen dieſe fdnellen Wafer.
Aber id) weiß nicht, ob ihr's beftellt: — denn er
ift immer nod nicht heim gefommen. :
Shr aber, wie thr eud) hebt und fentet im Tanz rer
Wellen, ihr winket miv, euch zu folgen.
Sa, wer euch folgen könnte!
Over ven Fiſchlein, bie da hinab ſchießen wie punfle
Pfeile!
Over den flinken Bergſchwalben, vie durch die Luft
ſchwirren, frei wie die Gedanken!
Oder den rothbeſchwingten Abendwolken, wenn Re der
Bergwind rajd gen Silden tragt!
Aber am Sicherſten fande thn freilich pas Der der
Sucherin felber, dürft' ich, die Halde verlaffend, ibm folgen
in’8 ferne, in’8 fonnige Land. — —
Aber was follte id) da unen?
Die Hirtin unter den Männern des Krieges, unter
ren Eugen Frauen des Hofs!
Und ich feb’ thn ja dod) wieder! |
So fider ich die Sonne dod) wiederſehe, ob fie vers
ſchwand hinter jenen Bergen.
Man weiß, man fieht fie wieder.
42
Und dennod: — Sehnfucht füllt vie Reit bon ihrem
Sheideftrahl bis yu ihrem Wiedergrug.“
Da tinte vom Senn-Haus her ein weit vernehmlicher,
rauher Schall: ein Stoß in das gewundne Widderhorn.
Gotho fah auf: e8 war dunfler geworden: fie fab
{don durch die offne Thür das rothe Herdfeuer glühn.
Die Schafe erwiderten das wobhlbefannte Beichen mit
(auterem Blöken, vie Ripfe gegen tas Senn⸗Haus und
tie Stalle reckend.
Der braune, gottige Hund fprang bellend, mahnend
an ihr hinauf.
„Ich gehe ſchon,“ lächelte ſie, die Mahner beſchwichtend.
„Ach, — eher werden die Schafe der Weide ſatt, als
die Schäferin ihrer Gedanken.
Nun vorwärts, Weik-Eljden! Jetzt biſt ou ſchon
ſtattlich!“
Und ſie ſchritt den Hang hinab, der Thalmulde
zwiſchen den beiden Berghäuptern zu, in welcher das
Haus und die Ställe Schutz fanden vor Wind und
Lawinen.
Hier blendete nicht mehr der Glanz der Sonne.
Schon wurden vie Sterne fichtbar.
Gie fah innig hinauf.
„Sie find fo ſchön, weil er fo oft fle angeblidt.”
Da ſchoß ein Stern und fiel raſch gegen Süden.
„Er ruft mid! dorthin,“ ſprach Gotho gufammenbebend.
„Wie gern würd' id) ihm folgen !“
Und rafder trieb fle die Schafe an, werforgte fie in
43
vem Stalle und fdritt in das große, einjige Gemach
des Erdgeſchoſſes im Wohnhaus.
Da fand fie den Großvater ffa ausgeftredt auf dem
Steinſimms nahe an dem Herdfener, die Füße zugedeckt
mit zwei grogen Barenfellen.
Er ſah bleicher und alter als fonft.
„Setze did) hier neben mid, Gotho,“ fagte er „und
trink, hier iſt Milch mit Honig gemiſcht — und höre
mir zu.
Die Zeit iſt nun gekommen, von der ich dir lange
geſagt.
Wir müſſen ſcheiden.
Ich fahre heim.
Vor meinen müden alten Augen flimmert nur mehr
trũb bein liebes Angeſicht.
Und als ich geſtern noch ſelbſt zum Quell hinunter
ſteigen wollte, Waſſer zu ſchöpfen, brachen mir die Kniee.
— Da fpiirte ih: es iſt nahe.
Und ich ſchickte den Gaisbuben-hinüber nad Teriolis
mit Botſchaft.
Du aber ſollſt nicht zugegen ſein, wenn die Seele
aus des alten Iffa Munde fährt.
Es iſt nicht ſchön, das Menſchen⸗Sterben — ich
meine den Stroh⸗Tod.
Und du haſt noch nichts Trauriges geſehn.
Der Schatte ſoll nicht fallen auf dein junges Leben.
Morgen vor Hahnenkrat kommt der tapfre Hunibad
herüber von Teriolis, dich abzuholen — er hat mir's
zugeſagt.
44
Bwar nod) nicht find feine Wunden ausgeheilt: —
er ift nod) ſchwach — aber er fagt: es läßt ibn nid
mehr in Muße fliegen, da, wie es heift, her Kampf bal
wieder [08 geht mit den Feinden.
Er will zu Kinig Totila nad Rom.
Und dahin mußt and du mit widt’ger Botfdaft.
Und er foll dein Wegfdirmer und Wegführer fein.
Pinte fefte Cohlen aus Buchenrinde unter detue
Füße: denn weit ift rein Weg.
Und Brun, ter Hund, mag euch beide begleiten.
Und nimm vie Taſche dort aus ftartem Riegenterer,
darin find feds Goldftiide nod von — von Aralgoths —
pon eurem Vater: — fie find Adalgoths: — aber du
rarfft fdon ravon gebrauden — fie werden reichen bid
Rom.
Und nimm dir ein Bündel duftigen Berghen's vom
Iffinger-Hang mit und lege nachts den Kopf darauf:
fo wirft Du beffer ſchlafen.
Und haft pu nun Bom gefunden und das goldne
Haus ves Königs darin und trittit du ein im feinen
Sal, fo fiehe, welder ver Manner einen golonen Reif
um Die Gtirne tragt und von weffen Brauen e8 milde
nieter glänzt wie Morgenliddt von den Berghöhen —
der, ift tann König Totila.
Und dann beuge bas Haupt vor ihm: — aber nur
ein wenig, und nidt die Kniee: denn du bift eines
freien Gothen freies Rind.
Und dann übergiebſt bu dem König diefe Rolle, die
45
ih bier fett vielen Sommern getrenlid) verwahrt: — fie
ift von Obeim Wargs, den ver Berg begraben hat.”
Und der Alte hob einen Riegel ans dem fteinernen
Unterbau, welder den Gerdfodel mit dem hart geftampften
Erdboden verband, und Holte aus vem dunfeln Raum
eine Papyrosrolle hervor, die forgfaltig verfdnitrt und
verfigelt, in ein gleichfalls befdriebnes und mit feltjamen
Sigeln darüber gefeftigtes Pergament gefdlagen -war.
„Hier,“ fagte er, ,,died8 Gefdyreibfel wahre gut.
Dies Ueugere, was da auf der CfelShaut fteht, vas
hab’ ih dem langen Hermegifel dritben in Majä, der
ſchreiben kann, vorgefprodjen, gu ſchreiben: er bat mir
geſchworen, Davon zu fdweigen, und er hat's gebalten:
nun fann er gar nidt mehr reden unter dem Rirdengang
bervor, wo fie thn begraben.
Ou aber und Hunibad — thr könnt nicht lefen.
lind das ift gut. |
Denn gefabrlid) könnt e8 werden fitr did) und —
einen Andern, wenn friiher, bevor der milde und ges
reste König Totila vavon erfabrt, die Leute erfithren,
was die Rolle da weiß.
Bumal vor den Walfden birg die Rolle.
Und frage in jeder Stadt, wo du eingiebft, ob fie berge
Cornelius Cethegus Cafarius, den Prafecten von Rom.
Und fagen die Thorwächter ja, — dann wende dich auf
dem Abſatz und, wie mitre du bift und fo fpat ſchon
die Nachtſtunde oder fo glühheiß ver Mittag, — wandre
davon, bis du drei Wafer zwiſchen dir aft und dem
Mann Cethegus.
46
Und nicht minder als dies Gefdreibfel — du flebft,
id) drückte ftatt des Sigel Baumharz darauf, wie es
aus ren Tannen trauft und unfere Hausmarfe rigt’ id
drein, wie fte unfer Vieh und Fahrniß trägt — nidt
minder wahre bie’ — dies alte, theure Bold."
Und er fangte aus tem Hoblranm die Halfte eines
breiten Goldreifs, wie fie die Gothen Helden um die
nadten Arme trugen.
Ehrfurchtsvoll küßte er das Gold und die wuvoll-
ftandige Runenſchrift varauf.
„Das ftammt nod) von Theoderich, dem grofen König,
und von ihm — meinem theueren — Sohne Wargs.
Merke: — bas gehört Adalgoth.
Und ift fein allerbeftes Erbe.
Die andre Halfte ves Ringe’ — und ved Spruches
varauf — hab’ id) vem Rnaben mitgegeben, da ich ihn
fort geſandt.
Und hat ver Rdnig vas Gefdyreibfel gelefen und ift
Adalgoth in ver Mahe — wie er fein mug, wenn er
meine Gebote befolgt — dann rufe vx Avalgoth berber
und fiiget Halbring an Halbring und heiſchet des Königs
Sprud).
Gr foll tug und far und mild und alldurchſchauend
jetn, wie der Sonnenſchein
Gr wird ben rechten Spruch finten.
Gindet ev ihn nidt, dann findet ihn Reiner.
Nun lege mir nod) einen Kuß auf jedes meiner ſehe⸗
müden Augen.
Und “nun gehe bald gum Frühſchlaf.
47
Und ver Himmel>Fiirft und alle feine lichten Wugen,
Gonne, Mond und Sterne, mögen ſchau'n auf deinen
Weg.
Und baft pu Avalgoth gefunden und lebft du mit
ihm in den kleinen Gemächern der dumpfen Haufer, in
den engen Städte⸗Straßen, und wird e8 eud) dort unten
yu Hein und gu dumpf und gu eng, — dann denft an
eure Rindertage bier auf dem hohen Sffing.
Und es wird eud) anwebn wie friſche Bergluft.“
Sdweigend, ohne Widerrede, ohne Furdt, ohne
Frage harte und gehorchte das Hirtentind.
„Fahr wohl, Großvater!“ fagte fie, ihn anf die
Augen fiffenv.
Dant für viel Lieb’ und Treue.“
Aber fie weinte nit.
Sie wufte nidt was Sterben ift.
Und fie trat von ihm weg auf die Sdwelle des
Sennhauſes: und fie blidte hinaus in die nun tief ernft
gewordne Berglandfdaft.
Kar war der Himmel, die Gipfel ver Verge ringsum
glingten tm Mondlicht.
‚Lebt wohl,“ fprad fie, ,du Sffinger! und du,
Wolfshaupt! Und du, alter Itiefenfopf!
Und du va drunten, hell auffdhimmernde Paffara!
Wißt ihr's ſchon?
Morgen gehe ich von euch Allen.
Aber ich gehe gern.
Denn ich gehe zu ihm!“
Fiinftes Capitel.
Und nad vielen Woden tamen Caſſiodor und Fulins
zurück von Byzanz und brachten — fetnen Frieden.
Caſſiodor ging fogleid) nad der Landung zu Grim:
pufium, Welt⸗ und Wege⸗müde, in fein apuliſch Kloſter,
Sulius allein die Beridterftattung an den Konig in Rom
überlaſſend.
Totila empfing ihn auf dem Capitol, in Beiſein der
erſten Heerführer.
„Anfangs,“ erzählte dieſer, ,waren die Ausſichten
günſtig genug.
Der Kaiſer, welcher früher gothiſche Geſandte von
Witichis gar nicht vor ſein Angeſicht gelaſſen, konnte dem
größten Gelehrten des Abendlandes, konnte Caſſiodors
Weisheit, Frömmigkeit und Milde ſeinen Palaſt nicht
verſchließen.
Wir wurden ehrenvoll und freundlich empfangen.
Gewichtige Stimmen, fo Tribonianus und Prokopius,
ſprachen für den Frieden im Rathe des Imperators,
der ſelbſt dazu geneigt ſchien.
49
Seine beiden grofen Feldherrn, Narſes und Belifar,
beſchäftigten zugleich an verfdiedenen Puncten der ftets
bedrohten Oſtgrenze des Reich die Kämpfe mit Perfern
und mit Garacenen.
Die Unternehmungen in Stalien und Dalmatien
aber batten fo große Opfer gefoftet, und fo lange Beit
gewabrt, daß bem Raifer ver Gothenfrieg verleidet war.
Bwar gab er den Gedanten der Wiedergewinnung
Staliens wohl fdwerlid) ganz auf.
Aber er erfannte die Unmöglichkeit ver Durchführung
flix bie nadfte Zufunft.
Gr ging daher gern auf die Friedensverhandlungen
ein und nahm unfere Borfdlage sur Ermagung ent⸗
gegen: thm ſchwebte zunächſt fretlid) nod, wie er und
fagte, eine vorlaufige Theilung der Halbinfel bis an
ven Padus vor: das weitaus größte Stiid des Landes
im Gilden diefed Fluffes follte bem Raifer, dad Gebiet
im Norden ven Gothen zufallen.
Mit guten Ausfidten Hatten wir eines Mittags den
Kaiſer und den Palaft verlaffen.
Die Audienz war giinftiger ausgefallen als alle
{ritheren.
Aber am Abend des gleicen Tages wurden wir
überraſcht durch den Curo-palata Marcellus, welder uns
von den Palaft-Stlaven die üblichen Wbfdjtedsgefdente
überreichen ließ: — dad unverfennbare Zeichen des Abs
bruds der Verhandlungen.
Beſtürzt über viefe plötzliche Wendung,“ fubr Julius
in ſeinem Bericht fort, „beſchloß Caſſiodorius, Zeichwehl.
Dahn, Cin Kampf um Rom, IV.
30
um bes Friedenswerkes willen, dad Aeußerſte yu wagen:
namlid, nad) Ueberreichung rer Abſchiedegeſchente. noch
eine Audienz bei dem Kaiſer zu ſuchen.
Der hochangeſehne Tribonianus, von jeher ein Geq⸗
ner dieſes Krieges und Caſſiodors verehrungsvoller
Freund, ließ ſich bewegen, für uns um dieſe unerhörte
Gnade nachzuſuchen.
Die Antwort war vie höchſt ungnädige Drohung der
Verbannung, wenn er nod einmal gegen den Har ane
gedeuteten kaiſerlichen Willen Etwas erbitten werre.
Nie, niemalS werde der Raifer mit den Barbaren
Frieden fdliegen, bid fle nidt jede Scholle ded Reiches
verlaffen: nie werde er die Gothen in Stalien anders
penn al8 Feinde betradhter.
Vergebens bemühten wir uns," ſchloß Julius feine
Erzählung, ,etne Urjache des plötzlichen Umſchwungs gu
entdecken.
Nur das erfuhren wir, daß nad unferer Mittagk⸗
Audienz die Kaiſerin, welche jetzt vielfach leidend ſein
ſoll, ihren Gemahl zur Tafel in ihre Geniächer gee
laden.
Aber es ſteht feſt, daß vie Kaiſerin, früher befannt-
lid) die eifrigſte Schürerin des Krieges, ſeit gerammer
Zeit nicht mehr für den Kampf, ſondern für den Frieden
ſprach.“
„Und was,“ fragte der König, der ernſt, aber cher
drohend als beſorgt, der Erzählung zugehört hatte —
„was verſchafft mir die Ehre einer ſolchen Umſtimmung
der Circus⸗Dirne?“
51
wean fliftert: fiir ir Geelenbeil tmmer mebr bes
forgt, will fie alle Geldmittel nicht mehr auf ven Rrieg
verwendet wiffen, deffer Wusgang fie faum nod) gu ers
feben hofft, fondern auf Stirdenbauten, zumal anf
Vollendung der Sopbhientirde — mit deren Grundriß anf
ver Bruft will fie begraben fein."
„Wohl als mit ihrem Schild gegen den Born des
Herrn bei ver Wuferftehung ver Todten!
Die Dirne will ven lieben Gott mit den hundert
Kirchen entwaffnen und mit den bezahlten Roftenreds
nungen befteden. Welchen Wahnſinn brittet viefer Glaube
aus," fprad) finfter für fid) Leja.
„Und fo fanden wir feinerlet Spur.
Denn feine Spur darf ic) e8 nennen, was nur wie
ein Schatte, obencin vielleidht eines Srrthums Schatte,
an mir vorüber bufdjte.”
„Was war vas?" forfdte Teja aufmertfam.
„Als id) ſpät Abends den Palaft verließ, Tribonians
ungiinftigen Befdeid bet mir ermagend, ward eine vere
golvete Sänfte ver Raiferin von deren fappadofifden
Sflaven rafd von dem Viereck ver Garten her — dads
ift Theodora’s Palaft — an mir vorüber getragen.
* Der vergitterte Laden ward etwas in vie Hohe gee
ſchoben von dem Getragenen — id fah hin: und es war
mir als erfenne id) —“
„Nun?“ fragte Leja.
„Meinen unfel’gen vaterliden Freund, den verfdollnen
Cethegus ," ſchloß Sulius traurig.
„Schwerlich,“ meinte der Konig.
4*
46
Und nicht minder al8 dies Geſchreibſel — du ſiehſt,
id) vriidte ftatt des Sigels Baumharz darauf, wie cs
aus ren Tannen trauft und unfere Hausmarke rit’ id
brein, wie fte unfer Vieh und Fahrniß tragt — nidt
minder wabre died’ — died alte, theure Wold.“
Und er fangte aus tem Hoblranm vie Hilfte eines
breiten Goldreifs, wie fie vie Gothen-Helden um die
nadten Arme trugen.
Chrfurdhtsvoll küßte ex das Gold und die unvoll-
ſtändige Runenfdrift darauf.
„Das ſtammt nod von Theoderich, dem großen König,
und von ihm — meinem theueren — Sohne Wargs.
Merke: — das gehört Adalgoth.
Und iſt ſein allerbeſtes Erbe.
Die andre Hälfte ves Ringes — und ves Spruches
Darauf — hab’ id) dem Knaben mitgegeben, da id) ihn
fort gefandt.
Und hat der König das Gefdhretbfel gelefen und ift
Adalgoth in ver Nahe — wie er fein mug, wenn ex
meine Gebote befolgt — dann rufe du Avalgoth herbert
und füget Halbring an Halbring und heiſchet des Konigs
Spruch.
Er ſoll klug und klar und mild und alldurchſchaueud
ſein, wie der Sonnenſchein
Er wird den rechten Spruch finden.
Findet er ihn nicht, dann findet ihn Keiner.
Nun lege mir noch einen Kuß auf jedes meiner ſehe⸗
müden Augen.
Und “nun gehe bald gum Frühſchlaf.
47
Und ver Himmel-Fiirft und alle feine lichten Wugen,
Gonne, Mond und Sterne, migen fdau'n auf deinen
Weg.
Und haft du Adalgoth gefunden und lebft du mit
ihm in den Heinen Gemadern der dumpfen Haufer, in
pen engen Städte⸗Straßen, und wird e8 end dort unten
gu fein und gu dumpf und zu eng, — dann denkt an
eure Rindertage bier auf dem hohen Sffing.
Und e8 wird euch anwehn wie friſche Bergluft.“
Schweigend, obne Widerrede, ohne Furdt, ohne
rage Harte und gebordte das Hirtenfind.
„Fahr wohl, Großvater!“ fagte fie, ihn auf die
Augen tiiffend.
Dank für viel Lieb’ und Treue.“
Aber fie weinte nidt.
Gie wufte nidt was Sterben iſt.
Und fie trat von ihm weg anf die Sdwelle des
Gennhaufes: und fie blidte hinaus in die nun tief ernſt
gewordne Berglandſchaft.
Klar war der Himmel, die Gipfel ver Verge ringsum
glangten im Mondlidt.
‚Lebt wohl,“ fprad fie, ,du Sffinger! und du,
Wolfshaupt! Und du, alter Itiefenfopf !
Und du da drunten, bell aufſchimmernde Paſſara!
Wißt ihr's ſchon?
Morgen gehe ich von euch Allen.
Aber ich gehe gern.
Denn ich gehe zu ihm!“
Fünftes Capitel.
Und nad vielen Woden tamen Caffioror und Zulius
guriid von Byzanz und brachten — feinen Frieden.
Gaffiodor ging fogleich nad der Landung zu Bram:
duſium, Welt- und Wege-mitde, in fein apulifd Kloſter,
Sulius allein die Beridterftattung an den König in Rom
überlaſſend.
Totila empfing ihn auf dem Capitol, in Beiſein der
erſten Heerführer.
„Anfangs,“ erzählte dieſer, ‚„waren die Ausſichten
günſtig genug.
Der Kaiſer, welcher früher gothiſche Geſandte von
Witichis gar nicht vor ſein Angeſicht gelaſſen, konnte dem
größten Gelehrten des Abendlandes, konnte Caſſiodors
Weisheit, Frömmigkeit und Milde ſeinen Palaſt nicht
verſchließen.
Wir wurden ehrenvoll und freundlich empfangen.
Gewichtige Stimmen, fo Tribonianus und Profopius,
ſprachen für den Frieden im Rathe des Imperators,
der ſelbſt dazu geneigt ſchien.
49
Seine beiden grofen Feldherrn, Narſes und BVelifar,
beſchäftigten zugleich an verfdhiedenen Puncten der ftets
bedrohten Oftgrenze des Reich die Kämpfe mit Perfern
und mit Garacenen.
Die Unternehmungen in Stalien und Dalmatien
aber batten fo groge Opfer gefoftet, und fo lange Beit
gewabrt, daß dem Raifer der Gothenfrieg verleidet war.
Bwar gab er den Gedanfen der Wiedergewminnung
Staliens wohl ſchwerlich ganz auf.
Aber ex erfannte die Unmiglicdleit der Durchführung
flix die nadfte Zutunft.
Er ging daher gern auf die Friedensverhandlungen
ein und nahm unfere Vorſchläge zur Erwagung ent:
gegen: ihm ſchwebte zunächſt fretlid) noch, wie er uns
fagte, eine vorldufige Theilung ver Halbinfel bis an
Den Padus vor: das weitaus grifte Stück des Landes
im Gilden diefed Fluffes follte bem Raifer, das Gebiet
im Morden den Gothen gufallen. |
Mit guten Ausſichten hatten wir eines Mittags den
Raifer und den Palaft verlafjen.
Die Audienz war giinftiger ausgefallen als alle
{ritheren.
Aber am Abend des gleiden Tages wurden wir
überraſcht durch den Curo-palata Marcellus, welder uns
yon den Palaft-Stlaven die üblichen Abſchiedsgeſchenke
überreichen ließ: — das unverfennbare Beichen des Ab—
bruds ver Verhandlungen.
Beſtürzt über viefe pliplide Wendung,” fuhr Julius
in ſeinem Bericht fort, „beſchloß Caſſiodorius, Zeichwohl.
Dahn, Ein Kampf um Rom. IV.
50
um des Friedenswerkes willen, das Aeußerſte yu wagen:
nämlich, nad Ueberreidung rer mb chiedegeſchenle nod)
eine Audienz bei vem Raifer yu ſuchen.
Der hodangefehne Tribonianus, von jeher ein Gegs
ner Ddiefes Krieges und Gaffiodors verehrungévoller
Hreund, ließ fic) bemegen, fiir uns um diefe unerhörte
Gnade nachzuſuchen.
Die Antwort war die höchſt ungnädige Orohung der
Verbannung, wenn er nod einmal gegen den Mar ans
gedeuteten kaiſerlichen Willen Etwas erbitten werre.
Nie, niemalS werde ver Raifer mit den Barbaren
Frieden ſchließen, bis fie nidt jede Scholle des Reiches
verlaſſen: nie werde er vie Gothen in Italien anders
penn als Feinde betradhten.
Vergebens bemilhten wir uns," ſchloß Julius feine
Erzählung, „eine Urſache des pldgliden Umſchwungs gu
entdecken.
Nur vas erfuhren wir, dak nach unſerer Dtittags-
Audien; vie Raiferin, welche jest vielfach leidend fem
fol, ihren Gemabhl zur Tafel in ihre Gemadher gee
faden.
Aber es ftcht feft, daß die Kaiferin, frither Sefannte
lid) Die eifrigfte Schürerin bes Krieges, fett geranmer
Reit nicht mehr für den Kampf, fondern fiir den Frieden
ſprach.“
„Und was," fragte der König, ver ernſt, aber eher
drohend als beſorgt, der Erzählung zugehört hatte —
„was verſchafft mir die Ehre einer ſolchen Umſtimmung
ver Circus⸗Dirne?“
51
„Man flüſtert: für ihr Seelenheil immer mehr be—
ſorgt, will ſie alle Geldmittel nicht mehr auf den Krieg
verwendet wiſſen, deſſen Ausgang fie kaum nod. gu ers
leben hofft, ſondern auf Kirchenbauten, zumal auf
Vollendung der Sophienkirche — mit deren Grundriß auf
der Bruſt will ſie begraben ſein.“
„Wohl als mit ihrem Schild gegen den Zorn des
Herrn bei der Auferſtehung der Todten!
Die Dirne will den lieben Gott mit den hundert
Kirchen entwaffnen und mit den bezahlten Koſtenrech⸗
nungen beſtechen. Welchen Wahnſinn brütet dieſer Glaube
aus," ſprach finſter fiir ſich Teja.
„Und ſo fanden wir keinerlei Spur.
Denn keine Spur darf ich es nennen, was nur wie
ein Schatte, obenein vielleicht eines Irrthums Schatte,
an mir vorüber huſchte.“
„Was war pas?" forſchte Teja aufmerkſam.
‚Als id) ſpät Abends ven Palaſt verließ, Tribonians
ungünſtigen Beſcheid bei mir erwägend, ward eine vers
goldete Sänfte der Kaiſerin von deren kappadokiſchen
Sklaven raſch von dem Viereck der Gärten her — das
iſt Theodora's Palaſt — an mir vorüber getragen.
Der vergitterte Laden ward etwas in die Höhe gee
fdoben von dem Getragenen — td) fah hin: und e8 war
mir als erfenne ich —"
wun?" fragte Leja.
„Meinen unfel’gen vaterliden Freund, den verfdollnen
Cethegus,“ ſchloß Sulius traurig.
„Schwerlich,“ meinte der Konig.
52
„Er ift gefallen. €8 war wohl Tinfdung, daß
Leja in feinem Haufe nod femme Stimme yu vernehmen
glaubte.“
„Ich Diefe Stimme miffennen! Und fein Schwert,
das Uvalgoth an der Stragen+ Ede fand?“
„Kann früher, kann bet dem Forteilen des Mannes
nad) dem Tiber aus feinem Haufe verloren fein.
Deutlich fah ih ihn dort auf feinem Schiff die
Vertheidigung feiten.
Der Speerwurf gegen meinen Hal war mit des
Haffes befter Kunſt und Kraft gefithrt.
Ich traf ihn, id fah’s, mit dem guriidgefdlenderten
Speer.
Aud ſagte mir Gunthamund, der treffliche Schutz
er ſei gewiß, ihn getroffen zu haben am Halſe.
Man fand am Flug ſeinen purpurgefaumten Mantel,
von vielen Pfeilen durdlidert und von Blut gang Mere
ſtrömt.“
„Er iſt wohl dort geſtorben,“ ſprach Julius tief
ernſt.
„Seid ihr fo gute Chriſten,“ fragte Teja ‚und wißt
nidt, dag ber Teufel unfterblid ift 2
„Mag fein," fprad der König, aber aud das
Licht!“
Und mit drohenden Brauen fuhr er fort:
„Auf, mein tapfrer Leja, jetzt giebt es neue Arbeit
für dein Schwert.
Hirt, Herzog Gunthari8, Wiſand, Grippa, Markja.
53
Aligern, Thorismuth, Adalgoth — bald hab' ich vollauf
zu ſchaffen für euch Alle.
Ihr habt's gehört: Kaiſer Juſtinian verweigert uns
den Frieden und Italiens ruhigen Beſitz.
Offenbar darum, weil er uns filr gu friedlich hält.
Gr meint: e8 finne ihm nie fdaden, uns zu Feinden
zu baben. ,
Schlimmſten Falls fagen wir rubig, feine Angriffe
abwartend, in Stalien.
Und Byzanz tinne jederjeit den Wugenblid wabhlen,
uns angugreifen, fo oft ven Verſuch widerbholend, bis
er gelingt.
Wobhlan: zeigen wir ihm, dag wir als unverſöhnte
Feinde gefabrlid) werden können.
Dak es wohl gerathen fein mag, uns Stalien fried-
lid gu belafjen, um uns nidt jum Angriff gu reizen.
Cr will uns nidt tn Stalten leben laffen?
Wobhlan, er foll vie Gothen wieder, wie unter Alarid
und Theoderich, im eignen Lande feben.
Cinftweilen nur dies: Lenn vas Geheimniß ift der
Mutterfdos ves Siegs: auf linnenen Flügeln, auf
hölzernen Briiden dringen wir, wie in Rom, im das
Herz des Oſt⸗Reichs ein. |
Jetzt, Suftinianus, ſchirm' den eignen Herd!"
— — — — ——
Sedjstes Capitel.
Geraume Beit nachdem die Ahweifung der Friedens⸗
vorfdlige nad) Rom gelangt war, finden wir in dem
Speifegemad) eines einfach, aber gefdmadvoll gebauten
und eingeridteten Haufes auf dem Forum Strategit yn
Byzanz, das, nahe gelegen dem unvergleidliden Küſten⸗
faum des ,golonen Horns", den Blick über vie Meerenge
hin und auf die jenfeitige, pradjtooll angelegte Nenftart
„Juſtiniana“ gemabrte, zwei Manner in vertrautem Gee
ſpräch.
Der Herr des Hauſes war unſer alter — und hoffent⸗
lich nicht unlieber — Bekannter Prokopius, der nun⸗
mehr in hohem Anſehen als Senator gu Byjzanz lebte.
Er ſchenkte ſeinem Gaſt eifrig ein, aber er bediente
ſich dabei der linken Hand.
Der rechte Arm verlief in einen verhüllien Stumpf.
„Ja,“ ſagte er, „bei jeder Bewegung mahnt mich
der fehlende rechte Vorderarm an eine Thorheit.
Zwar ich bereue die Thorheit nicht: ich folgte ihr
abermals und koſtete es die Augen aus dem Kopf.
Sie war eine Thorheit des Herzens.
59
Und Cine foldje gu haben ift des Menſchen größtes
Glück.
Zu Frauenliebe hab ich's nie recht gebracht.
Meine Liebe heißt und hieß: — Beliſarius!
Ich erkenne recht gut — du brauchſt nicht ſo höhniſch
den Mund zu verziehn, Freund — ich durchſchaue recht
gut die Schwächen und Unvollkommenheiten meines
Helden.
Aber das iſt gerade das Süße an ver Herzensthor⸗
eit: fie liebt die Fehler des Geltebten mit, ja mehr als
andrer Leute Vorzüge.
Und ſo denn — um's kurz zu machen — warnte
ih bet vem letzten Perferfrieg den Mann mit dem
LBwenmuth und mit dem Rindesherzen wieder einmal,
mit geringer Bededung durd einen unficren Wald gu
reiten.
Bei Dara war's.
Natürlich that er's nun erſt recht, der dumme, liebe
Thor.
Und natürlich ritt Prokopius, der kluge Thor, nun
auch mit.
Und es kam Alles, wie ich vorausgeſehen und ge⸗
ſagt.
Der ganze Wald ward auf einmal lebendig von lauter
Perſern.
Es war, als ſchüttelte der Wind ſein dürres Laub
von den Wipfeln.,
Aber alle Blatter waren Pfeile und Speere.
56
Es ging wieder gan; wie vor dem tiburtiniſchen
Thor.
Balan, der trete Sched, that dort feinen letzten
Sprung.
Gefpidt von Speeren brad er todt zuſammen.
Ich hob den Helden auf mein eigen Rog.
Dabei hieb aber ein Perferfiirft, ver faft fo lang
war wie fein Name — A°Apraftaranfalanes hieß der
liebe Dtann — anf ven Magifter Dtilitum einen Hied,
den id) in der Gile nur mit dem rechten Arm anffangen
fonnte —: denn mein Schild dedte den Feldherrn gegen
einen Garacenen.
Der Hieb war gut: traf er Belifars helmlofes
Haupt, — e8 mare gefpalten gewefen wie eine Klaff⸗
Muſchel.
So ſchnitt er mir nur den Vorderarm ſo haarſcharf
ab, als wär' er nie angewachſen geweſen.“
‚Beliſarius natürlich entkam und Prokopius natiite
lich ward gefangen,“ ſagte der Gaſt, kopfſchüttelnd.
„Beides richtig, o du Gebietiger des Scharffinns,
wie dich mein Freund Adraſtaranſalanes nennen würde.
Aber derſelbe Mann mit dem langen Leibe, Säbel
und Namen — auf deſſen Widerholung yu nicht be
ftehen wirft — war fo geriihrt oon meiner Elephanten⸗
haften Großherzigkeit', wie er fic) ausdrückte, daß er mid
alsbald ohne Lodfegeld fret ließ: nur einen Ring, ber an
einem Ginger meiner ehemaligen redten Hand ftedte,
erbat er fid): gum Anventen, wie er fagte.
57
Seitdem iſt es mit den Kriegsfahrten vorbei,“ fuhr
Prokop ernſter fort.
„Ich erblicke aber in dem Verluſt der Schreibhand
auch eine Strafe.
Ich habe manches unnütze oder nicht ganz aufrichtige
Wort damit geſchrieben.
Freilich: träfe gleiche Strafe alle Schriftſteller von
Byzanz, es gäbe keinen zweiarmigen Menſchen mehr, der
ſchreiben kann.
Es geht nun etwas langſamer mit dem Schreiben
und müheſchwerer.
Und das iſt gut.
Man überlegt dann länger bei jedem Wort, ob es
der Mühe lohnt und ob es zu rechtfertigen iſt, es nieder
zu ſchreiben.“
„Ich babe mit wahrem Genuß,“ ſagte ver Gaſt,
„deinen Vandalenkrieg, Perſerkrieg und, ſoweit er vollen⸗
det iſt, den Gothenkrieg geleſen.
Es war bei meiner langwierigen Heilung mein
Lieblingsbuch.
Aber mich wundert, daß du nicht zu unſrem Freunde
Petros, zu den ultziagiriſchen Hunnen und ven Berg⸗
werken von Cherſon, geſchickt wurdeſt.
Wenn Juſtinian die Urkundenfälſchung fo ſchwer be-
ftraft, — wie fdwer mug er erft die Wahrhaftigkeit in
Geſchichtsurkunden ftrafen !.
Und du haſt feinen Wankelmuth, feinen Geiz, feine’
Seblgriffe in Wahl der Feldherrn und Beamten fo
58
ſchoönungslos gegeifelt — mid) wundert, daß du nod
ungeftraft bift."
„O id) bin nit ungeftraft,“ ſprach grimmig der
Hiftorifer.
„Er ließ mir den Kopf: aber er wollte mir die Ehre
nehmen.
Und nod mehr fie, diefe fine Tenfelin.
Denn id hatte angedentet, daß Suftinian ganz in
ihrem Gängelbande gebt.
Und gleich leidenſchaftlich will fle diefe Herrſchaft fort:
fesen und — verbergen.
So ließ fie mid) fommen, al8 meine Bücher erfdienen
waren.
Als id eintrat und diefe Blatter auf ihrem Sdofe
liegen fab, dachte id): Udraftaranfalanes nahm die Hand,
vie es gefdrieben, died Weih nimmt ven Ropf, der e8
gedacht.
Aber ſie begnügte ſich, mir von der Kline her den
kleinen goldnen Schuh zum Kuſſe darzureichen, lächelte
ſehr ſchön und ſprach:
„Du ſchreibſt griechiſch wie fein Andrer, Prokopius.
in unſrer Zeit.
So ſchön und ſo wahr!
Man hat mir gerathen, dich zu den ſtummen Fiſchen
im Boſporos zu verſenken.
Aber der Mann, der am Beſten die Wahrheit ſagte,
wo fie ung bitter klang, wird aud die- Wahrheit ſagen,
wo fie uns lieblich flingt.
39
Der befte Fadler Suftinians wird fein befter Lob-
redner werden. |
Deine Strafe fiir dein Bud her Iuftinians RKriegs-
werfe fet — ein Bud) fiber Suftinians Friedenswerke.
Du ſchreibſt im faiferlichen Auftrag ein Bud) über
ves Raifers Bauwerke.
Du fannft nidt leugnen, dak er darin Grofartiges
geleiftet bat.
Wäreſt du ein befferer Surift als vid) dein Lager⸗
leben bei dem grogen Belifar hat leider! werden faffen, —
Du müßteſt fein groRartigftes Dtofaif-Bau-Werk, feine
Pandekten, ſchildern.
Aber dazu reicht deine Rechts⸗-Bildung nicht aus,
tapfrer Schild⸗Knappe Beliſars.
(Und jie hatte recht, ber ſchöne Damon!)
Du wirft alfo die Bauwerke Suftinians fdreiben, du
fefbft ein Iebend Denkmal feiner Grogmuth.
Denn du wirft geftehn: fiir viel gelindre Dinge hat
unter friiheren aifern mander Schriftſteller Augen,
Naſe und Anvderes verloren, was nicht angenehm zu ents
bebren ift.
Golde Dinge hat fic) nod tein Imperator fagen
faffen und ven Freimuth obenein durd) neve Aufträge
belobnt.
Sollten dir aber freilid) die Bauwerke“ Buftinians
nidt gefallen, fo wilrdeft du diefe Gefdmadlofigfeit
nidt lange itberleben, beforge ic): — die Götter witrden
folden Undank durch rafden Lod beftrafen.
Gieh, viefe Belohnung habe id) vir ausgewirkt, —
60
Suftinian wollte did) nur zum Genator ernennen — Das
mit Du Dod) Redt behältſt mit deiner Behauptung von
Theodora’s verderblidem und allbeberrfdendem Einfluß.“
Und nodmals ein Kuß ihres Fußes, wobei fie
mir, muthwillig ſchäkernd, den kleinen, goldnen Schuh
auf den Mund ſchlug. —
Ich hatte vor der Audienz mein Teſtament gemacht. —
Nun fiehft du alfo, wie diefer Dämon in Weibers
geftalt fid) an mir radt!
Man fann ja wirklich vie Bauten Guftinians niche
ſchelten: man fann fie nur verſchweigen oder — Icben.
Schweige id, foftet’s mein Leben.
Rede id) und lobe id) nidt, foftet’s mein Leben und
meine Wahrhaftigkeit.
Ich muh alfo loben over fterben.
Und fo ſchwach bin id,” ſeufzte der Hausherr, .daß
id) {teber lobe und lebe.“
„Soviel Thukydides und Lacitus genoffen, — troden
und fliiffig’ — fprad der Gaſt und fdentte beider
Becher voll — ,und dod) fein Thukydides oder Tacitus
geworden.“
„Ich ließe mir lieber die linke Hand aud noch ab⸗
hauen von meinem langnamigen Freund, als dieſe Ban⸗
werke damit zu ſchreiben!“
„Behalte die Hand!
Und fdreibe mit derfelben, nad der offnen Lobfdrift
rer Bauwerle: — eine Gebeimfdrift der Schandwerle
Suftinians und Theodora's.“
Profopius fprang auf.
61
\
„Das ift teuflifd! aber grog!
Der Rath ift deiner wikrdig, Freund.
Dafür fdenfe ich dir eine der neun Muſen des
Herodot in meinem Keller, — mein ltefter, lauterſter,
edelfter Trank. — |
O, man foll ftaunen über diefe Geheimſchrift.
Has Unglück ift nur: ich kann das Aeußerſte von
Mord und Schmuz gar nidt ergablen.
Der Ekel bradte mid um.
Und man wird fdon das, was id) erzablen fann,
fay maflos itbertrieben halten.
, Und was wird die Nachwelt fagen von Prolopius,
ber ihr einen Panegyrikus, eine Kritik, und eine Mags
ſchrift aber Suftinian iberliefert 2"
„Sie wird fagen: er war der größte Geſchichtsſchreiber,
aber and) der Sohn und das Opfer, ded Kaiſerreichs
Byzanz.
Räche dich, ſie ließ dir deinen geſcheuten Kopf und
deine linke Hand:
Wohlan, deine Linke ſoll ja nicht wiſſen, was vor⸗
dem deine Rechte ſchrieb.
Zeichne das Bild dieſer Kaiſerin und ihres Gatten
für alle kommenden Geſchlechter auf!
Dann haben nicht ſie geſiegt mit ihren Bauwerken,
ſondern du mit deiner Geheimgeſchichte.
Den maßvollen Freimuth wollte ſie ſtrafen: nun
ſtrafe du ſie durch maßloſe Enthüllung der Wahrheit.
Jeder rächt ſich durch ſeine Waffe: der Stier durch
62
bas Horn, ver Krieger durch das Sdwert, der Schrift⸗
fteller purd) die Feder."
„Zumal,“ fprad Profop, ,,wenn ihm uur die Linke
blieb.
Sd) danke und folge vdeinem Rath, Cethegus: id
werde al8 Rade fiir vie Banwerke die ‚Geheimgeſchichte“
ſchreiben.
Aber nun iſt das Erzählen an dir.
Ich weiß den Gang der Dinge durch Briefe und
mündlichen Bericht der aus Rom Entflohnen ober vor
Totila frei gegebnen Legionare bis zu der Stunde, da
du zuletzt in deinem Hauſe geſehen, ja, wie man ſagt,
in deinem Hauſe gehört wardſt.
Erzähle nun, du Stadtpräfect ohne Stadt.”
„Sogleich,“ ſprach Cethegus.
„Sage mir nur nod: wie ging es mit Beliſarius
weiter in dem letzten Perferfeldgug 2”
„Nun, wie gewöhnlich.
Das ſollteſt du gar nicht mehr fragen müſſen!
Beliſar hatte vie Feinde wirklich geſchlagen und war
eben daran den Perſerkönig Chosrogs, des Kabades Sohn.
zu dauerndem Frieden zu nöthigen.
Da erſchien in ſeinem Lager Areobindos, der Schnecken⸗
pring, mit einem hinter Beliſars Rücken yu Byzanz bee
willigten Waffenftillftand auf ein halbes Faby.
Suftinian hatte längſt Verhandlungen mit Chosroés
angefniipft: er braudjte gerade Geld: ex ftellte fich wieder,
63
al8 ob er Belifarius nicht traue, und lie fiir fiinfs
bundert Gentner Gold den Perferfsnig entſchlüpfen, als
wir eben das Ney über ihm zuſammenſchlagen wollten.
Narfes war klüger. -
Mls ver Schnedenpring yu thm fam, anf ven fara-
ceniſchen Theil des Mriegsfdauplages, erflarte er: der
Bote miiffe ein Fälſcher oder verritdt fein, nabm ihn ges
fangen und fiihrte ven Krieg fort bis er die Saracenen
völlig gefdlagen hatte.
Dann ſchickte er den kaiſerlichen Boten mit einer
Entfduldigung nad) Byzanz: die befte Entfduldigung
aber waren die Schlüſſel und Schätze von fiebsig Burgen
und Stadten, welde er dem Feind während ves von
Belifar befolgten Waffenſtillſtands enfriffen hatte.”
„Dieſer Narſes ift —“
„Der größte Menſch der Zeit,“ ſagte Prokop.
„Auch den Präfecten von Rom nicht ausgenommen.
Denn er will nicht, wie vdiefer, ras Unmögliche. —
Wir aber, das heißt Belifar und ver Krüppel Pro-
fop, wir fehrten, tmmer grollend und ſcheltend und immer
pureltren und nie gewipigt, den Waffenftillftand mit
Zähneknirſchen haltend, nad Byzanz zurück. Und barren
nun bier neuer Auftrage, Lorbern und Fuftritte.
Gliiliderweife hat Antonina ihre Neigungen fiir
Blumen und Verfe anderer Manner anfgegeben: und fo
{ebt denn das Chepar, der Löwe und die Taube, gang
gliidlid) bier in Byzanz.
Belifar natürlich Tag und Nacht nur finnend, wann
Stebentes Capitel,
Cethegus that einen tiefen Bug ans bem vor ihm
ftehenden Becher, der in getriecbenem Golde einen Thurm
Darftellte. ; .
Gr war weſentlich verandert feit jener Nacht zu Rom.
Schärfer waren die Furchen an ven Schläfen: nod
fefter gefdlofjen ber Mund: die Unterlippe herb empor
gehoben: feltner fpielte- jeneS tronifde Lächeln um die
Mundwinkel, bas ihn verjiingte und verſchönte.
Die Augen waren nun gewöhnlich halb geſchloſſen.
Nur manchmal öffneten fie fic voll, ven gefürchteten
Bli¢ zu fprithen, ver nod) grimmiger durchbohrend traf.
Nicht alter, aber eiferner, ſchärfer, fdonungelofer
nod fdien er geworbden. :
„Du fennft," bob ex an, den anf der Dinge bis
zum Fall von Mom.
Ich fah in jener Nacht fallen die Stadt, vas Capi
tol, mein Haus, meinen Cäſar.
Der tradende Sturz dieſes Bilves ſchmerzte brens
nender al8 die Pfeile der Gothen und felbft ver Römer.
Dabhn, Cin Kampf um Rom. IV. 5
66
Die Sinne ſchwanden mir vor Schmerz und Born,
al8 id) ben Mörder meines Cafar ftrafen wollte.
Sd brad in der Bibliothek an der Statue des Bens
zuſammen.
Ich erwachte wieder durch den kühlen Hauch der
Nachtluft und des Tiberſtroms, — — der fdjon einmal,
por zwanzig Jahren, den Todwunden neu belebt.“
Eine finſtre Wolle zog über die mächtige Stirn.
„Davon ein andermal vielleicht — vielleicht auch
nie,“ ſprach er, eine Frage ſeines Wirthes abſchneidend.
„Diesmal hatter mich gerettet Lucius Licinins —
fein Bruder ift fiir Rom und mid) gefallen — und der
treue Maure, der wie durch ein Wunder dem ſchwarzen
Wütherich Leja entgangen war.
Bur BVorderthitre von diefem hinausgeſchleudert —
in feiner Gier, den Herrn zu erreichen, nahm fic der
Barbar nicht die Reit, den Diener gu morden — eilte
er an die Hinterthitre.
Dort traf er auf Lucius Licinins, welder, von mir
getrennt durch die Vollshaufen, erft jest mem Haus von
ver Geitengaffe her erreidte.
Beide eilten nun durch die geöffneten Thitren anf
ber Spur meines Bluteds bis in den Zeus⸗Sal mir nar.
Dort fanden fie mich bewuftlos: und batten gerade
nod Zeit, mid) in meinem Mantel wie eine leblofe
Ware zum Fenfter hinaus in den Hof hinab 3u laffen. —
Syphar war zuerſt hinabgefprungen und fing mid
im Herabgleiten auf aus ren Ganden des Tribuns.
Diefer fprang nad und nun trugen fle mid in
X
67
meinem Mantel raſch aus der Hinterthür des brennen⸗
den Hauſes hinab an den Fluß.
Dort war es nun ziemlich leer.
Denn alle Gothen und die gothenfreundlichen Römer
waren dem König auf das Capitol gefolgt, dort den
Brand zu löſchen.
Er hatte ausdrücklich befohlen — ich hoffe zu ſeinem
blutigen Verderben! — alle Nicht⸗Kämpfenden zu vers
ſchonen und nicht zu behelligen.
So ließ man denn auch meine beiden Träger überall
durch mit ihrer Laſt.
Man glaubte, ſie trügen einen Todten.
Und ſie glaubten es ſelbſt eine Zeit lang.
Im Fluß fanden ſie einen leeren Fiſcherkahn voller
Netze.
Sie legten mid hinein — Syphax warf meinen
blutigen Mantel mit dem purpurnen Abzeichen des
„princeps Senatus“ auf das Ufer, die Feinde gu täuſchen
— bedeckten mich mit Segeltüchern und Netzen und
ruderten den Fluß hinab, durch die noch immer brennen⸗
den Nachen hindurch.
Hinter dieſen erwachte ich: Syphar wuſch mir die
Stirn mit Tiberwaſſer.
Mein erſter Blick fiel auf das brennende Capitol.
Sie ſagen, mein erſter Ruf war: „Umkehren! das
Capitol!“
Und mit Gewalt mußten ſie den Fieberwirren halten.
Mein erſter klarer Gedanke natürlich war: ,,Wiedere
kehr! Widervergelten! Wiedergewinnung Roms!“
ae,
68
Sm Hafen Portus trafen wir etm italiſches Getreides
ſchiff.
Darauf waren ſieben Ruderer.
Meine Retter hielten an dem Schiff, ſich Brod und
Wein zu erbitten.
Denn beide waren auch verwundet.
Da erkannten mich die Ruderer.
Einer wollte mich gefangen den Gothen ausliefern,
hoher Belohnung gewiß ...
Aber die andern ſechs waren alte Schanzarbeiter von
mir an dem Grabmal Hadrians: id hatte fie Jahre
lang genährt.
Sie erſchlugen den ſiebenten, der laut die Gothen
heran rief, und fie verſprachen Lucins, mid) gu retten,
wenn fie trgend vermöchten.
In hohen Getreidehaufen bargen fle mid vor den
gothifden Wachtſchiffen, welde die Ausfahrt des Hafens
hüteten.
Lucius und Syphar ruderten mit in Schiffertracht.
So entkamen wir.
Aber am Bord dieſes Schiffes war ich dem Tode
nah durch meine Wunden.
Nur des Mauren Pflege und die Seeluft hat mich
gerettet.
Tage lang, ſagen fle, ſprach ich nur die Worte:
wom, Capitol, Cäſar.“
Gelandet auf Sicilien bei Panormos im Schutz der
Byzantiner, genas id) raſch: mein alter Freund Cyprianns,
der mich einſt zu Ravenna in den Palaſt Theoverichs
69
eingelaffen, ba id) Prafect von Rom werden follte,
enpfing mid) dort al8 Hafen-Ardon.
Raum genefen, ging id) von Gicilien nad) Rleinafien
oder wie ihr fagt, Wfiana, auf meine Güter — du weift,
id) hatte herrliche Latifundien bet Gardes, Philadelphia
und Tralles.“ —
„Du haſt fie nicht mehr, — die ſäulenreichen Villen?“
„Ich verkaufte ſie Alle.
Denn ich mußte doch ſofort auf's Neue Söldner
werben, Rom und Italien zu befrein.“
„Tenax propoſiti!“ rief ſtaunend Prokopius.
„Du haſt die Hoffnung noch nicht aufgegeben?“
„Kann ich mich ſelbſt aufgeben?
Mit dem Erlös — er war nicht klein: die Villen
an der Küſte bei Epheſos und Jaſſos ließ Furius Ahalla
kaufen — ging ich zu meinen alten Gaſtfreunden im
Lande der Iſaurier, Armenier und Abasgen.
Einen Iſaurerfürſten mußte ich todtſchlagen, weil er
nachts mein Zelt überfiel und mein Gold ohne andere
Gegenleiſtung als einen Dolchſtoß gewinnen wollte.
Darauf warb ich der Söldner eine gute Zahl.
Aber freilich: Narſes hat ſie theuer gemacht, er ver⸗
wöhnt ſie und verdirbt das Geſchäft.
Sie ſterben nicht mehr ſo billig wie früher.
Er hat viele tapfre Häuptlinge für ſich gewonnen.
Ich mußte mid) nod) nad) andern Völkern umthun.
Nun ſitzt da unten in Pannonien ein nicht gar
volkreicher, aber ſehr wilder und tapfrer Germanenſtamm,
den ich durch deine Schilderungen, o Vortrefflicher, erſt
⸗
70
recht entdeckkt — durch feine blutigen Rriege mit den
Gepiden befannt."
„Ah,“ rief Profop, ,,die wilden Langobarden !
Gott Gnade deinem Stalien, wenn die je einen Fuß
hinein ſetzten.
Der Langobarde iſt wie der Wolf im Vergleich mit
bem Schäferhund, dem Gothen, gegen das goldoließige
Sdaf Italien.“
„Rom foll aber felber wieder die alte Wölfin werden.
Sd wiirde fie {don wieder hinaus fdaffen aus meinem
BVaterland, vie Barbaren ves Alboin!
Bu diefen Langbarten — denn das foll de Namens
Ginn fein — hab ih Licinius auf Werbung gefdidt.
Mich freut e8 ganz befonders,“ ſchloß er grimmig,
»Sermanen durch Germanen gu verderben.
Rom gewinnt bei jeder Wunde, die fic Langobarde
und Gothe hauen.“
„Du haſt die Weisheit des Tiberius aus deinem
Tacitus gelernt.
Aber laß den Tacitus ſtehn — er iſt zu herbe.
Hier iſt ein ausgezeichnetes Getränk: Ammianns —
Marcellinus !
Wirklich ein geiſtreicher Geſell!“
„Wie wird man dereinft ,Profopius’ beim Trinfen
beurtheilen 2
„Bauwerke,“ fagte diefer: „muffig.“
„Perſer- und Bandalen+ Krieg": „goldklar“, ſprach
Cethegus.
71
„Gothenkrieg — gu fauer," meinte deren Berfaffer
den Mund vergtehend.
„Aber Geheimgeſchichte“: lächelte Cethegus, —, prickelnd:
— am Schluß der Malzeit nur tropfenweis zu ſchlürfen.“
„Bah, ein Brechmittel,“ ſagte Prokop, ſich ſchüttelnd.
„Ich ſelbſt aber," fuhr Cethegus fort, „eilte hierher in
die Höhle eures — ſoll ich ſagen: Löwen?“
„Das wäre zu viel geſagt,“ meinte Prokop: „ſelbſt in
den Bauwerken ſoll keine ſolche Lüge ſtehn.“
„Nun alſo: eures Fuchſes oder Hamſters.
Denn ich bin nicht ſo kühn wie der große Beliſarius,
mir einzubilden, mit Söldner⸗Haufen allein die Gothen
zu beſiegen.
Dieſe Barbaren haben das unverſchämte Glück, ein
Volk zu ſein.
Ihr König iſt ihres Volksthums lebendiges Symbol.
Es iſt aber ſehr ſchwer, ein Volk zu beſiegen.
Auch ein ſo plumpes, thöriges, dumpfes Volk wie
dieſe Barbaren.“
„Namentlich,“ ſprach Prokop beipflichtend, „ein Volk bes
ſiegen — ohne cin Volk.“
‚„Aber Byzanz iſt, wenn fein Volk, ein Staat.
Dieſer Staat ohne Volk kann das Volk ohne Staat
vernichten.
Denn das iſt ja kein Staat, was dieſe Gothen ihr
Neich“ nennen.
Es iſt nur die ſeßhaft gewordene Horde.
Haben ſie nicht unter jenem Witichis drei Heere in
Waffen gegeneinander gehabt!
72
Golder Thorheit, Unreife, Barbaret ift and das
Byzanz deiner Geheimgeſchichte nod Aberlegen.
Raifer Juftinian hat ja fein Wort verpfandet, Italien
gu befreien.
Wohlan, er foll gemahnt werden, es gu löſen.
Ich will ihn mahnen, fo lange bis er's thut.“
„Da wirft du lang nod) mabnen miiffen.“
„So ſcheints. Religion, Ruhm, Gold, nichts ſcheint
thn mehr zu rühren.
Lah ſehn, ob nicht die Furcht ihn rührt.“
„Die Furcht? Vor wem?“
„Vor Cethegus — und vor dem — Unbekannten.
Ungenanntes Grauen iſt ſtets das Stärkſte. —
Natürlich hoffte ich lebhaft auf die Kaiſerin.
Wir kannten uns in der Jugendzeit. —
Und wir wußten unſre Vorzüge gu ſchätzen ſchon da⸗
mals. —
Sie war das ſchönſte Weib, das ich — bis damals
— geſehn.
Und ich — nun: ich —“
„War Cethegus,“ ſagte Prokop.
„Aber bei aller alten Neigung, die ſie nicht ver⸗
leugnete, als ich nun wieder vor ſie trat: die Kaiſerin
war nicht für meinen Krieg.
Ich verſtehe ſie darin nicht recht.
Sie hält es plötzlich für chriſtlicher, Kirchen zu bauen
als Städte zu verbrennen.
Woher dieſe Wandlung?
Sie ift doch nod zu jung für die allgemeine Wande⸗
73
rung ihresgleichens von — nun, ſagen wir: von Kypros
nach Golgatha.“
„So weit du nicht,“ fiel Prokop ein, ,was außer
Suftinian und div — verzeih: Rom geht vor Byzanz:
was auger dir und Suftinian — das ganze Oftreid) weiß?
Die. fine Kaiſerin ift frank, ift innerlich vergehrt
von einem furdtbaren Leiden. .
Du ftaunft?
Sa, fie ertrdgt nicht nur, fie verbirgt e8 aud) mit
unerreidter Willensfraft wor Suftinian.
Denn diefer größte und kleinſte aller Selbftlinge haft
vie Kranfen: er kann nidts in feiner Mabe haben, was
an Leiden und Sterben mabnt.
So gewaltig ihn bie Kaiſerin beherrſcht, — id bin
gewiß, entdedte er iby Leiden, er fchidtte fie, zärtlich bee
forgt, zur Heilung im die fernfte Stadt ves Reiches.
Hat er es dod mit Germanus ähnlich gemacht, den
er aufrichtig geliebt.
Darum trägt die Kaiſerin Höllenqualen mit lächeln⸗
dem Munde.
Furchtbar ſollen ihre Nächte ſein.
Aber bei Tage, in der Nähe des Kaiſers, an der
Tafel, in ver Kirche, bei den Circusfeften birgt fie ihre
Schmerzen mit übermenſchlicher Kraft.
Aud ihre Schönheit hat faum merklich gelitten.
Denn unerſchöpflich ift das Arſenal ihrer Schönheits⸗
künſte.
Nur noch zarter iſt ſie geworden.
Aber faſt noch gewaltiger an beherrſchendem Geiſt.“
72
Solder Thorheit, Unreife, Barbaret ift aud) das
Byzanz deiner Geheimgefdichte noc Aberlegen.
Raifer Suftinian bat ja fein Wort verpfandet, Italien
zu befreien.
Wohlan, er ſoll gemahnt werden, es zu löſen.
Ich will ihn mahnen, ſo lange bis er's thut.“
„Da wirſt du lang noch mahnen müſſen.“
„So ſcheints. Religion, Ruhm, Gold, nichts ſcheint
mehr zu rithren.
Laß ſehn, ob nicht die Furcht ihn rührt.“
„Die Furcht? Vor wem?“
„Vor Cethegus — und vor dem — Unbekannten.
Ungenanntes Grauen iſt ſtets das Stärkſte. —
Natürlich hoffte ich lebhaft auf die Kaiſerin.
Wir kannten uns in der Jugendzeit. —
Und wir wußten unſre Vorzüge gu ſchätzen ſchon da⸗
mals. —
Sie war das ſchönſte Weib, das ich — bis damals
— geſehn.
Und ich — nun: ich —“
„War Cethegus,“ ſagte Prokop.
„Aber bei aller alten Neigung, die ſie nicht ver⸗
leugnete, als ich nun wieder vor ſie trat: die Kaiſerin
war nicht ſür meinen Krieg.
Ich verſtehe ſie darin nicht recht.
Sie hält es plötzlich für chriſtlicher, Kirchen zu bauen
als Städte zu verbrennen.
Woher dieſe Wandlung?
Sie iſt dod) noch zu jung für die allgemeine Wande⸗
ih
=
73
rung ihresgleichens von — nun, fagen wir: von Rypros
nad Golgatha.“
„So weikt du nidt,” fiel Profop ein, was auger
Suftinian und div — verzeih: Rom geht vor Byzanz:
was auger dir und Suftinian — das ganze Oftreid) weiß?
Die. fine Raiferin ift trank, ift innerlich verzehrt
von einem furdjtbaren Leiden. .
Du ftaunft?
Sa, fie evtragt nicht nuv, fie verbirgt es aud) mit
unerreidter Willensfraft vor Suftinian.
Denn diefer größte und Heinfte aller Selbftlinge haßt
pie Kranken: ex fann nidts in fener Mabe haben, was
an Leiden und Sterben mabnt.
So gewaltig ihn die Kaiſerin beherrſcht, — ich bin
gewiß, entbedte er ihy Leiden, er ſchickte fie, zärtlich bee
forgt, zur Heilung in die fernfte Stadt ves Reiches.
Gat er es doch mit Germanus ahnlid gemadyt, den
er aufrichtig geliebt.
Darum trägt die Kaiſerin Höllenqualen mit lächeln⸗
dem Munde.
Furchtbar ſollen ihre Nächte ſein.
Aber bei Tage, in der Nähe des Kaiſers, an der
Tafel, in ver Kirche, bei ven Circusfeſten birgt fie ihre
Schmerzen mit iibermenfdlider raft.
Aud ihre Schönheit hat faum merklich gelitten.
Denn unerſchöpflich ift das Arfenal ihrer Schönheits⸗
künſte.
Nur noch zarter iſt ſie geworden.
Aber faſt noch gewaltiger an beherrſchendem Geiſt.“
74
„Ein wunderbares Wer."
Ja, und fo febr fle im Kleinen ihre Liften und Ranke
Pflegt: — in grofen Dingen, in Fragen des Staats
Lagt fle nie von ihrer Ueberzeugung.“
„Nie. Over dod) nur ſchwer.
Schon wollte ver Raifer die Friedensvorfdlage der
Wothen annehmen: Caſſiodorius und: — ein Andrer
follten fiegen ber mich. —
Theodora fprad nicht für den Krieg — und Wes
ſchien für mid) verloren.
Da fiel mir nocd tm legten Ungendlid em, auf ihre
Frömmigkeit gu wirken.
Ich erſuhr durch fie ſelbſt, daß Juſtinian die beiden
Geſandten zu günſtigem Beſcheid in den Palaſt berufen.
Am gleichen Mittag eilte ich zu ihr und ſprach:
„Du baueſt den Heiligen neue Kirchen mit allem
deinem Golde.
Du kannſt doch höchſtens noch hundert bauen.
Und trittſt du Italien den Gothen ab, ſo entreißeſt
du für immer mehr als tauſend Kirchen Chriſtus, dem
Gottesſohn, und überweiſeſt fie ſeinen verhaßten Feinden.
den arianiſchen Ketzern.
Glaubſt du, das wiegen deine hundert Bauten auf?
Das wirkte.
Erſchrocken ſprang ſie von dem Lager auf und rief:
Nein, das iſt eine Sünde, die ich nicht begehen will!
Sind wir zu ſchwach jene Kirchen den Ketzern zu
entreißen, wollen wir body nimmermehr fie ihnen aus⸗
drücklich zuerkennen.
75
NiemalS darf ver Raifer ihnen Stalien friedlid
itberlafjen.
Dante dir, Gethegus: mande gemeinfame Sünde
unfrer Jugend werden uns die Heiligen vergeben, weil
du mid) abgebalten von dieſer ſchwerſten Sünde.“
Und ſie lud ihren Gemahl zu ſich zur Tafel: und
unter ihren Blumen, Gebeten und Küſſen entbrannte
Suftinianus für die Sade Chriſti, verwarf die Friedens⸗
vorſchläge und der weiſe Caſſiodorius zog unverrichteter
Dinge ab.
Der Friede iſt verhütet.
Den Krieg ſofort zu erzwingen hab' ich noch kein
Mittel.
Aber ich werde es finden.
Denn Rom muß frei werden von den Barbaren.“
Und ruhig hielt Cethegus inne, ergriff den Becher
und trank: aber in ihm loderte tief verhaltne Leidenſchaft.
Actes Capitel.
Protopins legte ihm die Hand auf vie Schulter und
ſprach:
„Höre, Cethegus, ich ſtaune.
Sd ſtaune, daß in unfrer Beit des Niedergangs in
einer Mannesbruſt nod ſolche Kraft wohnt.
Und foldes Feuer gliht fiir ein hohes, uneigens
nütziges Biel, wie vie Freibeit Roms.
Get diefes Biel immerhin, wie th glanbe, em glans
zende8 Sraumbild.
Und weil vies Biel nicht ein felbftifdes: — darum
verzeihe id) dir die mancherlei krummen, dunkeln Pfare,
auf Denen du gewandelt bift.
Und andre Leute, wie gum Beifpiel Beliſar wand
mid, haſt wandeln laſſen, durch Arglift und Frebdel bine
durch.
Von vem Tag an, da ich dein Biel ald ein ſelbſtiſches
erfennen miifte — bet aller Bewunderung deines Geiftes,
deiner Kraft — ich müßte dir die alte Freundſchaft
finden.“
Gethegus aber ladte.
77
„Hör' ich noch immer aus deinem Mund die halb
platoniſche, halb chriſtliche Ethik, mie in ver Schule, zu
Athen!
Alter Zögling du des Kaiſerhofes und ves Fild⸗
lagers — haſt pu noch immer dieſe Mädchen-Moral?
Selbſtiſch — Unſelbſtiſch!
Was, wer iſt denn unſelbſtiſch?
Wer kann es ſein?
Jeder will in jedem Augenblick, was er wollen muß.
Ob ich der Befreier Roms werden will oder etwa
ſein Tyrann —: beides iſt gleich ſelbſtiſch.
Denn die Liebe iſt die größte, weil die ſüßeſte
Selbſtſucht.“
„Und Chriſtus? ſtarb er vielleicht auch ans Selbſt⸗
ſucht 2"
„Gewiß: aus einer edeln Schwärmerei!
Sein Egoismus galt ver Menſchheit!
Gie hat ihm vanad) vergolten: gekreuzigt haben fle
thn fiir feme Liebe.
Wie Inftinian dem Belifar, wie Rom dem Cethegus
vergilt.
Die Selbſtſucht der Schwächlinge iſt erbärmlich: die
der Starken großartig.
Das iſt der einzige Unterſchied der Menſchen.“
„Nein, Freund! Das iſt die Sophiſtik einer ſtarken
Leidenſchaft.
Das Höchſte iſt: das Gute nur durch gute Mittel
anſtreben.
78
Bu diefem Höchſten ift Profop gn Mein, dte Reit gu
ſchwach.
Aber laß uns wenigſtens durch böſe Mittel nur dem
Guten dienen: nicht dem Böſen, nicht der Selbſtſucht.
Wehe mir, wenn ich einſt an dir irre werden müßte.
Ich glaube an den Schwert⸗Helden Beliſar, an den
Geiſtes⸗Helden Cethegus.
Wehe, wenn mir aus meinem Heros Cethegus einſt
ein Dämon würde.
Ich begreife, daß die Menſchen dich ſcheuen, dich
fürchten wie Lucifer, den gefallnen Engel des Morgen⸗
ſterns.
„Alle ſeine Feinde erliegen vor ihm, ſagte mir einſt
Antonina, die dich abergläubiſch fürchtet.“
Und ſie hat Recht.
Gothelindis, — Petros, unſer pfiffiger Schulkamerad,
ber jetzt Marmor ſägt und Steine klopft bet den Hunnen,
— Pabſt Silverius, ven der Kaiſer immer nod auf
Gicilten gefangen halt, wie Scivola und Albinus: —
bem bat er feine Geele, d. h. fein Geld genommen.”
„Ich könnte die Beifpiele nod mehren,“ fagte Sethe
gus, vie Brauen zuſammen giehend.
Uber ick) will vie zürnenden Schatten nidt herauf
beſchwören aus ihrer Grabesruhe.
Mur den dicken Balbus,” lachte ev, „will id exe
wähnen.
Ich hatte ihm die Ehre zugedacht, wie Gottes Sohn
zu ſterben.
79
Aber er hat ſich feinem Gott, d. h. feinem Vaud,
freiwillig geopfert.
Bon Ouintus Pifo, ven ver Barbarenfsnig aus
ber Gefangenfdaft ohne Löſegeld entliek, wie den Marcus
Maffurius und Salvius Julianus, erfubr id fein Ende.
Er beftad die gothifden Warden, welde das Unmaß
des Freſſens ver Heißhungrigen verbhiiten follten, mit
feinen letzten Goldfſtücken, ihn effen gu laffen, fo lang
er wollte.
Gr af drei Stunden.
Su ber vierten war er todt.
Er ftarh im Dienft.
Uber was bilft all’ bas Berderben meiner fleinen
Feinde?
So lang in Rom ein Feind triumphirend thront,
ber wahrlich groß iſt“ — und er hielt inne, dann fuhr
er grimmig fort — „aber nur an ſinnloſem, maßloſem
Olid.”
»Bift bn nicht ungeredt gegen diefen König Totila?
Wird nicht dereinft fein Gefdichtfdreiber anders — 2"
woo) aber bin nicht dereinft fein Geſchichtſchreiber.
Ich bin jetzt fein Feind bis gum Tove.
. Ga, der Lag, da diefes Knaben Hergblut mir von
bes Speeres Spige trauft — id) mug ihn nod erleben.
Begreifen fann id) Achilleus, der die Leiche des ere
ſchlagnen Hektor drei mal um die Walle fdleift.
Seit ich guerft timpfe um mein Rom, fteht immer
und imimer wieder, und meiftend fieghaft, diefer Blond-
fopf mit bem Mtadden-Antlig mir entgegen.
80
Gr hat mir meinen Liebling und mein Rom und
zulegt nod) meinen edeln Pluto genommen: wie Pifo
erzählt, fanten fie, den Reiter verfolgend, dad Roß. wo
es Syphax geborgen am Tiber: und ver Barbar hat
von aller rimifden Bente nur das Roß des Prafecten’
fiir fic) genontmen. |
Schleudre ihn dod, mein Pluto, fopfitber und zer⸗
ſtampfe ibm mit den Gujen das Hirn.“
„Du haſſeſt heiß!“
„Ja, dieſen haß' id) nicht nur aus Vernunft: ans
angeborner Feindſchaft der Natur.
Als id ihm das Forum romanum räumen mußte,
hab' ich's ihm gelobt: er ſtirbt von meiner Hand.
Aber,“ ſchloß er ſich beruhigend, „wann? wann?
Wann find' ich das Mittel, dieſen trägen Coloß, den
man Juſtinianus, den Kaiſer der Romäer nennt, auf das
Sothenreid yu ſtürzen?
Wann ruft das Sdhidfal wieder mit ehernem Tuba⸗
ton mic) anf mein groges Sdhladhtfeld Stalien ?“
Da drangte fid eilfertig Syphax durch vie Vorhange
des Gemads.
„Herr,“ fprad) er, fic) neigend, „ich heiſche Boten⸗
Lohn.
Es hat irgendwo gewittert: — es zieht wohl raſch
gegen dieſe Stadt.
Es braut und ſpinnt was in der Luft.
Im goldnen Palaſt iſt geſchäftige, unheimliche Be⸗
wegung.
Wachen ſind an alle Thore geſchickt, eintreffende
81
Boten fogleid in gefdlognen Sänften gum Kaiſer gu
führen.
Die Boten ſollen mit niemand ſprechen.
Und ſoeben gab in deinem Hauſe ein goldgleißender
Sklave dieſen Brief ab — von der Kaiſerin.“
Haſtig riß Cethegus die Purpurſchnüre hinweg von
dem Siegel, der Taube — war es die von Kypros oder
die vom Pfingſtfeſt? — und las:
„An den Jupiter des Capitols.
Verlaſſe morgen dein Haus nicht, bis ich dich
entbiete.
Morgen rufen dich dein Schickſal und — Kypris.“
2
Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 6
Uenntes Capitel.
Am anvern Morgen ftand Raifer Juſtinian ix
tiefem Nachdenfen vor dem hohen, beiligen Goldkreuz in
feinem Gemach.
Sein Ausdruck war fehr ernft, aber nicht beſtürzt
und nicht zweifelig.
Entſchloſſne Rube lag heute anf feinen Biigen,
weld, fonft nicht ſchön oder edel, in diefem Angenblid
Geiſtesſchärfe und Ueberlegenbeit verriethen.
Gr erhob Stirn und Augen faft vrohend gegen das
Goldkreuz und fprad:
„Auf Harte Broben, Gott ves Rrenjes, ftellft du
Leinen treuen Rnedt!
Mir ift, Herr Chriftus, ich hatte Vefferes um did,
von Dir verdient!
Du weit ja dod, was Aes ich gethan, gu deines
Namens Chre!
Warum triffft vu mit veinen Schlägen nidt deine
Geinve, die Heiden, die Reger? Warum mid ?
Aber da du's nun einmal fo gewollt, follft du ers
83
fahren: Suftintanus kann nod mehr als Rirden bau'n
und Bilder weihn.“
Und er fdjritt durch das Gemach: fein Blid fiel auf
die Biiften ver Raifer, welche hier an den Wanden auf
Heinen Godeln prangten.
„Großer Conftantinus, Gründer viefes Oſtreichs,
Schirmherr des rechten Glaubens!
Bangſt du für dein Werk?
Bange nicht: getroſt! du haſt's gebaut und Juſtinia⸗
nus wird's erhalten.
Ihr andern Alle hattet's leicht, groß ſein, Großes
ſchaffen —
Auguſtus — die Antonine — Trajanus — Hadrias
nus — ihr alle wart noch im Aufgang oder auf den
Höhen.
Ich aber ſoll das Rad aufhalten, das von dem
Gipfel nieder rollt.
Und ich will's aufhalten.
Und ich hab' es ſchon aufgehalten.
Und hab' es mühevoll auch wieder ein gut Stück
empor gehoben.
Ich ſehe euch getroſt ins Antlitz: ich ſchäme mich
nicht vor euch.
Wo iſt der wilden, ketzeriſchen Vandalen Reich?
Der Enkel Geiſerichs, des gefürchteten Seekönigs,
kniete vor mir im Hippodrom.
Laß ſehen, ob Juſtinian nicht wie Karthago auch
Rom zurückgewinnt.
6*
84
Gie wollen ven Frieden ertrogen, die Barbaren, in
Stalien: fie follen ihn finden, ben Frieden des Grabes !"
Da meloete der BVelarius:
„Herr, der Genat ift verfammelt im Gale von
Serufalem.
Die Kaiſerin betritt foeben vie Ldwentreppe.“
„Gut,“ fagte Suftinian, „geh.
Die Stunde der Pritfung ift gefommen fiir Theodora.
Und fir fie alle, die fic) meine Rathe nennen.
Gie find nie verlegen, wenn eS fleine Mittel gilt
fiir kleine Ziele.
Wenn ſie, behaglich auf den Seidenpolſtern ſitzend,
Verbannung und Confiscation über ihre Amtsgenoſſen
rechtfertigen ſollen, wie ſcharfſinnig, wie erfinderiſch
ſind ſie!
Des Reiches und des Kaiſers Majeſtät iſt das
Alpha und Omega dieſer Sklavenlippen.
Laß ſehen, ob ſie auch heute dran gedenken.
Nur heute verſage mir nicht, du höchſte Kunſt des
Herrſchers: undurchſchaubare, tief ausholende Verſtellung.
Heute gilt es, eure Kraft erproben, ihr Staats.
manner von Byzanz.
Sh ahne, wie iby beftehen werbet.
Und mid freut’s.
Cure Erbärmlichkeit ift die befte Stütze meines
Throng.
Und die befte WRedtfertigung meines Regiments.
Klar foll eud) werden in eure erſchrocknen Seren
85
hinein, daß ihr einen Zwingherrn braudt, iby feigen,
ehrloſen, rathlofen Sklaven!“ —
Da erſchienen die Kämmerer, das Ankleide⸗-Perſonal.
Juſtinian vertauſchte nun das Morgengewand mit
der kaiſerlichen Staatstracht.
Knieend halfen ihm dabei die Veſtiarii.
Er legte die weiße, bis an die Kniee reichende
Tunica an von weißer Seide, an beiden Seiten mit
Gold beſetzt und durch einen purpurfarbnen Gürtel ge—
halten: auch die ganz eng anſchließenden Beinkleider
waren von Seidenſtoff und Purpurfarbe.
Ueber die Schulter warf ihm der Mantel⸗Sklave den
prachtvollen Kaiſermantel von hellerer Purpurfarbe mit
breitem Clavus (Saum) von Gold, in welchem rothe Kreiſe
und in grüner Seide geſtickte ſymboliſche Thiergeſtalten,
zumal Vögel, wechſelten; aber die verſchwenderiſch dar⸗
über geſtreuten Perlen und Edbdelſteine machten die
Zeichnung kaum erkennbar und den ganzen Mantel ſo
ſchwer, dag die Hülfe ver Schleppträger nicht uners
wünſcht ſein mußte.
Jeden Unterarm bedeckten drei breite goldne Arm⸗
ringe.
Das Diadem, links und rechts breit vom Kopf ab⸗
ſtehend, von maſſivem ſchwerem Golde, war von zwei
Perlenbogen überwölbt.
Den Mantel hielt auf der rechten Schulter eine
koſtbare Spange mit großen Edelſteinen.
In die Hand gab ihm der Scepter⸗Verwahrer den
über mannslangen goldnen Herrſcherſtab, der oben
86
vie Weltfugel aus einem einzigen grogen Smaragd und
darauf das Goldkreuz trug.
Feſt ergriff ihn der Raifer und fprang von der
Kline auf.
„Noch die Gandalen, Herr, dte Kothurn-Sandalen,“
mahnte ein Enieender Kammerer.
pein, heute braud id) feinen Kothurn,“ fprad
Suftinian und fdritt aus dem Semad.
Ueber vie LEwentreppe, benannt von vier und zwan⸗
31g aus Rarthago von Beltfar eingebradten hohen
Marmorliwen, welde die zwölf Stufen won beiden
Seiten bewachten, ftieg ber Raifer in ein tieferes Gee
fog und in den grogen Berathungsfal des Palaftes,
den „Sal von Jeruſaleni“.
Diefer trug feinen Namen von den Porphyrfaulen,
Onyr⸗Schalen, Goldtifden, und zahlloſen Goldgerathen,
welde, an den Wänden und auf Halbjaulen angebradt,
ver Ueberlieferung nad) vereinft den Tempel von Jeruſa⸗
lem geſchmückt.
Von dort hatte Titus nad der CEroberung der
Stadt dieſe Schätze nad) Rom entfiihrt.
Aus Rom hatte fie ver Meertinig Geiſerich auf
feinen vanvalifden Drachenſchiffen, gleidyettig mit der
Raiferin Cudozia, nad feiner Hauptftart Rarthago ges
tragen.
Und nun hatte ſie Beliſar aus Afrika dem Kaiſer
des Oſtreichs zugeführt.
Die Kuppel des Sales war dem Himmelsgewölbe
nachgebildet, aus koſtbaren blauen Halbedelſteinen zu⸗
87
fammengefiigt: und auger der Gonne, dem Mond, dem
Auge Gottes, rem Lamm, dem Fiſch, den Vögeln, der
Palme, der Rebe, dem Ginhorn und andern driftlichen
Symbolen war ver ganze Zodiakus und waren zahlloſe
Sterne aus maffivem Golde in die Mofaitarbeit eingelaffen.
Die Koſten diefer Kuppel allen fdlug man in
Byzanz fo hod an alS vas Gefammtertragnig der
Grundftener des ganzen Reiches, fiir fiinf und vierzig
Sabre.
Gegenitber den drei hohen Cingangbogen, welde
pon Vorhangen gefdloffen und auerhalb ves Gales —
es war der eingige Cingang — von der faiferliden
Leibwade der ,,Goldfdiloner’ in dreifacher Kette ges
hütet waren, erhoben fic) in ver Tiefe ves halbrunden
Gales ver Chron des Raifers und, links von diefem,
etwas niedrer, Der Der Raiferin.
Als Guftinian ven Sal betrat mit großem Gefelge
ver Balaftdiener, warfen fid) alle Verfammelten, die
höchſten Witrdentrager des Reiches, auf vas Antlig gu
vemiithiger Proskyneſe.
Aud) vie Kaiſerin erhob fic), beugte tief vas Haupt
und freujte die Arme auf ver Bruft: ihre Kleidung war
per des Gemals ganz ähnlich: aud) thre weiße Stola
fiberwallte rer Burpurmantel, weldem jedoch rer faiferlide
Clavus feblte.
Auch fie trug ein Scepter, aber nur ein gang furges,
aus Glfenbein.
Ginen matten, aber veradtungsvollen Blick warf die
Herrſcherin über vie Patriarden, Erzbiſchöfe, Biſchöfe,
88
Patricier und Senatoren, welche, über dreißig an der
Bahl, die im Halbtreis aufgeftellten goldnen Stühle mit
den Seidenpolftern fiillten.
Durd ven in ver Mitte den Gal durchſchneidenden
Gang fdritt nun Juftintanns und beftieg mit rafdjem,
ſichrem Schritt feinen Thron, das Scepter fdwingend.
Zwölf der erften Palaftheamten ftanden auf den Stufen
der beiden Throne, weiße Stabe in den Handen.
Trompetenfdall gab nun den anf das Antlig Gee
funtnen vas Zeichen, fic gu erbeben.
Wit haben euch berufen,” hob ver Raifer an,
~wWeilige Biſchöfe und erlaudte Senatoren, im ſchwerer
Gade euren Rath gu Hiren.
Uber warum fehlt unfer Magifter Militum per
Orientem, Narfes 2"
„Er ift geftern erft aus Perfien eingetroffen — er
liegt ſchwer krank gu Bett," meldete der Proto⸗Keryr.
„Unſer Quaftor ſacri palatit Tribonianus ™
„Iſt nod nidjt guritd von deiner Gendung nad)
Berytus um vie Covices.“
„Warum fehlt BVelifarius, unfer Magifter Militum
per Orientem extra Ordinem 2"
„Er wohnt nidt in Byzanz, fondern drüben in
Ufien, in Syeae, tm rothen Haufe.“
„Er Halt fich ſehr abfeits im rothen Haufe.
Das mißfällt uns.
Was entgicht ev ſich unfrem Blick?“
„Er war dort nidt zu finden.”
89
„Auch nidt im Hauſe feines Freigelafinen Photius,
im Dtufdelhaus 2"
„Er war auf die Jagd geritten, die perfifden Jagd⸗
Leoparden gu erproben,“ fagte Leo, dev comes fpathas
riorum.
„Er iſt nie da, wenn man ihn braucht.
Und immer, wenn man ihn nicht braucht.
Ich bin nicht zufrieden mit Beliſarius. —
Vernehmt nun, was geſchehen, was uns in den letzten
Tagen durch viele Briefe zuging: zuletzt ſollt ihr auch
mündlichen Bericht der Boten hören. —
Shr wißt: wir haben den Krieg in Italien eins
ſchlafen laffen, weil wir — andre Aufgaben batten fiir
unfre Feldherrn.
Shr wißt: der VBarbarentinig bat um Frieden, um
Ueberlafjung Staliens.
Wir wiefen das damals ab, gelegne Beit erwartend.
Antwort hat der Gothe nicht in Worten, in ſehr
verwegnen Thaten gegeben.
She wißt nod) nicht davon: — niemand in Byzanz
— wir behielten die Nachricht für uns, ſie unmöglich
oder doch übertrieben erachtend.
Aber wahr iſt Alles, was gemeldet ward: vernehmt
und rathet.
Eine Flotte und ein Heer hatte der Barbaren⸗
König nach Dalmatien geſchickt in aller Heimlichkeit und
Eile.
Die Flotte lief in den Hafen von Muicurum bei
90
Galona: und vas gelandete Heer nahm die fefte Stadt
nit Sturm.
Ebenſo überraſchte vie Flotte die Geeftadt Laureata.
Glaudianus, unfer Befehlshaber zu Salona, fdidte
zahlreiche und ftarf bemannnte Dromonen, den Gothen
die Stadt wieder gu entreigen.
Aber in einer großen Seeſchlacht ſchlug ein Gothen-
Herzog, Guntharis, dieſe unfere Flotte dermaßen, daß er
alle Dromonen ohne Ausnahme eroberte und fiegretd
in den Hafen von Laureata einfithrte.
Cine zweite Flotte von vierhundert großen Schiffen
riiftete der König bei Centumcellä ans.
Sie war meiftentheils gebilret aus unfern Dromo⸗
nen, welde, vom Orient aus nad) Gicilten für Belifar
gefendet, in Unkenntniß, dag die italifden Häfen
wieder in der Hand ver Gothen, mit aller Bemannung
und Labung waren weggenommen Worden von einem
Wothengrafen Grippa.
Das Riel aud) diefer new gefdaffnen Flotte war
unbekannt.
Plötzlich erſchien der Barbaren⸗König ſelbſt mit dieſer
Flotte vor Regium, ver feſten Hafenſtadt an ver äußer⸗
ſten Südſpitze Bruttiens, welche wir gleich bei der erſten
Landung gewonnen und ſeither nicht wieder verloren
hatten.
Nach tapferm Widerſtand ergaben ſich die Heruler
und Maſſageten unſerer Beſatzung.
Der Tyrann Totila aber wandte ſich nun raſch nach
91
Sicilien, dieſe frithefte Croberung Belifars uns wieder
gu entreißen.
Er fdlug ven Rimer Comes Domnentiolus, der
ihm in's offene Geld entgegen trat, und gewann rafd
bas ganze Ciland.
Nur Meeffana, Panormos und Syracufa ſchützten
nod) thre feften Dtauern.
Cine Flotte, weldhe wir gum Schutze, zur Wieders
gewinnung von Sicilten ausfandten, zerſtreute der Sturm.
Gime gweite blies der Nordweft in den Peloponnes
guriid.
Gleichzeitig fegelte eine dritte TrivemensFlotte diefes
unerſchöpflichen Königs unter einem Grafen Hadujwinth
gegen Corſica und Sardinia.
Die erftere Snfel fiel alsbald ben Gothen yu, nachs
Tein die kaiſerliche Befabung ihrer Hauptſtadt Wleria in
offner Schlacht gefdlagen war.
Der reide Corfe Furius Ahalla, dem der grofte
Theil des Cilands gebirte, war zwar fern in Sndien.
Aber feine Inſtitoren und Golonen waren anges
wiefen, im Gall einer Landung der Gothen diefen feinen
Widerftand, fondern befte Firderung zu leiften.
Von Corfica wandten fig vie Barbaren nad der
Snfel Sardinia.
Hier ſchlugen fie bet Raratis pie Sruppen, weldye
unſer Magifter Militum von Afrifa yur Beſchützung der
Snfel herübergeſchickt.
Und fie nabmen diefe Stadt, wie Sulci, Caſtra
Trajani und Turres in Beſitz.
92
Auf beiden Eilanden aber, auf Gorfica und anf
Sardinia, ridten fid) die Gothen häuslich ein.
Gie behandeln diefelben als dauernd erworbne Bue
behörden des Gothenreiches in Stalien.
Sie fegten Gothengrafen in allen Stivten etn.
Und fie erheben nad gothifdem Verfaffungsredht die
Steuern. — Diefe find — — unbegreiflich —! —
viel geringer als die unſeren.
Und die Unterthanen dort erklären ſchamlos: ſie
zahlen lieber den Barbaren fünfzig als uns neunzig.
Aber nicht genug.
Nordöſtlich heraufſegelnd von Sieilien vereinte der
Tyrann Totila ſein Geſchwader mit einer vierten Flotte
unter Graf Teja auf ver Höhe von Hydrus.
Cine viefer vereinten Flotten, unter Graf Thoris⸗
muth, landete auf Corcyra, nahm die Infel in Beſitz,
und gewann von dort aus alle umliegenden Cilande,
zumal die Shbotifden Inſeln.
Aber nod) nicht genug.
Der Tyrann Totila und fein Graf Leja griffen bee
reit8 das Feftland unferes Reiches an.“
Gin Murmeln des Schreckens unterbrad den kaiſer⸗
lichen Redner.
Ginter und grimmig fuhr diefer fort:
„Sie landeten in dem Hafen von Epirus vetus, ere
oberten die Starte Nikopolis und Andhifus, ſüdweſtlich
von Dem alten Dodona, und nahmen eine Menge unferer
Schiffe in jenen Küſtengewäſſern weg.
93
Das bisher Mitgetheilte mochte nur euren Unwillen
erregen über bie Verwegenheit der Barbaren.
Aber nun vernehmt, was eud) anders ergreifen mag.
Kurz gefagt und Har: — nad) den geftern hier eins
getroffnen Boten ift es gewiß:
Die Gothen find tm vollem Anzug auf Byzanz.“
Da fprangen eingelne der Genatoren won ihren
Stühlen.
won doppeltem Angriff.
Ihre verſammelten Geſchwader, von Herzog Gun⸗
tharis, den Grafen Markja, Grippa und Thorismuth
geführt, haben in zweitägiger Seeſchlacht unſere Flotte der
Inſelprovinz geſchlagen und in die Meer⸗Enge von Seſtos
und Abydos getrieben.
Ihr Landheer aber, unter Totila und Teja, zieht quer
durch Theſſalien über Dodona gegen Mabedonien: ſchon
iſt Theſſalonike bedroht.
Die neuen Mauern“, die wir dort gebaut, hat Graf
Teja geftiirmt und gefdleift.
Die Strage nad) Byzanz ftebt thnen offen.
Und fein Heer fteht mehr gwifden uns und den
Barbaren.
WM’ unfere Cruppen liegen an ver Perfer-Grenje.
Und nun vernehmt, was uns dev Barbarenkönig
bietet.
Glücklicherweiſe hat ibn ein Gott bethirt und unfre
Schwäche ihm verhüllt.
Hört es: er bietet uns abermals den Frieden unter
den gleichen Bedingungen wie vor Monaten.
94
Nur Sicilien verlangt er jegt dazu.
Aber alle andern Croberungen will er ohne Schwert⸗
ftreid) raumen, wenn wir ibn nur in Stalien anerfennen.
Da id) gar tein Mittel, weder Segel nod Coborte,
hatte, ihn aufgubalten, riidte er vor, fo babe id einſt⸗
weilen Waffenftilftand gefordert.
Diefen nahm er an, unter der Vorausfegung, dak
Per Friede unter jenen Bedingungen geſchloſſen werde.
Das ſagte th gu.” — — —
Hier warf er einen prüfenden Blick auf die Ver⸗
ſammlung, auch einen Seitenblick auf ſeine Kaiſerin.
Die Verſammelten athmeten ſichtlich auf.
Die Kaiſerin ſchloß die Augen, deren Ausdruck zu
verbergen.
Sie drückte die kleine Hand krampfhaft auf die goldne
Lehne ihres Throns.
„Nur unter dem Vorbehalt, noch meiner Gemalin,
die zuletzt nur noch für den Frieden ſprach, und meines
weiſen Senates Meinung zu vernehmen.
Ich fügte bei, ich ſei dem Frieden geneigt.“
Da glatteten ſich die Geſichter tereutend.
ind id) glaubte das Urtheil meiner Räthe vorans
fagen gu fonnen.
Darauf hin madten die vordringenden Reiter Graf
Teja's auf Befehl des Königs widennillig Halt vor
Thefjalonife: leider nahmen fie nocd) vorher den Biſchof
Per Stadt gefangen.
Aber fie fandten ihn mit andern Gefangnen, mit
Boten und Briefen hieher, — vernehmt fie felbft.
95
Dann faffet euren Entſchluß.
Bedenkt vabei, daß vie Barbaren in wenigen Tagen
por unfern Thoren ftehen, verwerfen wir den Frieden.
Und dak wir nur abtreten follen, was das Reid feit
vielen Jahrzehnten anfgegeben hatte und was zwei Feld⸗
züge Belifars nicht wieder gewinnen fonnten: Stalien.
Führt nun die Boten ein.”
Durd) vie Cingangsbogen wurden nun von den
Leibmaden herein geleitet Männer in geiftlidher, in
Amts und RKriegertradt.
Sie warfen fid vor Suftinians Chron nieder unter
Bittern und Seufzen: and) Thränen fehlten nicht.
Auf einen Wink erhoben ſie ſich wieder und ſtellten
ſich vor den Stufen des Thrones auf.
„Eure Bitt⸗Briefe und Klage-Berichte,“ ſprach der
Kaiſer, „hab' ich geſtern ſchon durchleſen.
Protonotarius, verlies nur den Einen, den des ges
fangenen Biſchofs von Nikopolis und dann noch den
des verwundeten Comes von Illyricum — er iſt ſeither
ſeinen Wunden erlegen. —“
„An Juſtinianus, den unbeſiegbaren Kaiſer der
Romäer.
Dorotheos, Biſchof von Nikopolis, und Nazares,
comes per Illyricum.
Der Ort, wo wir dies ſchreiben, iſt der beſte Beweis
für den Ernſt unſrer Worte.
Wir ſchreiben dies an Bord des Königsſchiffs des
Gothenfürſten, Italia“ mit Namen.
Bekannt iſt dir wohl, wann du dieſe Worte lieſeſt,
96
ver Flotten Miederlage, ver Inſeln BVerluft, ver neuen
Mauern” CErftiirmung, ves Landheers von Illyricum
Berftreuung.
Rafder als vie Boten, rafder als vie Flüchtlinge
von dieſen Sdhladten haben uns die gothifden Verfolger
erreicht.
Nikopolis hat der Gothenkönig erobert und verſchont.
Anchiſus hat Graf Teja erobert und verbrannt.
Ich, Nazares, diene dreißig Jahre in Waffen —
nie hab' ich ſolchen Angriff geſehen, wie den, bei welchem
Graf Teja mich im Thore von Anchiſus niederſchlug.
Sie ſind unwiderſtehlich.
Ihre Reiter fegen durch alles Land von Theſſalonike
bis Philippi.
Die Gothen im Herzen von Illyricum!
Seit ſechzig Jahren iſt es unerhört!
Und der König hat geſchworen, alle Jahre wieder zu
kehren bis er den Frieden hat oder — Byzanz.
Seit er Corcyra hat und die Syboten, ſteht er auf
der Brücke in dein Reich.
Und da Gott das Herz dieſes Königs gerührt hat,
daß er dir Frieden bietet um billigen Preis — ja nur
um den Preis, den er ſchon hat — flehen wir dich an,
im Namen deiner zitternden Unterthanen, deiner rauchen⸗
den Städte: ſchließe Frieden.
Rette uns und rette Byzanz!
Denn eher werden deine Feldherrn Beliſar und Narſes
die Morgenſonne und den Nordwind aufhalten auf ihren
Bahnen als den König Totila und dieſen fürchterlichen Teja.“
97
„Sie find gefangen,” unterbrad) ihm der Raifer.
„Sie reden vielleidht aus Furcht vor der Barbaren
Todesbedrohung.
Sprecht nun ihr: du, ehrwürdiger Biſchof Theophilos
von Theſſalonike, du, Logothetes von Dodona, Anatolius,
du, Parmenio, tapfer Führer der makedoniſchen Lanzen:
ihr ſeid hier ſicher in unſrem kaiſerlichen Palaſt: aber
ihr habt die Barbarenführer geſehn — was rathet ihr?“
Da warf ſich der greiſe Biſchof von Theſſalonike
abermals auf die Kniee und ſprach:
© Kaiſer der Romäer: der Barbarenkönig Totila iſt
ein Ketzer. Und ewig verdammt.
Das könnte mich irre machen an den Grundlehren
der Kirche.
Denn nie ſah ich einen Mann ſo reich geſchmückt
mit allen chriſtlichen Tugenden.
Ringe nicht mit ihm!
Im Jenſeits iſt er verworfen auf ewig.
Aber — ich kann es nicht faſſen — auf Erden ſegnet
pie Gnade Gottes alle ſeine Schritte: er iſt unwider⸗
ſtehlich.“
„Ich faß' es wohl,“ fiel Anatolius, der Logothetes, ein.
„Schlauheit gewinnt ibm vie Herzen: tieffte Heuchelei,
Verſtellung, die all' unſre viel gerühmte und geſcholtne
Griechen⸗Klugheit übertrifft.
Der Barbar ſpielt die Rolle des erbarmenden Men⸗
ſchenfreundes ſo unübertrefflich täuſchend, daß er beinahe
auch mich getäuſcht häite, bis ich mir ſagte, daß es
Dahn, Cin Kampf um Rom. IV. 7
98
vergleiden in der Welt nicht geben könne, was diefer
Gothe — fpielt wie ein Mime.
Gr thut, als ob er wirklid) Erbarmen habe mit be-
fiegten Feinden!
Gr fpeift die Hungernden, er läßt das erbeutete Geld
einer Steuer Gafjen, o Saifer, unter die Landleute
vertheilen, deren Felder durd ben Krieg gelitten.
Er giebt den Mtannern die Weiber unverſehrt zurück,
weldje diefe in die Walder geflüchtet und feine Reiter, die
allgegenwartigen, gefunden haben.
Gr reitet unter QHarfenfpiel eines ſchönen Rnaben,
dev thm ved Roffes Riigel fithrt, in die Dörfer ein.
Weißt du, was die Folge ift?
Deine eignen Unterthanen, o Raifer der Romäer,
fallen ihm gu, tragen thm Kundſchaft, liefern ihm deine
Beamten in Ketten aus, welde deinen ftrengen Steners
geboten gehorchten.
So mich felber die Bauern und Colonen von Dodona.
Dieſer Barbar iſt der größte Schauſpieler des Jahr⸗
hunderts.
Denn Wahrheit kann's nicht ſein.
Dieſer kluge Heuchler hat aber zu noch viel mehr
Dingen Verſtand als zum Zuſchlagen.
Er hat mit den fernen Perſern, mit deinem Erzfeind
Shosroés, Verbindungen angeknüpft zu gegenſeitiger
Waffenhülfe wider dich.
Wir haben ſelbſt die perſiſchen Geſandten geſehen,
die aus ſeinem Lager wieder oſtwärts ritten.“
Dev Makedouen-Haupimann aber ſprach:
99
„Beherrſcher der Romäer: feit Graf Teja vie Heer⸗
ftrafe von Theffalonife gewonnen hat, ſteht nidjt® mebr = -
swifden Ddeinem Throw und feiner Streitart als die
Mauer viefer Stant.
Wer die neuen Manern” dort adtmal nacheinander
beſtürmt und auf's Neunte mal erſtiegen hat, der erſteigt
auf's zehnte Mal die Walle von Byzanz. ,
Nur mit ſiebenfacher Uebermadt haltit du vie Gothen
auf.
Haft du die nicht, dann ſchließe Friede.”
„Friede! Friede! wir flehen did) an im Namen deiner -
zitternden Provingen Epirus, Thefjalien, Makedonien.“
„Schafff uns die Gothen aus dem Lande!"
‚Laß nidjt Alarich's, Theoderich's Lage ſich ſchrecklicher
erneuen.“
„Friede mit den Gothen! Friede! Friede!“
Und alle die Geſandten, Biſchöfe, Beamten, Krieger
ſanlen auf die Kniee mit dem flehenden Rufe: „Friede!“
Furchtbar war der Eindruck auf die Verſammlung.
Wohl kam es oft vor, daß an den äußerſten Marken
des Oſtreichs Perſer und Saracenen im Oſten, Mauren
im Süden. Bulgaren und Slaven im Nordweſten plündernd
über die Grenze brachen, auch wohl die nächſten Truppen
ſchlugen und mit ihrem Raub ungeſtraft wieder entkamen.
Aber, daß auf die Dauer griechiſche Inſeln von den
Feinden beſetzt, daß griechiſche Küſtenſtädte von Barbaren
gewonnen und verwaltet, daß die Straßen nach Byzanz
von Germanen beherrſcht wurden — das war unerhört.
Mit Entſetzen gedadjten die Senatoren ver Tage, pa
7 *
100
gothifde Schiffe und gothifde Heere alle griechifchen Infeln
überzogen und widerbolt vie Wille von Byzanz bee
ſtürmten, nur durch Erfüllung aller ihrer Forderungen
von der Erſtürmung abzubringen: ſchon hörten fie die
Beilſchläge des ſchwarzen Teja an die Thore pochen.
Go lag ver Ausdruck hülfloſer Furcht auf allen Ge⸗
ſichtern.
Ruhig prüfend blickte Juſtinian zur Rechten und zur
Linken auf die Reihen.
„Ihr habt gehört,“ begann er dann, was Kirche,
Staat, und Heer verlangen.
Ich fordre nun euren Rath.
Waffenſtillſtand haben wir ſchon erreicht.
Soll neuer Krieg, ſoll Friede daraus werden?
Ein Wort erkauft den Frieden: Abtretung des doch
verlornen Italiens.
Wer von euch fiir den Krieg, erhebe ſeinen Arm.“
Rein Arm erhob fid.
Denn die Senatoren bangten fiir Byzanz: und fie hat⸗
ten an der Friedensneigung des Raifers keinen Zweifel.
Cinftimmig wählt mein Senat den Frieden.
Sd) ſah's voraus,“ fagte Suftinian mit einem felts
famen Lächeln.
„Ich bin gewohnt, ftets memen weifen Räthen yu
folgen.
Und meine Raiferin?”
Da fprang Theodora wie eme biumende Schlange
von ihrem Sig und fdlenderte ihr elfenbeinernes kurzes
101
Scepter fo heftig von ſich, daß e8 welt in den Sal
binab flog.
Schreck malte fid) in den Zügen ver Senatoren.
„So fabre hin,” vief fie mit aller Anftrengung, „was
mein Stolz gewefen, Sabre fang: mein Olanbe an
Suftinian und feine Kaiſerhohheit!
Go fabre hin jeder Untheil an der Sorge fiir das
Reid) und feine Chre.
Wehe, Buftinianus, wehe mir und dir, daß ich folde
Worte hören mufte aus deinem Mund!“
Und fie verbiillte das Haupt in ihren Purpurmantel,
bie Schmerzen bergen, welche die Erregung ihr verur⸗
ſacht.
Der Kaiſer wandte ſich zu ihr.
„Wie, die Auguſta, unſre Gemahlin, welche ſeit
Beliſars zweiter Heimkehr immer gum Frieden rieth, —
mit kurzer Ausnahme, — ſie räth, jetzt, in ſolchen Ge⸗
fahren? —
„Krieg,“ rief Theodora, den Purpur fallen laſſend.
Und ihr Angeſicht wurde ſchön in hohem Ernſt, wie
es nie war in ſpielendem Scherz.
„Muß ich, dein Weib, dich mahmen an deine Ehre?
Du willſt es dulden, daß Barbaren in deinem Reide
ſich feſtſetzen, dich durch Bedrohung zu ihrem Willen
zwingen?
Du, der geträumt von Wiederherſtellung des Reiches
Conſtantins?
Du, Iuſtinianus, ver du die Namen Perficus, Vans
Dalicus, Alanicus und Gothicus dix gugelegt, willſt dulden,
102
daß diefer gothiſche Jüngling dich am Barte dahin zerrt,
wohin er will?
Dann biſt du nicht der Juſtinianus, den ſeit Jahren
die Welt, Byzanz, Theodora bewundert.
Ein Irrthum war unſere Verehrung.“
Da ermannte ſich der Patriarch von Byzanz — er
glaubte immer noch, der Kaiſer habe den Frieden bereits
unwiderruflich beſchloſſn — gum Widerſtand gegen die
Raiferin, die nicht immer haarſcharf die von ihm gerade
vertretne, feine Schattirung der Rechtglänbigkeit traf.
„Wie,“ fprad ex, ,die erhabne Frau rath gum blutigen
Krieg ?
Wahrlich, die hetl’ ge Kirde hat nidt Urſache fiir die
Keser zu fpreden.
Indeſſen: der neue König ift wunderbar mild gegen
vie Ratholifen in Stalien und man fann ja gelegnere
Beit abwarten, bis —"
„Nein, Prieſter,“ unterbrad Theodora, „die beſchimpfte
Ehre dieſes Reiches kann nicht warten.
O Juſtinianus —" dieſer ſchwieg immer nod be⸗
harrlich und ſchloß die Augen, auf daß deren Ausdruck
nicht ſeine Stimmung verrathe.
WO Juſtinianus, laß mid, laf die Welt nicht irre
an bir werden.
Du darfft div nicht ſchimpflich abtrogen laffen, was
bu der Bitte verweigert !
Muß id) did) mahnen, wie fdhon einmal deines
Weibes Rath und Kraft und Muth dich, deine Chre,
deinen Thron gerettet hat?
103
Haft vu vergeffen ten furdtharen Aufftand der Mifa?
Bergefien, wie die vereinten Parteien des Circus,
ber rafende Pöbel von Byzanz heran wogte gegen dieſes
Haus 2
Die Flammen und die Rufe: ,nieder die Tyrannen !“
ſchlugen gufammen über viefem Dad).
Flucht oder Nachgeben riethen dir alle deine Rathe,
alle dieſe heiligen Biſchöfe und weifen Senatoren, and
deine Heerfithrer.
Denn Narſes war fern in Wfien.
Und Belifarius war fdon eingefdloffen von den
Rebellen im Meerpalaft:
Alle verzagten, die tanner.
Da war dein Weib, Cheodora, der eingige Held an
einer Sette. °
Gabſt pu nad oder floheft bu, fo war dein Thron,
bein Leben, ganz gewiß aber deine Ehre verloren.
Ou ſchwankteſt, vu neigteft zur Flucht.
„Bleib und ftivs, wenn es fein mug," fagte id) das
mals, ,Juftinian, aber ſtirb im Purpur.“
Und vu bliebeft und dein Muth hat vid) gerettet:
du harrteft aus, den Lod auf vem Thron erwartend
mit mir — und Gott fandte Belifar zum Entfag
und Sieg.
So ſpreche ich ancy jest.
Weiche nidt, Kaifer ver Romäer, gieb nidt nad) den
Barbaren.
Bleibe fet: laf vid) von den Trümmern des golonen
Thors begraben, fprengt e8 des wilth’gen Gothen Beil.
* 104
Aber ſtirb als Raifer.
Befleckt ift viefer Purpur von maflofer Frechheit dev
Germanen.
Hier werf' ich ihn von mir und ich ſchwör's, bet der
heiligen Weisheit Gottes: nicht eher wieder leg ich ihn
an, bis tein Gothe mehr auf dieſes Reiches Boden ſteht.
Und ſie riß den Purpurmantel ab und ſchleuderte
ihn auf die Stufen des Thrones: dann aber, tief er⸗
ſchöpft, war ſie im Begriff auf den Sitz zurück zu ſinken.
Juſtinianus aber fing ſie auf in ſeinen Armen und
drückte ſie an ſeine Bruſt.
„Theodora,“ rief er mit leuchtenden Augen, mein
herrlich Weib!
Du brauchſt keinen Purpur um die Schultern: dein
Geiſt iſt in Purpur gekleidet.
Du allein verſtehſt Juſtinianus.
Krieg und Verderben den Barbaren!“
Schrecken und Staunen befiel die bebenden Sena⸗
toren bei dieſem Schauſpiel.
Ja,“ ſprach Der Kaiſer, yu dieſen gewendet, ,weife
Väter, diesmal waret ihr allzuklug, um weiſe, u
Männer zu ſein.
Wohl iſt es eine Ehre, der Nachfolger Conſtantins
zu heißen.
Aber keine Ehre iſt es, euer Herr zu ſein.
Recht haben, fürcht' ich, unſre Feinde: nur den
Namen, die todte Mumie Roma's hat Conſtantin hieher
verpflanzt: die Seele Roma's war bereits entflohn.
Weh' um dies Reich!
105
War’ eS frei, war’ es Republif — e8 wire heute
verfunten in Gdanve.
Einen Herrn mu es haben, der e8, wie ein faules
RoR, aus vem SGumpf, darin e8 zu verfinfen drobt,
empor reißt, ein fdarfer Reiter mit Peitſche, Zügel
und Sporn.“ | ’
Da drangte fid) urd) die Cingangsthitren ein fleiner,
gebiidter Dtann, auf eine Krücke geſtützt, und hintte
durch den Gal bis vor den Thron. |
»Kaifer der Romäer,“ hob er an, von feiner Prosfynefe
ſich erhebend, auf meinem Schmerzenslager erreichte mid)
punfle Kunde, von rem, was die Barbaren gewagt, von
dem, was hier entſchieden werden foll in diefer Stunde.
Da rafft’ id) mid) empor und fdleppte mid) müh—
fam hieher: denn ic) muß e8 erfabren, durch Gin Wort
veines Mundes, ob id) von jeher ein Narr ge:
wefen, dag id) did), trog vieler Rleinheiten, fiir einen
großen Herrfder hielt? ob ic) deinen Feldherrnftab in
pen tiefften Brunnen werfen mug oder ob id) ihn nod
tragen kann mit Chren 2
Sprih nur Cin Wort.
Krieg ober Friede?“
Krieg, Magiſter Militum!“ fagte Suftinian und
fein Untlig ftrablte.
»~Sieg, Juſtinianus,“ rief ver Feldherr und warf die
ride weg.
© laß mid) deine Hand küſſen, Imperator."
Und er binfte die Stufen des Thrones hinauf.
106
Aber Patricius,“ höhnte Theodora, ‚du bift ja auf
einmal ein Dann ?
Du warft ja. immer gegen den Gothenfrieg.
Haft du pliglic Sinn fiir Ebhre
„Was Ehre!“ rief Narſes.
„Dieſer bunten Seifenblaſe mag Beliſarius, das
große Kind, nachlaufen.
Nicht die Ehre: das Reich ſteht auf dem Spiel.
So lang ernſte Gefahr vom Oſten drohte, rieth ich
zum Perſerkrieg.
Von den Gothen drohte nichts.
Nun aber haben deine Frömmigkeit, o Kaiſerin, und
ves Beliſarius Heldenſchwert fo lang in died Horniſſen⸗
MNeft Geftoden, bis uns der Schwarm gefabrlid um
ras Antlitz fliegt.
Set droht die Gefahr dringend, brennend yon dort:
und Narſes rath gum Gothentrieg.
Die Gothen ftehen naher bei Byzanz als Chosroés
unfrer Oftgrenge ftebt.
Mer, wie diefer Lotila, ein Reich ans dem Abgrund
zieht, fann viel feidjter ein andres in den Abgrund
ſtürzen.
Dieſer junge König iſt ein Wunderthäter, dem man
bet Zeiten vie Mirakel legen muß.“
„Diesmal erlebe ich,“ ſprach Juſtinian, ‚die ſeltne
Freude, Daf} meine Kaiſerin und Narſes Eines Sinnes
ſind.“
Und er war im Begriff die Verſammlung zu ent⸗
laſſen.
107
Da ergriff vie Kaiferin feinen Arm: , Galt," fprad
fie, ,mein Gemahl.
Sh habe mir heute gum zweiten Mal vie Ehre er:
worben, dein befter Berather gu fein.
Nicht wahr?
Wohlan, fo hire mid) weiter und folge aud meinem
weitern Path.
Halte dtefe ganze weife Verfammlung, auger Narfes,
bis morgen im. Palaft gefangen.
Bittert nicht, thy Illuſtriſſimi: e8 gilt viesmal nicht
pas Leben. | |
Aber iby tinnt nicht fehweigen, ausgenommen mit
abgefdnittnen Zungen.
Dies Mittel mag fiir diesmal durch Cinfperrung erfegt
werden.
Gs befteht eine Verſchwörung wider dein Leben
oder dod) wider deine freien Entſchlüſſe, Suftinianus.
Man wollte vid gum Rriege mit den Gothen
givingen. .
Diefer ift nun gwar befdloffen.
Uber heute in ver Nacht oder morgen frith fdon
bridt die Verſchwörung los: es gilt, die Verfdwornen
gemabren gu Laffer. |
Man varf fie nicht durch die Miittheilung, daß ihr
Bwed ohnehin erreiht fei, abbalten von ihrem Thun.
Gefabrlide, langft verdadtige, und — o Suftinianus
— febr, ſehr reiche Leute find darunter.
Es wire fade, wenn fie meinem aufgeftellten Neg
entgingen.“
108
Suftinianus war nicht erfdroden bet bem Wort
Verſchwörung.
aud) id) wußte davon," ſagte er.
„Aber ſchon fo weit gediehn?
Morgen früh ſchon?
Theodora,” rief er, ,du biſt mehr für das Reid
alg Belifar und Narfes.
Auf, Archon der Goldfdiloner, du hältſt alle bier
BVerfammelten gefangen, bis Narſes fommt fie abzu⸗
bolen.
Denkt nad indefjen ber diefe Stunde, fronme und
weife Vater, und ihre Lebren.
Narſes, folge uns und der Raiferin.”
Und er ſchritt die Stufen des Thrones hinad.
Die Cingangsbogen wurden von ftarrenden Speeren
erfüllt.
Behntes Capitel.
Der Raifer beſchied feine Raiferin und Narfes mit
fic in fein Gemad.
Dort angelangt umarmte er abermals, obne des
Zeugen Gegenwart yu ſcheuen, innig und herzlich feine
Gemablin.
„Wie freut, wie erhebt mid die Begeifterung.
Sh bin ftoh auf ein ſolches Weib!
Wie ſchön ftand vir, o Theodora, ver edle Born.
Bie fann ich dir lohnen!
Wabhle dir jede Gunft, jedes Beiden meines Dantes,
du meine befte Beratherin, ja meine Mtitregentin !”
„Soll ih, das ſchwache Weib, wirklich glauben vitrfen,
daß id) Antheil nehmen darf an deinen Plänen und
Gedanken, an diefem Rriege, fo vertraue mir, wie du
thn gu leiten gedenkſt.“
„Jedesfalles fende ich zwei Feldherrn nad Italien,
nie mehr Einen, ſeit Beliſarius in jenem Land mit einer
Krone geſpielt. Aber ihn ſende ich wieder, das ſteht
mir feſt.“
108
Suftinianus war nicht erfdroden bet dem Wort
Verſchwörung.
aud id wußte davon,“ ſagte er.
„Aber ſchon fo weit gediehn?
Morgen Frith ſchon?
Theodora,“ rief er, ,du biſt mehr fiir das Reid
alg Belifar und Narfes.
Auf, Archon ver Goldfdiloner, du Haltft alle bier
Verfammelten gefangen, bis Narſes fimmt fie abgue
bolen.
Denkt nad indeffen ber diefe Stunde, fromme und
weife Biter, und ihre Lebren.
Narſes, folge uns und ver Raiferin.”
Und er fdjritt die Stufen des Thrones hinab.
Die Cingangsbogen wurden von ftarrenden Speeren
erfüllt.
Belntes Capitel.
Der Raifer befchied feine Raiferin und Narfes mit
fid) in fein Gemad.
Dort angelangt umarmte er abernials, one des
Beugen Gegenwart gu ſcheuen, innig und herzlich feine
®emablin.
„‚Wie freut, wie erhebt mid) die Begeifterung.
Sch bin ſtolz auf ein ſolches Weib!
Wie {chin ftand vir, o Theodora, der edle Zorn.
Wie fann id dir fohnen!
Waͤhle dir jede Gunft, jedes Reiden meines Dankes,
Du meine befte Beratherin, ja meine Mitregentin!“
„Soll ih, dad ſchwache Weib, wirklich glauben dürfen,
vag td) Antheil nehmen darf an deinen Plänen und
Gedanten, an diefem Kriege, fo vertraue mir, wie du
thn gu leiten gedenkſt.“
„Jedesfalles fende id) gwet Feldherrm nad Stafien,
nie mehr Ginen, feit Belifarius in jenem Land mit einer
Krone gefpielt. Wher ihn fende id) wieder, das ftebt
mir feſt.“
110
„So erbitte id) mir die Gnade,” ſprach Theodora,
„den andern Feldherrn vorfdlagen gu diirfen —
Narſes,“ fuhr fie fort, ehe Juſtinian antworten
fonnte, ,willft pu der Andre ſein?“
Sie wollte ihn rafd unmöglich maden. —
„Ich dante,” fagte diefer bitter.
„Du weit: id) bin ein ſtörrig unvertriglid Roß:
id) tauge nidt, mit einem Andern gufammen ju ziehn.
Ten Feldberrnftab und ein Weib, Juftinianns, muß
man in gleider Weife haben.“
„Nämlich wie 2
„Allein oder gar midt.“
„Dann Du gar nidt," fagte Buftinianus herb.
„Du mugt nidt wähnen unentbebrli zu fein,
Magifter Militum.“
„Das ift niemand auf Erden, Buftinianns.
Sende nur wieder den grogen Belijarius!
Sr mag fein Glück gum dvritten Mal verfucen in
jenem Lante, wo die Lorbern fo dicht wachſen.
Meine Stunte kommt ſchon nod.
Als Zeuge eures Eheglückes bin id) wohl fibers
flüſſig bier.
Und zu Haufe, meinem rantenbett gegeniiber, ift
bie Stragen-Karte von Stalien angebeftet: vergönne, daß
id in meinem Gtudium derfelben fort fabre: fle ift
jegt intereffanter alé die Marte unfrer Perfergrenge.
Mur nod Cinen Rath. |
Bulegt mußt du dod) Narſes nad Btalien fenden.
111
Se früher du ihn fendeft, defto mehr erfparft du an
Miederlagen, Verdrug und Geld.
Und wenn nun die Gidt oder jene niedertradtige
Epilepſis Narſes hinraffen follte, ehe Konig Totila auf
feinem Schilde liegt, wer wird dir dann den Konig
Totila befiegen ?
Du glaubft ja an Prophegethungen: woblan in
Stalien geht fdon lange ver Spruch: „T. ſchlägt B.,
N. ſchlägt T.“
„Soll das vielleicht heißen: Theodora ſchlug Beliſar,
Narſes ſchlägt Theodora?“ höhnte die Kaiſerin.
„Das war nicht meine Löſung des Räthſel⸗Spruchs.
Es war die deine.
Wohlan, auch dieſe Löſung nehm' ich an. Weißt
du, welches das weiſeſte deiner vielen Geſetze war, o
Suftinianus 2"
deur 2"
„Jenes, welches den Tod auf jede Anklage gegen
deine Kaiſerin fegte — denn es war das einzige Mittel,
jie Div gu erbalten."
Und er ging.
„Der Unverſchämte,“ ſprach Theodora, ihm einen
giftigen Blick nachſendend.
„Er wagt zu drohn!
Wenn erſt einmal Beliſar unſchädlich iſt, dann
muß raſch Narſes folgen.“
„Einſtweilen aber brauchen wir nod) Beide,“ meinte
Juſtinian.
„Und du ſchlägſt in Wahrheit vermuthlich zum andern
112
Feldherrn für Stalten wierer dbenfelben Namen vor wie
bet Caſſiodors Abweifung 2
„Denſelben.“
„Aber die Gründe meines Mißtrauens gegen jenen
Ehrgeizigen find ſeither nod verſtärkt.“
„Haſt du vergeſſen, wer dir Silverius entlarvt und
entwaffnet, wer vor Beliſars gefährlichem Kronenſpiel
geheim und zuerſt gewarnt bat
„Aber ev verkehrt bier mit denſelben Männern,
welche die Verſchwörung gegen mid betreiben.“
„Ja: aber, o Juſtinianus, anf mein Geheiß, als
ihr Verderber.“
„Das ware! Wenn er aber and vid) täuſcht?“
„Wirſt du ihm glauben und mix und thn nag
Stalien fenden, wenn er dir morgen die Verſchwörer
in Retten zuführt und rarunter iby geheimes, aud dix
nod) unbefanntes Haupt 2"
„Ich weiß: es ift Photius, Belifars Freigelaffner.*
kein, o Suftinianns: — Er ift es, den du wieder
nad) Stalten fenden wollteft, menn id) nicht warnte, Velie
ſarius felbyt."
Da erbleidhte ver Matfer, wankte und griff nach der
Armlehne des Thrones.
„Wirſt du dann an des wunderbaren Rimers Cre
gebenheit glauben und, ftatt bes Verräthers Belifar, ihe
nad) Stalien fenten mit veinem Geer 2”
„Alles, Wes," ſprach Inftinianus, „gewiß! Beli
farius alfo pod) ein Verräther?
Dann thut Gile Noth.
113
Handlen wir."
„Ich babe ſchon gehandelt, Suftinian.
Mein Netz iſt unentrinnbar ſchon geſtellt.
Gieb mir die Vollmacht, es zuſammen gu ziehn.“
Der Kaiſer winkte Gewährung.
Und Theodora befahl, indem ſie aus den Vorhängen
ſchritt, dem Velarius:
„Hole ſogleich aus ſeinem Hauſe in mein Gemach
Cethegus, den Präfecten von Rom.“ |
Dan, Ein Kampf um Rom. IV. 8
Elftes Caypitel.
Unr alsbald ftand Cethegus vor feiner nod immer
verführeriſch ſchönen Sugentfreundin, welche in dem
uns wohl befannten Gemadh auf ihrem Pfühl ante
geftredt fag.
Galatea reidte ihr mandmal in tener Onyrſchale
vie Tropfen, welde ihr ver perſiſche Arzt — griechiſche
reichten nidjt mebr aus — verorbdnet hatte.
„Ich Danke dir, Theodora,” fagte Cethegus.
„Und mug ich's dod) einem Andern, — nidt mir
jelber — vanfen — einem Weibe! — dank ich's am
Liebften rod) der Sugendgenoffin.”
wore, Präfect,“ fprad) Theodora, ihn ernfthaft
betradhtend, „du wareft ganz rer Mann — foll ich fagen
ver Barbar oder ver Römer? — eine Kleopatra, welder
Gaefar und Untonius gebhuldigt, erft gu tiffen und dann
dod) im Triumph nad) dem Capitol gu führen zur Ere
Drofjelung, wie Octavian vielleicht geplant.
Wenn thm nidt jene Sdlangenfsnigin zuvor fam.
Kleopatra war immer mein BVorbtld.
+
115
Einen Gafar hab’ id) nidt gefunden.
Aber vie Schlange — bleibt vielleidht nidt aus.
Du aber Haft mir nidjt gu danten.
Sd habe aus voller Ueberzeugung gefproden und
gebandelt. |
Diefe gothiſche Gefahy und Befdhimpfung muß in
Blut erftidt werden.
Sd war vielleicht nicht immer fo tren als Gattin
wie Suftinian geglaubt. |
Uber id) war fein befter, treuefter Senator von jeber.
Belifar und Marfes find nidt wohl zufammen und
nod) weniger jeder allein nad Stalien gu fenden.
Du follft gehen: vu bift ein Held, ein Feldherr,
ein Staatsmann und du bift vod zu obnmadtig, Sue
ftintan zu ſchaden.“
„Ich dante für die gute Meinung,” ſagte Cethegus.
„Freund, Du biſt ein Feldherr ohne Heer, ein Kaiſer
ohne Reich, ein Steuermann ohne Schiff.
Dod) laffen wir's —: du willft mir nidt glauben.
Sd fende dich nad Stalien ans tiefjter Ueberzeugung:
— du hafjeft grimmig vie Barbaren.
Der gweite Feldherr, den unvermeidlid) dir faifers
liches Mißtrauen nadfendet, foll Areobindos fein, der
Schneckenprinz: er wird dic) nidjt viel ftiren.
Aber Freude macht mir’s, daß id) gugletd den
Sugendgenoffen dabei firdern fann wie dad Reid.
Ach Gethegus, die Jugend!
Euch Männern ift fie golone Hoffnung oder goldne
Grinnerung: — dem Weib ift fie —: das Leben.
8 *
116
Wh. nur nod Cinen Tag aus jener Zeit, da ih
vic Rofen ſchenkte und du mir Verfe.“
„Deine Hofer waren fin, Theodora, aber meine
BVerfe waren nicht ſchön.“
„Mir ſchienen fie fin: — fie waren an mid!
Aber wie alte Liebe verſüßt aud alter und newer
Haß mir tie Wahl, die obnehin des Reiches Wohl
erheiſcht.
Beliſar ſoll nicht mehr zu neuen Ehren ſteigen.
Nein, fallen ſoll er, diesmal tief und für immerdar.
So wahr ich herrſche in Byzanz.“
„Und Narſes? mir wäre lieber und begreiflicher, du
ſtürzteſt dieſen Kopf ohne Arm als jenen Arm ohne
Kopf.“
„Geduld — Einer nach dem Andern.“
„Was hat dir der gutherzige Held gethan?“
Sx? nichts! aber fein Weib! dieſe plumpe Antonina,
deren ganzer Triumph in ihrem geſunden Blute liegt.“
Und grimmig ballte die zierliche Kaiſerin die kleine,
weiße Hand, die noch durchſichtiger geworden.
„Ha, wie id fie haſſe! Sa, beneide! Dumme Leute
bleiben immer gefund.
Aber fie foll nicht frobloden, während id leide.“
„Und an foldem Weiberhak hängt vas Schidfal ves
Capitols,“ fagte Cethegus au fic) felbft. ‚Nieder mit
Kleopatra!"
„Die Närrin ift vernarrt in Ruhm und Größe hres
Mannes — hier fann id) fie am tödtlichſten treffen!
Warte!“
117
Gin Zucken durch thr feines Geficht verrieth einen
Anfall heftiger Schmerzen: fie marf fid) in die Kiſſen
zurück.
„Aber Täubchen,“ mahnte Galatea, „laß doch den
Aerger!
Du weißt, was der Perſer ſagt. Jede Erregung
von Liebe, von Haß — —
„Ha, Haſſen und Lieben iſt Leben.
Und der Haß wird im Alter faſt noch ſüßer denn
die Liebe.
Liebe iſt treulos, Haß iſt treu.“
„Ich bin in beiden,“ ſprach Cethegus, „ein Stümper
gegen dich.
„Die Sirene von Kypros“ hab' ich dich ſtets genannt.
Man iſt nie ſicher, ob du nicht unter dem Kuß
plötzl ch dein Opfer zerreißeſt — aus Liebe oder Haß.
Und was hat deine Liebe zu Antoninen plötzlich in
Haß verkehrt?“
„Tugendhaft iſt ſie geworden, die Heuchlerin!
Oder iſt ſie wirklich ſo ſchwachköpfig?
Auch möglich!
Shr Fiſchblut hat ſich nie in Wallung bringen laſſen:
für eine ſtarke Leidenſchaft und für ein ſtarkmüthiges
Verbrechen war ſie ſtets zu feig.
Sie iſt zu eitel, die Huldigung der Liebe entbehren,
zu arnifelig, fie erwidern zu können.
Seit ſie ihren Gatten in ſeine Kriege begleitet, iſt
ſie wieder ganz tugendſam geworden.
118
Ha, ha, ha, aus Moth: wie der Teufel faftet, wenn
ex nichts zu effen bat.
Weil id) ihren BVerehrer hier eingefperrt behalten !“
„Anicius, Den Gohn ves Bosthius? Ich hörte davon.”
„Ja, in Stalien hat fie fic) wieder ganz ihrem Mann
angefdloffen, fetnen Ruhm und fein Unglitd getheilt.
Und fie ift feitdem gang Penelope, gang die gute
Chefrau.
Und bieher guritdgefebrt, was thut fle, die Gans?
Macht mic Vorwiirfe, pag id fle vom Pfad der
Tugend abgelodt! |
Und ſchwört, fie werde Anicius aus meinen Banden
löſen.
Und es gelingt ihr, der Schlange.
Sie weckt dem Thoren das Gewiſſen, reißt ign tage
lid) mehr von mir [08, meinen ungetrenen Kammerer
— natürlich, um thn für fich gu bebalten!“
wu fannft dir alfo nidjt vorftellen," fragte Cethegus,
„daß ein Weib eine Seele fiir den Himmel wirbt ohne: — 2
„Ohne Procente Bergelohn zu erheben? Rem!
Dabet taufdt fie aber ſich und ihn mit frommen
Reden.
Und o wie gern ligt fic der Sitngling retten von
ber jugendlich bliihenden Crretterin aus meinen Armen,
ver Vermelfenden, der Krankenden — der vor der Beit
BVerzehrten.
Ha," rief fie leidenſchaftlich und fprang auf von dem
Pfühl, „daß ver Leib ermüdet erliegen muß, ehe nod
119
bie Seele fid) yum taufendften Theil ihres Durft’s nad
Leben erfattigt bat.
Leben aber ift Herrſchen, Haſſen, Lieben.”
„Du ſcheinſt unerſättlich in dieſen Riinften und Ges
niiffen.“
„Ja: und id rühme mid defjen.
Und id foll fort von des Daſeins reid befester
Tafel, herab von diefem Raiferthron, mit dem brennenden
Heißhunger nad) Freude und Macht!
Und nur wenige Tropfen nod foll ich ſchlürfen!
O vie Natur ift eine elende, ſchmähliche Pfufderin !
Wie Aeonen Einmal zeugt fie, neben Myriaden von
Krüppeln, häßlich an Leib und ohnmächtig an Geift,
Einmal zeugt fie einen Leib, eine Seele wie Theodora’s,
ftar€ und verlangend, die Ewigkeit hindurch zu leben und
zu genießen.
Und nach drei Jahrzehnten, nachdem ich kaum genippt
am vollen Becher, verſagt die Natur dem lechzenden
Lebensdrang!
Fluch über den Neid der Götter!
Aber auch Menſchen können beneiden: und der Neid
macht ſie zu Dämonen.
Nicht follen Andre genießen, wo ich nicht mehr ge⸗
nießen kann!
Nicht ſollen Andre lachen, wenn ich mich in Schmerzen
winde Nächte dvurch!
Nicht frohlocken ſoll die ſtrotzend Geſunde mit dem
Treuloſen, der Theodora's war und dabei noch einer An⸗
dern denken konnte, oder der Tugend, oder des Himmels.
120
Grft heute hat er mir gefagt, er trage nidt linger
Dies rubms und ebrlofe Leben in meinen Frauengemachern :
— Himmel und Erde riefen thn binweg.
Gr ſoll e8 bitgen — mit ihr —
Komm, Cethegus,“ fprad fie grimmig, feinen Arm
ergreifend, ,wir wollen fie beide verderben.”
„Du vergißt,“ fagte Cethegus falt, „ich habe feinen
Grund, fie oder ihn gu haſſen.
Was ich alfo hierin thue, thue ich um demetwillen.”
Dod nicht, du kluger, eifiger Römer.
Glaubft pu, id) durchſchaue did nicht ?“
„Hoffentlich nicht,“ dachte Cethegus.
„Du willſt Beliſar fern halten von Stalien.
Allein willſt du dort kriegen und ſiegen.
Höchſtens einen Schatten neben dir haben, wie Beſſas
war und Areobindos ſein wird.
Meinſt du, ich habe das nicht durchſchaut, als du
damals vor Ravenna die Abberufung Beliſar's ſo meiſter⸗
haft eingefädelt haſt?
Sorge um Suftinian!
Was liegt div an Juftinian !“
Gethegus podte vas Herz. |
„Freiheit Roms! jum Laden! Du weit, dak nur
ftarfe, einfade Dtanner die Freiheit ertragen.
Du fennft deine Quiriten.
Nein, vein Biel liegt haber.“
»Sollte dies Weib purdfdauen was alle meine Feinde
und Freunde nidt geahnt?“ bangte Gethegus.
ou willft Stalien allen befrett baben und allem als
121
Suftinians Statthalter Stalien regieren, der nächſte an
feinem Chron, hod über Velifar und Narſes, der nächſte
nad Theodora: und, gab e8 Höheres, du warft ver Geift,
danach gu fliegen.”
Gethegus athmete auf.
„Das ware dod) nicht all’ der Mühe werth,” dachte er.
„O es ift ein ſtolzes Gefühl, ver erſte Diener Juſtinians
zu ſein.“
„Natürlich, über ihren Mann hinaus, ob ſie ihn
täglich verräth, vermag fie nicht gu denken.“
„Und, als der Gehülfe Theodora's, ihn, den Kaiſer,
— zu regieren.“
„Die Schmeichelluft dieſes Hofes betäubt zuletzt auch
den hellſten Verſtand, dachte Cethegus.
Das iſt der Wahnſinn des Purpurs.
Sie kann ſich ſelber nur als Allbeherrſcherin denken.“
„Ja, Cethegus, keinem Andern gönnt id es, ſolches
nur zu denken.
Dir will ich's erringen helfen: — mit dir will ich
die Herrſchaft der Welt theilen: — vielleicht nur um
thöriger Jugenderinnerung willen: weißt du noch, wie
wir vor Jahren zwei Kiſſen vertheilten in meiner kleinen
Billa? wir nannten fie Orient und Occident.
Das war ein Omen.
So laf uns jest Orient und Occident vertheilen.
Durd) meinen Juſtinian beberrfd’ ich den Orient.
Durdh meinen Cethegus will id den Occident bee
herrſchen.“
Hochmüthig, unerſättlich Weib!“ dachte Cethegus.
122
„Wäre mir nur Mataſwintha nicht geftorben, die
Jungfräuliche. Sie an viefem Hof — und du verfantft."
Aber dazu," fubr Theodora fort, ,mufh erft Beliſar
flix immer aus dem Wege.
Suftinian war entfdloffen, ibn -abermals und zwar
alg deinen Oberfeldherrn yu fenden."
Gethegus furdte die Braun. —
„Er vertraut immer wieder feiner hitndifden Tree.
Er muß vor feiner Untrene greifbar überzeugt werden.”
„Das wird ſchwer halten,“ meinte Cethegus.
„Eher lernt Theodora die Trene, als Velifar die Une
treue.“
Ein Schlag der kleinen Hand auf den Mund war
ſeine Strafe.
„Dir bin ich, thörigerweiſe, tren geblieben — d. h.
im Wohlwollen.
Willſt pu Beliſar wieder in Stalien haben?“
„Um feinen Preis."
„Dann hilf, ihn verderben fammt vem Sohn des
Boẽthius.“
„Sei's,“ ſagte ver Präfect. Ih habe keinen Grand,
den Bruder des Severinus zu ſchonen.
Aber wie? wie willſt vu den Beweis von Belifar’s
Untreue fiibren ?
Darauf bin id gefpannt.
Wenn Du das vermagft, erfldre id mid, wie im
Lieben und Haffen, fo im Planen einen Stitmper gegen
Theodora." .
Das bift du aud, fdjwerfilliger Sohn von Latium.
123
Nun hire: — aber das ift fo gefährlich, daß id
felbft vic), Galatea, bitten mug, Wade gu ftehen, dak
niemand kömmt und laufdt.
Nein, Goldmiltterden: nicht imnerhalh: — id bitte
recht ſchön: — außerhalb der Thüre.
Laß mich nur allein mit dem Präfecten — es gilt
— leider! — nur ein Geheimniß ves Haſſes.“
Als nach geraumer Zeit der Präfect das Gemach
verließ, ſagte ex zu fic) ſelber:
„Wenn dieſes Weib ein Mann wäre, — der müßte
mir fterben. —
Er ware gefahriidjer als vie Barbaren, fammt Byzanz.
Wher dann freilid), dann ware die Bosheit nidt fo
unergriindlid teuflifd.”
Bwilftes Capitel.
Bald nachdem dex Präfect nach Hauſe gekommen,
meldete Syphax den Sohn ves Boẽthius: die Kaiſerin
ſende ihn.
‚Laß ihn ein und niemand ſonſt, bis ex fort tft. Einſt⸗
weilen aber ſchicke ſchleunig nad Pifo, dem Tribun.“
Der junge Anicius, einftweilen gum Mann Herans
gereift, trat ein.
Er trug einfache Kleidung und fein Haar, fonft künſt⸗
lid) gelodt und gefalbt, bing heute ſchlicht herab.
Geine weiden Züge — fie erinnerten den Prifecten
(ebhaft an Camilla — gewannen ſehr durch den Ausdruck
von Entſchloſſenheit, ver heute darauf rubte.
„Du mabnft mid an deine {chine Schwefter, Anicins,”
mit diefen Worten empfing thn der Prafect.
„Ihrerwegen, Cethegus, bin ic) gefommen,” fprad der
Siingling ernft.
„Du bift der Altefte Freund meines Vaters, meines
Haufes: du haft mid) und Ceverinus in deinem eignen
Haufe geborgen gebhalten und, mit Gefabr fiir vic felbft,
geflitdtet, al8 man nad und forfdte.
125
Du bift ver Cingige in Byzanz, von dem ich väter⸗
lichen Rath in einer dunkeln Pflicht erbitten kann.
Erſt vor wenigen Tagen erbielt ich diefen rathfel-
haften Brief :“
„Anicius, dem Sohne meines Patronus, Corbulo, der
Sreigelafine —“
„Corbulo? id) fenne den Namen."
Der Freigelafine meines Vaters, bet weldem meine
Mutter und Sdwefter Zufludt gefunden und ber —
„Mit deinem Bruder vor Rom gefallen iſt.“
Sa: aber er ſtarb erft im gothifden Lager, wohin er,
felbft ſchwerverwundet, mit meinem fterbenden Bruder
aus dem Dorf ad aras Bacchi, gefangen, gebradt wurde.
So erzählt mir ein mit gefangner armenifder Soldner
Beliſar's, Gutas, der mir den Brief überbrachte, wel⸗
den Corbulo nicht mehr vollenden fonnte.
Lies felbft.”
Und Cethegus nahm dads fleine Wadhstafelden mit
ven faum leferliden Zügen und las:
a8 legte Wort, vas Vermächtniß deines fterbenden
Bruders war: Wnicius foll nun raden die Mutter, die
Sdwefter, mid): uns alle hat derjelbe Oamon unferes
Haufes — —"
„Hier endet leider der Brief,” fagte Cethegus die
Tafel zurückgebend.
a: Dem treuen Corbulo vergingen die Ginne und
er erwadte nicht mehr ans feiner Obnmadt, fagt der
Söldner.“
126
„Damit ift nicht viel gu machen,” meinte achſelzuckend
Gethegus.
„Gewiß: aber ver Söldner Sutas hörte nod ein
Wort meines fterhenden Bruders gu Corbulo — fle lagen
in Ginem Belte —: dads fann ein Schlüſſel werden.”
„Nun?“ fragte Cethegus, theilnehmend gefpannt.
„Severinus fagte: ‚ich abn’ e8. Cr wußte von diefem
Hinterhalt — Cr hat uns in den Ton gefdidt.”
wer?" fragte Gethegus rubig.
wa, Dad eben fragt ſich.“
„Du haſt teine Whnung 2”
„Nein: aber es fann nicht unmöglich fein, den Gee
meinten gu entdeden.“
Wie willft nu das anfangen
„In den Tod geſchickt“ — das tann nur einen An:
führer, einen Feldherrn meinen, der memen Bruder
veranlafte, an jenem Morgenritt Belifar’s ans dem
tiburtinifden Thor ſich zu betheiligen.
Denn Severinus gehirte damals nicht zu dem Ge:
folge Belifar’s.
Sr war Tribun deiner Legionare.
Es muß gelingen, wenn du, Beltfar, Prokop ernftlid
nachſpüren, den gu ermitteln, der ibn veranlafte.
Denn er ging nidt etwa anf deinen Befehl mit
anbdern Legionaren — feiner deiner Legionare und Reiter
war ſonſt dabei.
Das iſt richtig.“ ſagte Cethegus, „ſoviel ich mich
entſinne.“
„Nein, nicht Einer.
127
Profop — leider ift er nun verreift, Bauwerfe Jufti-
nian’ in Afien fennen 3u lernen — war ja felbft dabei:
oft 3ablte er mir die Namen Wer anf.
Wenn er wiederfehrt, werde ich forgfaltig forfden,
mit wem etwa mein Bruder vor dem Wusfall zuletzt
verfebrt, in wefjen Haus oder Relt er war: — ich werde
nidt ruben und rafter —: ic) werde Severins nod)
lebende Gameraden befragen, wo fie ihn zuletzt, vor dem
Ausritt, gefehn."
Du biſt ſcharfſinnig fiir deine Sabre," fagte der
Prafect mit feltfamem Lächeln.
Wenn folde Klugheit erft yu Reife tommt!
Abber freilich: du lebft in guter Schule fir die
Schlauheit.
Weiß die Kaiſerin von deinem Räthſelbrief?“
„Nein: und ſie ſoll nie davon erfahren.
Nenne mir ihren Namen nicht!
Dieſe Rachepflicht ſendet mir Gott als letzten Mahn⸗
ruf, mich von ihr zu reißen.“
„Aber fle ſendet did) gu mir?“
„In einer andern Sache, — die aber ſehr gegen ihre
Meinung enden foll.
Vor Kurzem ließ ſie mich heute rufen: noch einmal
fragte ſie mich lächelnd, ob es denn gar ſo ſchwer, im
goldigſten Käfig auszuhalten ſei?
Mich aber ekelt des Weibes.
Und mich reut ſchmerzlich der Monate, die ich bei
ihr verloren, indeß mein Bruder für das Vaterland ge⸗
fochten und gefallen.
128
3h gab iby fo herbe Antwort, daß id einen Sturm
des Borns erwartete.
Aber zu meinem Staunen blteb fle gang ruhig und
fprad) lächelnd:
„Nun es fei: feine Treue dauert.
Gehe hin yu Antonina oder zur Tugend ober yu
beiden Göttinnen.
Aber gum legten Reiden meiner Gunft will ih did
retten vor ſichrem Berderben.
Cs beſteht in Byzanz eine Berſchwörung römiſcher
und griechiſcher Jünglinge gegen Juſtinians Leben oder
Freiheit.
Sie wollen ihn zwingen zum Gothenkrieg und zu
Beliſars Ernennung zum Feldherrn.
Still, ich weiß es.
Ich weiß auch, daß man dich ſchon halb gewonnen,
daß du zwar noch keine der Verſammlungen beſucht, aber
die Documente der Verſchwörung verwahrſt.
Ich habe ſie gewähren laſſen, weil einige alte Uebel⸗
gönner von mir darunter ſind, welche ich ſicher diesmal
zu verderben hoffe.
In einigen Tagen ziehe ich das Netz zuſammen.
Du aber follſt gewarnt und gerettet ſein.
Geh zum Präfecten: er ſoll dich unter der Schar
ſeiner Söldner aus Byzanz führen.
Sage ihm nur: dir drohe Gefahr und dich ſende
Theodora.
Aber von der Verſchwörung verrathe ihm nite:
129
aud) feiner Rriegstribunen find etlide dabei, die er gern
retten wilrde, id) aber verderben will."
Und id) tam gu dir: aber nicht, um gu fliegen: um
did) und meine römiſchen Waffenbrüder zu warnen.
Ich werde aud die Verfammiung befucen — heute
Droht nod) keine Gefahr, verfiderte die Raiferin, — fie
Whe zu warnen, ibnen gu fagen, dak die Verſchwörung
entdeckt ift.
Ou darfſt nicht hin, Prafect: ou darfſt dich nicht
weiter blos ftellen: Suftinian mißtrauet dir bereits.
Die Unfinnigen wollen warten, bis fie Belifar ges
wonnen haben !
Und vielleidht morgen fdon find fie alle gefangen,
wenn man fie nidt warnt.
Sd eile heute, vie Freunde zu warnen.
Dann aber rube und rafte id) nidjt, bid id) den
Marder meines Bruders heraus gefunden."
„Beides ſehr löblich,“ fprad Cethegus.
„Nebenbei geſagt, wo birgſt du vie Briefe ver Ver⸗
ſchworenen?“
Loo id," ſprach der Jüngling erröthend, „alle Gee
heimniſſe, andre, heiligere barg — mir unendlich theure
Briefe und aud dieſe Tafel bergen will: — du ſollſt
darum wiſſen: denn du, der älteſte Freund unſres Hauſes,
du ſollſt mein Rachewerk mir vollenden helfen: auch die
Ausſagen des Söldners Sutas über kaum verſtändliche
Reden der beiden Sterbenden habe ich am gleichen Ort
geborgen: fie lauteten von „Giftmord“, von dem ‚mörde⸗
Dahn, Cin Kampf um Rom. IV. 9
130
rifden Befehl’ von einer ,,Anflage vor dem Genat* —
alfo mug ver Femd römiſcher Genator gewefen fein, —
vom ,purpurrothen Helmbufdh", vom „ſchwarzen Höllen⸗
roß“.
„Und fo weiter,“ unterbrach Cethegus. Wo iſt der
Verſteckk? Du kannſt einmal wirklich raſch entfliehen
müſſen: denn ich rathe dir doch ſehr, der Kaiſerin nicht
zu trau'n: du erreichſt vielleicht einmal dein Haus nicht
mehr.“
„Und dann iſt es nothwendig, daß du mein Werk
aufnehmeſt. Ich wollte dir ſchon ſelbſt ſagen: in der
Ciſterne im Hof meines Wohnhauſes — der dritte Ziegel
links vom Schöpfrad iſt hohl.
Aud) ſchon deßhalb,“ fuhr er finſtrer fort, „ſollſt ou
davon wiſſen —
Wenn die Freunde, die Verſchwornen nicht zu retten
ſein ſollten, — wenn meine eigne Freiheit bedroht wird —
denn du haſt Recht mit deiner Warnung: ich bemerke
ſchon lange, daß mir Späher nachſchleichen des Kaiſers
oder der Kaiſerin? — dann mach' ich raſch ein blutig
Ende —: was liegt dann an meinem Leben? — wenn
th den Auftrag Severins dod) nicht mehr erfitllen fann
— dann — id babe dem Kaiſer jeden Mtorgen gu
melden, wie die Raiferin geruht — ſtoß ich den Tyrannen
nieder in Mitte fener Slaven.”
„Wahnſinniger!“ rief Cethegus in aufridtigen Schreck
— penn nun wollte er Suftinian im eben und in
Herrfdaft erhalten — ,wobin reift did) die Rene und
ein planlos zerfahrenes Leben?
131
Nein, der Sohn des Boẽthius darf nidt als Mörder
enden.
Willft du in Blut deine ruhmloſe Vergangenheit
ſühnen — woblan, fo kämpfe unter meinen Legionaren :
im Blut der Barbaren reinige dich, mit dem Schwert des
Helden, nicht mit dem Dold) des Meuchlers.“
Ou fpridft groR und wabr.
Und du wilft mid, den Unerprobten, deinen Rittern
beigefellen !
Wie fann id dir danken?“
„Spare den Dank, bis Alles vollendet —: bid wir
uns wiedergefehn.
Cinftweilen warne heute Abend die Verfdwornen.
Das ift ſchon eine Probe ves Muthes.
Denn id) halte e8 nicht fiir ungefabrlidh, da man
dir nachſchleicht.
Wenn vu vie Gefahr fdeuft — fag’ e8 offen.“
„Ich foll vie erfte Probe des Muthes ſcheuen?
Ich fomme, 3u warnen: und ob mid) drum der ſichre
Tod erwarte."
Und er drückte des Brafecten Hand und eilte hinweg.
So wie er entfernt war — nur Ginen Blick warf
ihm ver Prafect nad — führte Syphar den Tribun
Pifo aus einem andern Cingang in das Gemad.
„Tribun der Jamben,“ rief ihm Cethegus zu, „jetzt
heißt e8 raſchfüßig fein, wie deine Berfe.
Genug der Verſchwörungen und der Kagentritte bier
in Byzanz.
9*
132
Augenblicklich fudft du alle jungen Römer auf, die
im Hauſe des Photius verfehrten.
Reinen von end) varf die Whendforme mehr in diefen
Manern finden. )
Es gilt pas Leben.
Reiner darf yu dem ,Abendfdmaufe" des Photius
fonimen.
Einzeln, in Gruppen, geht anf vie Jagd: fahrt Segel
um die BWette, auf dem Bosporus: aber eilt hinweg.
Die Verſchwörung ift überflüſſig.
Bald ruft wieder ſchmetternd die Cuba gum Kampf
gegen die Barbaren in Latium.
ort mit euch Wen.
Harret meiner zu Epidamnus. Bon da hol’ id end
mit meinen Sfauriern ab: gum Ddritten Kampf um tom.
Sort mit dir!
Syphax," frug er, mit dieſem jebt im Gemach
allein, wbaft du nadgefragt in bes grogen Feldherrn
Haufe?
Bis wann wird er guriid erwartet?"
„Bis Sonnenuntergang.”
„Die treue Gattin harret in feinem Hauſe? Gut.
Cine Ganfte, — nidt die meine —: miethe die
nächſte vor Dem Hippodrom, deren Laden gang verſchließ⸗
bar find.
Führe fie in die Hafenftadt, m die Hinterftrafe der
Trödler.“
133
„Herr, Dort wohnt das argfte Geſindet dieſer geſindel⸗
reichen Bettlerſtadt.
Was willſt du dort?“
„Einſteigen in die Sänfte.
Dann nach dem rothen Hauſe.“
Dreizehntes Capitel.
In dem rothen Hauſe, dem Palaſte Beliſars, in
ver Neuſtadt ,Suftiniana’ (Sycã) ſaß Antonina in dem
Frauengemach, emſig in Arbeit vertieft.
Gie ftidte an einem mit goldnen Lorberen vers
bramten Mantel fiir den Helden BVelifarius.
Auf vem Citrustiſchlein neben ihr lag, in koſtbarem
Umſchlag, mit Edelſteinen befegt, ein mit Purpur-Linte
gefdriebenes Prachteremplar von Prokops ,Bandalen-
Krieg," dem kürzlich erfdjienen Werke, weldes den glangend-
ften Feldzug ihres Gemabhls befdried.
Bu ihren Füßen lag ein herrlich Thier, einer ans
vem Doppelpar ver zahmen Bagdleoparden, welche der
Perfertinig nad dem legten Frieden vem Sieger Belifar
gefdentt —: eine höchſt koſtbare Gabe, da nur felten
die Zähmung villig fider gelang und viele Hundert der
jung Cingefangnen oder aud) in der Gefangenfdhaft gee
worfnen Sungen nad) Sabre langer Abrichtung als ue
zähmbar getddtet werden mußten.
Das wunderfddne, groffe und ftarfe Thier — ef
verwilderte gu leicht auf der Sagd durch Genuß warmen
135
Blutes und war veshalb zu Haufe gelaffen worden —
ftredte fic) behaglid, wie eine Hauskatze, auf Antoninens
Gewand, fpielte mit vem Knäuel von Goldfaden, ringelte
den Schweif und rieb den runden, flugen Kopf und den
Bug an der Gebieterin Figen.
Da meldete die Slavin einen fremden Mtann, — in
unſcheinbarer Miethſänfte fet er angefommen und in
ſchlichem Mantel —: man babe ihn abmeifen wollen,
pa der Hausherr fern und Antonina in feiner Ab⸗
wefenbeit feinen Beſuch mehr empfange. „Aber man
fann thm ntdjt widerftehn — er befabl:
Meldet Antoninen den Ueberwinder ves Pabftes
Silverius. “ |
„Cethegus!“ rief Antonina: fie erbleidte und zitterte.
„Laßt ibn ſchleunig ein.”
Die Ueberlegenheit, welche ver gewaltige Geift in
jener erften Stunde ihrer Begegnung itber fie gewonnen
und nie wieder verloren hatte, die CErinnerung, wie
piefer Mtann, als ihr Gatte und der Huge Profop und
al’ die Heerfithrer vor dem Prieſter widerftandlos ers
legen waren, den Ueberwinder itbermunden und ges
vemilthigt hatte, wie er dann, bet dem Einzug in Rom,
in der Schlacht an der Aniobriide, m Roms Verthei⸗
digung gegen Witidhis, im dem Lager vor Ravenna,
bet der Gewinnung diefer Stadt, immer und itberall
feine Obmadt bewabhrt, und fie dod nie feindlid gegen
Belifar gebraucht hatte, — wie Unheil nur aus dem
Widerftreben gegen feine Warnungen gefolgt, — wie
jeder feiner Rathfdlage an fic) flegretd) gemefen war
136
— all’ dieſe Crinnerungen fdoffen nun verwirrend und
betaubend in ihrem Haupte zuſammen.
Die Schritte des Prafecten nabten.
Sie ftand haftig anf.
Der Leopard, unfanft weggeſchoben und um des Gin:
bringlings willen aus feinem bebagliden Spiel aufge⸗
ftdrt, richtete ſich leiſe fnurrend auf, drohend gegen den
Eingang blidend, und die gelben Rabne fletſchend.
Ungeftiim ſchlug ver Cintretende die Vorhänge zurück
und ftedte das balb non der Capuze bededte Haupt herein.
Das erſchreckte over reigte den Leopard: — bet ‘ver
erften Bändigung bedienten ſich die perfifden wens
und Tiger-Züchter langer Wollteppicde und Geficht und
Halé fchirvmender Vermummungen: — Erinnerung an
einen alten Feind modjte in Dem grimmen, nie gang
gebanvigten hier erwadt fein: — mit furdtbarem
Wuthgefdret vudte er fid) zum tbdtliden Anfprung,
ben Boden mit der langen Ruthe peitidend und Geifer
fpudend —: das fidre Anzeichen grimmigfter Wut.
Entſetzt erfannte das Antonina.
Oleh, flieh, o Cethegus,“ fdrie fie.
That er das, wandte er den Riiden, fo war er vere
foren —: fo fag thm das Unthier feftgebiffen auf bem Nacken.
Denn fetne verfdlieRbare Thir, nur Vorhänge,
fpertten den Rückweg.
Gr trat rafd) vor, warf die Capuze zurück, blickte
ſcharf in des Leoparden Auge, den Zeigefinger der Linken
gebietend erhoben und ein breites, bligendes Dolchmeſſer
gerade vor fid) bin ſtreckend.
137
„Nieder! Mieder! heiß Cifen fonft droht!“
Go rief er in perſiſcher Sprade dem fnurrenden
Unthier entgegen, nod einen Schritt vortretend.
Da brad der Leopard in ein winfelndes Heulen der
Furcht aus: die gum Sprung gekrümmten Muskeln ers
ſchlafften: winfelnd frod) er, auf allen Bieren ſich vor-
fchiebend, eran und ledte, 3itternd vor Furdht, dem
Manne bie Gandale des linfen Fußes, indeß ifm
diefer den redjten Fup felt auf den Maden fette.
Untonina war vor Entfesen auf die Kline gefunten:
ſtarr blidte fie jest auf das furdtbar ſchöne Bild.
das Thier — die Proskyneſe!“ ſtammelte fie.
„Dareios hatte fle immer vermweigert: — er wurde
wilthend, wenn Beltfar fte erzwingen wollte: — wo aft
bu, Gethegus, dads gelernt 2
„In Perfien natürlich,“ fagte diefer.
Und er ſtieß Dem ganz gebrodnen Thier fo heftig den
Fuß in die Rippen, daß dieſes, laut aufſchreiend vor
Schmerz, hinweg fuhr und in der fernſten Ecke des
Zimmers Schutz ſuchte, wo es zitternd, die Augen ängſt⸗
lich auf den Mann gerichtet, liegen blieb.
‚Beliſarius bat nur die Burgen, nie die Sprache der
Perfer bemeiftert,” fagte Gethegus: „dieſe Beftien aber
verftehen nicht griedifd.
Du bift ja grimm gebittet, wenn Beliſar fern tft,“
fubr er fort, den Dold wieder in den Bruftfalten
bergend.
„Was führt did) in fein Haus?" fragte, nod bebend,
Antonina.
138
„Die oft verfannte Freundfdaft.
Es gilt, deinen Gatten gu retten, der den Muth
des Lowen, aber nicht die Veſchicklichkeit der Maus
beſitzt!
Prokop ‘ft leider fern.
Gonft bhatt id) diefen ihm vertranteren Berather
gefendet.
Sd wei, daß Belifar von dem Raifer etn ſchwerer
Schlag vrobt.
Es gilt ihn abguwenden.
Des Kaifers Gunft —“
„Iſt wankelbaft, ic weiß es. Aber die Verdienfte
Belifars —“
„Gerade diefe find fen Verderben.
Ginen Unbedeutenren würde Juftinian nicht fürchten.
Aber er fürchtet Belifarius —"
„Das haben wir oft erfabren,“ ſeufzte Antonina.
„Wiſſe denn — vu guerft von Wien, wad Mies
mand auferbalb ves Palaftes abut —: ves Maifers
Schwanken ift feit heut entſchieden —: für den Gothen:
krieg.“
„Endlich!“ rief Antonina und ihr Antlitz hellte
ſich auf.
oa, aber — bedenke die Schmach! —: nicht Beliſar
iſt zum Feldherrn beſtimmt.“
„Wer ſonſt?“ fragte Antonina zornig.
„Ich bin der Cine Feldherr —“
Mißtrauiſch blickte fie anf thn.
„Ja, das war mein Streben fdon lang: ich geftebe es.
139
Uber der zweite foll Areobindos fein.
Sq fann mit diefem Schattenmann nichts anfangen.
Ich fann nidt neben ihm, mit ihm, gehemmt durd
fetnen Unverftand, die Gothen befiegen.
Die Gothen befiegt Niemand als Belifarius.
Deßhalb muß ich ihn wieder neben mir, meinetwegen
über mir, als Oberfeldherrn, mit mir haben.
"Sieh, Untonina, ic) halte mid) für den größeren
Staat8mann —“
„Mein Belifar ift ein Held, fein Staatsmann,“
fagte die ſtolze Gattin.
Uber lächerlich ware e8, mid al8 Feldherrn mit vem
Vandalen⸗, Perſer⸗ und Gothen-Befieger zu vergleiden.
Sieh, id) geftehe dir ja ganz offen: nidt blos Wohl⸗
wollen für Belifarius, aud) Selbſtſucht leitet mid) dabet.
Sh muß Velifar gum Waffengenoffen haben.”
„Das leudjtet mir ein,” fagte fie woblgefallig.
„Juſtinian ift aber nidt zu bemegen, Belifarius zu
ernennen.
Nod) mehr: er miftraut ihm auf’s Neue: und zwar
mehr denn je.”
„Weßhalb aber, bet allen Heiligen™
woelifarins ift zwar unfduldig, aber aud) ſehr uns
porfidtig.
Geit Monden erhalt ex heimlich Briefe, Rettel,
Mahnungen, zugefendet, in den Mantel im Bade geſteckt,
in ben Garten geworfen, — die ihn zur Theilnahme
an einer Verſchwörung auffordern.“ :
.pimmel, du weißt Davon 2” ftammelte Antonina.
140
„Leider nicht nur id): — aud) andre Leute —: der
Raifer ſelbſt!“
„Es gilt aber nicht ded Raifers Leben over Thron , “
beſchwichtigte Antonina.
Mein, nur feiner Freiheit, fener Selbſtbeſtimmung:
„Krieg gegen die Gothen" — ,,Velifar Felvherr> —
„ſchmählich iſt's, den Undankbaren dienen” — ,.3ming’ den
Herm zum eignen Vortheil" — :
So und ähnlich lauteten vie Zettelchen: nicht wahr?
Nun, Belifar hat zwar nicht Folge geleiftet. Aber
er bat auch, ver Unkluge, nicht gleid den erften Wink
oon Ddiefen Aufforderungen bem Raifer angezeigt! —
Das fann Belifars Kopf koſten!“
„O alle Heiligen!“ rief Untonina hanveringend, „er
unterließ es auf meinen Rath, auf mein Bitten. Prokop
rieth ihm — wie du jetzt — gleich Alles dem Kaiſer
zu melden.
Aber ich — ich zitterte vor des Kaiſers Mißtraun,
das ſchon in der Aufforderung an Beliſar einen Schein
der Schuld erblicken konnte.“
„Das war es wohl nicht allein,“ ſprach Cethegus
vorſichtig, erſt nach Lauſchern fic) umblidend, was
deinen Rath beſtimmte, dem Beliſar, wie immer, folgte.
Was ſonſt? was kannſt du meinen?’ frug Anto⸗
nina leiſe.
Sie erröthete über und über.
„Du wußteſt, daß gute Freunde eures Hauſes be⸗
theiligt waren — dieſe wollteſt du erſt warnen, erſt
[fen von den Schuldigen, ehe fie angezeigt würden. —
141
„Ja,“ ftamntelte fie, , Photius, fein Freigelafiner —“
wind nod) cin Andrer,“ fliifterte Gethegus, der
tod nidjt, aus Theodora's goldnem Rerfer kaum befreit,
gleid) in die Gewölbe ves Bosporus wandern follte.“
Antonina ſchlug beive Hinde vor das Antlits.
„Ich weiß Wes, Wntonina: — die geringe Schuld
von frither —: die ftarfen guten Vorfage fpaterer Reit.
Aber hier hat vid) die alte Neigung beftrict.
Statt nur an Beliſar yu denfen, Haft pu aud an
fein Wohl gedadt.
lind wenn nun darüber Belifar untergeht — wef
ift Die Schuld?“
„O alt etn, erbarme vid," flehte Antonina.
„Verzage nicht,“ fubr Cethegus fort. „Dir bleibt
ja eine ftarfe Stütze — eine Fürſprecherin bet Suftinian.
Wenn aud vielleicht Verbannung droht — vas Ueuferfte
wird dod) die Fiirbitte deiner Freundin abwenden, der
Allmadtigen.”
„Die Kaiſerin!“ rief Antonina entfept.
Wie wird ſie Alles darſtellen! Ach ſie hat uns den
Untergang geſchworen.
„Dann iſt's ſchlimm,“ ſprach Cethegus, „ſehr ſchlimm.
Denn auch die Kaiſerin weiß von der Verſchwörung
und von den Ladungen an Beliſar.
Und du weißt: — viel geringere Schuld, als die zu
einer Verſchwörung aufgefordert zu ſein, genügt —“
„Die Kaiſerin weiß es? Dann ſind wir verloren!
O du, der du Auswege zu finden weißt, wo kein Auge
ſonſt ſie ſieht — hilf, rette.“
142
Und vie ftolje Geftalt fant flehend vor bem Pris
fecten nieder.
Wus ver Bimmerece erſcholl ein klägliches Geheul:
bet dieſem Anblick fchitttelte ven Leoparden auf's neue
vie Furcht. Einen rafden Blick warf ver Prafect auf
ven heulenden Gegner: — dann erhob er fanft die
Knieende.
„Auf, Gattin Beliſars, verzage nicht.
Ja: es giebt ein Mittel, Beliſar zu retten. Aber
nur Eines.“
„Soll er jetzt die Anzeige machen? ſobald er heim
febrt 2"
„Das ift gu ſpät und gu wenig.
Pian wiirde ihm nidt glauben, daß es ihm Crnft
mit blogen Worten.
Nein: er mug in Thaten feine Treue beweifen.
Sr mug vie BVerfdwornen Alle gufammen faffen
und We gufammen dem Kaiſer ausliefern.”
„Wie fann er fie zuſammen faffen 2”
„Sie laren ihn ja felbft.
Heute Nacht, im des Photius, feines Freigelafinen,
Haufe verfammeln fie fic.
Wohlan: er fage yu, thy Haupt zu werden.
Cr erfdeine und nehme fie dort We gefangen. —
Anicius,“ fiigte er bei, ,ift von ver Kaiſerin felbft
gerwarnt filr heute Nacht — er war bet mir.“ —
.O und miigt er fterben: — e8 gilt ja, Belifar gu
retten.
Er muß es thun! Ich ſeh' es ein.
143
Und e8 ift kühn, gefährlich — es wird ihn reijen.”
„Wird ev feinen Freigelafinen opfern?“ —
„Sieben mal haben wir ben Thoren vergebens ges
warnt. Was liegt an Photius, wenn e8 Belifar gilt.
Wenn id) je Gewalt iiber ihn gehabt: — heute
werd’ id) thn itberzengen.
Schon frither rieth ihm Profop, einmal einen folden,
wie er fagte, brutalen Beweis fetner Treue zu fithren,
nad vem er nicht gletd die erfte Aufforderung dem
Raifer mitgetbeilt.
Sd werde ihn diefes Raths Profops erinnern.
Sei gewiR: er folgt metnem, unfrem übereinſtimmen⸗
ven Path.“
„Gut: er foll vor Mitternacht dort fein.
Wenn ver Wadhter auf den Mauern die zwölfte
Stunde ausruft, brede td in den Gal: und, auf dak
ex gang jider gebt, foll er nur eintreten, wenn er meinen
Mauren Syphar in ver Mifde des Haujes hinter der
Petrus: Statue fieht: auc fann er einige feiner Leibs
wadter vor das Hans ftellen: fie follen thn veden fitr
pen Nothfall und Zeugniß ablegen für ibn.
Große Verftelungstunft wird ihm nicht zugemuthet:
ex foll erft kurz vor Mitternacht eintreten: ev braudyt
dann nur gu hören, nidjt gu reden. Unfere Wachen
barren im Gain des Gonftantinus vor der Hinterthitr
des Muſchelhauſes des Photius: mit dem Ausruf der
Mitternacht — die Tuba bläſt die Ablöſung der Wachen,
du weißt, man hört es deutlich — brechen wir ein.
144
Gr braucht alfo gar nidt vas WagnifR zu iibers
nehmen, ein Zeichen zu geben.”
„Und du, — du kommſt gewiß?“
od werde nicht fehlen.
Leb wohl, Antonina.“
Und raſch war er, rückwärts ſchreitend, das Antlitz
dem gebändigten Thiere zugekehrt, das Meſſer zückend,
an dem Ausgang.
Der Leopard hatte auf den Moment gewartet: er
regte ſich leiſe in der Ecke, ſich aufrichtend.
Da aber, zwiſchen ven Vorhängen, erhob Gethegus
nedmal den Stahl und drohte.
„Nieder, Dareios! Heiß Cifen fonft droht.“
Und er war hinaus.
Der Leopard rude den Kopf auf den Moſaik⸗Eſtrich
und ſtieß ein kläglich Gehenl aus ohnmidtiger Wuth.
vierzehntes Capitel.
Konig Totila war mit Flotte und Heer nach Rom
zurückgekehrt, in den eroberten Städten nur kleine Be⸗
ſatzungen laſſend, nachdem der Kaiſer auf Grund ſeiner
Forderungen Friedensverhandlungen eröffnet und einen
Waffenſtillſtand von ſechs Monaten erbeten hatte, vor
deſſen Ablauf der Friede durch byzantiniſche Geſandte ge⸗
ſchloſſen werden ſollte, welche er in Bälde nach Rom
zu ſchicken verſprach.
Das Glück Totila's und der Glanz ſeiner Herrſchaft
ſtanden nun auf der Höhe des Ruhmes.
Der ſiegreiche Angriff auf das byzantiniſche Reid
hatte feinem Namen weithin leudjtenden Schimmer vers
Aud auf Stalien warf verfelbe wirkungsvolle Strablen.
Die beiden legten, von den Byjzantinern behaupte⸗
ten Stadte waren Perufia in Tuscien wad Ravenna,
pas unbegwingbare.
Peruſia ergab fid) nun nad langer, zäher Berthei-
bigung dem Grafen Grippa: und felbft von Ravenna
fiel der wichtigſte Theil, vie Hafenftadt Claſſis, endlid
Dahn, Gin Kampf um Rom. IV. 10
146
in die Hand des alten Hildebrand, der nun feit mebr
al8 adjtzehn Monden die Vefte umfdloffen bielt.
Da jest vie Verpflequng der Stadt von ver See
her abgefdnitten werden fonnte, — der Konig hatte den
Auftrag gegeben, alle bisher vereinjelten Geſchwader zu
einer ftarfen Flotte bet Ancona gu ſammeln und den
Hafen Claffis gu fperven — war ihr baldiger Fall durch
Aushungerung zu ermwarter.
So war denn nur nod ein einjiger Sehritt gu thun
zur vollen Löſung des Gelübdes, welches Totila dereinft
vem fterbenden Vater BValeria’s geleiftet: nur im der
Landfeite von Ravenna nod ftanden Byzantiner anf
italifdem Boden: im wenigen Woden mußte die Stadt
vie Thore sffnen und nists ftand mehr der Bermählung
des Gothenfinigs mit der ſchönſten Tochter Staliens
im Wege.
Totila beſchloß, viefen Schritt vorgubereiten durch
eine öffentliche, feierliche Verlobung: mit fener Braut,
durch ein glanzvolles Steges-Feft, weldes vie errimgenen
Crfolge verherrliden, die Geliebte dem ihm nicht wohl⸗
gefalligen Einfluß des Kloſters entgiehen und fle, die
fiinftige Königin, dem Hofe, vem Reiche zeigen follte:
venn bidher batten ja nur Graf Leja und die vertrau⸗
teften Freunde Totila’s Brautfdhaft und Brant gefannt.
Caſſiodorius und Fulius batten als hohe Ehre dew
Auftrag aufgenommen, die Verlobte des Konigs and
Taginä abjubolen und nad) Rom gn führen.
Sildweftlid) oom jevigen Monte Leftaccto, wo ver
Tiber lings der aurelianifden Umwallung hinläuft wud die
147
Stadt verlagt, ragte auf fanftem Hiigel eine alte faifere
lide Billa aus der Zeit ver Antonine.
Totila liebte den Ort, ver von ver Hobe einen
wundervollen Ausblick den Flug hinab und in die Cams
pania gemabrte: ven Flug, welden jetzt wieder zahl⸗
reiche Heine Handelsſchiffe bendlferten, die von dem Hafen
Portus heranf die Fradten der großen Geefdiffe in die
Stavt fithrten: die Campania mit ihren wieder ans dem
Schutt und der Zerſtörung von zwei Belagerungen
emporfteigenden Landhäuſern.
Mit geringer Nachhülfe hatte ver Konig den alten
Cafarenpalaft wieder wohnlich berftellen laſſen: auf der
prachtvollen, breiten Terraffe vor der Villa, welche die
Krone der bid an den Flug hinab fteigenden Marmor⸗
treppe bildete, follte die Feſtfeier ihre reid) geſchmückte
Statte finden.
Cotila hatte von Neapolis den alten Bildhauer
Xenardhos, welder guerft vie Diosturen gufammengefiigt,
entboten und thn beauftragt, aus der Fülle von vers
figbaren Statuen in Rom und den nadften Stadten
vie vorzüglichſten zu wablen und fie auf den leeren
Poftamenten zu beiden Seiten der Marmor⸗Treppe aufs
zuſtellen.
Mit liebevollem Eifer hatte ſich der Alte ſeines Auf⸗
trags entledigt: und ein herrliches Spalier von Göttern,
Göttinnen und Heroen ſchloß bald von beiden Seiten
die Marmorſtufen ein.
Die Terraſſe war überwölbt von einem weiten
Purpurzelt, wie man fie über die Räume ves Ampbis
10*
148
theaters fpannte, sum Schutz gegen die Gonne, gedffnet
aber gegen den Hiblenden Wind vom Fluffe her: nad
riidwart8 verlief bie Terraſſe in vas faiulengetragne
Veftibulum der Bille.
Das Köonigszelt, die Treppe, das Veftibulum, die
ganze Villa waren aber umſchlungen von jabllofen Ge-
winbden des immergriinen Laubes, welded im Winter
und Gommer den Garten Stalia’s ſchmückt.
Von ver Spike des Königszeltes wallte ſtolz durch
bie römiſchen Lüfte das nene, pradjtvolle Banner Totila’s,
weldes Valeria und ihre Genoffinen gu Tagink’ funft-
voll mit Gold und Silber im hellblane Seide geftidt:
ben goldnen Schwan zeigend, welder gegen den blauen,
von filbernen Gternen befdeten Himmel mit ansgefpanns
ten Schwingen anffliegt.
Höher nod ragte zur Rechten das alte, rubuwolle
Amalungenbanner Dietrichs von Bern, mit dem fteigens
den goldnen Löwen.
Niedriger, gur Linken, eine Trophi: das Banner Bes
lifars, das otila vor dem tiburtiniſchen Thore erbentet
hatte: es war als Sieges-Zeichen mit gefentter Spige
aufgeſteckt.
Fünfzehntes Capitel.
Es war ver Tag ver Juni⸗Kalenden, auf welden
pas Sieges⸗Feſt angefegt war.
Die Bevdlferung Roms wogte von den fritheften
Morgenftunden an durd bie gefdmildten Stragen und
Plage ver Stadt gegen den aventinifden Hiigel und
ven Flug, welder von zahlloſen Gondeln belebt war:
rings um die Villa bin waren Relte, Laubhütten, Tiſche
aufgeſchlagen, an welden das Voll von Rom geſpeiſt
wurde.
Nachdem Gaffiodorius in der Sanet Peters-Rirde
unter den Gebeten eines avianifden und eines fatholifden
Priefters — der lestere war Julius — die Tochter
feines alten fFreundes dem Konig verlobt und fle die
Ringe getanfdt batten, ſchritt das Par in glänzendem,
feterltchem Aufzug über den Janiculus gegen das redte
Tiberufer, überſchritt den Flug auf der feftlich gefdmiid-
ten, von Laub-Bogen überwölbten Brücke ves Cheodofius
und Valentinian und erreidjte dann, dem Laufe ded
Stromes folgend, unterhalb des Emporiums die Felt
Halle der Billa.
150
Hier, im Angefidt des verfammelten Volfsheeres,
unter bem an feinem Speer anfgehangten Goldfdild des
Königs, trat die Römerin in den linken Schuh des go-
thifden Brautigams und er legte die gepangerte Rechte
auf ihr dunkles, von durchſicht'gem Schleier beredtes Haar.
So war die Verlobung nad firdlidem, nad römi⸗
fhem und nad germanifdem Brand gefdloffen.
Nun nahm vas Brautpar an dem Mitteltiſch der
Terraffe Plas, Valeria von edeln Römerinnen und
Gothinnen, Totila von Herjogen und Grafen feines
Heeres unigeben: abwedfelnd fptelten und fangen grie⸗
difdhe und römiſche Flbtenfpieler: und römiſche Tange
wedfelten mit vem Sdwerters Sprung gothifder Sing:
linge, indeffen auf dem Flug, an beiden Ufern deffelben
und rings um die Villa her die rimifden und gothi«
fen Gäſte des Königs gemeinfam fdmanften, tranfen
und den milden Herrn und feine fdine Braut am die
Wette feterten.
Ernſt finnend blidte Valeria in die Ferne: fle öffnete
leife die Lipper.
„Welchen Namen nannteft du?“ fragte fle der Koönig,
iby feinen Beder gum Vortrinfen reidend.
Sie that Beſcheid und fpradh, die goldne Shale
guritdgebend :
„Miriam!“
„Miriam Dank und Ehre!“ ſagte der König, ernſt
den Becher hebend.
Aber da klang es goldhell von Harfenſeiten: und in
ganz weißem, goldgeſäumtem Feſtgewand, einen Kranz von
151
Qorbern und Cicdenblattern um die Schläfe, trat Adal:
goth vor das Par, warf nod einen fragenden Blick
auf feinen Harfen- und Waffen-Lehrer, Graf Teja, der
dem König zur Redten fag, und fang mit beller Stimme
gu-den Accorden fetner Harfe :
„Hört, alle Völker, fern und nab,
Byzanz, vernimm e8 wohl: —
Der Gothen-Rinig Lotila
Thront hod im Capitol!
Wie weit ift pod) vom TibersStrom
Held Beliſar verfdredt :
Vom Orcus ift, nidt mehr von Rom, °
Cethegus nun Prafect.
Aus welden Blattern ziemt ein Kranz
Dem König Totila? —
An feiner Bruft in Roſen-Glanz
Erglüht Valeria.
Den Frieden fdirmet und das Recht
Sein Schwert, fein Schild, fen Stern:
Olive, leith vein fromm Gefledt
Mir fir den Friedens⸗Herrn!
Wer trug den Schreck des Rache⸗Kriegs
Gewaltig bis Byzanz?
Romm, Lorber, wälſches Kraut des Siegs,
Komm reid) in meinen Kranz!
152
Doch nicht wuds ihm die Siegesfraft
Aus Romas Moderftaud :
Friſch kröne feine Heldenſchaft,
Germaniſch Eichen⸗Laub.
Hört alle Volker, fern und nab,
Byzanz vernimm e8 wohl:
Der Gothen-Kinig Totila
Thront hod im Capitol!“
Rauſchender Beifall folgte feinem Lied, indeR ein
römiſcher Knabe und ein gothifdes Marden, vor dem
Brautpaare fnieend, je einen Kranz von Rofen, Oliven,
Lorbern und CidensBlattern überreichten.
„Auch unfere Sanger, Valeria,” lächelte Totila,
„ſind nidt ganz ohne Wohllaut.
Und nidt ohne Kraft und Treue.
Mein Leben van’ ic dem Sanger da.“
Und er legte die Hand auf Adalgoths Haupt. —
„Gar unfanft fdlug er deinem Landmann Pifo, ſeinem
Collegen in Apollo, auf die gefdidt feandivenden Finger :
— zur Strafe, daß er an meine Baleria mit dieſen
Fingern wohl manden Vers gefdrieben und in derfelben
Hand nun das tödtliche Cifen gegen mid ſchwang.“
„Nur Eins hatt’ id) nod) lieber gehört, mein Adal⸗
goth. fagte Teja leife zu diefem, „als vein Jubel⸗Lied.“
„Was, mein Sdwerts und Harfen- Graf?“
„Den Todesſchrei des Prafecten, den du leider nur
im Geſang in die Hille geſchickt aft.”
Aber Adalgoth ward von einer Menge von gothiſchen
153
Rriegern die Treppe hinab gerufen und lange nicht wieder
fret gegeben: denn feinen gothifden Hörern, welche die
Siege Totila’s mit erfochten, gefiel fein Lied viel beffer
al8 e8 vielleicht dir, liebe Leferin, gefallt.
Herzog Guntharis umarmte und küßte ihn und fprad,
indem er ihn zur Seite flibrte:
„Mein junger Held!
Das ift eine Aehnlichkeit!
So oft ich dic fehe, ift mein erfter Ausruf: Alarich.“
„Ei, das ift mein Schlachtruf,“ fagte Adalgoth und
im Geſpräch verfdwanden fle unter der Menge.
Sechzehntes Capitel.
Gleichzeitig blidte ver König nad ver Skulen-Halle
ver Villa gurid, da plötzlich das Spiel der dort auf⸗
geftellten Flötenbläſer abbrad.
Cr erfannte den Grund wohl: und er felbft fprang,
mit einem Ruf des Staunens, von feinem Sig.
Denn zwiſchen den betden frangumwundnen Mittels
Giulen des Cingangs ftand eine Geftalt, die nicht irdiſch
ſchien.
Ein wunderholdes Mädchen in ganz weißem Gewand,
einen Stab in der Hand und einen Kranz von weißen
Sternblumen um das Haupt.
„Ah was iſt dad? Lebt dies reizvolle Bild? frug
erſtaunt der König.
Und alle Gäſte, alle die Frauen und Männer um⸗
her, folgten dem Blick ſeines Auges, der Bewegung ſeiner
Hand mit Staunen.
Denn was an der ſchmalen Oeffnung die Blumen⸗
gewinde übrig gelaſſen, war ausgefüllt von einer lieb⸗
lichen Geſtalt, deren gleichen ſie nie geſchaut.
Das Kind over Mädchen hatte das glänzend weiße
155
Linnenkleid auf ver linken Schulter mit einer Saphir:
Spange gebeftet: den breiten, goldnen Gitrtel ſchmückte
ein grofer Kreis von Sapbhiren: wie zwei weiße Flügel
fielen die langen weißen Ripfel-Wermel von ihren
Schultern: Epheuranken umwoben die ganze Geftalt:
die Rechte hielt, auf der Bruſt ruhend, den Blumen
umwundenen, gekrümmten Hirtenſtab: die Linke hielt einen
wundervollen Kranz von Waldblumen und ruhte auf
dem mächtigen Haupt eines großen, braunzottigen Hundes,
der um den Hals auch einen Blumenkranz trug. Ohne
Furcht, ſinnig, forſchend fiel ihr Blick über die glänzende
Verſammlung.
Staunend harrten eine Weile die Gäſte, regungslos
ſtand das Mädchen.
Da ſtand der König auf von ſeinem Thron, ſchritt
auf ſie zu und ſprach:
‚Willkommen in ver Gothen Königſal, biſt du ein
irdiſch Weſen,“ lächelte er.
Biſt du aber, — was ich faſt lieber glauben möchte —
der Licht⸗Elben wundervolle Königin — nun ſo ſei uns
auch willkommen: dann muß dir ein Thron hoch über des
Königs Sig gerüſtet werden."
Und anmuthig begrüßend lud er ſie, mit beiden
Armen winkend, näher.
Sie aber trat nun, ſchwebenden Schrittes, über die
Schwelle der Säulenhalle auf die Terrafſe, erröthete und
ſprach
Lie ſprichſt du doch liebliche Thorheit, Herr Konig.
Ich bin keine Königin.
150
Hier, im Angefidt des verfammelten BVollsheeres,
unter bem an feinent Speer aufgehangten Goldfdild des
Königs, trat die Römerin in den linfen Schuh des go:
thifdhen Bräutigams und er legte die gepangerte Rechte
auf iby dunkles, von durchſicht'gem Schleier beredtes Haar.
So war vie Verlobung nach tirdlidem, nad römi⸗
fdem und nad) germanifdem Brand gefdloffer.
Nun nabm das Brautpar an vem Mitteltiſch der
Terrafie Plag, Baleria von edeln Römerinnen und
®othinnen, Totila von Herzogen und Grafen feines
Heeres unigeben: abwechſelnd fpielten und fangen gries
difdhe und römiſche Flotenfpieler: und römiſche Lange
wedfelten mit dem Schwerter⸗Sprung gothifder Jüng⸗
linge, indefjen auf dem Flug, an beiden Ufern deffelben
und rings um die Villa her die römiſchen und gothi-
fen Gäſte des Königs gemeinfam ſchmauſten, tranfen
und den milden Herm und feine fdine Braut um die
Wette feierten.
Ernſt finnend blidte Valeria in die Ferne: fie Sffnete
leife die Lipper.
„Welchen Ramen nannteft du?“ fragte fie der Kinig,
ihr feinen Beder gum Vortrinken reidend.
Sie that Befdeid und fprad, die golone Schale
guritdgebend :
„Miriam!“
„Miriam Dank und Ehre!“ ſagte der König, ernſt
den Becher hebend.
Aber da klang es goldhell von Harfenſeiten: und in
ganz weißem, goldgeſäumtem Feſtgewand, einen Kranz von
151
Vorbern und Cidenblattern um die Schläfe, trat Adal-
goth vor das Par, warf nod einen fragenden Blick
auf feinen Garfen- und Waffen-Lehrer, Graf Teja, der
dem König gur Redhten fab, und fang mit beller Stimme
gu-den Accorden fener Harfe :
„Hört, alle Valter, fern und nab,
Byzanz, vernimm e8 wohl: —
Der Gothen-Rinig Totila
Thront hod im Capitol !
Wie weit ift pod vom Tiber-Strom
Held Belifar verfdredt :
Vom Oreus ift, nidt mehr von Rom, .
Cethegus nun Prafect.
Aus welden Blattern ziemt ein Kranz
Dem Kinig Totila? —
An feiner Bruft in Rofen- Glan;
Erglüht Valeria.
Den Frieden ſchirmet und das Recht
Sein Schwert, fein Schild, fein Stern:
Olive, leih vein fromm Gefledt
Mir fix den Friedens-Herrn!
Wer trug den Sdred ves Rache⸗Kriegs
Gewaltig bis Byzanz?
Romm, Lorber, wälſches Kraut ves Siegs,
Komm reid in meinen Bran}!
152
Dod nidt wuchs ihm die Stegestraft
Aus Romas Moderſtaub:
Friſch rine feine Heldenſchaft,
Germanifd Cidhens Laub.
Hirt alle Volker, fern und nab,
Byzanz vernimm es wobl:
Der Gothen-Rinig Totila
Thront hod im Capitol!"
Raufdender Beifall folgte feinem ied, indeR ein
rimifder Knabe und ein gothifdes Mädchen, voor dem
Brautpaare tnieend, je einen Kranz von Rofen, Oliven,
Lorbern und Eichen⸗-Blättern überreichten.
Aud unfere Sanger, Baleria,” lächelte Totila,
»find nicht ganz ohne Wohllaut.
Und nidt ohne Kraft und Treue.
Mein Leben dank' id) vem Ginger da.”
Und er fegte die Hand auf Avalgoths Haupt. —
„Gar unfanft ſchlug er deinem Landsmann Pifo, feinem
Collegen in Apollo, auf die gefdidt ſeandirenden Finger :
— jur Strafe, daß er an meine Valeria mit diefen
Fingern wohl manden Vers geſchrieben und in derfelben
Hand nun das tdvtliche Cifen gegen mich fdwang.”
„Nur Eins Hatt’ id) nod lieber gehört, mein Adal⸗
goth,” fagte Teja leife zu dieſem, „als dein Subel-Lied.”
„Was, mein Sdwerts und Harfen> Graf 2“
„Den Lodesfdret ves Prafecten, den du leider nur
im Gefang in die Hille gefchidt haſt.“
Aber Avalgoth ward von einer Menge von gothifden
153
Rriegern die Treppe hinab gerufen und lange nicht wieder
fret gegeben: denn feinen gotbifden Hörern, welde die
Siege Lotila’s mit erfochten, gefiel fein Lied wiel beſſer
alg e8 vielleicht dir, liebe Leferin, gefallt.
Herjog Guntharis umarmte und küßte ibn und fprad,
indem er ibn zur Seite führte:
„Mein junger Held!
Das ift eine Achnlicdfeit!
So oft ih dich febe, ift mein erfter Ausruf: Alarich.“
«i, das iff mein Schlachtruf,“ fagte Adalgoth und
im Geſpräch verſchwanden fie unter der Menge.
Sechzehntes Capitel.
Gleichzeitig blidte ver König nad ver Sdulen-Halle
ver Villa zurück, da plötzlich das Spiel der dort aufs
geftellten Flötenbläſer abbrad.
Gr erfannte den Grund wohl: und er felbft fprang,
mit einem Ruf des Staunens, von feinem Sig.
Denn zwiſchen den beiden kranzumwundnen Mittele
Säulen des Cingangs ftand eine Geftalt, die nicht irdiſch
ſchien.
Cin wunderholdes Mädchen in ganz weißem Gewand,
einen Stab in der Hand und einen Kranz von weißen
Sternblumen um das Haupt.
„Ah was iſt dad? Lebt dies reizvolle Bild?“ frug
erſtaunt der König.
Und alle Gäſte, alle die Frauen und Manner ums
her, folgten dem Blick ſeines Auges, der Bewegung feiner
Hand mit Staunen.
Denn was an ver fdmalen Oeffnung die Blumen:
gewinde übrig gelafjen, war ausgefüllt von einer lieb⸗
lichen Geftalt, deren gleidhen fie nie gefdaut.
Das Kind oder Mävchen hatte das glanzend weife
155
Linnenkleid auf ver linken Schulter mit einer Saphir:
Spange gebeftet: den breiten, goldnen Gürtel ſchmückte
ein grofer Kreis von Saphiren: wie zwei weiße Flügel
fielen die langen weißen Zipfel⸗Aermel von ihren
Schultern: Epheuranken umwoben die ganze Geſtalt:
die Rechte hielt, auf der Bruſt ruhend, den Blumen
umwundenen, gekrümmten Hirtenſtab: die Linke hielt einen
wundervollen Kranz von Waldblumen und ruhte auf
dem mächtigen Haupt eines großen, braunzottigen Hundes,
der um den Hals auch einen Blumenkranz trug. Ohne
Furcht, ſinnig, forſchend fiel ihr Blick über die glänzende
Verſammlung.
Staunend harrten eine Weile die Gäſte, regungslos
ſtand das Mädchen.
Da ſtand der König auf von ſeinem Thron, ſchritt
auf ſie zu und ſprach:
„Willkommen in der Gothen Königſal, biſt du ein
irdiſch Weſen,“ lächelte er.
Biſt du aber, — was ich faſt lieber glauben möchte —
ver Licht⸗Elben wundervolle Königin — nun fo fet uns
auch willkommen: dann muß dir ein Thron hoch über des
Kinigs Sig gerüſtet werden."
Und anmuthig begrüßend Iud er fle, mit betven
Armen winfend, naber.
Sie aber trat nun, fdwebenden Schrittes, über die
Sdwelle ver Säulenhalle auf vie Terraffe, errithete und
ſprach:
Wie ſprichſt vu dod liebliche Thorheit, Herr König.
Sh bin keine Rinigin.
156
Ich bin ja Gotho, die Hirtin.
Du aber bift — th ſeh's mehr an deiner lidten
Stirn als an vem Goldreif — du bift Totila, der
Gothenkönig, den fie den Freudentinig nennen.
Da haft du Blumen, du und deme ſchöne Brant —
id) hörte: eurer Verlobung gilt dies Feft — Gotho hat
nichts Andres gu fpenden: ich pflitdte und wand fie, wie
ih des Weges durch die legten Haine fam.
Und nun König, der Waifen Schirmberr und des
Rechtes Schutz, nun hire mich und Hilf mit vdeinem
Schutz.“
Der König nahm wieder neben Valeria Platz: das
Mädchen ſtand zwiſchen beiden: die Braut faßte ihre
Hand: der König legte ihr die Hand auf's Haupt und
ſprach:
„Bei deinem eignen wunderſamen Haupte ſchwör' id
dir Schutz und Recht. Wer biſt du? und was iſt dein
Begehr?“
Herr, ich bin eines Bergbauern Enkelin und Kind.
Ich bin erwachſen auf dem Iffaberg unter Blumen
und Einſamkeit.
Ich hatte nichts herzliebes auf Erden als einen Bruder.
Der iſt mir davon gezogen, dich zu ſuchen.
Und als der Großvater gu ſterben tam, ſchickte er
mid) yu dir: bet div foll id) den Bruder, Recht und
Schickſals Löſung finden.
Und er gab mir zur Begleitung den alten Hunibad
nuit von Teriolis: aber deſſen Wunden waren nicht
157.
ausgeheilt und fie brachen bald wieder auf und ſchon in
Berona blieb er liege.
Und lange Beit hatt’ id ihn gu pflegen, bis aud
ex ſtarb.
Und dann 30g id) gan; allein, nur mit Brun, dem
trenen Hunde, quer durch all’ pies weite, heiße Land bis
id) endlid) Romaburg und did) gefunden.
Und gute Ordnung hältſt du, Herr Konig, im deinem
Land: — man muß dich loben.
Deine Königsſtraßen find Tag und Nacht bewacht
von deinen Gajonen und Lanzen⸗Reitern.
Und gar freundlid) und gut waren fie mit dem einfam
wandernden Rinde.
Und wiefen mid jede Nacht gu einem Haufe guter
Gothen, wo die Hauswirthin mein pflegte.
Und fie fagen ja: folden Redtsfrieden ſchirmſt vu
im Lande, bak man goldne Gpangen auf deine Königs⸗
ſtraßen legen und fie nad) vielen, vielen Nächten dort
fisher wieder finden fann.
Und in einer Stadt, Mantua, glaub’ ich, hieß fie,
war, gerade als id) itber den Marktplatz fdritt, grok
Gedriing und alles Voll lief zuſammen.
Und deine Gajonen fiihrten einen Römer in ihrer
Mitte gum Code und viefen: Marcus Maffurius mug
pes Todes fierben auf König Tottla’s Befehl: er hatte
thn freigegeben, den RriegSgefangnen: da raubte der
Freche mit Gewalt ein jitdifdes Minden: König Lotila
Hat des großen Theoderich Geſetz erneut.“
158
Und fie ſchlugen ihm den Ropf ab auf offnem Markt
und alles Boll erſchrak vor König Totila's Geredtigteit.
Nun, treuer Brun, hier darfft du fdon rafter,
hier thut mir niemand was 3u leide.
Aud feinen Hals bhatt’ ich, euch gu Ehren, heut' mit
Blumen bekränzt.“
Und fie ſchlug den gewaltigen Hund leife auf fein
zottiges Haupt: mit einem klugen Blid trat er vor an
des Königs Thron und legte die linfe Vorderprante jue
traulid) auf deffen nie.
Und der König gab ihm gu trinfen aus flader, goldner
Sale.
„Für golone Treue,“ fprad er, ,golonen Becher.
Wer aber ift dein Bruder
wa," fagte fie nachdenklich, nach Vielem, was mir
Hunibad unterwegs und auf dem Krankenbett erzählt,
glaub’ id), daß fein Name nidt der redte.
Aber er ift leicht gu kennen,“ fubr fle erröthend fort.
„Goldbraun wogt fein Gelod: und fen Auge ift blan
wie Ddiefer lidte Stein: und feine Stimme ift hell wie pte
ber Verde: und wenn er Harfe ſchlägt, blidt er nad
Oben, als fabe er den Himmel offer —“
„Adalgoth,“ rief der König! — ,,Avalgoth! widers
holten alle Gothen.
„Ja, Adalgoth, heift ex," fprad fie.
Da flog dtefer, — fein Name ſchlug, laut gerufen,
an fein Ohr — dte Stufen herauf:
Meine Sotho!” jubelte er.
Und fie bielten fic) umſchlungen.
159
wote gehiren gufammen,” fagte Herzog Guntharis,
ver dem Jüngling gefolgt war.
wooie Morgenroth und Morgenfonne ,” ſprach Teja.
sun aber laß mid," fprad das Mädchen, ſich [08
madend, ,meinen Wuftrag erfitllen: des fterbenden Groß⸗
vaters Gebot.
Hier, Here Konig, nimm diefe Rollen und lies fie:
Da foll alles Schickſal drin ftehen fiir Adalgoth und
Gotho: Vergangenheit und Zutunft, fprad ver Ahn.”
Biebemehntes Capitel.
Und der Konig entſigelte die Suferen Schnüre und las:
„Dies hat geſchrieben Hildegiſel, des Hildemuth Sohn,
den ſie den langen nennen, ehemals Prieſter, dermalen
Burgmann zu Teriolis.
Geſchrieben auf Vorſprechen des alten Iffa: und iſt
Alles wahrhaftig aufgeſchrieben.
Alſo: Nun kommt's.
Das Latein iſt wohl oft nicht, wie es in der Kirche
geſungen wird.
Aber ihr werdet's ſchon verſtehn, Herr König.
Denn wo's ſchlecht Latein, da iſt's gut Gothiſch.
Alſo. Nun kommt's aber wirklich.
So ſpricht Iffa, der Alte:
„Herr Konig Totila.
Was in dieſer hier eingewickelten Rolle geſchrieben
ſteht, iſt die Niederſchrift des Mannes Wargs, der aber
nicht mein Sohn war und nicht Wargs hieß — ſondern
Alarich hieß er und war der Balthe, der verbannte Herzog
von —"
161 _
Gin Ruf des Staunens ging durch die Verfammlung
der Gothen.
Der König Hielt inne.
Herzog Guntharis aber fprad:
„Dann ift Adalgoth, ver fid) den Sohn des Wargs
nannte, ter Sohn ves Balthen Alarich, den er felber
als des Königs Herold, umveitend in allen Stadten auf
weigem Rog, mit Tautem Heroldfprud gefudt.
Und niemal8 fah id) größere Aehnlichkeit als die
gwifden Vater Alarich und Sohn Adalgoth.
„Heil dir, Here Herzog von Apulien!“ rief lächelnd
Totila und flog ven Knaben in die Arme.
Spradlos vor Staunen ſank Gotho nieder in die
Kniee: ihre Augen fiillten fic mit Thränen und, yu Adal:
goth anfblidend, feufste fie: ,
„Alſo nicht mein Bruder? |
O Gott! —
Geil dir, Herr Herzog von Wpulien.
Reb’ webl! auf immer!" und fie ftand auf und
wandte fid, zu geben.
„Nicht meine Schweſter!“ jubelte Adalgoth.
„Das iſt das Beſte an dem ganzen Herzogthum
Apulien!
Halt da“ — und er fing fie auf, drückte ihr Köpfchen
an vie Bruft, küßte fie berzhaft auf den Mund unr
fprad) jum König:
„Herr Konig Totila, nun gebt uns gufammen.
Hier ift meine Braut — hier ift meine Herjogin.”
Dabn, Cin Kampf um Horn. IV. 11
-
162
Totila aber, welder einftmeilen beite Urfunden durch⸗
flogen hatte, ladelte : -
„Ja, Da braudt’s nicht Salomons Königsweisheit dazu,
hier das Rechte gu finden. — Junger Herzog von Aputien,
fo verlob’ id) dir die Braut.“
Und er fegte das weinende, lachende Sind in feine
Are. ‘
Bu ven Gothen umber aber fprad er:
»Vergount, Lak id) eud) aus vem etwas ungefdladten
Ratein von Hildemuth’s Sohn — id kannte ihn: beffer
war ey mit Dem Speer, als mit der Feder zu brauden
— und dem Teftament des Herjzogs die Wunder fury
erkläre, die wir hier feben.
Herzog Alarich betheuert hier feine Unſchuld.“
„Die ift jest erwiefen: durch feinen Sohn,“ rief Herzog
Guntharis ,und id hatte nie an feine Schuld geglaubt.“
„Er erfubr erft fpat den geheimen Ankläger.
Unjer Adalgoth hat deffen Namen aus der zer⸗
triimmerten Cäſarſtatue an's Lidt gebradt.
Cethegus der Prafect hatte etne Art Lagebuch gefithrt,
in geheimer Schrift: aber Gaffiodorius hat fie, mit
Staunen und Entfegen über die Frevel des fo lang von
ibm bewunderten Mannes, entziffert: da fand fid) cin
Gintrag folgenten Inhalts in dem vor etwa zwölf Jahren
gefdriebnen Anfang:
„Balthenherzog verurtherlt. Da er unfduldig, glanbt
nur ned) er felbft und fein Ankläger. Wer Cethegus
in’S Herz trifft, foll nicht Leben. Als ich damals am
Tiberufer aus Ton agleider Betdubung ermadte, war
163
diefe Race mein erfter Gedante: fie ward’ mein Schwur:
ev tft erfüllt.“
„Geheimniß fdwebt nod) auf den Gründen diefer
Rachſucht: vod) miiffen fie irgendwie gufammenhangen
mit Julius Manilius Montanus, unfrem Freund.
Wo ift er? —“
„Er bat fic) mit Caſſiodorius ſchon wieder in die
Peterskirche zurück begeben,” fprad) Graf Teja: „du mögeſt
fle entfduldigen: fie beten um dieſe Stunde jeden Tag
um den Frieden mit Byzanz.
Und Julius aud) fiir res Prafecten Seele,” fitgte er
mit bittrem Lächeln bet.
kur ſchwer hatte König Theoverid) an die Schuld
des tapfren Herzogs geglaubt, mit weldem innige Freunds
ſchaft ihn verbunden.“
„Hatte er ihm doch,“ fiel Herzog Guntharis ein, „einſt
einen breiten, goldnen Armreif geſchenkt mit einer Runen⸗
ſchrift.“
Der König fuhr fort, aus der Rolle leſend:
„Und dieſen Armreif habe id) mit genommen in Bers
bannung und Flucht mit meinem fleinen Knaben.
Dieſer Armreif, entzwei gebrochen zwiſchen dem Runen⸗
ſpruch, mag einſtmals die echte Geburt meines Sohnes
als Wahrzeichen beweiſen.“
„Er trägt das Waährzeichen im Antlitz,“ meinte Herzog
Guntharis.
„Aber es fehlt auch an dem goldnen nicht,“ ſprach
Adalgoth: „wenigſtens ein Stück hat mir der alte Iffa
mitgegeben: bier iſt's:“ und er holte nun den halben
11*
164
Urmreif, den er an einer Schnur auf der Bruft trug,
hervor. „Ich babe nie den Ginn der Runen entrathfeln
können:
„Dem Balthen —
Dem Falken —
In Noth —
Dem Freunde —“
„Ja, Dir feblte die andre Halfte, Woalgoth,” ſprach dte
Hirtin und holte aus dem Bufentud) das gweite Stück.
— ,Cieh, bier lauten vie Runen:
»— Der Amaler,
— Der Adler,
— Und Tod
— er Freund.”
„Dem Balthen der Amaler, —
Dem Falfen ver Adler,
Sn Noth und Tod
Dem Freunde der Freund.”
Eo (a8, nun beide Halb-Ringe zuſammen haltend, Teja.
Der König aber fubr fort.
„Endlich aber hatte mid) der Konig nicht mehr ſchützen
fannen, al8 ihm Briefe vorgelegt wurden, fo meiſterhaft
gefalfdt und meiner Handfdrift nadgebildet, daß id
felbft, als mir guerft ein barmlofer Sag aus dem Inbalt,
auf einent heraus gefdnittnen Bergament Streifen, vors
gelegt wurde, obne Weitres anerfannte ,ja, das bab’ id
geſchrieben.“
165
Da pakten die Ridter ven Streifen wieder in das
Pergament und laſen mix das Ganze vor: und fo follte
id denn gefdrieben haben an den Hof von Byzanz,
id) wolle den König ermorden und Sild-Stalien raumen,
wenn man in Byzanz mid) als Konig von Norditalien
anerfennen wolle.
Da verurtheilten mich die Rider.
Als id) aus dem Gal gefithrt wurde, traf id auf
vem Gange Gethegus Cäſarius, meinen langjabrigen
Feind —: es war mir gelungen, ein Mädchen, um das
er warb, dem unbeimliden Mann zu entgtehen und
einem wadern Freund in Gallien als Gattin zuzuführen
— er Ddrangte fid) durch die Waden, ſchlug mtr auf
pie Schulter und fprad):
„Wem die Liebe entriffen, den triftet der Haff.
Und an feinem Blid errieth id) e8: ev und fein
Andrer war ver falſche Ankläger.
Als legte Gnade gemabhrte mix ver Konig die Mitel,
aus dem Rerfer gu entfliehen.
Aber id) ward geadtet, friedlos gefegt mit meinem
ganzen Gaus; mein Erbe eingezogen.
Yang zog id) unftat in den Nordbergen umber, bis
id mid) entfann, dag auf dem Berg der Sifinge bet
Teriolis altgetreue Gefolgen meines Geſchlechts fiedelten :
dorthin wanderte ich mit meinem Knaben und wenigen
Schatzſtücken des Balthenhauſes.
Und die Getreuen nahmen mich auf und meinen
Knaben und bargen mich unter dem Namen Wargs —
der Verbannte — und gaben mich für den Sohn des
_ 166
Alten Sffa aus und entfernten alle unverlaffigen Knechte,
pie mid) batten verrathen können.
Und fo leb’ id im BVerborgnen mandes abr.
Meinen Sohn aber will ic) und follen nad) mir die
Sffinge erjiehen gur Race an Gethegus, vem Verräther.
Sh hoffe, einft fommt rer Tag, der meine Unfduld
aufdedt.
Bleibt ev aber alljulang aus, dann foll mein Sohn,
wenn er ſchwertreif geworden, hinunter ziehen vom Iffa⸗
berg gen Stalien, ven Bater gu riden an Cethegus
Gafarius.
Dies ift mein lestes Wort an meinen Sohn.“
„Bald aber, nachdem ver Herzog dies geſchrieben
hatte," [a8 rer König aus der andern Rolle weiter,
„verſchüttete ihn mit einigen meiner Gefippen ver Berg in
einem Felſenrutſch.
Sd aber, Sffa ver Wlte, Habe den Rnaben al
meinen Gnfel auferzogen und als Gotho’s Bruder, weil
immer nod) die Friedlofigfeit laftete auf vem Gefdledt
bes Herzogs Alarich und ich nicht and auf ihn die Rache
des Hollenmannes [enten wollte.
Und auf daß ver Sunge Andern ganz gewiß nidts
ven feiner gefährlichen Abkunft fagen finne, babe id
thm felber nichts davon gefagt.
Wis er aber nun fdwertreif geworden und id vers
nahm, dag in Romaburg ein milder und gerediter Konig
walte, der den hölliſchen Präfecten niederkämpfe, wie
der Morgengott ven Nachtrieſen, da fandte id) jung
Avalgoth gur Rade aus und erzählte ihm, daß ev ein
167
edles Adelshaupt, den Schutzherrn unſres Geſchlechts,
nach ſeines Vaters Auftrag an Cethegus, dem grimmen
Verfolger und Verderber, zu rächen habe.
Aber daß er Alarichs, des Balthenherzogs Sohn,
verſchwieg ich ihm: denn ich ſcheute die Acht, die noch
auf ihm lag: ſeines Vaters Name konnte ihm, ſo lang
die Schuld darauf haftete, nichts nützen, nur ſchaden.
Ganz eilfertig aber ſchickte id) ihn fort, ſeit id) evs
kannte, daß ihn ſelbſt die geglaubte Schweſterſchaft nicht
abgehalten, meine Enkelin Gotho gar unbrüderlich lieb
zu gewinnen.
Ich hätte ihm nun zwar wenigſtens ſagen können,
daß Gotho nicht ſeine Schweſter.
Das aber ſoll mir fern fein, daß ich meines alten
Herrn⸗Hauſes altadligen Sproß, gleichſam durch Betrug,
mit meinem Blut, mit dem ſchlichten Hirtenkind, vere
bande.
Nein: ex wird, wenn Recht auf Erden lebt, dereinft
der Herzog von Apulien, wie fein Vater vor thm. —
Und da id fiirdjte, daß ich gu fterben fomme und
Avalgoth nod feine Kunde von des Prafecten Unters
gang gefdidt, babe id) den langen Hilvegifel gebeten,
vies Wes aufzuſchreiben.
(Und ih, Hildegifel, habe fiir dic Schreibung gwanjig
Pfund beften Rafe erhalten und zwölf Kriige Honig,
was id) Danfbar befenne und beide waren ſehr gut.)
Und mit Wie vem und mit den Schagititden, mit
den blauen Gteinen und feinen Gewändern aus dem
Balihen» Erbe, und ven Goldſolidi fenve id das Kind
168
Sotho an den gerechten Konig Totila: ihm foll fie Wes
aufdeden.
Er wird die Acht, die Friedlofigkeit nehmen von dem
unfduldigen Sohn des unfduldigen Manned.
Und wenn Adalgoth weiß, dag er ver eveln Balthen
Sproß und dak Gotho nicht feine Schwefter, — dann mag
er thun nad) feinem Willen: er foll dann fret die Hirtin
wählen ober meiden: nur das wiffet, dak der Iffinge
Geſchlecht nie unfret war, fondern vollfret von jeer,
wenn aud in des Balthenbaufes Schutz.
König Lotila, du entfcheide über fie.“
Achtzehntes Capitel.
Mun," lächelte ver König, ,diefe Mühe haft du mir
{Hon abgenommen, Herr Herzog von Apulien.“
„Und die Heine Herjogin,” fchaltete Valeria eww, „hat
fid) gleich, als hatte ſie's geabnt, brautlic für viefen
Tag geſchmückt.“
„Für ener Brautfeſt,“ lächelte die Hirtin: „als ich vor
den Thoren der Romaburg erfuhr von dieſer Feier, da
öffnete ich, wie der Ahn befohlen, das Bündel und
ſchmückte mich für euch.“ —
„Unſer Verlöbniß,“ ſprach Adalgoth zu ſeiner Braut,
fiel auf den Verlobungstag des Königspars — ſoll auch
unſer Hochzeitstag der des Königspares ſein?“
„Nein, nem,” fiel Valeria haſtig, faſt ängſtlich ein.
„Nicht noch ein Gelübde, geknüpft an ein ältres,
nod) ungelöfſtes.
Ihr Kinder des Glückes: ſeid weiſe: heute habt ihr
euch gefunden: haltet das Heute feſt: das Morgen ge⸗
hört den ungewiſſen Göttern.“
‚Recht ſprichſt bu,“ jubelte Adalgoth, „heute nod
ſoll Hochzeit ſein,“ und er hob Gotho hoch auf ſeinen lin⸗
170
fen Arm, fie allem Belle zeigend, „ſeht bier, thr guten
Gothen, meine tleine Frau Herzogin.“
„Mit Vergunſt,“ fprad da eine beſcheidne Stimme,
„wo fo viel Glid und Gonnenfdein auf die Gipfel und
Hohen ves Volkes fallt, da möchte fic aud) niederes
Gewächs dran laben.“
Vor den König trat ein ſchlichte Mann, an der
Hand ein hübſches Mädchen.
„Du biſt es. wackrer Wachis,“ rief Graf Teja, zu
ihm tretend, ,und nicht mehr Knecht, im langen Haar
Ter Freien?“
„Ja, Herr: Konig Witichis, mein armer Herr, hat
mid) freigelaffen, al8 er mid) mit Grau Rauthgundis
und Wallada entlief.
Seither liek id vas Haar als Freier wachſen.
Lind Frau Rauthgundis wollte, — id weiß e8 gang
gewiß. — ihre Magd Liuta hier auch fret laffen: und
wir follten nad Volksrecht Che ſchließen als Freie:
aber fie fam ja nicht mebr zurück in das Gaus bei Fauld.
Wohl aber id) ans unfrer Waldbiitte: und gerade
zur rechten Beit nod flüchtete id meine Linta aus der
Billa: Tags drauf famen vie Saracenen Belifars und
brannten und mordeten die Statte aus.
Nad Frau Rauthgundens erblofem Dore — denn
ihrem Vater Athalwin hatte fon vor ihrem Untergang
ver Siinfturm eine Lawine über Haus und Haupt ge-
worfen — tft nun Liuta dem Rinig als Cigenthum
zugefallen: und id) möchte daher den Konig bitten, daß er
aud) mid) wieder jum unfreien Knecht aufnehme, anf
171
daß wir nicht geftraft werren, wenn wir uns freien —
und —"
Totila ließ ihn nicht ansfpreden:
„Wachis, du biſt treu,“ rief er gerührt.
„Nein, nad Volksrecht ſollt iby die Freien⸗Ehe
ſchließen.
Reicht mir ein Goldſtück.“
wDier, Herr König,“ rief eifrig Gotho, aus ihrer
Hirtentaſche eins hervorholend — ,e8 ift mein [estes
von den fedfen.”
Der Konig nahm es lächelnd, legte es auf Linta’s
rechte, effne Gandflade und ſchlug es dann, von unten
nad) oben, aus ihrer Hand, dag e8 klingend auf das
Moſaikgetäfel fprang und fprad:
Frei und frank
Laß ich dich, Liuta,
Ledig und laſtlos!
Freie du fröhlich
In Königsfrieden.“
Da trat Graf Teja vor und ſprach: „Wachis, du
trugft ſchon einmal glidfofem Herm den Schild. Willſt
du nun mein Schildträger werden?”
Feuchten Auges ergriff der Treue des Grafen Rechte
mit beiden Händen.
Und nun erhob Teja den Gold-Pocal und fprad
feierlich:
Ihr glänzet im Glück: —
Schön ſcheint euch der Schimmer
172
Der feligen Sonne:
Dod denket drum dod
Tren traurig der Todten!
Ohne Glanz, ohne Glück,
Dod treu, tapfer und trefflid)
Rang rubmvoll ver Rede:
Witichis, Waltharis’ webriider Sohn.
Feiert ihr feft-frob,
Lichte Lieblinge
Gütiger Götter,
Goldne Gelage, —
Ehre doch immer
Der Gothen Geſchlecht
Der glückloſen Gatten
Geweihtes Gedächtniß.
Ich mahne euch, Minne
Traurig zu trinken
Des muthigſten Mannes,
Des wackerſten Weibes:
Witichis und Rauthgundens Minne trink' id.“
Und alle thaten, ſchweigend, feierlich und trauervoll,
Beſcheid.
Dann hob König Totila noch mal den Becher und
ſprach laut vor Allem Volk:
„Er hatte es verdient — ich habe es erreicht: ihm
bleibt unvergeſſne Ehre!“
Als er ſich nieder gelaſſen, — die beiden andern Pare
wurden mit an des Königs Tiſch geſetzt, — ſtieg Graf
173
Thorismuth von Thurii (feine treue Tapferteit war durch
vie Grafenwürde belohnt, aber das Amt des Herolds
md Waffentragers ihm auf feinen Wunſch belaffen
worden) die Stufen herauf, neigte vor dem König ſeinen
Heroldftab und fprad:
„Fremde, fernher gefegelte Gafte meld’ id, Rinig
ver Gothen.
Sene grofe Flotte, weldje, leicht hundert Segel ftarf,
ſchon feit mebreren Tagen von deinen Geewarten und
Hafenthiirmen gemeldet wurde, iſt nun in Portus eins
gelanfen.
Nordlente find e8: wogenfundig, kühnes Voll, aus
fernſtem Thule Land.
Hodbordig ragen ihre Drachenſchiffe und Schreck
verbreiten Deven ungethiime Bugfprietbilder.
Aber gu dir fommen fle friedlic.
Und das Königsſchiff hatte geftern fdon Bote aus-
gefest und hohe Gafte fegeln den Flug herauf.
Ich rief fie an und erbielt yur Antwort:
„König Harald von Götaland und Haralda (ferme
Gattin, wie es fdeint), die wollen König Totila bes
grüßen.“
„Führ' fie herauf.
Herzog Guntharis, Herzog Adalgoth, Graf Teja,
Graf Wiſand, Graf Grippa geht ihnen entgegen und
geleitet fie.“
Und alsbald erſchienen, unter den kriegeriſchen Toͤnen
ihrer fremdartigen, gewundnen Muſchel⸗Hörner, umgeben
von zwanzig ihrer ganz in Stahlringen gepanzerten
174
Helden und Segelbritder, auf ver Terraſſe gwet hohe
Geftalten, welche felbft den ſchlanken Totila und feine
Tafelgenoffen überragten.
König Harald trug auf dem Helm die beiden fuß—
langen Schwingen des ſchwarzen Seeadlers: dad Feder⸗
fleid defjelben Vogels bededte das eherne Helmdach.
Vom Rücken floR thm eines ungeheueren fdwarjen
Bären Fell, deſſen Raden und Vorderpranten vorn ber
den Bruft-Harnifd von handbreiten Erzringen herab
bingen.
Gin eifendrabt-geflodtner Wappenrod, der bis an
Die Kniee reichte, wurde durd) einen breiten, muſchel⸗
befegten Gurt von Seehundfell um die Hüften gebalten.
Arme und Beine waren nadt, aber von breiten Golde
ringen gefdmildt gugleid) und geſchirmt.
Cin kurzes Meſſer bing an ſtählerner Rette an feiner
Seite: in der Rechten aber trug er einen langen,
barpunengleiden Widerhakenſpeer.
Seine dicken, hellgelben Loden flutheten, mähnen⸗
gleich, tief itber fetne Schultern.
Bu feiner Linfen ftand, nidt um eine Fingerdbreite
fleiner, die Walfitrengeftalt feiner Begleiterin.
Das hellrothe, metallifd) fchimmernde Haar flog, in
fangem, ſchlichtem Schweife, bis faft an ihre Knöchel,
hervor unter dem goldnen, offnen Helme mit den Heinen
Flügeln der Silber: Move, über ven ſchmalen Streif
pon Dem weißen Pele des Cisbaren, der mehr als
Schmuck tenn als Mantel, ihren Riiden bedeckte.
Gin ganz eng anſchließender Panzer von ein ges
175
{dhupptem Golde zeigte ben unvergleidliden Wuchs rer
Sdhildjungfrau, jeder Bewegung ver athmenden Bruft
elaſtiſch folgend.
Shr bis an die halbe Wade reidendes Untergewand
war aus den weifen Haaren ded Schneehaſen funftvoll
gefertigt.
Die Arme ſchmuͤcten, halb ſie verhüllend, Aermel
aus aneinandergereihtem und durchbohrtem, goldgelbem
Bernſtein, der in der Abendgluth der römiſchen Sonne
ſeltſam funkelte.
Auf ihrer linken Schulter aber ſaß gravitätiſch der
zierliche, weiße Falke von Island.
Ein kurzes Handbeil ſtak in ihrem Gurt: die Rechte
aber trug die über die Schulter gelehnte, langgeſchweifte
Harfe mit dem Schwanenbug von Silber.
Gaffend folgten, nachdrängend, die Römer, die Augen
weit aufreißend über ſolche Geſtalten: aber auch die
Gothen bewunderten das ſoviel hellere Weiß dieſer Arme,
die eigenartig hellen, blitzenden Augen.
„Nachdem der ſchwarze Held, der mich empfing,“
ſprach der Wiking, „ſagt: er ſei's nicht, kannſt nur du
der König ſein,“ und er reichte Totila die Hand, erſt
ben Kampf-Handſchuh aus Haifiſch-Haut abſtreifend:
„Willkommen am Tiberſtrom, iby Vettern aus’ Thule—
land,“ rief Totila, zutrinkend.
Und auf raſch bereiteten Stühlen nahm das Für⸗
ſtenpar am Königstiſche Platz, ihre Gefolgen an den
nächſten Tafeln: Adalgoth ſchenkte Wein aus hohen
Henkelkrügen.
176
König Harald tranf und ſchaute bewundert umber.
Set Afathor," rief er dann, bier ift es ſchön!“
So vent id mir Walhalla!" ſprach feine Be:
gletterin.
Kaum verftanden fic vie Gothen und die Nordleute
unteremander.
„Gefällt es dic bet mic, Bruder,” ſprach Totila
fangfam, ,dann weile fang unter uns mit deiner
Gattin.“
„Hoho, Romkönig,“ lachte die Rieſin und warf das
Haupt zurück in den Nacken, daß die rothe Haawelle
fluthete.
Kreiſchend umflog ſie dreimal der Falke: dann kehrte
er ruhig auf ihre Schulter zurück: —
„Noch iſt kein Mann gekommen, der Haralda's Herz
und Hand bezwungen: nur Harald, mein Bruder, biegt
mir den Arm, überſpringt meinen Sprung, überwirft
meinen Speer.“
„Geduld, klein Schweſterlein, ich vertraue: bald
meiſtert ein markiger Mann dir das trotzige Magdthum.
Hier dieſer König, blickt er auch mild wie Baldur,
gleicht doch Sigurd, dem Fafnirſchläger.
Ihr ſolltet euch meſſen im Speerwurf.“
Haralda warf einen langen Blick auf den Gothen⸗
könig, erröthete und drückte einen Rug auf ihres Fallen
glattes Köpfchen.
otila aber fprad:
„Uebles gedieh, nad) der Sanger Beridt, aus Sigurds
Wetikampf mit ver Schildjungfrau.
177
Begrüße vielmehr friedlid) Weib das Weib: reiche
bie Hand, Haralda, meiner Braut.“
Und er winkte Valeria, welder nur unvollftandig
Herzog Guntharis das Gefprodene in Latein vermittelte.
Valeria erhob ſich in edler, anmuthvoller Hobbeit
von ihrem Gis, im weißen, langwallenden, römiſch⸗
griechiſchen Gewand mit golonem Gürtel und einer
Camee als Schulter⸗Spange, nur einen Lorberzweig um
bie edeln Schläfe, welche Totila aus Adalgoths Kranz
genommen und durch ihr ſchwarzes Haar geſchlungen:
wie Muſik umfloß ſie die Schönheit, der Rhythmus ihres
Faltenwurfs und ihrer Bewegungen: fo reichte fie ſchwei⸗
gend der nordiſchen Schweſter die Hand.
Einen ſcharfen, nicht eben freundlichen Blick hatte
dieſe auf die Römerin geſchleudert: aber Bewunderung
verdrängte zornige Ueberraſchung von ihrem Antlitz und
ſie ſprach:
Bei Freia's Halsgeſchmeide, du biſt das ſchönſte
Weib, das ich je geſehen!
Ich zweifle, ob dir ein Wunſchmädchen in Walhall
gleichen mag.
Weißt du, Harald, wem dieſe Fürſtin gleicht?
Vor zehn Nächten haben wir im blauen Griechen⸗
Meer auf einer Inſel geheert und einen Säulentempel
ausgeleert —: da ſtand ein hohes Marmorweib aus
weißem Stein: auf der Bruſt ein ſchlangenumlocktes
Haupt: zu Füßen ven Nachtvogel: in faltenreichem Ge—
wand — Gyen hat fie leider zerſchlagen, wegen der
Dabhn, Cin Kampf um Rom. IV. 12
178
Edelſteine, die fle in den Augen trug —: diefer Mars
mor⸗Göttin gleidt die Königsbraut.“
„Das mug id) dir dollmetſchen,“ lächelte Totila der
Geliebten gu: nicht vein poetifder Verehrer Pifo hatte
pir ausgefudter ſchneicheln können, als dieſe Bellona
des Nordens. — Sie haben — ſo ward uns gemeldet
— auf Melos gelandet, und dort die ſchöne Athena⸗
Statue des Pheidias zerſchlagen.
Shr habt übel gehauſt,“ fuhr Totila fort, „ich hörte
es, auf allen Inſeln zwiſchen Kos, Chios und Melos.
Was führte euch dann ſo friedlich zu uns?“
„Das will ich dir ſagen, Bruder.
Aber erſt nach einem neuen Trunk.“
Und er hielt Adalgoth den tiefen Becher hin.
„Nein! — nicht mit Waſſer verderben den herrlichen
Saft!
Waſſer muß ſalzig ſein — damit man's gar nicht
trinken kann — außer man iſt ein Hai oder Walroß.
Waſſer iſt gut, daß es uns trage auf ſeinem Rücken,
nicht, daß wir es tragen in unſrem Bauche.
Und 's iſt ein wunderbarer Trank, dieſes ener Reben⸗
Bier.
Unſern Meth habe ich mir immer bald ſatt ge⸗
trunken — der iſt wie fade, ſüße Speiſe.
Aber dieſer Reben-Meth — je mehr man davon
trinkt, deſto durſtiger wird man.
Und trank man zuviel, — was kaum denkbar, —
iſt's nicht wie beim Ael- oder Meth⸗Rauſch, dag man
Aſathor bitten möchte, einem um den Schädel mit ſeinem
179
Hammer einen Cifenring gu ſchmieden — nein, rer
Reben⸗Rauſch ift wie ſüßer Wabhnfinn ver Stalben: den
ſeligen Göttern dünkt man fic gleid.
Nun alfo foviel vom Wein-Raufd.
Wie wir aber hierher gefommen find, das will id
dir erzählen.“
UNennzehntes Capitel.
„Alſo: wir ſind daheim in Thuleland, wie es die
Skalden nennen, in Götaland, wie wir es heißen.
Denn Thuleland iſt das Land, wo man nicht
wohnt, wo nur, noch weiter nach den Eisbergen hin,
andre Männer wohnen.
Unſer Reich reicht gegen Aufgang an die See und
unſre Inſel Gotland.
Gegen Niedergang an Hallin und das Skioldunga⸗
Haff.
Gegen Mitternacht an Svealand.
Gegen Mittag an Smaland, Skone und ver Sees
Dänen-Reiche.
König aber iſt mein Vater, Frode, den Odhin liebt.
Er ift viel weifer denn id.
Gr hat mid) aber jest gum Mit⸗König frdnen laffen
auf dem heiligen Stein zu King-Sala, weil er fdon
bald hundert Sabre alt ift und blind.
Sn unfern Hallen aber fingen die Ginger nod
immer die Wanderfage, daß ihr Gothen mit den Amalers
fiirften und den Balthen urſprünglich unfre Britder wart
181
ud nur durd Verirrung auf ver Wanderung feied ihr
allmalig immer weiter nad Silden abgefommen: denn
iby folgtet der Rranide Flug vom Kaukaſus ab, wir
aber dem Rennen der Wilfe."
„Wenn dem fo ift,” ladelte Totila, ,zieh’ id) die
Rranidje als BWegweifer vor." :
„So mag dir das jest wohl nod fdeinen, bier tr
dieſer ſtolzen Meth- Halle,” fprad) König Harald ernft.
„Aber mein weifer Vater Frode meint anders.
Wie dem nun fet — (ih glaub's nidt redt: denn
fonft müßten wir unfre Worte leichter verftehen) —: wir
ehren bod) und tren die alte Blutsgemeinfdaft.
Lind lange Zeit fam von eurvem warmen Oothaland
in unfer faltes immer nur frobe, ſtolze Runde höchſten
Rubms: und mein Vater und ener König Thidrekr, den
unfrer Skalden Harfenlieder preifen, taufdten einmal
Gefandte und Gefdente, vermittelt durch die Bernftein-
Eſthen, die an dem Wuftrweg wohnen:. diefe fithrten
unfre Boten gu den Wenden an ver Wyzla: dtefe gu
den Langobarden an der Lifia: diefe gu den Herulern
an Dravus: dieſe durch Savien nad Salona und
Ravenna.
Du bift ein Weg und Landerfundger Mann,“
meinte Lotila.
„Das muß der Wiking fein.
Sonſt fommt er erft nidt vorwärts.
Und dann oft nicht mehr zurück.
Lange alfo hörten wir nur von Glück und Slang
bet end).
182
Aber einmal und dann öfter fam dard Kaufleute —
welde von uns Pelz, Ciderdunen und Bernſtein faufen
und den Friſen, Sachſen und Franken zuführen und
uns künſtlich Gerath und Gold und Silber gubringen —
und immer trauriger fam gu uns die Kunde, dak Konig
Thidrekr geftorben und nad feinem Tod grog Unbeil
ausgebroden fet im eurem Reid. Unfieg, Berrath,
Königsmord, Krieg von Gothen wider Gothen und der
falſchen Fürſten von OGréfaland Uebergemalt.
Und e8 hieß: gu vielen Tauſenden bhittet ihr end
pie Schädel eingerannt an ven hohen Mauern eurer
eignen Romaburg, welde aber nicht ihr hattet, ſondern
ein Mann wie Afathor und ein gweiter, nod ſchlimmerer
wie Loti der Feuer⸗Arge.
Und wir forfdten, of end denn gar niemand Hilfe
(eifte von den vielen Königen und Fürſten, die um
Thidrefrs von Raven Gunft gebettelt.
Wher da lachte der frantifde Kaufmann, der in
meines Baters Halle feines Gewebe feil bot von der
Wahala, und fprad:
‚Bricht Glück, bricht Crene.
Alle haben ſie von den glückloſen Gothenhelden ge⸗
laſſen, Weſtgothen und Burgunden, Heruler und Thitcinge
und zumeiſt wir Franfen.
Denn wir find flug vor Ander.“
Da wary aber mein Vater, Konig Frode, feinen
Stab zürnend gu Erbe und rief:
„Wo ift Harald, mein ftarfer Gobn 2
„Hier,“ ſprach ich, , Vater,“ und ergriff ſeine Hand.
183
„Haſt Dit gehört,“ fubr mein Vater fort, „die Kunde
von der Südlandskönige Untrene 2“
Solches foll man nicht fingen und fagen von den
Manner von Gétaland.
Wenn Wie untren geworden gegen die Gothen von
Gardarife und Raven: — wir wollen Treue halten und
ihnen belfen in ihrer Noth.
Auf, mein ftarfer Harald und du, meine fithne
Haralda, rüſtet hundert Drachenſchiffe aus und fitllt fie
mit Mannern und Waffen — greift tief im meinen
Königshort gu Ringfala und fchonet nidt die gehäuften
Goldringe — und fabret aus mit Odhins Haud in
den Segeln.
Bon RKonghalla erft an den Infeldanen und den
Siiten vorüber gen Niedergang: dann entlang den Küſten
ber Frifen und Franfen durd) den Schmalpfad der See.
Weiter fegelt um das Reich der Gueven in rem
Pergland, vas da Afturia heißt: und um der Weft
gothen Land biegt nad) Silden: dann windet end) wieder
durd den Schmalpfad der Weit-See, wo Ufathor und
Odhin zwei Saulen gefest haben: dann feid ihr fdon
im Meer von Midilgard, wo zahlloſe Eilande liegen in
tmmergriinen Biifden, daraus weiße Marmor-Hallen
ſchimmern, getragen von hohen, runden Stein-Balken.
Auf dieſen Eilanden heeret: denn ſie gehören den
falſchen Fürſten von Grẽkaland.
Und dann fahret gen Romaburg oder gen Raven
und helfet dem Volke Thidrekers wider ſeine Feinde und
184
fimpfet fiir fle yu Waſſer und gu Lande und ftebet treu
zu ihnen, bis niedergekämpft find alle ihre Feinde.
Dann aber fpredt gu ihnen:
„So rath eud Konig Frode, der bald hundert Winter
gefehn bat und vieler Fürſten und Valter Gefdide hat
auffteigen fehn und wieder finfen und der felber in
jungen Jahren jenes Südland geſehn bat als Witing.
So rath end) Kinig Frode:
Raumet das Südland, fo herrlich es iff.
Shr werdet night Darin dauern.
So wenig vie Cisfdolle dauert, die tm Sitomeer
treibt.
Es jehren ſchmelzend an ihr unablaffig Sonne,
‘Luft und leife nagende Wellen.
Und mag fie nod fo mächtig fein, — fle muß zer⸗
rinnen und feine Spur wird bleiben ihres Dafeins.
Es ift aber beffer, im armen Nordland leben al8 im
reichen Südland fterben.
Befteigt unfre Drachenſchiffe und riiftet eigne und
ladet darauf all' euer Volk, Männer, Frauen, Kinder,
Knechte und Mägde: und Rinder und Roſſe und Waffen
und Edelgeräth: und raumet den beifen Boden, ver end
ſicher verfdjlingen wird: und fabret von dannen und
fommt gu uns.
Wir wollen zuſammen rücken oder den Finnen, den
Wenden und Efthen foviel Land nehmen, als ihr braucht.
Und thy follt erhalten bleiben, frifd und gritnend.
Dort unten verwelft und verfengt euch die Süd⸗
fonne.
185
So rath end) König Frode, den vie Menſchen den
Weifen nennen feit fünfzig Jahren.“
Und wir hörten nun freilid) ſchon wie wir etnfubren
in das Meer von Peidilgard von ven Seefahrern, daß
eure Moth gewendet fei Durd) einen nenen König, den
fie fcbilberten wie den Gott Baldur, dak iby Romaburg
und alles Land won Gardarife wieder gewonnen und
flegreich in Grélaland felbft geheert habt.
Und wir feben ja jest mit Wugen, dag thr unſre
Waffenhülfe nicht braucht.
Shr lebt herrlich und in Freuden in dieſer Meth-
Halle: und Wes ift voll rothen Goldes und weifen
Gefteins.
Aber dod muß ic wieverholen meines Vaters Wort
und Rath: folgt ihm! ev ift weife! nod) jeder hat's be—
reut, det Rinig Frode's Rath verſchmäht.“
Totila aber ſchüttelte lächelnd das Haupt und fprad).
„Großen Dank fagen wir König Frode und eud
fiir edle, feltne Zreue.
Unvergeffen foll in der Gothen Gefaingen folde
Bruder-Treue fein der Rordland-Helden.
Uber, o Konig Harald, folge mir und blid’ um dich
ber." —
Und er ftand anf, nabm den Gaft an der Hand
und führte ihn an den Gingang des Zeltes, die Vor⸗
binge zurückſchlagend: da lag Strom und Land und
Stadt in glithendem Licht des Gonnen-Untergangs:
„Sieh vied Land, unvergleidlid) an Herrlidfeit des
Himmels und des Bodens und der Kunſt: — _ fiebe
186
piefen Tiberftrom, won glücklichen, jubelnden, ſchönen
Menfden bededt, ſchau' diefe Büſche von Lorber und
Myrthen: blide hin auf die Gaulen-Palafte, die dort
von Rom her im Abendſtrahl fdhimmern, auf die hohen
Marmor- Bilder auf diefen Stufen —: und fage du
felbft, wiirdeft pu dies Land räumen, wenn es dein
ware? wilrdeft bu dieſe Herrlichkeit vertaufden mit Mors
ge's Fichten und Föhren und friihlingslofem Cife, mit
den rauchgeſchwärzten Holzhütten anf nebliger Heide 2
wa, das wild’ id), bei’'m Hammer Thors!
Dies Land hier ift gut, drin gu beeren, drin gu
ſchwelgen, drin gu fiegen: aber dann fdleunig auf und
Davon gefahren mit der Sieges⸗Beute nad Hanfe!
Shr aber feid hier herein geworfen wie Waffers
tropfen auf heißes Eiſen.
Und wenn jemals wir Odhins⸗Söhne dieſes Sirs
land beberrfden, dann werden das Dod nur folde von
uns, die einen breiten Rückhalt haben an andern Odhins⸗
Söhnen.
Shr aber —: ihr ſeid ja ſelbſt ſchon ganz anders
worden al8 wir.
Walfde Frauen haben eure Grofvater, eure Vater,
ihr ſelber gefreit: in wenigen Gefdledtern, wenn dads
fo fort geht, feid ihr verwälſcht: ſchon feid ihr Heiner,
vunfler an Haut und Augen und Haar geworden als
wir, wenigftens Biele von end. -
Sd) fehne mid) aus diefer ſchwülen, weichen Luft nad
bem Nordwind, ver über unfre Walder und Wogen
brauſt.
° 187
Sa, und and nach der rauchgeſchwärzten Holz. Halle,
two die Götter⸗Runen eingebrannt find in den Firſt⸗
Balfen und die Harfen ver Stalden an den Holspfeilern
bangen und das beilige Gerdfeuer immer gaftlich lodert.
Sh febne mich nad unfrem Nord zurück — denn
er ift unfre Heimath.“
„So vergdnne, daß aud wir unfre Heimath lieben :
dies Land Stalia!"
wdtie wird’s eure Heimath, nur vielleidt ener Grab.
Fremd feid thr und frend bleibt thr.
Over iby verwalfdt.
Aber eures Bleibens, als Odhins⸗Söhne, ift nicht in
biefem Land.“
„Mein Bruder Harald, laß e8 uns dod) verſuchen,“
Tadhelte Totila.
9a, wir find verändert feit ven zwei Menſchen—
altern, die unfer Volf nun unter Lorbern lebt.
Aber find wir verfdlecdtert ?
Muß man nothmendig ein Barenfell tragen, um ein
Held zu fein?
Muß man Goldbilver rauben, Marmorbilder zer⸗
ſchlagen, um fid an ihnen gu erfreuen.
Rann man nur Barbar fein oder Wälſcher?
Können wir nidt ver Germanen Vorzüge bebalten,
ibve Febler ablegen, ver Walfden Vorzüge uns aneignen
obne ihre Febler 2
Aber Harald fibiittelte bas mähnenumwallte Haupt.
„Mich ſoll's freuen, wenn’s end) gelingt.
Aber ich glaub’s nidt.
188
Die Pflanze nimmt die Art des Bodens und des
Himmels an, darauf und darunter fie wächſt.
Und id) möcht' es gar nidt, felbft wenn’s mir und
ven Meinen gelange.
Mir find unfre Fehler lieber als der Wälſchen Vor⸗
züge — wenn fie welde haben.“
Totila mute der Worte gedenfen, die ex einft felber
Sulius entgegnet. — —
„Vom Nordland geht alle Kraft aus — dem Nord⸗
volf gehört vie Welt.“
„Sag's ihnen dod," fiel feine Schwefter ein, ,in.
veines Lieblings-Liedes Worten.“
Und fie reidte ihm die Harfe bin: Harald aber
fpielte und fang eine Stabreim>Weife, welche Adalgoth,
in Schlußreime itbertragen, Valeria folgendermafern vers
dollmetſchte: |
„Thor ftand am Mitternadhts Ende ver Welt:
Die Streit-Axt warf er, die fchwere:
„So weit ver faufende Hammer fallt,
Sft mein das Land und die Meere!“
Und e8 flog ver Hammer aus feiner Hand,
Glog ber die ganze Erde,
Fiel nieder am fernften Südens⸗Rand,
Daf Wes fein eigen werbde.
Seitdem iſt's freudig Germanen⸗Recht,
Mit dem Hammer Land zu erwerben:
Wir find von ves Hammer⸗Gottes Geſchlecht
Und wollen fein Weltreich erben!“
189
Lauter Beifall der gothifden Giver dankte dem
loniglichen Sanger, ber ganz danach ausfah, das ftolje
Lied verwirlliden gu wollen und gu können.
Harald leerte nodmals den tiefen Goldbeder.
Dann rief er:
Nun woblauf, fein Sdwefterlein Haralda, auf, ibr
meine Segelbrüder ba dritben.
Mun brechen wir auf.
Auf Ded der Midgardfdlange müſſen wir fein, bes
wor der Mond drauf fdeint.
Wie lautet ver Witinga- Balk?
‚Schlecht ſchlummert das Schiff,
Liegt der Venter am Land."
Lange Freundſchaft — turjer Abfdhied, fo ifi’s
Rordland Braud."
Totila legte die Hand auf feines Gaftes Arm.
Eilt's dir fo fehr?
Du fürchteſt wohl, mit gu verwalfden?
Bleibe nur nod: fo rafd geht's nidt: und bet dir
hat's damit gute Wege."
„Ja, Da haft du Recht, Romkönig.“ lachte der Riefe,
„und bei’m Hammer Thors: id rithme mid) deffer.
Aber wir müſſen fort.
Drei Dinge Hatten wir pier qu thun nad Rinig
Frode's Gebot.
Gud zu helfen im Kampf.
Shr braudt uns nidt.
Over braudt ihr uns nod? Sollen wir bleiben bis
nener Rampf entbrennt."
190
„Nein,“ lächelte Totila, „Friede, nicht neuer Kampf
ſteht bevor.
Und fam’ es wirklich abermals zum Krieg, — foll id
dir dann Recht geben, Bruder Harald. daß wir Gothen
zu ſchwach, uns allein in Italia zu halten? Haben wir
nicht die Feinde geſchlagen ohne eure Hülfe? Können
wit fie nicht wieder ſchlagen, wir Gothen allein
Ich Dadte mir's wohl,” entgegnete ver Wiking.
„Zum Bweiten famen wir, euch zurück yu holen in’s
Nordland.
Shr wollt es nicht.
Und gum Dritten: gu heeren anf des Raifers von
Gréfaland Inſeln.
Das ift ein Inftig Gefdaft und nod lange nich
genug geübt. Kommt mit: helft dabei, rächt enc.“
sein, ein Königswort ift heilig. Wir haben Waffen-
ftilftand nod auf Donde.
Und hare, Freund Harald.
Verwechsle mic ja nicht aus Verfehen unfre Infeln
mit denen des Raifers.
Unlieb ware mir, wenn —“
„Nein, nein,” lächelte Harald, ,forge nidt.
Wir haben’s ſchon gemertt.
Vortrefflich gehütet find enve Hafen und Küſten.
Und hier und da aft du ja hohe Galgen aufridten
laſſen und Tafeln daran in römiſchen Runenzeichen; dein
Seegraf zu Panormus hat fie uns gedollmetidt:
191
Landräuber gebangt,
Seeräuber ertranft, — .
Das ift das Raub- Recht
In Totila’s Reid."
Da haben meine Segelbritner einen heftigen Abſcheu
befommen vor deinen Stangen und Tafeln und Runen.
&h wohl nun, Romfsnig ver Gothen: mige rein
Olid vauern: leb wohl, ſchöne Sdwarztdnigin.
Lebt wohl, all” ihr Helden, wenn nicht frither —
fez Walhall treffen wir uns wieder."
Und rafd fic) verabſchiedend fdbritten die Nordleute
aͤweg.
Haralda warf ihren Falken in die Luft.
„Flieg voraus, Snotr, — auf Deck!“
Und pfeilſchnell ſchoß der kluge Vogel hinweg, gerade
Biber den Fluß hinab fliegend.
Der König und Valeria geleiteten die Gäſte bis auf
die vorletzte Stufe der Treppe: dort tauſchten ſie den
letzten Händedruck.
Noch einen raſchen Blick warf die Jungfrau auf
Totila.
Harald bemerkte es: und er flüſterte ihr zu, als ſie
allein die letzte Stufe herab ſtiegen:
Klein Schweſterlein, deinetwegen ſcheid' ich ſo raſch.
Gräme dich nicht um dieſen ſchönen König.
Du weißt: ich habe vom Vater die Gabe geerbt.
todverfallne Marner zu erkennen.
192
Sd fage dir: auf diefes Königs fonnigen Brauen
ſitzt der Gpeertod.
Er wird den Mond nicht mehr wechſeln ſehn.“
Da zerdrückte vie Rriegerin eine Thräne in den
ſtolzen Augen.
Graf Teja, Herzog Guntharis und Herzog Adalgoth
geleiteten die Gafte bis an ihre Bote im Tiber und
verweilten, bis fie abgeftogen.
Mit ernftem Blick fah ihnen Teja nad.
„Ja, König Frode ift weiſe,“ fagte er.
„Aber oft iſt die Thorheit ſüßer als die Wahrheit.
Und großartiger.
Geh' nur voran zum Zelt zurück, Herzog Guntharis.
Ich ſehe da den Fluß herauf das Botenſchiff des
Königs eilen.
Sh will ſehen, welche Nachricht es bringt.“
iG bleibe bet dir, mein Meiſter,“ ſprach Adalgoth
beſorgt, „du ſiehſt fo furchtbar ernſt. Was haſt du?”
„Eine Ahnung, mein Adalgoth,“ ſprach Teja, den
Arm um ves Juünglings Maden ſchlingend.
„Sieh, wie rafd die Sonne fintt.
Mid ſchauert.
Laß uns dem Botenfdiff entgegen gehen, — da
unten wird e8 fanden, wo die alten, geftityzten Marmor⸗
ſäulen liegen.“
Totila und Valeria waren nach dem Zelte zurück⸗
gewandelt.
„Hat did) bewegt,“ frug die Römerin erfditttert, ,,mein
Geliebter, was jener Fremdling ſprach?
193
G3 war — Guntharis und Teja haben mir’s erfiart
— eS war fehr ernft.”
Wber Totila erhob raſch das nachdenklich gefentte
Haupt.
„Nein, Valeria, es hat mic) nicht erſchüttert.
Des groffen Theoderich's großes Werk hab’ id) auf
meine Sdultern genommen.
Der Traum meiner Bugend, ver Gedanfe meines
Königsthums — id) will fiir ihn leben und fterben.
Komm: — wo bleibt Adalgoth, mein Mtundfdent?
— Komm: nod einmal thu’ Befdeid mit dem Beer,
Valeria — lag mid) trinfen auf vas Glück ves Gothen:
reichs.“
Und hoch erhob er den Pocal.
Aber er vermochte nicht, ihn zu Munde führen: denn
Adalgoth eilte, laut rufend, die Stufen hinan, gefolgt
von Teja.
„König Totila,“ rief jetzt Adalgoth athemlos, „bereite
dich, ein Furchtbares zu hören, faße dich —“
Totila ſetzte den Pocal nieder und frug erbleichend:
„Was iſt geſchehn?“
„Dein Botenfchiff brachte die Kunde von Ancona her:
Der Raifer hat den Waffenftillftand gebroden — er
hat —"
Da war Teja heran: fein langes, ſchwarzes Haar
flatterte im Winde. — Geiſterblaß war fein Antlig und
fein Auge fprithte:
nauf, Rinig Totila,“ rief ev, den Kranz aus dem
Haar, und dew Helm auf das Haupt!
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 13
194
Wuf ver Höhe von Senogallia, nahe bet Ancona,
bat eine Flotte des Raifers die unfere, die tm Schutz
res Waffenftillftandes lag, plötzlich feindlich überfallen.
Unfere Flotte ift nicht mehr. .
Von unfern vierhundertfiebsig Gegeln find nur elf
gerettet.
Ein ſtarkes Heer des Kaiſers iſt gelandet.
And Feldherr iſt —: Cethegus ver Präfect.“
Bwansigftes Capitel.
Vn rem Lager Gethegus des Prafecten bei Setinum,
am Fuß ves Upenninus, wenige Meilen nördlich von
Taginä, ſchritt Lucius Licinius, ver fo eben von Epidam⸗
nus her zur Gee eingetroffen war, in eifrigem Gefprad
mit Syphar vor dem Belt ves Feldherrn auf und nieder.
„Mit Schmerzen erwartet did) mein Herr, o Kriegs-
tribun.
Schon ſeit mehreren Tagen.
Hoch erfreut wird er ſein, dich zu finden im Lager,“
ſprach der Numider.
„Er muß bald zurück kehren, von einem Ritt der
Kundſchaftung.“
„Wohin ritt er?"
„Mit Piſo und den andern Kriegs⸗Tribunen gegen
Taginä.“
„Ja, das iſt die nächſte, feſte Stadt ver Gothen nach
Süden zu.
Nun aber erzähle mir, kluger Maure, von den
letzten Dingen, die zu Byzanz geſchahen.
Du weißt: mich hatte dein Herr zu den Langobarden
13 *
196
auf Werbung gefdidt, lange bevor in Byzanz eine Ent-
ſcheidung erreidt war.
Als id nun, nad) gefahrvoller Reife durch das Land
ver Langobarden und der Sepiden, bei Novä über den
reifenden Sfter wieder glidlid) in Das Reid Iuftinians
gelangt war, und bet dem Gaftfreund in Nifopolis die
verabretete Weifung bes Prafecten abbolte, vie meine
weiteren Schritte lenfen follte, fand id) nur den lakoniſchen
Befehl: ihn in Senogallia gu treffen.
Ich ftaunte.
Denn dak er, an der Spike von Slotte und Heer
des Kaiſers, als Sieger, den Boden Staliend wieder bes
ſchreiten würde, wagte ich faum gu hoffen.
Von CSenogallia her eilte ich eurem Marſche bis
hieher nad.
Die Heerfithrer, weldje id) bisher im Lager getroffen,
haben mir nun gwar den Rauf der Dinge ungefabr
erzählt bis tury vor Beliſar's Verhaftung.
Aber von vem Hergang bei diefer und von ben
fpateren Dingen haben fie offenbar feine genauere Kunde.
Du aber —"
wa, id) wei} diefe Sachen: fo gut faft, wie mem
Herr.
Denn id) war felbft vabei.“
„Iſt's möglich? Belifar wirklich ein Verſchwörer gegen
Juſtinian? Nie hätt' ich's geglaubt.“
Syphar lächelte ſchlau: „Darüber hat Syphar kein
Recht, zu urtheilen: ich kann nur genau ſagen, was
geſchah.
197
Nun hire, — aber tritt in's elt und labe did:
mein Herr würde fdelten, ließ ich dich bier draußen,
unverpflegt: und es fpridt fid) aud fidjrer drinnen,”
fuhr ev fort, den Zeltvorhang inter dem Cingetretnen
ſchließend.
Während ec nun den Gaſt ſeines Herrn auf den
Feldſtuhl nöthigte und mit Früchten und Wein verſah
und bediente, hub er an zu erzählen:
„Bei Einbruch der Nacht jenes Schickſals⸗Tages kauerte
ich in einer Niſche des Muſchelhauſes des Photius, des
Greigelaffnen Beliſar's, hinter der hohen Statue eines
Chriſten⸗Heiligen, deſſen Namen ich nicht weiß, der aber
einen ſehr löblich breiten Rücken hat.
Zugedeckt von ſeinen Schultern konnte ich durch eine
Lücke oben in ver Mauer fpaben, welche friſche Luft
zuführen foll.
Bei ſchwacher Beleuchtung erfannte id Photius und
eine Anzahl vornebrher Männer, die id) oft im dem
Raiferpalaft oder in Beliſar's Gaus oder bet Prokopius
hatte aus und eingeben feben.
Das erfte was id) verftand — denn mein Herr bat
mid) die Sprade der Griedjen, die ſich Romäer“ nennen,
lehren Laffer — war das Wort des Hausherrn an eimen
Gintretenden: „freue did): Belifarius kommt.
Nachdem er mid) geftern frith kaum eines Blickes
Gewiirdigt, als id ihn erwartungésvoll in der Ringfdule
deg Zenon anbielt, fprad er mich heute Whend felber
Qn, da id an der offnen Thüre feines Hanfes lauernd
langſam vorüberſchritt.
198
Denn id) wufte, daß er gegen Abend wieder fommen
werde von der Sagd mit den perfifden Leoparden.
Borfidtig vritdte er mir dies Wachstäfelchen im vie
Hand, umfpabend, ob thn niemand febe.
Hier aber fteht: „Nicht {anger widerfteh’ ich eurer
Werbung. Neue SGriinde gwingen mid. Ich fomme
heute." ,
Aber wo ift Pifo, wo Salvius Bulianus, wo die
andetn jungen Römer?“
„Sie fommen wobl nidt," fprad der Cintretende.
„Ich fah fie faft alle auf Boten im Bosporos.
Sie find wohl zu einem Schmauſe nad des Prafecten
Billa vor dem Thor des Gonftantin gefegelt.”
„Laß fie: wir brauden fie nidt, die brutalen Latiner,
nicht den ftoljen und falſchen Prafecten: Beliſar wiegt
wabritd mehr als fie."
Da trat Beliſarius ein.
Gr trug einen weiten, feine Geftalt verhüllenden
Mantel.
Der Hausherr eilte thm entgegen, alle drängten fid
ehrfurchtsvoll um thn.
„Großer Beliſarius,“ ſprach dev Freigelaffne, wir
wiffen dieſe Deine That gu witrdigen.
Du bift erfdhienen — fo bift du unfer Haupt.”
Und ev drangte thm den Heinen Elfenbein⸗Stab anf,
welden der Leiter der Verfammlungen führt, und gee
leitete ihn an ben erhöhten Sig des Vorſtehers der
Geſellſchaft, melden er felbft eben verlaffen.
„Sprich — befiehl — handle — wir find bereit.“
199
„Ich werde handeln zur redjten Beit," ſprach finfter
Beliſarius und ließ fid) auf dem Chrenfite nieder.
Da eilte verwirrten Haars und fliegenden Gee
wandes der junge Anicius in das Gemad, ein Schwert
im der Hand. |
„Flieht,“ rief er, ,wir find entoedt und verrathen.“
Belifar erhob fic) gefpannt.
„Man ift in mein Haus gedrungen. Meine Sclaven
find gefangen. Cure Waffen, die ich geborgen, find ges
{unten und aus fiderftem, nur mir befanntent Verfted
eure Briefe und Urfunden und ad! and) meine Briefe
verſchwunden. Aber nod mehr. Als id in den Hain
des Conftantinus bog, der diejes Haus umgiebt, glaubte
id in den Gebüſchen Waffen und Manner klirren und
fliftern gu hören. Dtan ift mir gefolgt; rettet eud)."
Dte Verfdwornen ftoben nad) den Thüren.
Nur Belifarius blieb rubig ftehen vor vem Chrenfig.
„Faßt end," mabnte rer Hausherr, „nehmt eud) etn
Veifpiel an eurvem Haupt und Helden."
Aber Da ſcholl vor ver großen Hausthüre ver Ruf
ver Tuba: für mid) das Zeichen, meinen Spabepoften gu
verfaffen und mich meinem Herrn anzuſchließen, ber an
ber Spite der taiferliden Lanzentrager und Goldſchildner
mit dem Prajecten von Byzanz und mit Leo, dem
Archon ver Palaftwade, in das Haus ftitrmte, deffen
Fenſter und Thüren alle umftellt wurren.
Pradtvoll jah er aus, mein Gebieter,“ rief Syphar
Begeiftert, „als er, vom purpurnen Helmbuſch umflattert,
Die rothfhimmernde Fadel in ver Linken, das Schwert
200
in der Rechten, in das Gemach ftiirmte: fo mag der
Feuer⸗Dämon ausfehn, wenn er in Afrifa aus dem
flammenden Berge taudt.
Sh 30g das Schwert und fprang an feine life
Seite, ven fehlenden Schild au erfegen.
Und er hatte mir geboten, den jungen Anicins gletd
unſchädlich zu madden.
‚„Nieder mit jedem, der widerſteht,“ gebot Cethegus.
„im Namen Juſtinians.“
Sein Schwert war über und über roth: denn mit
eigner Hand hatte er die Leibwächter niederſtoßen helfen,
die Beliſar am Ausgang des Hains aufgeſtellt hatte.
„Ergebt euch,“ rief er den Erſchrocknen gu, ‚und du,
Archon des Palaſtes, verhafte Alle die Verſchwörer,
verſtehſt du? Alle.“
„Iſt's möglich? ſchändlicher Bervither !" ſchrie ber junge
Anicius und fprang mit dem Schwerte gegen meinen
Herm. „Ja vas ift der purpurfarbne Helmbufd: ftird,
Mörder meines Bruders.“
Aber fdon lag er fchwer -getroffen gu unfern Füßen,
id) rif mein Schwert aus feiner Bruſt und entwaffuete
Photius, ver allein nod Widerſtand wagte.
Die Anvdern ließen fid) greifen wie vom Gewitter
betaubte Hammel.
„Brav, Syphar! Durchſucht feine Kleider nad Ges
ſchriebnem!
Nun, biſt ou fertig. Archon?“ frug mein Herr.
Der Archon hatte ſcheu vor Beliſar Halt gemacht,
der in ſeiner Ruhe verharrte.
201
‚Wie?“ frug der Archon jest, „ſoll id) aud) den Magifter
Militum? —"
„Alle, habe ich gefagt. Berftehft du nicht mehr
griechiſch?
Du ſiehſt ja —: ihr Alle ſeht es —: er iſt das
Haupt der Verſchwörung —: er trägt den Stab, er ſteht
an dem Ehrenplatz.“
„Ha,“ fdrie nun Belifarius, fteht e8 fo? Wachen
herbei! belft, meine Leibwächter, Marcellus, Barbatio,
Ardaburins !“
„Die Todten hören nidt, Magiſter Meilitum.
Gieb dich gefangen! In des Kaiſers Namen!
Sieh hier ſein großes Sigel! Er hat mich für heute
Nacht zu ſeinem Stellvertreter ernannt und tauſend
Lanzen ſtarren um dieſen Sal.“
„Treue iſt Wahnſinn,“ rief Beliſar, warf das Schwert
weg und hielt die ſtarken Arme dem Archonten hin, der
thn feſſelte.
won Den Kerker alle Gefangnen.
Photius und Belifar, getrennt, in ven Rundthurm
DeS WAnaftafius, im Palafte felbjt.
Sd eile gum Raifer, bringe ihm feinen Ring und
bie Fes Cifen," ex hob vas Schwert Belifars vom Boden,
elZEay melde ihm, daß er rubig ſchlafen fann.
Die Verſchwörung ift aus. Das Reid) ift gerettet.“
Schon am andern Morgen begannen vie Verhöre
UX bem Hodwerrathsproceg. Viele Beugen wurden vers
NOxanmen: aud id.
wo
202
Sd befdwor, dag id) Belifar al6 Haupt ver Ver.
ſchwörung hatte begrüßt werden und handeln febn.
Das Wachstäfelchen hatte ich ſelbſt aus des Photius
Kleidern gezogen.
Beliſar wollte ſich auf das Zeugniß ſeiner Leibwächter
berufen: aber ſie lagen alle todt.
Auf ver Folter geſtanden Photius und andre Ges
fangene, daß Belifar endlich eingewilligt habe, das Haupt
ver Verſchwörung zu werden.
Antonina wurde ftreng tn dem rothen Haufe bewadt.
Die RKaiferin weigerte thr dte ſtürmiſch verlangte
Unterretung.
Sehr ſchwer belaftete es fle felbft wie Belifar, dag
Späher ver Kaiferin beſchworen, fie atten den jungen
Wnicius, in defjen Cifterne man die Waffen und Urkunden
rer Verſchwörer gefunden und der mit Gewalt hatte ge:
hintigt werden müſſen, Woden fang viele Nächte heim⸗
lid in Belifars Gans ſchleichen fehen: und daß dies
Anicius felbft, Antonina und Belifar hartnäckig und
unverfdimt (Gugneten, während es gang zweifellos be-
wiefen war, empörte die Richter.
Sd mufte Antonina gleid) nad ver Berbaftung
Belifars von meinem Herrn melten, daß diefes im
höchſten Grad überraſcht gemefen, Belifar wirklich als
Haupt der Verfdwornen angutreffen und ihr zugleich fagen,
nicht blos Briefe ves Haſſes habe Gethegus in ver
Gifterne des Anicius gefunden.
Bei viefem meinem Wort, das ich felber nicht verftand,
fan vie {chine Grau ohnmächtig zuſammen.
203
Uebrigens braden wir von Byzanz auf, ehe nod
das Urtheil ither Beliſar gefallt war: nur Photius und
bie meiften Verſchwornen waren bereits gum Lode ver-
urtheilt, als wir und mit der kaiſerlichen Flotte einſchifften
nad Epidamnus, wo meines Herren Kriegstribunen und
Söldner und ftarfe, urfpriinglid) für den Perſerkrieg
beftimmte Streitkräfte des Kaiſers auf uns harrten.
Denn meinem Herrn war die neu gefdaffne Würde
eines Magifter Militum per Staliam verliehn und der
Befehl ber vad ,erfte Heer": vas „zweite“ foll uns
Pring Areobindos nachführen, wenn er da8 leichte Gefdafe
vollbradt hat, mit fitnffader Uebermacht die kleinen
gothifden Beſatzungen in den par Stadten von Epirus
und den Snfeln gu bezwingen. Die find verloren, wie
Sandkörner, die in das Meer gefallen."
„Was verlautet von der Belifar vrohenden Strafe?
Ich hatte es nie geglaubt, daß diefer Mann —“
„Die Richter werden thn gewiß gum Tobe verur:
tHeilen: venn er ift ſchlagend überführt.
Und man ftreitet, ob in bem Raifer der Romäer
Die alte Gnade fiegen werde oder der neue Zorn.
Man meint: er werde die Todesſtrafe in Blendung
mb Verbannung umwandeln.
Sehr ſchlimm für Belifar fet, fagt mein Herr,
dies unfinnige Leugnen.
Und ihm feblt als Redtsbeiftand und kluger Helfer
fetxe Freund Profopius, ver fern in AUfien vie Bauwerke
des Raifers anffudt.
Cethegué aber betrieh die Cinfdiffung des Heeres
~
204
zu Epivamnus fo gebeim, daß bie dummen Gothen hier
bet Ancona faum davon vernahmen.
Aud bauten fle auf den Waffenftillftand und ers
warteten ben bevorftehenden Friedensſchluß.
Den Vorwand fitr die Flottenritftung gewährten die
Verheerungen, welde fremde Schiffe aus Thuleland anf
ren Snfeln des Kaiſers anrichteten.
So itberfiel mein Herr die gothifde Flotte in der
Nacht, während die Bemannung auf dem feften Lande
{dlief: und faft ohne Blutvergießen nabm, verbrannte,
verfentte er über vierhunbdert ihrer Miele.
Aber hord: — das ift mein Herr —: ich fenne
feinen Gang —: fo ſchreitet nur nod in meiner Heis
math ver Löwe von Auras.“
Einundzwanzigſtes Capitel.
„Willkommen, Licinius, in Italien und im Siege,“
rief Cethegus im Eintreten.
eo haſt bu die Langobarden?“
«Galoe, Flottenzerſtörer,“ antwortete der Tribun.
„Die Langobarden fommen, zwanzigtauſend Dtann.”
„Das find febr viel!" ſprach Cethequs, plötzlich febr
exni{t.
. wd hatte nur fiebentaufend gewünſcht — id) weif
Eaum, woher das Gold fitr die faft vreifadhe Zahl auf⸗
Bringen.
Denn wohl gemerft: in meinem, nicht in des Kaiſers
Hold, will id fie haben.“
Frendeſtrahlenden, ſtolzen Wuges aber fprad) der junge
Sitter :
„Ich hoffe auf deine Bufriedenheit, Magifter Meilitum.
Unentgeltlid fommen die Langobarden nad Stalien.“
‚Wie das? und fo Viele?"
oa: dex Sohn ihres Königs Audoin, — Alboin ift fein
Mame, den fon weithin das Heldenlied ver Germanen
Hreift bis au den Bajuvaren am Oenus und den Saxonen
206
an dem Wifurgis, — ein febr tapfrer und fiir einen
Germanen erftaunlid Huger Jüngling —"
„Ich wei von thm — er diente lang unter Narſes,“
ſagte Gethegus miftranifd.
„Dieſer kühne und ſchlaue Barbar hat fic) tm vorigen
Sabre, als Roß-Händler verfleivet, nad Italien ge⸗
{lichen und unerfannt das ganze Land bis Rom und
Neapolis durdwandert, vie Wege erforſcht und die Waffen.
plage ver Gothen.
Er ware nod Langer geblieben, hatte ihn nicht der⸗
felbe Gothe, ver meinen armen Bruder erſchlagen —
Der ſchwarze Leja 2
„Derſelbe — mit Argwohn verfolgt und ihn zuletzt
al8 Späher feſtzunehmen gedrobt.
Da floh Alboin zurück nad Pannonien.
Aber Wein und köſtliche Edelfrüchte unfres Landes
bradjte ev mit nad) Hauſe und zeigte fie feinem Bater
und feinem Boll: und feither brennen alle Langobarden,
viefes Wunderland yu betveten.
Alboin verlangt nur alle Beute, weldje feine Lango-
harden machen werden und verzichtet auf Sold: e8 find
pradtoolle Barbaren, diefe Langbarte, viel wilder und
rauber als die Gothen.“
„Ja,“ meinte Ulboin ladend, als ich ihm dies fagte,
„wir haben ein Sprichwort: der Gothe der Hirfd, der
Langobarde der Wolf."
Gr trinkt aus dem Schädel des Gepidentinigs, den
ev im Kampf erſchlug.
Du wirſt deine Freude haben an ihm und ſeinen
207
Reitern — die find mehr wmerth als Sfaurier und
Abasgen.”
„Ich Dante deinem Eifer,“ fagte Cethegus zögernd,
vet ift mir faſt alljugrof.
Es find fo viele.“
„Ja, af geringere Zahl ließ fic) Alboin nidt ein:
rudelweis rennen die Wölfe!“ Lachte er.
„Nun,“ ſchloß Cethegus, ‚ich vertraue: an ver Spite
von zwei kaiſerlichen Heeren und von Stalien halt’ id
aud) diefe große Zahl von Raubthieren in Geborfam.
Bu ven Gothen werden fie fid) doch nicht ſchlagen?“
„Nein, mein Feldherr. C8 geht ein alter Haß durd
Lie Geſchichte beider Valter: aus einem jener unfaßlichen
Griinde, welde nur diefe Germanen zum Haſſe finden.
In grauer Vorzeit hat einmal eine langobardiſche Königin
einen Gothenfiirften ermorden laffen oder umgelehrt: —
wer fann fic) diefe Dinge merfen! — und feither ift e8
Ehrenpflicht, von Gefdledht zu Gefdledt fic) gu baffen
UND zu morden.
„Wir ſind die Todtengräber und die Erben dieſer
Gothen," ſagte mir Alboin.“
Wohl: ihr Unglück ſollen fie erben,“ drohte Cethe—
gus, „ſonſt haben die Gothen nichts zu hinterlaſſen: ſie
ſterben in der Fremde auf italiſcher Scholle.
Und wann kommen ſie, dieſe pannoniſchen Wölfe?
Ich brauche fie bald."
„Das hat Alboin noch nicht beſtimmen können.
Sie haben einen Bund mit den noch wilderen Avaren
208
gefdiloffen, gemeinfam das arnte Boll der Gepiden nod
vollends auszumorden und deren Land zu theilen.“
„Ein grimmiges, gefibrlides Geſchlecht,“ ſprach Cethe⸗
gus kopfſchüttelnd.
„Ja,“ lachte Alboin, Wolf und Geier jagen gemein⸗
ſam und theilen das Reh. — Iſt dieſe Arbeit gethan,
dann geht's über Dravus, Savus und Sontius nach
Venetia: ich kenne die Wege.“
„Er kennt fie fo gut," ſagte Cethegus halb gu fich,
„daß man dieſen Wolfsjüngling ſie gar nicht mehr zurück
ſchreiten laſſen darf.
Licinius, ich brauche raſche und ſtarke Verſtärkung.
Der Anfang war gut: aber nun geht's nicht vor⸗
warts.
Die Btalter, ſchmählich yu fagen, ftehn nicht anf:
fie balten zu den Barbaren," lächelte er zornig, „aus
ähnlichen Gritnden wie mein 3u Tod gefreffner Freund
Balbus.
Gewiß rückt ver Gothenfsnig fdon von Rom eran,
mit ftarfem Geer, feine Flotte yu raden.
Ich fenne ihn: er greift an.
So fdidte id denn Cilboten nad Cilboten an Areo⸗
bindos, der wirflid) ein Pring ver Schnecken ift, raid
Das „zweite Heer” heran zu führen: er foll die verfprengten
Gothen in Cpirus an der eignen Tollkühnheit ihrer
Stelung zu Grunve geben faffen.
Aber fein Areobindos kömmt.
Und mit meinen Byjantinern fann i im offnen
bd
209
Feld viefen Totila nicht ſchlagen, wenn er die Uebers
madt bat.”
„Und Ravenna? wird es ſich nod halten fonnen,
wenn du nidt eilig Entſatz bringſt?“
„Ravenna iſt befreit.
Nach Zerſtörung der gothiſchen Flotte ſchickte ich
auf die Rhede von Claſſis dreißig meiner Triremen
unter dem Nauarchen Juſtinus: ſie drangen in den
Hafen Claſſis und verſahen die Stadt mit neuen Bors
rathen.
Und. vor einigen Tagen vernehme td), Dak der alte
Hildebrand vie Belagerung aud) auf ver Landfeite auf—
gehoben und ſich in Cilmarfden, weftlid) um uns herum,
mit feinen wenigen Tauſendſchaften nad) Florentia und
Perufia gezogen hat.
Angeblih, — aber das ift eine handgreiflide Un-
nidglidfeit! — weil ein ungeheured Heer des Kaiſers
auf dem Landweg von Dalmatien, von Salona fer,
durch BVenetien in Cilmarfden gegen Ravenna hers
anritde.
Ware dem vod fo!
Aber leider wei id beffer, daß vas „zweite Heer’,
welches übrigens fleiner al8 das Meine, nidt in Dale
matien fteht und nidt in Salona, welche Start die
@othen haben und nidt der Raifer, fondern drüben in
Gpidamnus ſich fammelt, unglaublich langfam.
Denn Pring Areobindss8, vem man febr mit Unredst
Eilmärſche zutraut, pflückt lieber nod) wohlfeile Lorbern
in Epirus.
Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 14
210
Und deine ſchöne Gönnerin, mein icinius, die
Raiferin, ift mir gwar gewogen: aber mid) febr gee
ſchwinde fliegen gu feben ift weder ihr mod) dem Raifer
ter Romäer erwiinfdt.
Co mug ich denn barren und barren, bis der
Schneckenprinz heranſchleicht.
Aber da oben bei Senogallia war unſres Bleibens
nicht.
Mich zog's gegen Rom!
Auch ſind die Stellungen da oben zu ſchwach, ſie
gegen Uebermacht zu halten.
Dieſe treffliche Stellung hier bei Setinum, Caprã
und Taginä habe ich mir ſchon fang einmal ausgewählt.
Lind fo etfte ich hieher — ſchnell!
Aber vod) nicht fdnell genug.
Venn Setinum zwar gelang eS nod) gu erreidjen.
Uber nicht mehr Capra und Tagind, die nothwendige
Dedung.
Und rod) ift Tagind der Schliiffel ter Stelung: —
ohne Caprä und Tagind ift mein Lager eine Feftung
zwar mit Wall, aber ohne Graben: die dret Flüßchen
bet Gapra und Taginä find deren natürliche Graben.
Eofort fprengte ich felbft von Setinum aus gegen
Taginä mit den faracenifden Reitern — aber 3u fpat.
Graf Leja — er muß auf den Flügeln des Sturm⸗
winds von Rom heran gebrauft fein — Graf Leja hatte
Taginä kurz vor mir erreidjt mit einer fliegenden, Dent
Hauptheer vorangeworfnen Scar: und obwohl die Garas
cenen fieben gegen drei waren, hat er fle mit feinen
211
gothifden Beil» Reitern blutig guriidgeworfen: e8 war
fein alten mebr, nachdem er den Saracenen - Konig
Abodarabus den Biingeren mit vem Beil vom Turban
bis gum Gurt durdfpalten: heulend riffen meine Garas
cenen die Renner herum und jagten davon, iiber Capra
zurück, mid) mit fort reifend.
Heute fuchte ich nun vie Starfe ver Beſatzung von
Taginä gu erfunden — denn gerne möchte id) den Vere
bagten erdrücken, ehe das gothifche Hauptheer eintrifft —
aber die Stellung von Capra war heute ſchon nicht
mehr zu durchdringen.
Und bereits ſoll der Barbarenkönig ſelbſt im Anzug
ſein: die Nachhut führe der Herzog Guntharis heran.
Und wo bleibt, wann kommt mein „zweites Heer’ 2"
14*
Bweiundpwansigftes Capitel.
Wm Cage vavauf traf Konig Totila mit einem Theil’
des Heered wirflid) in Taginä ein: Valeria, die jest
am ficherften geborgen war im Lager des Minigs, bee
gleitete ihn: and Sulius, welder fid) wieder tm feine
Klofterftiftung nad Avenio in Gallien begeben wollte,
und Gaffiodorius, der diefe pritfen follte.
Die Hauptmacht des Heeres follten Herzog Gun⸗
tharis und Wiſand, der Bandalarius, auf der flamini⸗
ſchen Straße von Süden heran führen, während von
Weſten, von Florentia her, der alte Hildebrand im
Anzug war.
Erſt nach dem Eintreffen dieſer Truppen konnte der
Angriff auf die ſehr feſte Stellung des Präfecten unter⸗
nommen werden.
Und auch Cethegus wies das Drängen der jungen
Ritter zum Angriff ab.
„Ich bin nicht gekommen, Schlachten zu gewinnen,
ſondern Italien.
Demnächſt haben wir die Uebermacht: — dann hat
es Sinn, zu ſchlagen.“
213
Eines Morgens trat Julius in des Königs Belt
und reidte thm fdmeigend einen Brief.
Totila furdte die Stirn, da er die Hand⸗Schrift ers
fannte und las:
Un Julius Manlius Montanus Cethegus der Pri-
fect von Rom und Magifter Militum per Jialiam.
„Ich hove, du weilft im Lager ver Barbaren.
Licinius fah vid reiten neben dem Tyrannen.
Goll vas Unerhirte gefdehen, daß Julius gegen
Gethegus die Waffen führt, per Sohn gegen den Vater?
Gewahre mix Heute, um GSonnenuntergang, eine
Unterredung bet dem jerfallnen Tempel des Silvanus,
der gwifden unſern und der Barbaren Vorpoften liegt.
Der Tyrann hat mir Stalien, Rom und deine Seele
geraubt.
Ich werde ihm alle drei wieder entreißen — und
dich zuerſt.
Komm: ich befehle es als dein Vater und Erzieher.“
„Ich mug ihm gehorchen — id verdanke ihm
ſo viel.“
wa," ſagte Totila,“ ihm ven Brief zurückgebend.
weber die Stelldidein des Prafecten find gefabriid.
Du Haft mid gebeten, nie mehr iiber veinen „väter⸗
licen Wohlthäter“ mit dir gu ſprechen.
Ich hab’ mein Wort gegeben und hab's gebalten.
Aber warnen darf id), muß ich.“
„Er wird mein Leben nidt bedroben.”
wAber vielleicht deine Fretheit! Nimm fiinhig
Reiter mit.
214
Ohne folded Geleit laffe id did) nit aus dem
Lager.
Gegen Sonnenuntergang erreichte Julius mit feiner
Bededung vas jerfallne Gemäuer.
Nur wenige Saulen ves alten Fanum ftanden nod
aufredht: die Mehrzahl lag umgeſtürzt an den Geiten
des Hiigels, auf weldem fic) ver ſchlichte Monopteros
erhob: aud) das Dach ves Gewölbes war gum Theil
herabgeſtürzt.
Ueppig wuchernder Epher umkleidete die Sanlen⸗
ſchäfte.
Steinbrech und allerlei Unkraut überwucherte die
zahlreichen Marmorſtufen, welche hinan führten zu dem
ringsum offnen Bau.
Die@mal hatte Totila vem Präfecten ohne Grund
miftraut.
Denn als Sulius am Fue ves Hügels angelangt
war mit fünfzig Reitern, — fünfzig folgten auf des Königs
Befehl ihm fpater nod aus vem Lager und naberten fid
nun ebenfalls — fah man Cethegus allein in dent Innen⸗
raum des Tempels wartend anf und nieder fdpreiten.
Julius war vom Pferde geftiegen und ſchritt die
Stufen hinan. ~
Gethegus empfing ibn mit vormurf8vollem Blick.
„Du läſſeſt vid) erwarten: der Gohn vom Vater.
Beim erften Wiederfehn, nad fo langer Zeit.
Oft das Mönchs⸗Moral?
Und wobl gebittet kommſt du!
Wer hat dich gelehrt, mir miftrauen?
215
Wie? folgen uns reine Barbaren bis hieher.“
Und er mies auf einen Unfiihrer ver zuletzt Anges
fommenen in braunem Mantel und ibergefdlagner Capuye,
Der, mit zwölf fetner Begleiter, vom Roſſe fprang und
fid) mit den Seinen die Stufen berauf lagerte bis an
vie oberfte Staffel.
' Julius wollte fie entfernen: aber ein zweiter An⸗
filbrer, Graf Thorismuth, antwortete tur; : |
‚Befehl des Königs!“ und lagerte fid) auf die zweite
Stufe. .
„So fprid) griechiſch,“ fagte Sulius. „Das verftehn
fie nicht." |
Cethegus ftredte ihm beide Hände entgegen.
„So ſieht Odyſſeus, der Weitunnwandernde, feinen
Telemachos wieder.“
Aber Dulius trat zurück von ibm.
„Schwarze SGeritdte gehen ither vid), Gethegus.
Hat diefe Hand nur im Kampfe Blut vergoffen
Cethegus ballte die guritdgewiefne Hand grimmig zur
Fauſt.
„Haben deines Buſenfreundes Lügen mir ganz dein
Herz vergiftet?“
„König Totila lügt nicht.
Er hat ſeit Monden nicht mehr deinen Namen
genannt.
Ich bat ihn darum.
Denn ich konnte dich nicht vertheidigen gegen ſeine
furchtbaren Anklagen.
216
Iſt e8 tenn wahr, daß du feinen Bruder Hilde-
bap?" —
„Ich bin nidt gekommen, Entidulbigungen gu geben,
fondern fie gu heiſchen.
Seit Jahren tobt ver Kampf um Rom mit Prieftern,
Griechen, Barbaren.
Und ich ftebe allein.
„Müde, wund, halb vergweifelnd, von den Wogen
des Geſchickes bald empor getragen, bald tief in den
Abgrund geſchleudert.
Wher immer allein.
Und wo ift Julius, mein Sohn, der Sohn meiner
Seele, mich zu erquiden mit feiner Liebe?
Sn Gallien unter den Mönchen, in Byzanz over
in Rom als Werkzeug oder als Gaft ves Barbaren-
Königs
Fern von mir und meinem Wege.“
„Ich warnte dich vor dieſem Wege: rothe und
ſchwarze Flecken liegen darauf: ich kann ihn nicht mit
dir gehn.“
„Nun: und wenn du ſo weiſe biſt und ſo eifrig im
Dienſte deines Glaubens — wo warſt du, mid zu ers
leuchten und zu retten?“: und nun entſandte Cethegus
ein lang und ſorgfältig gezieltes Geſchoß der Ueberredung,
das er bis zuletzt ſich aufgeſpart.
„Wenn meine Seele ſich der Liebe, der Wärme
immer mehr verſchloß, wenn ſie verſteinte und vereiſte, —
wo war Julius, mid) zu erweichen und gu erwärmen?
217
Haft vu deine Pfliht als Sohn, als Chrift, als
Priefter an mir erfüllt?“
Diefe Worte madten erfdiitternden Cindrud auf
ven frommen Ginn und das fanfte Gemitth des jungen
Mönches.
„‚Vergieb,“ ſagte ev, „ich erkenne: ich habe gefehlt
gegen dich.“
Cethegus erſah blitzſchnell ſeinen Vortheil.
„Wohlan: fo mach' es gut.
Ich verlange nicht, daß du Partei ergreifſt in dieſem
Kampf.
Erwarte den Ausgang.
Aber erwarte ihn bei mir, an meiner Seite, in
meinem Lager: nicht bei den Barbaren und nicht in
Gallien.
Bin ich Saul, der Gottes Gnade verwirkt hat —
wohlan, ſei du David und erhelle meine Seele, die oft
verdüſterte.
Deine heiligſte Gewiſſenspflicht zwingt dich an meine
Seite.
Sonſt: — auf dein Haupt die Verantwortung!
Ja, du biſt der gute Genius meines Lebens.
Ich brauche dich und deine Liebe, ſoll ich nicht ganz
jenen Mächten verfallen, welche du haſſeſt.
Giebt es eine Stimme, welche mich dem Glauben
gewinnen mag, der da, wie du lehrſt, allein ſelig macht,
— ſo iſt es deine Stimme, Julius.
Nun entſcheide dich: — nach Gewiſſenopflicht. “
218
Der eifrige und pflichttreue Chriſt vermochte nicht
zu widerſtehen:
„Du haſt geſiegt — ich folge dir, mein Vater!“ und
er war im Begriff ſich an des Ueberwinders Bruſt zu
werfen.
„Verfluchter Heuchler!“ ſcholl da eine belle, fate
Stimme.
Der Reiterführer, der auf der oberſten Tempel⸗
ſtufe ſich gelagert hatte, ſprang auf die Plattform im
Innenraum und ſchlug die Mantel⸗Capuze zurück.
Es mar König Totila, das nackte Schwert in der
Hand.
„Ha der Barbar hier!“ ſchrie Cethegus in tiefſtem
Grimm des Haſſes.
Auch ſein Schwert blitzte: und in tödtlichem Haſſe
trafen die Feinde zuſammen: die Klingen kreuzten ſich
klirrend.
Aber Julius warf ſich zwiſchen die Kämpfer, mit
beiden Händen ihre Arme hemmend.
Es gelang ihm, ſie für den Augenblick zu trennen.
Aber drohend ſtanden die beiden, die Schwerter feſt
in der Fauſt, einander gegenüber.
„Haſt du gehorcht, König der Barbaren?“ knirſchte
der Präfect. „Das iſt ja echt königlich und heldenhaft.“
Aber Totila gab ihm keine Antwort.
Zu Julius gewendet ſprach er:
„Nicht nur um deine äußere Freiheit und Sicher⸗
heit war ich beſorgt.
219
Ich fannte, id abnte feine Anfdlage auf deine
Geele.
Ich habe verfproden, ihn nie mehr, den Abwefenden,
gu verflagen.
Aber nun fteht er mir und dir gegenitber.
Er fol mid) hören bid gu Ende und ſich vertheidgen,
wenn er fann.
Aufoeden will id dir, daß feine Geele und jeder
Gedanke feines Geiftes ſchwarz und falfd find wie der
Satan.
Giehe, felbft dieſe Worte, welde der Augenblid,
das warme Gefühl erzeugt zu haben ſchien, weldje did)
fon fiir ihn gewonnen batten, — fie find falfd, er:
heuchelt, ausgeſonnen feit Sabren.
Sieh her Julius, fennft vu diefe Schrift?“
Und er wies dem CErftaunten eine befdjriebene Pas
Pyrosrolle.
„Die Barbaren ftehlen fonft nur Gold," fprad grim:
mig Cethegus.
wOriefe ftehlen macht infam, ift ebrlos.”
Und er griff nad der Rolle.
Aber Totila fubr fort:
won feinem Hauſe, an gebheimer Statte hat Graf
Teja ſie erbeutet.
In welchen Abgrund ließen ſie mid ſchauen, feine
Tagebücher!
Ich ſchweige von den Verbrechen gegen Andre.
Hier aber ſchreibt er, was dich betrifft:
Julius geb' ich nod nicht verloren.
220
Lag ſehen, ob den Schwarmer nicht die Pflidt der
Seelenrettung gewinnt.
Er wird meine Hand faffen yu miiffen wähnen, um
mid, .jum Krenz empor gu ziehn.“
Aber mein Arm ift der ftarfre: und ih reife ihn
herither in meine Welt.
Schwer wird mir nur der erforderliche Zon der
Bertnirfdung werden.
Ich mug dafür in Caffiodorius lefen.“
„Cethegus,“ rief Julius jammernd, ,baft du das
gefdrieben 2"
wd) dächte, du fennft den Stil.
Aber o, er wird lengnen. — Wiles lengnen, was
td weiß oder abne.
Leugnen wird er, daß er den Balthenherzog Alarich
mit Fälſchungen verleumbet, daß er fiir Athalarid) und
Camilla Gift gemifdt, daß er durch Amalafwintha die
drei anbdern Walthenherzoge gemorbdet, daß er Mörder
gegen mid) geſchickt, daß er Amalafwintha an Petros,
Petros an die Raiferin, Witidhis an Belifar, Belifar an
Suftinian verrathen: leugnen, dag er den Sohn ded
Boéthins in den Tod gefdidt, daß ex meinen Bruder
gemorbet, daß er im Waffenftillftand unfre Schiffe
friedenfchandend itherfallen — er wird all’ died leugnen
— denn Lüge ift ver Gand feines Mundes.“
„Cethegus,“ flehte Sulius, „ſprich ,Mein* und id
glaube dir.“
Uber der Prafect, der anfangs die Worte Totila’s
mit balb gefdloffnen Augen wie Keulenfdlage ſchweigend
221
Hingenommen, ftieR jegt das Schwert in die Scheide,
ridhtete fid) hod anf, kreuzte vie Arme itber vie Bruft
und fprad:
„Ja, ich abe das gethan und andres mebr.
Ich Habe hinweggerdumt, was mir den Weg vers
fperrte; mit Kraft und Klugheit.
Denn der Weg führte zum höchſten Biel, gum Heil
des Römerreichs.
Und zugleich zum Thron der Welt.
Aber mein Erbe im dieſer Weltherrſchaft — —
ſollteſt du ſein, Julius.
Für Rom und für dich — am Wenigſten für mich
ſelber — hab' ich meine Thaten gethan.
Warum fiir dich?
Weil ich dich liebe, dich allein auf Erden.
Nicht mit deiner chriſtlichen Nächſtenliebe, welche die
ganze Menſchheit gleichmäßig umſpannen ſoll.
Dieſe lauwarme Schwäche habe ich immer verachtet.
Nein, heiß, mit Schmerz und Leidenſchaft.
Statt der Menſchheit lieb' ich — dich.
Ja, mein Herz iſt verſteint in Verachtung der Klein⸗
heit der Menſchen.
Nur Cin Gefühl ſprießt nod) aus dieſem Granit-
els: — vie Liebe zu dir.
Du Haft fie nie verdient, diefe Liebe.
Aber cin Wefen, deffen Züge vu tragft, reffen
Bild mir pein Anblid empor fiihrt aus dem Grabe, aus
ver Jugendvergangenheit, webt etn geheimnißvoll zwin⸗
gendes Band zwifden mir und dir.
222
Erfahre denn jebt, vor meinem Feinde, vas heilige
Geheinmiß, vas du erft yur der Stunde erfahren follteft,
ba Du ganz mein Sohn geworden. —
Es gab eine Beit, da des jungen Gethegus Cafarinus
Herz; weid) war und zart, wie das deine.
Und darin lebte eine Liebe, heilig und rein wie die
Sterne, zu einem, ach, unvergleidliden Geſchöpf.
Und fie liebte mid) wie id fie.
Uber alter Haß trennte vas Geſchlecht der Sethegi
und ver Manilier feit Jahrhunderten.“
Da erbleichte Sulius: Totila warf vas Schwert in
vie Sdeide und hörte, mit beiden Armen auf den Griff
geftitgt, nun aufmerffamer gu.
„Sie mit bem Genat, — wir mit ben Gracchen.
Sie mit Sulla, — wir mit Marius.
Sie mit Cicero, — wir mit Catilina.
Sie mit Pompejus, — wir mit Cäſar.
Und dod) war mir’s endlich) gelungen, den barten
Cinn des Vaters gu erweiden: er fdien bereit, zoͤgernd
fein Ja gu ſprechen.
Denn er fah, wie wir und liebten.
Sie folgte mir willenlos, wie Cifen vem Magnet:
und id) fiiblte, rag fie mein guter Genius war.
Da fam ein Gothenherzog, deſſen Seele den Furien
geweiht fet, ver mid) langher fannte und haßte.
Gr warnte Manilius, der allvertranend gu ihm auf⸗
blidte, weil er bet vem erften Andrang ver Barbaren
in Stalien ihn und fein Haus vor Bedrückung beſchützt:
er warnte den Bater vor dem Mtann Cethegus mit
223
rem böſen lid, wie er fagte, und er wedte den alten
Grol: und er rubte nidt, bis der Vater fein Kind, das
widerftrebende, einem gallifden Senator, einem Freunde
des Balthenherzogs, verlobte.
Umſonſt flehte Manilia um Erbarmen.
Da beſchloſſen wir die Flucht.
Im Landhaus am Tiber vor der Porta Aurelia
wohnten ſie.
Aber argwöhniſch beſchleunigte der Vater die Ver⸗
mählung.
Als ich zur verabredeten Nacht die Gartenmauer
überſtieg und in ihr Schlafgemach ſchlich, fand' ich es
leer.
Aber vorn im Atrium ſcholl Hymenäen⸗-Geſang und
Flötenſpiel.
Athemlos ſchleiche ich an die Vorhänge und ſpähe
hinein.
Da ruht meine Manilia, in der Neuvermählten Tracht,
an ihres Vaters Seite, der Bräutigam bei ihr — und
ungezählte Gäſte.
Manilia's bleiches Antlitz, ihre thränenfeuchten Augen
ſeh' ich — ich ſehe, wie Montanus den Arm um ihren
Nacken ſpannt: — da ergreift mid) wahnſinnige Bers
zweiflung: — id ſtürme in den Sal und umſchlinge fie
und reige fie mit mir mit hochgeſchwungnem Schwert.
Aber fie waren zu neunjig, vie Lapfern: fang ers
wehrte id) mid) ihrer: da traf mid) bes Balthen Wlarid
Schwert —: und fie riffen mir die Scretende aus dem
224
Arm und warfen mid blutend, fiir tod, über die
Gartenmaner nah an dem Liber.
Aber damals, vor bald feds Luftra, wie vor Jahr
und Zag, hat mid ver Hand) des Flußgotts aus, der
Betiubung bes Todes geweckt.
Fiſcher fanden mid, pflegten mid: id) genas.
Aber das Herz war mir aus der Bruft geriffen wor-
den jene Nacht. —
Und viele, viele Jahre vergingen.
Sd haßte vie Welt und ihren Gott, wenn einer lebte.
Und pas Gefdledt ver Manilier und der Balthe
Wlarid) haben e8 verfpiirt, daß id) nicht todt war.
Geächtet flohen fie Wie aus dem Lande, ſchwer gee
treffen von meiner Rache.
Mur ein Bild blieb unvergleihlid, rührend ſchön, in
meiner Ceele. —
Und abermals nad Jahren fam id reifend nad
Gallien an den Rhodanus.
Da war Krieg entbrannt gwifden den Barbaren.
Und Franfen und Burgunden waren eingefallen in
das Gallien der Gothen und Hatten cine Villa am
Rhodanus zerſtört.
Und als ich die geſtürzten Säulen des Atriums und
den zertretnen Garten betrachtete, lief ein kleiner Knabe
aus dem Innenhauſe und weinte und rief mid an: Hilf,
o Herr! denn meine Meutter ftirbt.”
„O Cethegus,“ rief Julius mit dimers « erftidter
Stimme.
225
„Und id Drang in das Haus, das nod) dampfte von
faum erlofdnem Feuer.
Da lag im Frauengemad ein bleiches Weib, einen
Pfeil im ver Vruft. |
Und fonft war das Haus leer: die Slaven waren
geflohen oder fort gefdleppt.
Und ich fannte die fterbende Frau: und ihr Rind
hieß Sultus.
Shr Gatte aber war bald nad deiner Geburt ge-
ftorben.
Und die Sterbende ſchlug vie Wugen auf, da fie
meine Stimme vernahm.
Denn fie liebte mid) nod) immer.
Und id) gab ihr Wein und Wafer aus meinem Helm
gu trinfen.
Und fie tranf und danfte und küßte mid auf die
Stirn und fprad: „Habe Dank, Geliebter! fei du meines
Knaben Vater: verfprid) e8 mir.“
Und ic) verfprad) e8 ihr in die erfaltende Hand.
Und küßte fie und fdlog iby die gebrodnen Augen.
Und ob ih mein Wort gebhalten an dem Knaben —
bu magſt entfderden."
, Und der eiferne Mann dritdte mit Gewalt die Sruft,
die madtig athmende, zuſammen.
Sulius brad in einen Strom von Thrinen aus:
wo meine Mutter!" rief er.
Totila aber fdhritt bewegt in per Rotunde auf und
nieder.
Cethegus aber fubr fort: Und nun — wähle!“
Tabn, Cin Kampf um Rom. IV. 15
226
Wähle zwiſchen mir und deinem ,unbefledten* Freund.
Aber wiſſe: vie Thaten, die dir nicht gefallen, hab’ th
zumeiſt für did) gethan.
Lak’ mid) denn einfam — wende did) von mir —
geh' gu ihm: id) balte dich nicht mebr.
Uber wenn mid) Manilia’s Schatte nach div fragt,
werde id), wabrbeittren. antworten:
„Ein Vater war id ihm — er mir fein Sohn.“
Julius verhüllte fein Haupt im Mantel.
Totila aber madte Halt vor dem Prafecten und
ſprach:
„Unväterlich zerfleiſcheſt du ſein Herz.
Du ſiehſt ihn hin und her gezerrt von widerſtreitenden
Gefühlen.
Auf, ich weiß ein Mittel, die Wahl ihm zu ſparen.
Auf, Cethegus, enden wir allein den drohenden Krieg.
Gin zweiter Gothenkönig ladet dic) gum Zweikampf.
Hier, im Antlitz deines Lieblings, ſchelt' ich dich:
Lügner, Fälſcher, Verräther, Mörder, ehrloſen Neiding.
Des Bruders Blut bluträchend heiſch' ich von dir.
Heraus dein Schwert, wenn du ein Mann.
Laß uns, um Leben, Rom und Julius fechtend, in
kurzem Kampf den langen Haß vollenden.
Vertheidige dich.“
Und in wild aufloderndem Haß riſſen Beide die
Schwerter aus ven Scheiden: jum zweiten Male kreuztem
ſich die Klingen.
Und abermals warf fic) Julius zwiſchen die Er —
grimmten mit ausgebreiteten Armen. |
227
„Haltet ein, thr graufamen Männer des Haffes und
Dey Belt. 7
Seder Streich trifft in mein blutend Herz.
Hört mid an: gefaßt ift mein Entfdlug.
Sch fühl's: ver Geift meiner Mutter gab ibn mir
tu."
Grollend fenften vie beiden Feinde die Schwerter,
>FHre fie emnzufteden.
»Cethegus, ein Vater, bift bu mir gewefen mebr als
Srwei Jahrzehnte.
Was du gefrevelt und gethan — nicht dem Sohne
Ziemt zu richten.
Ich faſſe deine Hand liebevoll: — und wäre ſie tiefer
Mod in Mord getaucht — meine Thränen, mein Gebet
Follen fie retnigen.”
Totila trat zürnend einen Schritt zurück: und des
Pr&fecten Auge leudtete auf in Stegedsfreuve.
„Aber nidt ertragen fann id,“ fubr der Mönch fort,
dein furdtbares Wort: um meinetwillen, fiir mid) habeft
‘Du gethan, was du verbroden.
Wiffe, nie, niemals, felbft wenn es ſonſt mid) locte,
— mid aber lodt vie Dornenfrone von Golgatha, nicht
Die Hluthefledte Krone Roms — könnt' ich dein Erbe
antreten, an welchem ſolche Flüche bangen.
Ich bin dein: — aber fei du aud) meined Gottes :
fei mein, nidt der Welt und der Hille eigen.
Wenn du mid) wirklich liebſt, — entfage deinen vers
brecheriſchen Planen.
Uber mehr — mehr: du mut bereuen.
15*
228
Ohne Reue und Bue keine Erldfung.
Und id) will mit Gott rvingen im Gebet, bis er dir
peraiebt.
Widerrufe in Gedanfen deine Thaten.“
„Halt an," ſprach Gethegus fid) bod) aufridtend.
„Was fpricdft du ba von Rene, der Knabe jum
Mann, gum Vater der Sohn?
Laß du rubig meine Thaten auf meinem Haupt: id
habe fie gu tragen, nidt du.“
„Nein, Cethegus, nimmermehr.
Wenn du beharrſt, fann id) dir nicht folgen.
Bereue — beuge vid) — nicht vor mir, wabriid:
vor Gott vem Herrn.“
Da," lachte Cethegus, fprichft du zu einem inde?
Alles, was ich gethan, — wär's ungeſchehn: — ich
würd' e6 Wes, Wes nod ‘mal thun.”
i Sethegus," rief Sulius entfegt, welch’ ſchrecklich Wort!
Glaubft du denn wirklich nidt an einen Gott?
Aber gereizt fuhr Cethegus fort:
„Bereuen! Berent ras Feuer, vag es brennt?
Du fannft es nur erftiden: nidt Hemmen, dak es
brennt, fo lang e8 lebt.
Lob es, ſchilt es, wie du willft: vod) laß es Feuer
fein!
So mug Cethegus ven Gedanfen folgen, welche
mie Der Lauf des Blutes, durch fein Haupt rinnen.
Sd will nidt, id) muß wollen.
Und, wie der Gießbach nicderfdaumt von Bergess
höhn, bald durch blumige Wiefen, bald durch ſchroffes
229
Gez cack, bald fegnend befrudjtend, bald tödtlich zerſtörend,
ohrre Wahl, ohne Vorwurf, ohne Dankrecht — fo reigt
mickey pas Gefdid dahin ven Weg, welden Cigenart und
die gegebne Beit und Welt um mid) her vorgeidnen.
Goll ich bereuen, was id) auf meinem Weg jers
fixe ?
Ich that e8 immer wieder.”
~Cntfeslider! Bn dieſen Worten weht ver Hand
vee Halle!
Wie fannft vu erlöſt werden, wenn du nidjt ers
fexunnft, nag du gefitndigt?
Des Menfden Wille ift fret.” —
„Ja, fo Fret wie Der geworfne Stein, der fic eins
bilder, ex tinne fliegen.”
„O fitrdte, Cethegus, fürchte ven lebendigen Gott!“
Aber, grimmiger als guvor, ladjte Cethegus.
„Ha, wo ift er denn, Diefer lebendige Gott?
3h babe, ven Himmel entlang, ven Gang ver Ges
ſtirne, ich habe die graufame Natur, id) habe die graus
famere Geſchichte ver Menſchen durchforſcht und keinen
Gort gefunden als vas Recht ves Stärkeren, vie Noth-
Mendigheit, die furdtbar erhabne Göttin, veren Anblick
Derfteint wie ver Gorgone.
Du birgft vid, Knabe, in die Peantelfalten deines
geträumten Gottes, du ftedft dein Haupt in feinen
Vaterſchos, ſtarrt dich des Schickſals Walten mit den
Gorgonenblicken an.
Wohl, es fet: aber ſchilt nicht den Mann, der, ven
230
Blick ermidernd, fprict: ‚es ift fein Gott’: und würd'
ex drob zu Stein.
Ja, das Lächeln und das Weinen find zwei holde
Genüſſe.
Prometheus aber hat nicht gelächelt, als ihm Pan⸗
dora die bethörende Büchſe bot.
Aber er hat auch nicht geweint, als ihm Gewalt und
Kraft die Glieder an die Felſen ſchmiedeten.
Und an den Geier, der ihm das Herz zerfleiſcht —
nun an den Geier — hat er ſich gewöhnt.
Und eher ermüdete das Schickſal, den Titanen zu
quälen, als daß ſich der Titane gebeugt.“
„Cethegus,“ flehte Julius, „ſprich nicht fo! td) ſage
dir: es iſt ein Gott.“
„So? wo war er Denn, als man Manilia mit Ges
walt 3u verbagter She zwang? als man fiir ewig des
Sethegus Herz vergiftete?
Wo war er denn, als ihr der blinde Bufall einen
Franken⸗Pfeil in das Herz gejagt 2
Ha, aud ich habe an ihn geglaubt: genau fo lang
war id) der Spielball ver Andern.
Spiter aber hab’ id) gebandelt unter ver Voraus⸗
febung, die mid) mein eignes Schickſal gelehrt: „es iſt
fein Gott.“
Und fiebe da: feither treffen alle meine Schliiffe gu!
Wo war er denn, dein geredjter, allmadtiger, all-
weifer, allgittiger Gott, als die fduldlofe Camilla den
nicht fiir fie gemifdten Beder trank?
Wo blieben da feine Wunder und Engel?
231
Wis Calpurnius den Rnaben ved Witidhis von den
eyclfen warf, warum haben die Engel Gottes nics das
Rind aufgefangen — fallt ja vod fein Sperling vom
Dade ohne Gottes Wille! — und den Mörder zerriſſen?
Wo war er denn, dein rettender Gott, als ich den
WMaffageten-Pfetl auf jene wadre Rauthgundis entfandte?
Ha, lebte ein Gott im Himmel: — rückprallen mufte
“ver Pfeil von vem treuen Weibe und des Cethegus
Bruſt durchbohren!
Aber der Pfeil war ſcharf und gut gezielt: und darum
ſtarb Rauthgundis, wie wenn ſie die Möwe des Padus
geweſen.
Drum rede mir nicht vom lebendigen Gott, du
lallender Knabe.“
„Cethegus!“ ſprach Julius, „mir graut. Das iſt vie
furchtbarſte Gottesläſterung, vie id) je gehört“
Totila wandte ſich ſchaudernd ab und warf das
Schwert in die Scheide.
‚Wer fo denkt,“ rief er „iſt genug beſtraft.
Dod du, Präfeet von Rom — du kennſt nod) das
Ende veiner Thaten nicht.
Erwarte es: vielleidht glaubft du dann an den rächen⸗
den Gott."
„Das Ende meiner Thaten,“ ladte Cethegus, „iſt
mein Zod.
Das weiß ich längſt.
Ob nun auf dem Throne nur des Occidents oder
des Weltkreiſes, ob in verlorner, ob in ſiegreicher Schlacht,
232
ob purd Beil oder Schwert — bag ift fiir unfre Gottes-
Frage gleid.
Und wenn e8 eine Hille gabe — wobhlan: aud an
den Raufafus gefdhmiedet, blieh Prometheus er felbft.
Aber genug ver Worte und übergenug.
Hierher zu mix, an meine Bruſt, Sultus: denn ou
bift mem.“
„Ich bin Gottes ves Herm! nicht bein! fprad
Julius, befreuzte fid) und trat einen Schritt von ihm
zurück.
„Du biſt mein Cohn — gehorche mir.”
„Du aber biſt Gottes Sohn gleich mir.
Du verleugneſt — ich bekenne unſern Vater.
Für immer ſag' ich mich los von dir.
Denn wenn, wie unſer Glaube lehrt, ein Lucifer
{ebt, ver Damonen Oberfter, der lichte Morgenftern,
rer ftarffte, ver herrlichſte der Geifter Gottes, der aus
Stolz und Gottesleugnung herabgefunten ift zur Halle
— dann bift du e8, entſetzlicher Mann.“
wpa, aber Lucifer ward aus einem Diener bes
Himmels ein Raifer: ob zwar ein Maifer der Hölle.
Lieber als im Himmel der Bweite, in der Hille rer
Crfte. Folge mir."
Und, bingeriffen von Leivenfdaft, 309 er den Mönch
am Arm auf feine Seite beritber.
Da bligte gum drittenmal Totila’s Schwert und das
Schwert des Prajecten.
Und vieSmal ward e8 Ernft: nidt gelang es Julius
mebr, vie Grimmen yu {deiden.
233
Totila ſchlug gegen ves Prafecten Stirn: ver Hieb
Weer yu ftarf, gang parirt gu werden: der Helm flog vem
KBaner ridings vom Haupt und Blut ſchoß aus feiner
Wer ryge.
Der Gegenſtoß ves Prafecten drang durch Totila’s
VE <antel: zwar hielt der Ringpanzer die Spike auf: aber
vo Eu ver Kraft ves Stofes flog Totila einen halben
S Grit zurück.
Tödtlich drohte der nächſte Zuſammenſtoß zu werden:
— Gilde fehlten ja beiden.
Und nochmals prallten ſie zuſammen: ein Weheſchrei
des Mönches, der ſich zwiſchen warf, hätte fie kaum
ADOch getrennt, — des Präfecten Schwert hatte ihm die
he anmende linke Hand geſtreift —: aber nun wurden
be ã de Kimpfer auseinander geriffen von Mannern; welde,
u ra beachtet von den dret im leidenfdaftliden Ringen
ERS ogenden, die Tempelftufen in den legten Wugenbliden
Cextpor geeilt waren.
Totila von Thorismuth und Wifand, Cethegus von
Vicinius und Syphar.
„Die Verftarfungen find da und widt’'ge Runde aus
Dem Gilden,” rief Graf Thorismuth.
„Graf Wifand fam als Bote von Guntharis.
Komm raſch zurück: die Schlacht fteht bevor.”
Komm raſch zurück in's Lager!" rief Licinius Cethegus
zu, das „zweite Heer" iſt da.“
Mit Areobindos?“
Mein, Herr," rief Syphar: „die Kaiſerin Theodora
234
ift plötzlich geſtorben: Narſes ift der gefendete Feldherr:
und er kömmt mit hunverttaufend Mann.“
„Narſes?“ frug Gethegus, erbleidend, iich fomme!
Auf Wiederfehn Julius, mein Sohn!“
„Ich bin Gottes Sohn!"
„Er ift mein!" rief Lotila, ihn umſchlingend.
„Wohlan: ver Kampf um Rom wird aud diefen
Kampf entfdeiden.
Aus ver Barbaren Lager hol’ ich vid) heraus."
Und er eilte die Stufen binab.
Gleich darauf fprengten Gethegus mit den Geinen
nad) Norden, Lotila und Julius mit ven Shrigen nad
Süden in ihre Lager.
Oe — — —
Dretundpwanyigfes Capitel.
Der Prifect fand in feinen Belten nod nicht Narfes
felbft, aud) feine Boten diefes Feldberrn, was thn
erflaunte: Pifo und Galvius Sulianus, welche er mit
btingender Mahnung an Areobindos nad) Ancona ents
fendet hatte, waren fdjon bet Gale anf vie Vorhut des
Narfes — germanifdhe Reiter, wie fle fagten — geftofen
und batten von diefen und einem byjzantinifden Archon
Bafilisfos Dinge erfahren, welde fie zur ſchleunigſten
Umkehr bewogen, Cethegus zu warnen.
woa, ev hat mid) offenbar iiberrafden wollen,” fprad)
Cethegus nadfinnend: ,aber warte nur, Marfes," ſchloß
ex grimmig.
Aud Belifar ftand mit Uebermadt bet Capua: und
td bab’ ihn pod) gemeiftert, fo lang er im Lande war
und julest hinausgefdoben aus ineinem Stalien.
Laß fehn, ob der Krüppel ftarfer ift als der löwen⸗
- Berzige Held.“
„Sei vorfidtig, mein Feldherr,“ warnte Pifo.
„Es liegen ſchlimme Dinge in der Luft: — e8 wird
ſchwül ther deinem Haupte.
236
Diefer Bafilisfos, ves Narſes Vertrauter — ich fenne
ihn von Byzanz her — war miv höchſt unheimlich.“
wa," fligte Salvius Sulianus bei, ,er war fo etn:
jilbig: nichts war aus ihm herausguforfden, als was
ev felbft mitguthetlen wünſchte.“
„Mehr al8 wir von ihm, erfundeten unfere Sflaven
ron den Seinen.“
Uber als der Führer der Germanen-Reiter dagu fam,
wie fie plauderten, ſchlug er einen Diener des Baſiliskos
todt auf dem Sled."
„Da wurden die Lebendigen fo ftumm, wie ihr todter
Ramerad."
„Zuſammenhanglos, witerfprudoll, verworren ift,
was wir fo erfundeten.” ;
„Feſt fteht nur: tn Byzanz mug ein pliglider Um-
ſchwung aller Dinge etngetreten fein.“
»Und zwar nod) am Lage deines Whgangs aus der
Stadt.
„Die Kaiferin, fliiftern die Einen, habe fic felbft in
Kohlendunſt erftidt.
„Der ProceR gegen Beliſar,“ fdjaltete der Juriſt ein,
uiftin etn neues Stadium getreten: auf Untrag Cribonians,
fagt man, oder Brofops, babe ver Kaiſer das Urtheil ves
Senates vernidtet.“
Man nannte die Ramen: Narfes, Untonina, Unicius,
Prokopius in unklarem Zuſammenhang.“
„Der Prinz Areobindos ſoll erkrankt und deßhalb
durch Narſes erſetzt ſein.“
237
Aber id) beforge: an Ddiefer Krankheit fterben eber
andre Leute als der Statthalter über die Schnecken.“
„Und meine vierzehn Boten an das zweite Heer?”
forfdjte Gethegus, die Stirn furdend.
„Ich glaube,“ argwöhnte Licinius, „Narſes hat fie feft
nehmen laſſen, fowie fte etntrafen.”
„Die Germanenreiter lachten fo höhniſch, als id) nad)
ihnen frug,“ beftatigte Julianus.
„Narſes iſt wirklich mit einem Heere, wie es noch
niemals der Kaiſer des Geizes geſpendet hat, aus den
Thoren von Byzanz gezogen.“
„Und wahr iſt Wes, was du als unmöglich vers
worfen, o Feldherr.“
„Nicht nach Epidamnus ging Narſes: — die dort
ſtehenden und die übrigen Truppen des Areobindos, unbe—
deutend im Vergleich mit ſeinem coloſſalen Heer, hat
er zur See den joniſchen Buſen hinauf nach Pola in
Iſtrien beordert.
Er ſelbſt zog auf dem Landweg, in Eilmärſchen, in
das gothiſche Dalmatien, rollte vor ſich her, wie der
Sturm die dürren Blätter, die wenigen Tauſendſchaften
Der Barbaren dort im Lande auf, nahm Salona, Scar⸗
Dona, Jadera.“
„Ja: und ein furdhtbares Syftem befolgt er dabei.
Er läßt, wohin er fommt, nicht Cinen Gothen: Alle,
aud Weiber und Kinder, (aft ev greifen und zu Schiff
fofort nad) Byzanz in die Sflaverei führen: fo geht er,
wie. eine jzermalmende eiferne Walje, dahin über das
239
Umgekehrt, von ven Bergen, vom Trodnen, von
oberx her, nad unten, in da8 Wafer, muß man fie
allxxudlig treiben und ſchieben: und zuletzt wirft man
vera Reſt, wo das Land ſchmal gu Ende lauft, Alle
suf ceanmen in's Waffer, daß ſie elend erfaufen.
Denn vie Flotte hat er ihnen ja ſchon genommen.
— gqeftohlen freilid mehr als geraubt, — der vortrefflice
Mer gifter Militum per Staliam.”
Man fliftert,” ſchaltete Sulianus ein, ,,diefe Würde
ſei ſchon längſt wieder aufgehoben “
»Davon müßte Dod) ich, diefer Würde Trager, ard)
wiſſen.“
Wer weiß: man raunt, du ſeiſt entſetzt.
Narſes habe geheime Aufträge vom Kaiſer verſigelt
mit bekommen, welche er erſt nach Vernichtung des Königs
Totila zu öffnen und zu vollziehen habe.“
„Wer ſagte vas?" frug Cethegus raſch. ,Bafilistos
felbft 2
„O nein: der fpridit nur vom Krieg.
Nein: ver eine Sflave.
Und gerade, da der Germanenfiihrer dies vernommen,
ſchlug er ihm mit feiner Keule den Schädel ein.“
„Das ift ſchade,“ fagte Gethegus nadfinnend, „das
beift: er ſchlug zu frith."
„Es war,” fubr Bafilisfos fort uns zu erzählen,
.ein herrlich Schaufpiel, diefer Ales umfpannende, Alles
erdriidente Marſch.
Den linfen Fliigel im Gilden als felt ftebenten
Angelpunct an vas Meer gelehnt, das die ftarfe Flotte
240
fperrte, fdjwenfte ber rechte, der bis an die Alpenpäſſe
im Norden reidjte und fie durch ftarfe Waden fdlof,
pon redts nad links herab nad) Süden ein: wie der
Vogelfteller fein Schlagnetz gufammenfdlagt ob den
Gngftlid) biipfenden, flatternden Vögelein: und ijt fein
Entrinnen vor ihm.
Nur ber Tridentum und Bolzanum hinaus nad
Norden und gegen die Thaler der Athefis und ver
Paffara hinauf entrannen ein’ge Taufende ver Barbaren
mit Web und Kind: und fle fdlugen, verftarlt durch
die Beſatzung von Caſtrum Teriolis bei Manfio Mtaja,
den verfolgenden WArdonten Zeurippos, daß er ſchleunig
zur Hauptmacht zurück kehrte.
Aber mit Ausnahme von dieſen in die Berge ent—⸗
fommnen Haufen und von Verona lebt fein Gothe mehr
hinter Narſes Ritden, fo weit er bis jest gedrungen:
Aguileja, Concordia, Forum ulti, Ceneta, Tridentum,
Tarviſium, Gomaclum fielen vor Marfes.
Gr eilte nad) Ravenna.
Schleunig entwiden die gothifden Belagerer, nad)
Weften ausheugend, vor dev ungeheuren Uebermadt folden
Entſatzheers.
In Ravenna verſöhnte er ſich mit dem blutigen
Johannes —“
„Das glaub' ich nicht,“ unterbrach Cethegus. „Johan⸗
nes iſt der eifrigſte Anhänger Beliſars: er haßt Narſes
mehr als Beliſar ſelbſt dieſen anfeindet.“
„Ja, fo zweifelten aud) wir: und dod) bat ibn Nar⸗
ſes gewonnen,“ lächelte Bafilisfos: ihr werdet nod
241
mebr Dinge erleben, ihr rdmifden Ritter und Kriegs⸗
tribunen, von Narſes, die ihr jest nidt abnt.”
wind vidtig ift, Daf Johannes unter Marfes dient,
wie frither unter Belifar: er befebligt feine Leibwache
und die Hunnen.”
Cethegus ſchüttelte ftaunend den Ropf.
„Leider aber verungliidte —" fo erzählte Baſiliskos
uns weiter, fuhr Piſo fort — „bald nach dem Aufbruch
aus Ravenna Mariinus, ver Geſchützmeiſter.“
„Was?“ frug Cethegus ſtaunend. „Auch Martinus,
das Werkzeug, das Geſchöpf, der Rechenmeiſter Beliſars
diente unter Narſes?
„Hier liegt, ihr habt Recht, ein ſehr großes Ges
heimniß.“ —
„Nämlich hinter Ravenna,“ berichtete uns Baſiliskos,
„ſtieß Narſes auf ven erſten ſtarken Widverſtand.
Nicht durch Krieger, ſondern durch Werke des Bare
barenkönigs.
Dieſer hat, durch ſeinen Feldherrn Teja, ein höchſt
geniales Vertheidigungs⸗Syſtem herſtellen laſſen, welches
Italien gegen einen Angriff vom Norden her ſichern
ſollte; in Aemilia iſt es ſchon vollendet — zum
Glück war es noch unfertig in Venetia: ſonſt wäre
auch die Uebermacht des Narſes nicht ſo raſch vorge⸗
drungen — er hat durch Verhaue und Gräben alle
wichtigſten Uebergänge der Höhenzüge und Straßen ſo
meiſterhaft gedeckt, daß ganz geringe Kräfte den Marſch
des größten Heeres tagelang hinter jedem ſolchen Hinder⸗
niß aufzuhalten vermögen.
Dahen, Cin Kampf um Rom. IV. 16
242
Mit Bewunrerung erfannte Narſes dieſe Anlagen.
„Dieſer Totila ift ein viel größrer Feldherr als
Antonina’s Gemahl!“ rief er.
„Er hatte aud) durd die Memilia mit breitefter Front
nad Gilden ziehen wollen, alled gothiſche Leben ers
drückend.
Er mußte aber ſeinen Plan, von Ravenna weſtlich in
das Innere ves Landes gu marſchiren, aufgeben, nach⸗
dem bei einem Verſuch, ein ſolches Bollwerk bei Imola
auf geheimnißvolle Weiſe zu zerſtören, Martinus ein
geheimnißvolles Ende fand.
Als Narſes rathlos vor der Veſte ſtand und aus-
ſprach, ſein ganzer Plan könne an dieſen Stockungen ſchei⸗
tern und — zum erſten Male auf dem Feldzug — vor
Erregung von ſeiner böſen Krankheit Epilepſis nieder⸗
geworfen wurde, da ſprach Martinus zu Johannes, der
ſich ein tüchtige Bruſtwunde bei ſeinem abgeſchlagnen
Sturm geholt hatte:
„Der Rächer Beliſars ſoll nicht durch dieſe Steine
aufgehalten werden, wenn Martinus richtig gerechnet
hat. Freilich,“ fagte er, das letzte Experiment im Kleinen
miglang und hatte mir faft den Ropf weggerifjen —
aber e8 gilt, Beliſar gu rächen und dafür wag id) gerne
meinen Kopf.“
Und in der Nacht ſchlich ſich Martinus mit einigen
Steinarbettern an die FelSmande Hinan und bohrte an
ihnen ein kleines Lod.
Aber pliglidy wurden wir Alle aus unfern Belten
243
geſchreckt durch einen furdtbaren Knall, deßgleichen wir
nie vernommen.
Wir eilten an die Felswand.
Dieſe war freilich auseinander geſprengt als hätte
ſie der Blitz getroffen: — aber nicht von oben nach unten,
von unten nach oben: die gothiſche Beſatzung auf den
Wallen war zerriſſen: aber auch ſchrecklich verſtümmelt und
ganz ſchwarz lagen unſer armer Martinus — ſein kluger
Kopf zwölf Schritte von dem kleinen Körper — und
alle ſeine Arbeiter.“
„‚Räthſelhaft!“ ſagte Cethegus, Kennt man die Ere
findung
tein, ex hat. fle mit in's Grab genommen.
Gr fagte ja: er war nod) nicht ganz mit ihr fertig.
Qn feinem Relte fand man ein Haufden Heiner
Körnchen, wie ſchwarzes Salz, welches Narfes eifrig ihm
nod in der Nacht gu bringen befahl: aber auf dem Wege
fiel ein Funke von der Pedhfacel ves Trägers auf die
offne Schale: und bell auflodernd puffte und flammte das
Gift in die Hohe: dod) diesmal ohne Knall und obne
Schaden.“
„Hätt ich Dod dieſes ſchwarze Salz,“ ſeufzte Cethegus.
„Dann wehe Narſes und Byzanz.“
„Ja: ähnlich mag Narſes gedacht haben,“ lächelte
Piſo. Denn nad ves Baſiliskos' Bericht durchſuchte
und durchſtöberte er alle Schalen und Schreibereien des
Verunglidten. Wber ohne Erfolg."
„Imola batten wir nun gwar," fubr Bafilisfos fort
gu erjablen, fo beridtete Salvius Julianus.
16*
244
Aber ſchon gang in der Nahe, bet Caftrum Brine
tum, lag wieder eine folde Wegfperre.
Und fein Martinus lebte mehr, fie gu fprengen.
Rathlos hielt Marfes inne.
» Johannes," fragte er endlid, du fennft genau den
Ritftenweg von Ravenna ſüvdöſtlich bis Uncona
wa," erwiederte diefer, .c8 war der Weg meiner
ſchönſten Siege unter Belifar.
„Und dort werden die Wegfperren fehlen,“ frohlodte
Narſes, , weil der Barbarenfinig die gabhlreiden natitrs
liden Wegfperren, die Fliiffe, die von Weften her in den
Meerbufen miinden, durch feine Flotte gu beherrſchen
glaubte.
Die Flotte hat uns der Prafect von Rom freund-
ſchaftlich aus dem Wege gerdumt.
Wendet! Bredt vas Lager ab: wir giehen hart an
ber Küſte nad) Südoſten.“
. , Wie willft ou fiber die briidenlofen Flüſſe fegen *
frug Bafilisfos ftaunend.
„Die Brücken, Freund, tragen wir auf den Schultern
mit uns."
„Darauf bin id) gefpannt,” unterbrad) Cethegus.
Und fo zogen wir denn guerft oſtwärts,“ ſchloß
Bafilietos feinen Beridt, an die Küſte und von hier
aus ganz bart an der Gee nad Süden: geführt von
Johannes: vie Flotte aber fegelte dict an der Kuſte,
mit Dem Landheer gleidjen Schritt haltend, und wo
ein Fluß das Landheer zu hemmen brobte, fandte die
245
Flotte zahllofe Heine Bote ftromaufwarts und auf diefen
fegten die Truppen über.
Und wenn zwei Flüſſe urd nur kurze Streden
Landes getrennt waren, trugen Roß und Mann die
leichten Fahrzeuge auf Ritden und Sdultern von Flug
qu Flug.
So zogen wir denn über den Sapis mad dem alten
Ficocle, über die drei Arme des cäſariſchen Rubico, über
einen mir unbekannten Fluß und über den Ariminus
nach Ariminum, wo Usdrila, der Gothen tapfrer Führer,
im Ausfall umkam.
Aber auf der flaminiſchen Straße vorzudringen war
unmöglich: dieſe ſperrte das feſte Petra pertuſa: ſo
wandten wir uns denn nach Südweſten, und zogen
über den Metaurus gegen den Apennin: zu Hülfe dem
Präfecten von Rom und Statthalter von Italien, vas
aber andre Leute haben, dem großen magifter militum
per Staliam, der aber nur ein fleines Heer hat: auf
daß nidt König Totila und Graf Teja von Tarentum
ihn fammt eud), iby edeln römiſchen Ritter, erdriiden
wie die Mühlſteine das orn.“
„Daß aber deine Boten feft gehalten wurden ju Cpis
damnus —" fubr Pifo fort.
„Allerdings, es fam fetner zurück: aud) die nidt,
denen ich fdleunige Umkehr befohlen,” fprad Cethegus
nadhfinnend.
Das ſchließe id) daraus, dag and) uns der fdlaue
Byzantiner, unter höflichſten Formen, das Gleiche thun
wollte: er wollte uns durdaus zu Narfes, weiter von
246
pir fort, geleiten laffen: vor unfre Belte fest er uns
Germanen als ,€hrenwaden": und als wir, die Abſicht
erfernend, zur Nacht aus unfern Zelten eilten und aus
vem Lager, da ſchoſſen unfre Ehrenwaden wns, zum
Ehrenabfdied, nocd ihre Pfeile nach und tBdteten zwei
unfrer Sflaven und verwundeten mein Pf
„Ich follte alfo durchaus überraſcht werden von dem
grofen Cpileptifer — fern gebalten werden von thm
bis gum letzten migliden Augenblick. —
„Gut. Syphax, mein Pferd: wir reiten nod ent’
Nacht Narfes entgegen.“
„O Herr," fliifterte leife ner Maure, der die Unter⸗
redung mit angebirt, „hätteſt du mid, wie ich dich bat,
nad Cpiramnus gefdidt!“
„Dann batten fie aud) dic eingefperrt, wie bie andern
Boten."
„Herr: in Wfrifa haben wir ein Spridwort: wenn
das Feuer aus dem Berge nicht gu div fommt, fet froh:
und gebe nidt der Lava entgegen.“
„Das finnte man in’s Chriſtliche übertragen,“ lachelte
Piſo: „wenn der Teufel dich nicht holen ſoll, ſuch' ihn
nicht auf.
Wer reitet von ſelber in die Hölle?“
„Ich! und gwar ſchon ſeit ziemlich langer Beit,”
fprach Cethegus, ,lebt wohl, ihr römiſchen Kriegstribunen:
Licinius vertritt mich hier im Lager bis zu meiner
Rückkehr.
Auch der Barbarenkönig weiß jetzt wohl ſchon von
247
— — —
Rarfes Nahe und Macht: er greift in ver Nacht heute
nidt an, wie damals in Rom."
Als die römiſchen Ritter das Belt verlaffen, fprad)
Cethegus zu Syphax, „ſchnalle mir den Harniſch ab.“
Loie, Herr? du reiteft nidt in Beliſars, in Narfes’
Lager reiteft pu."
„Ebendeßhalb, fort mit dem äußern Bruftharnifd.
Reiche mix das Schuppenhemd, das id) unter der
Tunica trage." -
—— Syphar feufste tief auf.
„Jetzt wird es Ernft.
Set, Hiempſals Sohn, fet wachſam!“
Vierundzwanzigſtes Capitel,
Die Nacht über ritt Cethegus mit geringer Beglei-
tung, in tiefes Ginnen verfunten, Narſes entgegen.
Auf der Tribunen Mahnung, vas Gefolge gu vere
mebren, hatte er ermidert: ,bunderttaufend fann id
dod) nidjt mit nehmen!“
Bei grauendem Morgen ftteR er bet Foffa nova
auf den Bortrapp des anrückenden Heeres.
Es waren wild ausfehende Reiter, von deren ſpitz
gulaufenden Helmen ſchwarze Roßſchweife auf vie Wolfs.
felle itber ihren Riiden flatterten: fie trugen Ringpanger,
breite Schlachtſchwerter und lange angen: Arme und
Beine nadt, nur an vem linfen Fuk, an Riemen bee
feftigt, etnen Gporn: obne Gattel fagen fie febr fider
auf ihren ftarfen Pferden.
Der Fithrer ver Reiter — er trug einen reid) vers
goldeten Blattenpanzer und ftatt ded Roßſchweifs zwei
Geierfliigel auf vem Helm — jagte pfeilfdnell auf ſeinem
rothen Roß heran und hielt erft dict vor Cethegus, der
an feines fleinen Zuges Spite ritt: lange, rothe Haare,
auf der Stirn gefdeitelt, flogen um feine Wangen und
249
der Schnurrbart bing, in zwei ſchmalen Streifen, von
dem Munde auf ven Harnifd: anus dem hellgrauen
Auge blitzte Kühnheit und Verfdlagenbeit.
Sine Weile maßen fid) die beiden Reiter mit for-
ſchenden Bliden.
Endlich rief Dex mit dem GeiersHelm: „Das muk
Gethegus fein — der Beſchirmer Italiens.“
„Der bin id.”
Und der Andre riß fein Pferd herum und jagte
davon, nod fdneller als er gefommen, über die Stellung
feiner Reiter bhinaus auf ein Waldftiid gu, aus deffen
Rändern man nun Fußvolk in didten Colonnen herans
riiden fab.
„Und wer feid ihr? und wer ift ener Führer?“ frug
Sethegus in gothifder Sprache die Reiter, welde er
nun erreidte.
„Wir find angobarden, Cethegus, in Narſes' Dienſt,“
antwortete auf Lateinifd ver Gefragte, „und jener dort ~
it Albein. unſres Königs Gofu.~ _
Alſo Darum, Licinius, haft du vetne Mtithe verlorén! “
Schon fah Cethegus von ferne des Marfes offne
Sanjfte herannahen.
Gie war von einfadftem Holz, ohne Zierrath: nur
eine Woll⸗ Dede, ftatt der üblichen PBurpurpolfter, lag
Darin.
Nidt von Slaven, von erlefnen Goldaten, welden
dieſe Ehre abwedfelnd zur Belohnung etngeraumt wurde,
ließ fic) Dev Krüppel tragen.
250
An feiner Seite ritt mit gezognem Schwerte Wlboin
und fliifterte ihm gu:
„Alſo du willft wirklich nidt, Narſes?
Der Mann fdeint mir fehr gefährlich, febr.
Du braudft nicht gu fpreden — ein Zucken deiner
Wimper — und e8 ift geſchehen.“
„Laß ab yu drangen, du Zukunft der Langobarden.
Sch könnte fonft glauben: du willft den Mann nidt
anit, fondern dir felber aus bem Wege raumen.”
„Wir Söhne ver Gambara haben ein Spridwort:
Erſchlagner Feind hat nod felten gereut.“
„Und wir Romder haben ein anderes," fagte Narſes:
„Wirf die Leiter erft um, wenn erftiegen der Wall.“
Erſt, mein eifriger, junger Freund, (af uns Totila
durch Gethegus vernidten.
Der fennt Rom, Italien und vie Gothen dod nod
beffer als Wlboin, ver Roßhändler.
Was dieſen Crmagifter militum per Staliam felber
anlangt, fo ift fein Gefdid be figelt, —
Alboin fah thn fragend an.
‚„Aber and nod verfigelt. Bur rehten Stunde
werd’ td) e8 ihm — eriffnen und vollenden.“
Gleich darauf hielt Cethegus neben der SGanfte.
„Willkommen, Narſes,“ fprad er: „Italien begrüßt
den größten Feldherrn ves Jahrhunderts als ſeinen Bee
freier.“
af das gut fein.
Mein Kommen hat did wohl überraſcht ?“
251
doer einen Ureobindos als Helfer erwartet und einen
Narſes ſtatt veffen findet, tann nur erfreut fein.
Aber, allerdings,” fügte er lauernd bei, .da Belis
ſaxius begnadigt ift, hatte aud) er, feinem Wunſche gemäß,
Rad talien gefendet werden können.“
‚Beliſar ift nidt begnadigt,” fagte Narfes kurz.
»Und meine Gönnerin, die RKaiferin — wie ftarb
fe fo plötzlich?
„Das wei genau nur fle ſelber.
Und jetzt vermuthlich die Hölle.“
wpier liegt ein Geheimniß,“ ſagte Cethegus.
wa: — dod laſſen wir's liegen.
Kein Geheimniß aber mehr iſt dir, daß jetzt Narſes
in Italien ſteht.
Bekannt iſt vir wohl von frither, daß Narſes nies
mals getheilten Heerbefehl fithrt.
Der Kaiſer hat vid) mir unterftellt mit dem „erſten
Heer’.
Wilft du unter mir in meinem Lager dienen, foll
mich's freuen: denn du verftehft den Krieg, Stalien und
die Gothen.
Willſt vu nidt, fo entlaffe veine Söldner — ich
braude fie nicht. ;
Ich befeblige einhundertgwangigtaufend Mann."
„Du trittft mit großen Mitteln auf."
wa: Denn id) habe große Bwede. Und nicht tleine
„Du bift den Gothen ftarf itberlegen: wenn fie nidt
aud iby Südheer aus Regium hierher ziehen.“
252
„Das finnen fie nidt.
Denn id) habe aud vor dem Hafen von Rom und
auf der Hoke von Reginm zwei Gefdwader mit swanzig
Taufend kreuzen laffen, welche das gothiſche Südheer
beſchäftigen.“
Cethegus ſtaunte.
Das war wieder eine Ueberraſchung.
„Du aber wähle:“ ſprach Narſes, „biſt du mein
Gaſt oder mein Unterfeldherr?
Ein Drittes giebt es nicht in meinem Lager.“
Cethegus überſah klar die Lage.
Er war Unterfeldherr oder — Gefangner.
„Es ehrt mich, unter div gu dienen, mie beſiegter
Perſer⸗Ueberwinder.“
„Warte nur," dachte er: „auch Beliſar trat anf als
mein Herr: zu Rom ward ich der Seinige.“
„Wohlan,“ befahl Narſes, deſſen Sänfte während
der Unterredung auf die hohen, ſtelzengleichen Trageſtangen
war niedergeſtellt worden: „ſo ziehen wir zuſammen gegen
die Barbaren. Tragt euren Vater wieder, liebe Kinder.“
Und die Krieger traten wieder an die Sänfte.
Cethegus wollte bei dem Aufbruch ſein Pferd an die
rechte Seite des Feldherrn lenken.
Aber in ſehr gutem Latein rief ihm Alboin zu:
„Nichts da, Herr Römer. Mich nennt man die
Rechte Hand des Narſes.
Der Ehrenplatz iſt mein: — die linke, die Unheil⸗
Seite, iſt noch frei.
Wir haben ſie für dich aufgehoben.“
253
Schweigend ritt Cethegus auf die linte Seite.
„Ich weiß nicht,“ fagte er gu ſich felbft, ob diefe rechte
Hand vor ihrem Haupte oder nad ihm fallen muß!
Am Beften zugleich.“
Am Abend diefes Tages nod) erreichte das Heer des
Marfes vie Stelungen gwifden den Bergen von Helvillum
und von Vagina.
Finfundpwanjighes Capitel.
Und gewaltig wahrlich war viefes Heer des Narſes.
Der zähe, geizige Sparer Juſtinian hatte diesmal
nicht geſpart: mit vollen Händen hatte er geſpendet.
Seine aus Kleinlichem und Großartigem ſeltſam ges
miſchte Natur ſchien für dies Unternehmen das Kleinliche
völlig abgeſtreift zu haben.
Die großen Erſchütterungen in der Hauptſtadt, an
ſeinem Hofe, hatten ihn wach gerüttelt.
Klar hatte ſein heller, diplomatiſcher Kopf, viel mehr
für die äußere Politik als für die Verwaltung angelegt,
die ganze Bedeutung der gothiſchen Gefahr erkannt.
Der Vorwurf, daß er durch unnöthige Angriffe dieſe
brennende Gefahr erſt herauf beſchworen, machte ihm
die Unterdrückung zur Pflicht.
„Er haßte den Namen der Gothen und gelobte ſie
auszutilgen aus dem Reich,“ ſchrieb damals Prokop.
In ſchonungsloſen herben Worten hatte ihm Narſes
dieſe Pflicht eingeſchärft: und zugleich die klügſten Rath:
ſchläge zu ihrer Erfüllung beigefügt.
255
Mur Germanen fdjlagen viefe Germanen,“ hatte er
gerufen. :
„Ich braude zu den Söldnern aus Afien die ger:
manifde Waldeskraft, vie Gothen zu brechen.
Lange hab’ id) gewarnt, diefe friedliden Männer
aufzuſtören, die uns nicht bedrobten: die Berfer, die
wahrhaft gefabrliden, abzuwehren.
Du haſt nicht gehört.
Jetzt, da ſie zum Angriff übergegangen, jetzt ſind
ſie die gefährlichſten — gefährlicher als die Perſer, mit
welchen ſie übrigens ſchon im Bunde ſtehen.
Jetzt müſſen ſie vernichtet werden um jeden Preis:
denn ſie haben die Schwäche deines Reiches entdeckt.
Jetzt alſo: Germanenkraft herbei, Germanenkraft zu
brechen.
Ich habe ein tapfres Volk an der Hand mit einem
Königsſohn, heißhungrig der Eroberung.“
Wer iſt's?“
„Das iſt mein Geheimniß. Wildkühne Scharen
aus ihnen werb' ich ſelbſt als meine Leibwächter.
Aber das reicht nicht.
Franken, Heruler, Gepiden müſſen helfen.
Den Franken beſtätigſt du, was du ihnen doch nicht
entreißen kannſt: ihre neuen Erwerbungen tn Südgallien,
Maſſilia und Arelate.“
„Ich gebe ihnen dazu das Recht, Goldmünzen mit
dem Bilde ihrer Könige zu ſchlagen: das ſchmeichelt ihrer
findiſchen Eitelkeit: ver Fürſten und des Volls. König
Theudebert zu Mettis, den wie Childebert von Paris.
256
viefer Totila gewonnen, ift geftorben: fein junger Erbe
Theudebald bedarf unferer Gnare.”
„Den Herulern, diefen immer hungrigen Soldläufern,
gieb ein Stück Dacten bet Singidunum: — haufenweife
ſchicken ſie dir dafür ihre böſen Buben zu.
Mit den Gepiden, ſo viele ihrer die Langobarden
nod) übrig gelaſſen, ſchließe Frieden: gieb ihnen Sir⸗
mium zurück: dann helfen ſie dir ſchon aus altem Haß
gegen die Landsleute von Theoderich und Witichis.“
„So viele Zugeßändniſſe —“
ir nehmen ihnen bald Alles wieder ab, unfern
Hunden, mit denen wir den gothifden Löwen jagen :
aber erſt muß er nieder mit ihrer Hülfe.“
Und er hatte den Beherrſcher der Romäer vollſtändig
gemonnen und itberzeugt.
Alle Mittel ves faiferliden Theſaurus, welden der
fatferlide Geighal; immer, jammernd, al8 völlig leer bine
geftelt hatte, wurden verfdwenderifd) an Rarfes gee.
fpendet.
Und biefer nicht beſcheidne Heifer ftaunte nun felbft
liber die Fülle der bisher forgfalttg geheim gebaltnen
Schätze.
Der große Krieg mit Perſien, der kleine mit allen
Nachbarvölkern wurde ſofort, mit Opfern, beendet: die
erprobten Veteranen, die ſeit Jahrzehnten unter Beliſar
und Narſes gedient, wurden ſo verfügbar gegen die
Gothen.
Und die nämlichen Feinde, welche fie bid dahin bee
fampft Perſer, Garacenen. Mauren, Hunnen, Skla⸗
257
venen, Gepiden, Heruler, Franken, Bulgaren, Woaren,
ftellten plötzlich Söldner gegen hohe Jahrgelder.
Aus Thrafien und Blyrien wurden alle Waffen⸗
fabigen ausgehoben: drettaufend herulifde Reiter unter
Bulfaris und Wilmuth, fiebentaufend Perſer, eine Gee
folgfdaft erlefenfter Gepiden — hundert und fiinfiig
wilde Abenteurer unter Asbad, — wurden geworben:
zehntauſend Mann Fußvolk aus allen Provinzen des
frantifden Reichs, Franfen, Burgunden, Wlamannen,
ftellten die Merowingen von Parifti, Mettis und Wures
lianum.
Ferner konnte Narſes, außer ſeinen eignen vorzüglich
von ihm geſchulten Unterfeldherrn, diesmal auch die beſten
Heerführer Beliſars verwenden, welche früher nie unter
Narſes gedient: die räthſelhafte Ausſöhnung der beiden
großen Nebenbuhler und der an allen Grenzen geſicherte
Friede machte die Vereinigung wie der beſten Truppen ſo
der erfahrenſten Führer in Italien möglich.
So befehligten unter Narſes die beiden ausgezeichneten
und innig befreundeten Archonten Oreſtes und Liberius,
welche man in Byzanz wegen dieſer zärtlichen Freund⸗
ſchaft Oreſtes und Pylades zu nennen pflegte — ihr
eifriges Zuſammenwirken in allen Aufgaben machte dieſe
Freundſchaft auch militäriſch wichtig: — aber freilich, in
ver Schlacht von Taginä follte ſich dieſe Liebe einmal
als übelwirkend erweiſen.
Ferner Cabades, des vorletzten gleichnamigen Perſer⸗
königs Neffe, der längſt mit vielen Perſern ſich, dem
Kaiſer unterworfen, Johannes, Baſiliskos, Valerianus.
Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 17
258
Vitalianus, Juftinus, Paulus, Dagiſthäos, Anzalas
ver Urmenier — lauter hervorragende Führer.
Das vor Portus kreuzende, Rom beobadtende Ges
ſchwader und Heer führte Armatus, pas zwiſchen Sicilien
und Neapolis wadende Dorotheos.
So waren es hunderttaufend Mann, weldhe unter
Narfes und Cethegus bet Capra ven Gothen gegen
iiberftanden, wabrend Rom und Neapolis durch weitere
zwanzig Tauſend bedroht wurden.
Sechsundzwanzigſtes Capitel.
Dieſen Zahlen aber hatte König Totila entfernt
nicht mehr die Streitfrafte entgegen zu ſtellen, welche
dereinſt Witichis, im Ganzen hundert und ſechzig Tauſend⸗
ſchaften, aufgebracht.
Die Lücken, welche der Krieg, die großen, allein ſieb⸗
zig Tauſendſchaften betragenden Verlufte vor Rom, dann
pie Geuden, der Hunger, die Gefangennehmung ju
Ravenna und yu Senogallia in das gothifde Voltsheer
gerifjen batten, waren nidjt wieder erſetzt worden durch
die italifden Cofonen, welche Lotila nur dann einreibte,
wenn fie e8 forderten.
So betrug die ganze Macht ves Königs etwa ſiebzig
Tauſendſchaften, von welden zehn unterhalb Rom jur
Abwehr der beiden brohenden Landungen belafjen werden
muften unter Herzog Guntharis und Graf Grippa: une
gefabr zehn andre Zaufendfdaften aber wurden durch
pte verlornen Befagungen in Griedenland und auf den
Inſeln, fowie in den Städten und Burgen Staltens und
Dalmatiens abgezogen, welde gum Theil ſchon in des
17*
260
Narfes Hand gefallen, getödtet oder außer Land gefdafft
waren.
Es waren alfo nidt mehr als etwa fünfzig Taufend-
ſchaften, welche König Totila der doppelt ftarten Macht
ver Feinde bet Tagind entgegen führte.
Als Cethegus dies Zahlenverhältniß dem Oberfeld-
herrn vorredynete, fagte dieſer:
Mein grofer Freund Beliſar hat oft mit der Min⸗
derzahl gefiegt, ift aber nod) öfter von der Mehrzahl,
wie billig, gefdlagen worden. Ich, Narfes, habe meinen
Ruhm nur darin gefjucht, jedesmal gu fiegen, obzwar
nidt mit der Minderzahl: und diefen beſcheidneren,
aber gwedmapigeren Ruhm bab’ id erreicht. Cr wird
mir aud) diesmal nicht entgebn."
Aud) in dem Lager ver Gothen erfannte man die
Ueberlegenheit der Byzantiner: es feblte nicht an Stimmen
in bes Königs KriegSrath, welche die offne Feldſchlacht
zu vermeiden und den Rückzug m die nod von den
Gothen befegten Städte, ein Hinfdleppen des Kampfes
durch zähe BVertheidigung riethen. |
Aber der König verwarf diefen Rath aus guten
Griinden und beſchloß, bet Tagine gu ſchlagen.
Mit banger Abnung hatte Valeria allmalig errathen,
daß die Entſcheidung gerade hier fallen werde, in dem
Chal ihrer Sorgen und Schmerzen.
Der Kinig hatte aud) den fibrigen, das VBollSheer
begleitenden Frauen, darunter den Neuvermälten Gotho
und Yinta, Das Klofter und die Capelle auf den beiden
Hiigeln im Rücken ves Heeres bet „ſpes bonorum" als
261
ben angemeffenften und fiderften Aufenthalt angewiefen:
— felbft im Fall des Sieges der Feinde gewabhrten dieſe
latholiſchen Cultſtätten gegeniiber den fatholifden Ueber⸗
windern nod) am ebeften Schutz.
Das Lager ves Kinigs und die durch daffelbe ge-
dedten Gebiete wurden aber täglich mehr angefiillt von
Angehörigen des Gothenvolfs jedes Alters und Geſchlechts,
welde aus den von Narſes bedrobten oder durchzognen
Gegenden nad Silden fliichteten: denn das furdtbar.
Syftem der Ausrottung alles gothifden Lebens, weldes
der Gewaltige verfolgte, mar alsbald ſchrecklich befannt
worden und jagte Die entfebten Gothen in banger Bers
gweiflung auf, bevor aud) über fie hin ver eherne Wagen
dex Austilgung rollte.
Sie erfannten, dak ein Vernicdtungstrieg gegen ihr
gefammtes BVolfsthum, nidt nur ein politifder Streit
bier gefithrt werde: nicht nuv die gothiſchen Krieger, alle
Lropfen gothifden Blutes waren die von Narfes bedrohten
Feinde.
Dazu kam, daß nun auch die Italier dieſe Natur
und Abſicht des jetzt erneuten Kampfes erkannten: und
nun brach auch in ihnen der alte Barbarenhaß, der
Gegenſatz des Blutes und des Glaubens, wieder aus:
vie Verſöhnung nad der Kriegsnoth und durch die Milde
des Friedenskönigs war erzwungen und künſtlich, — die
Ausnahme — gewefen: nun fehrte das Matitrlide, die
Regel, ver Hak wieder.
Ueberall, wo fie fic) durch die „Romäer“ gefidert
glaubten, zeigten diefen die Stalter vie Wohnftatten oder
262
Berftede ver gothifden Familien an ober lieferten fie
gleid) felbft in die Gefangenfdaft.
So alfo war e8 nicht mehr miglih, wie in dem
belifarifden Feldzug, daß vie Gothen-Giedelungen fid
vor der vorither braufenden Woge des Krieges duckend
verbargen und, nadjdem fie weiter geftiirmt, fic) wieder
empor vidjteten, wie Halme nad dem Gewittermind: —
nein, fo weit Marfes fam, fam der Sothenuntergang
und, war er weiter gegogen, war inter ihm ansgetilgt
bas Gothenthum.
So wurde denn, was nod flüchten fonnte, was ents
ronnen war vor der wandelnden Mauer der Vernidtung
von Morden nad) Süden in ves Königs Lager gedrangt:
es nabm der Krieg den Charakter der alten Kämpfe
eines Wandervolfes an, deſſen Gefdhid an Schlacht
und Yager gebunden war: die Wagenburg der inein⸗
ander gefdobnen Rarren, welche die Belte trugen, die
einige Heimath: e8 war nidt mehr die Vertheidigung
eines nom Feinde bedrohten Landes und der frtedliden
Einwohner purd ein Heer: denn auger dem Lager des
Königs und dem von dieſem gededten Lande gab es
feine Gothen mehr in Stalien. |
Totila liek, fon um der Hungergefahr gu ftenern,
welde die Anhiufung folder Maſſen Volkes in und
hinter dem Lager herbeiführen mute, die unwebrbhafte
Menge weiter nad) bem Silden fiihren und vertheilen.
Wis den König auf einem Erfundungsritt über vie
Höhen dict an der ,fpes bonorum” voriiber der junge
263
Herzog AWdalgoth jenes Abends erinnerte, da fie zuerſt
‘wie Gapelle beſucht, lächelte jener:
Ja wohl: da ich thir die Grabesftatte wablte bet Numa
Bompilius.
| Nun gut: falle id) hier, habt ihr mid) nicht weit zu
tragen.”
Aber im Grunde feines Herzens war der König
nidt ohne Gorge itber den Ausgang der bier fic) lang:
fam vorberettenden Schlacht.
Ihn beunrubigte der Mtangel an Reiteret: der
größere Theil feiner Berittnen ftand bet den Truppen
pon Guntharis und Grippa.
Den tapfern Langobarden im Lager bes Narfes hatte
ber Konig fetne an Zahl entfpredende Waffe entgegen
zu ſtellen.
Aber gerade dieſem Mangel ſchien das alte Glück des
Königs abhelfen zu wollen.
Siebenundpwansigftes Capitel.
Yn vem Gothenlager gingen {don feit mebreren
Tagen dunkle Gerüchte von der Annäherung neuer Hiilfs-
Scharen von Often her, weldje gugewanderte Gothen
meldeten.
Der König wußte von keinem Zuzug aus jener
Richtung und ſandte deßhalb vorſichtig, einem etwaigen
Flankenangriff der Byzantiner zu begegnen, Graf Thoris⸗
muth, Wiſand, den Bandalarius, und den jungen Adal⸗
goth mit einigen berittnen Sajonen auf Kundſchaft aus.
Aber am Tage darauf ſchon kamen dieſe zurück und
Graf Thorismuth ſprach frohen Angeſichts, da er mit
Adalgoth in das Zelt des König trat:
„Ich bringe dir, o König, einen alten Freund zur
rechten Stunde.“
„Er gleicht gang dem Königstiger,“ fiel Woalgoth
ein, „den Du im den letzten Circusſpielen dem Vollke gu
Rom gezeigt. n
Nie ſah ich ſolche Aehnlichkeit zwiſchen Menſch und
Thier.“
265
„Er wird div hod) willfommen fein — da ift er
ſchon.“
Und vor dem König ſtand — Furius Ahalla, der
Corſe.
Er neigte das ſtolze, noch tiefer gebräunte Antlitz
und legte die linke Hand auf die Bruſt.
„Ich grüße dich, König der Gothen.“
„Willkommen, Weltumſegler, in Italien. Woher
fmmft put . -
„Von Tyrus.“
„Und was führt dich zurück?“
„Das, o König, kann id nur dir vertrau'n.“
Auf einen Wink Totila's verließen die Andern das
Belt: da: faßte ver Corſe in fiebernder Erregung ſeine
beiden Haände.
wo ſage ja, fage ja: mein Leben — mehr als mein
Leben hängt daran!“
was meinſt du?“ fragte der König, mit unwilligem
Staunen zurück tretend.
Die heiße, wilde, haſtige Art des Mannes war
ſeiner Natur ſehr entgegen.
„Sage ja: du biſt mit des Weſtgothenkönigs Agila
Tochter verlobt — Valeria iſt frei?“
Der König furchte die Stirn und ſchüttelte zürnend
das Haupt: aber ehe er ſprechen konnte fuhr der Corſe
in heftiger Erregung fort:
„Staune nicht — frage nicht!
Ja: ich liebe Valeria mit aller Gluth: faſt haß' ich
ſie — ſo lieb' ich ſie.
260
Narſes Hand gefallen, getödtet oder auger Land gefdafft
waren.
Es waren alfo nicht mehr als etwa fünfzig Tauſend⸗
ſchaften, welde König Totila der doppelt ftarfen Macht
ver Feinde bet Tagind entgegen führte.
Als Gethegus vies Zahlenverhältniß dem Oberfeld⸗
herrn vorrechnete, ſagte dieſer:
„Mein großer Freund Beliſar hat oft mit der Min⸗
derzahl geſiegt, iſt aber noch öfter von der Mehrzahl,
wie billig, geſchlagen worden. Ich, Narſes, habe meinen
Ruhm nur darin geſucht, jedesmal zu ſiegen, obzwar
nicht mit der Minderzahl: und dieſen beſcheidneren,
aber zweckmäßigeren Ruhm hab' ich erreicht. Er wird
mir aud diesmal nicht entgehn.“
Auch in dem Lager der Gothen erkannte man die
Ueberlegenheit der Byzantiner: es fehlte nicht an Stimmen
in des Königs Kriegsrath, welche die offne Feldſchlacht
zu vermeiden und den Rückzug in die noch von den
Gothen beſetzten Städte, ein Hinſchleppen des Kampfes
durch zähe Vertheidigung riethen.
Aber der König verwarf dieſen Rath aus guten
Gründen und beſchloß, bei Taginä zu ſchlagen.
Mit banger Ahnung hatte Valeria allmälig errathen.
daß die Entideidung gerade hier fallen werde, tn dem
Thal ihrer Sorgen und Schmerzen.
Der Kinig hatte aud ven übrigen, vas Volléheer
begleitenden Frauen, darunter den Neuvermalten Gotho
und iuta, das Kloſter und die Capelle auf den beiden
Hügeln im Rücken des Heeres bei „ſpes bonorum“ als
261
ben angemeffenften und ſicherſten Wufenthalt angewiefen:
— felbft im Fall des Sieges der Feinde gewährten diefe
latholifdjen Cultftatten gegenüber den fatholifden Uebers
windern nod) am eheſten Schutz.
Das Lager de Königs und die durch daffelbe ges
dedten Gebiete wurden aber taglid) mehr angefiillt von
Angehsrigen des Gothenvolls jedes Alters und Geſchlechts,
weldje aus den von Narſes bedrobten oder durchzognen
Gegenden nad Silden flitchteten: denn das furdtbar.
Syftem der Ausrottung alles gothifden Lebens, welches
ver Gewaltige verfolgte, war alsbald fdredlid) befannt
worden und jagte die entfebten Gothen in banger Vere
zweiflung auf, bevor aud über fie hin dev eherne Wagen
ver Austilgung rollte.
Gie erfannten, dak ein Vernidtungstrieg gegen ihr
gefammtes Volfsthum, nidt nur ein politifder Streit
bier gefithrt werde: nicht nur die gotbhifden Krieger, alle
Tropfen gothifden Blutes waren die von Narſes bedrohten
Feinde.
Dazu kam, daß nun auch die Italier dieſe Natur
und Abſicht des jetzt erneuten Kampfes erkannten: und
nun brach auch in ihnen der alte Barbarenhaß, der
Gegenſatz des Blutes und des Glaubens, wieder aus:
die Verſöhnung nach der Kriegsnoth und durch die Milde
des Friedenskönigs war erzwungen und künſtlich, — die
Ausnahme — geweſen: nun kehrte das Natürliche, die
Regel, der Haß wieder.
Ueberall, wo ſie fic) durch die „Romäer“ geſichert
glaubten, zeigten dieſen die Italier die Wohnſtätten oder
262
Berftede der gothifden Familien an oder lieferten fie
gleid) felbft in vie Gefangenfdaft.
So alfo war e8 nidt mehr möglich, wie in dem
belifarifdjen Feldzug, daß vie Gothen-Siedelungen fic
por der vorüber braufenden Woge ves Krieges duckend
verbargen und, nachdem fie weiter geftiirmt, ſich wieder
empor ridjteten, wie Halme nad dem Gewitterwind: —
nein, fo weit Narſes fam, fam der Gothenuntergang
unb, war er weiter gezogen, war inter ihm ansgetilgt
pas Gothenthum.
So wurde denn, was nod) flüchten fonnte, was ents
ronnen war vor der wandelnden Mauer der Vernidtung
oon Norden nad) Silden in ves Kinigs Lager gedringt:
e8 nabm ver Srieg den Charakter der alten Kämpfe
eines Wandervolfes an, deſſen Gefdhid an Schlacht
und Lager gebunden war: die Wagenburg der inein⸗
ander gefdobnen Karren, weldje die Belte trugen, die
einzige Heimath: es war nidt mehr die Vertheidigung
eines vom Feinde bedrohten Landes und der friedliden
Einwohner purd ein Heer: venn aufer dem Lager des
Königs und dem von diefem gededten Lande gab es
feine ®othen mehr in Stalien.
Lotila liek, fon um der Hungergefabr gu ftenern,
welde die Anhäufung folder Maſſen Volfes in und
hinter dem Lager berbeifiihren mugte, die unwehrhafte
Menge weiter nad dem Süden fithren und vertheilen.
Als den Konig auf einem Crfundungéritt über vie
Höhen dicht an ver ,fpes bonorum” voriiber der junge
263
Herzog Adalgoth jenes Abends erinnerte, da fie zuerſt
die Capelle beſucht, lächelte jener:
oa wohl: da ich thir die Grabesftatte wablte bet Muma
Pompilius.
Nuun gut: falle ich hier, habt ihr mich nicht weit gu
tragen.“
Uber im Grunde ſeines Herzens war ver König
nicht ohne Gorge über den Ausgang ver bier ſich lang⸗
ſam vorbereitenden Schlacht.
Ihn beunruhigte der Mangel an Reiterei: der
größere Theil ſeiner Berittnen ſtand bei den Truppen
von Guntharis und Grippa.
Den tapfern Langobarden im Lager des Narſes hatte
der König keine an Zahl entſprechende Waffe entgegen
zu ſtellen.
Aber gerade dieſem Mangel ſchien das alte Glück des
Königs abhelfen zu wollen.
Siebenundpwansigfes Capitel.
Yn vem Gothenlager gingen ſchon feit mehreren
Tagen dunfle Geriidhte von der Unnabherung neuer Hiilfs-
Scharen von Often her, weldje gugewanderte Gothen
melbeten. .
Der König wußte oon feinem Zuzug aus fener
Richtung und fandte deßhalb vorfidtig, einem etwaigen
Glantenangriff der Byzantiner yu begegnen, Graf Thoris⸗
muth, Wifand, den Bandalarius, und den jungen Adal:
goth mit einigen berittnen Gajonen auf Kundfdaft aus.
Aber am Tage darauf fdon famen diefe zurück und
Graf Thorismuth ſprach frohen Angefidhts, da er mit
Adalgoth in das Belt ves König trat:
„Ich bringe dir, o König, einen alten Freund gur
rechten Stunde.“
„Er gleicht gang dem Königstiger,“ fiel Woalgoth
ein, „den Du in den letzten Girensfpielen dem Bolle gu
Rom gezeigt. n
Nie ſah ich ſolche Aehnlichkeit zwiſchen Menſch und
Thier.“
265
„Er wird dir body willfommen fein — da ift er
ſchon.“
Und vor dem König ſtand — Furius Ahalla, der
Corſe.
Er neigte das ſtolze, noch tiefer gebräunte Antlitz
und legte die linke Hand auf die Bruſt.
„Ich grüße vid, König ver Gothen.”
„Willkommen, Weltumſegler, in Italien. Woher
kömmſt put
„Von Tyrus.“
„Und was führt dich zurück?“
„Das, o König, kann ich mur dir vertrau'n.“
Auf einen Wink Totila's verließen die Andern das
Belt: da faßte der Corſe in fiebernder Erregung ſeine
beiden Hande.
wo ſage ja, ſage ja: mein Leben — mehr als mein
Leben hängt daran!“
„Was meinſt du?“ fragte der König, mit unwilligem
Staunen zurück tretend.
Die heiße, wilde, haſtige Art des Mannes war
ſeiner Natur ſehr entgegen.
„Sage ja: du biſt mit des Weſtgothenkönigs Agila
Tochter verlobt — Valeria iſt frei?“
Der König furchte die Stirn und ſchüttelte zürnend
das Haupt: aber ehe er ſprechen konnte fuhr der Corſe
in heftiger Erregung fort:
„Staune nicht — frage nicht!
Ja: ich liebe Valeria mit aller Gluth: faſt haß' ich
fie — fo lieb' id fie.
266 _
Ich warb um fle vor Babren.
Sd erfubr, fie fet bein — vor div trat ih zurück:
— erwiirgt batt’ id) jeden Andern mit diefen Gander.
Ich eilte fort: ich ſtürzte mid in Indien, in Aegypten
in neue Gefabren, Abentener, Schreckniſſe, Genitffe.
Umfonſt.
Ihr Bild blieb unverwiſcht in meiner Seele.
Höllenqualen der Entbehrung erlitt ich um ſie.
Ich dürſtete nach ihr wie der Panther nach Blut.
Und ich verfluchte ſie, dich und mich.
Und ich wähnte, längſt ſei ſie dein geworden.
Da traf ich im Hafen von Alexandria auf weſt⸗
gothiſche Schiffe aus Spanien und die Mtinner, alte
Handelsfreunde von Valerius und mir, erzaͤhlten von
deiner Erhebung zum König: und als ich nad Valeria,
deiner Königin, frug, betheuerten fie, du ſeiſt unvermablt :
und fie fitgten bet, ihr König Agila habe dir feine
Tochter und ein Waffenbündniß angetragen gegen Byzanz:
du habeft das angenommen.
Aber vor Alem, widerholten fie — ja fie beſchworen
€8, da id) gweifelnd in fie Drang — du feieft unver⸗
mablt: und deine frithere Braut, Baleria, die ihnen
febr wohl befannt, lebe einſam gu Tagine.
wdaleria fret!" jauchzte alles in mir anf.
Noch diefelbe Nacht lichtete id) die Anker meiner
Schiffe, nad Stalien zu eilen.
Auf der Hohe wor Rreta ſtieß ich auf ein ftattliches
Geſchwader.
Es waren perſiſche Reiter, welche Juſtinian geworben
267
und anf Rauffahrteifdiffen nad Stalien gegen did) fenden
wollte unter ihrem Hauptling Isdigerdes, meinem alten
Befannten.
Von ibnen erfubr id), mit weld)’ gewalt’ger Macht
Narſes dich bedrohe.
Und nun, König Totila, beſchloß ich, die alte Dankes⸗
ſchuld zu zahlen.
Es gelang mir, indem ich das Doppelte bot, Isdigerd
und feine Reiter — es find ganz auserleſne Scharen, —
in meinen Sold zu gewinnen, und ich führe ſie dir zu:
wie ich von deinen Grafen höre, zu höchſt erwünſchter
Verſtärkung: es find mehr als zweitauſend Pferde.“
„Sie find ſehr willkommen,“ ſprach Totila erfreut,
wid) dante dir.“
„Daß bu nod) unvermablt, ward mir beftatigt,’
fubr ber Gorfe fort — ,aber — fie fagen — Baleria
fet nicht fret — fie fet nod) tmmer —: id wollt’ es,
fonnt’ es, fann es nidt glauben — fann nidt die Hoff-
nung — nein, nein ſchüttle nidt das Haupt: — id
beſchwöre dich: fage ja, fie ift fret.” — —
Und wieder griff er nad ves Königs Handen.
Uber diefer madte fic los, nicht ohne Reiden des
Bornes.
„Noch immer die alte, verderblide, unbändige Gluth!
Wann erfaltet diefe Lava?
Nod immer — ja, ver Sanger hat Recht — die
unbeimlide Art ves Tigers — man fann jeden Augen:
blid den Sprung im Maden fpitren.”
268
„Predige nidt, Gothe,“ zürnte der Corfe, „ſage
ja oder nein — ift Valeria —?
mein ift Valeria,” fagte beftig ber Konig, ,amein
jest und ewig.“
Da ſtieß ver Gorfe einen Schrei ves Schmerzes,
de8 Gngrimms aus und fdlug fic) beide Faufte mördriſch
an die Stirn.
Dann warf ev fic) auf bas Felbbett ves Reltes,
ſchüttelte den Kopf auf ven Kiſſen hin und her und fief
ein dumpfes Stöhnen aus.
Cine Weile fah ihm Totila mit fdweigendem Stan-
nen 3u: enbdlid) trat er gu ihm und hielt feine Redte
feft, die feine Bruſt zerhämmerte.
„Faſſe did) dod! bift du ein Mann oder ein pfeil-
munder Cher?
S(t das manneswiirdig, menſchenwürdig?
Sd dächte: du haft es mit Schmerzen gelernt, wobin
fie führt, deine finnlofe Wuth.“
Laut fdreiend fubr Whalla auf, die Hand am Dold.
„Ah, du bift e8, der fo fprad) — der mid mahnt.
Du allein darfft es — du allein fannft es!
Aber id) fage dir: — thu’s dod) nicht wieder.
Sd fann e8 aud von dir nicht tragen.
O bu follteft nicht fchelten: beklagen follteft du mich.
Was wikt ihr Nordlandherzen von der Gluth in
dieſen Adern!
Was ihr lieben nennt iſt mattes Sterngeflimmer.
Mein Lieben iſt brennendes Feuer — ja Lava, du
haſt Recht — wie mein Haß.
~
269
Wußteſt nu, wie ich um fie gelitten, wie id) aufges
glüht in Hoffnung, wie ich dich fegnete und fiebte und
Feun — Wiles dabin.”
Und abermals begann er zu toben.
Ich faſſe did) nicht," ſprach Totila ftreng, im Belte
cauf und nieder fdreitend und den Tobenden ſich felbft
Aberlaſſend.
„Du haſt eine niedre Art vom Weib zu denken.“
Totila!“ drohte ver Corfe.
Ja, eine niedre, gemeine Art.
Wie von einer Ware, einem Roß etwa, das der
Zweite haben kann, wenn es der Erſte nicht feſt hält.
Hat ein Weib keine Seele? nicht Willen und Wahl?
Und wähnſt du denn, wenn ich wirklich mit einer
Andern vermählt oder geſtorben ware, glaubſt pu denn,
Valeria würde dann ohne Weiteres dein?
Wir ſind doch ſehr verſchieden von Art, Corſe.
Und ein Weib, das Totila geliebt, wird ſchwerlich
fich tröſten mit Furius Ahalla.“
Wie vom Blitz getroffen fuhr der Corſe empor.
„Gothe, du biſt ja ſehr ſtolz.
Solder Hochmuth war dir früher fremd.
Hat dich der goldne Reif ſo ſtolz gemacht?
Du wagſt es, auf mich herab zu ſehn?
Das trage ich von keinem Mann — auch nicht
von dir.
Nimm zurück, was du da geſagt.“
Aber Totila zuckte die Achſeln.
„Die Eiferſucht, die blinde Wuth verwirrt dich.
270
Ich habe gefagt: wer mich liebt, wird nidt, nach mir,
vid) lieben.
Und das ift fo wahr, daß ſelbſt deine Wildheit es
einſehen muß.
Denke dir Valeria, die ſtreng verhaltene, marmorne,
veſtaliſhe — und deine maßlos ungezähmte Art.
Valeria iſt tein weiches Syrerkind wie jene Bod.”
„Nenne den Namen nicht,“ ſtöhnte ver Corfe.
Valeria ſcheut deine Wildheit: — ſie hat mir ſelbſt
einmal geſagt —: Grauen flößeſt du ihr em."
Da ſprang Furius hinzu und faßte des Königs beide
Schultern mit den Händen.
„Menſch — du haſt ihr geſagt? Haſt ihr jenes
Unheil aufgedeckt? Du haſt? — Dann ſollſt du nicht —“
Aber Totila ſtieß ihn jetzt unſanft zurück.
„Genug dieſes unwürdigen Tobens.
Nein: ich habe es ihr nicht geſagt —: bis jetzt.
Aber wohl hätteſt du's verdient.
Noch immer, nad ſolcher Erfahrung“ — —
„Schweige davon,“ drohte der Corſe.
„Ohne Gewalt über dich in Liebe, Haß und Zorn.
Du packſt deinen Freund an wie ein Raſender, wie
ein Raubthier.
Wahrlich, kennte ich nicht den edeln Kern in dir —
dieſe Wildheit hätte mich längſt von dir abgewendet.
Mäß'ge vid) oder verlaſſe mid.“
Und ber König heftete feinen leuchtenden Blick ftreng,
nit ohne den Ausdruck überlegner Hobbeit, auf den
Corfe.
271
Diefen Blick ertrug ver Leidenfdhaftliche nicht.
Er bededte die Augen mit der Hand und ſprach nach
einer Pauſe mit gebrodner Stimme:
„Verzeih mix, Totila. Es ift vorbei.
Uber widerhole nidt jenen Ton, jenen Blick.
Gr hatte mid in jener Schreckensnacht mehr gebän⸗
digt als dein Arm.
Ich ſcheue und haſſe ihn durcheinander.
Bur Sühne, wenn id did) verletzt, will ich morgen
ſelbſt deine Schlacht mit Kimpfen, an deiner Seite,’ wie
meine Reiter."
„Sieh, das ift dein edler Kern, Furius,” fprad der
Konig, „daß du trotz deiner Enttdufdung vein Geſchenk
erfüllen willft.
Ich danke dir nochmal.
Deine Hiilfe, deine Reiterſchar macht mir die Durd-
führung eines treffliden Schlachtplans möglich, auf der
id) feufjend hatte vergicten miiffen, aus Mangel an
Roſſen.“
„Deine Feldherrn, die du zum Kriegsrath entboten,“
meldete ein Sajo, „harren vor dem Zelt.“
„Führe fle ein! Mein, Furius: du bleibſt und hörſt
Wes mit an — deine Aufgabe tft vie widhtigfte nad)
ber meinen.”
„Ich bin ſtolz darauf und werbe fie löſen, dag du
gufrieden fein follft mit dem „Raubthier“.
Adtundswansigftes Capitel.
Gs verfammelten fid) nun um den Konig ber alte
Hildebrand, Graf Teja, Graf Wifand, Graf Thorismuth
Graf Markja, Aligern und der junge Herzog von Apulien.
Totila wies anf die Wand des Reltes: dort Hing
die von ihm felbft mit tundiger Hand gezeichnete Ueber⸗
fidt ver Gegend von Taginä: die Grundlage bildete vie
römiſche Strafenfarte des Picennms, zumal der Bia
flaminia: auf diefer hatte er die widhtigften Oertlichkeiten
eingetragen.
„Gern, meine Helden,” hob er an, „würde id, nah
alter Gothen Weife, einfad im Keil auf ven Feind los⸗
ſtürmen und fetn Derg gu durchſtoßen ſuchen.
Aber den größten Feldherrn des Jahrhunderts, an
ber Spite eines doppelt ftarten Heeres, im einer felbft
gewablten, vortreffliden Stellung. ſchlagen wir nicht mit
unfrer von Odhin ftammenden einfAltigen Weisheit,“
lächelte er. |
„Erzürne nidt den Sieges-Gott durch Spott aw
Lage vor der Schlacht,“ warnte der alte Hildebrand.
Uber Totila fubr fort.
273
„Wohlan denn: laß feben ob ver große Stratege, der
@ermanen durch Germanen fadlagen will, nicht durch
feine eignen Mittel gu verderben iit.
Die Entſcheidung ves Tages fallt hier, im Herzen
ber beiden Stellungen, bet Tagina. |
Die beiden Flügel haben nur hin gu halten.
Du, Hildebrand, übernimmſt unfern linfen Flügel:
gegenitber Cugubium: id gebe divx zehn Taufendfdhaften :
dort der Wald und pas Flüßchen Sibola, das da in
den gréferen, den Clafius, miindet, geben dir gute
Dedung.
Defgleidhen vir, Teja" — er ftand bart an feiner
Schulter — ,auf dem rechten Flügel, mit fünfzehn
Tauſendſchaften, ver Berg rechts hinter Capra, der faft.
bis an den RKofterberg der BValerier und an das Grab
des Numa ſtößt.“
O laß mich, mein König, morgen hart in deiner
Nähe, an deiner Schildſeite, fechten.
Ich hatte einen finſtern Traum,“ fügte er leiſer bei.
Mein, mein Teja," erwiderte Totila, „nicht nad
Traumen wollen wit unſern Schlachtplan ordnen.
Shr follt beide gu fechten genug befommen, fobald
vie Entſcheidung hier, im Herzen, gefallen.
Denn hier” — und er deutete mit dem Finger auf
pen Raum gwifden Capra und Taginä — „ich fag’ es
nod) mal: |
Hier liegt vie Entſcheidung.
Deßhalb habe id) vie volle Halfte unſres Heeres, faft
Dabn, Cin Kampf um Rom. 1V. 18
274
fünfundzwanzig Tauſendſchaften, hier in das Mitteltreffen
geftellt.
Im Herzen von Narfes Aufftellung ftehen vie Heruter
unt — feine befte Schar — die Langobarden.
Gr anvert ta8 nicht mehr: denn frither wohl, als
id, ver ,Barbar’, hat der groke Schlachtenrechner es
erfannt, Daf diefer Zag durd das Gefedht der Mitten
entſchieden wird.
Nun habt wohl Acht.
Ich fenne die Langobarden, ihre Rampfgier, ihren
Reiter⸗Ungeſtüm.
Darauf bau’ id) meinen Plan: wenn Navfes uns
durch Germanentraft vernidten will, fo foll er durch
Germanen: Febler erliegen.
Mit meinen wenigen gothifden Reitern ſchwärme
id von Capri aus gegen die Langobarden, die vor Hels
villum ftehn, res Narfes ftarfes Mittellager.
Sie werden nicht faumen, fic mit ihrer Uebermacht
auf mid) gu ſtürzen. .
Sofort, durch ihren Anprall fcheinbar geworfen, jage
id) in ordnungsloſer Flucht zurück auf Capri gum Nord⸗
thor herein.
Das Nordthor laß ich gwar hinter uns fdltegen.
Sonft ſchöpfen fie Verdacht.
Aber nicht verthetdigen.
Und ſchlecht fenne id) die Langobarden, wenn fie
nidt, in itbermitthiger Verfolgungsluft des ReiterS, die
luftige Hetze fortfegen, weit voran vem langfam folgen:
Den Fußvolk.
275
Ich weiß gewiß, fie reißen vie Thore auf und jagen
uns durd) Capra bindurd, nod) zum Südthor hinaus:
auf bas freie Feld zwiſchen Capra und Taginä — hier.
Aber fury vor Taginä wird die flaminiſche Strafe
gu beiden Seiten von zwei walvigen Hügeln itberragt :
vem collis nucerius rechts, dem colli elaſius links —
febt thr? ba. |
Auf vtefen Hitgelfronen, im dichten Wald verftect,
liegen unferes vortreffliden Corſen treffliche Reiter im
Hinterbalt: und fowie die Langobarden heran find, zwi—
fen den betden Hiigeln, — dann wend’ id) mid) aus
ber verftedten Flucht gu ernftem Angriff auf der flami-
niſchen Straße felbjt.
Das Heerhorn bläſt zum Reiter⸗Stoß.
Auf vies Zeichen brechen deine Reiter, Furius, zu—
gleich von beiden Seiten auf die Langobarden, und* —
„Sie ſind verloren!“ jubelte Wiſand, der Banda—
larius.
„Aber das iſt nur die erſte Hälfte,“ fuhr Totila
Fort.
„Narſes muß entweder feines Heeres Blithe ver-
Loren geben” —
„Das thut er nicht,“ fagte Leja rubig.
„Oder mit feinem Fußvolk nachrücken.
Sn ven Häuſern von Capra aber halte ich unſere
Dogenfditgen, in denen von Taginä unfere Speertrager
werborgen: und wenn ded Narſes Armenier zwiſchen
wen beiden Staten in den Reiterfampf eingretfen wollen,
woerden fie von hinten und von vorn zugleich von dem
18*
276
aus den Thoren bredenden Fußvolk angegriffen: du,
Wiſand, befehligft in Capré, du, Thorismuth, in Tagina.
„Ich midjte morgen fein angobarde fein, meinte
ver Gorje.
Lange Barte und kurze Freuden werden fie haben’
ladjte Woalgoth.“
„Kein Mann von den Armeniern entfommt," fprad
Marka.
Ja: — wenn der Plan gelingt,” flog Teja.
wiht aber, Hildebrand und Leja, fo wie ihr das
Fußvolk des Narſes aus Helvillum gegen Capri vor⸗
brechen febt, zieht euch mit euven der Mitte nadften
Scharen ebenfalls gegen Caprä — nur foviel zur Vers
theidigung eurer Flügel erforderlich, lat dort fteben —
ihr helft uns fo, das WMeitteltreffen zermalmen: dann
wenden wir uns gegen die beiden Fliigel und leicht find
fie nad) links und rechts hin auseinanter geriffen: denn
ohne Helvillum haben fie keinen Halt: thre groge Bahl
felbft wird ihnen binbderlich in jenen Engen, wenn wir
fie von Gelvillum her in ver Flanke faffen.“
Der alte Hildebrand ſchüttelte dem König vie Redte.
„Du bift Odhins Liebling,” fliifterte er ihm in’s
Ohr.
„Schlimm,“ antwortete der König, ebenſo leiſe, mit
Lächeln, „du weißt: zuletzt verſagt der von Odhin ges
ſchenkte Speer und der Siegesgott nimmt ſeinen Liebling
hinauf nach Walhall. — Nun, lebt wohl, meine Helden!“
Nachdem die Feldherrn das Zelt verlaſſen, zögerte
der Corſe noch an der Thüre.
J
277
Um eine Gunft nod) hab’ ich did) gu bitten, König.
Wenn morgen deine Schlacht gefdlagen und gewonnen,
geh’ id) in See — auf Nimmerwicderfehr.
Laß mid) zuvor nod) Ubfdhied von ihr nehmen, ein
letztes Mal ihr Bild mir in die Ceele prägen.“
Aber der Konig furdte die Stirn.
„Wozu das? Es fann nur did) quilen und fie.“
„Mich beglitdt es.
Und du — bift du gu netdifd) oder am Ende gar zu
Gngftlid, Andern aud) nur zu zeigen, was du befigelt?
Bift pu eiferfiichtig, König ver Gothen 2”
„Furius!“ rief der König verlest und im Innern
erbittert iiber ded Corſen ganzes Wefen. Geb, fuche fie
auf: — und itberzeuge dich, wie fern du ſtehſt ihrer Art.“
Uennundwanzigſtes Capitel.
Faſt zur gleichen Zeit, da der gothiſche Kriegsrath
ſeine verhängnißvollen Beſchlüſſe faßte, ließ ſich Narſes,
der wieder ſchwer an den epileptiſchen Anfällen gelitten
hatte in dieſen Tagen, in ſeiner offnen Sänfte, umgeben
von ſeinen Heerführen, von ſeinem Zelt in Helvillum
aus auf einen Hügel tragen vor ſeinem Mitteltreffen,
von wo das geſammte Gefilde, das heute Gualdo Tadino
heißt, zu überſchauen war.
„Hier,“ ſagte er, mit ſeiner Krücke aus der Sänfte
deutend, „hier, zwiſchen Caprä und Tagind fallt die
Entſcheidung.
Hätteſt du dod Taginä, oder ſelbſt Capra nur nod
befegt, Cethegus.“
„Der ſchwarze Leja fam mir um drei Stunden gus
vor,” fagte dieſer.
„Es giebt feine folde Bertheidigungsftellung gegen
Uebermacht auf der ganzen flaminifden Strafe mehr
bis Rom,” fubr Narfes fort.
„Meiſterhaft haben vie Barbaren diefe Stellung gee
wablt.
279
Gewannen fie jene Hiigel nicht, fo ergoß ſich unfer
Heer unaufbaltbar fort bis Rom. :
Nun habt Acht auf jedes meiner Worte — das
Spreden wird mir nidt leicht — Narſes ſagt nichts
zweimal. — Yun, Langobarde, was finneft du?“
Und er rührte mit ver Rritde an Alboins Sdhulter,
der wie vergiidt in die Landfdaft binaus geblidt hatte.
„Ich?“ fagte diefer auffabrend aus feinen Craumen,
wd finne, wie wunderbar reid) und ſchön dies Land,
welder Segen ringsum! Es ift pas Weinland unfrer
Lieder.“
„Du follft dich nicht laſſen geliiften deines Nächſten
Italien und alles was fein iſt,“ fagte Narſes mit der
Krücke drohend. „Die Traube Stalia, Fuchs AWlboin,
hängt ſehr hoch.“
„Ja: fo lang du lebſt, iſt fie ſauer,“ ſprach der
Langobarde.
Einſtweilen lebt ex noch, der Gothenkönig, deſſen
Erbe du antreten willſt,“ mahnte Narſes.
„Alſo, mein Plan.
Du, Oreftes, nimmſt mit Zeurxippos den linken
Sliigel bet den ,Grabern ver Gallier“ (busta Gallorum),
gegenitber bem hohen Waldberg mit den weißſchimmernden
Rloftergebauden.“
„Woher rührt der Jame? frug Alboin.
„Hier fdlug,“ antwortete Cethegus, ver Römer⸗
Conſul Decius, fic) dem Tode weihend fiir das Bater:
land, der Gallier ungeheure Uebermadt. Der Boden
280
ift beilig und von guter Vorbedeutung fiir Rom und,"
ſchloß er bitter, gegen alle Arten von Barbaren.”
„Wann war vase" forſchte Alboin weiter. .
„Im Jahre vierhundert acht und fünfzig der Stadt.
„Das ift lange her, meinte ver Langobarde.
Narſes aber fubr fort:
Du, Johannes, übernimmſt mit Valerianus und
Dagifthaos ven rechten Fliigel bet Eugubium gegenitber
vem Fluß Clafius und vem Flüßchen Sibola.
Shr haltet end) ganz rubig, bis hier in vex Mitte
vie Entfdheidung gefallen: alsdann, — denn wer Ueber⸗
madt hat und fie nicht zur Ueberfliigelung braudt, verdient
nidt, fie gu haben — dann ſchwenkt ihr von betden
Seiten ein — ihr reidjt ja weit über die ſchmale Stirnlinie
per Barbaren hinaus — und ihr ſchneidet thnen mit gus
ſammenſchlagendem Neg den Rückzug nad) Rom ab: ener
Bufammentreffen ift auf der flaminifden Strafe öſtlich
hinter Tagind, in ver Mahe von Nuceria Camellaria.
Gelingt das, fp ift ver Krieg gu Enve mit einem
Slag.”
„Schade,“ meinte Wlboin.
oa, dit blutet dads Herz nicht, mein Wölflein, wenn
tu des Kaiſers Btalien recht Lange zerfleiſchen fannft:
aber mir: nidt viele Schlachten gewinnen, das ift Freund
Belifars Vergnügen — viele Feldgitge mit Einem
Schlag beenden, das ift meine Art.
Erſt aber, eh’ ihr überflügeln fonnt auf den Flanten,
mug hier in der Chne die Blutarbeit gethan fein: id) mug
Capra und Taginä ftiirmen: wenn fie flug ſind die
281
Barbaren, zeigen fle fid) nicht auf vem freien Feld vor
Capra: dort wiirden meine Wölfe fie niederrennen: nicht
wahr, mein Wolfstinig 2 .
„Ein pradtiger Wiefenplan fiir die Reiterſchlacht:“
tief Alboin, ich fehe fie {chon zurück fliehen nach den
Thoren von Capra.”
„Sie werden dir den Gefallen nicht thun, mein
Wölflein.
Keinesfalles aber unterſtehſt du dich, mit deinen
Reitern Capra angugreifen.“
oo,” meinte Alboin, ,wir find gewöhnt, abjufpringen
und zu Fug yu Limpfen, wenn’s von Nöthen. Die
Rößlein bleiben lammfromm ftehen und fommen auf den
Pfiff im Trabe nad.”
Cin heftiger Krampf ſchüttelte Narfes: feine Biige
verzerrten fid.
„Langbart,“ fprad er, als er wieder feiner mächtig
geworden, ,drgere mid) nicht. Aerger und Schreck bringen
mir das böſe Schütteln.
Wenn vu wagſt, Caprä anjgugreifen, ehe mem Fue
volt ganz heran ift, ſchicke ich dic) nad der Schlacht
nad Haufe.” —
„Das ware allerdings die hartefte Strafe.”
„Du, Anzalas, fiihrft das armenifde Fußvolk und du,
Cethegus, das illyriſche, fammt deinen trefflicen ifau-
riſchen Söldnern, zum Sturm auf Capra und Tagind.
Sch folge mit ver Maſſe ver Makedonen und ver
Gpiroten nad."
Abermals ritttelte den Feldherrn ein Schauer.
282
„Ich fitrdte, morgen fehrt das Uebel ftarfer wieder.
Du, Libertus, vertrittft pann meine Stelle, bis id
wieder fpredjen und befeblen fann.“
Gethegus furdjte die Stirn.
„Ich hatte dir, Prafect," fligte Narfes, vies bemerfend,
bei, „die BVertretung itbertragen: aber du wirſt nicht
müſſig in Helviflum zuſehn wollen: ich brauce dich und
vein gefiirdtet Schwert beim Sturm der beiden Städte.“
„Und wenn ich dabet falle,” lächelte Gethegus, ,,wird
Tes Kaiſers Feldherr den Verluft überleben.“
„Wir find alle fterblid,“ ſprach Narfes, „o Prifect :
unfterblid) find nur wenige — nad threm Zod."
Dreißigſtes Capitel.
An vem Abend deſſelben Tages erging fid) Valeria
in Dem ummauerten Garten des Rlofters unter Thuien
und Cypreſſen.
Sie wufte oder abnte, daß die fang erwartete Schlacht
morgen bevorftand.
Und ihr Herz war bang.
Sie beftieg ein Thürmchen an der Ede ver Gartens
mauer, 3u weldem eine gewundene, ſchmale Marmor⸗
Treppe emporfithrte.
Bon hier aus fonnte fle das ganze Thalgefilre über⸗
ſchauen, in weldem morgen die Entſcheidung itber Staliens,
liber iby eignes Gefdid fallen follte.
Sm Weften, ihr gegenitber grade, weit hinter dem
Glafius-Fluffe, verfanf die Sonne in blutrothen Wolken.
Sm Norden lag vas langgeftredte, tiefe Lager des
Narfes mit feinen zahlloſen Belten aus dunkeln Fellen
ind Hauten und geſchwärztem grobem Segeltud.
Es zog fic) unabfehbar weit, pen ganzen Horizont
unjpannend, von Bujta Gallorum im Often bis Cugu:
284
bium (das alte Sguvium) im Weften: e8 ruhte fdon
in ſchwarzen, falten Schatten: drohend und ftill: wie bie
Nothwendigkeit.
Unmittelbar zu ihren Füßen ſchloſſen ſich die gothiſchen
Zelte dicht hinter den kleinen Ort Taginä: die geringe
Zahl erſchreckte das Auge der Jungfrau: doch hatte ihr
Totila beſchwichtigend geſagt, ſeine Leute lägen großen⸗
theils in den Häuſern von Gapré und Taginä.
Auch dieſe Niederung ruhte ſchon im Schatten.
Nur auf ſie ſelbſt, ihre weiße Geſtalt, die ſich von
den Zinnen der Thürme ſcharf abhob, auf die Höhe, wo
das Kloſter ragte und ſeine Mauern, ſowie auf die noch
etwas höher und öſtlicher gelegne Capelle bei dem Grab
des Numa Pompilius, die ſpes bonorum, fiel noch voll
und leuchtend der Widerſchein der ſinkenden Sonne.
Lange blickte Valeria, ſchwerer Ahnungen voll, hinaus
in die heute noch friedlich ruhende Landſchaft.
Welches Anſehn würde fie wohl morgen um diefe
Stunde zeigen?
Wie viele Herzen, welche heute noc) trogig, freudig,
heißblutig podjten, waren bid dabin ſtill und kalt. —
So träumte ſie hinaus in den Himmel und in das
Gefilde. —
Sie beachtete es kaum, daß die Sonne längſt ge⸗
ſunken, daß es raſch dunkelte: ſchon brannten einzelne
Wachtfeuer in beiden Lagern.
„Wunderſames Gefdid,” ſprach die Jungfrau yu
ſich ſelbſt.
285
„Fröhlich, fat vergeffen des Gelübdes, das mid an
viefen Ort knüpft, lebe ich Jahre lang.
Da ergreift mid plötzlich eine Hand aus den Wolfen
und führt mid, wie mit zwingender Gewalt, bieher, an
ven Ort meiner Beſtimmung, nidt meiner Wabl.
Und nad bangem, tritbem Harren folge ic, wieder
boffend, wieder diefen Mauern entrinnend, dem lockenden
Ruf ves Freundes hinaus in vie Freude, in die Welt
ver Glücklichen: id) vertauſche dieſe Grabesftille mit dem
ranfdhenden Brautfeft in fener Königsburg.
Und abermals fat mid, an der Schwelle der Chee
feter, ploglid) die Hand ves Geſchickes, reißt uns We
aus Freude und Subel und fithrt mid und den Ges
liebten zur Entſcheidung — grade bieher, an den Ort
meines BVerhangniffes.
ft das eine Mahnung, eine Vorverkündung?
Goll aud ven Freund, ver fein Geſchick an meines
gebunden, bier der auf mir [aftende, unbetmlide Bann
ergretfen ?
Rann id) ihn davon löſen, wenn id ihm entfage?
Goll er mit dafiir büßen, daß wir das Gelübde
nicht erfüllt?
Ach, der Himmel bleibt taub für die Fragen des ges
Gngfteten Menſchenherzens.
Er öffnet ſich nur, um zu ſtrafen: ſeine furchtbare
Sprache iſt der Donner und ſeine Schichſalsleuchte ſein
Zugleich zermalmender Blitz.
Biſt du verſöhnt, du ſtrenger Gott des Kreuzes?
oder forderſt bu unerbittlich die dir verfallne Seele ein?“
286
Aus viefem Traumen und Ginnen wedte fie —
fdyon war e8 ganz dunfel gemorden und der eben anf:
fteigende Dtond warf nod wenig Licht in den Hod.
gelegnen, ummauerten Garten — dev rafde Schritt eines
Mannes, der haſtig nabte von dem Garten her: der
Gand ver Gartenwege fnifterte unter feinen Füßen.
Das war nidt Totila’s ſchwebender Gang.
Die Jungfrau ftieg rie Marmortreppe herab und
wollte fid) auf bem fdmalen Gang, der zwiſchen ren
Cypreffen an der Dtauer hin fithrte, nad dem Haufe
zu wenden: — da vertrat ihr der Nahende, der ihre
weiße Geftalt erfannt hatte, pliglid) den Weg: er felbft
im vdunfeln Mantel faum fenntlid) —: e8 war der
Corfe.
Sie erſchrak itber ven plötzlichen Anblid: wohl hatte
fie von je des Mannes Leidenſchaft erfannt, aber mit
Grauen, mit feltfamer Furcht.
„Du hier, Furius Whalla! Was führt dich in
viefe frommen Mauern?“
Cine Weile ſchwieg der Fremde.
Sr athmete ſchwer und ſchien, ringend, nad) Worten
zu ſuchen.
Allmälig ſtieg das Licht des Mondes über die
Mauer.
Hell zeigte er bald der ſchönen Römerin edle Züge
und Geſtalt.
Endlich ſprach Furius abgeriſſen, mühſam.
„Das Verlangen führt mich her — Abſchied zu
nehmen, Valeria.
287
Abſchied für immer.
Wir ſchlagen morgen eine blutige Schlacht.
Dein — — König hat mir verſtattet noch einmal
zu ſehen die —
Dasjenige, was ich unter allen Männern nur ihm
gönne.
Over," fügte er leidenſchaftlich, heiß auf thre Geſtalt
blickend und den Arm leiſe hebend, „gönnen ſoll, und
doch nicht — gönnen kann.“
„Furius Ahalla,“ ſprach Valeria mit Hohheit zurück—
tretend, — denn ſie hatte jene Armbewegung wohl be—
merit — „ich bin deines Freundes Braut.“
„O ich weiß es — nur zu gut weiß ich es.“
Und er trat, ihr folgend, einen Schrit vor.
„In meinem Herzen ſteht es eingeſchrieben mit der
brennenden Schrift der Qualen.
© id könnte ihn grimmig haſſen.
Weßhalb ſchritt er — gerade er! — zwiſchen dich, du
ſchönheitſchimmerndes Weib, und meine raſende Leiden>
ſchaft?
Jeden Andern würde ich zerreißen.
Es iſt ſehr ſchwer, ihn nicht yu haſſen.“
„Du irrſt,“ ſprach Valeria — ,und nur um dir
Dies gu fagen — hörte ich folde Sprache zu Ende.
Hatte id) Totila nie gefehen — id) ware dod) nie
Die Deinige geworden.“
Warum frug ver Corfe gereizt.
Weil wir nidt zuſammen taugen.
288
Weil, was mid gu Totila hingieht, mich von dir bins
weg reißt.“
„O du irrft! Es muß jedes Weib gewinnen, fid
fo rafend, fo wüthend geliebt gu febn, wie ich did
liebe."
Deine Liebe — hatte mir Grauen eingeflspt —
und nun [aR nud) in das Haus."
Aber Furius verfperrte den ſchmalen Pfad mit feiner
Geftalt. ;
„Grauen? das ſchadet nicht.
Süßes Grauen iſt die Mutter der Liebe.
Es giebt verſchiedne Art zu lieben, zu werben.
Mir hat von je zumeiſt ves Löwen Werbe⸗Brauch
gefallen.
Er (aft ver Braut nur vie Wahl zwiſchen Liebe oder
Tov."
„Genug diefer Worte, die dir gu fpreden, mir gu
hören gleid) unziemlich ift.
Laß mid) vorbei.“
„Ha, fürchteſt du dich, Veſtalin?“
Und er trat noch einen Schritt näher.
Aber hohheitvoll maß ihn Valeria mit kaltem Blick
der Verachtung.
„Vor dir? Nein.“
„Dann biſt du allzu kühn, Valeria: denn du hätteſt
allen Grund.
Und wüßteſt du, was in mir lodert ſeit Jahren,
kennteſt du die Folterqualen meiner Nächte — du würdeſt
zittern.
\ 289
Ha: und könnteſt pu mid nidt lieben — aud) did
gittern fehen wie jegt, dich gittern madjen, mare Wolluft.”
„Schweig!“ rief Valeria und wollte fid) an thm
vorüber durd die Baume prangen.
Aber nun vertrat er ihr hier den Weg und griff
nad ihrem Mantel — feiner Ginne faum mebr
madtig.
„Nein: ich will nicht ſchweigen,“ flitfterte er heiß.
„Du follft es wenigftens wiffer und in dir nad:
glühen fühlen, fo lang pu athmeft.
Schon fühle id) Schauer vee Grauens durch deine
ſtelzen Glieder rieſeln.
Nicht abkürzen will ich mir die Wonne, dich erbeben
zu ſehn.
Ha, wie würdeſt du erſt zittern in dieſen Armen,
wie würde dieſe ſtolze Geſtalt hinſchmelzen unter dem
heißen Hauch meines Mundes —
Wie ſollteſt du mir’ —
Und er ergriff die Widerſtrebende an beiden Schultern.
„Hülfe, Licht! Hülfe!“ rief Valeria.
Und ſchon eilte man mit Licht aus der Thüre de
Hauſes.
Aber der Corſe, der Thüre den Rücken wendend,
ließ nicht von ihr.
Laß meinen Arm los.“
„Nein, einmal ſollſt du mir —"
Aber in dieſem Augenblick ward er mit zorniger Ges
walt guriid geriffen, dag er Valeria [08 ließ und gegen
vie Mauer taumelte.
Dabn, Cin Kampf um Rom. IV. 19
290
Totila leuchtete ihm mit der Fadel in das gliihende
Antlitz.
Furchtbarer, aber heiliger Zorn loderte aus des
Königs Augen.
„Tiger!“ rief er, ,willft du meine Brant ermorden
wie Die Deine 2"
Mit einem gellenden Schrei der Wuth fprang ver
Corfe, beide Faufte ballend, gegen ihn an.
Aber rubig blieb Lotila ftehen und durchbohrte ihn
mit den Blider.
Furius faßte fid.
Da flog Valeria an Totila's Bruſt.
„O laß von ihm, raſch fort! Er iſt raſend! Seine
Braut hat er ermordet?“
Dieſe Frage aus Valeria's Mund ertrug der Corſe
nicht: — er warf noch einen Blick auf Totila, — ſah,
wie dieſer, bejahend, Valeria zunickte —
Und ſofort war er hinter den Cypreſſen im Schatten
verſchwunden.
„Ja,“ ſagte Totila, „ſo iſt es.
Hat vid) der Wahnſinnige recht erſchreckt?“
„Es iſt vorüber: — du biſt ja bei mir.“
„Mich reute, daß ich ihm verſtattet, dich aufzu⸗
ſuchen.
Und ich eilte hieher, von Liebe und Beunruhigung
getrieben.“
„Gut, daß du kamſt und nicht die Leute aus dem
Hauſe.
Wie tief hätte es ihn beſchämt!
291
Ich rief erft, als ic) wirflid) glaubte, er rafe.
Und wad ift das für eine graufige That? Seine
Braut 2"
„Ja,“ widerholte Lotila, den Arm um fie fdlingend
vie Fadel einer Slavin reidend, welde nun aus dent
Hauſe trat, ,aber lag uns nod im Mondlicht wandeln.“
Und er fdritt mit ber Geliebten wieder tiefer in den
@arten, auf und abwandelnd.
„Es ift mir nicht Lieb, daß mir e8 der geredjte Born
entriffen. -
Gs war bas Geheimniß, durch welded ich über
diefen Panther wunderfame Gewalt gewonnen.
Bor vielen Jahren traf ich ihn, — ich hatte libyfde
Seerauber verfolgt mit meinem Schiff — im Hafen
von Beronife an der Küſte der Pentapolis.
Cr war im Begriff fid) zu vermählen mit Roé, der
Todhter eines fyrifden Kaufherrn, weldher ſich, des Elfen⸗
beinhandels wegen, dort in Wfrifa niedergelaffen.
Der Gorfe hatte von jeher Neigung yu mir gezeigt
— id hatte ihm aud bei feinem Seehandel oft genützt
— und er bat mid, der Hochzeitfeier auf fetnem reid
ge[dmiidten Fahrzeug beizuwohnen.
Ich erſchien und das Feſt verlief ganz fröhlich: nur
war der Bräutigam in einer Stimmung, die mehr von
Grauſamkeit als von Zärtlichkeit an ſich trug.
Endlich ſollten die Aeltern der Braut — nur ſehr
widerſtrebend hatten ſie dem Fremden, deſſen unbändige
Wildheit bekannt und auch bei der Werbung ſelbſt her⸗
vorgetreten war, das weiche, zarte Kind zugeſagt, —
19*
292
auf fleinem Bot mit mir dad Schiff verlaffen, weldes
vie Brantleute nad) Corfica tragen follte.
Sn fehr begreiflider Riihrung bes Abſchieds warf
fic) Bog weinend immer wieder in die Arme ihrer Aeltern.
Ich bemerfte, daß der Briutigam hierüber in eine
mir ganz unfaßliche Wuth gerieth.
Endlich) rief er Bog an: ob fie ihren Vater ihm vor-
ziehe? Ob fie denn ihn nidjt mebr liebe? Das ſähe
ja aus wie Reue.
Gr drohte, ſchalt und das arme Rind weinte immer
mehr.
Endlich ſchrie er ihr wüthend zu, ſie ſolle augen⸗
blicklich aufhören zu weinen und, um nad altem Sees
mannsbraud - bet Schiffshochzeiten, mit dem Beil, das
er in ber Hand bielt, das Anfertan gu fappen, auf
feine Geite des Schiffes treten.
Boe gehordte, rig fics von vem Vater los —: da
traf fie auf der Diutter banged, thrinenerfiilltes Auge :
— und, anftatt zu Furius gu treten, watidte fle fic,
wieder faut auffdludjend, ihrer: Mutter gu, diefe nocd:
mal zu umarmen.
Raſend aber ſprang Furins herzu, fen Beil blitzte,
ſie ſtreifend, über des Mädchens Haupt: und er hätte ſie
auf dem Fleck erſchlagen“ —
„Entſetzlich,“ rief Valeria.
‚Fiel id) thm nicht in den Arm und entriß ihm das
Breil mit einem Blick, der ihn plötzlich bändigte.
Lyſikrates aber trug fein blutendes Sind aus dem
293
Schiff nad) Hauſe und verfagte vem gefahrliden Braue
tigam vie Ehe.“
„Was ward aus ihr 2"
„Sie ftarb bald darauf.
Nicht gerade an ver Wunde: aber an ven Folgen
des Schreckens und widerftreitender AWufregungen.
Du follteft fie bem BVereinfamten erfesen."
Baleria fchauderte.
„Er ift mir unbeimlid.
Dem halbgesahmten Raubthier gleicht er, das uns
beredenbar und unverlaffig bleibt. eden Wugenblid
mag feine tödtliche Wildheit erwachen.“
„Laß ibn. Sein Kern ift edel.
Er tobt fich jebt aus: — hörteſt Du den donnernden
Huffdlag feines Roffes ven Berg hinab? — und mors
gen in ver Schlacht macht er Wes gut. Ich will thm
gern verzeihn: — er war nidt bet Sinnen.
Aber nun laf uns juriidfehren gu und felbft, zu
unfrem Olid und unjrer Lrebe."
„Iſt unfre Liebe vein Glück geworden?“ fragte Vas
leria nachdenklich.
‚Wie viel ſtärker ſtündeſt du morgen im Kampf,
wenn des Weſtgothenkönigs Tochter, wenn jene Haralda,
Der du ſehr gefielſt —"
Aber Totila drückte ſie an die Bruſt.
„Wer erſetzt Valeria?“
Olid!" widerholte dieſe.
Werden wir je vereinigt werden?
Man fagt, vie Feinde find euch voppelt überlegen.
294
Die Sdladht morgen: — haft ou keine Beforgnif
„Nie in meinent Leben habe id) einem Kampf fo
freudig entgegen gefehen. Das wird mein Ehrentag in
ver Geſchichte!
Mein Plan ift gut: mid freut's, ben grofen Schlach—
tendenfer Narſes mit fener eignen Kunſt zu Rberwinden.
Wie in ein Feftfpiel reite id) in diefe Schlacht.
Du follft mir deBhalb Helm und RoR und Speer
mit Blumentranjen und mit Bandern ſchmücken.“ —
„Mit Blumen und Bändern! — Opfer ſchmückt
nian fo."
„Und Sieger, Valeria.“
» Morgen mit Sonnenaufgang fende id dir die Waffen
hinab in's Lager, gefdmiidt mit Blumen, die im Frith.
thau glänzen.“
„Ja, geſchmückt will id) reiten in meine ſchönſte
Siegesſchlacht —: denn morgen ift der Tag, da ich in
Cinem Schlag die Braut mir und Italia erfampfe —
thr feid Eins in meinem Herjen: ftets bab’ ich in Dir,
bu Marmor⸗Schöne, das Bild Italiens geliebt.“
Cinunddreifighes Capitel.
Wis ver König beim Sein ver Sterne das kleine
Haus von Vagina erreicht, wo er fein Quartier auf-
geidjlagen, traf er im Hofe, auf dem Rand der Cifterne,
einen Mtann in dunklem Mantel figen, vie Harfe auf
den Knieen: fie bligte im Mondlicht; leiſe Accorde griff
er darauf.
„Du biſt es, Teja? Haſt du nicht zu thun auf
deinem Flügel?“
„Ich habe dort Wes geordnet.
Hier hab’ ich gu thun — mit dtr."
„Tritt mit mir in’s Haus. Sit Julius nicht daz
rinnen 2
„Er ging nod) in vie Bafilifa Ganct Pauls, fir
einen Sieg gu beten.
Gr fommt wohl bald zurück.
Ich habe div eine Rüſtung mitgebradt, rie ich did
bitte: morgen in der Schlacht — mir gu Liebe — yu
tragen, fie ift feft und febr fider.“
Totila blieb gerithrt ftehen: ‚Welche SGorgfalt echter
Freundſchaft!“
296
Hand in Gand ſchritten fie nun in das Mittel⸗
gemad bes Hauſes.
Da fag, auf dem Marmortifd aufgeridtet, eine voll.
ftindige Riiftung: vom Helm bis gu den gefduppten
Schuhen: yon dem beften hifpanifden Stahl: leicht und
vod) undurchdringlich: meifterhaft gearbeitet: aber ohne
allen Schmuck, obne Helmgier, mit dicht geſchloßnem
Viſit — alles yon dunkelblauem Stabl.
Welder zauberfund’ge Schmied hat diefes Wunder⸗
wert geſchaffen?“ frug Totila, bewundernd.
„Ich,“ fagte Teja. , Ou weißt: id) habe von jeber
Gefallen an Waffenarbeit gehabt. Und id habe — igh
ſchlafe wenig Nachts — diefe Sehuppen fiir did) gee
fertigt. Du muft fie annebmen.”
wa," lächelte Lotila — „für meine Beftattung:
Darin will id) meinen Leichenzug begleiten.
Wher morgen, mein Leja, reit’ id) in vollem Königs⸗
ſchmuck in's Treffen.
Italia ſoll nicht ſagen: ihr König und Bräutigam
habe ſich an ſeinem Ehrentag verſteckt.
Nein: wer morgen den Gothenkönig ſucht, ſoll nicht
viel Mühe haben, ihn zu finden."
„Ich bab’ es gefürchtet,“ feufgte Leja. ,So laf
mid) wenigftené morgen an deiner Seite fedjten: nimm
mir den Befehl des redhten Flügels ab.
mein, er ift hod widtig. Mich befditgen fann ih
felbft. Die Berge aber muft du mir deden und den
Weg nad Rom: im Fall eines Unglücks liegt auf
beinem Flügel die eingige Rettung fiir den Abzug.“
297
Da trat Julius ein mit Graf Thorismuth und Herzog
Wwalgoth: und die Diener, — darunter aud Wachis, ver
Fram Leja als Schildträger begleitet hatte — brachten
Das Nadtmal: Fleiſch, Früchte, Brod und Wein.
„Denke, Julius,” lächelte Totila diefem entgegen,
ee wer fithnfte Geld im Gothenbeer ift ängſtlich geworden.”
Nicht für mid," fagte diefer.
Aber meine Trdume treffen meiſtens ein.
Und fle find immer ſchwarz.“
„Eure Träume,“ lächelte Totila vem jungen Avals
goth, ver ſich neben thm niederließ, und Wachis gu, der
Dem König ven Becher fiillte — eure Träume „ihr
Friſch-Vermählten, find wohl nidt ſchwarz!“
„Kann nicht Hagen darüber, Herr Konig,” ſchmun⸗
zelte Wachis. „Doch ich wünſchte —“
as haſt du nod zu wünſchen auger Liuta?“ meinte
Totila.
„Ich wünſchte ber Lange wire da."
„Welcher Lange 2”
tun: ber gar Lange: der nod) deinen tapfern Brurer
Hildebad um eines Hauptes Lange iiberragt haben würde:
der mit dem Barenfell und mit ver Falfen-Werferin: —
wie hieß er doch?“
Harald,“ fagte Teja ernft. |
wa, Den meine id. Der ware gut mit feinen
ftarfen Riefen morgen.”
„Wir werden ibn nicht brauchen.“
„Aber beſſer iſt immer beſſer, Herr König. Und
298
wenn id) der Herr König gewefen wire — ven bat
id) wieder fommen laſſen, al der Krieg losbrach.“
Wir brauden ihn nicht,” widerbolte ver König
ſchärfer.
„Ich Dadte wie mein Schildmann, o König,“ ſagte
Teja, ,und habe auf eigne Fauſt — an deiner Ein⸗
willigung zweifelnd — gefendet nad ibm: fortgeſchickt
hatteft ru ihn dod) nicht, hatte ih ihn gur Stelle
ſchaffen tinnen. Wud) mir bat diefer treue Nordlandsheld
gefallen —: feine Leute waren gut gewefen wider die
Yangbarte —: leider war die Flotte von meinem Heinen
Schiff nidt einzuholen.“
„Dank, Teja, das war wieder ganz deine Art.
Aber mich freut, daß du ſie nicht beiſchaffen konnteſt.
Wir ſchlagen und ſiegen allein.
Mein Plan iſt gang unfehlbar, wenn nur —“
Hier flog eine Wolfe über ves Königs Stirn.
„Wenn ver Corfe feine Sduldigteit thut.
Gage, Thorismuth — id) fandte did nod vom
Kloſter aus, wo id) einen fleinen Streit mit ibm hatte,
an Furius — id frug, ob Alles bei’m Alten bleibe
swifden uns — was antwortete er?"
„Er gab mir diefen offnen Brief an did.“
Wo trafft pu ihn? fragte der Rinig, die Wachs-
tafel nehmend.
Vor Tagingd. Er wies feinen Reitern bereits vie
Ctelung tm Hinterbalt an. Er hat Ales anf das Ge-
nauefte erfüllt, was du vorſchriebſt.“
299
Totila las: , Morgen werd’ ich erfiillen, was du von
mir erwarteft.
Du wirft mir nad der Schlacht nichts mebr vores
werfen.“
„Er fügte bet,” ergänzte Thorismuth, „ein par hun⸗
vert ſeiner Roſſe, welche, von ver Seereiſe angegriffen,
langſamer marſchirt, famen morgen frith ſicher an: fie
find aud ſchon gemeldet von Geptempeda her: du möchteſt,
womöglich, die Entfdeiduag hinausjiehen, bis zu ihrem
Gintreffen.“
„Warum fimmt er nicht ſelbſt hieher?“ frug Leja.
„Er bemitht fid) auf dad Cifrigfte,” ſprach Thoris⸗
muth — id) hab’ es felbft gefehen — feinen Reitern ges
nau die Oertlichkeit zu zeigen, wo die Entſcheidung fallt.
Gr hat nod im Mondlicht Gefedhtsitbungen von den
Hügeln herab auf vie Straße gemadt."
Totila aber fagte: ,,id) weiß, warum er nidt zu
meinem Nachtmal fommt. Gs hat nichts auf fid."
Und fie fepten ſich nun auf die Feldſtühle und
Truben; welde um den Tiſch ſtanden, und begannen das
einfade Mal.
Der Rinig,” hob Teja an, {aft mid) morgen nicht
an feiner Seite fedjten. _
_ Go befehl id) thn dir, mein tapfer Thorismuth:
behitte Du fein Leben."
„Das wird er nicht immer können,“ lächelte Lotila,
trinfend.
„Thorismuth muß mir die Speertrager in Lagind
befebligen.“
300
So lang ih an des Königs Seite halte, gefdieht
ihm nidts," fagte Thorismuth rubig. „Ich gebe, nod
mal gu ben Vorpoften bei Capra gu reiten.“
Und er fdritt aus dem Gemad.
wa," rief Totila, bet Neapolis am capnanifden
Thor war er mein Retter.“
lind gu Rom am Tiber ver junge Garfen = Herzog
bier,” fprad Leja, wo ift er morgen? Gr foll did
wieder decken.“
„Nein!“ rief diefer: ,id) habe mtr ausgebeten, tn dem
Reiterangriff voran zu reiten und Domna BValeriad’
neue Fahne gu tragen.“
Mun, frommer Julius,” fpradh Teja — ,du follft
nicht fechten: — aber fdirme du des Königs Leben: —
id) weiß: du liebft ihn, auf deine Art: — und das wird
wohl feine Sünde fein.“
od will wm ibn bleiben. Aber beffer ‘nog al8
mein fdmader Arm oder dein ftarfer, Graf von Taren⸗
tum, wird mein Gebet gu Gott ibn ſchützen.“
„Gebet!“ fagte Leja.
„Noch ift tein Gebet durch die Wolken gedrungen.
Und wenn e8 durch drang, fand es den Himmel
Bwetunddreifighes Capitel.
oie,” rief der Mönch, „du leugneft, finftrer Mann,
wie — mie Gethegus, den Gott der Liebe aus feiner
Welt hinaus? den Gott, vex allweife, allmadtig und
allliebend vom Himmel aus der Menſchen Bfade lenkt —
den leugneſt du 2"
wa," vief Teja und griff an’s Schwert. Den
leugne td!
Und ware ein Wefen da oben, lebendig und wiffend,
was e8 thut oper gejdeben läßt —: man müßte, wie die
Riefen unfrer Gatter-Dammrungs-SGage, Berg auf Berg
und Fels auf Felfen thiirmen und feinen Himmel
ſtürmen: und nidt ruben und raften, bis man das tenf-
liſch graufame Gefpenft von feinem blut’gen Schädelthron
geftofen oder felbft gefallen ware von feinem Blitz.“
Entſetzt fprang Julius auf:
„Hat denn der Geift der Gottesleugnung, der Gottess
lafterung die gewaltigſten Manner ver Welt ergriffen?
Ich fann folde Worte nicht anhören.“
Mit Staunen fah auch der König auf ven fonft fo
302
ſchweigſamen Freund, aus defjen tief veridloffner Bruft
plötzlich lang verbaltner, grimmer Schmerz glithend her⸗
vorbrach.
„Ihr ſtaunt,“ fuhr dieſer fort, „daß der grabesſtille
Teja noch ſo heiß empfindet.
Ich ſtaune ſelbſt zuweilen drüber.
Aber morgen iſt der Tag der Sommer⸗Sonnen⸗
Wende: ver Cag, ba dereinſt meine Sonne für immer
ſich gewandt.
An jeder Wiederkehr des Tags bricht mir vie alte
Wunde ſchmerzend auf."
„Ich begreife deine Düſtre jetzt, unſelger Ram,”
fprad) Julius nad emer Paufe.
„Ja, ich faffe nicht, wie du leben fannft — id
fonnte nidt athmen: obne Gott.“
„Wer fagt dir, Mind, Teja hat teinen Gott?
Weil ich ihn nicht nach deinem Glauben febe, nicht,
wie Du, vermenfdlidt, von Liebe, Haß und Exiferſucht
entftellt ?
Weil id) nicht denfen fann, daß er, der Vor⸗Schauende,
Wefen fchafft, fid) und andern gur Qual, fie gu vers
Dammen: und fie hinterdrein, durch ei Miralel, durch
ſchuldloſes Blut des Chelften, wieder gu erlöſen?
Weil ich ihn nicht venfen fann wie einen ungefdidten
Zimmerer, ver feine Baute ſchlecht gemacht hat und nun
immer Daran nadfliden mug mit mirakelnder Hand?
Sch fage dir: die Majeſtät meimes Gottes ift fo
furchtbar, daß dein armfeliger Engel⸗König vor feiner
Größe verſchwindet, vor ſeiner unerbittlichen Furchtbar⸗
303
feit, wie das Gewölbe deiner Kirchen gegen das Gewölbe
ves Weltalls.
Nein: ware wirllid) ein Wivater in den Wolfen
und finnte er dem granfamen Gang der Gefdhide nicht
ftenern — ihn felber miifte per Gram ergreifen: er
müßte furdtbar [einen unter dieſen Schmerzen femer
Kinder, wie euer fanfter Sefus [ttt — das hat mid
immer tief gerithrt —, ald er auf dem Lelberg der
Menſchheit ganzen Sammer trug.
Und weil id div, mein Lotila, verfproden, dir nod
einmal von meiner Harfens und iedfunft gu vernehmen
gu geben — fo hire den Gefang, den id) dem Allvater
Odhin in den Mund gelegt.”
Und er griff in die Seiten der Heinen Harfe, welche
neben ihm bet feinen Waffen lag und fang dazu mit
tief ernfter Stimme:
Allvaters Gefang.
„Es ſeufzt meine Geele in unſäglichem Jammer
Um des Schmerzengeſchlechts, um der Menſchen Geſchick.
Denn was in der Welt von wechſelndem Wehe
Brandend ſich bricht in jeglicher Bruſt —
Mitempfinden, mitdurchkämpfen,
Mitdurchklagen muß ich es Alles —
Alles, Alles — venn geheißen
Bin ich „Allvater“:
Bald des beſiegten, beſſern Mannes,
Den ein Böſer bezwungen,
304
Bitter beiffenden Seelenbrand,
Wie ex grollend in Todesgram
Sludt dem graufamen Schickſal: —
Bald ves Liebenden tödtlich Leiv,
Der in leere Luft mit den Armen langt,
Dem langfam das Leben verlovert
An nie verldfdhender Sehnſucht Licht: —
Und der Wittwe Wehllage,
Der Waifen Weinen
Und der verfinfenden Seele
Legten ſchrillen Vergweiflungs fret —
AM’ vied Elend, sd’ und endlos,
Gs empfindet’s mit Allvater.
Und wie wenig wollen vawider
Ad) die wingigen
Wonnen wiegen,
Die, wie verwehte Rofenblatter,
Wogen auf weiten, weiten BWellen,
Anf des Wehs unendlidem Ocean. —
Traun, Cin Croft nur trobftet vie Trauer:
Gin Biel ift gezeichnet ven zahlloſen Zabren,
Cine Endzeit.
Sd fegne den Lag, da der fengende Surtur
Erbarmend der legten Menſchen Cebilde
Bugleid) mit der müden Erde zermalint,
Da endlid) der Duell unerſchöpflicher Qualen
Verquillt: das legte menfdliche Herz.
Willfommen ver Lag! — und waren fie weife, —
Nod warmer wilnfdten fie felbft ibn herbei.“
J
305
„So empfand id) frither in die Seele eines gütigen
Gottes hinein.
Aber feither —: id) habe vtel gegrübelt und gefonnen
— habe ic) einen anbdern, meinen furdtbharen Gott ge-
funden.
Doch freilich: dieſen meinen Gott muß man erlebt
haben in den Todesſchmerzen des zuckenden Herzens.“
Dabn, Gin Rampf um Rom. IV. 20
Dreiunddreifigftes Capitel.
Julius ſchwieg kopfſchüttelnd.
Der König aber frug:
„Und wie haſt du ihn erlebt, dieſen furchtbaren
Gott?“
„Die Stunde iſt gekommen, Totila, mein Konig
und mein Freund, da du vernehmen magſt, was ich ſo
lange auch dir verſchwiegen: mein Schickſals⸗Geheimniß,
den Schatten, der über mein Leben fiel, es verfinſternd
für immerdar.
Nein, bleibe nur, Chriſt.
Auch du magſt es hören und dir es dann zu Recht
legen mit der Unerforſchlichket der Wege Gottes, mit
der Züchtigung deſſen, den er liebt und anderer Weisheit
der Mönche.
Solches magſt du bei dir denken.
Aber ſprich es nicht aus: ich ertrage nicht — heute
nicht — es zu hören. —
Du kennſt, Totila, meiner Aeltern fluchbeladen Ge⸗
ſchick: denn wir beide wurden ja zuſammen in König
307
Theoderichs Waffenfchule gu Regium von dem alten
Hildebrand erzogen.“
Oa: und wir liebten uns wie Brüder,“ fprad der
Rinig.
WAnfangs ſcheu, verfdloffen, niedergedriidt durch das
Geſchick meiner Wltern, lebte id) in deiner fonnigen Nähe
allmalig wieder anf.
Da itherfielen, mitten im Frieden, Kriegs⸗Schiffe ves
Raifers — ex zürnte mit dem König wegen des Gren}:
ftreitS bet Sirmium — feindlich Regium und fihrten,
auger anbdern Gefangnen, aud) uns vierzig Singlinge,
auf ihre Zriremen uns vertheilend, fort — nur du
warft ihnen entgangen: denn der König hatte did) Tags
zuvor al8 feinen Becher⸗Wart nad Ravenna in das
Palatium entboten.
Der alte Hildebrand und Graf Uliaris festen, fobald
fie e8 erfubren, mit der ficilifdhen Flotte den Grieden
nad, holten ihre Schiffe ein auf ver Hohe von Gatana,
nabmen fie und befreiten alle Gefangnen.
Nur Cin Schiff entfam den Befretern mit rafden
Segeln — die Triveme ,Jtaus Petrou," in welder id
mit gwet Genoffen gebunden lag.
Der Trierach Lykos, anftatt uns Kriegsgejangne nach
Byzanz 3u führen, jog es vor, uns al8 Slaven gu ver:
-faufen und den. Raufpreis eingufteden.
Gr lief ein in den Hafen der Snfel Paros: dort
verſchacherte er uns an feinen Gaſtfreund Drejos, ben
reichſten Kaufmann jener Cilande. .
20*
308
So war denn Teja, des Grafen Tagila Sohn, ein
freter Gothe — Sflave eines Grieden. —
Ich beſchloß, fobald ich meiner Ketten entledigt und
meiner Glieder Herr würde, mid) gu tödten.
Aber als wir, in Heinen Boten ausgefdifft, an’s Land
gebradt wurden, da — o mein Freund — da —"
Und er bielt inne und legte die Gand vor die
Augen.
‚Mein Leja, fyrad ver Rinig, die Hand auf des
Seufzenden Sehulter legend.
da fiel mein Blid auf die reidwergoldete, offue
Ganfte, die neben Dreſos hielt — und anf em Minden
— wunderbar ſchön!
Bald kamen wir auf des Dreſos Villa, nahe bei der
Stadt, an.
Dreſos mißhandelte alle ſeine Sklaven mit Schlägen
und übermäßger Arbeit, ja er mißhandelte ſelbſt ſeine
Mündel Myrtia, das zarte, wunderſame Bild,
Mich traf ein mildres Los.
Als er von mir erfuhr, daß ich Waffen zu ſchmieden
und edles Geſchmeide wohl verſtand, — ich hatte es vom
Knaben an geübt — da behandelte er mich beſſer, baute
nahe ſeiner Villa mir eine Werkſtätte und machte mich
zum Vorſtand der hier beſchäftigten Sklaven.
Auch die Ketten nahm er mir — bei Tage — ab.
Nur bei Nacht ward ich mit meinen zwei gothiſchen
Mitſklaven zuſammengekettet an den Amboß in der
Werkſtatt.
Ich hätte die Flucht bei Tage wohl wagen können.
309 |
Aber ach — id) floh nicht!
Myrtia hielt mid) gefeffelt!
Gie fehen — fle ſprechen: denn oft fam fie in die
Werkitatt, Gefdmeide, Schmuck ju beftellen, befjern gu
laffen, bald auc, mir bet ver Urbeit zuzuſchaun oder
meinem Geſang und Harfenfpiel zu lauſchen.
Und, o ihr emgen Sterne, welde Wonne! Was an-
fangs nur Mitleid gewefen in des ſchönen Griechentinvdes
Bruft — id fah e8, ich tonnte nicht mebr gweifeln —
fie geftand es in feligem ug, — bas ward Liebe,
volle, feltne Liebe.
Ich fann fie nicht ſchildern: golden ihr Haar, golden
thr Auge, golden thy Heyy. — — |
Und aud Leja war einmal gliidltd und glaubte an
Glück und einen giltigen Gott über ven Sternen.
Da fam die Geliebte eines Abends, verftdrt, in Vere
qweiflung, zu der leifen Bwiefprad in die Werklſtätte.
Shr Vormund hatte fie verlobt: verſchachert an dens
felben Trierarchen Lyfos, welder uns in die Stlaverei
verfauft hatte. Bitten, Thränen, fnieefalliges Flehen
blieben umfonft: auf ihren fedgebnten Geburtstag ward
iby die Hochzeit angeſagt. Das war in wenigen
Woden.
Der längſt gebegte Plan zu gemeinfamer Flucht ward
nun rafd gereift.
Ich hatte mir ſchon lange eine Geile gur Löſung
unfrer Ketten gefertigt: nun fdymiedete id) nod) einen
Schlüſſel zur Oeffnung ver Werkhaus⸗-Thüre.
Meine Mitgefangnen waren eingeweiht.
310
Auf ver fleinen Inſel fonnten wir uns nicht vers
borgen halter.
Wir muften yur See entfliehen.
Nahe dem Garten und ver Werkſtätte lag, in der
Meeresbucht feitah von der Villa, ein kleines Segelſchiff
des Drefos, immer geriiftet fiir Luftfabrten, vor Wnfer.
Dies wollten wir benugen, darauf nad Stalien gu
fliehen: Mundvorrath Hatten wir an unfern Tages:
rationen abgefpart, Waffen feblten ja nidt.
Der Geburtstag war und die Hochzeit wurde anbe⸗
raumt an den Ralenden des Sulins.
Sn der Nacht vorher follte ich, nachdem die Rette
purdfetlt, die Thitre gedffnet, vie Genoffen nad) rechts
von bem Hauptgebiude der Villa, in die But und
auf das Schiff geeilt, mich nad) den links von der Villa
gclegnen Frauengemächern fdjleidjen, in welden Myrtia
ſchlief: eine Heine Stridfeiter reichte ans, fle von den
niedren Gelaffen in meine Urme gu führen: und ich follte
Dann mit ihr auf das einftweilen fegelfertig geftellte
Fahrzeug eilen.
Alles war forgfaltig bedadt und bereitet.
Vierunddreifighes Capitel.
Uber ſchon zwei Woden vor dem Godyeittag traf
Lyfos, der tief verhaßte, ein: derfelbe Mann, der mid
alg Sklaven verfauft und der mir nun die Geliebte
rauben wollte.
Mein Hak gegen ihn war grimmig: faum hielt id
mid guritd, ihn zu erfdlagen, al8 er mit Dreſos und
andern Hodgeitsgaften an meinen Amboß trat und id
ihm meine Runftfertigheit zeigen mufte.
Dod ich bezwang mid) — um Myrtia's willen.
Diefe aber flagte, ver verhafte Brautigam drange
immer ungeftiimer zur Hochzeit: kaum könne fie nod
ven Vormund abbalten, fdon fofort fie thm gu über⸗
geben.
Shre Freiheit, thy Kommen und Gehen werde immer
ftrenger überwacht.
Da befdlofien wir, ſchon frither gu fliehen: wir
wablten die Nacht der Gommerfonnenwende, wann, wie
wir wußten, in der Villa, mit grogem Trinkgelage der
Manner, das Lichterfeft gefeiert werden follte.
312
Wir hofften, wenn vie Becher in Wein und Schlaf
verfunten lagen, am Sicherſten gu entkommen.
Sowie vie Sterne in der Mitternacht ftanden, follte
id) Myrtia aus dem Gynäceum entfithren.
Am Tag ver Sonnenwende fam Lykos wieder in die
Werkſtätte mit Drefos und faufte einen foftbaren Gold-
ſchmuck, ven id gefertigt:
‚„Weißt du aud, Slave, fiir wen?” ladte er. „Für
mein Weib Myrtia: und das fage id) dir, Gothenbhund:
wenn Du nochmal den Snedhtesblid fo fred anf ihr
ruben läßt, wie geftern, da fie bier eintrat — ihr fabt
mid) nidjt binter den Taxusbüſchen, aber id) fah did,
— dann bitte id) Dreſos, vid) mir gu fdenten — und
Dann!"
Und er ſchlug mir mit vem Schaft des Speeres, den
ex in der Hand hielt, in das Antlig.
Ich ſchrie auf und griff nad) dem ſchweren Schmiede⸗
hammer — aber Wligern, mein mitgefangner Vetter, fel
mir warnend tn den Wrm.
Und mit einem Fluche ſchritt der Trievard hinaus:
mit weldem Haffe blidte id) dem gefdweiften Helm, mit
dem filbernen Wolf auf dem Samm, und dem gelben
Mantel nad !
Endlid) fam die Nacht, vie Duntelbeit.
Wir hirten bis in unfre Werkſtätte herab den wüſten
Larm des Trinkgelages aus ver Billa dringen: wir
faben die Lichter des Lichterfeftes oben ſchimmern.
Offenbar lagen Drefos, Lykos und die andern Gäſte
in taumelndem Schwelgen.
313
Nod war es nidt ganz Mitternacht —: aber ih
hatte bereits vie Genoffen befreit —: fie waren glücklich
an das Schiff zur Redhten ves Gartens gelangt —:
ver Schrei des wilden Schwans, das mit Aligern vers
abredete Zeichen, war dretmal erflungen —: und eben
trat id) leife aus ber Thüre, nun nad Links bin, nad
vem Frauenhauſe, gu eilen —: da horte ich deutlich die
eiferne @itterthitre gehen, weldje von oben, von ber
Villa, ber tn den Garten führte: argwöhniſch blieb id
fteben und fpabte nad Oben. ;
Wirklich: da ſchlich durch die Taxusbüſche, vorfidtig
taſtend und lautlos auf den Zehen gleitend, ein Mann
in Kriegertracht.
Lykos war es —: deutlich erkannte ich im Mondlicht
ſeinen ſilbernen Wolf auf dem viſirgeſchloßnen Helm: und
den gelben Mantel: und in der Rechten den Speer.
Lauernd, lauſchend kam er näher — ſah ſich um,
ob ihm niemand folge und ſchritt dann wieder gerade
auf unſere Werkſtätte zu, in deren Schatten ich verſteckt
ſtand.
Kein Zweifel: er hatte Verdacht geſchöpft: er wollte
mid) überwachen dieſe Nacht: ver Fluchtplan war vers
rathen.
Grimmig ſprang ich ihm entgegen und ſtieß ihm das
Schwert in die Bruſt.
Da tönte ein Aufſchrei —: mein Name —: das war
nicht Lykos!
Ich öffnete entſetzt das Helmviſir — Myrtia lag
ſterbend vor mir.“
314
Er ſchwieg und verbiillte das Haupt im Mantel.
„Armer, unfeliger Freund,” fprad Totila, nad) feiner
Rechten langend.
Sulius aber ſprach leife, unhörbar fiir beide:
Mein ift die Race, tc will vergelten: fpridt der
Herr."
Teja erhob das Haupt und fubr fort:
„Ich fiel finnlos, bewußtlos neben iby nieder.
Wis id gu mir fam, fithlte ich den frifden Hand
ver Geeluft um mid wehn.
Die Genoffen, Aligern voran, waren, beforgt fiber
unfer langes Ausbleiben, in den Garten nad ver Werks
ftitte.suriidgefehrt: dort fanden fie uns beide.
Bevor fie ftarh erzählte vie Geliebte kurz, wie
Drefos und Lykos, beive beraufdt, im Taumel des Feft-
gelages plötzlich befdloffen, nod) in diefer Nacht die
Hochzeit gu vollziehen.
Kurz vor Mitternacht hatte man die Widerſtrebende
aus dem Frauengemach geholt und in die Villa, in das
wilde Zechgelage, geſchleppt.
Sogleich ſollte die Hochzeitfeier gehalten werden:
Dreſos legte ihre zitternde Hand in die des Lykos.
Nur ſoviel Zeit ſollte gelaſſen werden, daß dieſer ſich
zu der auf ſeinem Schiffe zu haltenden Feier umkleiden,
Befehle dorthin entſenden konnte.
So ließ man die Braut — für kurze Zeit — allein.
Dieſe Zeit benutzte ſie, eilte in die Vorhalle, wo
ſie des Lykos Helm und Mantel hatte liegen ſehen: ſie
hüllte ſich raſch in dieſe Verkleidung, ſchloß das Viſir.
315
barg iby Frauengewand in dem langen, gelben Mantel
Undd eilte an einigen der berauſchten Gafte, unerfannt,
Dorüber, geradewegs gu mir in die Werlftatte —: denn
tani Frauenbaufe waren nun alle Stlaven und Stlavinnen
oad — von dort aus mit uns yu fliehen.
Und iby legtes Wort war ein Segenswunfd fiir
Farid gewefen. |
Gie muften mid halten —: ich wollte mic in's
Weer werfen.
Ich verfiel in ein bigiges, ſchweres Fieber.
Ich erwadte erft an Bord eines gothifden Kriegs⸗
Pdhiffes, unter Herjog Thulun, vas uns bei Kreta aufs
Nmahm.
Da entdeckte Aligern plötzlich, daß uns die Trireme
Des Lykos, die entflohenen Sklaven verfolgend, nachge⸗
ſetzt war und eben um die Spitze von Kydonia bog,
al8 wir an Bord ves Kriegsſchiffes waren.
Sofort fegte ver Grieche alle Leinwand auf, zu ents
fommen, al8 er die gothifdhe Rriegsflagge erfannte : aber
Herjog Thulun und Aligern jagten nad, Holten den
Griechen ein, enterten und erfdlugen Lykos, Drefos und
Vie dreigig Mann des Schiffsvolks.
Ich aber war, da ich erwachte, der Teja, der ich bin.
Und glaubte nicht mehr an den Gott der Gnade
und Liebe: und wie ein Hohn auf Myrtia klingt jedes
Wort, das davon fafelt.
Was hatte fle — was hatte id) verfduldet? Weß⸗
halb ließ Gott, wenn er lebt, dies Grauenhafte gu?"
Fünfunddreißigſtes Capitel.
„Und weil dieſe Cine Rofe getnidt, lengneft du den
Gommer und den Sonnenſchein?“ fragte Lotila, und
glaubft, ein blindes Ungefähr beherrſcht die Welt?
„Das glaub’ ich nidt. Ewige Nothwendigkeit feb’
ich im Gang ver Sterne da oben: und dad gleiche, ewige
Geſetz lenkt unſre Erde und die Gefchide ver Mtenfdjen.
Aber vies Gefeg ift ohne Sinn? fragte Julius.
„Nicht ohne Sinn: nur hat e8 nidjt den Sinn und
Bwed unfres Glückes.
Sich felbft gu erfitllen ift fein eingiger, hober, geheim⸗
nißvoller Zweck.
Und wehe den Thoren, die da wähnen ihre Thränen
werden gezählt jenſeit der Wolken.
Oder aud) vielleicht wohl ihnen —: ihr Wahn bes
glückt ſie!“
„Und dein Denken,“ ſprach Julius, ,beglitdt nicht.
Ich ſehe nicht ein, wofür, wozu du lebſt, bei ſolcher An⸗
ſchauung.“
„Das will ich dir ſagen, Chriſt.
Das Rechte thun, was Pflicht und Ehre heiſchen,
317
ohne dabet auf taufendfadhe Verzinſung jeder Edelthat
im Genfeits gu rechnen: Volk und Vaterland, die Freunde
mannlid lieben und folde Liebe mit tem Blut befigein:
ras Schlechte in den Staub treten, wo du es findeft: —
venn Dak es fcledt fen muß, macht e8 nidt minder
häßlich: du tilgft aud Matter und Neffel, obwobl fie
nicht dafür finnen, daß fie nicht Nachtigall und Rofe
— und dabei allem Glück entfagen, nur jenen tiefen
Frieden fudjen, der da unendlid) ernft und hod) ift wie
der nächtige Himmel und wie leudtende Sterne gehen
darin auf und nieder traurige, ftolje Geranfen —: und
vem Pulsſchlag des Weltgeſetzes lauſchen, ver in der
eignen Bruſt wie in dem Sterngetriebe geht: — aud)
vas, Chriſt, ift ein Leben — des Lebens werth.”
„Aber ſchwer,“ feufyte Lotila, „unendlich ſchwer: zu
ſchwer für Menſchenkraft.
Nein, Teja: und kann ich nicht mit meinem frommen
Freund in allen Stücken den Glauben theilen, der vie
Beit beherrſcht: — das ift vod) emig wabhr, weil es
meine Geele nidt entbehren fann: e8 lebt etn güt'ger
Gott, der das Gute befdhirmt und das Böſe beſtraft.
Jn diefes geredten Gottes Hand befehl’ ich auch mid
und unfred Bolts geredjte Sade.
Und in diefem Glauben feh’ ich morgen unfrem Sieg
getroft entgegen.
Das Recht ift mit mir —: das Rede kann nidt
erliegen.“
„Das Redjt exliegt oft vor vem Unredt: Witichis
vor Cechegus!“
318
„Ja, anf Erden,“ fiel Julius ein: denn nidt
ift unfre Heimath: es giebt ein Senfeits, in wel
Alles ſich geredht erfüllt.“
„Das müßte fein,” ſprach Leja, ſich erhebend, ¢
bittren Bug um den ſchön und ebel geſchnittnen Dt:
„Nur fann man das nidt denfen — nur tram
Und id fitr mein Theil, id) habe genug: id wit
nicht zu erwachen gu nenem Leben, wenn mir der
ver Speer im Herzen ſteckt.“
Da trat Graf Thorismuth, von einem Ritt 31
getehrt, in's Gemad und fprad:
„Getroſt, Herr König, ich habe felbft nod ein
nad gefeber.
Die Reiter des Corfen ftehen auf dem redjten |
bereit. Schon find aud) die Erften feiner nadciide
Hunderte eingetroffen.
Aber dreihundert der Tapferften erwartet er n
pu migeft morgen den Angriff ver Langobarden
alten, bid er ihr Gintreffen dir melden laffe: ,,fte
pie Grimmigften,” fpradh Furius, „ſie ditvfen mir
feblen .“
„Wohlan,“ rief Heiter lächelnd Totila, den E
pofal erhebend, „das will id) wohl durch Reitertunfi
reichen: und nun den legen Becher !
Cuden wir das Lager.
Willft ou, Leja? vie Schlacht von Paging nto
entſcheide unfern Streit.
Gin wahres Gottesurtheil!
Gin Urtheil Gottes felber, ob er lebt!
319
Ich fage: es lebt ein Gott — drum fiegt die gute
Gade."
wpaltet ein,” rief Julius bewegt, „ihr follt nidt
Gott verfuden!"
„Siehſt du," fagte Leja aufftehend und ven Sdild
auf den Riiden werfend — ihm bangt fiir feinen Gott.“
Kethsunddreifighes Capitel.
Leuchtend ftieg amt andern Morgen die Gonne am
Himmel empor und ihre erften Strahlen fanden das
Lager der Gothen ſchon in kriegeriſcher Bewegung.
Als ver Kinig aus vem Haufe auf ven Markwlatz
von Laging trat, eilten ihm Herzog Woalgoth, Graf
Thorismuth und Phaza, ver Arfafide, der treu ergebne
Gefangne von Neapolis, entgegen:
„Heil, Herr und Sieg. Hier fendet dir deine Braut
rein milchweiß Schlachtroß und deine Waffen, reid
geſchmückt gum Siege.“
Und der König ſetzte auf bas lang wallende Golds
haar den bligenden, offen, vifirlofen Helm mit dem hod
ragenden Silberſchwan, um defen Hals und gewölbte
Flügel Valeria ein Gefledt von rothen Rofen gewunden.
Und er ftretchelte Hveit⸗fula's glingenden Bug,
weldem Valeria Mähne und Schweif mit hochrothen
Bändern und goldenen Borten durdflodten hatte.
Klirrend ſchwang er ſich in den Sattel.
Cin Mariſkalk fithrte nod zwei Crfagpferde fiir den
321
König: darunter Pluto, ves Prafecten unwillig ſchnauben—
ten Rappen.
Von feinen Sdultern flop ver weit webende, weiße
Mantel von einer breiten, fdweren, mit Chelfteinen bes
ſetzten Riegelfpange unter der Kehle zuſammen gebalten.
Sein Harnifh war von glanjentem Silber, reid) mit
Gold eingelegt, den fliegenden Schwan darftellend: die
Enden des Harnifdes, an den Armen, dem Halfe und
um den Gürtel, waren mit Purpurfeide eingefagt.
Die Arme und Beine jeigten den Wappenrod von
ſilberweißer Geide, der aud) die Hitften bedeckte.
Breite, golone Ringe und Kampfhandſchuhe ſchützten
bie Arme, Beinſchienen die Kniee und vie VBorderfeite der
Füße.
Der ſchmale, der zierlich geſchweifte, längliche Schild
zeigte in drei Feldern Silber, Gold, Purpur und den
fliegenden Schwan von weißer Laſur in dem Goldfeld.
Purpurfarben und mit Silber beſetzt waren Behäng
und Riemenzeuz des Roſſes.
In der Rechten ſchwang er den Speer, an deſſen
Spitze Valeria vier Lang flatternde Wimpel von purpur⸗
nen und weißen Bändern angebracht hatte: — fröhlich
flatterten ſie im Morgenwind.
So geſchmückt und ſchimmerſtrahlend ritt der König
durch die Straßen von Taginä an der Spitze ſeiner
Reiter: Graf Thorimuth, Phaza, ver Armenier, und
Herzog Adalgoth, aud) Julius beritten in feinem Gee
felge: Diefer ohne Lrugwaffen, aber mit vem © bilde
ron Teja's Waffengefdent.
Dan, Gin Kampf um Rom. IV. 21
314
Er ſchwieg und verhüllte das Haupt im Mantel.
„Armer, unfeliger Freund,” ſprach Totila, nad feiner
Rechten langend.
Julius aber fprad leife, unhörbar fiir beide:
» tein ift die Rache, ich will vergelten: ſpricht der
Herr.“
Teja erhob das Haupt und fubr fort:
„Ich fiel ſinnlos, bewußtlos neben ihr nieder.
Als ich zu mir kam, fühlte ich den friſchen Hauch
der Seeluft um mich wehn.
Die Genoſſen, Aligern voran, waren, beſorgt über
unſer langes Ausbleiben, in den Garten nach der Werk⸗
ſtätte zurückgekehrt: dort fanden fie uns beide.
Bevor ſie ſtarb erzählte die Geliebte kurz, wie
Dreſos und Lykos, beide berauſcht, im Taumel des Feſt⸗
gelages plötzlich beſchloſſen, noch in dieſer Nacht die
Hochzeit zu vollziehen.
Kurz vor Mitternacht hatte man die Widerſtrebende
aus rem Frauengemad geholt und in bie Villa, im das
wilde Redgelage, gefdleppt.
Sogleid) follte die Hocdyeitfeier gehalten werden:
Drefos legte ihre zitternde Hand in die des Lyfos.
Nur foviel Reit follte gelafjen werden, dak diefer fid
zu Der anf fetnem Schiffe zu haltenden Feier umfleiden,
Befehle vorthin entfenren fonnte.
So ließ man vie Braut — für kurze Beit — allein,
Diefe Bett benugte fie, etlte in die Vorhalle, wo
fie Pes Lykos Helm und Mantel hatte liegen ſehen: fie
hüllte fid) raſch in dieſe Verkleidung, ſchloß vas Biftr,
315
barg iby Frauengewand in dem langen, gelben Mantel
und eilte an einigen der berauſchten Gafte, unerfannt,
voriiber, gerademegs gu mir in die Werkſtätte —: denn
im Frauenhauſe waren nun alle Sflaven und Sflavinnen
wad) — von dort aus mit uns ju fliehen.
Und ihr legtes Wort war ein Segenswunfd fiir
mid) gewefen. |
Sie muften mid) balten —: ich wollte mid in's
Meer werfen.
Ich verfiel in ein bigiges, ſchweres Fieber.
Sd erwadte erft an Bord eines gothifden Kriegs⸗
fciffes, unter Herzog Thulun, das uns bei Sreta auf⸗
nahm.
Da entdedte Aligern plötzlich, daß uns die Trireme
des Lykos, die entflohenen Sklaven verfolgend, nachge⸗
ſetzt war und eben um die Spitze von Kydonia bog,
als wir an Bord des Kriegsſchiffes waren.
Sofort ſetzte der Grieche alle Leinwand auf, zu ent⸗
kommen, als er die gothiſche Kriegsflagge erkannte: aber
Herzog Thulun und Aligern jagten nach, holten den
Griechen ein, enterten und erſchlugen Lykos, Dreſos und
die dreißig Mann des Schiffsvolks.
Ich aber war, da ich erwachte, der Teja, der ich bin.
Und glaubte nicht mehr an den Gott der Gnade
und Liebe: und wie ein Hohn auf Myrtia klingt jedes
Wort, das davon faſelt.
Was hatte fle — was hatte ich verſchuldet? Weß—⸗
halb ließ Gott, wenn er lebt, dies Granenbafte zu?“
Fünfunddreißigſtes Capitel.
„Und weil diefe Cine Rofe getuidt, lengneft pu den
Gommer und ven Sonnenſchein?“ fragte Lotila, und
glaubft, ein blinded Ungefähr beherrſcht bie Welt?
Das glaub’ id) nicht. Ewige Nothwendigkeit feh’
id) int Gang ver Sterne ba chen: und das gleide, ewige
Geſetz lentt unfre Erde und vie Gefdide der Menſchen.“
Uber vied Gefeg ift ohne Ginn? fragte Julius.
„Nicht ohne Ginn: nur bat es nidt den Ginn und
Bwed unfres Glückes.
Sich felbft gu erfüllen ift fein einziger, hoher, geheim⸗
nißvoller Zweck.
Und wehe den Thoren, die da wähnen ihre Thränen
werden gezählt jenſeit der Wolken.
Oder auch vielleicht wohl ihnen —: ihr Wahn be⸗
glückt ſie!“
„Und dein Denken,“ ſprach Julius, ‚beglückt nicht.
Ich ſehe nicht ein, wofür, wozu du lebſt, bei ſolcher An⸗
ſchauung.“
„Das will ich dir ſagen, Chriſt.
Das Rechte thun, was Pflicht und Ehre heiſchen,
317
ohne dabei auf tauſendfache Verzinſung jeder Cdelthat
im Jenſeits yu rechnen: Volk und BVaterland, vie Freunde
mannlidy lieben und foldje Liebe mit vem Blut befigeln:
ras Sdlecdhte in den Staub treten, wo du es findeft: —
penn daß es ſchlecht fein muß, macht es nidjt minder
Hafli: du tilgft aud Natter und Neffel, obwohl fie
nidt dafür können, daß fle nidt Nachtigall und Rofe
— und dabet allem Glück entfagen, nur jenen tiefen
Frieden fuden, ver da unendlid) ernft und hod) ift wie
der nächtige Himmel und wie leudjtende Sterne geben
darin auf und nieder tranrige, ftolje Gedanfen —: und
vem Pulsſchlag des Weltgeſetzes lauſchen, der in der
eignen Bruft wie in dem Sterngetriebe geht: — aud
pas, Chriſt, ift ein Leben — des Lebens werth.“
„Aber ſchwer,“ ſeufzte Lotila, „unendlich ſchwer: gu
ſchwer für Menſchenkraft.
Nein, Teja: und kann ich nicht mit meinem frommen
Freund in allen Stücken den Glauben theilen, der vie
Beit beherrſcht: — das ift doch ewig wabhr, weil es
meine Geele nicht entbehren fann: es lebt ein güt'ger
Gott, ver vas Gute beſchirmt und das Böſe beftraft.
In dieſes gerechten Gottes Hand befebl’ ich auch mid)
und unſres Volks gerechte Sache.
Und in dieſem Glauben ſeh' ich morgen unſrem Sieg
getroſt entgegen.
Das Recht iſt mit mir —: das Recht kann nicht
erliegen.“
„Das Recht erliegt oft vor dem Unrecht: Witichis
wor Ceihegus!“
318
oa, anf Groen,“ fiel Sulius ein: ,denn nidt bier
ift unfre Geimath: e8 giebt ein Senfeits, in weldem
Alles ſich gerecht erfüllt.“
„Das müßte ſein,“ ſprach Teja, ſich erhebend, einen
bittren Bug um den ſchön und ede! geſchnittnen Mund.
„Nur fann man dads nidt denfen — nur traumen.
Und ich für mein Theil, ich habe genug: ich wünſche
nicht 3u erwaden ju neuem Leben, wenn mir dereinft
der Speer im Herzen ſteckt.“
Da trat Graf Thorismuth, von feinem Ritt zurüd
gekehrt, in's Gemach und ſprach:
„Getroſt, Herr König, ich habe ſelbſt noch einmal
nach geſehen.
Die Reiter des Corſen ſtehen auf dem rechten Fleck
bereit. Schon ſind auch die Erſten ſeiner nadriidenten
Hunderte eingetroffen.
Uber dreihunvdert der Tapferften erwartet ex nod:
pu migeft morgen den Angriff ver Langobarden hin:
halten, bis er thr Cintreffen dir melden laffe: fle find
pie Grimmigften,” fprad Furius, fie dürfen mir nidt
feblen “
„Wohlan,“ rief Heiter lächelnd Totila, den Wolds
pofal erhebend, „das will id) wohl durch Reiterfunft ers
reichen: und nun den legen Becher!
Suden wir vas Lager. |
Wilt vu, Teja? vie Schlacht von Taging morgen
entſcheide unfern Streit.
Cin wahres Gottesurtheil!
Cin Urtheil Gottes felber, ob er lebt!
319
Sh fage: e8 lebt etn Gott — drum fiegt die gute
Sache."
„Haltet ein,” rief Sulius bewegt, ihr follt nidt
Gott verfuden !“
„Siehſt du," fagte Teja aufftehend und den Schild
auf den Riiden werfend — ,thm bangt fiir feinen Gott.“
Sechsunddreißigſtes Capitel.
Leuchtend ftieg am andern Morgen die Sonne am
Himmel empor und ibre erften Strahlen fanven vas
Lager der Gothen ſchon in Eriegerifcher Bewegung.
Als ver Kinig aus vem Hauſe auf ven Marfrplag
von Taginä trat, eilten ihm Herzog Avalgoth, Graf
Thorismuth und Phaza, ver Wrfakive, der treu ergebne
Gefangne von Meapolis, entgegen:
weil, Hery und Sieg. Hier fendet vir deine Braut
vein milchweiß Schlachtroß und deine Waffen, reid
gefdmitdt zum Siege.“
Und der König fegte auf bas lang wallende Golds
haar den bligenden, offnen, vifirlofen Helm mit dent Hod
ragenden Silberſchwan, um deffen Hals und gewölbte
Flügel Valeria ein Geflecht von rothen Rofen gewunden.
Und er ftreidelte Hveit⸗fula's glingenden Bug,
weldjem Valeria Mähne und Schweif mit bhodrothen
Banrern und goldenen Borten durdflodten hatte.
Klirrend ſchwang er fid) in den Sattel.
Cin Mariſkalk fithrte nod zwei Crfagyferde fiir den
321
König: Darunter Pluto, des Prafecten unwillig ſchnauben—
ten Rappen.
Bon feinen Sdultern floß ver weit webende, weife
~ Mantel von einer breiten, fdweren, mit Chelfteinen bes
feBten Riegelfpange unter der Keble zuſammen gebalten.
Sein Harniſch war von glänzendem Silber, reid mit
Gold eingelegt, den fliegenden Schwan darftellend: die
Enden ves Harnifdes, an den Armen, dem Halfe und
um den @iirtel, waren mit PBurpurfeive eingefaft.
Die Arme und Beine jeigten den Wuappenrod von
ſilberweißer Geide, der aud) die Hüften bededte.
Breite, goldne Ringe und Kampfhandſchuhe ſchützten
bie Arme, Beinfdienen vie Kniee und die Vorderfeite der
Füße. |
Der ſchmale, ver zierlich geſchweifte, längliche Schild
zeigte in drei Feldern Silber, Gold, Purpur und den
fliegenden Schwan von weißer Laſur in dem Goldfeld.
Purpurfarben und mit Silber beſetzt waren Behäng
und Riemenzeug des Roſſes.
In der Rechten ſchwang er den Speer, an deſſen
Spitze Valeria vier lang flatternde Wimpel von purpur⸗
nen und weißen Bändern angebracht hatte: — fröhlich
flatterten ſie im Morgenwind.
So geſchmückt und ſchimmerſtrahlend ritt dex Konig
rurd die Straßen von Taginä an ver Spitze feiner
Reiter: Graf Choritmuth, Phaza, der Armenier, und
Herzog Uralgoth, aud) Julius beritten in fetnem Gee
folge: diefer ohne Trubwaffen, aber mit dem S hilde
von Teja's Waffengefdent.
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 91
322
Niemals hatte er fo herrlidh in Schönheit geleudtet.
Und alles Bolt begrüßte ihn auf feinem Ritt mit
jubelndem Zuruf.
An vem Nordthor von Tagind ritt ihm Aligern
entgegen.
Du follteft ja auf dem rechten Flügel fechten.“ fragte
Der König.
„Was führt did) zu mir?“
„Mein Vetter Teja hat befohlen,“ ſprach Aligern
„ich ſolle in deiner Nähe bleiben und dein Leben hüten.“
„Der unermüdlich Treubeſorgte!“ rief ver König.
Aligern ſchloß ſich an ſein Gefolge.
Graf Thorismuth übernahm hier den Befehl über
das in den Häuſern verborgne Fußvolk.
Bor dem Nordthor von Taginä ritt ver Koönig
bie Front ſeiner nicht ſtarken Reiterſchar ab und ent⸗
hüllte nun den Reiterführern ſeinen Plan.
„Ich muthe euch das Schwerſte zu, Waffenbrüder:
Flucht.
Aber die Flucht iſt nur Schein.
Die Wahrheit iſt euer Muth: — und der Feinde
Verderben.“
Und nun ritt die kleine Schar auf der flaminiſchen
Straße über die Stelle des Hinterhalts zwiſchen den
beiden Hügeln vorbei: der König überzeugte ſich, daß
des Corſen Perſer⸗Reiter wachſam in beiden Hügel⸗
Wäldern lauerten: zur Rechten von Furius ſelbſt, zur
Linken von ihrem Häuptling Isdigerd geführt.
In Caprä durch's Südthor eingeritten ſchärfte Totila
323
pem bier vertheilten Fußvolk der Bogenſchützen unter
Graf Wifand, dem Bandalarius, nodymal ein, erft
mann die perfifdhen Reiter ihren Angriff auf die Lango-
barden gemadt, aus ben Haufern, wo fie bis dabin
verborgen lagen, wie aus dem Südthor vorgubreden
und diefe im Rilden gu faffen, indeß aus Tagina’s Nord⸗
thor das fpeertragende Fußvolk entgegen ftitrme.
„So werden die Langobarden und was etwa von des
Narfes Fußvolk nachdringt zwiſchen Capra und Taginä
von allen vier Seiten zugleich umfaßt und erdrückt, von
mir und Thorismuth von vorn, von Furius und Isdi—⸗
gerd aus den Flanfen, von Wifand im MRiiden. Sie
find verloren.“
„Sieht er nidt aus wie der Sonnengott?“ frug
Adalgoth entzückt ven Mind.
„Still! feinen Gsgendienft mit Gonne oder Menſchen.
Und heut' ift Gonnenwende!" antwortete diefer.
Endlich erreidte der König das Nordthor von Caprä,
ließ e8 öffnen und fprengte mit feiner fleinen Schar
auf das weite Bladfeld vor Capra gegenitber Helvillum.
Hier Hielt das WMtitteltreffen ved Narſes gerade
gegeniiber: in erfter Reihe Alboin mit feinen langobar-
diſchen Reitern: hinter diefen, in weitem Zwiſchenraum,
Narſes in feiner Sanfte, umgeben von Cethegus, Liberius,
Anzalas und andern Führern.
Narſes hatte eine böſe Nacht, mit leichten Krampf⸗
anfallen, binter ſich: er war ſchwach und fonnte ſich nicht
lange ftehend erhalten in feiner nieder geftelten, offnen
Sänfte.
21*
324
Gr hatte Alboin nod einmal eingefdharft, nicht
anjugreifen ohne ausdrücklichen Befebl.
König Totila gab nun feinen Reitern das Zeidhen :
und im Trabe ging die dünne Reihe gegen die colofjale
Uebermadt ver Langobarden vor.
„Sie werden uns dod) nicht den Schimpf anthun,
mit den par Lanzen uns anzugreifen!“ rief Wlboin.
Angriff fchien zunachſt nidt des Königs Bwed.
Er war den Seinen, welde plötzlich Halt gemacht,
weit voran geritten und 30g nun aller Augen durch
feine Reiters und Fechter⸗Kunſt auf fid.
Den Byzantinern war das Sdhaufpiel, das er ge-
wabrte, fo wunderfam, dag die Augengengen es mit
Staunen Prokop beridteten, ver, felber ftaunend, uns
davon erzablt.
„An Ddiefem Tage, ſchreibt er, ,wollte Konig Totila
feinen Feinden zeigen, weld)’ ein Mann er fei.
Seine Waffen, fein Roß fdhimmerten von Gold.
Von ver Spitze feines Speeres flatterten ver ſchim⸗
mernden Burpurwimpel fo viele, daß ſchon diefer Schmuck
pon fern den König verkündete.
So pflog er, auf herrlichem Roß, in der Mitte
zwiſchen beiden Schlachtreihen, funftvollen Waffenfpiels.
Er ritt bald Rreife, bald gierlide Halbkreiſe zur
Redten und Linken, warf im Galopp den banderreiden
Speer hod über fein Haupt in die Luft und fing ibn,
ele der gitternde niederfiel, gefdidt in ver Dtitte des
Schaftes, bald mit ver Rechten, bald mit der Linken:
325
und er zeigte fo vor den ftaunenden Heeren feine Reit⸗
und Waffen « Cunft.”
Nad ver Schlacht erfubren iibrigens aud) die Byzan⸗
tiner, daß vie Abſicht, Beit gu gewinnen, bis eine ers
wartete Schar Reiter eintrafe, ver ernfte Grund ves
heitern Spiels gewefer.
Eine Weile ſah ſich Alboin dies mit an.
Dann rief er dem neben ihm haltenden Langobarden⸗
führer zu:
„Der reitet in die Schlacht, wie zur Hochzeit ge⸗
ſchmückt.
Welch' koſtbares Rüſtzeug! Das ſieht man nicht
bei uns daheim, o Vetter Giſulf!
Und noch immer nicht angreifen dürfen! Schläft
denn Narſes wieder?“
Siebenunddreifighes Capitel.
Endlich fprengte ein perſiſcher Reiter, durch die Reihe
ver Gothen fid) Bahn bredend, an den König heran:
er brachte eine Meloung und jagte ſpornſtreichs zurück.
„Nun endlich!“ ſprach Totila, „jetzt iſt's genug des
Spiels!
Tapfrer Alboin, Audoins Sohn,“ rief er laut hinüber,
„ſo willſt du wirklich für die Griechen fechten, gegen
uns? Wohlan, ſo komm, Königsſohn —: dich ruft ein
König!“
Da hielt ſich Alboin nicht linger: mein mug er
werden mit Panzer und RoR,” fdrie er und fprengte
mit eingelegter Lange wüthend heran.
Totila brachte, mit leifeftem Schenkeldruck, fein tän⸗
zelndes Pferd plötzlich zum Stehn: er ſchien den Stoß
erwarten zu wollen.
Schon war Alboin heran.
Da: — abermals ein leiſer Schenkeldruck und ein
feiner Seitenſprung des Pferdes: — und an Totila
vorbei ſauſte der Langobarde.
Im Augenblick aber war Totila in ſeinem Rücken —
327
und ohne Mühe hatte er ihn mit dem gezückten Speer von
binten durchbohrt.
Laut auffdrien die Langobarden und eilten ihrem
Königsſohn gu Hiilfe.
Uber Lotila ſchwenkte vie Lanje im feiner Hand
berum und begniigte fic, mit dem ftumpfen Schaft-Envde
rem ,Gegner einen folden Stoß in die linfe Seite gu
geben, dag er auf der redjten Seite aus dem Sattel
zur Erbe flog.
Ruhig ritt darauf Totila zu feiner Linie guriid,
ren Gpeer fiber dem Haupte ſchwenkend.
Alboin war wieder zu Pferd geftiegen und führte
nun den Angriff feiner Gefdwader auf die ſchwache
gothifde Reihe.
Aber bevor ver Anprall erfolgte, rief der Konig:
„Flieht! flieht in die Stadt!" warf fein Roß herum
und jagte davon, auf Caprä gu.
Eilfertig folgten ihm feine Reiter.
Ginen Augenblick ſtutzte Alboin verbliifft.
Aber gleich darauf rief er:
„Es iſt nicht anders. Es iſt eitel Flucht! Da
rennen ſie ſchon in das Thor.
Ja: Reiterkunſtſtücke und Kampf ſind zweierlei.
Nach, meine Wölflein! Hinein in die Stadt.“
Und fie ſprengten auf Gapra los, riſſen das, von
pen Hliehenden nur zugeworfne, nidt verriegelte Mord-
Thor auf und jagten durch vie lange Hauptftrage auf
pas Südthor yu, durch welded eben vie legten Gothen
verfdwanden.
328
Narſes hatte fid) in feiner Sänfte mithfam aufredt
erhalten bis jest und Wes mit angefehen.
„Halt,“ rief er nun heftig. „Halt! Blaſt rite
Tuba! blaſt zum Halten! Bum Rückzug! E8 ift vie
plumpfte Galle der Welt! Aber diefer Alboin meint, es
mu Ernſt fein, wenn Ciner vor thm läuft.“
Aber die Trompeter Hatten gut blafen.
Das Siegedgefdret der verfolgenden Langobarden
übertönte das Cignal: oder die es hörten, veradteten es.
Stöhnend fah Narfes die legten Reihen der Langes
barden in dem Thore von Capri verſchwinden.
„Ach,“ feufzte er, „ſo mug ich febenten Auges eine
Chorheit begehen.
Sd fann fie nicht untergeben laffen fiir ihre Dumm⸗
heit, wie fie es werdienten. Ich brauche fie ned.
Alſo vorwarts, im Namen des Unfinns!
Bis wir fie einholen, können fie ſchon halb zer⸗
hauen ſein.
Vorwärts, Cethegus, Anzalas und Liberius, mit den
Iſauriern, Armeniern und Illyriern.
Hinein nad Capra.
Aber bedenft: vie Stadt fann nicht leer fein! Es
ift eine Falle, in die wir jenen Stieren nadfpringen, mit
fehenten Augen.
Meine Sanfte folgt end.
Uber i fann nicht mebr ftebn.”
Und er lehnte fic) müde zurück: cin leiſer Schauer,
wie er ihn oft in der Aufregung ergriff, ſchüttelte ibn.
329
Im Sturmfdritt etlte ves Cethegus und Liberius
Fußvolk gegen tie Stadt: beide Führer ritten voraus.
Inzwiſchen Hatten Flichende und Berfolger das
ſchmale Städtlein vurdflogen, aud die legten Lanygos
barden Caprä paffixt und vie erften derfelben mit Alboin
vie Stclle der flaminifden Strafe halbwegs wor Taginä
erreidht, wo die beiden Wald-Hügel links und redhts
bie Straße etnengten.
Noch eine Pferdelange floh ver König —: vann hielt
er, wandte ſich und wintte.
Avalgoth an feiner Seite ſtieß in’S Horn —: da
brad) aus dem Nord⸗Thor von Tagind Thorismuth
mit den Gpeertragern: und aus dem Doppelhinterhalt
ftiirgten, von links und redts, mit gellendem Zinken⸗
gefdmetter, die perfifden Reiter des Corfen.
Jetzt febrt, meine Gothen: vorwarts gum Angriff!
Jetzt wehe den Getäuſchten.“
Rathlos blickte Alboin nach allen drei Seiten.
„So übel ſind wir noch nirgends eingetrabt, meine
Wölflein!“ ſagte er.
Er wollte zurück.
Aber auch aus vem Südthor von Caprä, ven Riids
weg fperrend, brad nun gothifdes Fußvolk.
Sept heißt's nur nod {uftig fterben, Gifulf. Grüße
mir Rofimunda, wenn du davon fommen follteft.”
Und fo wandte er fid) gegen einen der Reiterfiihrer
mit reidem, offnem Goldhelm, rer nun die Strafe ers
reidjt hatte und gerade auf ihn cinfprengte.
322
Niemals hatte er fo herrlich in Schönheit gelendtet.
Und alles Bolt begriifte ihn auf feinem Ritt mit
jubelndem Zuruf.
An vem Nordthor von Taginä ritt ihm Aligern
entgegen.
„Du follteft ja auf dem rechten Flügel fedten,” fragte
der König.
Was führt did) gu mir?“
„Mein Better Teja hat befohlen,“ fprad Aligern
wid) folle in deiner Nabe bleiben und dein Leben biiten.”
„Der unermübdlich Treubeforgte!" rief der König.
Aligern ſchloß ſich an fein Gefolge.
Graf Thorismuth iibernahm hier ven Befehl über
das in den Haufern verborgne Fußvolk.
Vor dem Nordthor von Tagind ritt ver König
die Front feiner nicht ftarfen Reiterſchar ab und ente
hüllte nun den Reiterfithrern feinen Plan.
„Ich muthe euch das Sdywerfte zu, Waffenbriider:
Flucht.
Aber vie Flucht iſt nur Schein.
Die Wahrheit iſt euer Muth: — und der Feinde
Verderben.“
Und nun ritt die kleine Schar auf der flaminiſchen
Straße über die Stelle des Hinterhalts zwiſchen den
beiden Hügeln vorbei: der König überzeugte ſich, daß
des Corſen Perfers Reiter wachſam in beiden Hügel⸗
Wäldern lauerten: zur Rechten von Furius ſelbſt, zur
Linken von ihrem Häuptling Isdigerd geführt.
In Caprä durch's Südthor eingeritten ſchärfte Totila
323
rem hier vertheilten Fußvolk der Bogenfdiigen unter
Graf Wifand, vem Bandalarius, nodmal ein, erft
wann die perfifden Reiter ihren Angriff auf die Lango-
barben gemacht, aus den Haufern, wo fie bis dabin
verborgen lagen, wie aus dem Südthor vorgubreden
und Ddiefe im Rücken gu faffen, indeß aus Tagina’s Nord⸗
thor bas fpeertragende Fußvolk entgegen ſtürme.
„So werden die Langobarden und was etwa von ded
Narfes Fußvolk nachdringt gwifden Capra und Taginä
von allen vier Seiten gugleid) umfaßt und erdriidt, von
mir und Thorismuth von vorn, von Furius’ und Isdi⸗
gerd aus den Flanken, von Wifand im Riiden. Sie
find verloren.“
„Sieht er nidt aus wie der Sonnengott?“ frug
Adalgoth entziidt ven Mind.
„Still! feinen Götzendienſt mit Gonne oder Menſchen.
Und heut' ift Gonnenwende!" antwortete diefer.
Endlich erreidhte der Konig das Nordthor von Capra,
ließ es öffnen und ſprengte mit feiner Heinen Scar
auf Das weite Bladfeld wor Capra gegeniiber Helvillum.
Hier hielt vas Miitteltreffen ves Narſes gerade
gegenitber: in erfter Reihe Wlboin mit feinen langobar-
Dijden Reitern: hinter diefen, in weitem Zwiſchenraum,
Narfes in feiner Sanfte, umgeben von Cethegus, Liberius,
Angalas und andern Fiihrern.
Marfes hatte eine böſe Nacht, mit leichten Rrampf-
anfallen, inter fic): ex war fdwad und fonnte ſich nicht
lange ſtehend erhalten in feiner nieder geſtellten, offnen
Sänfte.
21*
332
Tenn tief geriihrt hatte ihn, was thm Giſulf er⸗
zählt, ver Totila deutlich die Lanjenfpige mit rem Schaft⸗
Ende vertaufden gefehn.
Rein! Nieder mit dem König!“ rief Furius.
Und fdon war er heran und warf den Speer auf ten
Verwundeten, welden eben AWligern auf ves Präfecten
Rappen bob und aus vem Gefedt führen wollte.
Senen erften Wurffpeer ves Corſen fing Julins
mit dem trefflichen Childe Teja’s auf.
Furius ließ ſich einen gweiten Wurfſpieß reichen und
zielte auf das Gedräng um den König: Phaza, der
Arſakide, wollte den Speer mit dem Schilde fangen:
aber durch Schild und Panzer flog er ihm in's Herz.
Da ſchwang Furius, der ſein Roß nun ganz nahe
heran geſpornt hatte, den langen, krummen Säbel gegen
den König.
Aber ehe der Streich fiel, flog ver Corſe riidlings
aus dem Cattel.
Der junge Herjog von Apulien hatte thm den
Gahnens Speer mit aller Kraft gegen die Bruft gerannt,
rag der Schaft brad.
Dod nun gerieth Totila’s Banner — das kunſt⸗
volle und foftbave Werf BValeria’s und threr frommen
Schar — in äußerſte Gefahr in Adalgoths Hand.
Denn alle Reiter drängten jet auf den kühnen,
jungen Fahnenträger ein: — ver Beilhieb des Langobar-
pen Gifulf traf den Schaft, der nodymal fplitterte.
Haid entidloffen rig Avalgoth vas Seidentuch von
333
ber gebrodnen Fahnenftange und barg es feft im
Sehwertgurt. |
Run war Alboin heran und rief dem König gu:
„Gieb did) gefangen, Gothentinig: mir, vem Königs⸗
ſohn.“
Da war Aligern mit ſeiner Arbeit, den König auf
des Präfecten Rappen zu heben, fertig: er wandte ſich
gegen den Langobarden.
Dieſer wollte des Königs Flucht hemmen und dod
den König nicht tödten: er führte, ſich tief vorbeugend,
einen Speerſtoß gegen den Rappen, ver deſſen Hinterbug
traf. |
Aber im gleichen Moment ſchlug ihm Wligern durch
den getergefliigelten Helm: betäubt wankte er im Gattel.
Go gewannen, nadjdem vie Führer ver Verfolgung
für den Augenblick gelabmt, Avalgoth, Aligern und Julius
Zeit, den König aus dem Getitmmel gu fiihren bis an
das Nord⸗Thor von Lagind.
Hier hatte Graf Chorismuth feine Speertrager wieder
geordnet.
Der Kinig wollte hier den Kampf leiten: aber er
vermodte faum, fic) tm Sattel zu balten.
Thorismuth.“ befabl er, „du haltft Taginä: Capra
wird einſtweilen verloren fein. Cin Gilbote holt Hilde:
brands ganjen Flügel zurück hieher: e8 mug die Strafe
nad) Rom um jeden Preis gebalten werden.
Ceja ift, wie id) erfahren, ſchon mit feinem Flügel
im Gefedt —: Dedung ves Abzugs nad Süden —: dads
ift die letzte Hoffnung."
334
Und das Bewuftfein verging thm.
Graf Thorigmuth aber fprad:
„Ich alte Taging mit meinen Speertrigern bis auf
ben letter Mann.
Reiter fommen mir nidt herein: die Perfer nicht
und die Langobarden nidt: id rede dem König Leben
und Ritden, fo lang id eine Hand heben mag.
Schafft ihn weiter zurück —: auf vie Berge dort,
in's Kloſter — aber raſch —: denn fdon nabt dort,
aus dem Südthor von Gapré, die Entſcheidung —:
ves Narfes Fußvolk und feht dort —: Cethegus her
Prafect nut den Bfauriern.
Gapra und unfre Schützen find verforen.”
Und fo war eg.
Wifand hatte, dem Befehle gemäß, Capra nicht ver
theitigt, fondern Cethegus und Liberius eindringen Laffen:
erft al8 fie varin waren, begann er den Straßen⸗
fampf unv bedrohte zugleich die Langobarden-Reiter anf
der Straße, indem er eine Taufendfdaft gegen fle aus
bem Siidthore fdjidte.
Aber da der Angriff aus dem Hinterhalt die Gothen
traf, nidt die Langobarden, da Alboin und Furius vers
eint Die wenigen Gothenreiter vernidteten oder gerftrenten
und der Angriff ber Speertrager von Taginä her ansblied
— wurden die gothifden Schützen guerft in Capra
felbft, dann auf der flaminifdjen Straße zwiſchen Caprä
und Tagind von der furdtbaren Uebermadt rafd ere
drückt.
Verwundet entkam, wie durch ein Wunder, Wiſand
339
md Taginä und meldete dort die Vernidjtung der Seinen.
Des Narfes Sanfte wurde nad) Capra eingetragen: und der
Sturm der Illyrier auf Tagind begann: Graf Choris.
muth widerftand heldenhaft: er fodt, den Brüdern den
letzten Ausweg gu deden.
Bald wurde ex durch Caufendfdaften von Hildebrands
in Gile herangezognem Flügel verftarft, während nen
größten Theil feiner Truppen ver alte Waffenmeifter
ſüdlich hinter Taginä berum auf bie Strage nad) Rom
führte.
Eben als der Sturm auf Taginä beginnen ſollte,
traf Cethegus auf Furius und Alboin, welche ſich von
ihren Stößen erholt hatten.
Cethegus hatte das allentſcheidende Eingreifen des
Corſen erfahren.
Er ſchüttelte ihm die Hand.
„Siehe da, Freund Furius. endlich doch auf der
rechten Seite — gegen den Barbaren⸗König.“
„Er darf nicht lebend entkommen,“ knirſchte der Corfe.
„Was? Wie? er lebt noch? Ich denke — er fiel?“
frug Cethegus haſtig.
„Nein, ſie haben ihn noch herausgehauen, den
Wunden.“
„Er darf nicht leben,“ rief Cethegus, „du haſt
Recht! Das ift wichtiger, als Taginä erobern. Dieſe
Heldenthat kann Narſes von der Sänfte aus voll⸗
bringen.
Sie ſind ſiebzig gegen ſieben.
Auf, Furius: wozu ſtehen deine Reiter hier müſſig?
336
Die Gaule finnen nidt die Mauern hinauf reiten."
Mein, aber ſchwimmen fonnen fie.
Wuf: nimm du dreihundert, gieb mir dreihundert.
Bwei Wege führen links und rechts vom Stdotlein
iter —: nein! dic Brücken haben fie abgebroden — aljo:
durch den Claſius und durch die Sibola — laf ihn
ung verfolgen. —
Gewiß ijt der wunde Konig — fann er nod kämpfen?
„Schwerlich.“
„Dann iſt er über Taginä geflüchtet worden — nad
Rom over —"
Mein, gu fener Braut!” rief Furius: ,gewif yw
Valeria in's Kloſter. Ha, in ihren Armen will ih ifa
erdolden! anf, ihr Perfer, folgt mir. Dank, Prafect!
nimm Ketter, fo viel du willft. Und reite du redts. —
Ich reite ints um die Stadt: denn zwei Wege führer
nad bem Kloſter.“
Und {don war er, linksabſchwenkend, verſchwunden.
Cethegus revete ren Reſt der Reiter perfijd an und
befahl ihnen, thm gu folgen.
Dann ritt er gu Liberius heran und fprad:
„Ich fange den Gothenkönig.“
Wie? Cr lebt nod? dann eile.“
„Nimm vw einftweilen died Taginä,“ fuhr Sethegus
fort: „ich laſſe dir meine Sjauvier."
Und er fprengte mit Syphaxr und dreihundert Perfern,
rechts umſchwenkend, davon.
Einſtweilen hatten den wunden König die Freunde
durch Taginä hinaus in ein kleines Piniengehölz an rer
307
<Sirafe gebradht, wo er aus einer Quelle trank und ſich
~S twas erbolte.
‚„Julius,“ mabnte er, ,reite hinauf yu Baleria: fag’
“er: dieſe Schlacht fet verloren: aber nidt vas Reid,
Tricht id, nicht die Hoffnung.
Ich veite, fowie id) mid) gekräftigt, hinauf nad
“Ser Spes bonorum: in jene fefte, hohe Stellung habe
adh Teja und Hildebrand befdieden nad Löſung ihrer
Wufgaben. Gebh, ich bitte, tröſte vie Geltebte und bringe
Ge felbft aus dem Mlofter dorthin.
Du willft nicht? vann reit' ich felbft ven fteilen Weg
“En’8 Rofter: nimm mir das dod ab."
Midt gern fried Julius von dem Wunden.
wo bebe mir Helm und Mantel ab: fie find fo
Tchwer,“ bat diefer.
Julius löſte ihm beide ab.
Dabn, Sin Kampf um Rom. IV. 22
Adjtunddreifigfes Capitel.
Da vurdyudte den Mind ein Gedanke: batten fie
nidt fdon einmal bie Gewande getauſcht, — vie Dios⸗
furen ?
Und hatte er nidt ſchon emmal den Mordftabl da⸗
rurd von Totila auf fic) gezogen ?
Unr nun fam ihm blitzſchnell: — wenn fie verfolgt
wurden? — denn ihm war, als hire er Roffe eilend nahen
und Aligern. — Aralgoth hielt res Königs Haupt in
feinem Schos — war an den Waldeingang geeilt, gn
ſpähen.
„Ja: fie ſind's,“ rief dieſer jetzt zurück: ‚perſiſche
Reiter nahen von zwei Seiten dem Wald.“
„Dann eile, Julius,“ bat Cotila, ,rette Valeria auf
das fefte Grab gu Teja."
oa, td eile, mein Freund! Auf Wiederſehn!“ Und
ex drückte ihm nodymal die Hand.
Dann beftiey er ven Rappen Pluto — er wählte
Ta’ verwundete Rog, dem Freunt das eigne, nod une
verfebrte überlaſſend.
Raſch feste ev, ungefehen von Totila, den Schwanen⸗
339
bem auf's Haupt, warf ven weifen, blutbeſpritzten
antel um und fprengte aus dem Walde gegen die
SEL oſterhöhe.
wDiefer Weg," fagte er fid, ,ift gang offen unr
TEE gededt: dagegen der des Königs nad) dem Grab gebt
Drardh Wald und BWeinberge.
Bielleidht gelingt e8, die Verfolgung auf mid und
Pon ihm abzuziehen.“
Und in dey That, faum war er aus dem Gehölz
tris Freie gelangt und begann, bergan gut reiten, als er
Fah, wie die Reiter, welde um Taginä herumgeſchwenkt
Maren, ihm eifrig folgten.
Um fo lang al8 miglid) die BVerfolger von dent
König abgulenten, fo fpat als möglich erft vie Erken—
Narang des Irrthums herbet gu führen, tried ev fein Rof
zu höchſter Cile.
Aber der Rappe war wund: und es ging ſehr ſteil
einen ſteinigen Hang hinan.
Näher und näher brauſten die Verfolger.
wot er's?“
Ja, er iſt's.“
„Nein, er iſt's nicht. Gr iſt gu Hein,” fagte der
Führer, der als der Vorderſte ritt.
„Und ſollte er ganz allein fliehen?“
„Das ware freilich Das Klügſte. was er thun könnte,
zu entkommen,“ meinte der Führer.
„Freilich iſt er's, der Schwanenhelm!“
„Der weiße Mantel!“
„Aber er ritt ein weißes Roß?“ fragte der Führer.
224
340
„Ja, zuerſt,“ antwortete einer ter Reiter. ,,Wher
al8 das fiel von meinem Speer — ba boben fie thn —
id) ftand ja dabei — auf diefen Rappen.“
„Gut,“ rief der Führer, „genug, Dann haſt pu frets
lich Recht. Und ich kenne den Rappen.“
„Ein edles Thier! Wie es aushält, bergan, obwohl
es blutet.“
„Ja, er iſt edel! Und er ſoll ſtehen, der Rappe, gebt
Acht: „Halt, Pluto! auf vie Kniee.“
Und zitternd, ſchnaubend hielt das kluge, treue Roß.
trotz Sporn und Schlag, und ſenkte langſam die Vorder⸗
füße in den Sand.
„Verderben bringt's, Barbar, des Präfecten Roß zu
reiten!
Da! Nimm das für's Forum! und das für's Capitel
und vas fiir Julius!“
Und wiithend fdleuderte der Führer drei Wurffpeere
nad) einanber, den eignen und zwei von Syphax, die
er Diefem entrig, in den Rücken, dag fie vorn heraus
brangen, fprang vom RoR, zog das Schwert heraus und
riß des gur Erde Geftiirzten Haupt an vem Helm empor.
„Julius!“ fdrie er entfept.
„Du, o Cethegus?“
„Julius! Du darfft nicht ſterben.“
Und leidenſchaftlich ſuchte er das Blut zu hemmen,
das aus den drei Wunden floß.
„Wenn du mich liebſt,“ ſprach der Sterbende —
„rette ihn — rette Totila!“
341
Und die fanften Augen ſchloſſen fic fiir immer.
Gethegus taftete nad bem Herzen: er legte ihm dads
Dhr auf die entblößte Brut.
„Es iſt aus,“ ſagte er dann tonlos.
„O Manilia!
Sulius — did) hab’ ich geliebt.
Und er ftarb, ſeinen Ramen anf den Lippen!
Es ift vorbei,“ fprad er dann grimmig.
„Das letzte Band, das mid an Menſchenliebe feffelte,
tch mußt' es felbft zerhau'n, durch höhniſch affenden
Zufall.
Es war die letzte Schwäche.
Jetzt, Menſchheit, biſt du mir todt.
Hebt ihn auf das edle Pferd: das, mein Pluto, ſei
Dein letzter Dienſt im Leben: — und bringt ihn — dort
Ober ragt eine Capelle: dorthin bringt thn: und laßt
thn durch Prieſter feierlich beſtatten.
Sagt da oben nur: er hat als Mönch geendet — er
ſtarb für ſeinen Freund: er verdient ein chriſtlich Be—
grãbniß.
Ich aber,“ ſchloß er furchtbar, „ich gehe, nochmal
ſeinen Freund zu ſuchen: ich will ſie raſch vereinigen: —
auf ewig.“
Und er ſtieg wieder zu Pferd.
„Wohin?“ frug Syphax, „zurück nad Taginä?“
„Nein! Dort hinab in jenen Wald. Da wird er
geborgen ſein. Denn daher kam Julius.“
@
— — | —
342
Während viefer Vorfalle hatte fid) der König erholt
und erfraftigt und ritt auf bem Pferd ves Gulius mit
Aralgoth, Wligern und einigen Reitern gerade aus durd)
ren Wald, an deffen sftlidem Saum ber Weg zu dem
Capellenhügel empor ftieg: fdon ſahen fie die weifen
Mauern deutlich ſchimmern, als fie aus vem Walrweg
bogen. | :
Aber da erfdholl vom Silden, von ihrer rechten Seite
ber, gellendes Gefdret: und über das offue Blachfeld
fprengte, von dent Glafius ber, eine ftarfe Shar von
Reitern gegen fie an.
Der Konig erfannte den Führer.
Und ebe feine Begleiter ihm guvorfommen fonnten,
fpornte er fein Roß, fällte vex Speer und ſchoß bem
Feind entgegen.
Wie zwei Blige, aus ſich entgegen grollenden Ges
wittern, trafen die beiden Reiter zuſammen.
„Uebermüthiger Barbar !" .
„Elender Verrather!“
Und beive fanfen vom Roß.
Mit folder Wuth waren fie auf einander geprallt, dak
feiner Der Dedung, jeder nur des Stoßes gedacht hatte.
Furius Whalla war todt vom Ro geſtürzt: denn der
Konig hatte ihm ven Speer mit folder Kraft durch ven
Goldfdild und den Panzer in das Herz geftogen, daß ver
Schaft in ver Wunde brad.
Aber aud) der König ſank fterbend in Wdalgoths
Arme: ver LanjenftoR hatte ihn grade unter der Kehl⸗
grube in Hals und Bruſt getroffen.
343
Adalgoth rif Valeria’s blaues Bannertud hervor aus
Bem Gürtel und ſuchte das ftrdmende Blut zu hemmen |
—: umfonft —: das belle Blau war fofort tief ges
Fattigt vom Roth.
„Gothia!“ haudjte er nod, „Italia — Baleria!"
Jn diefem Wugenblid, ehe das ungleiche Gefedt bes
ginnen fonnte, erreidte Alboin mit feinen Langobardens
Meitern vie Stelle: — er war dem Corſen gefolgt, uns
gewillt, müßig gu bleiben, wãhrend des Mauer-Kampfes
warm Taginä.
Schweigend, ernſt, gerührt ſah der Langobardenfürſt
<auf die Leiche des Königs.
„Er hat mir das Leben geldjentt — — id fonnte fein's
wridht retten,“ fprad er ernſt.
Einer feiner. Reiter wies auf die reiche mang des
Todten.
Nein,“ ſprach Alboin: dieſer tonigliche Set a
Geftattet werden in allen Chren königlicher Waffen.“
Dort oben, auf ver Felshöhe, Alboin, “-fprad al
goth traurig, ,barvet feiner längſt dte Braut und —,
Felbfigewahit, das Grab."
„Bringt ihn hinauf: id) gebe frei Geleit der edein |
Leiche und den edeln Zraigern.
Shr Reiter, ſolgt mir zurück in die Sad “
Mennunddreifighes Capitel.
Wher vie Schlacht war aus: wie Alboin und and
ver Prafect gu ihrem größten Staunen und Berdruf
erfubren, al8 fie wierer bet Taginä eintrafen.
Den Prafecten hatte, als er eben in den Pinienwald
von Jorden her eingebogen war und bier ded Rinigs
Spur verfolgen wollte, ein Cilbote des Liberius erreidt,
rer ihm gebot, augenblidlid zurückzukehren: Narſes fet
bewußtlos: und höchſte Gefahr verlange augenblickliche
Entſcheidung.
Narſes bewußtlos: — Liberius rathlos: der ſchon
ſicher geglaubte Sieg gefährdet: — das wog noch ſchwerer
als die zweifelhafte Ausſicht, dem halbtodten König den
Todesſtoß zu geben.
Eilig ſprengte Cethegus zurück des Weges, den er
gekommen, nad Taginä.
Hier rief ihm Liberius entgegen:
„Zu ſpät: ich habe Alles ſchon abgeſchloſſen und
bewilligt. Waffenſtillſtand. Der Reſt der Gothen
zieht ab.“
„Was?“ donnerte Cethegus, — er hätte gern alles
345
gothifde Blut als Grabopfer auf feines Lieblings Grab
geſchüttet — „Abzug? Waffenftillftand?
Wo ift Narfes 2
„Bewußtlos liegt er in feiner Ganfte: in argen
Krimpfen. Der Sdred, die Ueberrafdung — es warf
thn nieder — und fein Wunder!"
„Welche Ueberrafdung? rede, Menſch!“
Und kurz ergablte Liberius, da fie unter furchtbarem
Blutvergiegen, denn diefe SpeersGothen ftanden wie
pie Mauern“ — in Tagind eingedrungen waren und int
Stragenfampf Haus fiir Haus, ja Gemad fiir Gemad,
erftirmen mußten — ,8oll fiir Boll mugte man zer⸗
haden einen Führer, der, Den einſtürmenden Ungalas
Durdrennend, in die erfte Dtauerbrefde gefprungen war,
bis man, fiber thn hinweg, in die Stadt drang.“
Wie hieß ex?” forfdte Cethegus eifrig, „hoffentlich
Graf Teja?"
„Nein, Graf Thorismuth. — Ws wir halbwegs
fertig waren mit der Blutarbeit und Narſes fid) in die
Stadt tragen laſſen wollte, da traf ihn, im Thore von
Tagind, als Bote von unfrem linken Fliigel — der nicht
mebr befteht! — gothifde Herolde ritten mit ihm — der
verwundete Reurippos.
„Wer bat? —
„Er, den du vorhin nannteſt: — Graf Teja! Er
überſah oder erfuhr, daß der Seinen Mitteltreffen ſchwer
bedroht, der König verwundet ſei — da, erkennend wohl,
daß er viel zu ſpät kommen würde, die Entſcheidung bei
Taginä gu wenden, faßte er einen kühnen, einen vers
346
zweifelten Entſchluß: er warf fich plötzlich aus feiner
abwartenden Rube von den Bergen auf unfern linfen,
ihm entgegen ftehenden Flügel, der langſam gegen ihn
bergan riidte, ſchlug ihn im erften Anlauf, verfolgte die
Fliehenden in's Lager und nahm Cort Zehntauſend der.
Unfern, vdarunter meinen Orefte’, den Benrippos und
alle Führer gefangen. Cr ſchickte Beuzippos, gebunden,
mit gothifden Herolden, die Wahrheit gu beftitigen,
und forbderte fofortigen. Waffenftillftand auf vierundzwanzig
Stunden.“
„Unmöglich!“ rief Cethegus.
„Sonſt habe er geſchworen, alle ſeine zehntauſend
Gefangnen. — ſammt ven Feldherrn! — zu tödten.“
„Gleichviel,“ meinte ver Präfect.
„Dir mag es gleichviel ſein, Römer: was liegt dir
an einer Myriade unſrer Truppen? aber nicht ſo Narſes.
Die furchtbare Ueberraſchung, die ſchrecklichere Noth⸗
wendigleit der Wahl erſchütterte ihn bis in's Mart: ein,
arger Anfall feiner Rrantheit warf ihn nieder, mir
reichte er finfend nod den Beldherenftab, und. td, natür⸗
lich, nahm ven Vorſchlag an —
„Natürlich: Pylades muß den Oreſtes retten,“ zürnte
Cethegus.
„Und zehntauſend Mann ves kaiſerlichen Heers.“
„Mich bindet der Vertrag nicht,“ rief Cethegus, ih
greife wieder an.“
„Das darfſt du nicht! Teja hat ſeine Gefangnen
größtentheils und alle Feldherrn als Geiſeln mitgeführt:
— er ſchlachtet ſie, fliegt noch ein Pfeil.“
347
„Er ſchlachte fle! Ich greife an.“
Sieh’ gu, ob div die Byzantiner folgen. Sofort
babe id) deinen Sdaren ves Narſes Befehl mitgerheilt.
Wenn id) bin jest Narſes.“
„Des Cores bift du, fowie Narfes zu fic) kommt.“
Uber Gethegus erfannte, daß er mit feinen Söldnern
allein den Gothen nidts anhaben fonnte, welche nun,
(nachdem fic) Teja mit ſeinen Gefangnen auf ven Kloſter⸗
und den Capellen-Hügel und die flaminifdhe Strafe
zurückgezogen und aud Hildebrands Flügel mit nidt
alljufdweren BVerluften dieſe Straße erreidht: — ans
fangs batten die beiden Flüſſe, dann der verfiinvete
Waffentilftand die Verfolgung durch Johannes gehemmt)
— die Refte ihrer Truppen, die beiven Flügel, in eine
fefte Stellung verfammelt batten. On
Sebnfiidtig harrte Cethegus’ auf die Herftellung re’
Marfes, der, fo hoffte er, den von feinem Stellvertreter
geſchloſſnen Vertrag nicht anerfennen würde.
Viexzigſtes Capitel.
Inʒwiſchen hatten Teja und Hildebrand von beiden
Flügeln her ven Capellen-Hügel ves Numa erreicht,
wohin, wie ihnen gemeldet war, der verwundete Konig
gebracht worden.
Nachricht von den ſpäteren Vorgängen hatte fie noch
nicht erreicht.
Noch außerhalb der Umwallung des Capellenbau's
hatten ſich beide Führer über den Plan geeinigt, welchen
ſie dem König vorſchlagen wollten: gab es doch keinen
andern Ausweg als ſchleunigen Rückzug gen Süden
unter dem Schutz des Waffenſtillſtands.
Aber als ſie nun in das Innere des ummauerten
Haines traten, — welcher Anblick bot ſich ihnen dar!
Laut aufſchluchzend eilte Adalgoth Teja entgegen und
führte ihn an ver Hand an den epheuumgrünten Gare
fophag des Juma.
Sn diefent fag auf feinem Schilde der König Totila:
tie ernfte Majeſtät bes Todes verlieh ven edeln Rigen
eine Weihe, die ſchöner war als je ber Schimmer der
hellen Freude auf diefem herrlichen Antlitz geftrablt hatte.
349
Lints von ihm rubte, in der längſt von vem Sars
fophag geliften, gewölbten Dedelplatte, Sulius: — die
Aehnlichkeit der Diosfuren trat nun, unter rem gemeins
famen Schatten des Todes, wieder ergreifend hervor.
Sn ver Mitte aber der beiden Freunde war arf
des Kinigs blutüberſtrömtem weißem Mantel von Gotho
und Liuta einer Ddritten Geftalt gebettet worden: auf
einem fanft erhöhten Hitgel, vas edle Haupt an der
Gifterne Rand gelehnt, lag Valeria, die Römerin.
Entboten von dem nahe gelegnen Kloſter, den vers
wundeten Geliebten in Empfang yu nehmen, hatte fie
fic, ohne Seufzer, ohne Weheſchrei, fiber ven breiten
Schild geworfen, auf weldem Adalgoth und Aligern ihn
fangfam, feierlidjen Schrittes, durch die Mauer⸗Pforte
trugen.
Che nod) Ciner der Beiden gefproden, rief fie: Sd
weiß e8: — er ift todt.“
Gie hatte nod) geholfen, die ſchöne Leiche in dem
Garfophag ves Numa beizufegen.
Dazu hatte fie, ohne Chrane, mit leiſer Stimme, vor
fid) hingefproden :
„Sieheſt du nidjt, wie ſchön von Geftalt, wie ſchim⸗
mernd Achilleus? —
Dennoch harret auch ſeiner der Tod und das dunkle
Verhängniß,
Wenn auch ihm in des Kampfes Gewühl das Leben
entſchwindet,
350
Ob ihn ein Pfeil von ver Sehne dabinftredt ober ein
Wurffpeer.
Dod mir fet vann vergdnnt, in die Schatten gu
taudjen des Todes.“
Dann 30g fie rubig, langfam, ohne Haft, den Dolch
ans feinem Gürtel und mit den Worten: , Hier, ftrenger
Chriftengott, nimm meine Seele bin! Go lf id dat
Gelübde,“ ſtieß fich die Rimerin ven fdarfen Stahl in’s
Her}. ,
Cafficdorius, ein kleines Kreuz von geweihtem Cedern⸗
Holz in ver Hand, ſchritt betend, tief erſchüttert, —
Thränen rieſelten über das ehrwürdige Autlitz in den
weißen Bart — von einer der drei Leichen gu der andern.
Und leife ftimmten die frommen Frauen des Mofters,
welche Valeria begleitet batten, gu feterlider, einfader
Weife ven Choral an:
Vis ac splendor seculorum,
Belli laus et flos amorum
Labefacta mox marcescunt: — —
Dei laus et gratia sine
Aevi termino vel fine
In eternum perflorescunt.
(Bald in Afde mug vergebhen,
Was wir ftarf, was lieblid) fehen,
Wher Stolz und Schmuck der Beit: — —
Gottes Gnade fonder Wanken,
Gottes Liebe fonter Schranken
Walten fort in Gwigleit.)
351
Allmälig hatte fid ver Hain mit Kriegern gefiillt,
welde den Führern, darunter den Grafen Wifand und
Marka, vermöge der Waffenruhe unbehintert, gefolgt
waren.
Schweigend hatte Leja des weinenren Adalgoth Berit
mit angebirt.
Nun trat ex an ves Königs Leiche dicht heranß
Schweigend, ohne Thräne, legte er die gepanjerte
Redhte auf ves Königs Wunde, beugte fic) über ihn
und flifterte dem Zodten zu:
vod will’s vollenden.“
Dann trat er zuriid unter einen hodragenden Baum,
welder ſich über einent vergeßnen Grabbiigel erhob, und
fprad) gu der ficinen Schar, die ehrfurchtsvoll, ſchickſal⸗
ergriffen, fdmeigend, dieſe Statte des Todes umgab:
„Gothiſche Männer: die Schlacht ift verloren. Und
das Reid) dazu. |
Wer unter euch zu Marfes gehen, ſich dem Raifer
unterwerfen will — ic balte feinen.
Sd aber bin gewillt, fort gu fampfen bis an’s
Ende.
Nicht um ven Sieg: um freien Helventod.
Wer den mit mir theilen will, ver bleibe.
Shr Alle wollt es? gut.”
Da fiel Hildebrand ein:
„Der Konig ift gefallen.
Die Gothen finnen nist, aud) um gu fterben nidt,
fampfen ohne König.
Athalarich: — Witichis: — Totila: — nur Einer
3952
kann ver vierte fein, der dieſer edeln Dreigahl folgen
darf — bu Teja, unfer legter, unfer größter Held.“
„Ja,“ fprad Teja, „ich will euer Konig fein.
Nicht freudig Ieben, nur herrlich fterben follt ihr
unter mir.
Still! Rein froher Ruf — fein Waffenlarm be-
grüßé mid).
Wer mid gum König will — der thue mir nad.“
Und er brad von dem Baum, unter dem er ftand,
einen ſchmalen Zweig und wand ibn um den Helm.
Und fdweigend folgten We feinem Beiſpiel.
Adalgoth, ver thm zunächſt ftand, fliifterte ihm zu
0 Konig Teja! Es find Cypreffengweige —: gemeibte
Opfer kränzt man fo!" |
„Ja, mein Wdalgoth, du fpricdft Weiſſagung:“ —
und er ſchwang das Schwert im Kreis fiber fein Haupt
— ,dem Lode geweiht'.
Siebentes Bud.
gv e a.
yum o
wun bab’ id die denfwirdigfte Schlacht
ju fcildern und das hohe Heldenthum ded
Manned, dex keinem der Heroen nachſteht: —
ded Teja.”
Profop, Gothenfrieg 1V. 35.
Dahn, Gin Rampf um Rom. IV. . 23
Erſtes Capitel.
Und raſch vollendeten fic) nun des Gothenvoltes
Geſchicke.
Der rollende Stein rollte dem Abgrund zu. —
Als Narſes die Beſinnung wieder gefunden und das
inzwiſchen Beſchloſſne und Geſchehne erfahren, befahl er
ſofort, Liberius zu verhaften und zur Berantwortung
nach Byzanz zu ſchicken.
we) will nicht ſagen,“ ſprach er gu ſeinem Vertrauten,
Bafilistos, „daß er die falfde Entſcheidung getroffen.
Sch felbft hatte fle nicht anders getroffen.
Aber aus andern Griinden.
Gr hat vor Allem feinen Freund und dann and
jene Zehntauſend retten wollen.
Das war ein Fehler: man mufte fie opfern, wenn
man Liberius war.
Denn Liberius überſah nidt vie Lage ves Rriegs.
Liberius wußte nidt, wie Narſes es weiß, dak, nach
dieſer Schlacht, das Gothenreich verloren iſt: — ob es
bei Taginä oder etwa bei Neapolis vollends vernichtet
23*
356
wird, ift gletdh: und nur deßhalb fonnte, mußte man
jene Rebntaufend retten.”
Bei Neapolis? Aber warum nidt bet Rom? Gee
venfft du der furdtbaren Walle des PBrafecten nicht?
Warum werden fic) die Gothen nicht nad Rom werfen
zu mondenlangem Wider{tand 2?“
Warum? weil es mit Rom eine eigne Bewandtniß
hat — aber bas wiffen fo wenig die Gothen wie
Liberius.
Und das darf nod lange nicht wiffen — Cethegus.
Alfo ſchweige. Wo ift ver Stadtprafect von Ion?
„Vorausgeeilt, um fofort, nad) Ablauf des Waffen⸗
ftilftandes, als der Erſte, die Verfolgung zu leiten.“
„Du haſt body geforgt —?“
„Zweifle nicht! Cr wollte mit ſeinen Iſauriern
allein aufbrechen: ich — vd. h. Liberius anf meinen
Rath, — hab' ihm Alboin und die Langobarden bei⸗
gegeben und du weißt —"
oa," lächelte Narfes, , meine Wölfe laffen ihn nidt
aus den Wugen."
„Aber wie lange nod foll er —
„So lang td thn branche. Nicht eine Stunde linger.
Alfo ver junge königliche Wunderthater liegt anf
feinem Schild?
Nun mag Iuftinianus fic) mit Recht ,,Golhiens”
Nennen und wieder rubig ſchlafen.
Uber freilich: — der ſchläft wohl nie mehr ruhig —
ber enttäuſchte Wittwer Theodora's.“ —
357
Die beiden Führer Teja und Narſes batten alfo
das gleide Urtheil über das Gothenreich.
Es war verloren.
Bei Capra und Taginä war die Blithe des Fup
volfs gefallen: fiinfund;wanjig Tauſendſchaften hatte Totila
hier aufgeftellt: nicht Cine volle derfelben ward gerettet :
aud) die beiden Flügel batten Verlufte gehabt: fo waren
8 faum zwanzig Tanfendfdaften, mit welden König Teja
eilig, zunächſt auf der flaminifden Straße, nak Silden
abjog.
Ihn mahnte yur Cile aud) der Hülferuf des Heinen
Heeres von Herzog Guntharis und Graf Grippa, weldes
von der zwiefachen Rabl der zwiſchen Rom und Neapoli#
unter Armatus und Dorotheos gelandeten By3antiner
Sedrangt war.
Und ihn gwang aur Gile die furdthare Verfolgung,
mit welder Narfes, nad Wblauf des Waffenftillftandes,
gemãß feinem ſchrecklichen Syſtem der ,wandelnden Dauer™
drängte.
Während die Langobarden und Cethegus raſtlos nach⸗
ſetzten, langſam gefolgt von Narſes, breitete dieſer nach
links und rechts zwei furchtbare Flügel aus, welche im
Süud⸗Weſten über dad ſuburbicariſche Tuscien hinaus bis an
das tyrrheniſche Meer, im Nord⸗Oſten durch das Picenum
bis an den joniſchen Meerbuſen langten und, wie ſie von
Norden nach Süden und von Weſten nach Oſten vordrangen,
alles gothiſche Leben hinter ſich ausgelöſcht zurück ließen.
Weſentlich erleichtert wurde dies Verfahren durch
den nun ganz allgemeinen Abfall der Italier von der
358
verlorenen gothifden Gade: der milde Rinig, welder
fie dereinft gewonnen, war erfegt worden durch einen
viiftern Helden gefiirdteten Namens: nicht Neigung gu
dem Regiment von Byzanz, aber Furcht vor des Rarfes
und des Raifers Strenge, welde jeden Stalter, der es
nod) mit den Barbaren hielt, mit vem Lode bedrobten,
30g raſch die Sdwanfenden beritber.
Die Btalier, welde nod) in König Teja's Heere
Dienten, verliefen dafjelbe und eilten gu Narſes.
Nod) viel haufiger als vor der Schlacht von Tagine
wurden jetzt rie Falle, in welden gothifde Siedelungen
von ihren italifden Nachbarn, oft von dem Hofpes, der
ein Drittel feines Gutes- dem Gothen hatte abtreten
müſſen, Den „Romäern“ verrathen ober, wo die Stalter
in groper Ueberzahl waren, von diefen felbft ausge⸗
morbet, gefangen, an die beiden Flotten des Narſes, die
„tyrrheniſche“ und die ,jonifde", abgeltefert wurden,
welde fangfam im tyrrbenifden und im jonifden Meer
an Der Küſte hinfubren, den Vormarfd ver Landbeere
begleitend und alle gefangnen Gothen, Dinner, Weiber
und Kinder, mit ſich ſchleppend.
Die Burgen und Städte, ſchwach beſetzt, — denn
Totila hatte ſein kleines Heer durch deren herangezogne
Mannſchaften verſtärken müſſen — fielen meiſt durch
die Bevölkerung, welche, wie nach Totila's Erhebung
die Kaiſerlichen, ſo nun die gothiſchen Beſatzungen über⸗
wältigten: ſo im ſpätern Verlauf des Krieges Narnia,
Spoletium, Peruſium: — die wenigen, welche wider⸗
ſtanden, wurden eingeſchloſſen.
399
So glich Narfes einem gewaltigen Manne, der mit
ausgebreiteten Armen durd einen engen Gang ſchreitet,
und Wes, was ſich bier bergen wollte, vor fic ber
ſchiebt: oder einem Fiſcher, welder mit dem Sacknetz
badaufmarts watet: hinter ihm bleibt fein eben mehr. —
Geängſtet flüchteten alle Gothen, welche fic nod
tetten fonnten, mit Weib und Rind vor der ,eifernen
Walze* ves Narfes, wenn fie fic) naberte, von allen
Seiten nad) dem Heere des Königs, welches bald eine
größere Zahl von Unwebrfabigen als von Rriegern in
ſeinem wandernden Lager barg.
— Wieder waren vie Oftgothen auf der Völkerwanderung
begriffen, wie vor hundert Jahren: aber hinter ihnen
jetzt das eberne Netz des Marfes und vor ihnen in der
” immer ſchmaler julaufenden Halbinfel das Meer: — und
feine Schiffe zu vettender Flucht.
Bweites Capitel.
Und nod) dazu vervingerte eine unabweisbare Roth
wenbdigfeit die Bahl ver webrfabigen Gothen in König
Leja’s Heer auf das Furdtbharfte.
Seit dem erften UAngenblic ver begonnenen Bers
folgung hatte fic) Cethegus mit den Sfauriern, mit
feinen byzantinifden Truppen — faracentfden und bern:
liſchen Reitern — und Alboin mit feinen Lanjenveitern an
vie Ferfen ver Abziehenden gebeftet: follte nicht die ohne⸗
hin langfame Bewegung bes durch fo viele Frauen,
Kinder, Greife gehemmten Rückzugs völlig gebemmt wer⸗
ven, fo mußte faft jede Macht eine Meine Heldenſchar
geopfert werden, weldje an giinftig gelegner Stelle Halt
madte und bier durch gahen, todeskühnen, boffnungslofen
Wiverftand die Berfolger fo lang hinhielt, bis das
Hauptheer wieder grogen Vorfprung gewonnen.
Diefes graufame, aber eingig ergreifbare Mittel
mußte bald mit Aufopferung einer halben Taufendfdaft,
bald, wo die Vertheidigungsftelung breitere Stirn hatte
mit nod) größeren Opfern angewendet werden.
König Teja hatte e8 vor dem Aufbrud von ,Spes
=»
361
BVonorum" laut vem ganzen Heer verfiindet: fdyweigend
batten die Manner vas furdbare Mittel gebilligt.
Und fo ungeftiim bewarben fic) die „Todgeweihten“
jeden Abend um dieſen Chrenpoften, rag König Teja
— feudten Auges — das Los entfdheiden liek: er
wollte einen franfen durch Bevorzugung Anderer.
Denn die Gothen, ven fidern Untergang von Volt
und Reid) vor Augen, fehr Viele Weih und Rind dem
Narſes verfallen wiffend, drängten fid) um die Wette
gum Tobe. |
Go wurde diefer Rückzug eine Chrenftrafe gothifden
Heldenthums: jede Haltitelle faft em Markſtein todes⸗
muthiger Wujopferung.
So fielen al8 Führer diefer „Nachhut ves Unter:
gangs" der alte Hadufwinth bei Nuceria Camellaria, dev
junge, pfeilfundige Gunthamund bet ad fontes, der raſche
Reiter Gudila bei ad Martis.
Aber es follte dieſe Aufopferung und des Königs
Feldherrnſchaft nicht ohne Frucht bleiben fiir vie Ge:
ſchicke des Volkes.
Bei Foſſatum, zwiſchen Tudera und Narnia, fam
es zu einem Nachtgefecht mit der Nachhut unter dem
tapfern Grafen Marfja, welches vom Nachmittag, da
ſie die Reiter des Cethegus erreicht hatten, angefangen
bis zum Sonnenaufgang währte.
Als endlich das wiederfehrende Licht die raſch aufs
geworfenen Erdſchanzen ver Gothen beleuchtete, war es
auf diefen grabesftill.
Die BVerfolger riidten mit äußerſter Vorfidt an:
362
endlid) fprang Cethegus vom Pferd und anf die Britftung
ver Sdanze, hinter ihm Syphar. ;
Da wintte Cethegus hinab.
„Kommt nad: e8 hat feine Gefabr! Shr habt nur
hinweg zu ſchreiten itber pie Feinde: denn hier liegen fie
toot: alle taufend: dort aud Graf Marfja, icp fenne ihn.“
Als aber nun die Reiter, nachdem vie Schanzen hin⸗
weggerdumt waren, dem abgezognen Hauptheer, das febr
grofen, weiteren BVorfprung gewonnen, nachjagten —
Gethegus fithrte fie — erfubren fie alsbald von den
Bauern, daß vas gothifdhe Hauptheer hier, anf der
flaminifden Straße, nicht voritber gezogen war.
Durd) das edelſte Opfer war e8 erfauft, dak Konig
Leja feines Rückzugs weitere Richtung von hier ab auf
geraume Beit verfdleiert hatte: vie Berfolger hatten alle
Fühlung mit ihm verloren.
Sethegus rieth Johannes, einen Theil der Seinen
zur Rechten nad Südoſten, Wlboin dagegen sur inven
ver flaminifden Straße nad) Nordoſten verfolgen gu
laffen, um die Spur wieder aufzufinden.
Shn felbft aber zog es gewaltig mad) Rom: er
hoffte die Start vor Narſes, ohne Narſes gu erreichen,
zu gewinnen und dann, vom Capitol herab, ihm wie
Belifar Schad) yu bieten.
Nad) der Enthedung, daß fic) König Leja der Bere
felgung entzogen habe, berief Gethegus feine vertrauten
Tribunen und eröffnete ibnen: er fet entſchloſſen, nun,
nothigenfalls mit Gewalt, der ſtäten Beaufſichtigung
turd) Alboin und Johannes ſich yu entgtehen, welde er
363
wurd die angerathnen Cntfendungen geſchwächt wufte
und mit feinen Sfauriern allen nad) Rom gu eilen,
geradewegs auf der Flaminia, die ja nun von den Gothen
nicht gefperrt war.
Wber wabrend er ſprach, fithrte Syphax eitfertig
einen römiſchen Biirger in's Relt, den er mit Mühe
aus den Handen ver Langobarden geldft: jener hatte nad
vem PBrafecten gefragt und fie batten ihn „behandeln
wollen wie gewöhnlich“, batten fie geladt.
oom Rücken her aber," fiigte Syphax bei, ,nabt ein
grofer Bug: — ich fpabe danach und berichte bir wieder."
wid) fenne did, Tullus Faber,” fprad ver Prafect :
du warft immer Rom und mir getreu. Was bringft du?” —
ww Präfect,“ Elagte der Mann, weil pu nur nod
lebſt!
Wir alle glaubten, du ſeiſt todt, da du auf acht
Botſchaften uns keinen Beſcheid gabſt.“
„Ich habe nicht Cine erhalten.“ |
Go weift du nidt, was in Rom geſchehn? Pabſt
Gilverius ift auf Sicilien im Gril geftorben. Der neve
Pabft ift Pelagins, vein Feind.“ —
„Nichts weiß id. Rede!“
„O ſo wirſt auch du nicht rathen noch helfen können.
Rom hat —“ |
Da trat Syphax ein: aber ehe er nod) fpreden
fonnte, erfdien im Relt des Prajecten Narſes, geſtützt
auf des Bafilisfos Arm.
Ihr habt eud) ja fo {ange bier aufhalten laſſen von
taufend gothifden Speeren,“ zürnte dex Feldherr, „bis euch
364
rie Gefunden entfommen find und die Kranken end eins
holen fonnten.
Diefer König Teja fann mehr als Schilde breden: —
er fann Schleier weben vor des Prafecten ſcharfen Wugen.
Uber ich fehe durch viele Schleier: auch durch dtefen.
Johannes, rufe detne Lente guriid: er fann nicht
nad Süden, er mug nad) Norden ausgewichen fei.
enn er weik jest wohl fdon lang, was den
Prafecten von Rom zumeiſt angeht: Bont ift den Gothen
entriſſen.“
Des Cethegus Auge leuchtete.
„Ich habe einige kluge Leute hinein geſchmuggelt gehabt.
Sie trieben die Bewohner zu raſcher, nächtiger
Erhebung: alle Gothen in der Stadt wurden erſchlagen:
nur fünfhundert Mann entkamen in das Grabmal
Hadrians und halten es beſetzt.“
„Wir haben acht Boten an dich geſandt, Präfeect,“
fand Faber Muth, einzuwerfen.
„Hinaus mit diefem Menſchen,“ winkte Rarfes.
„Ja, Die Birger Roms evinnern fid) in Liche wieder
res Prajecten, vem fie foviel verdanfen: wet Bes
lagerungen, Hunger, Peft und Brand des Capitols!
Uber die an dich gefendeten Boten verirrten fid
immer 3u meinen Wölflein: und diefe haben fle wohl
zerriſſen.
An mich aber gelangte die Geſandtſchaft, die der
heilige Vater Pelagius abgeordnet hat: und ich habe mit
ihm einen Vertrag geſchloſſen, den du, o Stadtpräfect
von Rom, gewiß gutheißen wirſt.“
365
od) werde ihn nicht auflöſen können.“
die guten Birger Roms fdeuen nidts fo febr
als eine dritte Belagerung: fie haben fid) erbeten, wir
möchten nidts unternehmen, was zu einem nenen Kampf
um ihre Stadt führen könnte: vie Gothen im Grabmal
Hadrians müßten, ſchreiben fie, bald dem Hunger erliegen:
und ihre Walle wollten fie felbft veden: und fie haben
gefdworen, nad) jener Gothenfdar Untergang die Stadt
nur yu übergeben ihrem natiirliden Beſchützer und Haupt:
Dem Stadtprafecten von Bom.
Biſt du damit gufrieden, Cethegus? Lies den Vers
trag: — gieb ihn ihm, Baſiliskos.“
Cethegus {a8 m tiefer, freudiger Errequng: fo batten
fie ihn doch nicht vergeffen, feine Rimer! —
Go riefen fte dod) nun, da Wes zur Entſcheidung
wrangte, nicht die gebakten Byzantiner, fondern thn,
ihren Schirmberrn , zurück auf's Capitol.
Schon fah ex fid) wieder auf dem Gipfel der Macht.
od) bin's zufrieden,“ fagte er, die Rolle zurück
gebend. :
„Ich habe gelobt,” fprad Narſes, ,feinen Verſuch yu
maden, die Stadt mit Gewalt in meine Hand gu bringen:
erft muß König Teja dem König Totila nadgefolgt fein.
Dann Rom und — mandes Andre. Folge mir
Prafect, im ven Kriegsrath.“
Als Gethegus die Berathung in dem Relt des Narſes
verlieR und nad Tullus Faber forfdte, war jede Spur
von diefem verſchwunden.
Drittes Capitel.
Scarf hatte der große Feldherr Rarfes die Wegs
ridjtung erfannt, auf welder Rinig Leja von der flamis
nifden Straße abgebogen war.
Nad Norden zunächſt, nad) dev Küſte des joniſchen
Bufens, war er ausgewichen und führte hier, mit feltner
Wegestunde, auf vielfad) gewundenen Pfaden, fein flüch⸗
tendes Volk und Heer unbebelligt, unerreicht von den
Berfolgern, iiber Hadria, Uternum, Ortona nach Same
nium: daß Rom fiir ihn verloven, erfubr er durd
einjelne aus der Stadt geflohne Gothen fdon inter
Nuceria Camellaria.
Nicht unerwiinfeht fam des Königs rafd gum Ende
drangendem und fdonungélofem Ginn die Nöthigung,
ſich feiner Gefangnen zu entledigen: diefe, an Zahl faft
halb fo ftarf als ihre Befieger, batten die Ueberwachung
fo {dwierig gemadt, daß Teja jeden Befretungsverfud
mit dem Lode bedrohen mußte.
Hinter Foffatum, bet ver Nordſchwenkung, machten
fie trogvem einen Verſuch, maffenbaft mit Gewalt los
zubrechen.
367 .
Sehr viele wurden bet rem Unternehmen getidtet :
le, welde itbrig geblieben waren, mit Oreftes und
mmtlichen Führern, ließ ver König bei dem Uebergang
er Den Aternus mit gebundnen Handen in den Flu
rfen und ertranfen. —
Auf Avalgoths Fürbitte hatte er finfter erwidert :
„Zu vielen Taufenden haben fie webrlofe Gothen«
‘etber und -§inder an thren Herdfeuern itberfallen und
ſchlachtet: vas ift fein Krieg ver Krieger mehr: das ift
a Mordfanpf ver Völker. Laß uns darin halbwegs
th das Unfre thun.“
Wus Samnium eilte ver Konig, das unwehrhafte
olf langfam unter ſchwacher Beredung nad ſich führend
- denn bier drobte keine Verfolgung — mit dem beften
ruppen vafd nad) Gampanien: fo unerwartet traf er
ev ein, daß er das kleine, durch die bisherigen Gefedte
it Der Uebermacht zuſammengeſchmolzne Heer von Herzog
untharis und Graf Grippa, — er traf fie im fefter
telung gwifden Neapolis und Beneventum, — faft
enfo überraſchte, wie bald darauf die ſiegesſichern
egner.
Er erfuhr, daß die, Romäer“, von Capua aus, Cumä
drohten.
„Nein,“ rief er, „dieſe Burg ſollen fie nicht vor mir
reichen.
Dort hab’ ich nocd ein wichtig Werk zu vollenden.“
Und verſtärkt durch die Beſatzung aus ſeiner eg:
m Grafenſtadt Tarentum, unter vem tapfern Rags
wi8, griff er die Uebermacht der Byzantiner, welche
‘ 368
auf geheiment Marfde von Capua aus Gumd fibers
rumpeln wollten, fie felbft aufs Höchſte überraſchend,
an und ſchlug fie unter blutigen Verluſten grimmig auf's
Haupt: er ſpaltete mit der Streitaxt dem Archonten Ar⸗
matus die Stirn: an feiner Gette durdjrannte der
junge Herzog von Apulien den Dorotheos mit dem
Speer: entfegt flohen die Byzantiner gen Norden bis
nad) Terracina.
Es war der legte Sonnenkuß. ven der Siegesgot
auf tie blaue Gothenjahne legte.
Tags varauf jog Kinig Teja in Cumé ein.
Lotila hatte, auf fetn ernftes Andringen, fic ents
jdloffen, bet dem diesmaligen allentfdeidenden Auszug
von Rom, gegen feine Gewobhnbeit, fiir die Trene der
Start Rom Geifefn yu nehmen: niemand wufte, wets
dieſe gebradjt worden.
Am Abend feines Cinzugs ließ Konig Leja den gue
gemauerten Garten des Caſtells gu Cuma anfbreden:
hier waren, hinter thurmhohen Wallen, die Geifeln
Roms geborgen: Patricter, Genatoren — darunter
Maximus, Cyprianus, Opilio, Rufticus, Fivelins: die
angefebnften Dinner ves Genats — im Ganzen drets
hundert an der Bahl: fie waren alle Glieder des alten
Bundes der Katafomben wider vie Gothen.
Teja lief ibnen von ven aus Rom entwidnen Gothen
berichten, wie nie Römer, verfiihrt von Sendlingen det
Narfes, ſich in einer Nacht pliglid erhoben, alle Gothen,
aud) Weiber und Kinder, deren fie babbaft werben
369
konnten, ermordet und den Reft in die moles Hadrian
gufammengedringt batten.
So furchtbar war der Blid des Königs, welden er
auf den jitternden Geiſeln während diefer Erzählung
tuben ließ, daß zwei derfelben das Ende abjuwarten
nicht ertrugen, fonbdern fich fofort an den harten Fels⸗
wallen tie Köpfe einvannten.
Nachdem vie Boten eidlid ihre Erzählung bekräftigt
batten, wandte fic) der König fdweigend und ſchritt aus
dent Garten.
Gine Stunde daranf ftarrten die Koöpfe der drei-
hundert Geifeln graglich von den Mauerzinnen herab. —
weber nicht blos dies furdthave Richteramt zog mid
nad Cumé," fprad Teja yu Adalgoth.
„Es gilt, hier nocd ein heiliges Geheimniß yu ers
Bebe.”
Und er [ud ihn, fowie die andren Führer des Heeres,
gum feſt⸗ und freudelofen Nachtmal.
Als das traurige Gelage gu Ende, winkte der Kinig
Dem alten Hildebrand.
Diefer nidte, hob eine diifter brennende Pedhfacel
ans bem Gifenring der Mittelfaule ver gewölbten Halle
und fprad: .
„Folgt mix nad, ihe Kinder junger Tage: nehmt
enre Schilde mit."
Es war die dritte Stunde der Sulinadt: vie Sterne
ſtanden in der Mitternacht.
Da fdritten ans der Halle, ſchweigend dem König
amd dem wrgrauen Waffenmeifter folgend, Guntharis
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 24
370
und Wdalgoth, Wligern, Grippa, Ragnaris und Wifanr, —
rer Bandalarius: Wadhis, des Rinigs Schildträger,
ſchloß den Bug mit einer gweiten Fadel.
Gegeniiber dem Schloßgarten erhob fid) ein riefiger
Rundthurm, „der Thurm Theoderichs“ genannt, weil ihn
viefer große König neu verſtärkt hatte.
In dieſes Thurmgebaure leudtete und fdritt voran
der alte Hilrebrand.
Aber anftatt nun von dem Erdgeſchoß aus, welches
nur die leere Thurmftube zeigte, vie hohe Treppe empor
zu fteigen, machte der Ulte Halt: er kniete nieder und,
vorfidtig meffend, fpannte er mit der gemaltigen Hand
auf pem Boren von ver forgfaltig wierer gefdloffnen
Thiire an nad) rer Mitte fünfzehn Handfpannen — der
ganze Boren fdien aus drei coloffalen Granitplatten
zuſammengelegt —: auf rer fünfzehnten Spanne bielt er
ren linfen Daumen an und fdlug mit der Steinart anf
die Platte: da Hang e8 Hohl: und in eine ſchmale, kaum
ſichtbare Hike res Gefteins die Spike ver Art bohrend
hieß er alle Mtann hinter fic) zur Linken treten: als
pies gefdebn, ſchob ev die Steinplatte nad) redjt8 vor:
ſchwarz, thurmbod, wie bas Gebäude über vem Erdge⸗
ſchoß ſich erhob, fenfte es fich bier hügeltief in bie Erde.
Nur um Cinen Mann tnapp hindurd gu Laffer,
gewährte die Oeffnung Raum: fie filbrte auf eine ſchmale,
in den Fels gehau'ne Treppe von mehr als gweihundert
Stufen.
Schweigend ftiegen vie Manner hinab.
Unten angelangt fanden fie den entfprechenden Rreis-
371
Raum burd eine Steinmauer in zwei Halbfreife getheilt: |
ver von ihnen betretne Halbreis war leer. —
Und nun maf König Teja von ver Erve auf zehn
Handbreiten an der Mauer: hier drückte er an einen
Stein: eine fdmale Pforte that fic) nad) innen auf:
Hildebrand trat vorleudtend ein: und der König und
jener entgiindeten zwei in der Wand eingeftedte Fackeln.
Da fubren die Uebrigen glanggeblentet zurück und
bebedten bie Augen: als fie wieder aufblidten, gewahr⸗
ten fie — fofort erfannten die gothifden Manner das
Geheimniß — den ganzen reiden Amalungenhort Diets
ris von Bern.
Da lagen, thetls zierlich gehauft, theils ordnungslos
neben etnander gefditttet, Waffen, Gerath und Schmuck
aller Art: die Sturmbaube von Bronce aus altetrustifcder
Beit, in grauen Vorzeittagen durch den Handel den Gothen
bis at die Oftfee oder an den Pruth und Dnieſtr zuges
führt und nun von dem nad) Süden ziehenden Wandervolf
wieder zurück gebradt, nabe an die Stätte vielleicht, wo fie
gehämmert worden: daneben das Fell des Geehunds und
her Raden des Eisbären über einen flachen Kopfſchirm
von Hols gefpannt: keltiſche Spitzhelme: ſtolzgeſchweifte,
römiſche und byzantiniſche Helmkämme: Halsringe von
Bronce und oon Cifen, von Silber und von Gold:
Schilde, von dem ungefiigen, mannshohen Holz fdild, der,
aufgeftellt wie eine Mauer, ven Pfeilſchützen barg, bis
yu dent zierlichen, mit Coelfteinen und Perlen iberfaten,
runden, kleinen Reiterſchild der Parther: neben alterthitme
lihen Kettenringen von erdriidenrer Schwere leichte
24*
Drittes Capitel.
Scharf hatte ver grofe Feldherr Marfes die Wege
richtung erfannt, auf welder König Leja von der flami-
nifden Straße abgebogen war.
Nad Norden zunächſt, nad der Küſte des joniſchen
Bufens, war er ausgewiden und filbrte hier, mit feltner
Wegestunde, auf vielfach gewundenen Pfaden, fein flüch⸗
tendes Volk und Heer unbebelligt, unerreicht von den
BVerfolgern, iber Hadria, Aternum, Ortona nak Sams
nium: daß Rom fitr ibn verloren, erfuhr er durd
einzelne aus ver Stadt geflohne Gothen fdon hinter
Nuceria Camellaria.
Nicht unerwünſcht fam des Königs rafd gum Ende
bringendem und fdonungélofem Ginn die Nöthigung.
fic) feiner Gefangnen gu entledigen: diefe, an Zahl faft
halb fo ftarf als thre Befieger, Hatten die Ueberwachung
fo fdwierig gemacht, daß Teja jeden Befreiungsverſuch
mit dem Lode bedroben mußte.
Dinter Foffatum, bet ver Nordſchwenkung, madten
fie trogdem einen Verſuch, maffenhaft mit Gemalt [os
zubrechen.
367
Sehr viele wurden bei dem Unternehmen getödtet:
Alle, welche übrig geblieben waren, mit Oreſtes und
ſämmtlichen Führern, ließ ver König bet dem Uebergang
über den Aternus mit gebundnen Händen in den Fluß
werfen und ertränken. —
Auf Adalgoths Fürbitte hatte er finſter erwidert:
„Zu vielen Tauſenden haben fie wehrloſe Gothen—
Weiber und -Kinder an ihren Herdfeuern überfallen und
geſchlachtet: das iſt kein Krieg der Krieger mehr: das iſt
ein Mordkampf der Völker. Laß uns darin halbwegs
auch das Unſre thun.“
Aus Samnium eilte der König, das unwehrhafte
Volk langſam unter ſchwacher Bedeckung nach ſich führend
— denn hier drohte keine Verfolgung — mit den beſten
Truppen raſch nach Campanien: ſo unerwartet traf er
hier ein, daß er das kleine, durch die bisherigen Gefechte
mit der Uebermacht zuſammengeſchmolzne Heer von Herzog
Guntharis und Graf Grippa, — er traf ſie in feſter
Stellung zwiſchen Neapolis und Beneventum, — faſt
ebenſo überraſchte, wie bald darauf die ſiegesſichern
Gegner.
Gr erfuhr, daß die Romäer“, von Capua aus, Cuma
bedrobten.
„Nein,“ rief er, „dieſe Burg follen fie nicht vor mir
erreiden.
Dort hab’ ic) nod ein widhtig Werk zu vollenden.”
Und verftirft purd die Befabung aus feiner eigs
nen Grafenftadt Larentum, unter dem tapfern Rag:
naris, griff er dte Uebermacht der Byzantiner, welche
° 368
auf geheimem Marſche von Gapua aus Cumé fibers
rumpeln wollten, fie felbft aufs Höchſte überraſchend,
an und ſchlug ſie unter blutigen Verluſten grimmig auf's
Haupt: er fpaltete mit der Streitaxt dem Archonten Ar⸗
matus die Stirn: an feiner Gette durchrannte der
junge Herzog von Apulien den Dorotheos mit dem
Speer: entfest flohen die Byzantiner gen Norden bid
nad Lerracina.
Es war der letzte Sonnenkuß. den der Siegesgott
auf tie blaue Gothenfahne legte.
Tags varauf 309 Kinig Teja in Cuma ein.
Totila hatte, auf fein ernftes Anvringen, ſich ente
ſchloſſen, bet dem diesmaligen allentſcheidenden Auszug
von Hom, gegen feine Gewohnheit, für die Treue der
Stadt Rom Geifefn yu nehmen: niemand wufte, wehin
dieſe gebracht worden.
Am Abend ſeines Einzugs ließ König Teja den zu⸗
gemauerten Garten des Caſtells gu Cuma aufbrechen:
hier waren, hinter thurmhohen Wällen, die Geiſeln
Roms geborgen: Patricier, Senatoren — darunter
Maximus, Cyprianus, Opilio, Ruſticus, Fidelius: die
angeſehnſten Männer des Senats — im Ganzen drei⸗
hundert an der Zahl: ſie waren alle Glieder des alten
Bundes der Katakomben wider die Gothen.
Teja ließ ihnen von den aus Rom entwichnen Gothen
berichten, wie die Römer, verführt von Sendlingen des
Narſes, ſich in einer Nacht plötzlich erhoben, alle Gothen,
auch Weiber und Kinder, deren ſie habhaft werden
369
konnten, ermordet und den Reſt in die moles Hadriani
aufammengedrangt batten.
Go furchtbar war ver Blid des Königs, welden er
auf den jitternden Geifeln während diefer Erzählung
xuben ließ, daß zwei derfelben das Ende abzuwarten
nicht ertrugen, fonbdern fic) fofort an den harten Fels
wa&llen tie Köpfe einrannten.
Nachdem vie Boten eidlid) thre Erzählung bekräftigt
hatten, wandte ſich der König ſchweigend und ſchritt aus
dem Garten.
Eine Stunde darauf ſtarrten die Köpfe der drei⸗
hundert Geiſeln gräßlich von den Mauerzinnen herab. —
„Aber nicht blos dies furchtbare Richteramt zog mich
nad Cumä,“ ſprach Leja zu Adalgoth.
„Es gilt, bier noch ein heiliges Geheimniß gu er:
beben.“
Und er [ud ihn, fowie die andren Fithrer des Heeres,
gum feſt⸗ und freudelofen Nachtmal.
Als das traurige Gelage yu Ende, winkte der König
bem alten Hildebrand.
Diefer nidte, hob eine ditfter brennende Pechfackel
aus bem Gifenring der Mittelfaule der gewölbten Halle
und ſprach: I
„Folgt mir nach, ihr Kinder junger Tage: nehmt
eure Schilde mit.“
Es war die dritte Stunde der Julinacht: die Sterne
ftanden in der Mitternacht.
Da fdritten ans ver Halle, fdweigend bem König
tmb dem urgrauen Waffenmeifter folgend, Guntharis
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 24
370
und Wdalgoth, Wligern, Grippa, Ragnaris und Wifand,
rer Bandalarius: Wadhis, ves Rinigs Schildträger,
ſchloß den Bug mit einer gweiten Facet.
Gegeniiber dem Schloßgarten erhob fid) ein riefiger
Rundthurm, „der Thurm Theoderichs“ genannt, weil ihn
viefer grofe Konig nen verſtärkt hatte.
In diefes Thurmgebaure lendtete und fdritt voran
per alte Hilrebranbd.
Aber anftatt nun von dem Erdgeſchoß aus, welches
nur die leere Thurmftube zeigte, die hohe Treppe empor
ju fteigen, madjte der Ulte Halt: er Entete nieder und,
vorfidtig meffend, fpannte er mit der gemaltigen Gand
auf dem Boren von ver forgfaltig wierer gefdloffnen
Thiire an nad der Mitte fünfzehn Gandfpannen — der
ganze Boden ſchien aus drei coloffalen Granitplatten
zuſammengelegt —: auf rer fünfzehnten Spanne bielt er
ren linken Daumen an und fdlug mit der Steinart auf
die Platte: da flang e8 hohl: und in eine ſchmale, faum
ſichtbare Mike ves Gefteins die Spike der Art bohrend
hieß er alle Mann hinter fid) zur Linken treten: als
Dies geſchehn, fdob er die Steinplatte nach rechts vor:
ſchwarz, thurmbod, wie pas Gebäude her dem Erdge⸗
{hop ſich erhob, fenfte e8 fic) bier hügeltief in bie Erte.
Nur um Cinen Mann fnapp hindurd gu Laffer,
gewährte die Oeffnung Raum: fie führte auf eine ſchmale,
in den Fels gehau'ne Treppe von mehr alé zweihundert
Stufen.
Schweigend ſtiegen die Männer hinab.
Unten angelangt fanden fie den entſprechenden Kreis⸗
371
Raum durch eine Steinmauer in gwet Halbtreife gethetlt: |
ver von ibnen betretne Halbreis war leer. —
Und nun maf König Leja von ver Erde auf zehn
Handbreiten an der Mauer: hier driidte er an einen
Stem: eine fdmale Pforte that fid) nad) innen auf:
Hildebrand trat vorleudtend ein: und der König und
jener entgiindeten zwei in der Wand eingeſteckte Fackeln.
Da fubren die Uebrigen glanggeblentet zurück und
bededten die Augen: als fie wieder aufblidten, gewahr⸗
ten fie — fofort erfannten die gothifden Männer das
Gebheimnig — den ganzen reidhen Amalungenhort Diets
ris von Bern.
Da lagen, theils zierlich gehauft, theils ordnungslos
neben einander gefdittet, Waffen, Gerath und Schmuck
aller Art: die Sturmbaube von Bronce aus altetrustifder
Beit, in granen Vorzeittagen durch den Handel ven Gothen
bi8 att die Oftfee oder an den Pruth und Dnieſtr zuge—
führt und nun von dem nad) Siiden giehenten Wandervolk
wieder zurück gebradt, nahe an die Statte vtelleidjt, wo fie
gehämmert worden: Daneben das Fell des Seehunds und
rer Raden des Eisbären itber einen fladhen Kopfſchirm
von Holz gefpannt: keltiſche Spishelme: ſtolzgeſchweifte,
römiſche und byzantiniſche Helmfamme: Halsringe von
Bronce und von Cifen, von Silber und von Gold:
Schilde, von dem ungefiigen, mannshohen Holzſchild, der,
aufgeftelt wie eine Mauer, den Pfeilfditgen barg, bis
zu dent zierlichen, mit Celfteinen und Perlen itherfaten,
runden, fleinen Reiterſchild ver Parther: neben alterthiims
lien Rettenvingen von erdriidentrer Schwere leichte
24*
370
unt Aralgoth, Wligern, Grippa, Ragr dazu Fras
Tey Banralarius : Wachis, des at Bronce und
ſchleß ven Bug mit einer zweit⸗ eil nod) aus Dem
Gegeniiber vem Schloßa⸗ jt umwunden unt
Rundthurm, der Thurm per fränkiſchen Fran-
riefer grofe König ner -wnen, fleinen, vergolteren
Sn dieſes Thur ein aufgeſteckter Apfel von rö—
per alte Hilvebro” —, im Galopp gefpalten werden mußte:
Aber anft- . Rurfſpieße aller Art: von dem kaum
nur die ter . pen des Narwal bis zu dem goldein—
zu Rei elzſchaft Ter asdingiſchen Vandalen-Könige
vorſic a * nt Tem maſſiv goldnen Wurfpfeil dieſer
au’ ait vem Purpurgefieder ves Flamingo am Saft
a * jean Stahlſpitze: Kriegsmäntel aus dem Pel;
axa Fuchſes Lis yu vem Fell tes numidifden Löwen
. ent fofttarjten PBurpur von Sidon: Schuhe, von
aa angen, ſchaufelähnlichen Schneeſchuhen ber Skrito⸗
anne bia zu ten Golrfanralen von Byzanz: Wammfer
ven friſiſcher Wolke und Tunifen von dinefifder Seide :
pau ungezähltes Gerath und Tafel-Geſchirr: hobe Krüge,
flache Schalen, runde Veder, bauchige Urnen, von Bern⸗
ftein, von Golr, von Cilber, von Schildplatt: Armringe
unt Schulterſpangen: Schnüre von Bergfriftallen und
von Perlen: und ned fonft unerſchöpflich mannidfaltiges
Geſchirr für Spetfe uno Tranf, Gerith für Kleidung
und Schmuck, für Spiel und Kampf.
oa," fprad König Teja, ,diefe geheime Hable, nur
ung, ren Blutsbrüdern, befannt — rer Waffenmeifter
hatte fie im den Fels hauen laffen, als er vor vierzig
in Rrieg und Frieden, die weit ber
hinauf zu Winithar, Ermanarich, Athal,
ogotho, Sfarna, Amala bis Gaut empor fteigen: — .
fie haben wir hier geborgen.
Nur das gemünzte Gold Hatten wir in Ravenna bes
alten und foldes Geräth, vas reider an Golds Werth
alg an Ehren ſchien.
Monate lang find die Feinde fiber viefe Schätze
bin gefdritten. dod) eS ſchwieg bie treue Tiefe des Ab⸗
grunds.
Nun aber tragen wir ſie alle mit uns — in eure
breiten Schilde ſchöpfet ſie und reichet ſie, die Staffeln
herauf, Einer dem Andern — in das letzte Schlachtfeld,
darauf ein oſtgothiſches Volksheer kämpfen wird — nein,
bange nicht: jung Adalgoth, auch wenn ich gefallen bin
und Alles verloren iſt —: nicht ſollen die heiligen Sdage
der Ehre die Feinde nach Byzanz ſchleppen.
Denn wunderbar iſt das letzte Schlachtfeld, das ich
uns geforen: es ſoll die letzten Gothen und ihre Schätze
und ihren Ruhm verſchlingen und verbergen.“
„Ja, aud ihren höchſten Schatz und Ruhm,“ ſprach
der alte Hildebrand, „nicht nur Gold und Silber und
edle Steine.
Sebhet her, meine Gothen!”
372
Harniſche von purpurfarbnem Linnengemebe: dazu Fra:
meen, Sdjwerter, Doldhe von Stein, von Bronce und
von Gifen: Beile und Keulen, yum Theil nod aus dem
Knoden des Mammuth, roh, mit Baſt umwunden und
in ein Hirſchgeweih geftedt, bis gu ver frantifden Fran-
ci8ca und dem zierlich Durdbrodnen, kleinen, vergoldeten
Wurfbeil, mit weldem ein aufgeftedter Apfel von rö⸗
mifden Circusreitern im Galopp gefpalten werden mufte :
Speere, Lanzen, Wurfſpieße aller Art: von dem faum
bebaunen Stoßzahn ves Narwal bis gu dem goldeins
gelegten Ebenholzſchaft der asdingifden Vandalen⸗Könige
in Rarthago und vem maffiv golonen Wurfpfeil viefer
Fürſten mit dem PBurpurgefieder des Flamingo am Saft
und der fußlangen Stahlſpitze: Kriegsmantel ans dem Pely
nes blauen Fuchſes bis gu dem Fell ded numidiſchen Lowen
und dent foftbarften Burpur von Sidon: Schuhe, von
pen langen, ſchaufelähnlichen Schneeſchuhen der Skrito⸗
finnen bis gu ven Goldſandalen von Byzanz: Wämmſer
von friſiſcher Wolle und Tuniken von chineſiſcher Seide:
dazu ungezähltes Geräth und Tafel⸗Geſchirr: hohe Krüge,
flache Schalen, runde Becher, bauchige Urnen, von Bern⸗
ſtein, von Gold, von Silber, von Schildplatt: Armringe
und Schulterſpangen: Schnüre von Bergkriſtallen und
von Perlen: und noch ſonſt unerſchöpflich mannichfaltiges
Geſchirr fiir Speiſe und Trank, Geräth fir Kleidung
und Schmuck, für Spiel und Kampf.
„Ja,“ ſprach König Teja, „dieſe geheime Höhle, nur
uns, den Blutsbrüdern, bekannt — der Waffenmeiſter
hatte ſie in den Fels hauen laſſen, als er vor vierzig
373
Sahren Graf von Cuma war — fie war vas Schatz⸗
gewölbe, bas den Hort der Gothen barg.
Deßhalb fand Beliſarius fo wenig wor, als er den
Scag yu Ravenna erbeutete: die evelften und foftbarften
Stitde ver Beute und der Gefdente, vie Sammlung der
Amalungenehren in Krieg und Frieden, die weit ber
Theoderich hinanf zu Winithar, Ermanarich, Athal,
Oftrogotho, Sfarna, Amala bis Gaut empor fteigen: — .
fie haben wir bier geborgen.
Nur das gemiingte Gold atten wir in Ravenna bes
halten und ſolches Geräth, vas reidher an Golds Werth
als an Ehren fchien.
Monate lang find die Feinde ber viefe Schätze
hin gefdritten. doch es ſchwieg die treue Liefe ded Ab⸗
grunds.
Nun aber tragen wir ſie alle mit uns — in eure
breiten Schilde ſchöpfet ſie und reichet ſie, die Staffeln
herauf, Einer dem Andern — in das letzte Schlachtfeld,
darauf ein oſtgothiſches Volksheer kämpfen wird — nein,
bange nicht: jung Adalgoth, auch wenn ich gefallen bin
und Alles verloren iſt —: nicht ſollen die heiligen Schätze
der Ehre die Feinde nach Byzanz ſchleppen.
Denn wunderbar iſt das letzte Schlachtfeld, das ich
uns gekoren: es ſoll die letzten Gothen und ihre Schätze
und ihren Ruhm verſchlingen und verbergen.“
„Ja, auch ihren höchſten Schatz und Ruhm,“ ſprach
der alte Hildebrand, „nicht nur Gold und Silber und
edle Steine.
Sehet her, meine Gothen!“
374
Und er leudjtete in den, von einem Vorhang abe
gefperrten SchlugsRaum des Halbkreifes und ſchob den
Vorhang zur Seite.
Da fielen alle Andern ehrfürchtig auf die Rniee.
Denn fie erfannten ven grogen Lobten, der da, hod)
aufgeridtet, auf dem goldnen Throne fag, den Speer
nod) in der Redjten, vom PBurpurmantel umwallt.
Es war der große Theoderid.
Und bie von ben Aeghptern zu den Römern ges
wanderte Kunft, die Leiden wunderfam zu wabren, hatte
ven Heldenfinig in ſchauerlicher Leibhaftigfett erhalten.
Tieffte Erſchütterung band den Männern die eve.
„Schon feit Langer Reit,“ hob endlich Hildebrand an,
„mißtrauten Teja und id) dem Stern der Gothen.
Und th, der id) vor Ausbrud des Rrieges die
Ehrenwadhe an vem Marmor>Runrhaus yu Ravenna
batte, in weldem Amalajwintha ihren topten Vater beiges
jest — id liebte das ganze Gebäude wenig: und weniger
nod) vie weihrauch⸗qualmenden Briefter, welche dort fo
oft fiir des Gewalt’gen große Geele beten wollten.
Und id) dachte: wenn unfre Spur dereinft getilgt
wird aus diefem Südland, follen nicht Wälſche und
Griedhlein ihr Geſpött treiben mit den Gebeinen des
theuren Helden.
Nein: wie jener erfte Beswinger ver Romaburg,
wie Der Weftgothe Wlarich im heiligen Strombett fein
von Keinem gefannten, von Keinem ju ſchändendes Grab
gefunden: — fo fol aud mein grofer König entritdt
fein der Nachfpitrung ver Menſchen.
375
Und mit Leja’s Hiilfe ſchaffte ich, in dunkler Nacht,
vie edle Leide Hinweg aus dem Marmorhauſe und aus
dex winfelnden Briefter Umgebung: und wir bradten fie,
al8 ein Stück des Königsſchatzes, in verfdloffner Truhe
Bieber.
Hier war er fider geborgen: und fand ihn nad
Sabhrhunderten ein Zufall — wer fonnte dann nod ibn
erfennen, ten König mit dem Adler-Auge?
Und fo ift der Steinfarfophag ju Ravenna leer: und
vie Mönche fingen und beten dort umfonft. —
Hier, bet allen feinen Schätzen und Chren, in
Helden-Herrlicdfeit, aufredht, thronend, follte er ruben —:
das wird feiner Geele, die von Walhall niederfdaut,
fieber fein, als auggeftredt, unter ſchwerem Stein, unter
Weihraudwolfen, fic fliegen zu feben.“
„Nun aber," ſchloß Teja, ,ift auch für ihn, wie für
den Amalungen- Hort, die Stunde gefommen, nod) eins
mal aufzufteigen aus der Liefe; wenn thr rie Schätze
geboben, heben wir forgfam auch den theuren Helden-
leib empor.
Und morgen frith breden wir We anf ans diefer
Start: — fdon wird ves Parfes und des Prajecten
Anmarſch gemeldet — und jiehen mit Königs-Hort und
Königsleiche auf jenes letzte Schlachtfeld der Gothen,
wohin id) aud) ſchon die Weiber und Minter entboten
babe: jenes Schlachtfeld — feit lange habe ich's geſchaut
in ſchlummerloſem Traumgefidt — jenes Schlachtfeld,
welches uns und unſer Volk ſieht glorreich untergehen;
jenes Schlachtfeld, welches, auch nachdem der letzte Speer
376
gebroden, alle Tod⸗Entſchloſſnen vettend, bergend aufs
nehmen fann in feinen glithenden Schos: — dad Schlacht⸗
feld, das Leja fic und euch erforen.”
„Ich abne,” fiel Adalgoth ein. , Died, unfer Sdhladt-
feld heißt —"
„Mons Vefuvius!" ſprach Teja. An's Werk!“
Viertes Capitel.
Go rafd ale e8 fein furchtbares Umklafterungs⸗
Syſtem verftattete, war Narfes nad jenem Rriegsrath
bet Foffatum mit fener ganzen Macht und in breitefter
Stirn- Linie nach Süden hinabgezogen, die Refte gos
thifden Lebens gu erbdritden oder in’8 Meer gu werfen.
Nad Tuscien nur entfandte er, um die dort nod
widerftrebenden Burgen zu breden, dann Lucca im annos
nariſchem Tuscien, mit geringer Macht feine Heerfithrer
Vitalianus und ven Heruler Wilmuth: und nod weiter
hinanf gen Morden wider bas immer nod) unbeswungne
Verona, deſſen Wusdauer den Gothen das Entfommen
purd) das Thal ver Atheſis hinauf bis an die Paſſara
wefentlic) erleichtert hatte, den Balerianus, welder
einftweilen aud) Petra pertufa, das oberbalb Helvillum
vie flaminifde Strafe gefperrt, bezwungen hatte.
Mit allen andern Truppen eilte er nach Süden: er
felbft auf ver flaminifden Strage an Rom vorbei, inde
Sohannes an vem tyrrheniſchen Meere hin, ver Heruler
Vulkaris an ver Küſte des jonifden Bufens die Gothen
vor fic) ber drängen follte.
378
Beide fanren aber wenig Arbeit unt Aufenthalt
mehr: denn im Norden waren die gothifden Familien
ohnehin won dent vorauseilenden Heere ves Königs auf:
genommen worden, weldes Vulkaris nicht mehr eingu-
holen vermodjte: und aus bem Gilden waren ebenfalls
vie Gothen längſt aufgefdheudt ther Rom hinaus gen
Neapolis geftrémt, wohin fie eilende Gajonen, fliegende
Boten des Königs beſchieden.
Mons Veſuvius!“ bildete das ausgegebne Sammel⸗
wort fiir alle viefe gothiſchen Flüchtlinge.
Narſes hatte feinen beiden Fligein Anagnia al Ort
der Wiedervercinigung mit dem Mittelheer vorgefdrieben.
Gern folgte Gethegus ver Cinladung ves Rarfes,
bet ihm und dem Hauptheer yu bleiben: auf den beiden
Flügeln waren feine grofen CEreign‘ffe 3u erwarten.
Und der Weg des Narſes fithrte ja ber Rom!
Für den Fall, dak Marfes, trog ſeinem BVerfpreden,
einen BVerfud) machen follte, im Vorüberziehn fic Cine
gang in Rom zu verfdaffen, war dann aud Cethegus
an Ort und Stelle.
Aber faft zu ves Prafecten Erſtaunen hielt Marfes
Wort.
Er zog mit fetnem Heere rubig an Rom vorüber.
Und er forderte Gethegus anf, Zeuge feiner Unters
redung mit rem Pabft Pelagius und ben Hbrigen bes
herrſchenden Perfonen in Rom zu fein, welche Swiefprad
er die Walle hinan, ywifden dem flaminifden und dem
falarifden Thor, an der Porta belifaria (pinciana) hielt.
Nod einmal verfiderten rer Pabft und die Romer
379
unter feierlidjen Ciden auf die Gebeine der heiligen Kosma
und Damian (nad der Legende arabifde Werjte, Zwil⸗
lingsbrüder, die unter Diofletian als Martyrer geftor:
ben fein follten), weldje fie in elfenbeinenen Sruben und
Gilberfargen auf vie Walle gebracht atten, daß fie
unweigerlig, nad) Vernidjtung der Gothen in der moles
Hadriani, vem Prafecten von Rom allein ihre Thore
erfdjliefen, jeden Verſuch aber, gewaltfam im die Stadt
gu dringen, mit Gewalt abwebren würden: denn fie
wollten fic) feinem der Rampfe mehr ausfegen, welde
etwa nod) um Yom entbrennen könnten.
Das Anerbieten des Narſes, ihnen jegt fdon ein
par taufend Mann zur rafderen Bewaltigung ver moles
Hadriani gu itberlafjen, wiefen die Römer höflich, aber
beftimmt ab: zur hoben Freude des Prafecten.
„Sie haben dod ſchon gwet Dinge gelernt in diefen
Jahren,“ fagte er im Ubreiten yu Lucius Licinins, —
fich die „Romäer“ fern vom Leibe alten und Cethegus
mit dem Heile Moms verfniipfen. Das ift fdon viel.”
„Mein Feldherr,“ warnte Licinins, „ich fann deine
Freude, deine Zuverſicht nicht theilen.“
„Ich auch nicht,“ ſtimmte Salvius Julianus bei.
„Ich fürchte Narſes. Ich mißtraue ihm.“
wid, iby Allklugen,“ ſpottete Piſo.
„Man muß nichts übertreiben, auch die Vorſicht
nicht und den Zweifel.
Hat ſich nicht Alles gewendet, wie wir's kaum zu
hoffen gewagt, ſeit jener Nacht, da ein Hirtenknabe dem
beſten Dichter Roms über die unſterbliche Jambenhand
380
ſchlug? da der gewaltige Prafect von Rom in einem
Getreidehaufen tiberabwarts fdwamm? da Maſſurius
Sabinus in den coifden Gewändern feiner Hetaͤre, in
denen er entrinnen wollte, von Graf Marfja erfannt
und gefangen nnd da der große Rechtskenner Salvius
Sulianus blutend von dem unfanften Herzog Guntharis
aus bem Schlamm des Fluges hervorgefifht wurde?
Wer hatte damals gedadt, daß wir nodmal die
Tage an den Fingern absiblen würden, da nod Gin
Gothe zwei Beine anf italifden Erdgrund ftellt ?“
Du haft Redt, Poet,” lächelte Cethegus. dene
Beiden leiden an vem Marfes-Fieber, wie ihr Heros an
ver Epilepfie. Seine Feinde ber fdagen ift aud ein
Fehler. Die Gebeine, auf welde jene Priefter ſchworen,
find ihnen wirklich heilig: fle breden folde Gide nicht.“
„Wenn id) nur," erwiderte Licinius, ,neben den
Prieftern und Handwerfern, nod) ivgend einen deiner,
unferer Freunde auf ven Wallen gefehen hatte! Wher
lauter Waller, Fleifder und Bimmerlenute! Wo iſt der
Adel Roms? wo die Männer ver Ratafomben ? “
„Als Geifeln fortgefithrt,” fprad Gethegus.
wind Recht gefdah ihnen: fle febrten ja nad Ron
zurück und huldigten dem blonden Oothen.
Wenn ihnen num der ſchwarze Sethe die Koͤpfe
abſchlägt — müſſen ſie's haben.
Getroſt, ihr habt zu düſter geſehen: Alle! Des
Narſes erdrückende Uebermacht hat euch eingeſchüchtert:
er iſt ein großer Feldherr: aber, daß er dieſen Vertrag
mit Rom geſchloſſen — mich und ja keinen Andern ein⸗
__ 381
zulaſſen! — und dag er thn halt — dad zeigt, daß er
alg Staatsmann ungefährlich ift.
Laft uné nur erft wieder die Luft des Capitols
athmen: Gpileptifer vertragen fie nicht.“
Und als am andern Morgen die jungen Tribunen
pen Prafecten von feinem Relt abbolten yum allgemeinen
Aufbrud gegen Teja, empfing fie iby Führer mit
firablenden Augen.
„Nun,“ fprad er, wer fennt nun die Romer, iby
ober der Stadtprafect von Rom?
Hirt — aber ſchweigt. —
Heute Nacht ftabl fic) aus Rom in mein Belt ein
Centurio der neu erridteten Stadt-Gobhorten, Publius
Macer: ihm ift die Porta Latina, feinem Bruder Marcus
vas Capitol anvertraut vom Pabſt: er geigte beive Bee
fiallungen : id) fenne des Belagius Schrift — fie find acht.
Sie find langft ver Prieſterherrſchaft müde.
Sie wollen mid und end) und meine Sfaurier gern
wieder fdjreiten fehen auf den Mauern Aurelians und
des Prafecten.
Er lieR mir feinen Neffen Wulus, zugleich als Pfand
und als Geifel, zurück: dieſer wird uns, von ihm in ver:
abredetem, harmlofem Briefwort gemabhnt, die Nacht be:
seinen, da jene uns das Thor und bas Capitol ers
fliegen.
Narſes fann fic) nicht beflagen, wenn ung die Römer
felbft freiwillig einlaſſen — id) verſuche ja nicht Gewalt.
Nun, Licinius, ſprich Julianus, wer fennt nun Rom
und die Römer?“
Fünftes Capitel.
Marfes 30g jest auf Anagnia.
Zwei Tage nad feiner UAntunft trafen, wie thnen
vorgefdrieben war, die beiven Flügelheere defelbft ein.
Nad einigen Tagen ver gemeinfamen Crbholung,
Mufterung und Xeugliederung feiner ungeheuren Maffen
30g Der Feldherr nad) Terracina, wo die Reſte der
Truppen des Armatus und Dorotheos ſich anfdlofjen:
und alsbald waljte fic) nun das vereinigte Geer gegen
pie Gothen, welde, ſüdlich von Neapolis, auf dem Bes
ſuvius und auf dem (bei Nuceria) gegenitber liegenden Mons
Yactarius, rem Milchberg, an beiden Ufern ded einen
Fluſſes Draco, (ver ſich ndrdlid) von Stabié in's Meer
ergießt,) eine ausgezeichnet fefte Stellung inne batten.
Seit rem Abmarfd von Cumä, an MNeapolis vorbet
(— die Bitrger viefer Stadt ſchloſſen ihre von Totila vores
trefflic) wieder bergeftellten Thore, überwältigten bie bret
gethifden Hundertſchaften ver Befagung und erklärten:
fie witrden, dem Beifpiel Roms folgend, ihre Veſte vor⸗
läufig beiden Parteien verfdloffen halten —) und feit der
Erreichung des längſt gewählten Schladtfelds hatte König
383 _
Leja Alles aufgeboten, vie von Matur aus fo ftarle Stel.
{ung nod) mehr zu verftarfen.
lind iiberallber hatte er Lebensmittel aus der ftrogend
reidjen Landfdaft nach dem Berge fchaffen laffen, aus⸗
reidend, um fein Volk fo lang gu nabren, bis der legte
Zag ven Gothen leudjten follte.
G8 ift ein vergeblides Bemühen gelehrter Unter-
ſuchung geblieben, an vem Mons Lactarius oder an
vem BVefuvius eine Oertlicfeit gu finden, welde ganj
genau der BVefdreibung Profops entfprade.
Für feine ver zahlreichen aufgeftellten Schluchten oder
Päſſe fann man fid) entfdeiden.
Gleichwohl darf man um deßwillen feineswegs ren
auf die Ausfagen ver Wugenzeugen, der Heerfiihrer und
Dorhphoren des Marfes, geftiigten Beridt ves byzanti-
niſchen Geſchichtsſchreibers besweifeln.
Vielmehr erklärt ſich dieſe Nichtübereinſtimmung ſehr
einfach aus den plötzlichen, großen, gewaltſamen und aus
den nod viel zahlreichern, allmähligen, kleineren durch
Lavaflug, Felsſturz, Zermürbung und Auswaſchung be—
wirkten Veränderungen, welche eine Zeit von mehr als
dreizehn Jahrhunderten an jenem niemals ruhenden Berge
vorgenommen.
Laſſen ſich doch glaubhafte Angaben viel ſpäterer
italieniſcher Schriftſteller über Oertlichkeiten und Maß—
verhältniſſe am Veſuvius mit der dermaligen Wirklichkeit
oft nicht mehr vereinbaren.
Der Boden, der König Teja's Herzblut aufgeſogen,
384
ift wohl Tange fdjon von tiefen Lavafdidten befriedend
überdeckt.
Selbſt Narſes bewunderte die Umſicht, mit welcher
fein barbariſcher Gegner dieſe Vertheidiguugsftellung
gewählt.
„Er will fallen wie der Bär im Bau!“ ſprach er,
als er, von Nuceria aus, vom Norden her, in ſeiner
Sänfte die ganze gothiſche Umwallung betrachtete.
„Und mancher von euch, liebe Wölflein,“ lächelte er
Alboin zu, ,wird von vem Schlag ſeiner Pranke um⸗
taumeln, wenn fie in jenen ſchmalen Hoͤhlen⸗Cingang
eintraben wollen.“
„Ei, es müſſen gleich ſoviele auf einmal hinein
rennen, daß er aufs Erſte Mal beide Pranken voll be⸗
kommt und nicht nochmal ausholen kann.“
„Nur gemach: id) weiß an jenem Veſuv einen Paß
— früher, da ich noch auf dieſen elenden Leib mit
Heilungshoffnung Pflege wandte, habe ich mal wochen⸗
lang auf dem ,Dtons Lactarius" die Lufteur gebraucht
und dabei den Paß mix wohl eingepragt — wenn fle
darinnen ſtecken — treibt fie nur der Gunger heraus.“
Das wird langweilig.”
„Geht aber nicht anders. Ich Habe nit Luft, not
mal eine Mtyriade kaiſerlicher Cruppen gu opfern, dieſe
letzten Funken auszutreten.“ —
Und ſo geſchah's.
Sechzig Tage noch ſtanden ſich ſeit dem Eintreffen
des Narſes beide Heere einander gegenüber.
Ganz allmählig, mit blutigen Verluſten jeden Schritt
385
erkämpfend, ſchnürte Narſes fein erwürgendes Mew enger
und enger.
Er deckte im Halbkreis alle Puncte im Weſten, Norden
und Oſten der gothiſchen Stellung; nur den Süden,
das Meer, an deſſen Strand er ſelbſt lagerte, konnte er,
neben ſeinen Zelten, offen laſſen, da die Feinde keine
Schiffe hatten, zu fliehen oder ſich Vorräthe zu ſchaffen:
die tyrrheniſche“ Flotte des Narſes war ſchon beſchäftigt,
vie gefangnen Gothen nach Byzanz zu tragen: vie ,jonifde"
wurde denmadft erwartet: einige ihrer Schiffe waren
fdon frither abgeordnet worden, in der Budt von Baja
bis SGurrentum ju freujen.
So befeste Narſes, mit zäher Geduld, trog feiner
Uebermacht, nichts überſehend, allmalig Piscinula, Cimis
terium, Nola, Gumma, Melane, Muceria, Stabig, Cumié,
Bajä, Mifenum, Puteoli, Melis.
Alsbald aber erfdrat nun aud Meapolis vor der
Macht des Narſes und Hffnete ihm freiwillig vie Thore.
Von allen Seiten riidten die Byzantiner concentrifd
gegen vie Rings⸗Umſchloſſnen vor.
Nad heftigen Kämpfen gelang es, fle, von dem
Mons Lactarius hinweg, auf die redjte Geite ves Fluſſes
Draco gu drängen, wo der Reft ves Volkes hinter dem
unvergleidliden, von Narſes gepriefenen Engpaß auf
einem Hoch⸗Feld, nahe einem der zahlreichen vamaligen
Nebenfrater ver Mittelhöhe, lagerte, nur felten, bet der
Windridtung aus Südoſt, unter dem Rauch und den
Diinften des Berges leidend.
Hier, in den jablreiden Klüften, Höhlungen, Cine
Dabhn, Cin Kamypi um Rom. IV. 25
386
fentungen des Berges, lagerten, im der warmen Luft des
Auguft, unter freiem Himmel oder Inftigen Relten, die
Unwebrhaften auf ren mitgefiihrten Wagen.
Den einjigen Bugang aber gu diefer Lagernng
hifdete ein enger Felfenpag, an feiner Südöffnung fo
ſchmal, daß ibn ein Mann mit dem Schilde bequem
ausfüllen konnte.
Dieſen Zugang bewachten, abwechſelnd, je eine
Stunde, Tag und Nacht, König Teja ſelbſt, Herzog
Guntharis, Herzog Adalgoth, Graf Grippa, Graf Wi⸗
ſand, Aligern, Ragnaris und Wachis; hinter ihnen füllte
ren Engpaß, ebenfalls wechſelnd. eine gothiſche Hundert⸗
ſchaft.
Und ſo hatte ſich denn der ganze furchtbare Krieg.
der Kampf um Rom und Italien, dem Syſtem des
Narſes gemäß, mit dramatiſcher Folgerichtigkeit zugeſchärft
zu Dem Kampf um eine mannesbreite Kluft an der Silve
fpige Der fo warm geliebten, fo gah vertheivigten Galbinfel.
Und in der gefdichtliden Darftellung Prokops er⸗
fheint tie Vollendung ver gothiſchen Gefdide am Befuy
wie der lebte Uct einer groffartigen Tragödie der Ges
ſchichte. —
Am Strand, vor dem Hügel, von welchem man zu
jenem Bak emporſtieg, hatte nun Narſes mit den Lango⸗
barden fein Lager aufgefdlagen, ihm gur Rechten Jos
hannes, ihm zur Linfen Cethegus.
Der Prafect hob es feinen Tribunen Hervor, daß
Narſes durch Ueberlaffung diefes Platzes — Cethegus
hatte ihn ſelbſt gewählt — entweder einen Beweis
357
groger Unvorfidtigteit over voller Harmlofigheit gegeben
hatte: ,denn,” fagte er, ,damit lieR er mir ven Weg
nad Rom, den er mir durch Butheilung des rechten
Bliigels oder des Mitteltreffens verlegt hätte.
Haltet end bereit, fowie der Wink aus der Stadt ein-
trifft, mit allen Sfauriern nadts heimlich nad) Rom gu
eilen.“
„Und du?“ fragte Licinius beſorgt.
wd) bleibe hier, bet dem Gefürchteten!
Hatte ex mid) morden wollen — längſt hatte er
e8 gefonnt. :
Er will es offenbar nidt.
Cr will nidt ohne Rechtsgrund gegen mid) handeln.
Und folge id) bem Ruf dev Homer, fo erfiille id), bree
nicht unfere Uebereinfunft.”
25*
: anf ver SSSter aad
en empfing thn Aralge:$, thm,
wend den boben Geltpecal free
eit noch meines Munrfdenfamres
.u§, wie lang’s noch währt.“
ichr!“ ſprach Leja ernft, fic nierer:
. atev augen bletben, vor dem Vorhang.
~ pradtooll die game Bucht von Baja bis
uu Schimmer der eben verfuntnen Sonne
“9 blaue Meer ward purpurfarben Blut.
9, felnen ſchöneren Rahmen fonnte das Süd⸗
vaste, Die letzte Schlacht der Gothen drein gu
il, Dad Bildniß fet des Rahmens werth.
dirängt yum Ende.
civ tidy nun Wes erfiillt bat, was ich geahnt —
wait gedichtet.“
id der Rinig ſtützte vas Haupt auf beide Hände.
oi tab erft wieder auf, al8 ein filberner Harfen⸗
“gid DIL weckte.
Adalgoth hatte verſtohlen des Königs kleine Harfe
‘auct dem Vorhang heraus gelangt.
Horch,“ ſagte er, „wie id) — oder wie ſich ſelbſt
dein Lied von der Lavaſchlucht vollendet hat.
Medenkſt du nod) der Nacht yu Row in der Wild⸗
ag von Epheu, Marmor und Lorber? *
‘ 389
griffe mitbradte: ober fie guriidlieR vor dem Cingang:
— in Geftalt erfdlagner Feinde.
Go haufig begegnete dies, daß die Verwefung der
Erſchlagnen — denn diefe fortzutragen wagte niemand —
den Aufenthalt an dem Paeingang unmiglid) zu madjen
drohte. —
Narſes ſchien hierauf gezählt gu haben.
Als Baſiliskos dieſe nutzloſen Opfer beklagte, hatte
er entgegnet: „ſie nützen vielleicht nach ihrem Tode mehr
als im ihrem Leben.“
Aber König Teja befahl, zur Nacht die Leichen über
das ſchroffe Lavageklippe zu werfen, ſo daß ſie, grauen⸗
haft zerriſſen, von der Nachfolge hinwegzuſchrecken
ſchienen.
Da erbat Narſes eilfertig die Gunſt, die Erſchlagnen
durch Unbewaffnete abholen laſſen zu dürfen, was der
König gewährte.
Seit dem Rückzug in dieſe Schlucht hatten die Gothen
noch nicht Einen Mann im Kampf verloren: denn nur
der Vorderſte im Engpaß war den Feinden erreichbar:
und dieſer Wächter, unterſtützt von den hinter ihm
ſtehenden Genoffen, war nod) nie erlegt worden.
Eines Abends, nach Sonnenuntergang — es war
nun September und die Spuren ves Kampfes von
Taginä fdon faft getilgt: vie Blumen, welche Caffiodo-
rius und die Religtofa ves Klofters neben den drei
Sarfophagen des Königs, feiner Braut und fetnes
Freundes angepflangt, batten fdon friſche Keime gee
* trieben — ſchritt König Teja, abgelift von Wifand,
390 .
rem Bandalarius, den Speer auf ver Schulter, nad
feiner Lava-Halle.
Bor dem Vorhang ſchon empfing ibn Woalgoth, ihm,
wehmilthig lächelnd, tnieend den hohen Goldpocal free
denzend.
„Laß mich immerhin noch meines Mundſchenkamtes
warten: — wer weiß, wie lang's noch währt.“
„Nicht lange mehr!“ ſprach Teja ernſt, ſich nieder⸗
laſſend.
„Wir wollen hier außen bleiben, vor dem Vorhang.
Sieh, wie pradjtooll die ganze Bucht von Bajk bis
Surrentum im Schimmer der eben verfunfnen Gonne
glüht — das blaue Meer ward purpurfarben Blut.
Wahrlich, keinen ſchöneren Rahmen fonnte das Siid-
land gewähren, die letzte Schlacht der Gothen drein zu
faſſen.
Wohlan, das Bildniß ſei des Rahmens werth.
Es drängt zum Ende.
Wie ſich nun Alles erfüllt hat, was ich geahnt —
geträumt — gedichtet.“
Und der König ſtützte das Haupt auf beide Hände.
Er ſah erſt wieder auf, als ein filberner Harfen⸗
klang ihn weckte.
Adalgoth hatte verſtohlen des Königs Heine Harfe
binter dem Vorhang heraus gelangt.
„Horch,“ fagte er, ,,mwie id) — ober wie fidy felbft
— dein ied von der Lavaſchlucht vollendet hat.
Gedenkſt du nod ver Macht zu Rom in der Bil
nif von Epheu, Marmor und Lorber?
391
Nit eine vergangne Schlacht, aus Vorzeittagen:
— deinen, unfren etgnen letzten Heldentampf haſt du,
vorſchauend, an diefem Ort geahnt.“
Und er fpielte und fang dazu.
„Wo die Lavaflippen ragen
An vem Fue des Vefuvs,
Durd vie Rachtluft birt man Hagen
Tine tiefen Weberufs.
Denn ein Flud von tapfern Todten
Laftet auf vem Felfenring :
Und es ift das Volk ver Gothen
Das hier glorreich unterging.”
oa, glorreich/ mein Liebling.
Das foll uns fein Schickſal und fein Narſes
rauben.
Das fürchterliche Gottesurtheil, das unfer theurer
Totila herausgefordert, e8 ift granenvoll ergangen itber
den Mann, fein Volt und feinen Gott.
Rein Gott im Himmel hat, wie jener Cole wähnte,
in geredjter Wage unfer Schickſal gemogen.
Wir fallen durch taufendfaden Verrath der Wälſchen,
der Bygantiner und durch dte dumpfe Uebermadt der
Babl.
Aber wie wir fallen, unerfdjiittert, ftol; nocd im
Untergang — das fonnte fein Schickſal, nur der eigne
Werth entſcheiden.
Und nad) un8? wer wird nad uns berrfden in
dieſen Landen?
392
Nicht Lange dieſer Grieden Tücke —: und nicht ver
Walfden eigne Kraft —: nod) haufen viele der Gers
manenftimme jenfett ver Berge — fie fey’ ih ein gu
unfern Grben und Rächern.“
Und leiſe nahm er vie Harfe auf, welde Adalgoth
nievergelegt und fang leife, hinabſchauend in das raſch
nächtiz gewordne Meer.
Und die Sterne ftanden fdon über feinem Haupt.
Ind nur mandmal griff er in die Saiten:
„Erloſchen ift ver belle Stern
Der hohen Amelungen :
© Dietridh, theurer Held von Bern,
Dein Heerſchild ift gefprungen.
Das Feige flegt — das ple fällt —
Und Trew’ und Muth verderben :
Die Schurken find vie Herrn der Welt: — —
Auf Gothen, lat uns fterben! —
O ſchöner Sid, o fchlimmes Rom,
© ſüße Himmelsblane —
© blutgetrantter Ciberftrom —
O falſche, wälſche Crene.
Noch hegt der Nord manch kühnen Sohn
Als unſres Haſſes Erben:
Der Rade Donner grollen ſchon: — —
Auf Gothen, laßt uns ſterben!“
„Die Weiſe gefällt mir,“ rief Adalgoth — aber iſt
fie ſchon zu Ende? der Schluß?“
393.
„Den Schluß fann man nur gum Tact der Schwerters
ſtreiche ſingen,“ fprad) Leja.
„Du hörſt, dünkt mir, bald aud den Schluß.“
Und er ftand auf.
„Geh, mein Adalgoth,“ fagte er, „laß mid) allein.
Allzulange fdjon habe ich dich fern gebalten von“ —
pa lächelte ex durch feine Trauer — ,von der lieblichften
aller Herjoginnen. :
Wenige folde Abendftunden habt ihr noc) gufammen,
arme Sinbder.
Euch, wenn ich retten könnte, ihr junges, gufunfte
fnofpendes Leben —
Gr ſtrich mit der Hand ber die Stirn.
Thorheit,“ fprad er dann. , Shr ſeid aud nur
ein Stück von dem todverfallnen Volk — freilid) dad
holdeſte.“
Adalgoths Augen hatten ſich mit Thränen gefüllt,
da der König ſeines jungen Weibes gedacht.
Nun trat er dicht an Teja heran und legte ihm
fragend die Hand auf die Schulter.
„Iſt keine Hoffnung? Sie iſt ſo jung!“
„Keine,“ ſprach Leja: „denn es ſteigen keine Engel
rettend vom Himmel.
Noch wenige Tage, bis der Mangel anhebt.
Dann mach' ich ein raſches Ende.
Die Männer brechen hervor und fallen im Kampf.“
„Und die Weiber, die Kinder — die Tauſende?“
„Ich kann ihnen nicht helfen.
Ich bin nicht der allmächtige Gott der Chriſten.
386
fentungen des Berges, lagerten, in der warmen Luft des
Auguft, unter freiem Himmel over luftigen Relten, die
Unwebrhaften auf ren mitgefiihrten Wagen.
Den’ einzigen Bugang aber gu diefer Lagerung
bildete ein enger Felfenpag, an feiner Südöffnung fo
ſchmal, dag ibn ein Mann mit dem Schilde bequem
ausfiillen fonnte.
Diefen Bugang bewadten, abwedfelnd, je eine
Stunde, Tag unr Nacht, König Teja felbft, Hergog
Gunthari8, Herzog Udalgoth, Graf Grippa, Graf Wi⸗
fand, Wligern, Ragnaris und Wachis; hinter ihnen füllte
ten Engpak, ebenfalls wedfelnd, eine gothifde Hundert⸗
ſchaft.
Und fo hatte ſich tenn der ganze furchtbare Krieg,
ter Kampf um Rom und Italien, dem Syftem des
Narſes gemäß, mit dramatifder Folgericdtigheit zugeſchärft
su dem Kampf um eine mannesbreite Kluft an ver Süd⸗
fpige ber fo warm geliebten, fo gah vertheidigten Halbinſel.
Uud im der gefdichtlichen Darftellung Profops ere
fcheint vie Vollendung der gothiſchen Gefdide am Vefuv
wie der letzte Act einer grofartigen Tragödie ver Gee
ſchichte. —
Am Strand, vor dem Hügel, von welchem man zu
jenem Paß emporſtieg, hatte nun Narſes mit den Lango⸗
barden fein Lager aufgeſchlagen, ibm zur Rechten Jos
hannes, ihm zur Linken Cethegus.
Der Prafect hob es ſeinen Tribunen hervor, daß
Narſes durch Ueberlaſſung dieſes Platzes — Cethegus
hatte ihn ſelbſt gewählt — entweder einen Beweis
387
großer Unvorfidtigheit oder voller Harmloſigkeit gegeben
hatte: ,denn,” fagte er, ,damit lief er mir ven Weg
nad) Rom, den er mir durch Butheilung ves rechten
Flügels oder des Mitteltreffens verlegt hatte.
Haltet euch bereit, ſowie der Wink ans ber Stadt ein:
trifft, mit allen Iſauriern nats beimlid) nad) Rom gu
eilen."
„Und but fragte Licintus beforgt.
„Ich bleibe hier, bet dem Gefürchteten!
Hatte er mid) morbden wollen — langft hatte er
es gefonnt.
Er will e8 offenbar nidt.
Cr will nicht ohne Rechtsgrund gegen mid) handeln.
Und folge id) dem Ruf der Homer, fo erfiille ich, bree
nicht unfere Ueberetnfunft.”
25*
”
Sechstes Capitel.
Oberhato des Engpaſſes am Vefun, den wir de
Gothenſchlucht nennen mögen, wölbte fid) eine ſchmale
Höhlung in den ſchwarzen Lava⸗Fels: in ihren Tiefen
hatte König Teja die heiligen Schätze des Bolles — den
Königsleichnam und den Königshort — geborgen.
Theoderids Banner war oor ver Mundung anfe
geftedt.
Gin purpurner Kinigsmantel, an vier Speeren anfs
gefpannt, bildete den dunkel glühenden Vorhang des Fels
gemachs, wo der letzte Gothenfdnig: feine Königshalle er⸗
richtet hatte: ein Lavablod, von dem Felle bes ſchwarzen
Tigers bebdedt, war fein lester Chron.
Hier weilte Konig Teja, wenn ihn nicht fetne eifers
fiichtig gewahrte Wachtſtunde vornhin an die Silomiine
rung der Gothenfdlucht rief, auf welde unaufhörlich,
bald von Fern mit Pfeilen, Sdleudern und Wurf-
fpeeren, bald ans der Nabe in kühnem, pliglidem An-
lauf die Vorpoften des Narfes Angriffe unternahmen.
Reiner der heldenhaften Wächter kehrte abgelöſt heim,
der nicht an Schild und Harniſch Spuren folder Ans
‘ 389
griffe mitbrachte: ober fie guriidlieR vor dem Cingang:
— in Geftalt erfdlagner Feinde.
So haufig begegnete vies, dak die Verwefung der
Erſchlagnen — denn diefe fortgutragen wagte niemand —
ben Uufenthalt an vem PaKeingang unmöglich gu machen
drohte. —
Narſes ſchien hierauf gezählt gu haben.
Als Baſiliskos dieſe nutzloſen Opfer beklagte, hatte
er entgegnet: „ſie nützen vielleicht nach ihrem Tode mehr
als in ihrem Leben.“
Aber König Teja befahl, zur Nacht die Leichen über
das ſchroffe Lavageklippe zu werfen, ſo daß ſie, grauen⸗
haft zerriſſen, von der Nachfolge hinwegzuſchrecken
ſchienen.
Da erbat Narſes eilfertig die Gunſt, die Erſchlagnen
durch Unbewaffnete abholen laſſen zu dürfen, was der
König gewährte.
Seit bem Rückzug im dieſe Schlucht hatten die Gothen
noch nicht Einen Mann im Kampf verloren: denn nur
der Vorderſte im Engpaß war den Feinden erreichbar:
und dieſer Wächter, unterſtützt von den hinter ihm
ſtehenden Genoffen, war nod nie erlegt worden.
Eines Abends, nad Gonnenuntergang — es war
nun Geptember und die Spuren des Rampfes von
Tagind fdon faft getilgt: vie Blumen, welche Caffiodo-
rius und Ddie Religiofa ded Mofters neben den drei
Garfophagen ves Königs, feiner Braut und feines
Freundes angepflangt, batten ſchon frifde Keime ges
*trieben — febritt König Teja, abgelift von Wifand,
390
rem Bandalarius, ven Speer auf ver Sehulter, nach
feiner Lava-Halle.
Vor vem Vorhang fdon empfing ihn Adalgoth, ihm,
wehmüthig lächelnd, tnieend den hohen Golbpocal tres
denzend.
„Laß mich immerhin noch meines Mundſchenkamtes
warten: — wer weiß, wie lang's noch währt.“
„Nicht lange mehr!" ſprach Leja ernſt, ſich nieder⸗
laſſend.
„Wir wollen hier außen bleiben, vor dem Vorhang.
Sieh, wie prachtvoll die ganze Bucht oon Bajã bis
Surrentum im Schimmer der eben verſunknen Sonne
glüht — das blaue Meer ward purpurfarben Blut.
Wahrlich, keinen ſchöneren Rahmen konnte das Süd⸗
land gewähren, die letzte Schlacht der Gothen drein zu
faſſen.
Wohlan, das Bildniß ſei des Rahmens werth.
Es drängt zum Ende.
Wie ſich nun Alles erfüllt hat, was ich geahnt —
geträumt — gedichtet.“
Und der König ſtützte das Haupt auf beide Hände.
Er ſah erſt wieder auf, als ein ſilberner Harfen⸗
klang thn weckte.
Adalgoth hatte verſtohlen ves Königs Meine Harfe
binter dem Vorhang heraus gelangt.
„Horch,“ fagte er, „wie id) — ober wie fidy felbft
— dein Lied von ver Lavafdludt vollendet bat.
Gedentft du nod der Nacht yu Rom in der Wild
nif von Epheu, Marmor und Lorber?
391
Nicht eine vergangne Schlacht, aus Voryeittagen:
— deinen, unfren eignen legten Heldenfampf haſt du,
porfdauend, an diefem Ort geabnt.”
Und er fpielte und fang dazu.
„Wo die Lavaflippen ragen
An vem Fue des Vefuvs,
Durd die Nachtluft hort man lagen
Tine tiefen Weberufs.
Denn ein Flud von tapfern Todten
Laftet auf dem Felfenring :
Und es ift nas BVolf ver Gothen
Das hier glorretd unterging.“
oa, glorreich/ mein Liebling.
Das foll uns fetn Schickſal und fein Narſes
rauben.
Das fürchterliche Gottesurthet!, das unfer theurer
Totila herausgefordert, es ift grauenvoll ergangen über
den, Mann, fein Volf und feinen Gott.
Rein Gott im Himmel bat, wie jener Cole wabnte,
in geredter Wage unfer Sdidjal gewogen.
Wir fallen durch taufendfaden Verrath ver Wälſchen,
ber Byzantiner und durd) die Dumpfe Uebermadt der
Zahl.
Aber wie wir fallen, unerſchüttert, ſtolz noch im
Untergang — das konnte kein Schickſal, nur der eigne
Werth entſcheiden.
Und nach uns? wer wird nach uns herrſchen in
dieſen Landen?
392
Nicht lange viefer Grieden Tithe —: und nicht ver
Walfden eigne Kraft —: nod baufen viele ver Gers
manenftamme jenfeit ver Berge — fie fey’ ich ein gu
unfern Grben und Rächern.“
Und leife nabm er die Harfe auf, welde Adalgoth
nievergelegt und fang leife, hinabſchauend in das rafd
nächtiz gewordne Meer.
Und die Sterne ftanden ſchon über feinem Haupt.
Und nur mandmal griff ex im die Saiten:
„Erloſchen ift der helle Stern
Der hohen Amelungen:
© Dietrich, theurer Held von Bern,
Dein Heerſchild ift gefprungen.
Das Feige fiegt — das Sole falt —
Und Trew’ und Muth verderben :
Die Schurfen find die Herrn der Welt: — —
Auf Gothen, laßt uns fterben! —
O ſchöner Sid, o ſchlimmes Rom,
O ſüße Himmelsbläue —
© blutgetränkter Tiberſttom —
O ſalſche, wälſche Treue.
Noch hegt der Nord manch kühnen Sohn
Als unſres Haſſes Erben:
Der Rache Donner grollen ſchon: — —
Auf Gothen, laßt uns ſterben!“
„Die Weiſe gefällt mir,“ rief Adalgoth — aber iſt
fie ſchon zu Ende? der Schluß?“
393.
„Den Schluß fann man nur gum Tact der Schwerter⸗
ſtreiche ſingen,“ fprad Teja.
„Du hörſt, dünkt mir, bald aud den Schluß.“
Und er ftand auf.
„Geh, mein Adalgoth,“ fagte er, „laß mid) allein.
Ulgulange fon habe id) dich fern gebalten von" —
pa lächelte ex durch feine Trauer — ,von der lieblidften
aller Herjoginnen. :
Wenige folde Abendftunden habt ihy nod) gufammen,
arme Stinder.
Euch, wenn id retten finnte, thr junges, zukunft⸗
fnofpendes Leben —
Gr ſtrich mit der Hand über die Stirn.
„Thorheit,“ fprad er dann. „Ihr feid and nur
ein Stiid von bem todverfallnen Volk — freilid) das
holdeſte.“
Adalgoths Augen hatten ſich mit Thränen gefüllt,
da der König ſeines jungen Weibes gedacht.
Nun trat er dicht an Teja heran und legte ihm
fragend die Hand auf die Schulter.
„Iſt keine Hoffnung? Sie iſt ſo jung!“
„Keine,“ ſprach Teja: „denn es ſteigen keine Engel
rettend vom Himmel.
Noch wenige Tage, bis der Mangel anhebt.
Dann mach' ich ein raſches Ende.
Die Männer brechen hervor und fallen im Kampf.“
„Und die Weiber, die Kinder — die Tauſende?“
„Ich kann ihnen nicht helfen.
Ich bin nicht der allmächtige Gott der Chriſten.
394
Aber in der Byzantiner Sflaverei foll fein gothiſch
Weib und Madden fallen, vas nicht die Schande wablt
ftatt freten Todes.
Sieh hin — mein Adalgoth —: ſchon zeigt die dunkle
Nacht vie Berggluth voll. —
Siehſt pu — dort — hundert Schritte redts von
hier — ha, wie herrlich die Flammen aus der dunfeln
Miindung fteigen! — wenn des Paffes lester Wadhter
fiel — ein Sprung dabinah —: und feines Römers
freche Hand rührt an unjre reinen Frauen.
Ihrer gedent —: nocd mehr als unfrer, denn wir
können fallen allitherall —: ver Gothen Frauen einge:
vent, for id) zur letzten Wahlſtatt: — — ven Veſuvius!“
Und begeiftert, nidjt mehr weinend, warf fic Adal-
goth an feines Königs Bruft.
Siebentes Capitel.
Wenige Lage, nadrem Cethegus mit feinen Söldern
die von ihm gewählte Stellung eingenommen zur Linfen
des Narſes, fam in das Lager der Byzantiner vie Kunde
von der Bezwingung der Gothen in dem Grabmal
Hadrians.
So war nun ganz; Rom den Römern wieder gee
geben: fein Gothe und, fügte Gethegus froblodend in
Gedanfen bet, fein Byzantiner waltete mehr in feinem
Ron.
Gelang e8 nun, die Bfaurier unter Fithrung der
Tribunen in die Stadt gu werfen, fo ftand ver Prifect
Narfes nod viel giinftiger gegenitber als je Belifar,
mit weldjem er fid) in den Befig ver Stadt hatte theilen
milffen. :
Giner ver Boten, welche pie Machridt aus Rom
iberbradten, gab jzugleid dem als Geifel bebaltnen
Wulus einen Brief dev beiden Centurionen, der Britder
Macer, welder befagte: „die Braut ift ver langen
Kranfheit genefen: fobald der Brautigam tommen will,
396
fteht Der Hodyeit nichts mehr entgegen von den nächſten
Sven an: fomm, Aulus.“
Es waren Die verabredeten Worte.
Cethegus theilte fie fetnen rimifden Rittern mit.
„Wohlan.“ fagte Licinius entfdlofjen, „ſo werd’ id
denn dite Statte mit einem Denkſtein ſchmücken tinnen,
wo mein Bruder fiir Rom und fiir Cethegus fiel.“
„Ja, unverjährbar ift der Rimer Recht anf Rom,”
« fiel Salvius Sulianus ein.
„Nur forge, Prafect,” mahnte Pifo, „daß dem größ⸗
ten Krüppel aller Reiten unfer Abmarfd fo lang vers
borgen bleibt, bis er uns nicht mehr einbolen kann:
wenn wir heimlich, gegen feinen Willen, aufbrechen
jollen.”
„Nein.“ ſprach Cethegus, „das follt ihr nid.
Ich babe mid itherzeugt, daß weit fiber unfre
Stellungen auf vem linfen Fliigel hinans der vorfidtigfte
aller Selden nod) BVorpoften aufgeftellt — fetne lango⸗
bardifden Wölflein, die er überall vertheilt hat: was
wir fiir unfere BVorpoften hielten, ift umfaumt von
ſeinen Vorpoſten.
Weder mit Gewalt noch mit Taufdung könnt ihr
euren Abzug ohne ſeinen Willen bewirken.
Es iſt auch weit klüger, offen zu handeln.
Wenn er will, kann er es vereiteln: und er erfährt
es doch.
Aber er wird nichts dagegen haben — ihr werdet
es erfahren —: ich künde ihm meinen Entſchluß an und
ihr werdet ſehen: er heißt ihn gut.“
.
397
„Feldherr, das ift fehr gewagt, fehr groß.“
„Es ift das einzig Mögliche.“
„Ja, du haſt Recht, wie immer, o Cethegus,“
ſtimmte nach einigem Beſinnen Salvius Julianus bei.
„Gewalt und Täuſchung ſind unmöglich. Und willigt
er ein, dann will ich gern geſtehn, daß meine Beſorg⸗
niſſe —"
„Auf Ueberſchätzung des Staatsmannes Narſes
beruhten.
Euch haben die dicken Zahlen eingeſchüchtert: und die
freilich gar nicht gu überſchätzende Feldherrugröße
des Kranken.
Ja, ich geſtehe es: vor Taginä ſah es gewitter⸗
ſchwül aus —: aber da id) nod) lebe, waren jene Uns
nabmen — Irrthümer.
ZIch ſchicke euch beide ſelbſt fofort mit meiner An⸗
frage an Narſes: ihr ſeid mißtrauiſch: ihr werdet ſcharf
beobachten.
Geht, ſagt ihm: die Römer wollten mich, den
Stadtpräfecten, jetzt fdon, noch vor Vernichtung der
Gothen Teja's, in ihre Mauern laſſen.
Ich ließe ihn fragen, ob er verſtatten wolle, daß
ihr mit meinen Iſauriern ſofort nach Rom abzöget oder
ob er darin eine Verletzung unſres Uebereinkommens
erblicke: ohne ſeinen Willen würden die Iſaurier und
ich nicht aufbrechen.“
Die beiden Tribunen ſchieden und Piſo lachte im
Hinausſchreiten aus dem Zelt des Präfecten: „länger
I
398
hat enren Geift vie Krücke ves Narfes als meine Finger
ver Knüttel ves Hirten unbraudbar gemacht.“
Als file draufen waren, eilte Syphax auf feinen
Herrn ju:
.O Herr," fprad er ängſtlich, „mißtraue Ddiefem
Kranfen mit dem rubigen, Durdydringenden Auge.
Sd habe in letzter Nacht wieder vas Schlangen⸗
orafel gefragt: die abgeftreifte Haut meines Gottes, in
zwei Halften getheilt, auf Kohlen gelegt — vas Stück
„Narſes“ itherlebte das Stück ,Cethegus" lange, lange.
Soll id nicht now einmal verfuden? — du weift,
ein Haut> Rig mit diefem Dold und er ift verloren.
— Was liegt daran, wenn fie dann Syphar pfablen,
ves Hiempfal Cohn. — Mit Lift geht es nicht: — der
Langbarte Fürſt ſchläft in feinem Belt, das Felbbett
quer vor den Eingang geritdt, und fieben feiner ‚Wolf⸗
fein" licgen auf der Schwelle. Die Heruler ftehn Wade
vor der Thür. Ich habe, deinem Wink gemäß, feit
Helvillum alle Nachtlager ausgefpaht: faum eine Stech⸗
fliege entgeht den Herulern und Langobarden, fliegt fie
in's Belt.
Aber offen, bet Lage, einen Sprung in feine Sinfte
— eine Hautwunde und er ift ein todter Mann in einer
Viertelſtunde.“
„Und nod vorher nicht nur Syphax, des Hiempfal
Sohn, — auch Cethegus.
Nein.
Aber höre: ich habe entdeckt, wo der Feldherr ſeine
Geheimgeſpräche mit Baſiliskos, auch mit Alboin, hält.
399
Nidt im Relt — bad Lager hat taufend Obren —
im Bade.
Die Aergte haben ihm ein Morgenbad im Meeres⸗
Schlamm im Golf von Baja verordnet: eine Badehittte
haben fie ihm in’8 Meer gebaut, nur auf dem Rabhne
zu erreichen.
Bevor Baſiliskos und Alboin ihn dahin begleitet, ſind
fie nur fo gefdent wie — nun. wie Baſiliskos und
Alboin.
Kommen fie aber von daber zurück — find fie immer
von narfetifder Riugheit, wiffen, was aus Byzanz für
Briefe gekommen und Andres mehr.
Rings um die Badehütte wogt Schilf: — Syphar,
wie lange kannſt du tauchen?“
‚Lange genug,“ ſprach der Maure, nicht ohne Stolz,
„bis ſich Das ſchwerfällige und mißtrauiſche Krokodil in
unſern Strömen die als Köder in's Schilf geworfne
Gazelle genau genug betrachtet und ſich endlich ents
ſchloſſen hat, darauf los zu ſchwimmen — dann das
Meſſer von unten in den Bauch.
Dieſer kleinäugige Narſes hat etwas vom Krokodil —
laß ſehen, ob ich nicht auch ihn überdauere in geduld⸗
gem Tauchen.“
„Vortrefflich, mein Panther zu Lande, meine Tands
ente zu Waſſer!“
Aud in's Feuer ſpräng id) fiir vid, dein Skor⸗
pion."
da, belauſche diefe Badegefprade des Kranken.“
„Das ſchließt ſich vortrefflidh an ein andres Spiel.
400
Seit mebreren Tagen wink und blinzelt mid ein
Fiſcher immer fo einfaltig Hug an, der morgens unt
abends feine Nege wirft und nie was fangt.
Ich glaube: er lauert auf mid, nicht anf die Meer-
äſchen.
Aber die langbärtigen Wölflein dieſes Alboin ſind
mir immer auf den Ferſen —: vielleicht erwiſche ih, and
vem Waffer taudjend, was mir diefer Fiſcher vertranen
will.“
Adjtes Capitel.
Ernſten Sinnes, aber nicht mehr in thränenweicher
Stimmung, hatte Adalgoth ſeinem jungen Weibe den Ent⸗
ſchluß des Königs und den letzten Ausweg aus Knecht⸗
ſchaft und Schmach mitgetheilt.
Er erwartete einen Ausbruch des Schmerzes, wie er
ſelbſt ihn kaum niedergekämpft.
Aber zu ſeinem Staunen blieb Gotho unerſchüttert.
„Ich habe das längſt voraus geſehen, mein Adalgoth.
Das iſt kein Unglück —: ein Unglück iſt nur, im
Leben verlieren was man liebt.
Ich habe höchſtes Erdenglück erreicht.
Ich ward dein Weib.
Ob ich das nun zehn Jahre bleibe oder zwanzig
oder ein halbes kaum —: das ändert nichts.
So ſterben wir zuſammen, an Einem Tag, vielleicht
in Einer Stunde.
Denn König Teja wird nicht verbieten, wenn du in
der letzten Schlacht dein Theil gethan und, vielleicht ver⸗
wundet, nicht weiter kämpfen kannſt, daß du hieher gus
rück kehrſt und mich auf den Arm nimmſt — wie oft
Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 26
402
a
daheim auf dem Iffinger — und mit mix in die Tiefe
fpringft.
O mein Adalgoth,” rief fie, ihn heftig umarmend,
„wie glücklich maren wit!
Wir wollen’s verdienen durch muthigen Tod, ohne
feiges Sammern.
Der Balthenſproß foll nidt ſagen,“ lachelte fte, das
Hirtenfind habe nidt Schritt alten können mit fetner
Seele.
Mir fleigt die Großheit unfrer Berge mächtig im
Gemiith empor.
Der Ohm Iffa hat mich bet’m Scheiden gemabhnt, der
frifdjen, freien Bergluft gu gedenfen, der ftrengen, hebren
Zucht der ftolzen Höh'n, wenn uns vas Leben in den
niedern, engen Goldgemadern gu Hein und dumpf auf
pen Geelen laſten wiirde.
Das hat uns nicht bedrobt.
Uber aud) nun, da e8 galt, die Seele empor gu reißen
gu dieſem Todesentſchluß aus zagem, wetdhem Schmerz
— der mich auch wohl beſchleichen wollte — auch um
die ſtolze Kraft zum ſtolzen Tod zu finden, hat mich das
Bild ver Heimath-Berge ſtark gemacht: „ſchäme did,
ſprach ich ſtill zu mir, ſchäme dich, Tochter der Berge!
Was würden der Iffinger und der Wolfshaupt und alle
die ſteinernen Heldenrieſen ſagen, ſähen fie das Hirten⸗
kind verzagen? Sei deiner Berge werth und deines
Balthenhelden.“
Und ſtolz und ſelig drückte Adalgoth das junge Weib
an die Bruſt. —
403
Hinter dem Relt des Herzogs erhob fic) die niedre
Laubbiitte, in welder Wachis und Liuta hauften; diefe,
welde von Gotho den drohenden Wusgang vernommen,
hatte ihrem wadern Mann, (der kopfſchüttelnd an feinem,
von langobardifden Wurfpfeilen bet der legten Schlucht⸗
Wache übel zugerichteten Schilde flidte, ftopfte und häm—
merte und mandmal au pfeifen verfudte, um das Ringen
mit dem Schluchzen gu verbergen,) febr ernfthaft zureden
müſſen, thn gu der gleiden Entſagung gu fteigern.
„Ich glaube nicht,“ fagte der Schlichte, „daß das der
liebe Himmelsherr mit anfebn fann.
Ich bin von denen, die niemals gern jagen: „jetzt
ift Wes aus.“
Die Stolzen, die vas Haupt fo hod tragen, wie
Rinig Leja und Herzog Woalgoth, die rennen fretlid)
immer und itberall an vie Balfen des Schickſals.
Uber wir fleinen Leute, die wir uns fiigen und
puden finnen, wir finden leicht nod) ein Dtauslod oder
eine Mauerlucke zu entrinnen.
Es ift pod) gar gu niedertradtig! elend! graufam!
hundsföttiſch!“ — und jedes Wort begleitete ein Hams
merſchlag — „ich will's nicht glauben vom lieben Gott!
— bag bier in die Tauſende von braven Weibern und
hübſchen Maden und lallenden Rindern und Lallenden
Greiſen in das hölliſche Feuer dieſes verflucdten! Raubers
berge8! fpringen follen, al8 wär's ein luftig Sonnwend⸗
feuer und als famen fie drüben heil und gefund wieder
heraus.
26 *
404
BVerbrennen Hatt’ id) dic) aud) in dem Haus bet Fä⸗
ſulä ſchon laſſen können.
Und nun ſollſt nicht nur du verbrennen —: auch
unſer kommend Rind, das id) jetzt ſchon ‚Witichis“ vor⸗
benannt habe.“
„Oder: — ‚Rauthgundis“!“ fügte erröthend Liuta
leiſe bei, ſich an ihres Mannes Schulter ſchmiegend und
fein Hämmern hemmend.
Lak dich dieſen Namen mahnen, Wachis.
Denk an Rauthgundis, die Herrin!
War fie nicht tauſendmal herrlicher als Linta, die
Flachsmagd?
Und würde ſie ſich beſinnen, ſich weigern, zu ſterben
an Einem Tag zuſammen mit ihrem Volk?“
„Recht Haft du, Weib!“ rief Wachis, mit einem
fegten grimmen Hammerfdlag, daß die Funken ftober.
„Weißt, id bin von Banernart —: wir wollen durch⸗
aus nicht gerne fterben!
Aber fallt ver Himmel ein, ſchlägt er and alle
Bauern todt.
Und vorher — haffa! han’ id nod) manden Hieb!
Das ware aud Herm Witihis und Frau Rauth⸗
gundis redt! |
Shnen gu Ehren — ja, bu haft recht Liuta, —
wollen wir tapfer leben —: und geht's benn wirklid
gar, gar nidjt ander —: tapfer fterben.“
Nenntes Capitel.
Freudig erſtaunt kehrten alsbald von Narſes die
beiden Tribunen Licinius und Julianus zurück in das
Zelt des Präfecten.
„Abermals haſt du geſiegt, o Cethegus!“ rief
Licinius.
„Du haſt Recht behalten, Präfect von Rom,“ ſprach
Salvius Julianus. Ich begreife es nicht: — aber Nar⸗
ſes überläßt dir wirklich Rom.“
„Ha,“ frohlockte Piſo, der mit eingetreten war, Ges
thegus8, bas ift dein alted, cäfariſches Glück. Neu fteigt
dein Stern, der ſich fett dieſes unbeimliden Kranken Er—⸗
ſcheinen geneigt gu haben jdten.
Mir ſcheint, aud) fein Geift hat manchmal epileptiſche
Wnfalle.
Denn, bei gefundem Geift, vid, ohne Widerftand,
nad Rom gu laſſen, — netn: quem deus vult perdere
dementat! Nun wird Quintus Pifo wieder auf dem
Forum wandeln und an dben Laden der Buchhändler
406
nadfehen, ob die Gothen fleifig feine »epistolas ad
amabilissimum, carissimum pastorem Adalgothum et
ejus pedum« (Briefe an den höchſt Itebenswitrdigen und
geliebten Hirten-Knaben Adalgoth und feinen Knüttel)
gefauft haben.”
„So haft du in der Verbannung gedidtet, wie Ovi«
dius?“ lächelte Cethegus.
„Ja,“ meinte Piſo, „die ſechsfüßigen Verſe kamen
leichter, feitdem ſie nicht mehr die Gothen, die um einen
Fuß (anger find, gu fdheuen batten. Unter vem Larm
gothifder Gelage war aud) im Frieden ſchon nidjt gut
Didjten geweſen.“
„Darüber hat er drollige Verfe gemacht, mit gothi-
ſchen Wortern pagwifden gemengt," warf Salvius Ju⸗
lianus ein. ‚Wie fingen fie nur nod an: »Inter hails
gothicum skapja —?«"
„Verſündige bid) nidt an meinen Worten. Falſch
citiren Darf man das Unfterblide nicht.”
Mun, wie lauten vie Verſe?“ frig Cethegus.
„Folgendermaßen,“ ſprach Pifo.
»De conviviis barbarorum.
Inter: vhails Gothicum! skapja matjan jah drinkan !«
Non audet quisquam dignos educere versus:
Calliope madido trepidat se jungere Baccho,
Ne pedibus non stet ebria Musa suis.«
407
(Ueber vie Gelage der Barbaren.)
(Unter dem Oothifden: Heil! ſchafft Effen und Trinken
ven Gothen ! “
Rann fein verniinftiger Menſch ein ertraglides Vers:
fein erfinnen :
Vor vem Bacchus im Rauſch bebt bang bie verſchüch⸗
terte Muſe
Und dem benebelten Vers ach! verfagen die taumelnden
Füße.)
„Schauderhafte Poeſie,“ meinte Salvius Julianus.
„Wer weiß,“ lachte Piſo, „ob der Durſt der Gothen
nicht unſterblich wird durch dieſe Verſe.“
„Aber meldet min genauer: was hat Narſes geant⸗
wortet 2"
„Er hörte uns erft ſehr unglaubig gu,” ſprach Licinius.
„Freiwillig,“ fragte er mißtrauiſch, „ſollten ſich die
vorſichtigen Römer wieder iſauriſche Beſatzung erbitten
und den Präfecten, vem fie ſoviel Hunger und unfrei⸗
willige Lapferkeit verdanfen 2"
„Ich aber evwiderte: ex unterfdage wobl der Römer
Romerthum. Und eB fei deine Gache, ob du did) ges
täuſcht: ließen uns die Romer nidt freiwillig ein, fo
feten fiebentaufend Mann dod) gewiß gu fdwad, die
Stadt zu ftitrmen.
Das fdien ihm einzuleuchten.
Gr verlangte nur vas Verfprechen, daß wiv, wenn
nidjt freiwillig eingelaffen, nicht Gewalt verfuden, fons
Dern dann fotort hierber guritdfehren würden.“
408
„Das glaubten wir in deinem Namen verfpreden
yu dürfen,“ ergingte Sulianus.
wht durftet,“ lächelte Cethegus.
„Gut, fagte Marfes, von mir aus ſteht nichts im
Wege, wenn end die Römer aufnehmen. Und — fo
villig harmlos ift er,” fubr Licinius fort, — „daß er
aud deine Perfon nicht als Geifel bebalten gu wollen
fcien, denn er fragte: ,wann will der Präfect aufbrechen 2”
„Er fete alfo voraus: bu führteſt felber die Sfaus
vier nad Rom! Und aud) dawider hat er nidts!
Gr war ſichtlich erftaunt, als ic) entgegnete: du zögeſt
yor, hier den Untergang der Gothen mit angufehen.“
„Nun, wo ift er denn, dieſer ſchreckliche Narſes, der
überlegne Staat8mann? Wud) mein Freund Prokop hat
thn arg überſchätzt, als er ihn mir eiumal ,den größten
Mann ver Beit" nannte.“
„Der größte Mann der Rett heißt: — — anders!”
rief Licinius.
„Prokop natürlich muß ſeines Beliſars überlegnem
Feinde die Palme zuerkennen vor allen Erdenſöhnen.
Uber diefen plumpften Schnitzer des „größten Manns”,
mid) freiwillig nad) Rom gu laffen, follte man faft be-
nützen,“ fuhr Gethegus nadfinnend fort. ,Die Odtter
fdnnten zürnen, wenn wir folde Mirakel ber Berblen-
Dung, die fle fiir uns vollbringen, nicht nitgen. Ich
andre meinen Entſchluß: — mid sieht es nad dem
Capitol — id) gehe mit end nad Rom. Syphax, wir
brechen auf, fogleid) — fattle mein Roß.“
409
Da gab Syphar feinem Herm einen warnenden
Wink.
„Verlaßt mich, Tribunen,“ ſprach Cethegus. „Gleich
ruf' ich euch wieder.“
„O Herr," rief Syphar eifrig, als beide allein waren,
mur heute gehe noch nicht. Sende jene voraus.
Morgen früh' angle ich zwei große Geheimniſſe aus
der See.
Ich ſprach heute ſchon, unter ſeinem Bote durch—⸗
tauchend, jenen Fiſcher.
Er iſt kein Fiſcher.
Cr iſt etn Sklave, ein Briefſklave Prokops.“
„Was ſagſt du?“ rief Cethegus raſch und leiſe.
„Wir konnten nur wenige Worte flüſtern. Die
Langbärte ſtanden am Ufer, mich beobachtend. Sieben
Briefe Prokops, offen und heimlich geſchickt, haben dich
nicht erreicht. Drum wählte er dieſen klugen Boten.
Heute in dieſer Nacht fiſcht er bei Fackellicht auf Lachſe.
Dabei wird er mir den Brief Prokops geben.
Er hatte ihn heute nicht bei ſich.
Und morgen früh — heute hemmte die Krankheit
— morgen badet Narſes wieder im Meeresſchlamm.
Ich habe nun einen Verſteck im Schilf gefunden, prächtig
nahe — und ich kann pfeifen, wie die Otter, falls ſie
wirklich Blaſen aufſteigen ſehen ſollten aus dem Waſſer.
Sh ſah vie kaiſerliche Poſt mit dicken Felleiſen an:
kommen: Baſiliskos nahm fie in Empfang.
Warte nur noch bis morgen früh: gewiß verhandelt
410
Narjes morgen mit ihm und Alboin die neneften Ge:
heimniſſe aus Byzanz.
Over laß mid allein zurück“ —
„Nein, das würde dich als Späher ſofort kenn⸗
zeichnen.
Du biſt mehr werth als zehnfach dein Gewicht in
Gold, Syphay.
Sd) bletbe bis morgen nod," rief er den Wieder⸗Ein⸗
tretenden entgegen.
.O Feldherr, fomm’ mit uns." bat Licinius.
„Fort aus der erdritdenden Nähe diefes Marfes,“
mabute Julianus.
Aber Gethegus furdte rie hohe Stirn.
»Ueberragt ex mic) nod) immer in enren Augen?
Der Dhor, ver Cethegus anus feinem langobarden⸗
bewadten Lager nad Rom entlagt, den Hecht aus fetnem
Ney in’S Waſſer wirft!
Allzuſehr hat er euch eingeſchüchtert!
Morgen Whend folg’ itch euch.
Ich habe hier nod ein Gefdhaft, das nur id vers
ridten kann.
Kom ohne Widerftand beſetzen, dads könnt ihr auch
ohne mid).
Sd hole end) aber gewiß unterwegs ſchon bei Ter⸗
racina ein.
Wenn nidt, riidt rubig in Rom ein: ou, Licinius,
wahrſt mir das Capitol.“
Mit leudtenden Augen erwiderte Licinius :
X
411
„Hoch ehrſt bu mid, mein Feldherr! Mit meinem
Hergblut fteh’ icp dix dafiix ein. Darf ich eine Bitte
wagen ? “
Nun?“
„Setze dich nicht wieder ſo tollkühn dem Speerwurf
des Gothenkönigs aus! Vorgeſtern warf er zwei Speere
zugleich gegen dich: mit der Linken und mit der Rechten.
Wenn id) nicht mit dem Schilde ven aus der linken
Hand gefangen —"
„Dann, mein Licinius, hatte ihn ber Jupiter des
Gapitols von mir hinweggeblafen. Denn er brauct
mid) nod! Wher du meinft e8 treu.“
„Laß Roma," mabnte Licinius, „nicht verwittwen! “
Cethegus blidte ihn mit feinem unwiderſtehlich ges
winnenden Blid ehrender Liebe an.
Und fubr fort:
„Salvius Julians, du befeseft das Grabmal Hadrians:
pu, Pifo, ven Reft ver Stadt am linken Tiberufer: zu—
mal die Porta latina; durch dtefe folge id) eud.
Narfes allein Bffnet ihr fo wenig, wie weiland Bes
lifar alletn.
Lebt wohl; grüßt mir mein Rom.
Gagt ihm: ver legte Kampf um feinen Befis, der
zwiſchen Narſes und Cethegus, habe mit des Cethegua
Sieg geendet.
Auf Wiederfehbn in Rom! Roma eterna!"
»Roma eterna!« widerholten begeiftert die Tribunen
unt eilten hinaus.
412
© warum ift diefer Licinins nicht Manilia’s Sohn!”
fagte Gethegus, ven Jünglingen nadblidend, Thorheit
des Herzens! was bift du fo zäh! Licinius, du follft
mir al8 mein Erbe Sulius erfegen! O, wärſt du dod
felber mein Sulins ! “
Belmtes Capitel.
Die Wbreife des Prafecten nad) Rom verzögerte fid
um mebrere Lage.
Narſes gwar, der ihn zur Tafel zog, hielt ihn nicht
zurück: er äußerte fogar fein Befremden, daß es den
„Beherrſcher des Capitols" nicht madtiger an den Tibers
ftrom zurückziehe.
„Freilich,“ (achelte er, „ich fann verftehen: du haſt
dieſe Barbaren fo fang in deinem Stalien herrſchen
und fiegen feben. daß e8 did) verlangen mag, fie nun
aud) in deem Stalien fallen zu ſehn.
Uber ich fann nicht fagen, wie fange das nod ans
ftehn wird.
Zu ſtürmen ift jene Schlucht nidt, fo fang fie
Manner wie diefer König dedfen.
Schon mebr als taufend meiner Langobarden, Wla-
mannen, Burgunden, Heruler, Franfen und Geypiden
fielen vor dem Paß.“
„Schick' dod,” warf Alboin verdrießlich ein, aud
einmal deine tapfern Romäer gegen die Gothen.
Die Heruler Vullaris und Wilmuth find, kaum bier
414
eingetroffen, von König Teja's Beil gefallen: der Gepive
Asbad von Adalgoth’s, des Knaben, Speer: mein Vetter
Gifulf liegt fdwertwund von des Herzogs Guntharis
Streid): den Franfengrafen Butilin hat Wifand, der
Bandalarius, mit ver Bannerfpite erftoden: dem Bur
gunden Gernot hat ver alte Waffenmeifter mit ſeinem
Steinbeil vas Hirn gefegnet: ven Alamannen Liuthari
hat Graf Grippa, meinen Schildträger Klaffo ein ges
meinfreier Gothe erfdlagen.
Und um jeden diefer unfrer Helden liegen gu Ougens
pen ihre Gefolgen.
Und wenn geftern um Mitternacht nidt ver Lavablod,
auf vem id) ftand, höchſt verftindigerweife gerade in
rem Wugenblid nach unten gerutfdt ware, als König
Teja, ver im Finftern ſieht, feine gefitrdtete Lange
warf, fo war Rofamunde heute nidt mehr die ſchönſte
rau, fondern die ſchönſte Wittwe im Langobardenreid.
Go fam ich mit häßlichen Schrunden davon, die einft
ver Heldenfang nidt preiſen wird, die mir aber viel lieber
find als König Leja’s befter Speer im Band. —
Aber id) meine: nun ift die Reihe an anvdern Hels
ven: laß dod) aud) deine Makedonen und Illyrier dran.
Wir haben’s dtefen jewt oft genug vorgemadt, wie man
ver jenem Nadelöhr ftirbt.“
kein, Wölflein. Diamant fdneidet Diamant !*
lächelte Narſes. „Immer Germanen gegen Germanen:
e8 find ener alljuviele in der Welt.“
Lud von den Sfauriern — dad heift von den
meinen! — fdeinft du Ddiefe viterlide Dteinung gu
\.
415
hegen, magifter milttum,” fagte Cethegus: ,turz vor ihrem
Aufbrud nad Rom haft du meine Sfaurier zum Maſſen⸗
Sturm auf jene Sdludht befohlen —: der ex fte Mtaffens
fturm, den du geboten! — fiebenhundert von meinen
fiebentaufend find liegen geblieben auf jenen Felſen und
Sandil, mein durch fo viele Kampfe erprobter Söldner⸗
hduptling, fand zuletzt dod) auch diefes ſchwarzen Teja
Schlachtbeil gu fcharf fiir feine Sturmbaube. Cr war
mit werth.”
tun, der Reft ift dir ja nun in deinem Rom ges
borgen.
— —- Bene Gothen aber treibt nichts aus ihrem lebten
Lod) alS Feuer, wenn die Erde mir zu Liebe auch eins
mal 3uden wollte, wie gu Gunſten Belifars in Ras
venna —“
„Noch immer keine Kunde von dem Ausgang des
Proceſſes Beliſars?“ frug lauernd Cethegus. ‚Neulich
kamen Briefe aus Byzanz, nicht?“
„Ich babe fie nod nicht alle geleſen. —
Oder, wenn nicht Feuer: — der Hunger.
Und wenn ſie dann zum letzten Kampf ausbrechen,
hörte wohl Mancher lieber den Ganges als den Draco
rauſchen.
Nicht du, Präfect! ich weiß, du kannſt dem Tode
kühn in's Auge ſehn.“
„Ich will die Dinge hier noch etwas abwarten. Es
iſt ſchlecht Reiſewetter.
Es ſtürmt und regnet ja unabläſſig. An dem erſten
416
oder zweiten warmen Gonnentag brede id anf nad
Rom." ,
Das war es.
Das Wetter war in der Nacht ves Abzugs der
Sfaurier plight) umgefdlagen.
Der Fifer, der m einem Dorfe bet Stabia feine
Behaufung hatte, fonnte fid) nicht auf das Meer wagen :
weniger des Sturmes als der Langobarden wegen, welde
ihn längſt mißtrauiſch beobadtet und {don einmal ge-
fangen genommen batten; erft als fein alter Vater herbet-
eilte und durd Zeugen varthat, daß Agnellus wirklich
fein, des alten Fiſchers Sobn, fei, ließen fie ihn zögernd
wieder los.
Uber er fonnte nidt wagen, fdembar gu fifden.
wenn fein Fiſcher fonft Mee warf: und nur weit
braufen in dem Wafer vermodhte Syphar, ver ebenfalls
ftet8 umfpabt war, mit thm zuſammen gu fommen.
Die Ausgange aller Lager, aud des jest halbleeren
von Gethegus — nur dreitaufend Thralier und Perfer
hatte Narfes in der Sfaurier verlaffne Zelte gelegt —
bewadhten Tag und Nacht die Langobarden.
Und aud das Meer⸗Schlammbad mufte Narfes anf
fonnigere Lage verfchieben.
Diefe Gebheimnifje aber, d. h. Profops Brief und die
Badegeſpräche ves Narfes, wollte CGethegus now ers
warten.
Elftes Caypitel.
--- ——
Des Prafecten altes Glück ſchien aud pas Wetter
nad feinen Wünſchen rafd gu ändern. .
Prachtvoll leuchtete am Morgen nad ver legten
Unterredung mit Narfes die Sonne auf den blauſchim⸗
mernden Golf von Baja: und hunderte von Fifder-
boten eilten hinaus, die günſtige Witterung yu nugen.
Syphax war mit dem erften Morgengrauen, nachdem
ex feincn Platz auf der Schwelle ves Zeltes feines Herrn
ben voter allein juviidgebliebnen Sfauriern überwieſen,
verſchwunden.
Als Cethegus das Morgenbad im Nebenzelt vollen⸗
vet hatte und gum Frühmal in fein Hauptzelt zurück—
kehrte, hörte ex Syphax laut lärmend durch die Lager>
gaſſen ſchreien.
„Nein!“ rief er, ,diefen Fiſch dem Präfecten! Ich
habe ihn bar bezahlt
Der große Narſes wird doch nicht andrer Leute
Fiſche eſſen wollen.“
Und mit dieſen Worten riß er ſich los von Alboin
Dahn, Ein Kampf um Rom. IV. 27
410
Narfes morgen mit ihm und Wlboin die neneften Ge:
hetmniffe aus Byzanz.
Over laß mid allein zurück“ —
Mein, das wiirde vid) als Späher fofort fenns
zeichnen.
Du biſt mehr werth als zehnfach dein Gewicht in
Gold, Syphax.
Ich bleibe bis morgen noch,“ rief er den Wieder⸗Ein⸗
tretenden entgegen.
wo Feldherr, komm' mit uns.“ bat Licinius.
„Fort aus der erdrückenden Nähe dieſes Narſes,“
mahute Julianus.
Aber Cethegus furchte die hohe Stirn.
„Ueberragt er mid noch immer in euren Augen?
Der Thor, ver Gethegus aus feinem langobardens
bewadten Lager nad Rom entlagt, den Hecht aus ſeinem
Neg in’S Waffer wirft!
Allzuſehr hat er euch) eingeſchüchtert!
Morgen Whend foly’ ich end.
Ich habe hier nod ein Gefdhaft, das nur id vere
ridten fann.
Rom ohne Wirerftand beſetzen, vas könnt ihr auch
ohne mid.
Sd hole euch aber gewiß unterwegs ſchon bei Lere
racina ein.
Wenn nidt, rückt rubig in Rom ein: vu, Licinius,
wahrſt mir das Capitol.”
Mit leudjtenden Wugen erwiderte Licinius :
411
pod ehrſt du mich, mein Feldherr! Mit meinem
Herzblut ſteh' ich dir dafür ein. Darf ich eine Bitte
wagen?“
Nun?“
„Setze dich nicht wieder ſo tollkühn dem Speerwurf
des Gothenkönigs aus! Vorgeſtern warf er zwei Speere
zugleich gegen dich: mit der Linken und mit der Rechten.
Wenn ich nicht mit dem Schilde den aus der linken
Hand gefangen —“
„Dann, mein Licinius, hatte ihn der Jupiter des
Capitols von mir hinweggeblafen. Denn er braucht
mid) nod! Wher du meinft es tren."
„Laß Roma," mahnte Licinius, ,nidt verwitiwen! “
Cethegus blidte ihn mit feinem unwiderſtehlich ge-
winnenden Blick ehrender Liebe an.
Und fubr fort:
„Salvius Sulianus, du befese(t das Grabmal Hadrians:
vu, Pifo, den Reſt ver Stadt am linfen Tiberufer: jus
mal die Porta latina; durch dtefe folge id end.
Narfes allein öffnet ihr fo wenig, wie weiland Bes
liſar allein.
Lebt wohl; grüßt mix mein Rom.
Sagt ihm: der letzte Kampf um feinen Befib, der
swifden Narſes und Cethegus, habe mit ves Cethegua
Sieg geenret.
Auf Wiererfehn in Wom! Roma eterna!"
»Roma eterna!« widerholten begeiftert die Tribunen
unt eilten binaus.
412
.O warum ift diefer Licinius nidt Manilia’s Sohn!”
fagte Gethegus, den Jünglingen nadblidend, „Thorheit
des Herzens! was bift bu fo yah! Licinius, du follft
mir als mein Erbe Julius erfefen! O, warft du dod
felber mein Sultus! “
Behntes Capitel.
Die Wbreife des Prafecten nad Rom verzögerte fid
um mehrere Lage.
Narſes gwar, der ihn yur Tafel gog, hielt ihn nidt
zurück: er äußerte fogar fein Befrembden, dah e8 den
„Beherrſcher des Capitols“ nicht mächtiger an den Tibers
ftrom zurückziehe.
„Freilich,“ (achelte er, „ich kann werftehen: du haſt
dieſe Barbaren fo lang in deinem Stalien herrfden
und fiegen fehen, daß e8 dic) verlangen mag, fie nun
aud in demem Stalien fallen gu ſehn.
Uber id) fann nicht fagen, wie lange das nod) ans
ftehn wird.
Bu ſtürmen ift jene Schlucht nidt, fo fang fie
Manner wie diefer König deden.
Sdon mehr als taufend meiner Langobarden, Alas
mannen, Burgunden, Heruler, Franfen und Gepiden
fielen vor dem Pa."
„Schick' dod," warf Alboin verdrieflid) ein, aud
emmal deine tapfern Romäer gegen die Gothen.
Die Heruler Vulfaris und Wilmuth find, kaum hier
414
eingetreffen, von König Leja’s Beil gefallen: der Gepide
Asbad von Adalgoth’s, des Knaben, Speer: mein Vetter
Gifulf liegt fdwertwund von des Herzogs Guntharis
Streich: den Franfengrafen Butilin hat Wifand, der
Bandalarius, mit ver Bannerfpite erſtochen: bem Burs
gunden Gernot hat ver alte Waffenmeifter mit ſeinem
Steinbei! vas Hirn gefegnet: ren Wlamannen Liuthari
hat Graf Grippa, meinen Sdildtrager Klaffo et ges
meinfreier Gothe erfdlagen.
Und um jeden diefer unfrer Helden fliegen gu Dutzen⸗
ven ihre Gefolgen.
Und wenn geftern um Mitternacht nicht der Lavablod,
auf vem id) ftand, höchſt verftandigerweife gerade in
rem Wugenblid nad unten gerutfdt wire, als Rinig
Teja, ver im Finftern fieht, feine gefitrdtete Lange
warf, fo war Rofamunde heute nicht mebr die ſchönſte
Frau, fondern die ſchönſte Wittwe im Langobardenreid.
So fam ih mit häßlichen Schrunden davon, die einft
ver Heldenfang nicht pretfen wird, die mir aber viel lieber
find al König Leja’s befter Speer im Baud. —
Aber ic) meine: nun ift vie Reihe an anvdern Hels
ben: laß dod) aud) deine Makedonen und Illyrier dran.
Wir haben’s diefen jest oft genug vorgemadt, wie man
vor jenem Nadeldhr ftirbt.“
mein, Wélflein. Diamant fdneidet Diamant!”
lächelte Narſes. „Immer Germanen gegen Germanen:
e8 find ener allzuviele in ver Welt.“
„Auch von den Iſauriern — das heißt von den
meinen! — fdeinft vu dieſe vaterlide Dteinung gu
‘e.
4195
hegen, magifter milttum,” fagte Cethegus: „kurz vor ihrem
Aufbrud nad Rom haft du meine Sfaurier gum Maſſen⸗
Sturm auf jene Schlucht befohlen —: der erſte Mtaffen-
fturm, ben du geboten! — fiebenhundert von meinen
fiebentaufend find fliegen geblieben auf jenen Felſen und
Sandil, mein durd) fo viele Kämpfe erprobter Söldner⸗
hauptling, fand zuletzt dod) aud) diefes ſchwarzen Teja
Schlachtbeil gu ſcharf für feine Sturmbaube. Cr war
mir werth.”
Jun, der Reft tft dir ja nun in deinem Rom ges
borgen.
Sene Gothen aber treibt nichts aus ihrem legten
Lod als Feuer, wenn die Erde mir zu Liebe aud) eins
mal 3uden wollte, wie gu Gunften Belifars in Ras
venna —"
„Noch immer feine Kunde von dem Ausgang des
Proceffes Beliſars?“ frug lanernd Cethegus. ‚Neulich
famen Briefe ans Byzanz, nidt 2"
wt) habe fie nod nidt alle gelefen. —
Oper, wenn nist Feuer: — der Hunger.
Und wenn fie dann zum letzten Kampf ausbreden,
hörte wohl Mander lieber den Ganges als den Draco
rauſchen.
Nicht du, Präfect! ich weiß, du kannſt dem Tode
kühn in's Auge ſehn.“
„Ich will die Dinge hier noch etwas abwarten. Es
iſt ſchlecht Reiſewetter.
Es ſtürmt und regnet ja unabläſſig. An dem erſten
416
oder zweiten warmen Gonnentag bree id) anf nad
Rom."
Das war es.
Das Wetter war in ver Nacht ves Abzugs der
Sfaurier plötzlich umgefdlagen.
Der Fifer, ver in einem Dorfe bet Stabia feine
Behaufung hatte, tonnte fic) nicht auf das Meer wagen:
weniger des Sturmes als ver Langobarden wegen, welche
ibn längſt mißtrauiſch beobadtet und ſchon eimmal ge-
fangen genommen batten; erft als fein alter Vater herbei⸗
eilte und durch Reugen darthat, daß Agnellus wirklid
fein, des alten Fiſchers Sohn, fei, ließen fie ihn zögernd
wieder los.
Uber er fonnte nicht wagen, ſcheinbar gu fifden.
wenn fein Fiſcher fonft Netze warf: und nur weit
draußen in dem Waffer vermodte Syphax, der ebenfalls
ſtets umfpabt war, mit ihm zuſammen gu fommen.
Die Ausgänge aller Lager, aud) deS jest Halbleeren
von Gethegus — nur Ddreitaufend Thratier und Perfer
hatte Narfes in ver Sfaurier verlaffne Belte gelegt —
bewadten Tag und Nacht die Langobarden.
Und aud) das Meer⸗Schlammbad mufte Narfes anf
fonnigere Lage verſchieben.
Diefe Gebheimnifje aber, d. h. Profops Brief und die
Badegeſpräche des Narſes, wollte Cethegus nod ers
warten.
Glftes Capitel.
Des Prafecten altes Glück ſchien and das Wetter
nad) feinen Wünſchen rafd) gu andern. .
Prachtvoll leuchtete am Morgen nach dev letten
Unterredung mit Narſes die Sonne auf den blauſchim⸗
mernden Golf von Baji: und hunderte von Fifder-
boten eilten hinaus, die giinftige Witterung zu nugen.
Syphax war mit dem erften Morgengrauen, nadjdem
ex feinen Blawg auf ver Schwelle des Belted feines Herrn
den vier allen juriidgebliebnen Sfauriern überwieſen,
verſchwunden.
Als Cethegus das Morgenbad im Nebenzelt vollen⸗
Det hatte und gum Frühmal in fein Hauptzelt zurück⸗
fehrte, hörte er Syphax laut lärmend durd) die Lager⸗
gaſſen ſchreien.
„Nein!“ rief er, ,diefen Fiſch dem Präfecten! Ich
babe ihn bar bezahlt.
Der grofe Narſes wird dod) nidt andrer Lente
Fiſche effen wollen.”
Und mit diefen Worten rig er fich los von Alboin
Dahn, Cin Kampf um Rom. IV. 97
418
und einigen Langobarden fowie von einem Sflaven tes
Narſes.
Cethegus blieb ſtehen: er erkannte den Sklaven: es
war der Koch des meiſt kranken und immer ſehr mäßigen
Mannes, der faſt nur für des Narſes Gäſte ſich zu
mühen hatte.
„Herr,“ ſprach der feingebildete Grieche, ſich ents
ſchuldigend, in ſeiner Mutterſprache, yu dem Präfecten:
„nicht mid) ſchilt um dieſe Ungebühr.
Was liegt mir an an einer Meeräſche! .
Uber diefe langbartigen Barbaren zwangen mig, um
jeven Preis den Fiſchkorb fiir Narſes in Anfprud zu
nehmen, den dein Slave ans ver Gee zurückbringen
würde.“
Gin zwiſchen Syphar und Cethegus gewechſelter Blick
genügte.
Die Langobarden hatten das Griechiſche nicht ver⸗
ſtanden.
Cethegus gab Syphar einen Schlag auf die Wange
und rief auf lateiniſch: „Unnützer, frecher Sklave, kannſt
du denn niemals Sitte lernen? Soll nicht der kranke
Feldherr das Beſte haben?“
Und unſanft entriß er den Korb tem Mauren und
retdte ihn dem Sflaven: ,Hier der Korb. Mögen die
Fiſche Narſes munden.“
Der Sklave, der die Gabe deutlich genug abgelehnt
zu haben glaubte, nahm den Korb kopfſchüttelnd.
„Was bedeutet Das?" ſagte er im Abgehn lateiniſch.
„Das bedeutet,“ antwortete, thm folgend, Alboin, ,,daf
419
ver befte Gifs nidt in dem Korbe geborgen ift, ſondern
anderswo.“
Im Zelte angelangt, griff Syphar eifrig in ſeinen
Gürtel von Krokodilhaut, der waſſerdicht einen Bündel
von Papyrosrollen barg und reichte ſie raſch ſeinem
Herrn.
ou bluteſt, Syphar?“
„Nur wenig! Die Langbärte ſtellten ſich, da ſie
mich im Waſſer ſchwimmen ſahen, als hielten ſie mich
für einen Delphin und ſchoſſen mit ihren Pfeilen um
die Wette auf mich.“
„Pflege dich — ein Solidus für jeden Tropfen deines
Blutes — der Brief iſt goldes⸗ und blutes⸗werth, wie
e8 fdeint. Pflege did)! Und die Iſaurier follen nies
mand einlafjen.“
Und nun allein im Belt hob ver Prafect an gu lefer:
feine Züge verfinfterten fic): tiefer, tmmer tiefer ward
die Mittelfurche der gewaltigen Stirn, immer fefter
und herber fdlofjen fic vie Lipper.
wun Cornelius Cethegus Cäſarius, den gemefnen
Prafecten und gewefnen Freund zum legten Mal ‘Pros
fopius von Cäſarea: |
Das ift das traurigſte Schreibgeſchäft, gu welchem
id) je meine ebemalige und meine jebige Schreibhand
gebraudt.
Und id) gäbe gern auch diefe meine Linke, wie fiir
Belifar meine Rechte, dahin, müßte ich diefen Brief
nicht ſchreiben.
27*
420
Den Abfagebrief, den Auftindungsbrief unſrer bald
dreißigjährigen Freundſchaft!
An zwei Helden hatte ich geglaubt in dieſer helden⸗
loſen Zeit: an den Schwerthelden Beliſar, an den Geiſtes⸗
helden Cethegus.
Den letzten muß ich fortan haſſen, faſt verachten —
Der Leſer warf den Brief auf den Lectus, darauf
er lag: dann nahm er ihn mit gefurchten Brauen wieder
auf und las weiter:
wun fehlte nur nod, daß Beliſar der Verräther
wirklich geweſen wire, als den du thn darftellen wollteſt.
Aber Beliſars Unſchuld iſt ſo leuchtend aufgedeckt
worden wie deine ſchwarze Falſchheit.
Längſt ward mir unheimlich bei deinen krummen
Pfaden, auf welchen du auch mich ein gut Stück mit⸗
geführt.
Aber ich glaubte an dein ſelbſtlos hohee Ziel: Italiens
Befreiung.
Nun aber durchſchaue ich, als deine letzte Triebfeder,
die maßloſe, ſchrankenloſe, ſcheuloſe Herrſchfucht.
Ein Ziel, eine Leidenſchaft, die ſolche Mittel brauchen,
ſie ſind entweiht für immer.
Du haſt den tapferſten Mann mit der treuen Kindes⸗
feele verderben wollen durch fein eignes, eben gebeffertes
Weib, veiner ſchändlichen Freundin Cheodora und deiner
eignen Herrfdgier gum Opfer.
Das ift teuflifd: und file tmmer wend’ id mids
pon dir."
Cethegus vritdte vie Wugen zuſammen.
421
„Es darf mid nicdt wundern“ — ſprach er dann
vor ſich hin.
‚„Auch Er hat ſeinen Abgott: Beliſar!
Wer dem klugen Manne den antaſtet, der iſt ihm
ſo greulich wie dem Chriſten, wer in dem Kreuz nur ein
Std Holy erblickt.
Es darf mid alfo nicht wundern —: aber es ſchmerzt!
Das iſt vie Macht dreißigjähriger Gewohnheit.
So lang hüpfte etwas wärmer da unter'm Harniſch
bei bem Slang des Namens: Profopius.
Wie ſchwach vod die Gewohnheit macht!
Sulius nahm mix ver Gothe — Profop nahm mir
Belifac — wer wird mir den Cethegus nehmen, meinen
alteften, legten Freund?
Niemand: aud Narfes nidt: und nicht das Sdidjal.
Hinweg mit div, Profopius, aus meinem Lebens-
Kreiſe.
Du biſt todt.
Haft zu weinerlich, jedesfalls gu lang, ward die Grab-
rete, die id. dir gehalten.
Was fpridt er weiter, der Verftorbene?
„Ich aber ſchreibe vir vies, weil id die lange Freund⸗
ſchaft, die Du mit tückiſchem Angriff auf mein Stern:
bild Belifar gefdlofjen, meinerfeits fdltepen will mit
einem legten Liebeszeichen: icy will did) warnen und
retten, bift anders bu zu warnen und zu retter.
Sieben meiner fritheren Briefe haben did) offenbar
nidjt erreicht —: fonft weilteft bu nicht mebr in des
Narfes Lager, wie deffen Kriegsberidte melden.
422
So vertraue id diefen achten meinem klugen Wgnellus
an, einem Fiſcherſohn aus Stabiä, wo iby ja nun lagert:
id) fchente ihm die Fretheit und lege ihm dieſen Brief als
legten Auftrag an's Herz.
Denn, obwohl ih dich nur haſſen follte —: nod
immer lieb’ id) dich, Cethegus —: man fann nicht von
dir laffen —: und gern möcht' ich dich retten.
Als ih, bald nad) deiner Whreife, nah Byzanz fam
— {don unterwegs hatte mic) wie em Donnerfdlag die
Runde von Belifars Verhaftung (in einer Verſchwoͤrung
wider Suftinian!) erreicht — glaubte td zuerſt, ou
müſſeſt getäuſcht worden fen mie der Raifer.
BVergebens bemühte ich mic) um Gehör bet dem Im⸗
perator: er witthete gegen alle Namen, die mit Beltfar
durch Freundſchaft verknüpft waren.
Vergebens verſuchte ich, mit allen Mitteln, yu Anto⸗
nina zu dringen: vortrefflich wurde ſie — Dank deinen
Weiſungen! — bewacht im rothen Hauſe.
Vergebens bewies id) Tribonian die Unmöglichkeit
einer Verrathſchuld Beliſars: er zuckte die Achſeln und
ſprach:
„Begreifen kann ich's nicht! Wher rie Ueberführung
iſt ſchlagend: dies unſinnige Ableugnen der Beſuche des
Anicius! Er iſt verloren!“
Und verloren war er.
Gefällt war der Spruch: Beliſar zum Tode ver⸗
urtheilt, Antonina zur Verbannung.
Des Kaiſers Gnade hatte das in Blendung, Bers
‘A
423
bannung, fern von dem Exil Untonina’s, und Vermö—⸗
genseingiehung verwandelt.
Furchtbar lag viefes Wort auf Byzanz.
Niemand glaubte an feine Schuld: ausgenommen der
Raifer und die Ridter. —
Aber Miemand vermodte feine Unſchuld zu beweifen,
fein Schitffal gu wenden.
Ich war entſchloſſen, mit ihm gu gehn: der Cinarmige
mit Dem Blinden.
Da hat thn — und gefegnet foll er dafür fen! —
gerettet: — — fein groper Feind Narfes, ven ich dir
fhon einmal den größten Mann ves Sabrhunderts ge⸗
nannt babe."
„Natürlich,“ fagte Cethegus, „nun vollends ift er
aud) der Ghelfte.“
„Aus den Badern von Mifomedia, wo der Kranke
weilte, war er, als ihn die Nachricht traf, fofort nad
Byzanz geeilt.
Gr ließ mich rufen und fprad:
„Du weikt e8: meine Wonne war’ e8, VBelifar in
offner Feldſchlacht griindlid gu ſchlagen.
Aber ſo elend ſoll nicht, durch Lügen, untergehn,
wer des Narſes großer Feind geweſen.
Komm mit mir: du: ſein erſter Freund, ich: ſein
erfter Feind —: wir beide zuſammen wollen ihn retten,
ven Mann des Ungeftiims.”
Bwalftes Capitel.
NUnd ex verlangte Audienz bei'm Raifer, welche der
Gegner Beliſars fofort erbielt.
Da fprad er zu Juſtinian:
„Es ift unmöglich, daß Belifar ein Verräther.
Seine blinde Treue gegen deinen Undank iſt ja ſein
einziger Fehler.“
Aber Juſtinian blieb taub.
Narſes jedoch legte ſeinen Feldherrnſtab vor dem
Kaiſer nieder und ſprach:
„Wohlan: entweder du vernichteſt den Spruch der
Richter und bewilligſt Neuaufnahme des Verfahrens:
oder du verlierſt an Einem Tage deine beiden Feld⸗
herrn.
Denn an dem gleichen Lage mit Beliſar geht Narſes
in Verbannung.
Dann fiehe yu, wer deinen Chron bebiitet vor Gothen,
Perfern und Saracenen."
Und ver Raifer ſchwankte und verlangte pret Tage
Bedenkzeit: und inzwifden follte Narſes das Redjt haben,
425
mit mir die Acten einyufehen, Wntonina und alle An-
gefduldigten gu ſprechen.
Bald erfah ich aus den Acten, da der fdlimmite
Beweis wider Beliſar — denn jene Bafage auf der
Wadhstafel, vie man bei Photius gefunden, hoffte id
hinweg deuten gu können — der gebeime nächtliche Vers
fehr ded Anicius in feinem Hauſe war, den Velifar,
Antonina, Anicius felbft wider allen Verftand hartnäckig
leugneten.
Als ich Antonina, die verzweifelte, allein ſprach.
ſagte id) ihr: „dieſer Verkehr und dies ener Lügen wird
fen Verderben.“
„Wohlan,“ rief fle leuchtenden Auges, ,dann bin nur
ich verloren und Beliſar iſt gerettet.
Beliſar wußte wirklich nichts von jenen Beſuchen:
denn Anicius kam nicht zu ihm: er kam zu mir.
Alle Welt ſoll es wiſſen —: auch Beliſar —: er ſoll
mich tödten —: aber gerettet ſein.“
Und ſie gab mir eine Sammlung von Briefen des
Anicius, die freilich, wenn dem Kaiſer vorgelegt, Alles
erklären, aber auch — die Kaiſerin furchtbar anklagen
mußten.
Und wie feſt ſtand Theodora bei Juſtinian!
Ich eilte mit ven Briefen gu Narſes.
Dieſer las und ſprach:
„Wohlan: jetzt gilt es nicht nur Beliſars, jetzt gilt es
unſer Aller Untergang — oder den Fall der ſchönen
Teufelin.
426
G8 gilt auf Top und Leben! Komm erſt nod mal
zu Untonina."
Und mit Antonina, von Wachen begleitet, eiften wir
zu dem im Kerker langſam genefenden Anicius.. —
Cethegus ftampfte mit dem Fuk. —
„Und dann wir alle Vier gu Iuftinian.
Die hochherzige Sünderin geftand, auf den Snieen
vor vem Raifer, den nächtlichen Verkehr mit Anicius,
welder aber nur begwedt habe, den Jüngling aus den
Sdlingen der Kaiferin yu löſen —: fle gab ihm des
Anicius Briefe, welde von ver Berfiihrerin, von ihren
namenlofen Siinften, von dem geheimen Gang in ihr
Gemadh, von der drehbaren Suftinianusftatue fprachen.
Furchtbar loderte der arme Gatte empor: er wollte
uns We wegen Majeſtätsbeleidigung, wegen maflofer
Verleumdung auf dem Fled verhaften laffen.
Narſes aber fprad:
hw’ das —: morgen! Heute Abend aber, wenn
die Kaiferin ſchläft, lag did von Unicius und mir durd
den drehbaren Suftinianus in das Gemad deiner Ges
malin fithren, ergreife ihre Briefe, ftelle fle Wnicins
und Untonina gegeniiber: laß die alte Here Galatea fols
tern: — und gieb Adt, ob du nicht viel mehr erfährſt.
al8 vir lieb fein wtrd zu hören.
Und haben wir uns getinfdt, fo ftrafe uns morgen
wie Du willſt.“
Der drehbare Suftinianus! — ras war fo hand⸗
greiflid): die Betheuerung des Anicius, dieſe Geheim⸗
427
pforte oft durchſchritten zu haben, fo herausforrernd: —
man fonnte dergleiden Dod faum lügen.
Suftinianus nahm unfern Vorfdlag an.
Sn ver Nacht führte Unicius ven Raifer und uns
bret in die Garten der Kaiſerin.
Cin hobler Platanenbaum barg die Mündung ves
unterirdiſchen Ganges, der unter dem Moſaik ves Vors
plages von Theodora's Gemach endete.
Bis dahin nod hatte Juſtinian ſeinen Olauben an
die Kaiſerin gewahrt.
Als aber Anicius wirklich eine Marmorplatte bei
Seite ſchob, mit geheimem, aus ſeinem Hauſe geholtem
Schlüſſel ein Geheimſchloß öffnete: und nun die Statue
ſichtbar ward — da fant der Kaiſer, halb ohnmächtig,
in meine Arme.
Endlich raffte er ſich auf und drang, an der Statue
vorbei, er allein, in das Gemach.
Dämmerlicht erfüllte den Raum.
Die matt leuchtende Ampel zeigte das Pfühl Theo⸗
dora's.
Leiſe, wankenden Schrittes eilte der Betrogne an das
Lager.
Da lag Theodora, vollangekleidet, in kaiſerlichem
Schmuck.
Ein greller Aufſchrei Juſtinians rief uns Alle an
ſeine Seite.
Und aus dem Vorgemach Galatea, deren ich mich
ſofort bemächtigte.
428
Suftinian wies, ftarr vor Entfewen, anf die rubente
Raiferin. —
Wir traten hinzu —: fle war todt.
Galatea, nicht minder überraſcht hieoon als wir, vers
fiel in Krämpfe.
Wir unterfudten einftweilen das Gemad: und fanden
auf goldnem Dreifug die Aſche zahlreicher verbrannter
Papyros⸗Rollen.
Antonina rief Sklavinnen mit Licht herbei.
Da erholte ſich Galatea und erzählte, händeringend,
die Kaiſerin habe gegen Abend — das war die Zeit
unſerer Audienz geweſen — ohne Gefolge das Garten⸗
viertel verlaſſen, den Kaiſer, wie ſie oft pflegte zu dieſer
Stunde, in ſeinem Schreibgemach aufzuſuchen.
Sehr raſch ſei ſie zurück gekommen: ruhig, jedoch
auffallend bleich.
Sie habe den Dreifuß mit glühenden Kohlen füllen
laſſen und darauf ſich eingeſchloſſen.
Auf Galatea's Pochen habe fle am Abend geant⸗
wortet: fie fet ſchon gu Rube gegangen und beditrfe
nidts weiter.
Da warf fid) der Raifer wieder fiber die geliebte
Leiche: und nun, im Glanz der Lichter, entdedite er, daß
an bem Schlangenring, einft Cleopatra eigen, welden
fie am fleinen Finger trug, die Rubinencapfel mit vem
tödtlichen Gift geöffnet war —: die Raiferin hatte ſich
ſelbſt getödtet.
Auf dem Citrustiſch lag ein Streifen Pergament,
429
parauf ftand ihr alter Wabhlfprud: Leben ift Hervfden
durch Schönheit.“
Wir zweifelten noch, ob etwa die Qualen ihrer
Krankheit oder die Entdeckung ihres drohenden Sturzes
ſie zur verzweifelten That getrieben.
Aber bald ward unſer Zweifel gelöſt.
Als die Kunde von dem Tod der Kaiſerin den
Palaſt durchdrang, eilte Theophilos, der Velarius, der
Thürwächter des Kaiſers, halb verzweifelt, in das Sterbe⸗
gemach, warf ſich vor Juſtinianus nieder und geſtand:
er ahne den Zuſammenhang.
Seit Jahren im geheimen Solde der Kaiſerin habe
er dieſer jedesmal zu wiſſen gethan, wann der Kaiſer
ſolche Audienzen ertheilte, bei welchen er auch der Kaiſerin,
falls ſie komme, den Zutritt im voraus verſagte —: fie
habe dann faſt immer aus einem Seitengemach die ges
heimften Verhandlungen mit angebort.
Go habe er auch geftern gethan, als wir, mit fo
ganz befondrer Einſchärfung der Fernhaltung der Raiferin,
Audienz erbielten.
Alsbald fet vie Kaiferin erſchienen: aber faum habe
file von Unicius und Antonina einige Worte vernommen,
al8 fie, mit leis erftidtem Schrei, tn den Vorhangen jus
fammen gefunfen fet: rafd gefagt babe fie fic) dann
erhoben und, ihm Schweigen zuwinkend, entfernt. — —
Narfes drang in ven Raifer, Galatea auf ver Folter
nad) weiteren Gebeimniffen gu befragen, aber Suftinian
ſprach:
„Ich will nicht weiter forſchen.“
430
Tag und Nacht blieb er allein, eingertegelt, bet rer
Leiche der immer nod Geliebten, die er darauf mit
höchſten kaiſerlichen Ehren beifegen lieR in ber Sophien⸗
lirche.
Amtlich wurde verkündet: die Kaiſerin ſei an Kohlen⸗
dunſt im Schlaf erſtickt: und der Dreifuß mit den Kohlen
ward öffentlich ausgeſtellt.
Juſtinian aber iſt in jener Nacht ein Greis geworden.
Die nunmehr völlig übereinſtimmenden Ausſagen von
Antonina, Anicius, Beliſar, Photius, den Sklavinnen
Antonina's, den Sänftenträgern, welche dich kurz vor der
Verhaftung Beliſars an ſein Haus getragen, deckten nun
ſchlagend auf, daß du, im Bunde mit der Kaiſerin, Beli⸗
ſar durch Antonina beredet habeſt, ſich zum Schein an
die Spitze der Verſchwornen zu ſtellen: und ich beſchwor,
daß ſchon Wochen vorher Beliſar mir ſeinen heiligen Zorn
über das Anſinnen des Photius geäußert.
Juſtinian eilte in Beliſars Kerker, umarmte ihn
unter Thränen, erbat Verzeihung für ſich — und Antos
nina, welche alle ihre unſchuldigen Liebeständeleien renig
beidjtete und volle Vergebung erbielt.
Der Kaifer bat Belifar, zur Sühne, ven Oberbefebl
in Stalien anzunehmen.
Belifar aber fpradh: „Nein, Buftinianus: meine
Arbeit auf Erden ift gethan!
Ich gehe mit Antonina anf meine fernfte Bila im
Mtefopotamien und begrabe dort mid und meine Bers
gangenbeit.
Sd) bin geheilt von der Krankheit, dir dienen zu wollen.
431
Willft pu mir eine letzte Gnade erweifen, fo gieb
meinem grogen Freund und Erretter, gieb Marfes den
Heerbefehl in Stalien: er foll mid raden an ren Gothen
und an bem Gatan, ver Cethegus heißt.“
Und vor unfern geriihrten Ungen umarmten fic die
beiden grofen Feinde.
Dies Alles ift in tiefftes Geheimniß gebiillt, um vas
Unvenfen der Kaiſerin gu fdonen.
Denn Buftinian liebt fie nod) tmmer. —
G8 wurde verfiindet: Beltfars Unſchuld fet von
Narfes, Tribonian und mir durd nen gefundne Briefe
ver Verfdwornen aufgededt.
Und Juſtinian begnadigte alle BVerurtheilten: and
Scävola und WUlbinus, die dereinft von dir geftiirgten.
Sch aber ſchreibe dix die Wahrheit, dice) gu warnen und
zu retten.
Denn, obswar id nidt wei, in welder Form und
Weife, fteht mix dod) feft, daß Suftinian deinen Unter:
gang gefdworen und Narſes deine Vernidtung iibers
tragen bat.
Flieh —: rette vid!
Dein Riel: ein freies, verjiingtes, von dtr allen
beherrfdtes Bom war ein Wahn.
Shm haft du Wes, — auc) unfre ſchöne Freund⸗
ſchaft geopjert.
Sd begleite Beliſar und Antonina: und id will
fudjen, in ihrer Rabe, an vem Anblick ver vollverfohnten
Gatten und ihres Glücks, ven Ekel, Bweifel und Vere
Drug über alles Menſchliche zu verwinden.“
Dreizehntes Capitel.
Cethegus fprang anf vom Lager, warf ten Brie;
nieder und machte einen baftigen Gang durch's Belt.
„Schwächling Prokop |!
Und Schwächling Cethegus —: fic) um Cine dir ver⸗
lorene Seele mehr gu eretfern!
Haft du nidt Bulius verloren, fang bevor du ihn
getödtet?
Und lebſt und ringſt doch fort!
Und dieſer Narſes, den ſie Alle fürchten, als ſei er
Gott Vater und der Teufel in Einer Perſon — ſoll
er denn wirklich ſo gefährlich ſein?
Unmöglich!
Er hat ja mir und den Meinigen blindlings Rom
anvertraut!
Nicht ſein Verdienſt, daß ich nicht in dieſem Augen⸗
blick, unerreichbar ſeinen Händen, vom Capitol herab
Rom beherrſche und ihm Trotz biete.
Bah: ich lerne es nicht mehr, mich zu fürchten auf
meine alten Tage.
Ich vertraue meinem Stern!
433
Sft das Tollkühnheit? iſt's ruhigſte Klugheit?
Sch weiß es nicht: aber mir iſt: die gleiche Bu-
verſicht hat Gafar von Sieg gu Sieg geführt.
Indeß: hier habe ich kaum nod) mehr gu erfabren
aus pen Bavregefpraden des Narſes als ich ans diefem
wortreiden Brief erfuhr.“
Und er zerriß vie Bapyrosroflen in Meine Stückchen.
„Ich bree auf: nod) heute: and) wenn Syphar
nidjt weiter erlaufdt in diefem Augenblid —: denn
jest tft ja wobl vie Badeſtunde.“
Da ward von den Bfauriern Johannes der Archon
gemeldet und, auf bes Gethegus Wink, herein gefiihrt.
„Präfect von Rom," fprad ihn diefer an, „ich habe
bir ein altes Unredt noch abjubitten. Der Schmerz
um meinen Bruder Perfeus hat mid damals argwöhniſch
gemadyt.“
wag das ruhn,“ ſprach Cethegus, „es ift vergeffen.”
„Aber unvergeffen,” fubr jener fort, „iſt mir deine
heldenkühne Lapferfeit. Diefe gu ehren und yu nützen
zugleich fomme id) mit einem Borfdlag gu dir.
3d und meine Rameraden, an BVelifar’s frifdes
Drauflosgehen gewohnt, — wir finden diefe vorfidtige
Weiſe des großen Narſes augerft langweilig.
Liegen wir nun dod) bald zwei Monate vor jenem
Pag, verlieren Leute und gewinnen wahrlich feinen
Ruhm dabei.
Aushungern will der Oberfeldherr die Barbaren!
Wer weiß, wie lange das noch währt.
Und dann wird es ein hübſches Gemetzel, wenn ſie
Dabn, Cin Kampf um Rom. IV. 28
434
envlid) vorbredjen, von ver Vergweiflung getrieben, jeden
Tropfen Bluts theuer verkaufend.
Es ift nun Har, wenn wir nur die Miindung ded
verfludten Engpaſſes batten —“
„Ja, Wenn!” ladelte Cethegus. Er iſt nidt ſchlecht
gebiitet von dieſem Leja.“
„Eben deßhalb mug er fallen.
Sr, ver König, Halt offenbar den ganjen Bündel
{odrer Gpeere nod allein gujammen.
Darum habe ich mit einer Schar — mehr als ein
Dugend etwa — der beften Klingen im Lager einen Bund
gejdloffen: wir wollen — e8 fann ja tmmer nur Ciner
jum Nahekampf heran, fo ſchmal ift ver Felfenfteig —
fo oft den König vie Wache trifft, Giner nad dem Ane
rern — das Los entſcheidet ven Vortritt — den Konig
heftehen: bie andern balten fid) fo nahe als miglid
hinter dem Vorfimpjer, retten den Berwundeten, oder
treten an des Gefallnen Stelle over dringen mit bem
Sieger nad) ves Gothen Erlegung in den Pag.
Auger mir find abet die Langobarden Alboin, Gifulf
und Autharis, die Heruler Rovulf und SGuartua, Ar⸗
darich der Gepide. Gundebad der Burgunve, Chlotadhar
und Bertdramn, die Franfen, Vadomar und Eyurulf,
tie Wlamannen, Garizo, der lange Bajuvare, Kabades der
Perfer, Wlthias ver Armenier, Taulantius ver Illyrier.
Wir möchten and gern dein gefiirdtet Schwert
dabei haben.
Wilft vu, Gethegus, mit im Bunde fein?
Lu haſſeſt viefen fdwarglodigen Helden.”
435
„Gern,“ fprad) diefer, ,fo lang’ ich nod bier bin.
Wher ich werde das Lager bier bald mit dem Capitol
vertaufder. “
Cin feltfames, ſpöttiſches Zacheln flog über des Ar⸗
chonten Antlitz, das Cethegus nicht entging.
Aber er deutete es nicht richtig.
Wn meinem Muthe kannſt viz, nad) deinen eignen
Worten, nicht wohl zweifeln,“ ſagte er.
‚„Aber es giebt für mid) noch Wichtigeres, als hier
die letzten glimmenden Kohlen des Gothenkrieges aus
zutreten.
Die verwaiſte Stadt verlangt ihren Präfecten. Mich
ruft das Capitol.“ |
„Das Capitol!” widerholte Johannes.
„Ich dächte, Cethegus, ein friſcher, ſchöner Helbene
todt ift aud) mas werth.“
„Ja, nachdem des Lebens RBiele erreicht find."
„Keiner aber von uns weiß, o Cethegus, wie nab
ihm dieſes Ziel gerückt iſt.
Aber noch Eins.
Es kommt mir vor, als ob fic) bet den Barbaren
Etwas vorbereite auf ihrem verfludten Feuerberg.
Bon vem Hügel auf meiner Lagerfeite fann man
ein fein wenig durch eine Spalte über die Lavafpiten
gucken.
Dein geübtes Auge möchte ich dahin richten.
Sie ſollen uns doch mit ihrem Hervorbrechen wenig⸗
ſtens nicht überraſchen. |
Folge mix dorthin.
28*
436
Aber ſchweige von jenem Bund vor Narſes: — er
liebt das nicht —: ich wablte die Stunde feines Bades
gu dieſem Befud) bet div." |
„Ich folge,“ fagte Gethegué, vollendete feine Bee
waffnung und ging, nachdem er vergeblich bet der iſau⸗
riſchen Schildwache nach Syphax gefragt, mit Johannes
quer durch fein eignes, dann burd des Narſes Mittel⸗
Lager und bog endlich in das äußerſte rechte, das Lager
des Johannes ein.
Anf ver Krone ves von diefem erwähnten Higels
finden bereits mehrere Heerführer, welche etfrig über eine
fleine Sentung der Lavawalle hinweg in den hier fidte
baren ſchmalen Theil ver gothifden Lagerungen fpabten.
Nachdem Cethegus einige Zeit hinüber geblidt, rief
ex: ,Rein Rwerfel! fie raumen diefen Theil, ven sft
lichſten, ihres agers: fie fahren die ineinandergeſchobnen
Wagen auseinander und ziehen fie weiter nach rechts,
nad Weften: bas deutet auf Bufammendringung, viel-
leicht auf ein Hervorbrechen.“
„Was meinft du,“ — fragte da raſch den Johannes
ein junger, offenbar eben erft aus Byzanz angelangter
Heerfiihrer, ven Cethegus nicht fannte — „was meinft
pu? finnten dite neuen Balliſten nicht von jener Felfen-
Naſe aus vie Barbaren erreiden? Weißt du, des Mars
tinus letzte Erfindung — die mein Bruder nad Rom
ſchaffen mute 2“
„Nach Rome" rief Cethegus und warf einen bligens
ben Blid auf ven Frager und auf Johannes.
Heiße und falte Sehreden jagten urplötzlich ihm
437
purd Herz und Marf —: erfdhiitternder, als da er die
Nachricht von Belifar’s Landung, von Lotila’s Erhebung,
von Lotila’s Abſchwenkung nad Rom bet Pons pari,
von Lotila’s Gindringen auf dem Tiber, von Marfes’
Unfunft in Stalien erfabren.
Ohm war, als fralle ſich eine zerdriidende Hand ihm
um Herz und Hien.
Scharf erfannte er, daß Johannes mit einem grim:
migen Furden der Brauen dem jungen Frager Schweigen
gewinkt.
„Nach Rom?“ widerholte Cethegus tonlos, bald
ben Fremden, bald Johannes mit ſeinem Auge durd-
bohrend.
„Nun ja, ſreilich nach Rom!“ rief endlich Johannes.
„Zenon, dieſer Mann iſt Cethegus, der Präfect von
Ron."
Der junge Byzantiner neigte fid) mit vem Wusdrud,
mit weldem man etwa ein vielgenanntes Ungethitm zum
erften Mal vor fic) fiebht.
„Cethegus, Zenon bier, der Archon, ver biéher am
Cuphrates gefodten, ift erft geftern Whend mit perfifden
' Bogenfdiigen aus Byzanz angefommen.”
Und fein Bruder?” frug Cethegus, ,ift nad Rom!”
Mein Brurver Megas," antwortete, nun gefaßt, ver
Byzantiner, ,bat den Wuftrag, dem Prafecten von Rom"
— und bier neigte er abermals das Haupt — ,dte new
erfundenen Doppelballiften fiir vie Walle Roms yur
Verfügung gu ftellen.
Er hat fid) lange vor mir eingefdifft: — fo glaub’
438
id) ihn ſchon vor mir eingetroffen und mit bir nad
Rom abgezogen.
Aber feine Fracht ift ſchwer.
Und id) freue mic, den gewaltigften Mann des Abend:
lands, den glorreichen Vertheidiger des Hadrianusgrabes
von Angeſicht fennen gu lernen."
Aber Gethegus warf nod Johannes einen ſcharfen
Blick gu und wandte ſich dann, mit kurzem Abſchieds⸗
gruß an alle Verfammelten, gum Gehen.
Nad einigen Schritten fah er raſch, plötzlich fid
wendend, um und bemerfte, wie Sohannes mit beiden
Fäuſten drohend auf den gefdwagigen jungen Ardonten
pom Euphrat hinein ſchalt.
Ein kalter Schauer rüttelte den Präfecten.
Er wollte auf dem kürzeſten Wege nach ſeinem Zelt
zurückgehn und unverzüglich, ohne Syphax und ſeine
Entdeckungen abzuwarten, zu Pferde ſteigen und, ſonder
Abſchied, nach Rom eilen.
Um jenen kürzeſten Weg zu erreichen, wollte er aus
des Johannes Lager heraus treten und auf der Sehne des
großen Lagerbogens ſeine eignen Zelte gewinnen.
Vor ihm ritten einige perſiſche Schützen aus dem
Lager: aud) Bauern, welche Wein verkauft hatten, ließen
die Wachen unbehindert hindurch.
Es waren Langobarden, welchen, wie iiberall, and
in dieſem Lagertheil, Narſes die Lagerausgänge über⸗
tragen.
Sie hielten ihn an mit gefällten Speeren, als er
den Landleuten folgen wollte.
439
Er griff zornig in die Lanjen, raſch fte theilend.
Da ſtieß ver Eine der Langobarden in's Horn: die
andern fdlofjen fic) wieder feft vor ibm.
„Befehl ves Narſes!“ ſprach Autharis, ver Führer.
„Und jene?“ frug Cethegus auf die Bauern und die
Perſer deutend.
„Sind nicht du,“ ſprach der Langobarde.
Eine Schar Lagerwachen war noch herbeigeeilt auf
jenen Hornruf.
Sie ſpannten die Bogen.
Cethegus wandte ihnen ſchweigend den Rücken und
ging auf dem gleichen Wege, der ihn hergeführt, zurück
nach ſeinem Zelt.
Vielleicht war es nur fein plötzlich erregtes Miß—⸗
trauen, welches ihm vorſpiegelte, alle Byzantiner und
Langobarden, durch welche er dahin ſchritt, wichen ihm
mit halb ſpöttiſchen, halb mitleidigen Blicken aus.
Vor ſeinem Zelt frug er die iſauriſche Schildwache:
„Syphar zurück?“
„Ja, Herr, längſt. Er harret deiner ſehnlich im
Zelt. Er iſt verwundet.“
Raſch ſchlug Cethegus die Vorhänge zurück und
trat ein.
Da flog ihm Syphar, bleich unter ſeiner Bronces
haut, entgegen, umflammerte feine Kniee und flifterte
mit leidenſchaftlicher, vergweifelter Erregung :
„O mein Herr, mein groper Lowe! Du bift um:
garnt — verloren — nichts fann dich mebr retten.”
440
„Mäßige vid, Slave!“ gebot Cethegns. Dn
bluteft —“
‚Es ift nidts! Sie wollten mid nicht in dein Lager
zurück laffen — fie fingen in fdeinbarem Scherz Streit
mit mir an, aber ihre Mefferftiche waren bittrer Eruſt —
„Wer? Wefjen Meſſerſtiche?“
„Der Langobarden, Herr, welche ſeit einer halben
Stunde alle Ausgänge deines Lagers doppelt beſetzt
haben.“
„Ich werde Narſes um den Grund fragen," drohte
Cethegus.
„Der Grund das heißt der Vorwand — er ſandte Kaba⸗
des, dir das zu melden — iſt ein Ausfall der Gothen. —
Aber, o mein Löwe — mein Adler — mein Palm⸗
baum — mein Brunnquell — mein Morgenſtern —
du biſt verloren!“
Und wieder warf ſich der Numider auf das Antlitz
vor ſeinen Herrn und bedeckte deſſen Fife mit glühen⸗
den Thränen und Küſſen.
„Erzähle — der Ordnung nach,“ ſprach Cethegus,
ſich an den Mittelpfahl des Zeltes lehnend, mit auf dem
Rücken gekreuzten Armen und hod das Haupt entpor
gerichtet: nicht auf Syphax vergweifeltes Antlig, in die
leere Ferne ſchien er zu fdauen.
„O Herr — id) werd’s nicht können in klarer Folge
— Alſo — ih erreichte dad Schilfoerfted — ich brauchte
faum zu tauchen — mid) barg das Gerdbridt — das
Barezelt ift von diinnem Holz und von Leinwand nen
erridtet, nad) den letzten Stürmen — Narſes fam in
441
feinem fleinen Bot, Alboin, Bafiltsfos und nod dret
Manner als Langobarden verkleidet — aber ich ers
fannte Scävola, Albinus —“
Ungefährlich,“ unterbrach Cethegus.
„Und — Anicius!“
„Irrſt du did) nicht?“ fuhr Cethegus auf.
„Herr, ich kenne das Auge und die Stimme!
Aus dem Geſpräch — ich verſtand nicht alle Worte
— aber den Ginn gan; klar —“
„Ei, hatteft pu mir dod) die Worte fagen können!“
Sie fpradjen griechiſch, Herr: td) verftehe das vod)
nidt fo gut, wie deine Sprade: und die Wellen madten
Geräuſch und der Wind war nidt giinftig.”
„Nun, was fagten fie 2"
„Die drei find erft geftern Abend aus Byzanz eins
getroffen — fie forberten fofort deinen Kopf.
Narſes aber fprad):
„Nicht Mord: Richterfprud, nad voll durchgeführtem
ProceR: und Richterſtrafe.“
ann endlid 2” frug Anicius.
„Sobald e8 an der Zeit.”
lind Rom?" frug Bafilistos. -
„Rom fieht er niemal8 wieder.”
Halt,” rief Cethegus, ,halt inne! Einen Wugenblid!
Klar mug id bierin fein.”
Er fdrieb ein paar Reilen auf ein Wachstäfelchen.
„Iſt Narſes zurück aus vem Bade 2“
„Längſt.“
» Out."
442
Er gab einem der vor dem Zelte wadenden Sfaurier
bie Wadstajel. $
„Augenblicklich bringft bu Antwort.
Fahre fort!"
Aber Gethegus vermochte nicht mehr, ſtill gu ftehen
haftig ging er im Belte auf und nieder.
„O Herr, in Rom muß ein Ungeheures gefdebhen
fein — ich fonnte nicht genau verfteben, was.
Anicius ftellte eine Frage: darin nannte er deine
Sfaurier.
Den Führer Gandil bin th [08 geworden,” fagte
Narfes. Und ver Reft it ja in Rom gut aufgehoben
purd Aulus und die Briiver Macer, meine Lockoögel,“
fiigte er lachend - bei.“
„Nannte ev diefe Namen?" frug Cethegus ernft,
„braucht' ex vied Wort 2"
oa, Herr.
Dann fpradh Alboin: ,gut ift’s, daß die jungen
Tribunen fort: es hatte ſcharf Gefecht gefoftet.“
Und Narſes ſchloß: „Alle Bfaurier muften fort.
Sollten wir eine blutige Schlacht im eignen Lager ſchla⸗
gen und Rinig Teja plötzlich dazwiſchen fahren?
„O Herr, ich fitrdte, fie haben deine Lreneften von
bir hinweg gelodt.“
wd) glaub’ es aud,“ ſprach Cethegus finfter.
„Aber was fpraden fie von Rom 2
„Alboin fragte nad einem Führer, veffen Ramen id
gehört.“
„Megas?“ rief Cethegus.
ni
443
„Ja, Megas! fo hieß ex — woher weift du —?“
„Gleichviel! Fabre fort! Was iſt's mit diefem
Megas 2"
„Alboin frag: wie lange wohl fdon Megas in
Rom fei?
„Jedesfalls,“ antwortete Narfes, ,frithe genug fiir
vie römiſchen Tribunen und bie Iſaurier.“
Da ftdhnte Cethegus laut und ſchmerzlich aus tieffter
Bruft.
„Aber die Biirger Roms?” forfdte Scavola, „ſie
vergdtterten diefen Xyrannen und feine jungen Ritter!“
„Ja ebemals: jet aber baffen und fürchten fle nidts
fo febr als den Mann, der fie mit Gewalt wieder zu
Römern, yu Helden maden wollte.“
„Aber wenn fie ihn dod) wieder aufnehmen wollten?
Allbezwingend iſt feines Mamens Gewalt!" fragte Albinus.
„Fünfundzwanzigtauſend Wrmenier im Capitol und
im Grabmal Hadrians halten die Römer noch ſtrenger
gebunden —
Da * ſich Cethegus die linke Hand grimmig vor
die Stirn.
„Noch ftrenger gebunden als Pabft Pelagius und
iby Vertrag und Cid.”
„Ihr Vertrag und Cid?” frug Scavola.
oa, iby Vertrag und Cid! fie haben gefchworen :
ire Stadt nur dem Prafecten von Rom gu öffnen.“
„Nun und rief Anicius.
„Nun und: fie wiffen und wußten damals fdon*
444
dak feit bret Mtonaten der Prafect von Rom heißt —
Narſes!“
„Mir, nicht ihm haben fie geſchworen!“
Da warf ſich Cethegus ſchweigend auf das Lager,
und verhüllte ſein Haupt in ſeinem purpurgeſäumten
Mantel.
Keine laute Klage entrang ſich mehr der gewaltigen
Bruſt.
oo mein theurer Herr — es wird did tödten! —
Aber ich bin noch nicht zu Ende — du mußt Alles
wiſſen — auf daß dich Verzweiflung zum Aeußerſten
kräftigt: mie ver umſtellte Löwe mehr als Löwenkraft
gewinnt.“
Cethegus erhob ſich wieder.
‚Vollende,“ ſprach er. ‚Was ich nod gu hören habe,
iſt gleidgitltig: e8 fann nur mich, nicht Rom mehr an⸗
gehn.“
ber vid) geht es furchtbar an.“
„Geſtern,“ fubr Narfes fort — nach einigen Reden,
welde das Wellengeraujd mir entzog, gleichzeitig mit
per fangerwarteten Nachricht aus om —“
„Welche Nachricht?“ frug Cethegus.
„Das fagte er nicht. — „Gleichzeitig bradte Zenon mir
vie Weiſung, vas verfigelte Sehreiben des Raifers au
öffnen: denn mit Recht nimmt diefer nad meinem letzten
Beridt an, dak den Untergang der Gothen jeder Cag
herauf führen fann.
Ich öffnete und' — 0 Herr — es iſt ſchrecklich —
„Rede!“
445
„Des grofen Suftinianus ganje Rleinheit fpridt
daraus,“ fprad Marfes.
Er würde ihm, glaub’ id, viel leichter verzeihn, daß
er den Kaiſer der Gerechtigkeit faſt dahin verleitet, den
allgetreuen Beliſar zu blenden, als Juſtinianus ihm
verzeiht, mit Theodora im Bunde, als ‚Verführer
Theodora's!“ — ein furchtbarer Anachron — mehr ver⸗
ſtand ich nicht —
„Anachronismus!“ ſagte Cethegus, ruhig verbeſſernd.
— „Den Kaiſer hintergangen, überliſtet zu haben.
Das Los, das er Beliſar um ein Haar bereitet
haͤtte, foll ibn ſelbſt treffen —
Blendung.“
‚Wirklich?“ lächelte Cethegus. Dod) er griff an den
Dolch.
„Und jene Strafe, die er, gottesläſterlich Chriſti Tod
entweihend und Kaiſer Conſtantins Geſetz verletzend, in
ſeinem Rom wieder eingeführt —“ —
„Was kann er damit meinen?“ forſchte Syphax bang.
„Kreuzigung!“ antwortete Cethegus, den Dold) wieder
bergend.
O Herr!“
„Gemach, noch hang' ich nicht in der Saft:
ſchreite ich feft auf der belben-ndbrenden Erde. —— "
„Ich aber bin,” fubr Narſes fort, „der Feldherr
und nicht der Folterfnedht Suftinians: und er wird fig
wohl begniigen müſſen, wenn id) ded tapfern Dtannes
Haupt nak Byzanz ſchicke.“
446
„Aber, o nur das nicht — nur das nidt, Herr!
wenn wir fterben müſſen.“
Lire" lächelte Cethegus, wieder gang gefannnelt.
„Du aft nidt mit Theodora den grofen aifer der
Romäer iiberliftet. Dir droht nicht Gefabr.“
Aber Syphar fubr fort:
„Weißt du's denn nicht? o zweifle nur daran nidt:
— ganz Afrifa weif es — feblt ver Leiche das Haupt,
mug die Seele al unrein niedres Gewürm ohne Kopf
Aeonen fang durd) Schlamm und Roth ſchleichen. O nur
nidt dein Haupt vom Rumpfe getrennt!“
od rubt es feft auf diefem Maden, wie auf dem
Atlas vas Himmel8gewslbe.
Stil — man fommt."
Der Bfaurter, welden er an Narfes gefendet, brachte
die verfigelte Antwort:
„An Cethegus Cäſarius Narfes magifter militum.
Deinem Wunfdh, nad Rom aufzubrechen, fteht and
Heute nidts im Wege.“
vod) begreife jest," fprad Cethegus.
„Die Lagerwaden haben Befehl, vid) abreiter zu
lafjen.
Doch geb’ id vir, fall du auf ver Wbreife beharrſt,
tauſend Langobarden, unter Alboin, zur Bededung mit.
Die Stragen find unfider durch verfprengte Gothen.
Da, allem Anſchein nad, heute nod) oder morgen
cin Durchbruchverſuch ver Gothen droht und widerbholt
tollkühnes Verlaſſen der Lager den Verluft von Führern
und Lruppen herbeigefithrt hat, ift niemanden mehr obne
447
meine Erlaubniß dad Lager zu überſchreiten verftattet
und haben alle Waden, aud die Beltwachen, meine vere
laffigen Langobarden bezogen.“
Raſch ſprang Cethegus gegen die Thüre ſeines Zeltes
und vif fie auf: ſeine vier Iſaurier wurden eben abe
geführt, zwanzig Langobarden unter Autharis gogen vor
feinem Zelte auf.
„Ich Dadte nod an Flucht fiir heute Nacht,” ſprach
ex gu Syphar.
„Sie ift abgefdnitten.
Und e8 ift beffer fo, würdiger.
Lieber den Gothenfpeer im vie Bruft als den Griedjen-
pfeil in den aden.
Aber Narfes ift nod nicht gu Ende:
„In meinem Belt magft du vernehmen, welde Make
regeln id) gegen Das durch den Wusfall der Barbaren
prohenve, vielleicht ſehr große Blutbad getrofjen.
Nod) aber habe id) eine hir ſchmerzliche Mittheilung
zu machen.
Geſtern Abend über See von Rom eingelaufne Nach⸗
richten melden, daß deine Tribunen und der größte
Theil der Iſaurier in Rom —"
„Ha, mein Licinius, Piſo, Bulianus!" fdrie der
Prafect aus feiner eifigen, todesveracdhtenden Rube durch
heißen Schmerz emporgefdredt —
„Getödtet worden find.
Sie weigerten, friedlich eingelaffen* — „ha ſchändlich
448
hinein gelodt!" — „dem Kaiſer den Gebhorfamseid: fie
wollten, gegen ven Bertrag, Gewalt brauden, Lucius
Licinius wollte das Capitol mit Sturm nehmen, Sal:
vins Sulianus das Grabmal Hadrian’ — Pifo vie Porta
latina — fie fielen, jeder vor feinem Angriffsziel: —
ver Reft der Söldner ift gefangen.”
Mein gweiter Julius folgt dem erften nad!" ſprach
Cethegus.
„Nun, ich brauche keinen Erben mehr: — denn Rom
wird nicht mein Eigenthum und Nachlaß.
Es iſt vorbei. — —
Der große Kampf um Rom iſt aus.
Und die dumpfe Ueberzahl, die kleine Pfiffigkeit hat
geſiegt, wie über der Gothen Schwerter, ſo über des
Cethegus Geiſt.
O Römer — Römer, „auch ihr, meine Söhne?“
ja, meine Bruti ſeid ihr! —
Komm, Syphar, du biſt frei.
Ich gehe in den Tod —: geh du frei zurück in
peine freie Wüſte.“ |
„O Herr," rief Syphar, laut aufſchluchzend und fid
auf den Knieen vor ihm hinwälzend — ,ſtoß mid) nicht
von dir: id) bin nidt minder treu als Afpa threr Perrin
war: — laß mic mit dir fterben.”
„Es fei,“ fagte Gethegus rubig, die Hand auf ded
Mauren Haupt legend. |
„Ich bab’ vid lieb gehabt — mein Panther —:
fpring’ Denn mit mir in den Zod.
449
Reide mir Helm, Schild, Schwert und Speer.”
Wohin?“
„Erſt zu Narſes.“
„Und dann?“ ~
Auf den Veſuvius!“
Dabn, Ein Kampf um Rom. Iv. 29
Vierzehntes Cayitel.
Die Abſicht König Teja's war gewefen, in der
fommenden Nacht mit allen Waffenfabigen, bis auf einige
Wächter ves Engpaffes, fid vom Veſuv herab auf das
Lager des Narfes au werfen und in vemfelben, begitnftigt
durch das Dunkel und vie Ueberraſchung, nod ein furdte
bares Blutbad anguridten: war der Leste der Ausfallens
ren erlegen und drobte nun, etwa bei Tagesanbruch,
ver Ungriff auf ven Pak, fo follten vie Wehrunfähigen,
weldje nicht die Knechtſchaft dem Tode vorzogen, durch
den Sprung in den nahen Krater ved Veſuvs ein freies
Grab fuden, wonad aud) vie Vertheiviger ves Paſſes
purd) Hervorbreden aus der Schlucht ein raſches Ende
machen follten.
Es hatte ven König mit freudigem Stolz erfüllt,
daß aud) nicht Cine Stimme unter den Taufenden vor
Srauen und Marden — denn alle Knaben vom zehnten
Sabre an und alle Greijfe wurden bewaffnet — die ente
ebrende Sklaverei und das Leben ftatt des Todes im
Veſuv gewählt hatte, als Leja ven Verfammelten in der
Wagenburg vie Wahl anheim geftellt.
__ 451
Sein Heldenherz erfreute fid an dem Gedanten, daß
fein ganzer Stamm in einer, in der Gefdhidte der
Valter unerhörten That, in glorreichem Heldentod, wie
Gin Mann, feine große Vergangenheit ruhmvoll befigeln
wollte.
Diefer Vergweiflungs-Gedante des tod⸗grimmen Helden
wurde nidjt verwirklicht: aber fem bredendes Ange follte
ftatt jenes grauenhaften Bildes, ein helleres, ein vere
ſöhnendes ſchauen.
Narſes, immer wachſam und vorſichtig hatte ſchon
vor Johannes und Cethegus die drohenden Vorbereitungen
ver Feinde wahrgenommen und den Rath ver Feldherrn
auf die fünfte Tagesſtunde in ſein Zelt berufen, ſeine
Gegenmaßregeln zu erfahren.
Es war ein wunderbarer, goldner September⸗Morgen:
voll Schimmer des Lichts und Schimmer des Dufts
ither Land und Meer: wie er in folder ftrablenden
Schönheit aud in Stalien nur iiber den Golf von Baja
fic) ergteft.
Jn den licstgefattigten Himmel ftieg fpielend die
weiße Kraufelwolfe des Veſuvs: mit rythmifdem An⸗
ſchlag rollten die letzten, leiſen Meereswellen, wie hul⸗
digend, an das wunderſchöne Land.
Da ſchritt hart an dem Saume der Fluth hin, ſo
daß die rollenden Wellen manchmal ſeine gepanzerten Füße
berührten, langſam, den Speer über der Schulter, von
dem linken Lagerflügel her, einſam, ein gewaltiger Mann.
Die Sonne glitzerte auf ſeinem runden Schild, auf
29*
452
bent pradtvollen Panzer: der Seewind fpielte in ſeinem
purpurnen Helmbuſch.
Es war Cethegus: und er ſchritt auf dem Todesweg.
Nur von Weitem folgte ihm, ehrfürchtig, der Maure.
Angelangt an einem ſchmalen Vorſprung des Kuſten⸗
ſandes in den Golf hinein, ging er bis an die äußerſte
Spitze dieſer kleinen Landzunge, wandte ſich und blickte
nach Nordweſten.
Dort lag Rom: ſein Rom.
uxebt wohl,“ ſprach er tief bewegt, ,lebt wohl, ihr
ſieben Hügel der Unſterblichkeit.
«Leb wohl, Tiberſtrom, der du den ehrwitrdigen Schutt
ver Jabrhunderte dahin ſpülſt: gweimal baft du mein
Blut getrunfen, gweimal mid gerettet.
Nun vetteft Du mid) nicht mehr, befreunveter Flug.
gott!
Gerungen hab' ich und gekämpft um dich, mein
Rom, wie Keiner, wie ſelbſt Cäſar nicht, vor mir.
Die Schlacht iſt aus: geſchlagen iſt der Feldherr
ohne Heer.
Ja, ich erkenne es nun: Alles kann der gewaltige
Geiſt des Einzelnen erſetzen, nur nicht ein fehlend Volk.
Sich ſelbſt jung erhalten kann der Geiſt, nicht Andre
verjüngen.
Ich habe das Unmögliche gewollt.
Aber das Mögliche erreichen iſt — gewbhnlich
Und ſpränge mir noch einmal aus meines zertrüm⸗
merten Cäſar Marmorhaupt ver große Gedanke entgegen
dieſes Kampfes um Rom — gepanzert, wie Athene aus
453
bem Haupte des Reus — — ish fimpfte ihn nod eins
mal, dieſen Rampf.
Denn beſſer ift’s, um das Uebermenſchliche ringend
erliegen, alf in ber pumpfen Ergebung unter das Ges
meine dabin gehn.
Du aber fet miv gefegnet’ — und er kniete nieder
und negte die heiße Stirn unter dem ehernen Helm mit
ver fakigen Fluth — ,du aber fei mir gefegnet, Auſo⸗
nia’s beilige Meerfluth: fei mir gefegnet, Stalia’s heiliger
Boden’ — und er griff mit ver Hand tief in den
Sand ver Küſte: ‚dankbar fdeidet von dir dein trenefter
Sohn —: erſchüttert, nidt von dem Grauen des nahen⸗
ven Tones, erfdpiittert allen von deiner Herrlichkeit.
Lange Bahrhunverte abn’ ich fiir dich drückender Fremd⸗
herrjdjaft: ich babe fie nidjt von div gu wenden vers
modt: aber mein Hergblut bring id) als Wunſch⸗Opfer
ar: ift ver Lorber deiner Weltherrfdhaft verdorrt fiir
immer — dir lebe fort, unzertretbar, ftill griinend
unter tem Staube, die Olive des Freiheitfinns und
deines Bolles edle Cigenart: und einft leudjte der Tag
vir herauf, mein Rom, mein italifdes Land, da fein
Fremder mehr herrſcht anf deinem gebeiligten Boden, da
pu allein dir felber gehörſt von den hetligen Alpen gum
heiligen Meer." |
Und rubig erhob er fic) nun und {dritt, vafderen
Ganges, nad) dem Mittel⸗Lager und dem Feldherrnzelt
ves Narſes.
Bei'm Gintreten fand er die Heerfiibrer alle vers
494
fammelt und Narfes rief ihm freundlid entgegen. „Zur
guten Stunde fommft pu, Gethegus.
Zwölf meiner Feldherrn, die id auf einem Bund rer
Tollbeit ertappt, wie fie etwa Barbaren, aber nidt
Schüler des Narſes, begehen möchten, haben fic) zur
Entſchuldigung auf dich berufen: es könne keine Toll⸗
heit ſein, woran ſich der geiſtesgewaltige Cethegus ſelbſt
betheilige. Sprich, biſt du wirklich jenem Waffenbund
gegen Leja beigetreten 2
„Ich bin's und id) gehe gerad’ von bier — lag mir
ben Vortritt, Johannes, ohne Lofung — auf den Vefuv.
Die Wadtitunde ves Königs nabt.“
„Das gefallt miv von dir, Cethegus.“
„Danke: e8 fpart div wohl mande Mühe, Prafect
von Rom,“ erwiderte Cethegus.“
Cine Bewegung der höchſten Ueberrafdung ging durd)
alle Anwefenden: denn aud) die Cingemeihten ftaunten
über feine Kenntniß der Lage.
Mur Narſes blieb ruhig: leife fagte er gu Bafilistos :
„Er weiß Wes. Und das ift gut."
„Nicht meine Schuld, Gethegus, daß ich dir nicht
frither deine Erſetzung durch mid) mitgetheilt: der Raifer
hatte es ftveng verboten.
Ich lobe deinen Entſchluß, Cethegus. —
Denn er ftimmt ju meinen beften Abfidten. —
Die Barbaren follen nicht das Bergnitgen haben,
heute Nacht nodmal eine Myriade unferer Leute gu
ſchlachten.
Wir rücken ſofort mit allen unſern Truppen, auch
455
den beiden Flügeln, bis auf Speerwurf⸗-Weite vor den
Engpaß: fie follen nidt Raum zum Anlauf gewinnen:
und iby erfter Schritt aus ver Mündung der Sdludt
foll fie in unfre Lanjen führen.
Sh habe aud) nidts vagegen, Cethegus, wenn Freis
willige jenen König der Schrecken beftehen —: mit feinem
Love, hoff’ id), loft fic) ver Barbaren Widerſtand.
Nur Cins madt mid beforgt.
Sh habe vie „joniſche Flotte’ längſt hieher befdieden,
— id hatte die Entſcheidung einige Lage frither erwartet
— und fie bleibt aus.
Sie foll mix vie gefangnen Barbaren fofort auf.
nebmen und nad Byzanz ſchaffen.
Ram nod ver Secnellfegler nicht zurück, Nauarch
Konon, den id) auf Kundſchaft durch vie Mteerenge von
Regium gefchidt 2
vein, Feldherr! Go wenig als ein zweites Gil
ſchiff, Das ic) felber nachgeſandt.“
„Sollte der legte Sturm die Flotte geſchädigt haben 2”
„Unmöglich, Feldherr: er war nicht ftarf genug.
Und fie lag ja, nad lester Botſchaft, fider vor Anter
int Hafen von Brunduſium.“
tun, wir können nidt auf die Schiffe warten. Bors
wirts, meine Feldherrn: wir brechen Whe, ich felber mit,
fofort gegen den Engpaß anf.
Leb wohl, Cethegus!
Laß vid) die Entfesung nicht anfedten.
Sd) beforge, es wiirde div nad der Beendung des
Krieges mandy laftiger Proceß drohn.
456
Du haft viele Feinde: mit Recht und mit Unredt.
Böſe Wahrzeichen drohn dir ringsumber.
Aber ich weiß: du haſt von jeher nur Ein Wahr⸗
zeichen geehrt:
„Ein Wahrzeichen nur gilt —"
„Für die Heimath kämpfend zu fallen.
Nur noch Eine Gunſt: verftatte mir — meine Iſau⸗
tier und Tribunen ruben ja in Rom — die Btalier und
Römer in deinent Heer, welde du unter alle deine
Scharen vertheilt aft, um mid) ju ſammeln und fie
gegen die Barbaren zu führen.“
Einen Augenblid befann ſich Narſes.
„Gut, ſammle fie und führe fle! — zum Lode,”
fagte ev leiſe gu Baſiliskos. „Es find höchſtens fünf⸗
zehnhundert Mann — id) gönne ihm die Freude,
an der Spitze ſeiner Landéleute zu fallen — und fie
hinter ihm!
Leb wohl, Cethegus.“
Stumm, mit dem erhobenen Speer ibn begrüßend.
ſchritt Cethegus binaus.
„Hm,“ ſagte Narſes zu Wlboin ,— ſchau' ihm nur
ernſthaft nach, Langobarde. Da geht ein merkwürdiges
Stück Weltgeſchichte dahin.
Weißt du, wer da hinausfdritt 2
„Ein grofer Feind feiner Feinde,” fagte Alboin emf.
0a, Balflein, ſchau div thn nodmal an: da geht
gu fterben —: der legte Rimer!* — —
Als alle Geerfiibrer bi8 anf Bafilistos und Alboin
Narſes verlaſſen hatten, eilten aus dem durch Vorhänge
457
abgefperrten Abſchluß des Belted Anicins, Scävola und
Albinus, nod in langobardiſcher Kleidung, mit be⸗
ſtürzten Mienen.
oie?” rief Scävola, „du willſt bem Richter diefen
Mann entziehen?“
„Und vem Henker,“ ſprach Albinus, „ſeinen Leib?
und ſeinen Anklägern ſein Vermögen?“
Anicius nur ſchwieg und ballte die Fauſt um den
Schwertgriff.
„Feldherr,“ rief Alboin, laf die zwei Schreier meines
Volkes Kleidung von ſich legen. Mich ekelt dieſer
Kläffer.“
„Du haſt nicht Unrecht, Wölflein!
Ihr braucht euch nicht mehr zu vermummen,“ ſprach
Narſes.
„Ich bedarf eurer nicht mehr als Ankläger.
Cethegus iſt gerichtet: das Urtheil vollſtrecken wird —
König Teja.
Ihr aber, Rabenſchnäbel, ſollt nicht noch einhacken
auf den todten Helden.“
„Und Kaiſer Juſtinians Befſehl? frug hartnäckig
Scävola.
„Todte Männer kann auch Juſtinianus nicht blenden
und kreuzigen laſſen. Wenn Cethegus Cäſarius gefallen,
kann ich ihn nicht wieder aufwecken, für des Kaiſers Grau⸗
amkeit. Von ſeinem Gold aber, Albinus, erhältſt du keinen
Solidus: und du, Scävola, von ſeinem Blute keinen
Tropfen. Sein Gold iſt dem Kaiſer, ſein Blut den
Gothen, ſein Name der Unſterblichkeit verfallen.“
458
„Den Tod vee Helden gönnſt du diefem Böſewicht?“
frug grollend jest Anicius.
oa, Sohn ves Boẽthius: denn er hat ihn verdient.
Du aber haſt ein tüchtig Necht anf Race an ihm:
— du wirft dem Gefallenen das Haupt abſchlagen und
nad) Byzanz vem Raifer bringen!
Hort ihr vie Tuba? vas Gefedt begann!“
461
fleine Harfe in den linten Arm und fang mit leifer,
verhaliner Stimme:
„Vom fernften Nord bis vor Byzanz,
Bis Rom — weld’ Sieges-Wallen !
Der Gothen Stern ftieg auf in Glanz: —
Sn Glanz and) foll er fallen.
Die Schwerter hod, um legten Ruhm
Mit legter Kraft gu werben: —
Fahrwohl, ou ftoljes Heldenthum: —
Auf, Gothen, — laßt uns ſterben!“
Und mit fraftigem Schlag zerſchmetterte er die im
Love nod) hellaufflingende Harfe an vem Fels gu feiner
Linfen.
„Nun, UWdalgoth, leh wohl! Hatt’ ic) die Refte
meines Volles retten können!
Nicht hier! Aber mit freiem Abzug gen Morden!
Es follte nidt fein. Narſes würd's kaum gewähren.
Und die letzten Gothen bitten nicht. Zum Tod!“
Und die mächtige Streitart an lanzengleichem Schaft
erhebend, die gefürchtete Waffe, trat er an die Spitze des
Keils.
Hinter ihm Aligern, ſein Vetter, und der alte Hilde⸗
brand.
Hinter dieſen Herzog Guntharis von Tuscien, der
Wölſung, Graf Grippa von Ravenna und Graf Wiſand
von Volſinii, der Bandalarius.
Hinter dieſen Wiſand's Bruder: Ragnaris von Taren⸗
tum, und vier Grafen, deſſen Geſippen.
@
460
feit die römiſchen Legionen feit den Tagen der Rimbern
und Teutonen, des Artovift und ves Armin erprobt.
Die natürliche Befchaffenheit des legten Schlachtfeldes
ver Gothen wies von felbft auf die alte, vow Odhin
gelehrte Schlachtordnung jum Angriff ans dem Engpaß:
ven Keil.
Die tiefen, dichten Cofonnen ter Byzantiner ftanten
nun, wohl geglicrert, ftaffelfarmig von tem Meeresufer
an bis auf Speerwurfweite vor ves Paffes Mündung
hintereinander aufgeſtellt: — ein prachtvoll ſchöner, aber
furchtbarer Anblick.
Die Sonne glänzte auf ihren Waffen, indeß die
Gothen im Schatten der Felſen ſtanden: weit über die
Lanzen und Feldzeichen der Feinde hinweg blickten die
Geimanen bis in das lachende, ſchimmervolle Meer,
weldes in wonnigem Lidjt-Blan ftrablte.
König Teja ftand neben UAvalgoth, ver vas Banner
Theoderidhs trug, in der Mündung des Paffes.
Der Dichter regte fic) in vem Heldenkönig.
„Sieh bin,” fprad er gu feinem Liebling, ,wo finnter
wir ſchöner fterben ?
Night im Himmel der Chriſten, nist in Meiſter
Hildbebrands Asgard over Breidabli€ fann es ſchöner
ſein.
Auf, Adalgoth, laß uns hier ſterben, unſres Bolles
und dieſer ſchönen Todesſtätte werth.“
Und er warf den Purpurmantel zurück, welchen er
über der ſchwarzen Stahl rüſtung getragen, nahm die
a
461
fleine Harfe in den linken Arm und fang mit leifer,
verhaltner Stimme:
„Vom fernften Nord bis vor Byzanz,
Bis Rom — weld’ Sieges-Wallen !
Der Gothen Stern ftieg anf in Glanz: —
Sn Glanz auch foll er fallen.
Die Schwerter hod, um lesten Ruhm
Mit letzter Kraft gu werben: —
Fahrwohl, du ftoles Heldenthum: —
Auf, Gothen, — laßt uns flerben!”
Und mit fraftigem Schlag zerſchmetterte er die in
Love nod Hellaufflingende Harfe an vem Fels gu feiner
Linfen.
„Nun, Wdalgoth, leh wohl! Hatt’ ich die Refte
meines Bolles retten können!
Nicht hier! Aber mit freiem Abzug gen Morden!
Es follte nidt fein. Narſes würd's kaum gemabren.
Und die legten Gothen bitten nidt. Bum Ton!"
Und die madtige Streitart an lanzengleichem Shaft
erhebend, die gefiirdjtete Waffe, trat er an die Spite des
Keils.
Hinter ihm Aligern, ſein Vetter, und der alte Hilde⸗
brand.
Hinter dieſen Herzog Guntharis von Tuscien, der
Wölſung, Graf Grippa von Ravenna und Graf Wiſand
von Volſinii, der Bandalarius.
Hinter dieſen Wiſand's Bruder: Ragnaris von Taren⸗
tum, und vier Grafen, deſſen Geſippen.
@
462
Darauf in fteigenter Breite je feds, zehn Gothen.
Den Schluß bildeten vidjte Haufen, je nad Zehn⸗
ſchaften geordnet.
Wachis, neben Adalgoth in vem Engpaß haltend,
gab, auf des Königs Wink, das Zeichen mit dem gothi⸗
ſchen Heerhorn.
Und nun brad die Sturm⸗Schar ausfallend aus der
Schlucht.
Auf der nächſten breiteren Stelle vor dem Paß
hielten die mit Johannes verbündeten Helden: nur Alboin,
Giſulf und Cethegus fehlten noch.
Hinter jenen zehn Führern ſtanden zunächſt Lango⸗
barden und Heruler, welche ſofort einen Hagel von Speeren
und Pfeilen auf die vorbrechenden Gothen ſchleuderten.
Zuerſt ſprang gegen den König, welchen die Zacken⸗
krone auf dem ſchwarzen, geſchloſſnen Helm kenntlich
machte, Althias der Armenier.
Sofort fiel er mit zerſpaltnem Haupt.
Der zweite war der Heruler Rodulf: er rannte den
Speer mit beiden Händen, links gefällt, wider Teja.
Dieſer fing den Stoß unerſchüttert mit dem ſchmalen
Schild und ſtieß dem von dem Anprall Zurücktaumeln⸗
pen die lanzengleiche Spitze ves Schlachtbeils in den Leib.
She ex die Waffe aus dem Gefdupp ves Waffen:
rods reifen fonnte, waren gugleid) Guartua, des gee
jadnen Herulers Meffe, ver Perfer Kabades und der
Bajuvare Garizo heran.
Letzterm, dem kühnſten und nidften, ſtieß Teja ven
/.
463
Schnabel ves Schildes vor die Bruft, dag er über dex
ſchmalen, glatten avafteig zur Rechten hinab ſtürzte.
Jetzt hilf, o heil'ge Waldfrau von Neapolis!“ betete
der Lange, dieweil er flog, ,,die Du mir durch all’ dieſe
Rriegsjabre geholfen“: und wenig geſchädigt fam Miriams
Bewundrer unten an, nur fdwer betäubt vom Fall.
Dem Heruler SGuartua, ver das Schwert Aber Teja’s
Haupt ſchwang, fdlug UWligern, bingufpringend, den Arm
fammt dem Schwerte glatt vom Rumpf. Er ſchrie
und fiel.
Dem Perfer Rabades, welder ven frummen Sabet
von unten fdjligend gegen des Königs Weichen hob,
zerſchlug der alte Hildebrand mit der Steinart Vifir,
Antlig und Gebirn.
Teja, feiner Streitaxt wieder mächtig und der näch⸗
ften Ungreifer ledig, fprang nun felbft gum Anfturm
vor. .
Er warf die Streitart im Schwung gegen einen im
Eberhelm (Helm mit Haupt und Hauern des Wildebers)
beranfdreitenden Feind: Cpurulf der Alamanne. war's;
ev ſtürzte ritdlings.
Ueber ihn beugte fid Badomar, fein Gefippe, und
wollte des Gothen-Rinigs ſchreckliche Waffe an fic) reifen :
aber int Glug war Leja zur Stelle, dad kurze Schwert in
ver Rechten: hod bligte es und Vadomar fief todt auf
feinen todten Freund.
Ga rannten jugleid) vie beiden Franken Chlotachar
und Bertdhramn, die Francisca, eine Tejas Streitbeil
aͤhnliche Waffe, ſchwingend, hergu: beide Wexte ſauſten zu⸗
464
gleid): die eine fing Leja mit dem Schild anf: vie zweite,
vie hod) im Bogen, fein Haupt bedrohend, beranflog,
parirte er mit dem eignen Veil: und rafd ftand er zwi⸗
{chen den beiden Feinden, ſchwang vie Art im reife
furdthar um feinen Helm und auf Einen Schwung
fanten beide Franken nad links und rechts mit serfpellten
Sturmbauben.
Da traf fanfend ves Königs Schild ein Speer aus
nddfter Nabe: er durdbobrte den Stahl⸗Rand uud
ftreifte leicht Den Arm: während Leja ſich gegen diefen
Feind wandte — der Burgunde Gundobad war's — lief
ihn von hinten der Gepide Ardarid mit bent Schwerte
an und fdlug ihm einen fdweren Streid auf dad Helm⸗
dad: im Augenblid aber fiel Ardaridy von Herzog Gun⸗
tharis’ Wurffpeer durchbohrt: und den Burgunden Gun⸗
dobad, welder fich grimmig webrte, drückte der König mit
vem Schild erft auf's Rniee: ex verlor den Helm und
Teja ſtieß thm den Schildſtachel in die Keble.
Wher fchon ftanden Faulantius, der Illyrier, und
Autharis, der Langobarde, vor ihm: mit fdwerer Renle
aus der Wurzel der Steineidhe ſchmetterte der Illyrier auf
des Königs Schild und fdlug ein Stück ves untern
Stablrands heraus: gleideitig traf, didjt über dieſem
Sprung, des Langobarden Lanzenwurf den Schild und
rig ven Beſchlag um den Schildnabel hinweg, ſchwer in
Dem Schilde haftend mit langem Widerhaten und ihn
nad unten 3errend.
Und Taulantius Hob fdon die Stenle gegen ded
Königs Vifir.
465
Da entſchloß fic Veja kurz: den halbzertrümmerten
Schild opfernd, ſchmetterte er diefen mit dem Stadel
in des Illyriers vifirlofes Antlitz, den Schild fahren
laſſend: und faſt gleichzeitig ſtieß er dem anſtürmenden
Autharis, des Schlachtbeiles Spitze durch den Ringpanzer
in die Bruſt.
Aber nun ſtand der König ohne Schild: und die
feindlichen Fernkämpfer verdoppelten ihre Speere und Pfeile.
Mit Beil und Schwert nur wehrte Teja den von
allen Seiten dicht heranſauſenden Geſchoſſen.
Und ein Hornruf von dem Paß her mahnte ihn,
umzuſchauen.
Da ſah er den größten Theil der von ihm aus
der Schlucht geführten Krieger gefallen: die Ferngeſchoſſe,
vie zahlloſen, batten fie niedergeftredt: und ſchon hatte
fie, von der Linfen einfdwenfend, eine ftarfe Schar Lango-
barben, Perſer und Armenier von der Flanke erfagt und
un Nahekampf erreicht: von rechts aber fab der König
eine Golonne von Lhrafiern, Makedonen und Franken
mit gefallten Gpeeren auf die Wadter am Engpaß an-
Dringen, wabrend eine dritte Abtheilung: Gepiden, Wla-
mannen, Sfaurier und Illyrier ihn felbft und das
ſchwache, nod inter ihm haltende Hauflein von dem
Rückweg nad) dent Engpaß abjutrennen verfuchte.
Scharf blidte Leja nad dem Engpaß: da verſchwand
für einen Wugenblid das Banner Theoderichs: es ſchien
gefallen.
Dies entſchied des Königs Entſchluß.
„Zurück, zum Paß! Rettet Theoderichs Panier!“ ſo
Tahn, Cin Kampf um Rom. IV. 30
466
rief er den hinter ihm Kämpfenden zu und ſtürmte zurück,
indem er die ihn umgarnente Sdaar durdbreden wollte.
Aber viefer war e8 grimmiger Ernſt: denn Johannes
führte die Iſaurier.
Auf ten König!“ ſchrie er. „Laßt thn nicht durch,
laßt ihn nicht zurück. Speere! Werft!“
Nun war Aligern heran:
„Nimm raſch meinen Schild.“
Teja ergriff ren dargebotnen Büffelſchidd —: in
dieſem Augenblick flog des Johannes Wurflanze und
hätte des Königs Viſir durchbohrt, hob dieſer nicht gerade
noch den neugewonnenen Schild.
„Zurück zum Paß!“ rief Teja nodmal. und rannte
mit ſolcher Gewalt gegen den anſtürmenden Johannes,
daß dieſer rücklings niederſtürzte: die zwei nächſten Iſaurier
erſchlug der König.
Und nun eilten Teja, Aligern, Guntharis, Hilde⸗
brand, Grippa, Wiſand und Ragnaris ſchleunig gegen
den Paß.
Aber hier tobte bereits der Kampf.
Alboin und Giſulf hatten hier geſtürmt und ein
ſchwerer, ſpitzer Lavablock, von Alboin mit zwei Händen
geſchleudert, hatte Adalgoth auf den Schenkel getroffen
und für einen Augenblick in's Knie geſtürzt.
Dod) ſchon hatte Wachis vas ſinkende Banner Theo⸗
derichs ergriffen und Adalgoth ſelbſt, fic aufraffend, den
eindringenden Langobardenfürſten mit dem Schildſtachel
aus dem Engpaß geſtoßen.
Des Königs und ſeiner umgebenden Helden plötz⸗
467
liche Rückkehr machte den Bedrängten Luft: haufenweis
fielen die Langobarden vor den unerwarteten Angreifern
im Rücken: mit Gefdret braden zugleich vie Wächter
des Paſſes hervor und raſch fprangen und liefen die
Yangobarden, ihre Führer mit fortreißend, über die Lava⸗
flippen binab.
Aber nicht weit famen fie.
Da nahm fie der Sfaurier und Illyrier, der Gepiden
und Alamannen ftarfer Sdladthanfe, geführt von Jo⸗
Hannes, auf.
Diefer hatte, zähneknirſchend, fich erhoben, den Helm
zurecht gefdhoben und war fofort, Kehrt commanbdirend,
gegen den Pak geriidt, melden Leja nun erreidt.
„Vorwärts,“ befahl er, ,bieher zu mir, Afboin, Gi-
fulf, Vitalianus, Zenon, dranf! laft ſehn, ob diefer
König denn wirklich gan, unſterblich iſt.“
Teja hatte nun wieder ſeine alte Vorkämpferſtellung,
an der Mündung des Paſſes, eingenommen und lehnte,
ſich verkühlend, auf ſeinem Beil⸗Schaft.
„Nun, Barbarenkönig, geht's zum Ende. Biſt du
wieder in dein Schneckenhaus gekrochen? Komm heraus
oder ich ſchlag' dir ein Loch in's Haus! Komm heraus,
wenn du ein Mann biſt!“ So rief Johannes und wog
den Wurfſpeer.
„Gebt mir drei Speere!“ ſprach Teja und reichte
Schild und Art vem verwundet neben ibm ſtehenden
Adalgoth. „So! nun, ſowie er gefallen, folgt mir.“
Und ohne Schild trat er einen Schritt in's Freie,
in jeder Hand Speere.
30*
468
»Willfommen im Freien! Und im Tove!” rief Se:
Hannes und warf.
Meifterhaft war fein Wurf gegielt, ſcharf auf dea
Königs Helu-Vijir.
Uber Teja bog den Kopf yur Rechten wand an dev
Felswand fplitterte vie kräftig gefdlenderte Eſchenlanze.
Sowie Teja mit ver Rechten nun feinen erften Speer
entfandte, warf fid) Johannes auf das Antlitz: ber Speer
traf und tödtete Benon hinter thm.
Rafd war Bohannes wieder auf den Füßen und
ſchoß, wie der Blig, auf den König los: den zweiten
Speer, welden des Königs Redjte entfandte, fing er mit
dem Schild.
Aber Teja hatte diesmal augenblidlid, nad dem
Wurf aus ver Rechten, aud) aus der gleid) geiibten Lins
fen eine Lange gefdleudert: und diefe, von dem Anren⸗
nenden nidt bemerft, durdbobrte den Schuppenpanzer
und die Bruft des tapfern Mannes, im Rücken hervor:
dringend.
Er fiel.
Da faßte ſeine Iſaurier und Illyrier Entſetzen —
denn er galt nach Beliſar für den erſten Helden von
Byzanz.
Sie ſchrieen laut auf, wandten ven Rücken und
flohen, in wilden Sätzen, ordnungslos, den Berg herab
ſpringend, verfolgt von Teja und ſeinen Helden.
Einen Augenblick hielten noch die wieder geſammelten
Langobarren.
469
„Komm, Sifulf — beiß vie Zähne zuſammen —
beſtehn wir dieſen König des Todes,“ rief Alboin.
— Aber da ſtand ſchon Teja — hoch blitzte ſein
ſchreckliches Beil: — zwiſchen ihnen: durch den Ringe
panzer tief in die rechte Schulter gehaun ſtürzte Alboin
und gleich darauf Giſulf mit zerſchmettertem Helm.
Da war kein Halten mehr: Langobarden, Gepiden,
Alamannen, Heruler, Iſaurier, Illyrier jagten, in blinder
Flucht entſchart, den Berg hinab.
Jauchzend verfolgten Teja's Genoſſen: Teja ſelbſt hielt
an dem Paß: er ließ ſich nur von Wachis Speere
reichen und, hoch über die gothiſchen Verfolger hinweg, im
Bogenflug zielend, traf er Wurf auf Wurf und töodtete,
was er erreichte: es waren des Kaiſers beſte Truppen:
ſie riſſen die nachrückenden Makedonen, Thrakier, Perſer,
Armenier und Franken mit fort: bis an des Narſes
Seite flutheten die Verſprengten: beſorgt hob ſich dieſer
aus ſeiner Sänfte.
„Johannes gefallen!“
„Alboin ſchwer wund,“ riefen ſie, an ihm vorüber
eilend.
‚„Flieht! zurück in's Lager!“
„Eine Angriffsſturmſäule muß nen —“ ſprach Narſes,
„ha ſieh —: da kommt Cethegus: zur rechten Zeit!“
Und er war's.
Vollendet hatte er den langen Umritt bei allen
Scharen, welchen Narſes Römer und Stalier zugetheilt,
gegliedert hatte er fie in fünf Haufen vou je dreihundert
470
Mann: nun fdritt er an ihrer Spite, der zum Angriff
@eordneten, rubig voran.
Anicius folgte von ferne: Syphax ging, zwei Speere
tragend, hart inter feinem Herrn.
Die flüchtenden Geſchlagnen in ihren Zwiſchen⸗
Raumen hindurdy fluthen laffend ritdten die Stalier vor:
bie Mteiften alte Legionare aus Rom und Ravenna, Gethe-
gus treu ergeben.
Die gothifden Verfolger ftugten, als fie anf dtefe
frifde, itbermadtige und wohl geordnete Sturmſchar
ftiefen und widen langſam gegen den Engpaß juriid.
Uber Cethegus folgte.
Ueber die blutige, fleichenbededte Stelle, wo Teja
zuerft den Bund der Zwölf vernidtet, über den weiter
oben gelegnen Rampfplag, wo Sohannes gefallen war,
ging er in gleidmiapigem, rubigem Schritt binweg,
Schild und Speer in der Linken, das Sdwert in der
Rechten: hinter ihm, die Lanzen gefallt, vie Legionare.
Schweigend, ohne Feldruf, ohne Tubatine rückten
lie den Berg entpor.
Die gothifden Helden wollten nicht hinter ihren
Konig in den Pag weiden.
Cie hielten vor der Mündung.
Guntharis war der Erfte, ven Cethegus erreidte.
Des Herjzogs Wurffpiek fplitterte an feinem Schild:
und gleid) darauf ſtieß ihm Gethegus ren Speer in rie
Weiden: in ver Wunde brad der tödtliche Schaft.
Graf Grippa von Ravenna wollte den Wölſungen
raden: er fdwang, weit ausholend, das lange Schwert
471
liber vem Haupt: aber Cethegus unterlief den Hieb und
ftieR dem alten Gefolgsmann Theoveridhs vad breite
Rimer «Schwert in die rechte Schulterhöhle —: er fiel
und ftarb.
Bornig fdritt Wifand, der Bandalarinus, gegen Cethes
gus heran: die Klingen kreuzten fic: Funken ftoben aus
den Schwertern und den Helmen: da parirte geſchickt
Gethegus einen allzu ungefiigen Hieb und ehe der Gothe
fic) wieder gebedt, ftieR ex ihm das Schwert in den
Schenkel, dak vas Blut hodauf fpriste.
Wifand wankte —: gwet Vettern trugen den Bers
wundeten davon.
Sein Bruder, Ragnaris von Tarent, lief Cethegus von
der Seite an: aber den ſehr wohlgezielten Speerſtoß riß
Syphar, hinzuſpringend, in die Höhe: und ehe Ragnaris
den Speerſchaft losgelaſſen und das Handbeil aus dem
Gürtel geriſſen, ſtieß ihm Cethegus das Schwert zwiſchen
den Augen in die Stirn.
Erſchrocken wichen die Gothen vor dem Engpaß dem
ſchrecklichen Römer aus und drängten ſich, neben ihrem
König vorbei, in die deckende Schlucht.
Nur Aligern, Teja's Vetter, wollte nicht weichen:
er warf den Speer ſo ſtark auf des Cethegus Schild,
daß er dieſen durchbohrte: aber Cethegus ließ den Schild
ſinken und fing den Wild⸗Anrennenden mit dem Schwert
ab: in die Bruſt geſtoßen fiel Aligern in des alten Hilde⸗
brand Urme, der, feinen fdweren Steinbammer fallen
lajfend, mit Mühe ven Verwuundeten an Teja vorbei in
ren Engpaß tragen wollte. ,
472
Zwar aud Aligern hatte gut getroffen: ſtark blutete
des Gethegus Schild⸗Arm.
Doch er achtete es nicht: nachdringend wollte er
beide Gothen, Hildebrand und Aligern, tödten: da erſah
Adalgoth den verhaßten Verderber ſeines Vaters.
arid)! Alarich!“ rief ex mit heller Stimme: und
vorſpringend raffte er des alten Waffenmeiſters ſchwere
Steinaxt vom Boren auf: ‚Alarich,“ rief er nochmal.
Cethegus horchte hoch auf bei dieſem Namen.
Da ſauſte die Steinart, ſcharf gezielt, heran und ſchlug
ſchmetternd auf ſeinen ſtolz geſchweiften Helm: betäubt
fant Cethegus um: Syphar ſprang hinzu, faßte thn mit
beiden Armen und riß ihn rückwärts aus dem Gefecht.
Aber vie Legionare widen nicht: fle konnten nicht
weichen: hinter ihnen drängten, von Narſes nachgeſchickt.
zwei tauſend Perſer und Thrakier empor.
„Wurfſpeere herbei,“ befahl ihr Führer Aniabedes.
einen Nahekampf!
Mit Wurffpeeren überſchüttet ren König, bis er fällt.
So hat Narſes geboten!“
Und gerne gehorchten die Truppen dem Gebot, das
ihr Blut zu ſparen verhieß.
Gin fo furchtbarer Hagel von Geſchoſſen ſchlug als⸗
bald wider die ſchmale Miindung der Schlucht, daß fein
(othe mehr beraus und vor den König yu treten vers
vermochte.
Und nun vertheidigte Teja, den Engpaß mit ſeinem
Leib und ſeinem Schilde deckend, geraume, ſehr geraume
Zeit, ganz allein, fein Gothen-Volk.
473
Bewunderungsvell hat uns Profop, nad) der Augen⸗
zeugen Beridt, dieſen legten Kampf ves Teja gefdildert.
„Nun hab’ id) das Gefedt zu ſchildern, das höchſt
denkwürdige, und eines Mannes Heldenthum, das hinter
keinem derer, die man Heroen nennt, zurück ſteht —:
des Teja. Er ſtand, Allen ſichtbar, mit dem Schilde
gedeckt, den Speer zückend, vor der Schlachtreihe der
Seinen. Alle tapferſten Römer, deren Zahl groß war,
ſtürmten nur gegen ihn an: denn mit ſeinem Fall,
meinten fie, fet ver Kampf zu Ende. Alle ſchleuderten
und ſtießen auf ihn die Lanzen: er aber fing die Lanzen
ſämmtlich auf mit ſeinem Schild: und er tödtete in
plötzlichem Anſprung Einen nad) dem Andern, Uns
zählige. Und wenn der Schild ſo ſchwer von Geſchoſſen
ſtarrte, daß er ihn nicht mehr halten konnte, winkte
er dem Schildträger, der ihm einen neuen reichte: ſo
ſtand er, nicht ſich wendend und etwa auf den Rücken
den Schild werfend und weichend: ſondern feſt, wie in
die Erde gemauert, ſtand er: dem Feinde mit der Rechten
Top bereitend, mit der Linken von ſich den Tod ab⸗
wehrend, und immer dem Waffentrager nad) neuen
Silden und neuen Speeren rufend.“
Wachis und Adalgoth waren e8, welde — aus dem
Königshort waren Sdhilde und Speere haufenwets heran⸗
geſchleppt worden — ihm immer neue Waffen reidten.
Endlich fant ven Römern, Perfern und Chrafiern
Der Muth, als fie alle ihre Anftvengungen an dem
lebendigen Sdild der Gothen fcheitern und jeden Vorderften.
474
Rithnften ver Fhrigen, von dem Speer des Königs erreidt,
fallen ſahen. .
Sie wanften —: Die Stalier riefen ängſtlich nad
Cethegus —: fie flohen.
Da fubr Cethegus aus feiner fangen Betäubung auf.
„Sypharx, einen frifden Speer!
Halt,“ rief er, ,ftebt, thr Rsmer! Roma, Roma
eterna !"
Und hod ſich anfridtend fdjritt er gegen Leja heran.
Die Römer erfannten feine Stimme.
»Roma! Roma eterna !« antworteten fie und ftanten.
Aber aud) Leja hatte dieſe Stimme erfannt.
Bon zwölf Lanzen ftarrte fen Schild — er fonnte
ihn nicht mebr alten: aber da er den Heranſchreitenden
erfannte, dachte er nidjt mehr des Schildwechſels.
„Keinen Shilo! Mein Schlachtbeil! Raſch!“
rief er.
Und Wachis reichte ihm die Lieblingswaffe.
Da ließ König Teja ven Schild fallen unr fprang,
das Schlachtbeil ſchwingend, aus dem Engpaß auf
Cethegus.
„Stirb, Römer!“ rief er.
Scharf bohrten die beiden großen Feinde noch einmal
Aug' in Auge.
Dann ſauſten Speer und Beil durch die Luft —
denn keiner dachte der Abwehr.
Und beide fielen.
Teja's Beil drang mit der Speerſpitze durch Schild
und Harniſch in des Cethegus linke Bruſt.
475
»Roma! Roma eterna!« rief er nod einmal.
Dann fant er todt juriid. —
Gein Speer hatte ven König m die redjte Bruft
getroffen: nicht todt, aber fterbendwund, trugen ihn
Wadis und Avalgoth in den Pak.
Und fie batten Eile damit.
Denn als fie endlid) den König ver Gothen fallen
gefehen —: acht Stunden hatte er ununterbroden ges
fampft und e8 neigte gum Abend —: da rannten alle
Stalier, Perfer, Thrakier und, von unten auffteigend,
nene Schlachthaufen gegen den Engpaß, melden nun
Adalgoth mit dem Schilde vedte: Hildebrand und Wachis
ftanden binter ihm.
Des Gethegus Leiche hatte Syphay mit beiden Armen
umfdlungen und feitwarts aus dem Getiimmel getragen.
Laut auffdludsend bhielt er das edle Haupt, im
Tove von hehrer Majeſtät faft über Menſchen⸗Maß
hinaus verklärt, auf den Knieen.
Vor ihm, gegen den Engpaß hin tobte der Kampf.
Da bemerkte der Maure, daß Anicius, gefolgt von
einer Byzantiner⸗Schar, — auch Scävola und Albinus
erkannte er darunter, — ſich ihm, gebieteriſch deutend,
näherte.
„Halt,“ rief er aufſpringend, was wollt ihr?“
„Das Haupt des Präfecten, dem Kaiſer zu Pringen,”
ſprach Wnicius.
„Gehorche, Sklave!“
Uber Syphax ſtieß einen gellenden Schrei aus —:
fein Wurffpeer flog und Anicius fel.
476
Lind pfeilſchnell, ebe die Undern, mit dem Sterbenden
beſchäftigt, näher gefommen waren, hatte Syphar rie
thenre Laft auf den Rücken gehoben und rannte damit,
rafd wie ver Wind ungangbare Pfade, die faft ſenk⸗
redjten Lavallippen hinauf, neben dent Engpaß, eine
Wand empor, welde Gothen und Byzantiner bisher
als unerſteiglich betradtet.
Syphar klomm raſch und raſcher hinauf.
Sein Richtpunct war die kleine Rauchſäule, welche
hart jenſeit der Lava⸗Wand emporſtieg.
Denn dicht jenſeit der Felsklippe gähnte einer der
kleinen Krater⸗-Riſſe ves Veſuvs.
Einen Augenblick noch hielt Syphax inne auf dem Grat
des ſchwarzen Felſens: auf beiden ſtarken Armen hob
er des Cethegus Leiche noch einmal wagrecht in die
Höhe, der ſinkenden Sonne die ſtolze Geſtalt zeigend.
Und plötzlich waren Herr und Sklave verſchwunden.
Der Feuerberg hatte mit Syphax, dem treuen, den
todten Cethegus, ſeine Größe und ſeine Schuld in dem
brennenden Schoſe begraben.
Er war entrückt dem kleinen Haß ſeiner Feinde.
Seävola und Albinus, welche ren Vorgang mit an⸗
geſehn, eilten zu Narſes und forderten, man ſolle an bem
Krater nach der Leiche forſchen.
Narſes aber ſprach:
„Gönnt dem Gewalt'gen ſein gewaltig Grab. Er
hat's verdient.
Mit Lebenden und nicht mit Todten kämpf' id.“
Aber im gleichen Augenblick faſt verſtummte auch
477
ver laute flirrende Kampf um den Engpaß, an weldem
Adalgoth, nicht unwiirdig feines königlichen Harfen- und
Speermeifters Teja, dem Anfturm ver Feinde helden—
miithig und todesfithn webrte.
Denn wahrend, inter Avalgoth ftehend, Hilde-
brand und Wachis pliglich riefen: „Seht auf vas Meer!
Das Meer! Die Dradenfdiffe! Die Mordlandbhelden!
Harald! Harald!" — mabnten von unten, von der
Ganfte des Narſes her, feierlidje Tubatöne zur Ein—
ftellung des Kampfes, zur Waffenruhe —: ſehr freuvig
fenften die fampjesmitden Byzantiner vie Schwerter.
König Teja aber, der auf feinem Schilde lag —
ven Speer ves Cethegus herausguziehen, hatte Hildebrand
verboten — ,denn mit feinem Blute fließt fein Leben
hin’ — frug mit leifer Stimme :
„Was hör' id) da rufen? Die Nordlandhelren?
Shre Sdiffe? Harald ift da?“
oa: Harald und Crrettung fiir den Reft ves
Volkes, fiir uns und: — fiir die Frau'n, die. Kinder“
— jubelte Avalgoth, an fener Seite kniernd. „So war
e8 nidt umfonft, du ewig theurer Held, dein unver-
gleichlich Heldenthum, dein ftundenlanges Ausharren über
Menſchenkraft! — Baſiliskos kam ſo eben als Geſandter
Des Narſes —: Harald hat die „joniſche Flotte“ des
Kaifers vernidtet im Hafen von Brundufium: er drobt
mit Landung, mit neuem Angriff den müden Byzantinern:
ex fordert, was von uns mod) lebt, davon gu fiihren,
mit Wehr und Waffen und Gerath, im die Freibeit,
nad) Thuleland. Narſes hat eingewilligt: er ebre, fagt
478
er, König Teja's hohes Heltenthum an ſeines Bolfes
Meften. Dürfen wir? o diirfen wir, mein König?“
oa," fpradg Teja mit brechenden Augen. Ihr
dürft und follt. Fret, gerettet unſres Volkes Refte! —
vie Frauen, vie Kinder — Heil mir! — nidt in den
Veſuv! Ba, führt nad) Chuleland alle nod Lebenden:
— unt nehmt aud mit die beiden Todten: den Konig
Sheorertdh und —"
Und König Leja!" fprach Adalgoth und küßte des
Todten Mund.
Sechzehntes Caypitel.
Und fo war's gefdefen und alfo geſchah's.
Schon gleich nachdem Narſes ſein Zelt verlaſſen, ward
ihm ein Fiſcher zugeführt, der, auf kleinem, ſchnellem
Fahrzeug ſoeben um die Landzunge von Surrentum ge—
ſegelt, verſicherte, eine ungeheure Kriegsflotte der Gothen
ſei im vollen Anſegeln begriffen.
Narſes lachte dazu: denn er wußte, daß auf allen
Meeren kein Gothenkiel mehr ſchwamm.
Näher befragt mußte der Fiſcher geſtehn, die Flotte
allerdings nicht ſelbſt geſehn zu haben: Kaufleute hätten
ihm davon erzählt und von einer großen Seeſchlacht, in
welder vie Gothen bet Brunduſium die „joniſche Flotte“
des Raiſers vernichtet.
Das war nun unmöglich, wie Narſes wohl wußte.
Und nachdem der Fiſcher das Anſehn der angeblichen
Gothenſchiffe, nach Mittheilung ſeiner Gewährsmänner,
geſchildert, rief der Feldherr:
„Nun, endlich kommen ſie! Triremen und Galeeren:
das ſind ja unſere Schiffe, welche alſo in Sicht ſind,
nicht gothiſche.“
480
An die Wikingerflotte, welche feit vier Monden vers
fhollen war und al8 nad Norden yugelehrt galt, dachte
niemand.
Wenige Stunden darauf, während der Kampf um
ven Eng-Paß, alle Aufmerkſamkeit feſſelnd, tobte, ward
Narſes von den Küſtenwächtern wirklich die Annäherung
einer ſehr großen kaiſerlichen Flotte gemeldet: deutlich
habe man das Schiff ves Nauarchen, vie Sophia, er⸗
kannt: doch ſei die Zahl der Segel viel größer als man
erwariet: auch die von Narſes entgegen geſchickten Schiffe,
die zur Eile hatten mahnen ſollen, ſeien darunter: dieſe
ſegelten in erſter Linie: der friſche Süd-⸗Oſtwind müſſe
ſie bald auf die Höhe des Lagers führen.
Und bald fonnte Narſes ſelbſt von ſeiner Ganfte
aus auf vem Hügel ren pradtvollen Anblid der mit
pollen Srge und von eifriger Ruderkraft herangetriebs
nen Flotte gentefen.
Beruhigt wandte er den Blic wieder den Kämpfen⸗
Den auf dent Vefuve zu —: als ploglid ans dem Lager
Boten ihn erreidjten, welde furdtbar jene Gerüchte bes
ftatigten oter vielmehr nod) Schlimmeres meldeten.
Sie waren einer Geſandtſchaft voransgeeilt, melde,
gerade als Gethegus gegen Teja zum legten Kampfe
fcritt, bet des Narſes Ganfte anlangte: e8 waren, mit
gebundnen Händen, vie Nauarchen der ,jonifden Flotte”,
welde zugleich vie Botſchaft der vier fie gelettenden
Nordmanner verdollmetfdten.
Gie erzihlten tury, daß fie, im Hafen von Brundu⸗
fium, in ftiirmifder Nacht, von der fiir lingft verſchwun⸗
A481
ven eradjteten Glotte dev Wikinger itberfallen und ihre
Schiffe faft We genommen feten: entfommen, um gu
warnen, fonnte nidjt Eines, da die Feinde den Hafen
{perrten.
Nachdem Jarl Harald den drohenden Untergang des
am Veſuv jufammengedrangten Reftes ver Gothen er⸗
fahren, babe er gefdworen, deren Fall gu wenden oder zu
theilen: und nun feien fie, die genommenen Griechenſchiffe
vorausfdidend und hinter diefen ihre Drachen weislich
bergend, auf ven Flügeln des Oftwinds herangebrauft.
Und fo," ſchloß der Dolmetſch, „ſo ſpricht Harald der
Wiking :
„Entweder: ihr verftattet, dag alle nod) lebenden Go⸗
then, mit Waffen und Habe, auf unſern Schiffen abgiehn
aug dem Siidland, mit un8 in die Heimath fehrend,
wofür wir alle unfre Laufende von Gefangnen und alle
genommenen Schiffe, welde wir nidjt gur Unterbringung
ver Gothen braudjen, herausgeben.
Ober: wir tödten fofort alle unfre Gefangnen, landen
und faffen dein Lager und Heer im Rücken.
Dann fiehe zu, wie viele von Cud, von den Gothen
UND von uns, von Stirn und Ritden angegriffen, brig
bleiben werden: denn wir Nordmänner kämpfen dann
bid gum legten Mann: id) hab's gejdworen bet Odhin.“
Ohne Befinnen gewahrte Marfes den Abzug der
Gothen.
„Ich Habe nur gefdworen, fie aus dem Reich, nicht
aus der Welt yu fchaffen.
Wenig Ruhm bradte e8, den armen Reft folch’ edeln
Dabn, Gin Kampf um Rom. IV. 31
482
Bollsthums mit Uebermadht gu Tod gu wiirgen: id
ebre diefed Teja Heldenthum: in vierzig Jahren des
Krieges hab’ ich feinesgleidben nidt gefebn.
Und durchaus nicht verlangt mid, gu erproben, mie
mein tief erfchiittert Heer, das einen Lag des furdte
barften Rampfes hinter fidj, faft alle feine Führer und
bie tapferften Männer verloren hat, diefen Nordland⸗
tiefen, die frifd) an raft und Muth daher kommen,
widerſtehn würde.“
Und ſo hatte denn Narſes ſofort Herolde auf die
Schiffe Haralds und nach dem Engpaß geſchickt: der
Kampf ward eingeſtellt: der Abzug der Gothen begann.
In langer, vom Berge bis an das Meer reichender
Doppelreihe bildete das Heer ves Narſes Spalier: die
Wikinger hatten vierhundert Mann gelandet, welche an
der Küſte die Heranſchreitenden in Empfang nahmen.
Noch bevor jedoch der Zug begann, winkte Narſes
Baſiliskos heran und ſprach:
„Der Gothenkrieg iſt aus — der Edelhirſch erlegt:
— jetzt fort mit den Wölfen, die ihn uns gehetzt: die
Führer der Langobarden, wie ſteht's mit ihren Wunden?“
„Bevor ich antworte,“ ſprach Baſiliskos ehrerbietig,
nimm bier den Lorberkranz, welchen dir dein Heer ges
wunden hat: e8 ift Lorber vom Vefuvius, vom Paß da
oben: Blut liegt auf den Bléttern.”
Narſes ſchob ven Kranz zuerſt abwetfend mit ver
Hand zurück, dann fprad er: ,gieb, 's ift gut."
Uber er legte ihn neben ſich in die Sänfte.
„Autharis, Warnfrid, Grimoald, Aripert, Agilulf und
483
Rotharis find todt: fie haben über ficbentaufend Dann
verloren: Alboin und Gifulf liegen reglos, tief wund
in ihren Relten.”
Out! Sehr gut! Sowie die Gothen eingefdifft, läßt
pu die Langobarden fofort abfithren: fie find entlaffen
aus meinem Dienft und Alboin fagft vu gum Abſchied
pon mir nur das Cine:
tad) des Narſes Cod, vielleidht: aber ganz gewif
nicht früher.“
„Ich aber bleibe hier in der Sänfte: ſtützt mich mit
den Kiſſen —: ich kann nicht mehr ſtehn —: dies wun⸗
derbare Schauſpiel muß ich ſehn.“
Und wahrlich, ein wunderbares, ein erſchütternd
großartiges Schauſpiel war es —: die letzten Gothen,
die dem Veſuv und Italien den Rücken wandten und
die geſchnäbelten Schiffe beſtiegen, welche ſie nach dem
ſichern Norden bergend davon trugen.
Feierlich und ernſt ſchollen die Rufe der gothiſchen
Heerhörner aus der unbezwungenen, vom Feinde nicht
betretenen Leja-Sdludt, in langen Panfen.
Dajwifden erflang eintinig, ernft, ergreifend, aber S
nicht weichlich, der Gefang der Männer, Frauen und ©
Kinder —: die alten Todtenlieder des Gothenvolfs.
Hildebrand und Woalgoth — die legten Führer, die
filbermetgRe Vergangenheit und die goldne Zukunft —
hatten den Abzug geordnet.
Voran ſchritt, in vollen Waffen, aufrecht, in trotzig
ernſter Haltung, eine halbe Tauſendſchaft, geführt von
Wiſand, dem Bandalarius, der, trotz ſeiner Wunde,
31*
*
⸗
484
fraftig aufgeridhtet, auf den Speer geſtützt, den Bug
erdffmete.
Darauf folgte, auf feinem letzten Schilde hinges
firedt, ben Gpeer des Gethegus in der Bruft, ohne Helm,
von den langen, ſchwarzen Loden dads edle, bleiche Angeſicht
umrahmt, König Leja, bededt mit rothem Purpurmantel,
von vier Kriegern getragen.
Dinter ihm fdritten Adalgoth und Gotho.
Adalgoth aber fang und fprad mit ernſter Stimme
gu den leifen Klängen der Harfe in feinem linfen Arm:
„Gebt Raum, ihr Volter, unfrem Schritt:
Wir find die legten Gothen:
Wir tragen feine Krone mit: —
Wir tragen einen Todten.
Mit Schild an Schild und Speer an Speer
Wir zieh'n nad Nordlands Winren,
Bis wir im fernften grauen Meer
Die Inſel Thule finren.
Das foll der Creue Infel fein,
Dort gilt nod) Cid und Ehre:
Dort fenten wir den Konig ein
Sm Garg der Ciden-Speere.
Wir fommen her — gebt Raum vem Sdritt —
Aus Roma’s falfden Thoren:
Wir tragen nur den König mit — —
Die Krone ging verloren.” —
485
Als die Bahre an Narſes Sänfte gelangt war, ges
hot diefer Halt und rief auf latemnifd mit lauter Stimme :
„Mein ward der Sieg, — aber ihm ver Lorber.
Da, nimm ihn bin!
Ob fommende Gefdledter Größeres fdauen, ftebt
dahin: heute aber, Konig Leja, grüß' id) did) Den größten
Helden aller Zeiten!“
Und er fegte den Lorberkranz, den ihm fein fiegreid
Heer gewunden, auf des Lodten bleiche Stirne nieder.
Die Crager nahmen dte Bahre wieder auf: und lang:
fam und feierltd), unter den Tönen ver Horner, der
Todtengefange und von Adalgoths filberflingender Harfe,
{djritten fie weiter an das Meer, das nun fdon pradts
voll im Abendgolde glühte.
Didt hinter Teja wurde ein hochragender Purpur⸗
thron getragen: auf dtefem rubte die hehre, fdjweigende
Geftalt Dietrichs von Bern: den Kronhelm auf dem
Haupt, den hohen Schild am linfen Arm, den Speer
an Die rechte Schulter gelehnt: gu feiner Linfen ſchritt
ber alte Hiltebrand, vas Auge unverwanvt auf feines
Königs Leiche gerichtet, welche im Strahl der unters
gehenden Gonne in vem Purpurmantel magifd gleigend
glithte: hod) bielt ex dads ragende Amelungen - Banner
mit Dem fteigenden Lowen über des groffen Todten
Haupt: ver Abendwind des aufonifden Meeres rauſchte
in den Falten ver gewaltigen Fahne: in Geifterfpraden
fchien fie Abſchied zu nehmen von den italiſchen Lüften.
Als pie Leiche an Narfes offner Sanfte vorüber ges
tragen wurde — fprad) Narſes:
486
„Am Schauer erfenn’ ich e8, der mid durddringt —
das ift der weife Rinig von Ravenna! Erſt ward ein
Stärkerer — hier wird ein Griferer an uns vorbei
getragen.
Thun wir danach.“
Und mit Anftrengung erhob er fic) in feiner Sanfte
und bengte verehrend vor dev Leide das Haupt. —
Hierauf folgter, auf Tragbahren ober geſtützt oder
aud) auf den Armen getragen, vie Verwundeten —: deren
Bug erbffnete Wligern, welden Wachis und Liuta mit
zwei Sriegern auf breitem Schilde trugen.
Daran ſchloſſen fid) die Truhen und Laden, Riften und
Körbe, in welden ver Königshort Theoderidhs und die bid
dahin in der Wagenburg geborgne Fabrhabe der Einzel⸗
fippen, dem Bertrage gemäß, von dannen getragen wurde.
Hierauf wogte der große Haufe ver Webhrunfabigen,
der Frauen, Madden, Kinder und Greife —: die Knaben
aber vom jehnten Sabre ab batten die ihnen anvertrauten
Waffen nun und nimmer wieder abgeben wollen: und
fie bilbeten eine befondere Schar.
Narſes ladelte, als vie fleinen, blonden Helden fo
trogig und zornig zu ihm empor blidten: ,Jtun," fagte
ex, es ift dafür geforgt, daß des Kaiſers Nachfolger
und ihre Feldherrn auch noch Arbeit finden.“
Den Schluß des ganzen Zuges bildete dann der Reſt
des geſammten Vollsheers, nach Hundertſchaften gegliedert.
Zahlreiche Bote vermittelten die Einſchiffung der Men⸗
ſchen und ihrer Habe auf den hochbordigen Drachen der
Nordmänner.
487
Teja’s und Theoderichs Leidhe, vie Königsfahne und
der Königshort wurden auf das Schiff Haralds und Harals
da's gebradjt: ver große Dietrid) von Bern ward auf
feinem Burpurthron an den Hauptmaft gelehnt und fein
Lowen = Banner aufgezogen als Hod + Flagge; gu feinen
Füßen bettete fid) der alte Hildebrand.
Bor vem Steuer aber ward von Wdalgoth und
Wiſand Konig Teja’s Leiche niedergelegt: trauervoll traten
der gewaltige Harald und feine ſchöne Schweſter eran.
Der Wiking legte die gepanjerte Hand auf ves Todten
Bruft und fprad:
„Nicht fonnt’ id) did) retten, todeskühner Schwarz⸗
könig, dich und dein Volk.
So laß dich mit führen und den Reſt der Deinen
nad) vem Land der Treue und Stärke, daraus ihr nies
mals hättet ſcheiden follen.
So bring id) denn dem König Frode body bas
Gothenvolk zurück.“
Haralda aber ſprach: ich aber will mit seSeimen
Kiinften des edlen Todten Leth verwahren, dak er dauern
foll big wir landen auf der Heimath Küſte!
Da wollen wir ihm und König Thivrefr das Hügel⸗
grab wölben nabe ver Gee, daß fie vie Brandung
raufden hören mögen und Zwieſprach taufden unter
einander.
Denn dieſe beiden find einander werth.
Sieh hin, mein Bruver —: am Strande fteht ges
{dart ver Feinde Heer —: ebrerbietig fenfen fie die
Fahnen —: und glithend fintt bie Gonne dort hinter
488
Mifenum und jenen Snfeln —: Purpur redt das Meer
wie ein weiter Rinigsmantel —: Purpur fairbt unſre
weigen Gegel und Gold ſchimmert auf allen Waffen —:
fieh, wie der Südwind das Banner König Thivrefrs
hebt —: nad Jorden weift der Wine, ber da der Götter
Wille weiß —: auf, Bruder Harald, laß die Anker
lichten !
Rite das Steuer, wende des Draden Bug!
‘Auf, Freya's kluger Vogel, flieg, mein Falfe* und
hod) warf fie den Falken in die Luft — ,weife den
Weg — nad Norden! gen Chuleland! Heim bringen -
wir die legten Gothen.“